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Die Trauerweide

von

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Blicke in meine Augen und sag mir was du siehst

Blicke in meine Augen und sag mir was du siehst
 

Sie keuchte, kämpfte sich zurück auf die Füße und umklammerte den Griffe ihres Schwertes fest mit ihren kleinen Händen.

Sie spürte, wie ihr heißes Blut an der Wange hinunter floß, schmeckte auf ihren Lippen den Schweiß der sich dort gebildet hatte.

Angst vibrierte in ihren Nerven.

Lauernd blickte sie in die kalten Augen ihres Gegenübers, wartete auf seinen nächsten Angriff.

Er war stark, stärker als die Anderen es gewesen waren. Ihn zu töten war dieses mal nicht so einfach.

Lauernd umkreisten sie sich, jeder schien abzuwarten was der andere tun würde. Haß sammelte sich in ihr, loderte wie die Flammen eines Feuers auf.

Er hatte ihr alles genommen, was sie besessen hatte, hatte ihr Leben zerstört.

Sie wollte Rache, Rache damit endlich alles ein Ende hatte.

Plötzlich sauste sein Schwert auf sie hernieder, sie hastete zur Seite und die scharfe Klinge streifte ihren Oberarm.

Sie schrie laut auf, als sie spürte wie die Klinge des Schwertes sich in ihr Fleisch grub und der Schmerz ihren Verstand vernebelte.

sie hörte ihn lachen, er lachte sie aus.

Sie preßte ihre freie Hand auf die Wunde, um die Blutung zu stoppen und blickte ihn aus haßerfüllten Augen an.

"War das schon alles Mädchen?" fragte er und schlug ein weiteres Mal mit seinem Schwert nach ihr.

Hastig riß sie ihr Schwert hinauf, beide Klingen prallten aufeinander und es knirschte laut, als Metall auf Metall traf.

"Gib doch endlich auf, dann verschone ich dich vielleicht," schrie er und sein Gesicht verzog sich vor Anspannung und Wut.

Mit alle ihrer Kraft hielt sie dem Druck ihres Gegners stand, wich dann aus, tauchte unter seinem Schlag hinweg, und die Klinge ihres Schwertes versetzte ihm eine Wunde quer über den Bauch. Er heulte auf wie ein Wolf.

"Du elende kleine Hure," schrie er und stürmte auf sie zu.

Leicht, als würde es durch Seide gleiten durchdrang ihr Schwert seine Haut.

Stieß auf einen kurzen Widerstand.

Es knackte laut, als die scharfe Klinge seinen Knochen durchschnitt.

Blut klebte an ihrem Schwert.

Sie hörte, wie er gellend aufschrie, sich den Stumpf, an welchem kurz zu vor seine linke Hand gewesen war, gegen seinen Bauch preßte, um das Blut zurück zu halten.

Leise als wären es Regentropfen floß sein Blut auf den Boden, er sank vor ihr auf die Knie und keuchte laut und unregelmäßig.

Mit langsamen, bedächtigen Schritten kam sie auf ihn zu, blickte in seine Augen.

Angst und Schmerz verzerrten sie zu kleinen Schlitzen.

Er lachte, es klang fast hysterisch in ihren Ohren. Ein letztes Mal versuchte er sich zu wehren, doch sie schlug ihm sein Schwert aus der Hand, und es fiel zu Boden.

Sie richtete ihre Klinge auf seine Kehle und atmete schwer. Ihr junger Körper war erschöpft, am Ende und sie selbst konnte sich nur schwer noch auf den Beinen halten.

"Ich habe dich unterschätzt," flüsterte er und preßte sich den Stumpf noch fester gegen seinen Bauch.

Sein Hemd war bereits mit seinem Blut durchtränkt.

"Auf was wartest du noch? Mach schon, töte mich," schrie er und reckte leicht den Kopf.

"Oder fehlt dir dazu der Mut, Kleine? Komm schon, wenn du es jetzt nicht tust, werde ich dich verflogen, werde dir dein Leben zur Hölle machen, werde dich, werde dich finden und töten! Also auf was wartest du?

Töte mich!"

Zögernd hob sie ihr Schwert, die Klinge blitzte kurz im Sonnenlicht auf.

Ihr Atem ging stoßweise, ihr Körper war wie jedes Mal angespannt, jedes Mal starb dabei ein Teil von ihr selbst.

"Töte mich," schrie er wieder doch dieses Mal noch lauter als zuvor. Sie schloß ihre Augen, spannte ihre Muskeln an, dann ließ sie ihr Schwert auf ihn hernieder fahren.

Laut schrie Ryan auf, sie riß die Augen auf und blickte sich verstört um.

Wo war sie?

Ihr Herz hämmerte gegen ihren Brustkorb, und ihr Haar klebte ihr vom Schweiß durchtränkt an ihrer Stirn.

Sie schüttelte leicht ihren Kopf, beißendes Sonnenlicht stach ihr in die Augen und sie brauchte eine Weile ehe sich ihre Augen an das Licht gewöhnt hatten. Sie spürte das sie am ganzen Körper zitterte und bebte.

"Schon wieder," dachte sie und versuchte diese Bilder aus ihrem Kopf zu verdrängen.

"Nie wird es mich los lassen, niemals."

Sie versuchte tief durch zu atmen und sich zu beruhigen, doch in ihrem Kopf tanzten immer noch diese Bilder, und ihr Körper schien noch einmal diesen Schmerz zu erleben, wie an jenem Tag.

"Warum kann es nicht einfach aus meinem Kopf verschwinden," dachte sie und schlug die Hände vor ihr Gesicht.

"Warum kann ich es nicht einfach vergessen?"

Nach all diesen Jahren war es immer noch so tief in ihr Gedächtnis eingebrannt, es war nicht einmal verblaßt.

Immer noch war es genauso schrecklich, düster und blutig wie an jenem Tag.

Vorsichtig schob Ryan den Ärmel ihres Hemdes hinauf und ihr Blick fiel auf die große Narbe, welche sich um ihren Oberarm wandte, wie eine Schlange.

Leicht berührte sie die grobe Haut und zuckte dann augenblicklich zurück, zischend entwich ihr Atem ihrer Kehle und sie spürte wie ihr schwindelte.

Sie seufzte leise und schob den Ärmel wieder zurück, als könnte sie so ihre Erinnerungen weg sperren.

Sie lehnte sich gegen den Stamm des Baumes, unter welchem sie saß, und blickte hinauf. Sonnenlicht brach durch das Geäst und nur vereinzelt erreichten die Strahlen den Boden.

Sie spürte die Wärme auf ihrem Gesicht und schloß ihre Augen.

"Nicht einmal im Schlaf laßt ihr mich in Ruhe," flüsterte sie leise zu sich selbst.

Sie wußte, diese Geister würden sie niemals los lassen, würden sie egal wohin sie auch ging und wie sehr sie sich auch versuchte zu verstecken jagen, sie würden sie immer wieder finden.

Ihre Kehle zog sich bei dieser Vorstellung zusammen, und sie blinzelte die Tränen, welche sich in ihren Augen zu sammeln begonnen hatten, fort. Sie hatte genug geweint in all den Jahren.

Es war immer sinnlos gewesen. Plötzlich legte sich eine Hand auf ihre Schulter und sie riß erneut ihre Augen auf, doch als sie in Widos Augen blickte beruhigte sie sich sofort.

"Du hast geschrien," sagte er tonlos und setzte sich neben sie.

"Hast du wieder geträumt?"

Ryan nickte leicht und blickte Wido traurig an.

"Ich habe dich schon letzte Nacht wimmern hören," flüsterte er und nahm ihre Hand in die seine, umschloß sie sacht.

"War es wieder der gleiche Traum?"

"Es ist immer der gleiche Traum," erklärte Ryan und blickte auf den kleinen See welcher vor ihnen lag.

"Es ist immer das gleiche," flüsterte sie und ließ ihren Kopf hängen. "Warum läßt es mich nicht los, Wido?" fragte sie ihren Freund und dieser zog sie kurz an sich.

"Weil du das Vergessen nicht zuläßt, mein Kind," sagte er und hielt sie sanft in seinen Armen.

"Wie könnte ich das auch vergessen," rief sie, doch sie vermochte es nicht sich aus Widos Umarmung zu befreien.

"Hast du es jemals wirklich versucht?" fragte er und lächelte wehmütig. "So lange ich dich schon kenne, so lange quälst du dich auch schon. Warum kannst du die Vergangenheit nicht endlich ruhen lassen?"

"Weil ich immer noch das Gefühl habe, als würde ihr Blut an meinen Händen kleben," sagte Ryan und setzte sich auf.

"Ich konnte es nie ganz weg waschen. Manchmal glaube ich es noch an mir riechen zu können."

Ihre Stimme begann zu schwanken und sie brach ab.

Sie verstummte, und ihr Blick wanderte wieder zu dem Ufer des Sees, an welchem Ayesha saß. Ihr schwarzes Haar leuchtete wie die Schwingen eines Raben im Sonnenlicht, und Ryan bemerkte ihren entspannten Gesichtsausdruck.

"Mein armes Mädchen," hörte sie Wido sagen und sie drehte ihren Kopf in seine Richtung.

"Du weißt ganz genau, dass ich es nicht mag, wenn du mich so nennst. Ich bin schon lange kein Mädchen mehr."

Wido schmunzelte und legte einen Arm um sie.

"Ich weiß, aber für mich bist du immer noch manchmal das kleine, wütende Mädchen, das ich kennengelernt habe.

Du bist eigentlich nur größer geworden."

Widerwillig mußte Ryan lächeln, wie schaffte es dieser Mann nur immer wieder sie zum Lachen zu bringen.

"Kann ich dich etwas fragen, Wido?"

"Aber natürlich, du kannst mich alles fragen," sagte er und stopfte sich seine Pfeife.

"Warum liebst du mich?"

"Da könntest du mich auch fragen warum Ebbe und Flut immer wiederkehren. Es ist einfach so.

So störrisch und aufbrausend du auch sein kannst, ich möchte nicht, dass du mich jemals verläßt. In all den Jahren die ich dich jetzt schon kenne, bist du mir einfach an mein Herz gewachsen," kurz hielt Wido inne und ließ den Rauch aus seiner Lunge entweichen.

"Manchmal wünsche ich mir Ryan du wärst meine Tochter, ich hätte dir gerne vieles erspart."

Nachdenklich verstummte Wido und Ryan sah ihn aus großen Augen an, schnell beugte sie sich zu ihm und küßte ihn flüchtig auf seine Wange.

"Wofür war das denn?" fragte Wido sichtlich irritiert.

"Ich weiß nicht," sagte Ryan und lächelte verschmitzt. "Ich dachte einmal kann nicht schaden."

Wido lachte schallend und schüttelte seinen Kopf.

"Jetzt bin ich mir sicher, dass ich was bei dir falsch gemacht habe," sagte er und paffte an seiner Pfeife. "Glaubst du wir schaffen den Rest des Weges in zwei Wochen?"

"Ich weiß nicht," sagte Ryan und blickte nachdenklich auf den See. "Wenn wir weiterhin so langsam voran kommen wie heute eher nicht."

"Du mußt auch an Ayesha denken," räumte Wido ein. "Sie ist es nicht gewohnt so zu reisen wie wir."

"Ich weiß das, Wido," erwiderte Ryan und ihre Stimme klang leicht ärgerlich.

"Ich denke schon an sie."

Argwöhnisch runzelte Wido bei ihren Worten die Stirn und blickte ihr forschend ins Gesicht.

"Was hältst du eigentlich von ihr?"

Ryan antwortete nicht gleich, sondern blickte erneut zu Ayesha hinüber. Was hielt sie von dem Mädchen? Sie wußte es selbst nicht wirklich. Sie dachte an die letzte Nacht.

Vorsichtig umschlossen ihre Finger die Stelle, an welcher Ayesha sie berührt hatte.

"Sie ist stärker als man anfangs glaubt...und sie ist neugierig, sehr neugierig."

"Macht dir das Sorgen?" fragte Wido und hob eine Augenbraue.

"Am Anfang schon," gestand Ryan und blickte kurz zu Wido dann doch gleich wieder zu Ayesha hinüber.

"Ich wußte, dass sie sich vor mir fürchtet, doch seit letzter Nacht weiß ich selber nicht mehr was ich glauben soll."

Verwirrt hielt sie inne, doch ihr Blick war immer noch auf Ayesha gerichtet.

"Wie wäre es," hörte sie Wido flüstern. "Wenn du zur Abwechslung einfach mal einem anderen Menschen vertraust ohne an die Folgen zu denken, laß es doch einfach mal geschehen, dass auch ein anderer außer Teleri und ich dich kennenlernt."

"Genau das ist mein Problem," bekannte Ryan und bettete ihre Kopf auf ihre gefalteten Hände.

"Ich weiß nicht, wie ich es anfangen soll."

Ein lautes Lachen unterbrach sie und sie starrte Wido wütend an.

"Ich finde das nicht witzig," sagte sie und Wido verstummte, konnte sich ein Grinsen aber nicht verkneifen.

"Entschuldige," sagte er und versuchte ein erneutes Lachen zu unterdrücken.

"Aber du mußt zugeben, es ist schon komisch, dass du nicht weißt wie du mit Ayesha reden sollst."

"Mag sein," erwiderte Ryan und ließ ihren Kopf hängen.

Wido richtete sich auf und blickte Ryan an.

Er spürte, dass sie es wirklich nicht wußte. Sie hatte keine Übung darin mit anderen Menschen umzugehen.

Viel zu lange lebte sie schon in dieser, von ihr selbst gewählten, Einsamkeit. Leicht schüttelte er seinen Kopf, er kam sich in diesem Moment seltsam vor. Wie ein Vogel der seinem Jungen das Fliegen bei bringen wollte, und doch genau wußte, dass das Junge angst vor einem Sturz hatte.

Sanft faßte er Ryan unter ihr Kinn und drehte ihr Gesicht in seine Richtung.

"Geh einfach zu ihr hinüber und rede mit ihr."

"Und über was?"

Wido seufzte geräuschvoll und verstärkte den Druck seiner Finger.

"Also das kann ich dir nun wirklich nicht sagen, es wird sich schon ergeben." Er lächelte sie aufmunternd an, und seine Augen bekamen einen glücklichen Ausdruck als Ryan ihm sein Lächeln zurück gab.

Zögernd erhob sich Ryan und ging mit langsamen, unsicheren Schritten auf Ayesha zu. Wido sah ihr lächelnd nach.

"Mach dich auf den Weg mein kleiner Vogel," dachte er.

"Geh schon, geh endlich fliegen."
 

In unregelmäßigen Abständen blitzen kleine Lichtreflexe auf der Wasseroberfläche auf wie aus dem Himmel gefallene Sterne.

Fliegen schwirrten in der flimmernden Luft, sacht bewegte der Wind die Oberfläche des Wassers und Ayesha sah fasziniert zu, wie sich um ihre Füße kleine Wellen zu bilden begannen.

Sie seufzte leise und tauchte ihre Hand in das kühle Naß.

Ihre Füße schmerzten von der Reise und ihr Körper fühlte sich kraftlos an. Sie benetzte ihr Gesicht und blickte gedankenverloren hinaus auf den See.

Sie fühlte sich hier wohl, der See erinnerte sie an ihr zu Hause.

"Vater," dachte sie wehmütig.

"Wie geht es dir wohl? Mach dir keine Sorgen, ich bin bald wieder bei dir." Für einen kurzen Augenblick schloß Ayesha ihre Augen und wand ihr Gesicht der Sonne zu.

Sanft liebkosten die warmen Strahlen ihr Gesicht, sie lächelte schief.

Schön war es an diesem Platz, friedlich, still, alles war so weit entfernt. Die Schatten ihrer Erlebnisse verblaßten langsam und verloren ihren Schrecken.

"Ich habe nicht annähernd soviel gesehen wie sie," dachte Ayesha.

Warum dachte sie gerade jetzt an Ryan?

Hatte sie letzte Nacht wirklich die Ryan gesehen, die sie tatsächlich war?

Mit jedem Menschen schien sie anders umzugehen, für jeden Menschen besaß sie ein Gesicht, eine Persönlichkeit.

Welche hatte sie ihr zugedacht?

"Bei mir spielt sie die Unnahbare," dachte Ayesha.

"Sie versucht kalt zu wirken, so als nehme sie keine Notiz von mir, als würde sie mich nur dulden."

Dabei wußte sie, dass es anders war.

Sie hatte es letzte Nacht gespürt als Ryan sie berührt hatte, da war etwas gewesen, sie konnte es nicht deuten, aber sie hatte es mit all ihren Sinnen gefühlt.

Eine seltsame Nähe, eine nicht genau einzuordnende Vertrautheit oder hatte sie sich getäuscht?

Hatte sie etwas sehen wollen, was nicht vorhanden war?

Plötzlich schob sich ein Schatten über ihr Gesicht, irritiert öffnete Ayesha ihre Augen und blickte Ryan fragend an, die sich über sie gebeugt hatte.

"Darf ich mich setzten?" fragte Ryan und Ayesha nickte nur leicht.

Argwöhnisch beobachtete Ayesha wie sich Ryan, zwischen ihnen etwas Platz lassend, setzte.

Sie schlang ihre Arme um die Knie und starrte genau wie Ayesha zu vor einfach nur schweigend auf den See.

Ayesha lächelte leicht, sie wußte, dass Ryan etwas sagen wollte anscheinend aber nach den richtigen Worten suchte.

Doch dieses Mal würde Ayesha ihr das nicht abnehmen, dieses Mal würde nicht sie es sein, die ein Gespräch begann.

Schweigend, als wären sie zwei Felsen saßen sie neben einander und blickten auf den See hinaus.

Aus den Augenwinkeln blickte Ryan zu Ayesha hinüber, sie bemerkte ihr schiefes Lächeln und war sich sicher das Ayesha darauf wartete, dass sie zu sprechen begann.

Sie verspannte sich, setzte sich auf und räusperte sich geräuschvoll.

"Also, wenn, wenn ich dich erschreckt habe letzte Nacht, dann, dann tut mir das leid," stotterte sie unbeholfen.

Ayeshas Lächeln wurde bereiter und sie schüttelte ihren Kopf.

"Das hast du nicht," sagte sie und blickte Ryan an.

Das Gesicht Ryans wirkte verspannt, sie schien nervös zu sein.

"Dir gefällt es hier," bemerkte Ryan und blickte auf den See.

"Ja, es erinnert mich ein wenig an mein zu Hause. Um diese Jahreszeit blühen dort am Ufer viele Blumen und die Weiden tragen ein grünes Kleid, es ist wunderschön, aber dieses Schauspiel wird nicht lange zusehen sein. Der Winter kommt bald."

Sie lächelte versonnen und senkte dann ihren Blick.

"Früher war mir das nie so bewußt, doch jetzt, ich weiß nicht, wie ich es sagen soll," für einen Moment schien Ayesha nach den richtigen Worten zu suchen und fuhr dann fort.

"Man wird sich erst dieser Schönheit bewußt, wenn man sie glaubt verloren zu haben."

Aufmerksam lauschte Ryan der Stimme Ayeshas.

Sie hatte den Eindruck, als könnte sie dieses Bild, das Ayesha in ihren Gedanken zu malen begonnen hatte, deutlich sehen.

Durch diese Freundlichkeit welche sie in Ayeshas Stimme hörte, wich die Anspannung in ihrem Körper und sie lehnte sich leicht zurück.

Ihre Finger gruben sich in das von der Sonne erhitzte Gras.

"Hast du auch solche Erinnerungen?" fragte Ayesha und Ryan zuckte kaum merklich zusammen.

Ihre Heimat, sehr sorgfältig hatte sie alles was sie damit verband tief in sich verschlossen.

"Nicht die gleichen wie du," antwortete sie nach einer Weile.

"Wie meinst du das?"

Wehmütig blickte sie Ayesha an und schlug dann ihre Augen nieder.

"Meine Erinnerungen sind nicht so schön wie die deinen.

Ich erinnere mich nicht gerne daran."

Sie richtete ihren Blick in den blauen Himmel.

Ihre Heimat, an was erinnerte sie sich noch?

Ein Dorf, tief lag es im Wald verborgen, bis in die nächste Stadt war es ein weiter Weg.

Ein Fluß, das Lachen von Kindern, doch dann wurden ihre Erinnerungen dunkel, verloren ihre Farbe, verblaßten.

Sie spürte wie sich eine Hand über die ihre legte, und wandte ihren Blick Ayesha wieder zu.

Eben so wie sie starrte sie in den blauen Himmel, ihr Gesicht war ausdruckslos. Ryan konnte nicht erkennen, was sie wohl jetzt in diesem Augenblick dachte.

"Es ist nicht gut wenn man alles vergißt," sagte Ayesha plötzlich und blickte ihr in die Augen.

Forschend schienen die Augen Ayeshas sie anzublicken, schienen in ihnen die Antwort auf ihre Frage zu suchen, da Ryan nicht gewillt war darauf zu antworten.

Schmerz sammelte sich in den Augen Ryas.

Deutlich konnte es Ayesha sehen. Schmerz und noch etwas anderes lag in diesem Blick. Wehmut? Angst? Haß?

Sie wußte es nicht, es war wie eine Mischung aus allen möglichen Gefühlen die ein Mensch in sich tragen konnte.

Ihr Blut pochte gegen ihre Schläfen, ihr Atem wurde plötzlich schneller.

Diese Augen schienen eine Geschichte zu erzählen, eine Geschichte wie ein Wintertag. Dunkel, kalt und ohne Wärme.

"Soviel Schmerz," dachte Ayesha.

"Was hat dich so verbittern lassen? Was ist dir nur widerfahren?"

Insgeheim fragte sie sich, warum sie sich so dafür interessierte. Sie war eigentlich von Natur aus nie neugierig gewesen.

Warum ließen sie diese Fragen nicht los?

Fragen, die nur ein Mensch beantworten konnte, und dieser würde es niemals tun, da es alte Wunden aufreißen würde. Wunden die nie richtig verheilt waren.

"Wie muß das sein?" fragte sich Ayesha und konnte ihren Blick nicht von diesen traurigen Augen nehmen.

"Wie muß das sein wenn man ganz alleine ist? Ohne einen Halt, ohne ein Ziel, ohne Erinnerungen?"

Sie fühlte, dass ihre Hand immer noch auf der von Ryan lag, doch sie spürte sie kaum, es war, als würde man Luft berühren.

Sie wollte ihre Hand fort nehmen, doch dann fühlte sie wie Ryan sie festhielt.

Nicht schmerzhaft sondern so, als wollte sie nur für einen kleinen Augenblick noch diese Wärme fühlen können. Ayesha lächelte sanft und nickte nur leicht.

"Warum vertraust du mir überhaupt?" fragte Ryan und erwiderte ihren Blick.

"Du weißt nichts über mich, kennst mich nicht wirklich. Warum?"

"Ich weiß es nicht," gestand Ayesha und versuchte in ihrem Kopf nach einer Antwort zu suchen.

"Vielleicht weil ich glaube, dass du gar nicht so bist, wie du es mir vorspielst."

"Und was macht dich da so sicher? Woher weißt du, dass ich dir etwas vorspiele?"

Ayesha lachte leise und schüttelte ihren Kopf.

"Weil dich deine Augen verraten," antwortete sie Ryan.

Es war die gleiche Antwort die Ryan ihr in der letzten Nacht gegeben hatte. Sanft löste sie den Griff um ihre Hand und stand auf.

"Wir sollten weitergehen oder etwa nicht?" Ryan blickte zu ihr hinauf und nickte.

"Ja, das sollten wir. Du lernst schnell."

Ein lautes lachen durchschnitt die Stille. Irritiert sah Ryan in Ayesha's Gesicht. Ihre Augen leuchteten und feine Grübchen hatten sich um ihren Mund gebildet.

"Wie es scheint lerne ich wirklich schnell von euch," sagte sie und wand sich zum gehen.

"Ich hole Wido und Loba dann können wir weiter."

Schwungvoll drehte sie sich um und Ryan sah ihr nach wie sie mit schnellen Schritten das Ufer verließ. Nervös blies sie die Luft aus und starrte in den klaren See.

Ein Gesicht blickte sie an, es war ihr vertraut und doch wieder so fremd.

Auf eine seltsame Art und Weise hatte ihr dieses Gespräch gut getan.

Es war völlig neu für sie sich mit einer anderen Person, als mit Wido oder Teleri zu unterhalten, es war so anders.

Leicht bewegte sich das Wasser und verzehrte ihre Gesichtskonturen, wie ein Maske, nur der Ausdruck in ihren Augen blieb gleich.

Nachdenklich blickte sie dieses Wesen das sich im Wasser widerspiegelte an, berührte es vorsichtig und spürte die Kälte des Sees durch die Haut ihrer Finger.

"Deine Augen verraten dich."

Sie lächelte sanft.

"Schlägt sie mich einfach mit meinen eigenen Waffen."

Sie warf einen Blick über ihre Schulter und sah, dass Wido und Ayesha ihr Gepäck bereits zusammen gepackt hatten.

Loba lief aufgeregt von einem zum anderen und bellte laut, hob den Kopf und blickte sie an.

"Ist ja schon gut," dachte sie und erhob sich.

"Ich komme ja schon, altes Mädchen."

Noch einmal blickte sie über den See, ließ den Wind durch ihr Haar wehen und atmete befreit durch, dann drehte sie sich um und ließ den See hinter sich, doch eine Frage begleitete sie.

"Hast du auch solche Erinnerungen?"
 

Die Nacht brach herein, lautlos kroch sie wie schwarze Finger über den Wald, über die Ebene, in die Hütten und Dörfer.

Sterne funkelten am Firmament, der Mond war aufgegangen, doch die kleine schmale Sichel spendete nur wenig Licht, sanft beschien er den See, still war es.

Die Bäume rauschten leise im Nachtwind, tote Blätter fielen auf das Gras.

Eine Eule saß in einem der Bäume, ihre Augen funkelten und sie drehte hektisch ihren Kopf nach allen Seiten, als sie die Gestalt welche sich langsam aus dem Dunkeln löste erspähte.

Mit langsamen Schritten trat die Gestalt aus dem Dickicht, er brauchte sich nicht zu eilen.

Er hatte Zeit, viel Zeit. Er hob seinen Kopf, schnupperte wie ein Hund der eine Witterung aufnahm und beugte sich nieder.

Seine Finger berührten sacht das herunter gedrückte Gras und er entblößte seine weißen Zähne zu einem zufriedenen Lächeln.

Seine Kapuze rutschte ein Stück zurück und enthüllte zwei flinke, blitzende Augen, ein befriedigter Laut drang aus seiner Kehle und er erhob sich wieder. Er hatte genug gesehen.

"Lauf nur weiter, dein verstecken hat nun ein Ende.

Lauf nur, ich weiß, dass du noch nicht weit gekommen sein kannst.

Lauf nur, ich habe Zeit, sehr viel Zeit.

Glaubst du es hätte je ein Ende gehabt? Ich werde dich weiter jagen so wie du mich einst gejagt hast.

Erbarmungslos, lauf nur, ich warte, bald, bald gehst du mir in die Falle, bald..."
 

Nachwort:

Hab ich es doch vor meinem Urlaub geschafft ^^. Naja, nicht das beste Kapitel wie ich finde, aber raus lassen?! Nein, das kommt nicht in die Tüte "gg". Ich hoffe, es hat euch trotzdem gefallen. Ich finde es wirklich erstaunlich, dass eine so alte Geschichte doch so einigen gefällt und sich dafür zu bedanken finde ich eigentlich immer als zu wenig. Ich meine, was wäre eine Geschichte ohne diejenige welche sie lesen?! Sie wäre eine von vielen die in meinen Schubladen oder auf meinem PC verstauben... Es freut mich wirklich das es einige gibt, die diese Geschichte mögen und sie lesen. Dafür sage ich wieder einmal DANKE an alle die auch dieses Kapitel gelesen haben!!! Ich weiß das ist keine Selbstverständlichkeit, und wie dankbar ich dafür bin... Tja, was denkt ihr?! In dem Sinne, bis bald. Man liest sich.

Adios seen



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Hikari
2003-08-08T14:27:16+00:00 08.08.2003 16:27
Ich finde die Geschichte echt Klasse und bin gespannt wie es weiter geht.
Von: abgemeldet
2003-08-06T19:24:22+00:00 06.08.2003 21:24
Hi,
ich wollte dir nur schnell sagen wie klasse ich deine fanfic finde...mein bruder is auch ganz begeistert davon und wir koennen es kaum erwarten bis das naechste kapitel kommt ....
Liebe Gruesse
melfe und kamui(bruder)
Von:  Dokkaebis_Wife
2003-07-28T11:26:39+00:00 28.07.2003 13:26
Waahhhh~~~ War das mal wieder *nach richtigem Wort such* öhm... supi! ^^
Tjaja... Wie Coma schon gesagt hat, Ayesha und Ryan kommen sich ja näher... *grinsel*
Schön, schön ^^
Ansonsten... Bin mal gespannt, was da noch alles ans Tageslicht kommt ^^
Tschüsi *die Kleine*
*knuddelchen*
Von:  Igel242002
2003-07-27T18:55:07+00:00 27.07.2003 20:55
Ich kann mich Comas Meinung nur voll und ganz anschließen.
Erhole dich für uns, die wir arbeiten müssen, mit! *g*
Mach's gut!
Von: abgemeldet
2003-07-26T14:13:44+00:00 26.07.2003 16:13
Also ich fand das Kapitel wieder super, ich finds wirklich gut, dass sich Ayesha und Ryan langsam näher kommen und sich besser kennen lernen ;)
Man kann die gedanken auch gut nachvollziehen, und du hast das niveau bis jetz immer gehalten. echt gut.
Ich mag die ff, also isses wohl natürlich, dass ich se les und dann auch kommentier *g*
Viel spass im urlaub!
LG
Coma


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