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Die Trauerweide

von

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Wenn der Himmel weint...

Wenn der Himmel weint...
 

Immer höher stieg die Sonne, der blutrote Feuerball gewann mit jedem Augenblick mehr an Kraft und Intensität.

Loba regte sich leicht, ihre Ohren zuckten und die Wölfin öffnete ihre Augen. Schüttelte leicht ihren Kopf und erhob ihre noch müden Glieder. Sie gähnte lautlos und tapste verschlafen einige Schritte vorwärts, die Menschen um sie herum schlief noch friedlich.

Sie legte ihren Kopf schief, lauschte den ruhigen entspannten Atemzügen ihrer Freunde und lief vorsichtig zu Ryan hinüber, blieb vor ihr stehen und betrachtete die verspannten Gesichtszüge, dann stupste sie den Körper Ryans vorsichtig mit ihrer Schnauze an und leckte ihr über ihre Wange. Augenblicklich, als sie die feuchte Zunge auf ihrer Wange spürte, öffnete Ryan ihre Augen und sah Loba verschlafen an. Sie brummte mißmutig und richtete sich leicht auf.

"Morgen altes Mädchen," sagte sie und wischte sich über ihre Augen, doch der letzte Rest des Schlafes welcher ihren Verstand vernebelte wollte einfach nicht weichen.

Loba kläffte leise und Ryan verstand. Sie erhob sich von ihrem Lager und suchte in einer ihrer Taschen nach einem getrocknetem Stück Fleisch.

"Das willst du doch, oder?" fragte sie und grinste breit über ihr ganzes Gesicht. Loba setzte sich vor sie und hechelte, den Blick jedoch immer auf das Stück Fleisch gerichtet, welches Ryan langsam vor ihr her schwenkte.

"Dann komm und hol es dir," sagte Ryan und ging einige Schritte von ihr weg.

Loba reckte ihren Kopf und kam vorsichtig einige Schritte näher gerobbt, ihren Kopf jedoch immer noch leicht gesenkt.

Ryan lachte leise, sie fiel aber auch immer wieder auf dieses Spiel herein. Sie senkte ihre Hand, doch als sie dicht vor Lobas Schnauze ruhte, und die Wölfin gierig nach dem Stück schnappte, zog sie ihre Hand wieder weg. Loba knurrte leise, es war ihr deutlich an zu sehen, dass ihr das Spiel nicht gefiel.

Ryan bückte sich zu der Wölfin hinunter und sah ihr in die Augen, für einen kurzen Moment erwiderte Loba den Blick, wand ihre Aufmerksamkeit dann doch wieder dem Stück Fleisch in Ryans Hand zu.

"Na gut, trotzdem habe ich gewonnen," sagte Ryan und warf das Fleisch der Wölfin zu, welches sie begierig verschlang.

Müde fuhr sie sich durch ihr Haar, was war das für eine seltsame Nacht gewesen? Sie hatte geträumt, aber nicht von den Dingen wie sie es sonst tat, es waren andere Dinge gewesen welche ihr in ihrem Kopf umher gingen.

Sie konnte sich noch ganz genau daran erinnern.

Teleri, sie hatte sie gesehen, ihr Gesicht, ihre vor Angst geweiteten Augen, sie hatte ihren Namen gerufen, laut und eindringlich hatte er in ihren Träumen gehallt.

Was war nur passiert? Noch nie hatte sie solch einen Traum von ihr gehabt, noch nie war er so real gewesen...

Leicht schüttelte sie ihren Kopf, griff nach dem Wasserschlauch und goß sich etwas Wasser in die hohle Hand. Das kalte Wasser rann ihre Wangen hinab und ihren Hals entlang. Sie atmete schwer durch und setzte sich neben Loba.

"Meinst du es ist etwas passiert?" fragte sie die Wölfin und diese blickte sie besorgt an.

"Ich weiß es nicht," schienen ihre Augen zu sagen und Ryan ließ ihren Kopf hängen...

"Ich auch nicht," gestand sie und seufzte leise. Sie sorgte sich,sie wußte ganz genau, solche Träume waren noch nie zu ihr ohne einen bestimmten Grund gekommen, immer war etwas geschehen.

"Teleri," flüsterte sie leise. "Was soll ich nur tun?" fragte sie sich selbst. Sie war bereits zu weit weg, sie konnte nicht zu ihr zurück, nicht einfach weil sie geträumt hatte, aber wenn wirklich etwas geschehen war?

Sie schob diesen Gedanken von sich, sie wollte nicht daran denken, dass etwas passiert war.

"Vielleicht einfach nur ein aufdringlicher Kunde," sagte sie leise und bettete ihren Kopf auf die Handflächen. Dieser Gedanken durchzuckte sie wie ein schneidender Schmerz.

Eifersucht befiel ihren Körper und sie verzog leicht ihren Mund. So lange kannte sie Teleri jetzt schon, und doch tat sie es immer noch, nicht oft, dass wußte Ryan, doch es befiel sie jedesmal ein schlechtes Gefühl dabei. Es war nicht nur Eifersucht, es war auch Angst.

Angst davor, dass Teleri etwas passieren könnte, dass man sie zwang, dass man sie verletzte.

Ein erneuter Seufzer entglitt ihrer Kehle und sie starrte gedankenverloren zu Ayesha und Wido hinüber die noch immer schliefen...

"Sag es Wido nicht," sie erinnerte sich an diese Bitte Teleris. Es fiel ihr immer noch schwer ihren Freund zu belügen, aber was sollte sie auch schon tun? Sie hatte ein Versprechen gegeben, auch wenn ihr selbst mehr als unwohl bei dem Gedanken war, sie wußte, dass Teleri all das unter dem Schutz des Wirtes tat.

"Deshalb läßt er sie auch nicht gehen," dachte sie bitter.

"Warum tust du das? Nur um geliebt zu werden?"

Sie spürte wie Loba ihren Kopf auf ihr Knie legte uns sie aus mitfühlenden Augen betrachtete. Sanft kraulte sie die Wölfin hinter ihrem Ohr.

"Glaubst du, sie tut das auch, um mich zu bestrafen?"

Loba winselte leise als Antwort und Ryan nickte.

"Ja, allerdings. Deshalb tut sie es auch..." Sie nahm das Gesicht der Wölfin zwischen ihre Hände und Loba leckte ihr über ihre Nasenspitze. Ryan verzog leicht ihr Gesicht.

"Du bist noch unmöglicher als ich," sagte sie und hob tadelnd ihren Zeigefinger, doch sie lächelte leicht. Sie hörte ein Rascheln und blickte ruckartig hinter sich. Aus verschlafenen Augen blickte Ayesha sie an und brummelte ein verschlafenes: "Guten Morgen." Ryan lächelte sie an.

"Na? Gut geschlafen?"

Ayesha gähnte und setzte sich ein wenig auf.

"Es ging," antwortete sie und erhob sich mit unsicheren Schritten. Ryan sah ihr zu wie sie verschlafen zu herüber kam uns sich neben ihr niederließ.

"Und du?" fragte sie und langte nach dem Wasserschlauch.

"Nicht besonders," gestand Ryan und kraulte Loba weiter nachdenklich hinter ihrem Ohr. Die Wölfin schien diese Zärtlichkeit zu genießen und schloß wieder ihre Augen.

"Sie mag dich wirklich unwahrscheinlich gerne," sagte Ayesha und lächelte bei dem Anblick der sich ihr bot.

"Sie ist Wido und mir nur dankbar," erklärte Ryan und küßte die Wölfin auf ihren struppigen Kopf.

"Wir haben sie gefunden, da war sie noch ein Welpe. Ihre Mutter war fort, ich glaube, sie wurde getötet.

Du hättest sie sehen sollen, sie war so niedlich. Kaum alt genug um die ersten Schritte zu machen. Wir haben sie mit uns genommen und sie aufgezogen, und seit dem, weicht sie keinen Schritt mehr von unserer Seite."

"Eine treue Freundin," meinte Ayesha und streichelte Loba ebenfalls über ihren Kopf.

"Die treuste," erwiderte Ryan und lächelte auf Loba hernieder. "Sie hört einfach zu und gibt keine Widerworte."

"Anders als die Menschen," fiel ihr Ayesha ins Wort und blickte ihr in die Augen. "Ja, anders als die Menschen."

Stille kehrte zwischen ihnen ein, jede beobachtete die andere aus den Augenwinkeln und fragte sich, was ihr Gegenüber wohl jetzt in diesem Augenblick dachte.

Ryan räusperte sich.

"Hast du Hunger? Wir haben noch getrocknete Früchte, das Fleisch möchte ich gerne für Loba aufheben."

"Früchte klingen gut," sagte Ayesha und lächelte leicht. Ryan reichte ihr einen kleinen Sack und Ayesha nahm eine Handvoll getrocknete Beeren aus ihm heraus. "Ich möchte heute noch ein ganzes Stück voran kommen," sagte Ryan und trank einen Schluck Wasser.

"Aber, auf dieser Route liegt ein Dorf, ich werde mich dann um neuen Proviant kümmern." Sie blickte hinauf in den von der Sonne immer noch geröteten Himmel und atmete tief durch. Die Luft roch frisch und würzig, einige Vögel sangen im Geäst der Bäume um den neuen Tag zu begrüßen.

Loba hob kurz ihren Kopf, lauschte dem Gesang, doch dann legte sie ihren Kopf wieder auf Ryans Knie. Langsam verschwanden die Schatten ihrer Träume welche Ryan noch gefangen gehalten hatten, nachdenklich blickte sie zu Ayesha hinüber. "Habe ich das ihr zu verdanken?" fragte sie sich selbst und lächelte das Mädchen zum erstenmal warm an.

Ayesha runzelte ihre Stirn, warum blickte Ryan sie plötzlich so seltsam an? Sie war nicht in der Lage genau zu deuten was in diesem Blick lag, doch sie glaubte so etwas wie Dankbarkeit zu erkennen, sie erwiderte ihren Blick und drückte ihr leicht ihren Arm. Ryans Blick fiel auf ihre Hand und Ayesha nahm sie wieder fort.

"Wir sollten Wido aufwecken, sonst kriegen wir den alten Esel nie mehr wach," sagte Ryan mit rauher Stimme. Ayesha nickte und erhob sich von ihrem Platz.

"Das mache dann wohl besser ich, wer weiß...vielleicht weckst du ihn ja mit einem Tritt."

Sie grinste schelmisch und wand sich zum gehen, doch dann hielt Ryan sie an ihrer Hand fest.

"Für meine Freunde würde ich sterben," sagte sie ernst und drückte leicht Ayeshas Hand. Irritiert sah Ayesha Ryan in die Augen, sie wußte nicht, warum sie das gesagt hatte, doch sie nickte leicht und Ryan ließ ihre Hand los.

Skeptisch sah Ryan Ayesha nach, und ihr Blick verwandelte sich in Belustigung, als sie sah, wie Ayesha versuchte Wido durch ein Schütteln aufzuwecken.

"So schafft sie das nie, oder Loba?" Die Wölfin blickte kurz zu ihrem Herrn hinüber und bellte laut.

Ryan lachte laut und nickte.

"So sehe ich das allerdings auch. Wir sollte ihr helfen oder was meinst du?"

Loba wackelte mit ihrem Kopf und sprang dann augenblicklich auf, Ryan folgte ihrem Beispiel, klopfte sich über ihre Hose und machte sich daran das Gepäck zu verstauen. An ihre Ohren drangen mißmutige Laute und sie grinste schief.

"Hat sie es also doch geschafft."

Sie hörte wie Wido laut schimpfte, ein Rascheln, das von einer Decke herrührte und das leise Kichern Ayeshas. Mit geübten Griffen verstaute Ryan ihr Gepäck und schulterte den größten Teil.

Ein weiters Mal blickte sie hinauf in den Himmel. Das Blattwerk leuchtete in vielen unterschiedlichen Grüntönen auf, die Morgenröte verblaßte langsam und wich dem neuen Tag.

Sie atmete tief durch, heute hatten sie einen langen Weg vor sich.
 

Wolken zog sich zusammen, verdunkelten die Sonne und spendeten der von der Hitze des Tages geplagten Welt etwas kühle. Immer noch war die Luft drückend und schwül, jede Bewegung war ein Kampf gegen sich selbst. Gegen die eigene Müdigkeit.

Ayeshas Atem entrann ihrer Kehle immer noch unregelmäßig, um sie herum begann die Welt sich zu drehen, verlor ihre Konturen und vermischte sich zu einer einzigen großen Fläche aus Braun und Grün.

Sie fühlte das trockene Laub unter sich. Ihre Finger gruben sich tief in den Waldboden ein und ihre Augenlieder zuckten kaum merklich. Ayesha fühlte sich elend, in ihrem Magen begann es zu brodeln und auf ihrer Stirn sammelten sich glänzende Schweißperlen.

Heute waren sie ein weites Stück voran gekommen. Die Landschaft hatte sich verändert, war hügelig und felsig geworden. Nur noch vereinzelt hatte Ayesha Tiere erspähen können, nur ihre ständigen Wegbegleiter, die Herrscher der Lüfte waren ihnen gefolgt.

Mit jedem Schritt welchen Ayesha an diesem Tag hinter sich gebracht hatte, war in ihr die Erkenntnis aufgekeimt, dass es nicht mehr weit sein konnte. Vielleicht noch vier oder fünf Tage.

Mit jeder Bewegung kam sie ihrem Zuhause immer näher. Doch auch etwas anderes hatte sich in ihr Denken eingeschlichen, es war auf der einen Seite fast schon grotesk.

Sie hatte sich nichts sehnlichster gewünscht, als ihre Heimat wiederzusehen, doch tief in ihr, sie wußte selbst nicht warum, sträubte sich etwas genau gegen diesen Wunsch.

Sie hatte etwas kennengelernt, ein anderes Leben. Ein Leben ohne Zwänge, ein Leben ohne Verpflichtungen, ein Leben das gefährlich aber genauso wunderschön sein konnte.

Ayesha seufzte leise und versuchte gleichmäßig durchzuatmen. Immer noch spürte sie in sich diese Hitze, welche sie schon den ganzen Tag verzehrte, ihr Herz pochte laut gegen ihren Brustkorb und sie begann erneut zu keuchen.

Plötzlich fühlte Ayesha wie sich etwas kühles auf ihre Stirn legte. Sie öffnete irritiert ihre Augen und blickte Ryan fragend an, welche sich neben sie gesetzt hatte und sie mit einem besorgten Blick musterte.

"Wie geht es dir?" fragte sie und wischte ihr mit dem Wasser durchtränkten Stück Stoff über ihr erhitztes Gesicht.

"Es geht," sagte Ayesha und versuchte sich auf zu setzten, doch ihr Körper gehorchte ihr nicht. Kaum merklich schüttelte Ryan ihren Kopf, klemmte einen Arm unter sie und half ihr sich auf zu richten.

"Danke," sagte Ayesha und lächelte Ryan an.

"Warum hast du nicht gesagt, dass es dir nicht gut geht?" fragte Ryan und durchtränkte das Stück Stoffen mit neuem Wasser.

"Ich weiß nicht, ich habe es eigentlich kaum bemerkt," versuchte Ayesha sich heraus zu reden.

"Hör auf mit solchen Ausflüchten," sagte Ryan ärgerlich und legte ihr das Stück Stoff wieder auf ihre Stirn.

"Damit ist nicht zu spaßen, du kannst froh sein. Dein Körper hätte noch heftiger reagieren können." Ayesha nickte stumm und blickte Ryan an. In ihren Augen lag etwas.

Ayesha war sich nicht sicher was es war. War sie ärgerlich darüber, dass Ayesha sie aufgehalten hatte, besorgt weil es ihr nicht gut ging, oder war es eine Mischung aus beiden Möglichkeiten?

Ayesha wußte es nicht, für einen kurzen Moment schloß sie ihre Augen, öffnete sie dann doch wieder sofort, als sie spürte, wie sanfte Finger ihr Handgelenk um schlossen.

"Dein Puls ist noch etwas flach," erklärte Ryan und ließ das Handgelenk Ayesha's vorsichtig wieder auf das Laub sinken. "Du solltest dich heute noch etwas ausruhen. Ich gehe alleine in das Dorf, es ist nicht weit. Wido bleibt bei dir und paßt auf dich auf."

Ayesha nickte schwerfällig, doch sie lächelte schief.

"Bist du zornig auf mich?" fragte sie leise ohne Ryan anzusehen.

"Warum sollte ich?" gab Ryan die Frage zurück und legte ihre Stirn in Falten.

"Weil ich euch aufhalte, wenn ich nicht so schwach wäre, dann wären wir viel schneller. Ich bin eine Last für euch." weiter kam Ayesha nicht, denn Ryan lachte laut und schallend auf.

"Ohne dich, Kleine," sagte sie und zwinkerte ihr zu. "Wären wir überhaupt nicht auf dieser Reise und du bist keine Last für uns."

Sie lächelte noch einmal, drehte sich dann um und ging mit festen Schritten zu Wido und Loba hinüber.

Ayesha sah ihr nach, ein leichter Windstoß bewegte das Laub unter ihren Händen, wehte einige verschwitzten Haarsträhnen aus ihrer Stirn und kühlte ihr erhitztes Gesicht. Genüßlich schloß Ayesha ihre Augen und lehnte sich leicht gegen den Stamm des Baumes. Sie blickte hinauf in den Himmel...die Wolken wurden immer dunkler. An ihrer Unterseite zeigte sich ganz deutlich eine leichte Schwärze. "Regen," dachte Ayesha und schloß ihr müden Augen. "Endlich Regen."
 

"Wie geht es ihr?" fragte Wido und wischte sich mit seinem Handrücken über seine Stirn. Ryan seufzte leise und ließ sich neben ihrem Freund niedersinken.

"Nicht besonders gut schätze ich. Die Hitze, ihr Körper verkraftet sie nicht gut."

"Zeig mir den Menschen, der das so einfach ertragen kann...verflucht noch mal, ist das heiß," stöhnte er und ließ sich etwas kaltes Wasser in die hohle Hand laufen. Ryan lächelte verschmitzt und ihr Blick richtete sich in den Himmel. Sie schnupperte, ja, Gewitter, Regen, sie konnte es mit jeder Faser ihres Körpers fühlen.

Die Wolken zogen sich immer mehr zusammen. Wie eine einzige große Armee zogen sie in den Kampf gegen die Sonne.

"Es wird regnen," sagte sie und klopfte Wido aufmunternd auf die Schulter.

"Bald kommt Abkühlung alter Freund."

"Darum bitte ich allerdings," fluchte Wido und wischte sich einige Schweißperlen von der Stirn.

Sein ergrautes Haar hing ihm in feinen Strähnen in die Stirn und seine Wangen waren leicht gerötet. Loba, die neben Wido lag, hechelte unterbrochen. Auch das Tier litt unter der beißenden Sonne.

"Ich muß mich jetzt auf den Weg machen, wenn ich das Dorf vor dem Regen erreichen will," erklärte Ryan und erhob sich. "Du willst alleine gehen?" fragte Wido und hob eine Augenbraue.

"Natürlich, du mußt bei Ayesha bleiben, wir können sie hier nicht alleine liegen lassen du Schafskopf," entgegnet Ryan ärgerlich. "Ich halte das für keine gute Idee.

Es ist zu gefährlich wenn du alleine gehst, und das weißt du auch." Die Gesichtszüge Ryans begannen sich zu verhärten, wurden kalt wie ein Fels und sie musterte Wido.

"Ich weiß das es gefährlich ist, mich wird niemand erkennen. Außerdem werde ich Loba mitnehmen, unser altes Mädchen spürt Gefahr doch am schnellsten von uns oder etwa nicht?"

Resignierend schüttelte Wido seinen Kopf. Er wußte, wenn Ryan sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, konnte sie niemand mehr davon abhalten.

"Unvernunft," dachte er als er Ryan zusah, wie sich den Umhang über die Schulter legte und die dunkle Kapuze über ihren Kopf legte. "Soviel Unvernunft."

Nachdenklich starrte er die dunkle Gestalt an welche nun vor ihm stand und er rümpfte die Nase. "Ich muß sagen, das ist natürlich sehr unauffällig. Eine schwarze, stumme Gestalt und eine schwarze Wölfin. Unauffälliger geht es wirklich nicht mehr." Ryan schnaubte mißbilligend und versuchte den beißenden Sarkasmus in Wido's Stimme zu überhören.

"Hast du einen besseren Vorschlag?" fragte sie und hängte sich den Beutel für den Proviant über ihre Schulter.

"Ja," sagte Wido und seine Augen verengten sich.

"Bleib hier."

"Ach, Wido," sagte Ryan und ihre Stimme bekam plötzlich einen zarten Tonfall. "Mach dir nicht immer so viele Gedanken um mich. Ich kann alleine auf mich aufpassen."

Mit diesen Worten ließ Ryan Wido zurück, sie klopfte gegen ihren Oberschenkel und Loba erhob sich schwerfällig. Streckte sich und gähnte herzhaft, dann trottete sie an Ryans Seite.

Wido sah beiden noch so lange nach, bis die Dunkelheit des Waldes sie verschlang, ihre Körper mit der Umgebung verschmolzen waren...Abermals schüttelte er seinen Kopf. "Warum hörst du nie auf mich?" fragte er sich selbst.

"Warum mußt du immer so unvernünftig handeln?" Sein Blick schweifte über ihr Lager, bis er an Ayesha hängen blieb. Wido erhob sich schnaufend und schwitzend und ging auf das schlafende Mädchen zu.

Er sah, das sich ihr Brustkorb leicht hob und senkte. Sie schlief friedlich. Mit einem Seufzer setzte sich Wido neben sie und nahm ihre kleine Hand in die seine. Noch einmal blickte er in die Richtung, in welcher Ryan und Loba verschwunden waren.

"Ich hoffe, du wirst vorsichtig sein," flüsterte er leise. "Irgend etwas stimmt nicht, ich kann es fühlen, ich weiß nicht was es ist, doch es ist da...dieses Gefühl begleitet mich schon die ganze Zeit, wie ein Schatten folgt es uns, was ist das, wer ist das?" fragte er sich selbst.

Wido schluckte hart, schon die ganze Zeit verspürte er diese Unruhe in sich...

Er hatte es nicht deuten können, es war noch zu weit von ihnen entfernt gewesen, doch jetzt, in diesem Moment glaubte er eine Präsenz zu fühlen, welche er kannte, welche ihm vertraut war.

Er lehnte seinen Kopf gegen den Baumstamm, starrte auf Ayeshas Hand, welche er immer noch umschlossen hielt. Sanft drückte er zu, um das Mädchen wissen zu lassen, dass er bei ihr war.

Die Augenlieder Widos wurden ihm schwer, sein Körper war wie der von Ayesha müde, suchte nach Ruhe um neue Kraft zu schöpfen, doch dieses Gefühl ließ ihn nicht los.

"Wer bist du," dachte er noch einmal, jedoch wurde die Müdigkeit in seinen Gliedern immer stärker, bis sie die Oberhand gewann und Widos Körper langsam in einen traumlosen, unruhigen Schlaf eintauchen ließ.
 

Ein lautes Knacken riß Wido aus seinem Dämmerschlaf.

Verwirrt schlug er die Augen auf.

Die Sonne war kaum mehr zu erkennen, nur noch ein leichter Schimmer am Himmel ließ erahnen, dass sie da war, der Himmel war dunkel, Kaskaden aus Wolken tauchten ihr Lager in ein diffuses Licht.

Lautlos fielen die ersten Regentropfen und wurden gierig von dem ausgetrockneten Gras aufgesogen. Donner grollte in der Ferne und ein Blitz fuhr auf die Erde hernieder.

Verschlafen wischte sich Wido über seine Augen. Hatte er sich getäuscht? War es nur das Gewitter gewesen, das ihn aufgeweckt hatte? Die Luft war immer noch stickig und trocken.

Der leichte Wind, welcher aufgekommen war, bewegte leicht die Blätter des Baumes unter welchem Ayesha und er saßen. Sanft löste er seinen Griff um die Hand Ayesha's und setzte sich auf.

Ryan war noch nicht zurück gekehrt, er wurde unruhig. Es mußten Stunden vergangen sein, warum war sie noch nicht zurück?

Leicht schüttelte Wido seinen Kopf, da war es wieder, dieses Geräusch, lauter als zuvor.

Zweige die unter dem Druck von Stiefeln brachen, Schritte, immer näher schienen sie zu kommen.

Augenblicklich sprang Wido auf seine Füße, und griff nach seinem Stab, welchen er gegen den Baum gelehnt hatte. Durch seine schnellen, lauten Bewegungen wurde Ayesha aus ihrem tiefen Schlaf gerissen.

"Wido," murmelte sie verschlafen. "Was ist denn los?"

"Sei ruhig," knurrte Wido und sah sich hektisch um. Ayesha erschrak über Wido's Tonfall in der Stimme. Er hatte etwas beunruhigendes an sich, fast so, als hätte Wido Angst.

Schwerfällig richtete sich Ayesha auf und sah zu Wido hinauf. Seine Gesichtszüge waren verspannt, seine Augen kalt, so hatte sie ihn noch nie gesehen.

"Wido," flüsterte sie erneut, doch er schien sie nicht zuhören. Seine Angespanntheit übertrug sich auf ihr eigenes Denken. Ayesha erhob sich schwankend, und preßte sich fest an Wido. Ein Blitz erleuchtete den Himmel für den Bruchteil eines Herzschlages, der Regen wurde stärker...

"Komm raus," schrie Wido. "Zeig dich, ich weiß, dass dort jemand ist."

Still wurde es, das einzige Geräusch, dass zu vernehmen war, war das leise Geräusch der Regentropfen, welche auf den Erdboden prasselten.

Wido atmete schwer durch, angestrengt starrte er in die Richtung, aus welcher er glaubte, das Geräusch vernommen zu haben.

Seine Hände umklammerten den Stab in seinen Händen, suchten einen Halt.

Angst und Nervosität vibrierte in seinen Nerven. Er spürte, dass er Ayesha Angst einjagte, doch in diesem Moment konnte er nicht selbstsicher und gefaßt wirken.

"Zeig dich du Feigling," schrie er erneut.

Zaghaft löste sich ein Schatten aus der Dunkelheit des Waldes, kam mit langsamen, bedächtigen Schritten immer näher. Ein schwerer Umhang umschloß seinen Körper und sein Gesicht lag im Schatten, ein leises Klirren war zu vernehmen.

Wido riß seine Augen auf, glaubte kaum, was er dort vor sich sah, und taumelte einige Schritte zurück. Er keuchte laut auf.

"Wer bist du?" fragte er. Die Gestalt blieb kurz stehen, ein leises Lachen drang an Widos und Ayeshas Ohren. Lautlos bewegte sich die Gestalt vorwärts, immer weiter auf sie zu.

"Keinen Schritt weiter," schrie Wido und schwang seinen Stab. "Wer bist du und was willst du?"

"Begrüßt man so Freunde von Ryan?" fragte die Gestalt. Es war eine tiefe Männerstimme, doch in ihr schwang eine Kälte wie man sie nur einem Wintertag verspüren konnte mit.

Ängstlich drückte sich Ayesha an Wido, dieser Mann war ihr unheimlich, er war wie ein Schatten, aus der Dunkelheit gekrochen.

Schwarz und gefährlich.

Bedrohlich baute sich die Gestalt vor ihnen auf, seine Hände wanderten zu der Kapuze und schoben sie zurück.

Kalte, blaue Augen durchbohrten Wido wie giftige Pfeile und er taumelte ein weiteres mal einige Schritte zurück. Ein bösartiges Lächeln umspielte einen vernarbten Mund.

"Ayesha," flüsterte Wido und seine Stimme klang heißer. "Lauf, lauf."

Die letzten Worte schrie er so laut, dass sich seine Stimme fast überschlug. Ayesha wich einige Schritte zurück.

Der Blick des Mannes folgte ihrer Bewegung.

"Ja, Mädchen," sagte er und ein weiteres Mal erklang sein Lachen. "Lauf, lauf so schnell du kannst."

Schritt um Schritt wich Ayesha zurück, wer war dieser Mann? Ihre Augen suchten die seinen, ein Zittern durchfuhr ihren gesamten Körper, was sie sah, ließ sie schwindeln. Haß, purer Haß lag in seinen Augen, vergiftete ihn von innen wie ein häßliches Geschwür.

Die Stimme Widos drang kaum mehr in ihr Bewußtsein.

"Lauf," schrie er immer wieder und wieder. Dann setzte ihr Verstand aus, und Angst durchflutete ihren Körper, schnell trugen sie ihre Füße über den vom Regen aufgeweichten Boden.

Sie rannte, immer schneller und schneller, hinter ihrem Rücken hörte sie ein weiteres mal das Lachen des Mannes.
 

"Wo ist sie?" fragte der Mann und umkreiste Wido wie ein Raubtier, dass mit seiner Beute ein grausiges Spiel begann bevor es zuschlug.

"Ich suche sie schon so lange."

"Was willst du von Ryan?" fragte Wido und ließ den Mann nicht aus den Augen.

"Was ich von ihr will?" gab er die Frage zurück. "So viele Jahre versuche ich sie jetzt schon zu finden. Sie nahm mir etwas, etwas kostbares, etwas, dass ich für kein Gold wieder bekommen kann.

Ich will Rache, ich will ihr Blut."

Er ballte seine Hände zu Fäusten und spuckte verächtlich auf den Boden.

"Du wirst sie nicht bekommen," schnaubte Wido und reckte seinen Kopf.

"Und wer will mich daran hindern?" fragte der Mann und lachte spöttisch.

"Etwa du?"

Wido wirbelte seinen Stab um die eigene Achse und machte sich für einen Angriff bereit.

"Du wirst sie nicht bekommen, und wenn es mein Leben kostet."

Knirschend zog der Mann sein Schwert aus der Scheide, die Klinge war dunkel, so dunkel wie der Nachthimmel.

"Ganz wie du willst, alter Mann, ganz wie du willst."
 

Regentropfen peitschten Ayesha ins Gesicht, nahmen ihr die Sicht, ihre Kehle schmerzte durch das heftige Atmen.

Über ihr grollte der Donner, doch in ihren Ohren hörte sie nur das Lachen des Mannes.

"Wer ist er? Was will er von uns? Ryan. Er will sie, was ist hier nur los."

Immer schneller rannte sie, ihre Füße sanken immer tiefer in den aufgeweichten Boden ein, sie strauchelte, fiel einen Abhang hinunter.

Äste schlugen ihr ins Gesicht, rissen ihr Wunden in Arme und Beine, bis ihr Sturz hart von einem Baumstamm abgebremst wurde. Schmerz explodierte in ihrem Kopf.

Regungslos blieb Ayesha liegen.

In ihren Augen sammelten sich Tränen.

"Wido," dachte sie und das Wasser in ihren Augen vermischte sich mit dem Wasser des Himmels.

"Wido, ich bin ein Feigling, er hat keine Chance, ich hätte bei ihm bleiben müssen, ihm helfen. Wido, nein, oh ihr Götter, bitte nicht."
 

Holz splitterte unter der Wucht des Schlages.

Wido taumelte einige Schritte zurück, starrte erschrocken seinen Stab in den Händen an, welcher auf die Hälfte der ursprünglichen Größe geschrumpft war.

"Geweihtes Holz kann nicht brechen," schrien seine Gedanken. "Es kann nicht brechen."

Ein harter Schlag traf ihn am Bauch, ließ ihn aufschreien, tief grub sich die Klinge in sein Fleisch ein, schien sein Fleisch zu versengen, es zu vergiften.

"Ich hatte dir doch gesagt, Alter," hörte er die Stimme des Mannes in seinem Bewußtsein.

"Du kannst mich nicht aufhalten."

Mit der Kraft der Verzweiflung kämpfte Wido den Schmerz in sich nieder, holte aus und führte einen mächtigen Hieb aus.

Sein Gegenüber wich unter seinem Hieb hindurch, vollführte einen Schlag mit der glatten Seite seines Schwertes und holte Wido von den Füßen. Hart schlug er auf dem nassen Boden auf, er schmeckte Blut.

Ein Tritt traf in auf die tiefe Wunde an seinem Bauch und nahm ihm die Luft zum atmen. Wido japste und schrie dann gequält auf, als er spürte, wie die Klinge sich ein weiteres mal in seine Haut eingrub.

"Wo ist sie?" Erneut diese Frage, und wieder schwieg Wido beharrlich.

"Mein kleiner Vogel," dachte er und sein Blick verklärte sich. "Warum? Warum hast du es mir nicht gesagt?"

"Wo ist sie," schrie die Gestalt über ihm, die langsam ihre Konturen verlor, wieder zu einem Schatten mit der Dunkelheit verschmolz.

Wido lachte leise, ein Schlag traf ihn ins Gesicht, er spuckte Blut.

"Du wirst, wirst sie nicht bekommen. Sie, sie ist nicht hier und wird nicht wiederkommen."

"Oh doch, dass wird sie," sagte der Mann und lächelte hinterlistig.

"Sie wird wiederkommen, und es wird mir eine Freude sein ihren Schmerz zu sehen."

Vorsichtig versuchte Wido nach seinem Stab zu taste, doch als seine Hand das nasse Holz mit seinen Fingern umschloß, fuhr die dunkle Klinge des Schwertes wie ein Schatten auf sie hernieder.

Blut floß lautlos aus Widos Wunde, er war nicht fähig zu schreien, der Schmerz war zu groß, hielt sein Denken gefangen, machte seinen Körper lahm und kraftlos.

"Alter Mann," nur schwer nahm er die Stimme über sich noch wahr. "Du hättest es so einfach haben können," der Mann schüttelte seinen Kopf, wie ein Vater, wenn sein Kind etwas verbrochen hatte.

"Aber, du wolltest es ja nicht anderes."

Wido hustete, Blut quoll aus seinem Mund, doch er lächelte den Mann an, was ihn zu verwirren schien.

"Warum lachst du verdammt noch mal?" schrie er seine Frage laut heraus, um den Regen zu übertönen.

"Weil, weil du ein Narr bist," röchelte Wido, sein Körper zuckte unter einem erneuten Schwerthieb zusammen, doch sein Geist war schon zu weit fort, als das er diesen Schmerz noch mit all seinen Sinnen hätte wahrnehmen können.

"Du wirst, wirst scheitern. Ich weiß es., Ryan wird dich töten, töten, töten, wie das, was du so geliebt hast."

Das Gesicht des Mannes verhärtete sich, Haß lag in seinen Augen und er musterte den Mann, der vor ihm auf dem Boden lag und mit dem Tod kämpfte.

"Glaub mir, alter Mann," flüsterte er und beugte sich zu Wido nieder, sah wie seine Augen mit jedem Augenblick ausdrucksloser wurden.

"Ihr Tod wird nicht so schnell kommen wie der deine."

Die Augenlieder Widos wurden ihm schwer, mit all seiner Kraft versuchte er diesen Schatten, der sich langsam über ihn legte niederzukämpfen, doch er wußte, dass es ein aussichtsloser Kampf war, er wußte, diesen Kampf hatte er bereits verloren.

"Möge Feron (***) dich straffen, dir schlaflose Nächte bereiten, möge er dich mit den Geistern der Vergangenheit quälen, wie er Ryan schon so lange quält."

Um den vernarbten Mund des Mannes bildete sich ein bitteres Lächeln.

"Das tut er schon," sagte er, hob sein Schwert, die dunkle Klinge funkelte kurz im Schein eines Blitzes auf.

Ein kurzer erstickter Schrei hallte über das Land, dann war nur noch das Geräusch des Regens zu vernehmen.
 

Ayesha wagte nicht zu atmen, in ihrem Kopf herrschte eine Art Trance, sie starrte in den dunklen Himmel.

Regentropfen benetzten ihr Gesicht, nichts war zu hören.

Angst hielt immer noch ihren Körper gefangen, machte ihn unfähig sich zu bewegen. Ihre Hände gruben sich in den Waldboden ein, sie spürte die Feuchtigkeit unter ihren Fingerspitzen.

"Wido," dachte sie und schluchzte laut. Vorsichtig hob Ayesha ihren Kopf, versuchte durch die Gischt des Regens etwas zu erkennen, niemand war da, es war totenstill um sie.

"Wie in einem Alptraum," dachte sie und Angst schnürte ihr die Kehle zu.

Sie schluckte hart, versuchte diesen Krampf in sich zu lösen, ruhig durchzuatmen, doch es mißlang ihr. Laut pochte ihr Herz gegen ihren Brustkorb, ihr Blut klopfte heftig gegen ihre Schläfen und die Welt um sie herum begann sich von neuem zu drehen.

Plötzlich spürte sie etwas, eine Hand hatte sich auf ihre Schulter gelegt.

Ayesha schrie laut auf, schlug und trat um sich, wie ein verletztes wildes Tier.

"Mich kriegst du nicht," schrie sie laut, doch sie wollte nicht die Augen öffnen, nicht noch einmal diese Augen sehen. "Mich kriegst du nicht."

"Ayesha."

Diese Stimme, sie hatte mühe in ihr von Angst beherrschtem Denken einzudringen.

"Ayesha, ich bin es." Zaghaft öffnete Ayesha ihre Augen, und blickte in die verwirrten Augen Ryan's.

"Ryan," schluchzte Ayesha und warf sich ihr in die Arme. Irritiert drückte Ryan diesen zitternden Körper fest an sich, mit all ihren Sinnen spürte sie die Angst Ayeshas.

"Ayesha, was ist denn los?" fragte sie und nahm ihr Gesicht zwischen ihre Hände. Ayesha's schluchzen wurde wieder lauter und ihre Augen wurden erneut von Tränen überschwemmt.

"Was ist passiert?"

Ayesha zitterte, versuchte fest zusprechen, doch sie konnte es einfach nicht.

"Wido," wisperte sie und schlang erneut ihre Arme um Ryans Nacken.

"Ein Mann, er war plötzlich da, wie ein Schatten., er sucht dich, ein Mann mit einem vernarbten Gesicht."

Ryan entglitten ihre Gesichtszüge, ihre Augen waren weit aufgerissen...ein vernarbtes Gesicht, ein Schatten.

"Katlar," dachte sie und ein Schauder jagte ihren Rücken hinab. "Ich wußte es. Wido, Wido, nein."

Sanft löste sie den Klammergriff Ayeshas, nahm ihr Gesicht zwischen ihre Hände und sah sie eindringlich an.

"Hör mir jetzt gut zu," flüsterte sie.

"Ich gehe jetzt hinauf, hab keine Angst, es wird alles wieder gut," versuchte sie Ayesha zu beruhigen, doch wie konnte sie, die selbst nicht daran glaubte, Ayesha ihre Angst nehmen.

"Nein, geh nicht, er ist, er ist gefährlich," flüsterte Ayesha und umschloß Ryans Schultern.

"Ich weiß," sagte sie ausdruckslos und schlug kurz ihre Augen nieder. "Ich gehe jetzt, hier nimm das," sie drückte Ayesha etwas in ihre Hand. Kalt war es, erschrocken betrachtete Ayesha den langen, mit Widerhaken besetzten Dolch in ihrer Hand.

"Wenn du jemanden hier hinunter kommen siehst, und genau weißt, es ist weder Wido noch ich," raunte Ryan und ihr Blick wurde ernst.

"Hast du zwei Möglichkeiten, entweder du rennst, rennst so schnell du nur kannst, oder du greifst an.

Du mußt den Dolch tief in seinen Körper bohren, ihn einmal wenden, die Widerhaken werden ihm eine schmerzhafte Wunde zufügen," Ryan unterbrach ihren Redefluß und setzte sich auf.

"Ich gehe jetzt, du bleibst hier."

Ayesha nickte leicht, ihre Hand umklammerte das kalte Metall des Dolches in ihrer Hand.

Sie zog sich wieder tiefer in ihr Versteck zurück und sah Ryan nach, die lautlos, wie ein Schatten die Anhöhe entpor kletterte, Loba folgte ihr ebenso leise.

"Bitte," dachte sie und schloß für einen Augenblick ihre Augen. "Bitte sei vorsichtig."

Der Körper Ryans verschmolz mit der Umgebung, sie war kaum noch zuerkennen. Ayesha wagte nicht zu atmen.

Sie lauschte, Regen, Veränderung, Stille, das Rascheln in den Baumkronen.

Ihr Atem ging stoßweise, ihr Körper war wie die Sehne eines Bogens angespannt.

Ayesha biß sich auf die Unterlippe.

Dann durchzuckte ein markerschütternder Schrei die Stille und ein Wolf stimmte laut sein Klagelied an.

Ayeshas Körper sackte in sich zusammen.

Tränen brannten auf ihren Wangen, sie schluchzte und unterdrückte einen leisen Schrei in ihrer Kehle.
 

Leise, da er nicht wissen konnte, was den Menschen auf dieser Welt widerfahren war, flossen die Regentropfen das Blattwerk der Bäume hinunter, schwemmten rote Flüssigkeit mit sich fort, ließen sie tief in den Boden einsickern...

Ließen sie zurückkehren, zurück zu jenem Ort, aus welchem das Leben einst begonnen hatte.

Doch ohne es zu wissen, reflektierte der Regen den Schmerz der Menschen, genau wie sie zeigte auch er seine Trauer, genau wie sie, weinte an diesem Tag der Himmel.
 

*** Feron: Gott der Dunkelheit. Kann man z.B. mit Hades gleichsetzten.
 

Nachwort:

So, da bin ich wieder!!! Frisch aus dem Urlaub und mit dem neuen Kapitel. Tja, was soll ich eigentlich schreiben?! Keine Ahnung, erst mal an die Freischalter *gg*. Entschuldigung, ich konnte mich nicht kürzer fassen ^^. Naja, ich hoffe ihr verzeiht mir...

Ist etwas düster geworden wie ich finde, doch ich würde euch ja nur langweilen, wenn so überhaupt nichts passieren würde. Gut, in dem Kapitel kam es dann halt alles auf einmal...ist zwar nicht die beste Art eine Geschichte voran zutreiben, aber hey, ich war ja erst 15 ^^. Den Namen Katlar habe ich, muß ich ja zugeben geklaut (gehört natürlich der Autorin des Buches, aus welchem ich ihn habe). Ist aus einem Kinderbuch, aber erstens ist mir kein guter eigener eingefallen, und zweitens er symbolisiert alles, wovor ich mich in meiner Kindheit, als ich das Buch gelesen hab, gefürchtet habe.

Ich hoffe, euch hat das Kapitel ein bißchen gefallen...Ich gebe mir Mühe, dass das nächste auch bald online gehen kann. In dem Sinne, danke an diejenigen, die dieses Kapitel gelesen haben!!! Und einen Gruß an meine treuen Leser!!!

Adios, wir lesen uns

seen



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Igel242002
2003-08-12T21:03:17+00:00 12.08.2003 23:03
Hey, ich hoffe dein Urlaub war gut.
Du hast das mit 15 geschrieben? Wahnsinn!
Das war wiederum ein klasse Kapitel. Besonders gut ist es dir gelungen die Dynamik der Geschehnisse zu vermitteln. Vor allem während Ayeshas Flucht, da dort die kurzen Satzstücke und auch die Wortwahl, ihre Angst (um sich/Wido) und die körperliche Anstrengung veranschaulichen.
Ich freue mich schon auf den nächsten Abschnitt
Bis dann
Chris


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