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Ein zweites Leben

von

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Überraschung für ihn

Ein Vierteljahr dauerte es bis zu dem großen Tag ihres Lebens und ein Vierteljahr lang bewahrte Oscar eine kühle Ruhe und Gelassenheit. Das konnte sie gut.
 

Eines Tages im August war es endlich soweit: Die Kleider für die Damen und die Anzüge für die Herren waren fertig. Oscar hatte für die Feier ein kleines Wohnhaus am Rande von Paris gemietet und es fehlte nur noch ein verschwiegener Pfarrer, der sie rechtmäßig und ohne Fragen zu stellen, trauen würde. Bernard erbot sich, sich darum zu kümmern - als kleine Entschädigung dafür, dass er die Schlägerei zugelassen und nichts dagegen unternommen hatte.
 

Oscar hatte ihm den Zwischenfall längst verziehen und vertraute ihm die Suche nach dem geeigneten Pfarrer an. Ihr war es zuwider jemanden bestechen zu müssen, aber sie tat dies für eine gute Sache und für ihre Liebe. Sie nahm genauso gewissenhaft in Kauf, dass sie einen schändlichen Verrat an ihre Familie begann. Wenn der richtige Zeitpunkt kommen würde, würde sie alles erklären. Wahrheit und Treue ist eine Sache - aber wenn man das gleiche Leben ein zweites Mal durchlebte, dann sieht man das als zweitrangig. Noch sieben Jahre, bis sie irgendwann anfängt Blut zu husten und dann werden ihr nur noch sechs Monate zum Leben bleiben. Wenn sie nur wüsste was sie tun könnte, um diese Krankheit zu vermeiden, wäre ihr Leben noch unbeschwerter! Doch daran durfte sie jetzt nicht denken! Heute war ihr großer Tag! Ab heute Abend würde sie den Namen ihres Mannes tragen! Sie war nicht einmal aufgeregt und dachte lieber an Andre, denn er wusste immer noch nichts von seinem großen Glück! Das würde ihn ganz bestimmt umhauen!
 

Oscar beendete gerade gewohnheitsgemäß ihren Dienst in Versailles und ritt mit ihrem Andre nach Hause. „Wir reiten gleich danach zu Bernard und Rosalie“, teilte sie ihm unterwegs mit: „Es kann auch passieren, dass wir bei ihnen über Nacht bleiben.“
 

„Und wieso?“, fragte Andre neugierig nach. In den letzten Monaten oder besser gesagt seit dieser Schlägerei, beliebte Oscar häufig Rosalie zu besuchen. Und das auch ohne ihn, während er mit Alain irgendwo unterwegs war! Das war bei ihr sehr ungewöhnlich und entsprach nicht ihrer Natur! Aber vielleicht käme sie dadurch ja doch noch auf Geschmack, sich wie eine Frau zu fühlen? Allerdings schien es bisher noch keine Früchte zu tragen. Leider.
 

„Es gibt etwas zu feiern“, meinte Oscar auf seine Frage knapp.
 

„Und was gibt es zu feiern?“ Andre kam es so vor, als verheimlichte sie etwas vor ihm.
 

„Das haben sie nicht gesagt.“ Oscar verzog eine unbeteiligte Miene. Das bedeutete, dass sie schon genug verraten hatte.
 

Andre verdrehte insgeheim die Augen. Sie würde sich wohl nie ändern. Nur in den seltenen und kostbaren Momenten der Nacht, wenn alle schliefen, ließ sie ihre harte Schale fallen und zeigte die leidenschaftliche Frau in ihr, die er so abgöttisch liebte. So eine Nacht der Zweisamkeit war gefährlich und reizvoll zugleich. Seit Rosalie aus dem Haus war, gab es zwischen ihnen so gut wie keine lange Nacht der Liebe mehr. Sie beide waren exakt darauf bedacht, kein weiteres Mal erwischt zu werden. Und so wurden die Nächte seltener, die kurzen Momente kostbarer.
 

Sie erreichten das Anwesen und Oscar stieg bereits mitten auf dem Hof von ihrem Pferd ab. „Warte bitte hier auf mich, Andre. Ich sage nur Sophie Bescheid, dass sie heute auf uns nicht warten braucht und dann reiten wir weiter.“ Ohne auf seine Aussage zu warten ging sie ins Haus. Sie fand Sophie gleich in der Küche. Es war Zeit zum Vespern und die alte Haushälterin belud ein Tablett mit Tee und Gebäck für eine Person. Also war Madame de Jarjayes auch zuhause. „Ich grüße dich, Sophie. Ist meine Mutter in ihrem Salon?“
 

„Oh, Ihr seid schon zurück, Lady Oscar!“ Sophie schenkte ihr erfreut sogleich die volle Aufmerksamkeit: „Ja, Eure Mutter ist in ihrem Salon. Ich werde für Euch auch gleich einen Tee machen.“
 

„Nicht nötig, Sophie. Ich bin sowieso gleich wieder weg und komme erst morgen wieder. Und Andre wartet mit den Pferden im Hof auf mich. Er wird mich begleiten.“
 

Sophie öffnete erschrocken den Mund. Ihr Schützling wollte nicht etwa schon wieder in ein Gasthaus einkehren und sich mit Trunkenbolden schlagen?! Sie erinnerte sich noch genau an den grässlichen Bluterguss, den sie bei ihr am nächsten Tag behandeln musste! Das hatte sie zutiefst entsetzt und sie hatte dafür ihrem Enkel eine ordentliche Standpauke gehalten, dass er auf Oscar nicht gut genug aufgepasst hatte!
 

„Keine Sorge“, entriss Oscar sie aus den schlimmen Erinnerungen. Die Bange musste ihr im Gesicht gestanden haben, dass Oscar ihre Gedanken problemlos durchschaute. „Ich habe nicht vor in ein Gasthaus einzukehren. Andre und ich wollen nur Rosalie besuchen.“
 

Sophie atmete erleichtert auf und Oscar ging lächelnd in den Salon ihrer Mutter. Auch ihr erzählte sie das Gleiche.
 

„In Ordnung, mein Kind. Lasse dich aber nicht von Raufbolden erwischen“, meinte Madame de Jarjayes mit eine Anspielung auf die vergangene Schlägerei.
 

„Ich werde sie alle in die Flucht schlagen, Mutter!“ Oscar lachte auf und verabschiedete sich. Das Lachen verging ihr, die fröhlichen Gesichtszüge erstarben, sobald sie aus dem Salon hinaus war. Sie hatte ihrer Mutter und Sophie die Wahrheit vorenthalten: Dass sie von heute Abend an keine de Jarjayes mehr sein würde. Sie würde den Namen Grandier tragen. Sie hatte die beiden Frauen belogen und ihnen dabei ins Gesicht geschaut. Der Trug legte sich wie ein schwerer und erdrückender Stein über ihr Herz. Sie würde lernen müssen, damit zu leben. Sie tat das für Andre und ihre gemeinsame Liebe, die von der hohen Gesellschaft niemals akzeptiert werden würde. Wie ungerecht! Wenigstens hatte sie nicht auch noch ihrem Vater ins Gesicht schauen müssen! General de Jarjayes befand sich schon seit Tagen in dringlichen Angelegenheiten des Königs in Versailles. Aber früher oder später würde sie ihm gegenüber stehen und ihm seine stolze Tochter, die er wie einen Sohn erzog, vorgaukeln müssen! Sie konnte und wollte sich nicht vorstellen, wie er darauf reagieren würde, dass sie schon längst im Verborgenen das Leben einer Frau eingeschlagen hatte! An der Seite von Andre! Einem Mann, der nicht ihrem Stand angehörte, aber dessen Schicksal mit ihr verbunden war! Sie und er waren für einander bestimmt seit sie sich kannten!
 

Oscar verließ mit Andre das Anwesen und schaute nicht zurück. Sie hatte heute früh sogar die Königin aufgesucht:
 

...ich bitte um Erlaubnis, inoffiziell heiraten zu dürfen, Eure Majestät!“, hatte sie ihr unter vier Augen offenbart. Marie Antoinette verlor vorerst keinen Ton von sich und Oscar sah sie fest entschlossen an. Da die Adligen üblicherweise die Zustimmung des Königs brauchten, um heiraten zu können und Oscar aber nur der Königin vertraute, hatte sie es ihr mitgeteilt. Und sie wollte andererseits damit ihr Gewissen etwas erleichtern. Sie stand doch schon so viele Jahre treu in Diensten ihrer Majestät!
 

Werdet Ihr mich danach verlassen, Oscar?“, hatte Marie Antoinette verstockt geäußert.
 

Nein, Majestät, ich bleibe weiterhin in Euren Diensten als Kommandant des königlichen Garderegiments“, hatte Oscar ihr erhobenen Hauptes geantwortet: „Denn diese Heirat geschieht aus Liebe zu dem Mann meines Herzens und im Verborgenem.“
 

Ich verstehe was Ihr meint, Oscar.“ Marie Antoinette hatte ihr darauf ein hübsches Lächeln gezeigt. Sie hatte ihre Freundin durchgeschaut und ahnte, wer der Mann sei, den sie im Verborgenem heiraten wollte. Das war mehr als unangemessen und schändlich, aber Marie Antoinette drückte ein Auge zu. Oscar hatte für sie schon so vieles getan und nun wollte sie auch für sie etwas tun. „Ihr habt meine Erlaubnis, liebste Oscar. Werdet mit Eurer Liebe glücklich, aber bitte gebt gut auf Euch acht.“
 

Ich danke Euch von ganzem Herzen, Majestät.“ Das war das ganze vertrauliche Gespräch zwischen ihnen gewesen. Oscar fühlte sich danach ein wenig besser. Die Königin hatte es ihr bestimmt erlaubt, weil sie selbst schon erfahren musste, was verbotene Liebe bedeutete und konnte Oscar daher aus reinem Mitgefühl verstehen.
 


 

- - -
 


 

Oscar und Andre durchquerten Paris im leichten Galopp. Schon bald wunderte sich Andre über die Richtung, die sie einschlugen. „Oscar, wenn wir zu Bernard und Rosalie wollen, müssen wir den anderen Weg nehmen.“
 

„Ich weiß, aber sie sind nicht zuhause.“ Oscar zuckte beiläufig mit ihren Schultern und sah nur stur geradeaus.
 

„Wo reiten wir dann hin?“ Andre wunderte sich noch mehr, woraufhin Oscar wieder beiläufig mit ihren Schultern zuckte und ihn kein einziges Mal ansah. „Wir reiten zu einem Ort, wo wir uns verabredet haben. Alain, Diane und deren Mutter sind auch dort.“
 

„Aber was haben sie denn mit Rosalie und Bernard zu schaffen?“ Das verstand Andre nicht. Nun gut, soweit er mitbekommen hatte, kamen die Frauen gut miteinander aus. Das war noch nachvollziehbar. Aber Bernard und Alain? Die beiden Männer gingen ihre eigenen Wege, tolerierten sich und zählten gleichermaßen zu seinen engsten Freunden.
 

Oscar überlegte schnell nach einer plausiblen Antwort für ihn: „Das wirst du mitkriegen, wenn wir dort angekommen sind, Andre.“
 

„Warum habe ich das Gefühl, dass du mir etwas verheimlichst, Oscar?“
 

„Freue dich lieber auf heute Abend, Andre. Wir sind gleich da.“
 

„Wie soll ich mich freuen, wenn du nicht sagst, was eigentlich los ist?!“
 

„Es wird dir bestimmt gefallen, Andre, da bin ich mir sicher.“
 

„Oscar!“ Andre verlor langsam die Geduld. Sie redete um den heißen Brei herum, was ganz und gar nicht ihre Art war! „Sag mir bitte was los ist, sonst wende ich mein Pferd und reite heim!“
 

„Das wirst du nicht tun, ich kenne dich doch.“ Oscar schien nichts aus der Ruhe zu bringen. „Spätestens auf dem halben Weg kehrst du zurück und wirst mir sagen, dass es dir leid tut. Ich werde dir natürlich verzeihen, aber nichts verraten und du wirst neben mir stillschweigend einher reiten, bis wir unser Ziel erreicht haben.“
 

Andre klappte der Mund baff auf. Er bestaunte Oscar von der Seite. So sehr kannte sie ihn schon? Er würde womöglich genauso handeln, obwohl es ihm in dem Moment noch unbewusst war. Oscar spürte seine Blicke auf sich und richtete ihr Augenmerk zu ihm. „Mach deinen Mund zu, Andre. Es wird alles gut, vertraue mir!“
 

Wie sicher sie sich doch ihrer Sache war! Andre machte sein Mund zu und schluckte. „Ich vertraue dir voll und ganz, Oscar.“
 

Schon bald näherten sie sich dem Stadtrand und hielten vor einem bescheidenen, zweistöckigen Wohnhaus an. Es schien kaum bewohnt zu sein, denn es herrschte eine gespenstische Stille - keine Kinderstimmen und kein lautes Gelage der Erwachsenen war daraus zu hören. Einzig zwei Kutschen mit je einem zweier Gespann standen vor dem Haus.
 

„Wo sind wir, Oscar?“
 

„Bernard beliebt hier seine Reden zu schreiben, seine Ideen zu entwickeln. Er will ja ein guter Journalist werden“, erklärte ihm Oscar und stieg aus dem Sattel. „Jeden Monat kommen einige Bürger aus der Stadt hierher und hören sich seine Reden an. Heute ist das Haus leer und deswegen können wir den ganzen Abend hier bleiben.“
 

„Ich wusste nicht, dass Bernard sich ein eigenes Haus leisten kann...“ Andre stieg auch vom Pferd herunter und band die Tiere an einen Pfosten am Haus.
 

„Es gehört ihm auch nicht. Er mietet es nur ab und zu für seine Zwecke.“
 

„Und wer sind die eigentlichen Eigentümer?“
 

„Keine Ahnung. Ich habe nicht nachgefragt. Sie sind sehr selten hier. Also komm, wir sollen die anderen nicht warten lassen!“ Oscar ging ins Haus und Andre folgte ihr auf Schritt. Sie betraten einen langen Gang, mit zwei Doppeltüren auf jeder Seite und ganz hinten führte eine Treppe in das obere Stockwerk. „Dort müssen wir nicht hin“, sagte Oscar, als Andre zu der Treppe schaute. Sie klopfte kräftig gegen eine der Doppeltüren. Die unverständlichen Gespräche dahinter verstummten und nach einem kurzen Augenblick rasselte der Schlossriegel.
 

Bernard öffnete ihnen die Tür. „Ah, ihr seid es! Kommt herein und macht es euch bequem.“ Er ließ alle beiden durch und schloss hinter ihnen die Tür wieder.
 

Es war ein mittel großer Raum – ausgestattet mit einem Tisch, Stühlen, diversen anderem Mobiliar und einer Kochstelle, an der drei Damen geschäftig etwas zubereiteten. Sie brachen ihre Tätigkeit ab und begrüßten die Neuankömmlinge. Auch Alain erhob sich vom Tisch und ging breit grinsend auf sie zu. „Endlich! Ich dachte schon, ihr kommt nicht!“ Er drückte Andre kräftig die Schulter. „Wie fühlst du dich, Kumpel?“
 

„Wie soll ich mich fühlen?“ Andre schmerzte beinahe die gedrückte Stelle. Er betrachtete Alain skeptisch. Etwas war hier im Gange und er war der einzige Ausgeschlossene!
 

„Alain!“, vernahm er den mahnenden Unterton von Oscar und sah zu ihr.
 

„Keine Bange, Oberst!“ Alain lachte und legte Andre seinen Arm ganz um die Schultern. „Und du schaue sie nicht an, als hätte sie dir einen Tritt verpasst! Komm lieber mit!“ Er setzte seine Füße in Bewegung und schleppte ihn buchstäblich mit sich.
 

Oscar entschwand Andre aus dem Blickfeld und er war gezwungen, wieder nach vorn zu sehen. In diesem gut erhellten Raum befanden sich noch zwei weitere Türen. Sie lagen sich gegenüber und Alain schlug nach rechts ein. „Wo bringst du mich hin?“, fragte Andre benommen. Seine Füße trugen ihn von alleine.
 

„Wirst du gleich sehen!“, frohlockte Alain und sein Grinsen wirkte noch breiter.
 

„Das ist die falsche Tür!“, hörten alle beide Oscars scheltenden Ausruf hinter sich und blieben abrupt stehen.
 

„Entschuldigt, Oberst.“ Alain wirbelte mit Andre herum und marschierte breitbeinig in die entgegen gesetzte Richtung.
 

Sie passierten den Tisch und dabei fiel Andre auf, dass alle hier festlich gekleidet waren. Außer ihm und Oscar. „Was geht hier vor?!“, verlangte Andre auf der Stelle zu wissen.
 

„Tja, Kumpel. Wirst du gleich an der eigenen Haut erfahren!“ Alain schob ihn unsanft vor sich und amüsierte sich köstlich über seine verdutzte Reaktion.
 

Bernard tauchte auch noch auf und machte die Zimmertür für sie auf. „Wir werden dich ein wenig umgestalten, Andre.“
 

„Wie bitte?“ Andre gefiel das ganz und gar nicht. Er begann sich reflexartig zu sträuben. „Ich will nicht umgestaltet werden!“
 

„Ganz ruhig, Kumpel!“ Alain verstärkte den Griff um ihn und stieß ihn rüde in das Zimmer. „Du wirst nur genauso schicklich aussehen wie wir!“
 

„Ich will das aber nicht!“, wiederholte Andre vehement, wurde aber erneut überhört.
 

Bernard ging auch herein und machte hinter sich die Tür zu. „Lady Oscar hat das so angeordnet, Andre. Sie wollte, dass wir heute alle schicklich aussehen.“
 

„Oscar?“ Andre hörte auf sich zu sträuben und fixierte Bernard verdattert. „Wieso soll sie das wollen? Es ist ihr doch gleich, wer wie aussieht!“
 

„Menschen ändern ihre Meinung, Andre!“ Bernard ging gelassen an ihm vorbei bis an das andere Ende des Zimmers und blieb bei einem Gestell stehen. „Jetzt zieh dich schon um.“
 

Andre sah überrascht auf die Kleider, die auf dem Gestell hingen: Eine dunkelbraune Ausgehjacke und Weste, exakt passend zu seiner Haarfarbe. Dazu eine schwarze Hose und Stiefel, ein weißes Hemd und ein sattgrünes Haarband, das zu seiner Augenfarbe passte. In der gleichen Farbe zierte ein Muster die Bordüren, den Kragen und die Ärmel der Ausgehjacke. Das alles war aus einem einfachen, schlichten Stoff gemacht, war aber wirklich hübsch anzusehen. Andre ging langsam zu dem Gestell und berührte vorsichtig den dicht gewebten Ärmel der Jacke. „Wird Oscar sich auch umziehen?“
 

„Ist das das einzige was dich interessiert, Kumpel?“, hörte er Alain dicht hinter sich sagen und spürte wieder einmal dessen kraftstrotzende Hand auf seiner Schulter: „Es könnte natürlich sein, dass sie eine ihrer Uniformen oder was weiß ich, mitgebracht hat... Aber wenn du so sehr darauf brennst, kann ich gerne nachsehen! Vielleicht ist sie gerade ohne jegliche Bekleidung, so wie sie Gott schuf?!“
 

Andre wirbelte blitzartig herum, packte ihn aufgebracht und nagelte ihn mit seinem Blick fest. „Unterstehe dich!“
 

Alain störte es kein bisschen. Er lachte nur darauf. „Du bist mir aber ein verliebter Trottel, Kumpel! Sehe ich so aus, als würde ich deiner Flamme nachrennen? Ich stehe doch auf keine Mannsweiber!“
 

Andre entspannte seine Muskeln. Ihm kamen wieder Erinnerungen hoch, wie Alain im früheren Leben zu Oscar gestanden hatte. „Nun gut, Alain. Ich glaube dir.“ Er ließ von ihm ab und drehte sich zum Gestell zurück. „Ich werde mich meinetwegen umziehen, aber alleine. Ich brauche keine Zuschauer.“
 

„Sieh einer an!“, stichelte Alain hinter seinem Rücken: „Der feine Herr will sich nicht mehr mit uns abgeben, oder wie?!“
 

„Das ist es nicht, Alain“, ertönte es von Andre in einem entrüsteten Tonfall: „Ich will nur einen Augenblick alleine sein.“
 

Bernard, der im Gegensatz zu Alain Andres Gesicht sah, nickte zustimmend. „Wie du willst. Wir lassen dich alleine.“ Er ging an ihm vorbei und hielt bei Alain kurz an, Schulter an Schulter. Er neigte sein Mundwerk zu dessen Ohr und raunte ihm leise zu, ohne dass Andre es hören konnte: „Unser Freund muss erst einmal seine Fassung wieder finden. Bedenke was ihn heute erwartet.“
 

„Denkst du, er weiß Bescheid?“, unterbrach ihn Alain kaum hörbar.
 

„Nein, das glaube ich nicht, aber trotzdem.“ Bernard ging weiter, umfasste den Türknopf und sah sich nach Alain um.
 

Dieser klopfte noch einmal Andres Schulter, bevor er Bernard folgte. „Lass aber nicht zu lange auf dich warten, Kumpel. Wir sind gleich an der Tür, falls du uns brauchst.“
 

„In Ordnung“, murmelte Andre und wartete, bis die zwei aus dem Zimmer waren. Dann atmete er auf. Er musste seine Gedanken ordnen und da waren seine Freunde fehl am Platz. Er nahm wieder den Ärmel der dicken Ausgehjacke in seine Hand, befühlte den Stoff zwischen seinen Fingern und betrachtete die grün verzierten Muster. „Oscar...“, fragte er sich dabei: „...was bezweckst du damit? Was hast du vor?“
 

Ihm fiel gleich ihre Unterhaltung auf dem Weg hierher wieder ein: „...es gibt etwas zu feiern... es wird dir bestimmt gefallen...“, hatte sie ihm ausdruckslos gesagt. Aber was meinte sie damit? Gleichzeitig fiel ihm ein anderes Gespräch ein, das allerdings schon ein Weilchen zurück lag: „...ich schwöre dir, es wird der Tag kommen, an dem ich nur für dich ein Ballkleid anziehe und mit dir tanzen gehe...“, hatte sie ihm damals versichert. Könnte es sein, dass sie heute beabsichtigte ihr Versprechen in die Tat umsetzen? Möglich wäre es. Bei Oscar konnte man nie wissen, was sie als Nächstes vorhaben würde! Weshalb sollte er denn sonst die schicklichen Kleider anziehen? Und die anderen ebenso? Sie alle trugen bereits ihre schlichte, aber festliche Garderobe. Und auch noch die zwei Kutschen vor der Tür? Sehr seltsam. Also werden sie womöglich mit ihnen zu einem Ballhaus fahren! Aber nur zu dem, wo das einfache Volk tanzte. Andre schmunzelte verschmitzt. Oscar wollte ihn überraschen, aber er hatte sie durchgeschaut! Nur würde er ihr nichts davon sagen, sondern sie in ihrem Vorhaben gewähren lassen. Immerhin sollte es wie eine Überraschung wirken! Mit allerlei Vorstellungen von Oscar in dem einen oder anderem Kleid, begann Andre sich umzuziehen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Madame_Malou
2015-03-05T16:37:30+00:00 05.03.2015 17:37
Armer Andrè, ich habe richtig mit ihm gelitten über seine Verunsicherung. Deine Kapitel sind immer so wunderbar abwechslungsreich, das ich gar nicht anders kann und in Gedanken wie ein unsichtbarer Zuschauer dem Geschehen bei wohne. :D Auf Andrè's Reaktion bin ich schon sehr gespannt! XD
Antwort von:  Saph_ira
05.03.2015 21:46
Ja, der arme Andre hat es nicht leicht - vor allem bei Oscar... XD Dankeschön herzlich für deinen Kommentar. ;-)
Von:  alandatorb
2014-04-27T18:39:34+00:00 27.04.2014 20:39
ich habe diese Kapi regelrecht verschlungen und erwarte gespannt das nächste und da besonders die Reaktion von Andre und das Kleid von Oscar
LG
Alanda
Antwort von:  Saph_ira
27.04.2014 20:44
Vielen, lieben Dank. Ich werde mich bemühen, nicht länger warten zu lassen. ;-)
Liebe Grüße :-)
Von:  FeelLikeParadise
2014-04-25T17:55:59+00:00 25.04.2014 19:55
Ach der Arme!:D
Er hat wirklich keine Ahnung was auf ihn zukommt *-*
Ja, Alain reißt es eben mal wieder raus :D
Freue mich auf das nächste Kapitel!
LG:)
Antwort von:  Saph_ira
25.04.2014 22:49
Ja, Andre kann wirklich einem leidtun. ^^
Vielen Dank für dein Kommentar und liebe Grüße zurück. :-)
Von: abgemeldet
2014-04-24T18:35:20+00:00 24.04.2014 20:35
Oh der arme Andre! Ich kann seine Neugierde und seine Verunsicherung wirklich gut nachempfinden! Alain kannssich natürlich nicht zurück halten und stellenweise hatte ich echt Angst, dass er alles verraten wird.

Ich freue mich auf das nächste Kapitel und bin gespannt was du noch alles für Andre auf Lager hast. ;)
Antwort von:  Saph_ira
24.04.2014 21:22
Sei versichert, ich habe für Andre noch einiges parat. Es muss doch immer einen Leidtragenden in der Geschichte geben. Aber keine Sorge, es ist etwas schönes, was auf ihn demnächst zukommt. XD
Dankeschön für deinen Kommentar. ;-)


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