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Yajuu 2

-beyond redemption-
von

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Im Nichts

Eigentlich hatte er sich an die Finsternis bereits gewöhnt. Hier hatte er keine Schmerzen mehr. Hier konnte er alles hinter sich lassen. Seine Erinnerungen waren bereits zum Großteil verblasst. Nicht einmal an seinen Namen konnte er sich noch erinnern, aber das störte ihn auch nicht.

Ziellos trieb er im Nichts umher und schien nur noch tiefer in es einzutauchen. Ihm war das Recht. Er brauchte kein Ziel. Er brauchte gar nichts.

Plötzlich blendete ihn etwas.

Vergeblich versuchte er sich vor dem unangenehmen Licht abzuschirmen, welches immer näher kam. Je länger er hinsah, desto mehr nahm dieses eine Form an. Zunächst nur vage, erkannte er später die Silhouette einer erwachsenen Frau. Sie schien von innen heraus zu erstrahlen. Silberne Haare wogten schleierhaft um sie herum und ihre Augen leuchteten mit einem Schimmer von Perlmut. Sie sah wirklich gut aus, musste er zugeben. Das Licht, dass sie ausstrahlte war paradoxerweise warm und kalt sogleich. Mit unergründlicher Miene blickte sie ihn an.
 

„Du darfst sie nicht allein lassen.“, hallte es plötzlich in dieser Leere ohne dass sie den Mund bewegte.

„Lass sie nicht so enden wie es mir widerfuhr, denn es würde sie schwächen, so wie es mich schwach gemacht hat.“

„Wen meinst du?“ Luca wusste nicht von wem sie sprach. Er wusste gar nichts mehr.

Doch die Gestalt war geduldig. „Ich ging den Menschen in die Falle, wegen meiner Schwäche. Du kannst sie davor bewahren. Doch dazu musst du dich auch an sie erinnern wollen.“

„Ich kann mich aber an nichts erinnern!“, rief Luca gereizt aus, „Ich weiß ja nicht mal wer ich bin!“

Die Frau lächelte sanftmütig. „Weißt du dann noch, was du bist?“

Da musste er nicht lange zögern. „Natürlich ein Mensch.“

„Nicht länger.“, erwiderte sie.

„Was soll das heißen? Natürlich bin ich einer. Ich bin nie zu einem dieser Yajuu oder Exile geworden, keine dieser Bestien!“ Warum machte ihn das so wütend?

„Nein, das bist du wahrlich nicht, doch die Menschen würden dich sehr wohl als Bestie bezeichnen.“

„Red keinen Unsinn!“, zürnte er.

Da erschien hinter ihr plötzlich der Schatten eines anderen Wesens. Es war viel größer als sie und erinnerte ihn gleich an mehrere Tiere. Tiger, Schlange, Schakal… und es hatte eisblaue Augen, die ihn innerlich einfrieren zu drohten.

„Das bist du.“, dröhnte es in seinem Kopf. Entsetzt riss er die Augen auf.

„Nein!“

„Den Menschen in dir gibt es nicht mehr.“

„Nein!“

„Aber ein Teil von ihm steckt auch in der Bestie.“

„Nein! Hör auf!“ Die Frau sollte endlich still sein und ihn wieder in Ruhe lassen. Er wollte nichts mehr hören.

„Warum?“

Luca riss die Augen auf, als eine Flut von verschollen geglaubten Erinnerungen in überfiel: „Weil die Bestien es waren, die seit jeher mein Leben zerstört haben! Wären sie nicht gewesen, hätten meine Eltern mich nicht so gequält! Wären sie nicht gewesen, wäre ich nicht permanent beinahe gestorben! Wären sie nicht gewesen, dann wäre ich kein Mörder geworden! Und wären sie nicht gewesen, dann…“ Plötzlich stockte er.

„Dann was?“, fragte sie Frau ihn sanft.

Luca senkte den Blick und biss die Zähne zusammen. „Wären sie nicht gewesen, dann… hätte Lua uns nicht verlassen müssen.“
 

Wie hatte er sie nur vergessen können? Von allen Wesen auf der Welt hatte er nicht damit gerechnet, dass er ausgerechnet sie vergessen würde. Schließlich war sie doch die letzte Person, die wirklich bis in sein Innerstes das Eis durchbrechen konnte. Natürlich bedeuteten auch Tiara und die Zwillinge ihm was. Ja sogar Pik war ihm nicht vollkommen egal, war er doch sein bester Freund, aber nur sie, nur bei ihr konnte er wirklich noch fühlen, wie er eigentlich war.

Erst hatte er die eiserne Maske nur benutzt, um sich verstellen zu können, doch im Laufe seines Lebens hatte sie ihn immer mehr gefesselt und hatte sich regelrecht immer tiefer in ihn hinein gebohrt. Daher war Lua ja auch stets solch eine große Stütze für ihn gewesen.

„Wie ich sehe, erinnerst du dich.“, sprach die Frau und ein glückliches Lächeln zog sich über ihre Lippen.

Luca blickte sie nur an.

„Was ist nun also? Lässt du sie einfach im Stich? Sie wird sich weiterhin in Gefahr begeben. Viel schlimmere Dinge erwarten sie jenseits der alten Versorgungsschächte. Entweder wird sie dabei sterben… oder aber so zerbrechen wie ich.“

Luca schüttelte den Kopf. „Nein, ich will nicht, dass ihr das widerfährt. Aber was kann ich schon tun? Ich bin tot. Die letzte Spritze hat mich wie erwartet, getötet.“ Diese Tatsache war unveränderlich, dessen war er sich bewusst.

Doch die Frau schenkte ihm nur weiterhin das warme Lächeln.
 

„Willst du den Grund wissen, wieso du gestorben bist? Es war nicht das Gift selbst, dass deine DNA zu dem der Chimäre hat werden lassen, sondern vielmehr die Abwehrreaktion deines Körpers gegen sich selbst. Der menschliche Geist kann sehr hartnäckig sein, wenn es um solche Dinge geht.“

Luca konnte ihr nicht recht folgen: „Willst du damit sagen, ich bin selbst schuld, weil ich einfach ein Mensch bleiben wollte?“

„So kann man es natürlich auch formulieren.“, gab sie zu verstehen.
 

„Meine Menschlichkeit aufgeben…“, flüsterte er vor sich hin.

„Nein, nicht die Menschlichkeit nur das Menschsein. Das sind zwei völlig unterschiedliche Dinge. Hüte dich, das je zu vergessen.“, erklärte sie ihm.

Luca blickte sie durchdringend an. „Lua hat ihre Menschlichkeit auch nicht verloren… selbst wenn sie seit jeher nur zur Hälfte einer war.“ Er dachte nur laut nach, aber die Frau vor ihm gab ihm mit einem Nicken zu verstehen, dass er richtig lag.

„Selbst die Exile, die sie begleitet… Kyria, wenn ich mich recht erinnere, auch sie scheint noch menschlich zu sein.“ Luca fuhr sich durch die Haare und seufzte, so wie er es immer tat, wenn er eine schwierige Entscheidung fällte.

„In Ordnung. Wenn es für mich wirklich noch eine zweite Chance gibt, dann werde ich sie auch nutzen.“

Die Entscheidung war gefallen. Da erbebte der Raum, in dem sie sich befanden.
 

„Danke…“, hauchte die Frau, die auf einmal zu verschwinden begann.

„Warte, wer bist du überhaupt?“, rief er ihr nach. Bis jetzt war es ihm völlig egal gewesen, doch nun plagte ihn doch die Neugier.

Mit einem traurigem Lächeln auf den Lippen, hauchte sie: „Seraphis…“, und dann verblasste sie völlig.
 

Luca wollte ihr noch etwas nachrufen, doch das Beben wurde immer stärker. Obwohl er sich jetzt wieder in völliger Dunkelheit befand, erschien der Schatten der Bestie vor ihm als noch finsterer und noch bedrohlicher. Vorhin hatte er sich in dieser Leere noch wohl gefühlt, aber nun wirkte alles erdrückend und einschüchternd. Luca starrte direkt in die kalten Augen der Chimäre.

Als der letzte Funke von Seraphis´ Licht erlosch, schien sie nur noch bedrohlicher zu werden und da stürmte ihr Schatten plötzlich auf ihn zu. Er sah ihr Maul immer näher kommen und riss reflexartig die Arme schützend vor das Gesicht.

„Nein“, rief er laut, während die Bestie immer näher kam. Auch wenn sein Körper instinktiv flüchten wollte, zwang er sich die Arme wieder zu senken. „Ich habe keine Angst vor dir. Nur ein Mensch hätte das!“, rief er in die Finsternis.

In dem Moment verschlang ihn der Schatten und riss Luca mit sich, fort aus dieser Leere, fort aus dieser unwirklichen Zwischenwelt. Zurück ins Reich der Lebenden.
 


 

Es war ein merkwürdiges Gefühl wieder da zu sein. Das Erste, was er wahrnahm, war die frische Morgenluft, die sich in seinem Fell verfing und dieses leicht umherwirbeln ließ. Dann wanderte seine Aufmerksamkeit zu der Wärme, die seine Flanke durchflutete. Dort lehnte jemand. Seine Sinne verrieten ihm, dass es Lua war, seine Lua.

Bisher hatte er seine Umgebung als Chimäre nie so wirklich wahrgenommen, was wohl daran lag, dass er bisher auch immer hatte kämpfen müssen, wenn er sich das Serum in die Adern gejagt hatte. Nein, trotzdem war das Gefühl anders. Er war von Grund auf einfach viel entspannter und ausgeglichener. Luca wusste nicht, wann er sich das letzte Mal so gefühlt hatte, wenn das überhaupt schon mal der Fall gewesen war.

Für den Moment genoss er einfach mal die Ruhe. Es war ziemlich still hier. Er hörte nur Lua´s leisen Atem. Sie schien zu schlafen. Dann nahm er auch Pik wahr, der auf der anderen Seite liegen musste. Sie waren also tatsächlich bei ihm geblieben.
 

Luca musste in sich hineinlächeln, nur um sich dann über sich selbst zu wundern. Wo war die eiserne Maske hin verschwunden? Sie war weg, verschwunden. Er konnte zwar noch immer seine Gefühle, wenn er es wollte, hinter einem Pokerface verstecken, aber da war nicht dieser übliche Zwang, der ihn so kontrollierte. Kein Wunder, dass er so entspannt war.

Plötzlich bewegte sich Lua, musste wohl träumen. Als sie wieder still lag, atmete er einmal tief durch.

„Ich sag´s dir, irgendwann dreh ich dir den Hals um, wenn du mich weiterhin immer aufweckst.“, flüsterte es plötzlich neben ihm. Luca blickte zur Seite, aber ohne dabei den Kopf zu bewegen und blickte direkt in das Gesicht eines genervten Pik.

„Oder du gewöhnst dir einfach ab mich mitten in der Nacht aus dem Bett zu klingeln.“, fügte er hinzu.
 

„Auch schön dich wieder zu sehen, Pik.“, seufzte Luca in Gedanken. Dieses Mal würde aber nur Pik diese Worte auch hören können.

Er sah nun wie der gespielte Ärger verflog und stattdessen ein gewitztes Lächeln auf sein Gesicht trat.

„2%, huh?“, sagte er, „Unkraut vergeht echt nicht.“

„Scheint wohl so.“, gab Luca zurück.

„Hätte aber ehrlich gesagt nicht mehr dran geglaubt, warst schon zu weit drüben.“

„Ich hatte Hilfe.“, bemerkte Luca ruhig, „Du hast recht, ich selbst hatte schon abgeschlossen mit allem.“

„Achja das Geistermädchen… so was hab ich echt noch nicht gesehen.“ Pik wirkte noch immer verwundert über ihre Erscheinung.
 

„Sie war bei euch?“, fragte Luca neugierig.

„Ja, hat mir Lua geredet und ist irgendwann einfach verschwunden.“

„Verstehe.“ Dann entstand eine kurze Pause.

„Was hast du nun vor?“, fragte ihn Pik schließlich.

„Tja, ich werde Lua helfen, aber da ja auch irgendwie Geld reinkommen muss, werde ich auch weiter arbeiten… würdest du…?“

„Natürlich sag ich Lucius nichts davon. Nur weil ich ein Informant bin, heißt das nicht, dass ich gleich alles ausplaudere was ich so erfahre. Es gab keine besonderen Vorkommnisse diese Nacht.“ Dann zwinkerte er ihm frech zu.

„Auf dich ist eben Verlass.“, seufzte Luca dankbar.

„Kein Ding… aber die Sache mit dem aus dem Bett klingeln, musst du echt in den Griff bekommen.“, grummelte er nun wieder und warf ihm einen vernichtenden Blick zu. Die dunklen Augenringe unterstrichen das dazu perfekt.

„Ich kann nichts garantieren.“, war Lucas unbekümmerte und überaus galante Antwort darauf, woraufhin Pik aufgebend seufzte. Dann ließ er sich ins Gras zurückfallen.



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