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Freunde

Noah, Simon und Jana
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich weiß, ich bin reichlich spät hiermit, Weihnachten ist lange vorbei... aber dieser Short war ein Wichtelgeschenk für jemanden und ich wollte ihn nun auch gern mit euch teilen. Viel Spaß beim Lesen. Komplett anzeigen

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Vanillewein und Glühkipferl

Vanillekipferl, Stollen, Lebkuchen, Glühwein – die Weihnachtsluft duftet so unglaublich gut. Als ich noch ein kleiner Stöpsel war, brannte sich dieser Geruch in mein Gedächtnis und ist seitdem fest mit der Advents- und Weihnachtszeit verbunden.

Mama backte extra für Weihnachten frische Vanillekipferl, Omas und Opas brachten Stollen und Lebkuchen mit und Papa setzte Glühwein auf, den die Erwachsenen – und später auch meine Geschwister und ich – tranken.
 

Doch dieses Jahr ist alles etwas anders. Ich fahre nicht heim zur Familie, verbringe mein erstes Weihnachten ohne sie. Warum? Ich bin eingeschneit. Niemand kommt raus und ebenso kommt auch niemand rein. Das heißt, ich sitze hier fest und kann meiner Familie in dieser Zeit nur über Telefon und Internet nahe sein. Ich bin niemand, der leicht Heimweh bekommt – bin ich doch das Jahr über während meines Studiums kaum zu Hause – dennoch fühle ich mich leicht unwohl bei dem Gedanken Weihnachten nicht im Kreis meiner Verwandten zu verbringen.
 

Und wären da nicht meine Mitbewohner und besten Freunde Simon und Jana, die mit mir eingeschneit sind, ja, müsste ich Weihnachten ganz allein verbringen, ginge es mir sicherlich absolut schlecht.

Ich lernte die beiden im Kindergarten kennen und schon in unserer Jugend haben wir beschlossen mal eine WG zu gründen, sobald wir studieren oder eine Ausbildung machen würden. Nun mit Mitte 20 und im Studium und teils schon im Job sind wir in unserer erträumten WG angekommen – Jana, Simon und Noahs Chaos-WG. Und in genau dieser sitzen wir nun fest.
 

Wir haben uns bereits mehrfach für Getränke und Essen durch die Schneemassen begeben, damit wir über die Feiertage nicht verhungern oder verdursten, doch eines dabei immer wieder festgestellt: mit Skis wären wir schneller und einfacher unterwegs. Kein Wunder, wenn der Schnee fast kniehoch gefallen ist.
 

Heute an Heiligabend können wir zum Glück in der Wohnung bleiben, denn heute an Heiligabend hätte ich keinen Elan mich rauszuwagen. Ich schlurfe schon den ganzen Vormittag durch die Zimmer und lasse meine Laune, die zwischen aufgebracht und betrübt schwankt, an meinen Freunden aus. Simon und Jana wäre jedoch nicht meine Freunde, würden sie sich von meinen Stimmungsschwankungen irritieren lassen. Nein, sie wissen, wie wichtig mir das Weihnachtsfest mit der Familie ist, lassen meine Launen über sich ergehen und versuchen mich aufzumuntern.

Sie lassen den ganzen Tag Weihnachtsmusik laufen, sie haben mich durch den Schnee auf den Weihnachtsmarkt geschleift. Wir haben sogar einen kleinen Gummibaum aufgetrieben und geschmückt.

All das nur, um mir die Situation angenehmer zu gestalten. Ich bin Ihnen wirklich dankbar dafür, denn die letzten Tage hat diese Ablenkungstaktik wunderbar funktioniert.
 

Heute allerdings vermochte mich bisher nichts von der Tatsache ablenken, dass ich meine Familie nicht sehen würde. Die Weihnachtsmusik geht mir auf den Geist, den eigentlich schön geschmückten Gummibaum würde ich am liebsten hochkant aus der Wohnung schmeißen, ebenso all die Deko.
 

Simon und Jana sitzen im Wohnzimmer auf der Couch, um zu verhindern, dass ich meine Gedanken in die Tat umsetze. Jana scheint zwar mit ihrem 3DS beschäftigt zu sein und Simon liest eines seiner vielen Bücher, doch ich weiß ganz genau, dass beide mich aus dem Augenwinkel beobachten. Mit einem entnervten Stöhnen lasse ich mich zwischen die beiden auf die Couch sinken.

„Keine Sorge, ich werde dem Baum schon nichts antun.“, nuschele ich in meinen nicht vorhandenen Bart. „Ihr müsst ihn nicht bewachen.“
 

Simon schaut von seinem Buch auf und grinst mich schief an. „Reine Vorsichtsmaßnahme. Wir könnten es nicht verantworten, falls ihm etwas zustoßen sollte. Wenn alles vorbei ist, wirst du nicht weiter überwacht.“ Er spricht vom Baum als sei er ein wichtiger Zeuge in seinem Krimi, den er liest. Das lässt mich doch leicht schmunzeln. Es muss für die beiden nicht leicht sein, mich in dieser Laune um sich zu haben. Aber anmerken lassen sie sich nichts.

Ich seufze abermals, lege meinen Kopf auf die Sofalehne und schließe die Augen. Was ich dadurch nicht sehe ist, dass Jana und Simon sich angrinsen und nicken, ohne Worte miteinander kommunizieren.
 

Jana erhebt sich neben mir. Ich blinzle sie aus einem Auge an.

„Ich geh mal in die Küche, hab Hunger.“, meint sie. Ich nicke so gut es geht, schließe wieder die Augen und lasse erneut ein Seufzen erklingen.

Simon neben mir schnaubt leise. Auch ihn schiele ich aus einem Auge kurz an, doch er hat seinen Kopf in seinem Buch vergraben. Muss wohl gerade darin etwas passiert sein, das ihn schnauben ließ.
 

Bis auf die noch immer leise dudelnde Weihnachtsmusik kehrt Stille ein. Für Weihnachten eigentlich passend, doch es ist keine besinnliche Stille. Diese Stille ist unangenehm. Simon allerdings ist so sehr in sein Buch vertieft, dass er dies nicht mal zu bemerken scheint. Ich muss mich dieser Stille also allein stellen.
 

In Gedanken versuche ich die Texte der Weihnachtslieder mitzusingen, was mich jedoch nur wieder daran erinnert, dass ich nicht bei meiner Familie bin. Vielleicht – wenn ich einfach nur nichts denke – nein, das funktioniert ebenfalls nicht. Verdammt, irgendwie muss ich mich doch ablenken können. Es muss irgendetwas geben, dass mich genug in den Bann zieht, um mir diese Tage leichter zu machen. Ich kann hier nicht die nächsten 3 Tage miesepetrig rumlaufen und meinen Freunden auf die Nerven gehen. Denk, Noah, denk! Streng dein Hirn an! Irgendwas-
 

Ein energisches Schütteln an meiner Schulter reißt mich aus meinen Gedanken. Ich blinzle, meine Augen müssen sich erst wieder an die Helligkeit im Raum gewöhnen.

„Was ist los?“ frage ich genervter klingend als ich es eigentlich bin.

„Ich versuche seit mindestens einer Minute dich wachzukriegen. Du musst ja ganz schön tief geschlafen haben.“ Simon hört sich etwas besorgt an.

„Geschlafen? Ich hab doch nur für ein paar Minuten die Augen zugemacht und nachgedacht.“, erwidere ich verwirrt.
 

„Du hast eine knappe Stunde gepennt, Noah, nicht mal eben die Augen zugemacht.“ Simon lacht laut los. Meine Augen wandern zur Uhr an der Wand. Tatsächlich ist etwas mehr als eine Stunde vergangen. Ich strecke mich, um die Müdigkeit abzuschütteln und atme tief dur- was zum…? Ein allzu vertrauter Geruch steigt mir in die Nase. Sind das…

„Vanillekipferl? Warum riecht es nach Vanillekipferln?“
 

Simon grinst mich abermals schief an und streckt mir seine Hand entgegen. Ich ergreife sie, er zieht mich vom Sofa hoch und schleift mich dann hinter sich her in Richtung Küche.

„TADA!!“ Simon löst sich von mir, tänzelt an Jana vorbei, die gerade ein Blech Vanillekipferl in den Ofen schiebt. Dabei schnappt er sich ein Kipferl von einem anderen Blech und schiebt es sich genüsslich in den Mund.
 

„Mh, die Vanillekipferl deiner Mutter sind echt die Besten!“ schmatzt er übertrieben laut.

„Hey, du hast langsam genug, meinst du nicht?“ Jana schaut Simon tadelnd an. „Du hast schon den rohen Teig ständig genascht. Das erste fertige Kipferl sollte Noah probieren!“

Simon schaut beschämt drein, sieht dann entschuldigend zu mir. Ich allerdings stehe nur wie angewurzelt in der Küchentür und schaue wahrscheinlich wie ein Auto. Jana schaut mich nun auch an.
 

„Ich glaub, wir haben ihn kaputt gemacht.“ Beide kommen in meine Richtung, packen meine Hände und ziehen mich in die Küche und stellen mich vorm Herd ab.

„Hier!“ Jana drückt mir ein handgeschriebenes Rezept in die Hand. „ Du bist für den Glühwein verantwortlich. Halt dich einfach genau an die Vorgaben und nicht probieren, okay?“

Ich kann nicht mehr als sprachlos nicken, als ich mich daran mache den Glühwein aufzusetzen. Während ich die verschiedenen Alkoholika und Gewürze in einen Topf gebe und langsam zum Kochen bringe, bereiten Simon und Jana am Küchentisch das Abendessen vor.
 

Frischer Kartoffelsalat, dazu kommen dann noch leckere Bratwürstchen vom hiesigen Metzger. Wir hatten uns auf etwas Einfaches, Leichtes geeinigt, da wir einstimmig beschlossen, dass Gans zu aufwändig für uns werden würde. Noch heute Vormittag hatte ich mich absolut nicht auf dieses Weihnachtessen gefreut, hätte alles für das Gänseessen zu Haus gegeben, doch mittlerweile… scheine ich mich damit abgefunden zu haben?
 

Ich werde kurz vom Herd verscheucht, als Simon auf Janas Geheiß das zweite Blech Vanillekipferl aus dem Ofen holt. Natürlich unter strenger Beobachtung, sodass er nicht noch ein Kipferl klauen kann. Ich setze mich derweil am Küchentisch nieder und lasse die Situation auf mich wirken.
 

Die frischen Plätzchen, der Glühwein – ich atme tief ein. Es riecht fast wie daheim, wenn sich all die guten Gerüche der Weihnachtszeit vermischen und das ganze Haus erfüllen. Dieser Gedanke zaubert mir zum ersten Mal an diesem Tag ein Lächeln aufs Gesicht, das nicht sofort wieder verschwindet.
 

„Noah, wir sind fertig. Kümmer dich wieder um den Glühwein, bitte!“ Jana steht ebenfalls mit einem Lächeln auf den Lippen vor mir. Ich nicke sanft, erhebe mich und gehe wieder an den Herd zurück auf dem bereits schon die Pfanne für die Bratwürstchen steht. Meine Augen schweifen kurz zur Uhr: Es ist mittlerweile früher Abend. War nicht eben noch Mittag? Wo ist die Zeit nur hin?

Bevor ich mich versehe, steht Simon am Herd und brät die Würstchen, während Jana und ich den Tisch decken. Als ich den Kühlschrank öffne, schlägt mir der unverwechselbare Geruch des Peterschen Kartoffelsalats entgegen. Nichts gegen das Kartoffelsalatrezept Simons oder meiner Mutter, doch das von Janas Mutter ist einfach zu gut.
 

Ein paar Minuten später sitzen wir gemeinsam am Esstisch und genießen unser Weihnachtsessen. Vergessen sind aufgebrachte und betrübte Gefühle, ich habe meine Familie zwar im Hinterkopf, rufe mir ab, was sie zur Zeit wohl machen, doch es nagt nicht mehr an mir, dass ich nicht bei ihnen sein kann. Wir essen, reden über Gott und die Welt, lachen über Vergangenes. Die Ablenkung wirkt wieder, doch ist sie nun keine Ablenkung mehr: Ich habe wirklich Spaß.

Nach dem Essen waschen wir gemeinsam ab und begeben uns dann ins Wohnzimmer vor den Fernseher. Wir haben ein paar weihnachtliche Filme in unseren Sammlungen gefunden, die wir uns ansehen wollen. Bevor wir den ersten Film starten, grinsen mich Jana und Simon jedoch geheimnisvoll an, halten mir ein Vanillekipferl und eine Tasse mit dem Glühwein hin.
 

„Probier!“ sagen sie fast im Einklang.
 

Ich schaue heute wohl zum zweiten Mal wie ein Auto, denn beide verdrehen die Augen und halten Kipferl und Tasse noch näher.
 

„Nun los!“ Simon drängelt. Immer unter Strom. Wie er so lang ruhig sitzen und ein Buch lesen kann, ist mir bis heute ein Rätsel.
 

Ich greife nach beidem und gehe dem Wunsch meiner Freunde nach. Ich beiße zuerst ein Stück des Vanillekipferls ab. Dieser Geschmack ist so bekannt, das sind nicht einfach nur Vanillekipferl. Hat Simon nicht vorhin gesagt- Das heißt…? Ich schwenke den Glühwein, nehme das Aroma wahr, versuche mich daran zu erinnern, was genau ich alles zusammengemischt habe. Ich nippe etwas um mir die Zunge nicht zu verbrennen – ja, definitiv. Ich nehme die zweite Hälfte des Vanillekipferls in den Mund, dazu diesmal einen Schluck Glühwein und lasse mich von diesem besonderen Geschmack überwältigen, den ich immer zur Weihnachtszeit erlebe, seit ich das erste Mal den Glühwein meines Vaters trinken durfte. Aber wie-?
 

„Vanillekipferl nach dem Rezept deiner Mutter…“, beginnt Simon.
 

„Und Glühwein nach dem Rezept deines Vaters.“, endet Jana. „Wir wussten, wie schwer es dir fällt nicht bei deiner Familie zu sein, daher dachten wir, bringen deine Familie so gut es geht zu dir.“
 

„Und was wäre passender als dir den Geschmack zu bringen, auf den du dich am meisten freust und schon Monate vorher schwärmst? Also haben wir uns die Rezepte von den beiden geben lassen und ohne dein Wissen die Einkäufe dafür erledigt.“
 

Simon und Jana lächeln mich zufrieden an.
 

„Danke. Ehrlich, ihr seid die besten besten Freunde, die ich mir wünschen kann.“ Ich stelle meine Tasse ab und ziehe beide in eine Umarmung. „Frohe Weihnachten!“
 

„Frohe Weihnachten, Noah!“
 

Wir kuscheln uns nun endgültig zusammen aufs Sofa und lassen den Heiligen Abend ruhig ausklingen. Vergessen sind die Gedanken an meine Familie und was sie gerade machen mögen. Denn ich bin hier mit meinen besten Freunden, meiner zweiten Familie. Und mit Vanillewein und Glühkipferln!



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