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Ein zweites Leben

von

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Der Preis für ihr Leben

Oscar fiel zusammen mit ihrem kleinen Sohn. Sie hatte ihn unter sich begraben, wie unter einer schützenden Decke. Der Bärenmann von Söldner, mit seiner grässlichen Narbe im Gesicht, sackte hinter ihr ebenfalls zusammen. Zwei Gewehrkugeln steckten in seiner Brust und er war auf der Stelle tot. Andre und Alain warfen ihre Gewehre beiseite und eilten mit Diane im Schlepptau zu den beiden Oscars. Die restlichen Söldner folgten ihnen zaghaft, von dem Geschehenen fassungslos, und versuchten alles zu begreifen. Sie zählten eins und eins zusammen und ihnen wurde klar, wem der Junge gehörte und wer seine Eltern waren. Aber sie brachten keinen Ton heraus und umstellten nur ihren Oberst im halben Kreis. Einige von ihnen trauten sich an das Narbengesicht und nahmen ihm die abgefeuerte Pistole aus der leblosen Hand. Sie stellten sein Tod fest, schimpften ihn einen verräterischen Mistkerl und schlossen sich ihren Kameraden wieder an.
 

Andre kniete vor den beiden Körpern am Boden und fasste seine Frau vorsichtig an der Schulter. Sie war am Leben, das sah er sofort. Sie hatte sich auf die Ellbogen gestützt, um den Kleinen unter sich nicht mit ihrem Gewicht zu erdrücken. Jetzt rappelte sie sich mühsam hoch. Ihr Sohn umklammerte sie mit beiden Armen um den Nacken und sie zog ihn mit sich. Mit einem Arm hielt sie ihn fest an sich und befühlte mit ihren Fingern seinen kleinen Körper. Er atmete! Er lebte! Ihm war nichts geschehen!
 

Andre half ihr beim Aufsitzen und schloss sie alle beide in seine Arme. Es war ihm gleich, dass alle dabei zusahen. „Es ist vorbei, Oscar... es wird alles gut...“, redete er auf sie beide und sich selbst ein.
 

„Andre...“, sprach Oscar gedämpft, aber deutlich: „Vater weiß über uns Bescheid. Ich habe ihm alles erzählt. Deswegen war ich so lange nicht hier...“
 

„Was sagst du?“ Andre entriss sie überrascht von sich und sah sie lange an. Auch ihrer beider Sohn ließ von ihr ab, blieb aber rittlings auf ihrem Schoß sitzen und schaute unverständlich zu ihr hinauf. Er verstand nicht, was sie meinte, aber er fragte nicht danach. Hauptsache seine Eltern waren bei ihm und das tröstete ihn.
 

Oscar sprach schon weiter, mit einem eigenartig verzerrtem Gesichtsausdruck und leicht verstockt: „Er hat uns verstoßen, Andre... Das heißt, ich besitze weder Rang noch Titel... Und ich darf das hier...“ Sie tastete nach ihrem Rangabzeichen und riss es gewaltsam von ihrer blauen Uniformjacke. „...nicht mehr tragen.“
 

„Was bedeutet das jetzt für uns, Kommandant?“, wand Jean mit weit aufgerissenen Augen ein.
 

„Dass ich kein Oberst mehr bin...“, sagte Oscar in die Runde. Sie schaute in jedes Gesicht, das in ihr Blickfeld fiel. „Hört ihr, Männer?! Ihr seid frei von mir! Ab heute bin ich nicht mehr euer Befehlshaber! Ich bin nur noch eine gewöhnliche Frau...“ Weiter kam sie nicht. Ein schneidender Schmerz durchzog ihren Körper wie ein geißelnder Blitz. Sie hatte schon zuvor versucht ihn zu unterdrücken, aber er gewann immer mehr die Oberhand. Sie wusste, sie war irgendwo unten am Rücken getroffen, aber sie hatte das nicht für schlimm befunden. Jetzt zahlte sich das heim. Etwas in ihrem Gesicht verriet sie.
 

Andre fasste sie umsorgt an. „Was ist mit dir, Oscar?! Du wirst grau im Gesicht!“
 

„Ich bin angeschossen...“, entrann es ihr schwach von den Lippen und ihr Gesicht verzog sich schmerzlich. Das Rangabzeichen entglitt ihrer Hand und sie fasste sich an die Lende, dort wo der schneidende Schmerz herkam.
 

Lautes Hufklappern erschall und ein Pferd preschte durch das Tor, mitten in das Geschehen hinein. Der Reiter hielt sein gezogenes Schwert. „Ich habe Schüsse gehört! Was geht hier vor?!“, hallte seine tiefe Stimme und dann verstummte er prompt, genau wie das Hufklappern. Keiner der Söldner nahm ihn wahr. Alle standen versammelt um ihren Befehlshaber: Entsetzt, erstaunt, fassungslos und tief ergriffen.
 

Oscar entfernte ihre Hand von ihrer Seite und Schweißperlen traten ihr schaudernd auf die Stirn. Ihre Hand war blutverschmiert und es wurde ihr leicht schwindlig.
 

„Sattelt die Pferde! Wir müssen sie sofort zu einem Arzt bringen!“, ordnete Andre lauthals in die Runde und umfasste Oscar an den Schultern. Er gebot ihr damit mehr Halt.
 

Hektische Bewegungen entstanden in dem Knäuel. Alain und drei weitere Freiwillige befolgten unverzüglich seine Anordnung.
 

Der Reiter sprang derweilen aus dem Sattel, steckte sein Schwert wieder in den Schaft und drängte sich durch die Menge der blauen Uniformen. „Lasst mich sofort durch! Das ist ein Befehl!“ Die Männer machten ihm Platz. Er war ja höheren Ranges – und ein Adliger! „Lady Oscar!“ Aufgebracht erreichte er sie, ging neben ihr auf die Knie und erst dann bemerkte er das Kind auf ihrem Schoss. Das stieß ihn vor den Kopf. Wer war das?
 

„Ihr hättet nicht kommen brauchen, Graf de Girodel...“, flüsterte Oscar schweren Atems und lehnte ihre Schulter gegen Andre. „Zwischen uns wird keine Verbindung geben... Weder heute, noch in Zukunft... denn ich bin schon vermählt...“
 

„Wie meint Ihr das? Ich verstehe nicht...“ Victor de Girodel war jetzt noch mehr verwirrt. Und er bekam keine Antwort darauf.
 

„Diane, nimm ihr den Jungen ab!“, ordnete Andre stattdessen schon als Nächstes: „Ich bringe sie selbst zu den Pferden!“
 

Ein junges bürgerliches Mädchen kam auf der Stelle zu ihnen und hob den Jungen von Oscars Schoß. „Komm, Kleiner.“
 

„Nein!“, protestierte dieser panisch und heftig. Er sträubte sich und versuchte sich von Diane loszureißen, die ihn jedoch noch stärker festhielt. „Lass mich, Dia! Ich will nicht! Ich will bleiben! Papa! Mama!“
 

„Sei ein braver Junge!“, fuhr ihn Andre ungewohnt scharf an und sein Sohn gehorchte wie auf Befehl. Diane stellte ihn eng neben sich auf die Füße und er sah erschrocken zu seinem Vater. „Das wollte ich nicht, entschuldige...“, sagte Andre in seine Richtung, sanfter als zuvor, und widmete sich wieder seiner Frau. Einen Arm hielt er um ihren Körper, den anderen schob er ihr unter die Beine und mit einem kräftigen Ruck erhob er sich mit ihr. Oscar stöhnte mit zusammengebissenen Zähnen, kniff ihre Augen fest zu und ihr Körper verkrampfte sich. „Halte durch, Liebste... es wird schon...“, hörte sie seine umsorgte Stimme dicht an ihrem Kopf und da entspannte sie sich ein wenig.
 

„Schon gut, Geliebter...“, krächzte Oscar und öffnete mühsam ihre Augen. Sie schaute sich suchend um. „Diane! Nimm den Kleinen und komm mit uns...“
 

„Halt, einen Augenblick!“ Victor de Girodel schoss wie gestochen in die Höhe und packte Andre verständnislos am Ärmel seiner Uniform. „Was wird hier gespielt?! Ich verlange sofort eine Erklärung!“
 

„Es tut uns leid, Graf, aber wir haben jetzt keine Zeit für Erklärungen.“ Andre schüttelte seinen Griff ab, ohne ihn anzusehen. „Ich muss meine Frau zu einem Arzt bringen, sonst verliere ich sie und das will ich nicht.“
 

Das war wie ein Schlag ins Gesicht! Girodel begriff gar nichts mehr. Eigentlich war er hierher gekommen, um Oscar seine Aufwartung zu machen, ihr sein Herz zu Füßen zu legen und ihr seine Liebe zu gestehen! Stattdessen wurde er Zeuge einer schrecklichen und unerwarteten Szene!
 

Die Söldner machten Andre den Weg frei und bildeten eine Gasse. Sie ließen sowohl ihn, mit Oscar auf den Armen, so auch das Mädchen, mit dem Jungen an der Hand, passieren. Einige von ihnen schlossen sich ihnen an und geleiteten sie bis zu den Stallungen.
 

„Lady Oscar...“, hauchte Girodel gebrochenen Herzens und starrte dem Grüppchen entgeistert nach. Dann ballte er eine Hand zur Faust, seine Stirn legte sich missmutig in Falten, seine Augenbrauen zogen sich streng zusammen und er fuhr die restlichen Söldner harsch an: „Ich erwarte von euch einen sofortigen Bericht über das, was hier heute vorgefallen ist! Und wehe euch, wenn ihr mir dabei etwas auslasst! Ich will alles bis ins kleinste Detail hören! Habt ihr mich verstanden?!“
 


 

- - -
 


 

Doktor Lasonne war äußerst überrascht und erschrocken, in welchem Zustand man Lady Oscar zu ihm brachte. Sie war bewusstlos und auf ihrer Uniform zeigte sich ein dunkler Fleck Blutes. Andre hielt sie auf seinen Armen. „Oscar ist angeschossen worden, Herr Doktor... Bitte helft ihr...“ Mehr kam nicht aus ihm heraus. Hinter ihm stand eine kleine Gruppe Soldaten und ein bürgerliches Mädchen mit einem kleinen Jungen an der Hand.
 

„Folgt mir.“ Als erfahrener Arzt reagierte Doktor Lasonne ohne zu Zögern und führte Andre in sein Arbeitszimmer, wo er bei Patienten schwere Verletzungen behandelte und manchmal sogar Operationen durchführte. Den Soldaten zeigte er auf dem Weg einen Salon, wo sie warten sollten.
 

Das Mädchen und der Junge folgten Andre. In dem besagten Arbeitszimmer legte dieser seine Oscar auf einem Untersuchungstisch ab und erklärte verstockt, wie es zu der Schussverletzung kam. „...bitte, Herr Doktor, rettet Oscar...“, beendete er flehend.
 

„Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht“, versprach Doktor Lasonne und begann sein Werk. Andre half ihm die Uniformjacke von Oscar auszuziehen und dabei fiel dem Arzt Diane mit dem Jungen auf. „Der Kleine sollte lieber nicht dabei sein.“
 

„Diane, bringe ihn bitte in den Salon und bleibe bei ihm“, bat Andre bestimmend und ohne Oscar aus den Augen zu lassen.
 

„Nein, Papa!“, protestierte der Kleine beinahe ängstlich, kaum dass Diane ihn wegführen wollte. Mit einem heftigen Ruck riss er sich von ihr los und klammerte sich verstört an Andres Uniform. „Ich will auch bei Mama sein! Bitte, Papa, bitte lasse mich nicht alleine!“
 

„Oscar...“ Andre hielt inne. Er war hin und her gerissen und sah perplex auf den blondgelockten Kopf seines Sohnes herab. Dessen Gesichtchen war in seiner Uniform vergraben und er spürte den festen Griff seiner kleinen Fäustchen.
 

Doktor Lasonne war für einen Moment von dieser Szene sehr gerührt, aber er kam sofort wieder zu sich. Lady Oscar schien noch mehr Geheimnisse mit sich zu tragen, als sie ihm gestern angedeutet hatte. Aber das rückte jetzt in den Hintergrund, denn ihr Leben stand auf dem Spiel und die Zeit drängte. „Andre, es wird besser sein, wenn du mit dem Jungen gehst. Ich kümmere mich um Lady Oscar.“
 

„Und ich werde Euch dabei helfen, wenn Ihr mir gestattet...“, erbot sich Diane und trat zu ihm vor.
 


 

Stunden vergingen. Draußen herrschte schon die Finsternis der hereinbrechenden Nacht und in dem Haus des Arztes herrschte eine gespenstische Stille. In seinem Salon wagte keiner der Männer ein Wort zu äußern. Müde und erschöpft, aber gleichzeitig auch wach und angespannt, warteten sie auf ein Zeichen aus dem Arbeitszimmer des Arztes. Von Oscar hörten sie keinen einzigen Laut. Im Gang hallten keine Geräusche und keine qualvollen Schmerzensschreie, noch nicht einmal ein leises Stöhnen. So, als würden alle schlafen oder tot sein. Andre verjagte diesen beängstigten Gedanke und drückte stattdessen den kleinen Körper seines Sohnes noch fester an sich. Er hatte auf seinem Schoß nach Trost gesucht und sich an ihn geschmiegt. „Wird Mama wieder gesund?“, ertönte er irgendwann von sich – kleinlaut und traurig.
 

Andre schluckte hart. „Ja“, log er, auch um sich selbst etwas Hoffnung zuzusprechen.
 

Alain und seine Kameraden warfen auf die zwei einen mitfühlenden Blick. „Sie wird es schaffen“, meinte Alain und stupste Lassalle von der Seite an. „Oder, was sagt ihr?!“
 

„Ja, das wird sie!“ Lassalle nickte zustimmend und versuchte zu lächeln. „Unser Oberst ist doch so stark und mutig.“
 

„Ganz genau“, bekräftigte auch Jean mit versuchter Überzeugung: „Sie ist eine Löwin und Löwen sind sehr stark.“
 

Der kleine Oscar schmunzelte kaum merklich und Andre hauchte den Männern ein leises „Danke“ zu. Und just in dem Moment betrat Doktor Lasonne mit Diane den Salon. Alle Anwesenden erhoben sich auf der Stelle von ihren Stühlen und der kleine Oscar glitt von dem Schoß seines Vaters. „Geht es Mama gut?“, fragte er als erster.
 

Diane eilte zu ihm, fasste ihn bei den Armen und ging vor ihm in die Knie. Ihre Augen waren glasig und gerötet, als hätte sie geweint. „Deiner Mutter geht es besser. Sie muss jetzt schlafen und sich ausruhen.“
 

„Dann kann ich zu ihr?!“ Oscars Gesichtchen erhellte sich mit einem freudigen Glanz und er machte schon Anstalten loszurennen, als Diane ihn noch fester an den Armen hielt und ihn zum Stehen bewog. „Lass sie noch etwas schlafen, denn nur so wird sie wieder ganz gesund werden.“ Sie konnte ihm nicht sagen, was wirklich geschehen war! Wie trügerisch auch ihre Worte waren, aber der Kleine sollte vorerst nichts davon erfahren. Er war noch viel zu jung und würde die Wahrheit sicherlich nicht verstehen. Oscar nickte und rührte sich nicht. Er erkannte nicht, wie ausweichend Dianes Worte waren. Und vielleicht war das für ihn auch besser so.
 

Andres Augenmerk ruhte nur auf dem Arzt. Er schienen ihn förmlich mit Fragen zu durchbohren, auch, wenn er dessen Antwort fürchtete. Doktor Lasonne erkannte die Art dieser Fragen schon von seinem Gesichtsausdruck und versuchte, ihm das umschmeichelnder und diskreter zu erklären, wegen der Anwesenheit des Kindes und den Soldaten. „Andre... Es tut mir leid... Lady Oscar hat Es verloren... Aber sie selbst wird es schaffen...“
 

„Es...“, murmelte Andre wie erstarrt. Er begriff sofort, was der Arzt ihm damit sagen wollte. Denn Oscar hatte ihm, auf dem Weg hierher und bevor sie bewusstlos wurde, die Schwangerschaft offenbart. Er wollte unbedingt zu seiner Frau und ging schleppend auf den Doktor zu, obwohl er am liebsten gerannt wäre.
 

„Es gibt noch etwas, Andre...“ hielt ihn Doktor Lasonne auf, kaum dass er ihn passieren wollte.
 

Andre blieb direkt vor ihm stehen. „Was?!“ Er bemühte sich um Beherrschung, aber es war zwecklos.
 

„Lady Oscar darf nicht länger bei mir bleiben, Andre...“, erklärte Doktor Lasonne entschuldigend: „Nach dem was du mir erzählt hast und Lady Oscar mir gestern offenbart hat, wird sie höchstwahrscheinlich schon bald gesucht. Denn der Hofstaat wird so einen Verrat nicht dulden, wenn er davon erfährt. Und das wird er, früher oder später. Und du weißt, Andre, Lady Oscar hat nicht nur Freunde am Hofe.“
 

„Da habt Ihr wohl recht.“ Alain tauchte unvermittelt neben Andre auf und legte ihm seine Hand auf die Schulter. „Unser Oberst muss hier fort. Denn dieser Adlige, der heute dabei war, wird bestimmt schon den Zwischenfall gemeldet haben.“
 

Andre musste ihm zustimmen. Wenn sie beim Arzt bleiben würden, dann wäre Oscar weiterhin in Gefahr und das durfte nicht passieren! Nicht, dass man sie für ihre Vergehen verhaften und verurteilen würde. „Es gibt nur einen Ort, wo wir sie hinbringen können“, beschloss er und drehte seinen Kopf zu Alain. „Reite zu Bernard und Rosalie. Erkläre ihnen alles. Sie sollen hierher kommen und eine Kutsche mitbringen. Wir sollten Oscar so unauffällig wie möglich von hier wegbringen.“
 

Alain verließ unverzüglich das Haus des Arztes. Doktor Lasonne fragte nicht, wohin sie vorhatten Lady Oscar zu bringen - aus Sicherheitsgründen. Nicht für sich, sondern für Lady Oscar selbst. So würde er ihr Versteck nicht verraten können, wenn ihn jemand danach fragen würde.
 

Andre besuchte seine Frau, zusammen mit seinem Sohn. Oscar lag im Bett unter einer Decke und schlief - oder war noch immer bewusstlos, das konnte man nicht genau sagen. Ihr Brustkorb hob und senkte sich kaum merklich. Im Zimmer war soweit alles aufgeräumt und es gab keine verräterischen Spuren davon, dass hier eine Operation stattgefunden hatte. Andre setzte sich auf den Stuhl neben dem Bett, hievte benommen seinen Sohn auf seinen Schoß und blieb bis zum Eintreffen von Alain, Bernard und Rosalie bei ihr.
 


 


 

- - -
 


 


 

Oscar öffnete ihre schweren Augenlider. Bilder des Geschehenen verfolgten sie wie in einem Alptraum: Andre hatte sie vor sich in den Sattel gesetzt. Diane und der Kleine fanden bei Alain Platz. Sie wurden von einigen Söldnern begleitet, als sie in Windseile zu dem Arzt aufbrachen. Auf dem Weg zu ihm offenbarte Oscar ihrem Mann, dass sie tatsächlich ein Kind erwartete und dann wurde sie bewusstlos.
 

Ihre Sicht klärte sich. Sie drehte sich unter der Decke auf den Rücken und schaute zum Betthimmel empor. Sie spürte die weiche Matratze und das Laken unter sich. Ihr Körper und ihre Gliedmaßen fühlten sich wie taub an. Dafür pochte ein dumpfer Schmerz in ihrer Lendengegend und in ihrem Unterleib. Sie bewegte ihren Arm, schlüpfte mit ihrer Hand unter die Decke und tastete mit ihren Fingern an dem Stoff ihres knielangen Hemdes. Darunter spürte sie den großen Verband um ihre Mitte und die Tücher zwischen ihren Schenkeln.
 

Ein erdrückender Kloß entstand in ihrer Kehle, den sie nicht herunterschlucken konnte. Bittere Tränen nahmen ihr die Sicht und sie fühlte sich so elend, wie noch nie in ihrem Leben. Hastig schnellte ihre Hand unter der Decke hervor und sie bedeckte damit ihre Augen. Die andere ballte sie hilflos zu einer Faust und schluchzte verhallten. Es war niemand außer ihr im Zimmer. Und nach dem hellen Licht zu beurteilen, war es Tag. Aber Oscar wünschte sich finstere Dunkelheit. Sie wollte Vergessen darin finden und nicht mehr aufwachen. Und am meisten wünschte sie, tot zu sein. Wie das kleine ungeborene Wesen, das ihr Körper mit Höllenqualen aus ihr abstieß, während der Arzt ihr die Kugel aus der Lende entfernt hatte. Sie war zwar bewusstlos gewesen, aber sie hatte dennoch alles mitbekommen. Wie viel Zeit seitdem vergangen war, wusste sie nicht und es war ihr auch gleich.
 

Das eine Kind hatte sie gerettet, aber das andere dafür verloren. Das Schicksal hatte es so bestimmt und einen hohen Preis für ihr zweites Leben gefordert. Oscar weinte sich stumm in den Schlaf. Es würde nichts mehr so sein wie es war.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  Madame_Malou
2015-03-11T01:46:38+00:00 11.03.2015 02:46

...ich weiß gar nicht so recht was ich schreiben soll, außer das sich mein Verdacht bestätigt hat...Oscar kann einem nur leid tun und auch Andrè. Zum Glück ist der kleine Goldschatz wohl auf! Hoffentlich kommt Oscar darüber hinweg! So sehr ich Drama auch liebe, aber wenn das so weiter geht bekomme ich graue Haare! *lach* Wie immer ein sehr gelungenes Kapitel, aber was habe ich anderes erwartet!? :) Nun kann ich erstmal beruhigter schlafen! Bonne nuit ma chère amie~ ♡ :D




Antwort von:  Saph_ira
12.03.2015 18:05
Merci. ^^ Keine Sorge, mehr Leid werden Oscar und Andre nicht mehr ertragen müssen. Ich werde sie bis zum Schluss damit verschonen, versprochen. XD Also kannst nun ruhiger schlafen und brauchst keine grauen Haare kriegen. :-)
Antwort von:  Madame_Malou
12.03.2015 20:28
Na Gott sei dank! xD Ich bin ja schon gespannt ob du Marie Antoinette noch verschonst oder ob du ihr Schicksal beibehältst. ^^
Antwort von:  Saph_ira
12.03.2015 20:35
Was Marie Antoinette angeht - ich möchte mich da nicht viel in die historische Erreignisse einmischen und deswegen wird Marie Antoinette ihrem Schicksal auch in meiner FF nicht entkommen können...^^
Von: abgemeldet
2014-10-06T20:37:37+00:00 06.10.2014 22:37
Ach... Allein der Titel lässt mich schwer atmen und zieht mir das Herz zusammen... Und vielleicht ist damit sogar schon mehr gesagt, als ich mit Worten ausdrücken könnte. Eine großartige Leistung!

Antwort von:  Saph_ira
06.10.2014 22:52
Vielen, lieben Dank für deine wenige Worte aber trotzdem. :-)
Von:  alandatorb
2014-09-08T20:29:39+00:00 08.09.2014 22:29
*schnief* jetzt habe ich dem Kapitel so entgegen gefiebert und dann das *schnief*
Aber leider habe ich mir die schon gedacht - dafür war die Schwangerschaft viel zu kurz und in den ersten Wochen heißt es bei solchen Sachen ja immer leider: Das Leben der Mutter wird vom Körper als wichtiger eingeschätzt und so etwas kleines, zartes wird dafür geopfert und abgestoßen.

Wieder ein toll geschriebenes Kapitel - sehr einfühlsam und ich kann die weinende Oscar sehr gut verstehen - wenigstens geht es ihrem kleinem Sohn gut.
Sehr schön fand ich das zusammenspielen der einzelnen Personen - so das der Graf auch gleich alles erfährt, aber so, das er keinem etwas antun kann (vor allem Andre nicht).

Auch ich freue mich schon auf das nächste Kapitel.

LG
Alanda
Antwort von:  Saph_ira
09.09.2014 22:51
Auch dir ein liebes Dankeschön für dein ausführlichen Kommentar. Es ist gut zu wissen, wie vortrefflich du es aufgenommen und beschrieben hast. Ich hatte schon Bedenken, dass ich Oscar etwas übetrieben dargestellt habe, aber in solch einer Situation denke ich wird auch so ein unbeugsamer und starker Mensch wie sie so werden.
Und was den Grafen angeht, der wird noch in nächsten und letztem Kapiteln noch eine Rolle spielen. :-)

Danke nochmals und liebe Grüße zurück :-)
Von:  FeelLikeParadise
2014-09-08T17:26:52+00:00 08.09.2014 19:26
Mensch, ich habe richtig mitgefiebert! *-* Der Preis für Oscars Leben ist sehr hoch, eig. zu hoch, aber genau das lässt deine Geschichte nochmal realistischer wirken, als sie eh schon ist:)
Ich hoffe, dass sie über den Verlust hinwegkommen wird.
Sonst war es ein sehr spannendes Kapitel und ich freue mich schon auf das nächste :) *-*
LG:)
Antwort von:  Saph_ira
08.09.2014 20:09
Herzliches Dankeschön für deine Worte. Und ich kann dich beruhigen, dass Oscar über den Verlust schon hinwegkommen wird, denn die Zeit heilt bekanntlich die Wunden. Aber Genaueres dazu, wird ab nächsten Kapitel bekannt. ;-)
Liebe Grüße :-)


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