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Jemand

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Unternehmungen

»Sollte ich mich irgendwann…bald hoffentlich vor meiner Familie outen… ist es dann eigentlich in Ordnung, wenn ich dich als Jungen vorstelle?«
 

Lelo sieht so nervös und unsicher aus, dass ich ihn am liebsten in Watte packen und vor der Welt verstecken würde. Beruhigend tätschele ich ihm die dunklen Locken.

»Klar! Kein Problem. Ich wünsche dir schließlich, dass das Coming Out so leicht wie möglich geht, da musst du ja nicht gleich noch die gender-Keule schwingen«, gebe ich zurück und lächele aufmunternd. Lelo sieht erleichtert und dankbar aus und drückt mir einen sachten Kuss auf die Stirn. Man könnte meinen, dass nach einem Monat Lelo-und-Kim-sind-jetzt-offiziell-geheim-ein-Paar-Situation meine Schmetterlinge oder mein hormongesteuertes Verhalten ein wenig nachgelassen hätten. Dem ist aber ganz und gar nicht so. Wenn überhaupt ist es noch mehr geworden.
 

»Manche Menschen verstehen es auch einfach nicht, wenn man ihnen erklären will, dass man weder Mann noch Frau ist. Ich hab mal versucht es Tom klar zu machen. Aber in seinem Kopf ist dieses Mann-Frau-Muster total betoniert. Ein Hoch auf den Rest meiner Familie!«, sage ich und denke an Toms verwirrten Gesichtsausdruck. Als er mich zum ersten Mal im Kleid gesehen hat, dachte ich, er würde sich gleich übergeben. Das ist traurig, aber mittlerweile ist es mir auch eher egal. Er hat sich halbwegs daran gewöhnt, dass ich zu Hause oft geschminkt bin und gern Blumenkleider trage und dass vor allem Laura manchmal »sie« statt »er« sagt, wenn sie über mich redet, aber kapiert oder wirklich akzeptiert hat er es nicht. Und das wird auch sicherlich nicht passieren.
 

»Ich denke, Sophia würde es verstehen«, sagt Lelo nachdenklich und blickt hoch zu meiner Zimmerdecke. Ich hab noch nie sein Zimmer gesehen und wir treffen uns eigentlich immer hier bei mir. Meine Familie hat Lelo voller Begeisterung adoptiert und manchmal fängt Laura Lelo ab und redet mit ihm über Architektur – ein Thema, über das Lelo überraschend viel weiß. Er lacht über die flachen Witze meines Vaters und macht meiner Mutter Komplimente für das vegetarische Essen, dass sie immer extra für ihn kocht, wenn sie weiß, dass er zum Essen bleibt. Lelo hat auch angeboten, mal für uns zu kochen. Etwas typisches aus dem Heimatland seiner Eltern. Alle waren begeistert und das Event ist für nächstes Wochenende geplant. Lelo schweigt sich eisern darüber aus, was er kochen will, auch wenn ich ihn noch so sehr piesacke.
 

»Dann kannst du es ihr ja irgendwann mal in einer ruhigen Minute erklären«, gebe ich zurück. Lelo sitzt neben mir vor meinem Schreibtisch und hat gerade zum fünften Mal versucht, gegen Alduin den Weltenfresser und Oberbösewicht in Skyrim zu kämpfen. Es gelingt ihm nicht so richtig gut, weil er viel zu aufgeregt wird und die Maus so hektisch übers Mauspad reißt, dass Samia häufiger auf Luft einhackt, als auf den schwarzen Drachen.

»Streitet sie sich eigentlich immer noch mit deinen Eltern? Über die Kopftuch-Sache?«, erkundige ich mich, während Lelo erneut die Maus ergreift und sich auf dem Stuhl vorbeugt, als könnte er so besser gegen Alduin antreten. Ich schmunzele amüsiert und mache mich auf ein neuerliches Spektakel gefasst. Es macht mir unheimlich viel Freude, Lelo beim Skyrim spielen zuzuschauen. Er ist wahnsinnig schreckhaft und kriegt jedes Mal einen halben Herzinfarkt, wenn er alte Gräber oder Höhlen betritt und die Särge an den Wänden plötzlich aufklappen und sich Draugr auf ihn stürzen. Es ist mir noch nicht langweilig geworden, ihn deswegen auszulachen.
 

Lelo seufzt.

»Ja, immer noch. Ich denke mal, dass sich das auch nicht ändern wird, bis Sophia ihren Willen hat.«

Ich nicke. Lelo hat mir erklärt, dass Sophia ihren Eltern gesagt hat, dass sie gern Kopftuch tragen möchte. Aber ihre Eltern sind strikt dagegen, weil sie Angst haben, dass Sophia davon irgendwelche Nachteile haben könnte. Weil viele Deutsche ja nun mal leider nicht besonders freundlich auf muslimische Frauen und Mädchen mit Kopftuch reagieren. Aber Sophia lässt nicht locker. Ich weiß von Lelo, dass er beide Seiten versteht, aber eher Sophia unterstützt.
 

»Ihre Freundinnen wissen schon alle davon und eine von ihnen trägt selber Kopftuch und hat in der Schule überhaupt keine Probleme deswegen. Das hat Sophia unseren Eltern auch schon gesagt. Und ich denke mir, wenn sie bereit ist, mit etwaigen blöden Kommentaren umzugehen, dann sollten sich meine Eltern sich damit abfinden. Aber vor allem mein Vater hat Angst, dass die Leute dann vielleicht denken, dass er Sophia dazu zwingt, das Kopftuch zu tragen. Alle reden dann immer von Unterdrückung und sowas«, murmelt Lelo resigniert und gibt einen erstickten Schreckenslaut von sich, als Alduin den Berg zum Zittern bringt und lauter Geröll auf ihn niedergeht. Man könnte meinen, dass er sich beim sechsten Mal an das Szenario gewöhnt hat, aber er ist immer noch total aufgeregt. Sobald er den Kampf überstanden hat, muss ich ihn erst einmal eine halbe Stunde lang knutschen. Mindestens.
 

»Ja, die meisten Leute würden wahrscheinlich sowas denken. Ich hab ja auch noch nie gehört, dass es andersrum ist. Also, dass jungen Mädchen das Kopftuchtragen verboten wird. Man kennt halt leider nur die blöden Stereotype aus dem Fernsehen und alles…«

Lelo nickt bedauernd.

»Tobias hat mich mal total begeistert gefragt, ob ich denn eigentlich vorhätte, später sechs oder sieben Ehefrauen zu haben«, erklärt er mit finsterer Miene. Ich verdrehe die Augen. Nicht, dass ich irgendwas anderes von Tobias erwartet hätte, aber empörend ist es trotzdem.

»Ich musste ihn dann erst mal über deutsche Gesetze bezüglich Heirat und Ehe aufklären und ihm sagen, dass diese Regelung im Islam aus einer Zeit kommt, in der es gesellschaftlich üblich war, dass der Mann arbeitet und die Frau nicht und dass es dann bei einer solchen Ehe darum ging, dass alle Frauen gleichermaßen wirtschaftlich abgesichert werden müssen. Mal ganz abgesehen davon, dass es maximal vier Frauen sein dürfen…«
 

Ich hab in den letzten Wochen ausgesprochen viel über Lelos Religion gelernt. Er weiß, dass ich Angst habe, blöde Fragen zu stellen, deswegen redet er einfach von selber ganz viel drüber und hat mir schon gesagt, dass er das ziemlich gut findet, weil er seine Religiösität in der Schule doch eher unter der Decke hält.

»Je weniger die Leute drüber nachdenken müssen, dass ich Moslem bin, desto weniger löchern sie mich mit ignoranten Fragen«, hat er gesagt.

Ich weiß, dass Lelo versucht fünf Mal am Tag zu beten, dass es aber meistens nicht klappt und häufig auch nicht zu den korrekten Zeiten geht. Ich weiß, dass er einmal im Jahr fastet und natürlich kein Weihnachten feiert und dass er nach seinem Abi nach Mekka fahren möchte.
 

Lelo schreit unterdrückt auf und fällt fast vor lauter Gezappel vom Stuhl, als Alduin sich endlich schwer verletzt aus dem Staub macht.

»Geschafft!«, rufe ich und klopfe ihm begeistert auf den Rücken.

»Aber er ist überhaupt nicht tot! Wo will er denn hin?«

Ich muss lachen.
 

Wenn mir vor ein paar Monaten jemand gesagt hätte, dass ich bald zusammen mit Lelo stundenlang in meinem Zimmer hocken und reden, knutschen und Skyrim spielen würde, dann hätte ich demjenigen Menschen einen Vogel gezeigt. Und jetzt fühlt es sich schon an wie das natürlichste auf der Welt. Am Anfang hab ich mir noch Sorgen gemacht, dass Lelo und ich vielleicht doch nicht auf einer Wellenlänge sein könnten, auch wenn das per SMS zwischen uns so gut geklappt hat. Aber tatsächlich haben wir als Kombination alle meine Erwartungen übertroffen. Selbst Manu hat mittlerweile zugegeben, dass wir »so süß« seien, dass sie »schon mindestens zehn Zuckerschocks« von uns bekommen hätte, aber sie und Lelo verstehen sich auch überraschend gut, auch wenn Manu am Anfang sehr zurückhaltend war. Doch selbst sie kann sich Lelos strahlendem Lächeln und seinen Charme nicht entziehen. Gut zu wissen.
 

Lelo hat sich auch mit Chewbacca angefreundet und manchmal sitzt Chewbacca sehr zufrieden in einer der Taschen von Lelos Kapuzenpullis und rollt sich dort zusammen. Ich bin zugegebenermaßen sehr aufgeregt angesichts der Tatsache, irgendwann mal Lelos Hund – und natürlich seine Familie – kennen zu lernen. Wenn Tiere einen nicht mögen, ist das ein schlechtes Zeichen.

Lelo feiert seinen halben Sieg über Alduin mit einem entzückendem Gewackel und ich setze mein Vorhaben in die Tat um, ihn jetzt erst einmal sehr ausgiebig zu küssen.
 

*
 

Seit Manu auf Pias Geburtstagsparty war, mache ich mir einen Spaß daraus, ihr tiefe Gefühle für Pia anzudichten. Ab und an reagiert sie so grummelig und schweigsam darauf, dass ich mir fast schon nicht mehr sicher bin, ob es überhaupt noch Witze sind. Fest steht jedenfalls, dass die beiden sich nach der Party noch mindestens zwei Mal privat getroffen haben – soweit ich weiß. Es könnte durchaus sein, dass Manu wegen all meiner Späßchen nicht mehr davon reden will, dass sie sich eigentlich öfter mit Pia trifft. Allerdings muss sie das jetzt aushalten, sie hat mich mit Lelo auch ungefähr siebenhundert Mal aufgezogen.
 

Ich sitze mit Manu in der Pausenhalle und wir unterhalten uns gerade über die letzte Rollenspielrunde, als Lelo sich neben uns niederlässt und uns Kekse anbietet. Er macht das mittlerweile fast jeden Tag in der Schule. Also, nicht das mit den Keksen, sondern dass er sich zu mir und Manu setzt. Und ich hab das Gefühl, dass sich die meisten aus dem Jahrgang mittlerweile dran gewöhnt haben. Vielleicht bilde ich es mir ja ein, aber die Blicke der anderen sind womöglich sogar ein bisschen weniger feindselig geworden. Wahrscheinlich bade ich in Lelos Licht, das meine hühnerbluttrinkende Satanistenaura tilgt.
 

»Wie steht ihr zu Bowling?«, erkundigt sich Lelo, während er an einem Keks knabbert. Manu runzelt die Stirn.
 

»Geht so. Ich bin besser als Kim«, sagt sie. Ich buffe sie empört.
 

»Jeder ist besser als ich. Tu nicht so, als wäre das irgendwie großartig!«
 

»Jedenfalls gibt es Schlimmeres als Bowling«, würgt Manu mich ab und nimmt sich noch einen Keks. Einige der Mädchen aus Lelos Clique sehen beinahe ehrfürchtig zu ihr hinüber. Ich weiß immer noch nicht, wie Manu es schafft, als schwarzes Schaf supercool rüberzukommen, wohingegen ich einfach nur die Ausstrahlung eines Mückenschwarms habe.
 

»Wieso?«
 

Lelo zögert einen Moment und zieht die Schultern hoch. Ich verschlinge die Hände im Schoß, damit ich nicht auf die Idee komme, seine Finger zu ergreifen.
 

»Ich und ein paar Leute wollen heute Abend bowlen gehen. Ich dachte, ihr wollt vielleicht mitkommen?«
 

Meine Augen werden rund wie Teller und Manus Augenbrauen wandern so weit nach oben, dass sie beinahe unter ihrem schrägen Pony verschwinden.

»Wer sind denn diese paar Leute?«, will Manu wissen und ich verschlucke mich beinahe an meiner eigenen Spucke, so überrascht bin ich darüber, dass Manu nicht sofort »Nein!« ruft.

»Lily, Hanna, Rahel, Simon, Niklas… Pia…«
 

Eine Pause tritt ein, während ich verwirrt und grübelnd zwischen Lelo und Manu hin und her schaue. Die Pause, die Lelo vor Pias eingelegt hat und die Tatsache, dass Manu einen Blick hinüber zu Pia wirft, die mit Lily und Rahel ein paar Meter entfernt steht und heiße Schokolade trinkt, bringt mich auf die Idee, später noch mal in aller Ruhe mit Manu über Pia zu sprechen.
 

Ich öffne gerade den Mund, um zu verkünden, dass die Auswahl der Leute nicht allzu schrecklich klingt – mal abgesehen von Niklas, den man ja aber hoffentlich gut genug ignorieren kann, wenn noch andere Menschen mit dabei sind – als Manu sagt:

»Ok, von mir aus.«
 

Ich blinzele und erstarre in meiner Bewegung, mit der ich mir mein letztes Stück Keks in den Mund schieben wollte.

»Einfach so? Ok?«, erwidere ich verwirrt. Lelo grinst. Er weiß, dass ich nicht nein sagen werde, wenn Manu auch mitgeht.

Manu zuckt mit den Schultern und fängt an an ihren Schnürsenkeln herumzufummeln.

»Super! Wir treffen uns um sieben am Theater. Ich freu mich«
 

Es ist kaum mehr als ein Hauch, aber Lelos Finger streifen kurz meinen Arm, als er aufsteht und ein Kribbeln huscht durch meinen Körper, während ich ihm nachsehe. Er reiht sich zurück in den Kreis seiner Freunde und bietet auch ihnen Kekse an. Ich starre Manu an.

»Ok, raus damit. Was ist da los bei dir und Pia?«, will ich wissen. Manu schnaubt und sieht aus, als würde sie sich winden.
 

»Nichts. Also… keine Ahnung. Sie ist nett«, sagt Manu etwas matt und nun ist es an mir zu schnauben.
 

»Nett? Seit wann ist das ein Wort in deinem Vokabular?«
 

Manu haut mir auf den Oberschenkel und ich muss lachen.

»Vorsicht! Kein Spanking in der Öffentlichkeit!«
 

Jetzt lacht Manu auch und lehnt sich seufzend nach hinten gegen die Wand.

»Ich weiß auch nicht so richtig. Sie fragt immer mal wieder, ob ich Zeit habe und ich sage meistens ab und jetzt wirkt es so, als hätte sie dieses Bowling und Lelo vorgeschoben, und ich dachte… naja. So hab ich mal wieder zugesagt. Indirekt«, erklärt sie und klingt, als wäre sie von sich selbst genervt.
 

»Wieso sagst du sonst nicht zu?«, will ich wissen, auch wenn ich die Antwort eigentlich schon kenne.
 

»Wer weiß, wo das hin führt. Keine Ahnung. Wahrscheinlich, weil ich Schiss hab. Am Ende machen wir vielleicht rum und dann bin ich ihr geheimes Rummachdate. Da hab ich keinen Bock drauf. Und damit ich gar nicht erst in Versuchung komme, sag ich lieber gleich ab.«
 

Ich nicke.
 

»So schrecklich ist es gar nicht, dass geheime Rummachdate zu sein«, erkläre ich beschwichtigend. Manu prustet. Sie klingt halb amüsiert und halb empört.
 

»Das sagst du nur, weil bei dir ein Ende in Sicht ist. Mit Pias Eltern wird das wohl kaum der Fall sein. Und ich weiß nicht… Ich glaub Beziehungskisten sind nicht so mein Ding.«
 

Ich schweige nachdenklich und drücke Manus Hand, als es zum Ende der Pause klingelt und wir in Richtung Physikraum gehen. Ich bin sehr gespannt, was das Bowling heute Abend bringen wird.
 

*
 

Ich bin unheimlich nervös und sehr bemüht, mir das nicht anmerken zu lassen. Lelo scheint noch mehr zu leuchten als sonst und er sieht in seinem dunkelroten Hemd viel zu umwerfend aus, als dass ich groß verschleiern könnte, wie ich ihn innerlich – und hoffentlich nicht äußerlich – ansabbere. Zu meiner allergrößten Überraschung hat auch Manu sich ausgesprochen viel Mühe mit sich gegeben. Sie hat ihre ausgeblichenen Haare neu gefärbt, sodass sie nun wieder in sattem, dunklem Lila erstrahlen. Sie trägt ausnahmsweise einmal Make-Up und ihr perfekter Lidstrich lässt mich vor Neid ziemlich erblassen. Immerhin hat sie dieselben ausgetretenen Boots an wie immer und trägt dazu eine ziemlich weite schwarze Hose mit Taschen an den Seiten und wie Lelo ein Hemd. Allerdings ist ihres schwarz und nicht rot.
 

Mittlerweile bin ich mir sicher, keine Gespenster mehr zu sehen. Pias Augen ruhen eher häufiger als selten auf Manu und so sehr Manu auch bemüht ist so lässig wie immer zu wirken, scheint sie mir doch besonders bewusst mit sich selbst umzugehen, als würde sie auf keinen Fall irgendwas Blödes machen wollen. Ich kann mich kaum darauf konzentrieren Lelo anzuschmachten, weil Pia und Manu mich so irritieren.
 

Die Bowlingbahn ist ein ziemlich lärmender und bunter Ort. Ich war erst zweimal in meinem Leben hier und habe beide Male feststellen müssen, dass Bowling nicht zu meinen sportlichen Talenten zählt. Wundert mich nicht, da Bälle involviert sind. Nunja, Kugeln. Manu ist entgegen ihrer sonstigen Unsportlichkeit ziemlich gut im Bowlen. Als es daran geht, Teams zu bilden, geht mein Blick automatisch zu Manu, doch ehe ich es mich versehe, hat Pia sich neben Manu gestellt und lächelt sie fragend an. Mir fällt fast die Kinnlade auf die Brust, als Manu rot wird. Meine beste Freundin. Rot im Gesicht, weil jemand sie anlächelt.

»Ok«, brummt sie schließlich und verschränkt die Arme.
 

Ich sehe mich schon mit Niklas zusammen in einer Gruppe und gerate leicht in Panik, aber da spüre ich eine Hand auf meiner Schulter und sehe zu Lelo auf, der mich von oben herab anschmunzelt.

»Na? Bereit alle anderen über den Haufen zu bowlen?«, fragt er verschmitzt und seine Augen funkeln. Mein Körper kribbelt angesichts der Berührung und ich merke, wie die anderen Blicke tauschen.

»Ich fürchte, für dieses Vorhaben hast du dir den falschen Menschen ausgesucht«, krächze ich in einem vergebenen Versuch lässig zu klingen.
 

Lily, Hanna und Rahel bilden ein Dreierteam. Die Drei sind überraschenderweise sehr nett und sogar Simon hat vorhin einen Witz gemacht, über den ich lachen musste. Niklas finde ich auch weiterhin blöd, aber bislang ist er nicht allzu negativ aufgefallen – einmal abgesehen von einem ausgesprochen lauten und ekligen Rülpser, den viele Männer zum Brüllen gefunden hätten. Männer sind meistens sehr komisch. Ich bin im Stillen froh, dass ich nicht zu ihrem Club gehöre.
 

Während das Team um Lily den Anfang macht, mustere ich Pia möglichst unauffällig von der Seite. Ihre blonden, dünnen Haare sind kinnlang und sie hat riesige, braune Rehaugen mit Wimpern, aus denen man wahrscheinlich ein Kinderkleidungsstück weben könnte, so lang sind sie. Vor drei Jahren hatte sie noch eine Zahnspange, aber mittlerweile ist davon nichts mehr übrig. Allerdings hat die Spange ihre Zahnlücke zwischen den Schneidezähnen nicht ganz tilgen können. Ihre kleine Nase ist voller Sommersprossen und wenn sie lächelt, hat sie auf der linken Seite ein Grübchen. Ich kann Manu nicht verübeln, dass sie ganz hibbelig wird, wenn Pia sich ihr nähert. Sie ist wirklich sehr hübsch und das grüne Kleid mit dem doch recht tiefen Ausschnitt bringt mich ein wenig ins Schwitzen, wenn ich zu lange hinsehe. Brüste sind einfach super. Es gibt genug Tage, an denen ich selbst gern welche hätte.
 

Lily, Rahel und Hanna sind super im Bowlen. Ich beobachte mit offenem Mund, wie ein Wurf nach dem anderen ins Schwarze trifft und die Kegel über den Haufen schmeißt. Lelo sitzt auf der Sitzbank vor der Bowlingbahn neben mir und es sind quälende zwei Zentimeter Platz zwischen uns. Verdammter Dreckmist.

»Sag mal, Kim«, richtet Pia plötzlich das Wort an mich und ich zucke unweigerlich leicht zusammen. Normalerweise reden Leute außer Manu – und manchmal Lelo – nicht wirklich mit mir. »Manu hat erzählt, dass du Skyrim spielst.«

Ich spüre von innen, wie mein Gesicht aufleuchtet.
 

»Ja, stimmt. Du etwa auch?«
 

Pia grinst und nickt und Manu verdreht schmunzelnd die Augen, während Pia und ich darüber philosophieren, in welcher Stadt in Skyrim wir am liebsten wohnen würden und was für Charaktere wir spielen. Ich bin unheimlich überrascht, als Pia mir verkündet, dass sie eine Orkfrau spielt. Ich hatte sie mir eher als den Waldelfen-Typen vorgestellt. Dann wiederum hätte ich überhaupt nicht gedacht, dass sie Computerspiele spielt. Ich merke, dass Lelo sehr gerne in die Unterhaltung einsteigen würde, aber vermutlich denkt er, dass er dann zugeben müsste, sich mit mir privat getroffen zu haben. Ich muss mit aller Macht meine Hand davon abhalten, sich auf seinen Oberschenkel zu legen.
 

Niklas macht einen dummen Witz darüber, dass Frauen nicht gut darin sind, Computerspiele zu spielen. Ich öffne schon säuerlich den Mund, um ihn darauf hinzuweisen, dass er ein sexistischer Bastard ist, als Pia und Manu ihn gleichzeitig niederreden. Lelo wirft mir einen entschuldigenden Blick zu und ich verdrehe die Augen.

»Lelo, Kim, ihr seid dran!«, verkündet Hanna in diesem Moment und Lelo steht hastig auf. Ich folge ihm nach vorne zur Bahn und überlasse Manu und Pia das Schlachtfeld.
 

Ich verbocke den ersten Wurf total und seufze niedergeschlagen und peinlich berührt, weil ich die Blicke der anderen auf mir spüre und mich hier total zum Horst mache. Lelo mustert mich kurz von der Seite, dann greift er nach einer neuen Kugel und – heilige Scheiße – zeigt mir, wie ich sie am besten halten sollte. Und dann tritt er ganz nah von hinten an mich heran und ich kann sein Parfüm riechen und seine Körperwärme spüren und ein kleines bisschen erahnen, wie seine muskulöse Brust fast gegen meinen Rücken drückt…

»Stell den Fuß noch ein bisschen weiter nach vorn«, sagt Lelo und er ist so dicht an mir dran, dass sein Atem mein Ohr streift. Mir wird unglaublich heiß und ich stelle erschrocken fest, dass hinter uns die angeregte Sexismusdiskussion verstummt ist. Der Grund dafür sind ohne Zweifel Lelo und ich. Shit, shit, shit! Was hat Lelo sich dabei gedacht?
 

Ich schlucke schwer und atme tief ein und aus.

»Mach ich dich nervös?«, flüstert Lelo und ich kann das Grinsen in seiner Stimme hören, auch wenn ich sein Gesicht nicht sehen kann. Die Kugel, die an drei meiner Finger baumelt, fühlt sich tonnenschwer an und ich möchte sie gern wegwerfen und mich auf meinen Freund stürzen, um ihn abzuknutschen. Er ist so gemein. Fuck!

»Allerdings«, sage ich und meine Stimme klingt wie Schmirgelpapier.

»Das freut mich zu hören«, gibt Lelo zurück und greift nach meinem Handgelenk, um meinen nächsten Wurf zu führen. Ich sterbe. Jeden Augenblick muss es soweit sein. Wer hat gesagt, ich wäre bereit für ein Outing? Die Vorstellung, dass Lelo mir in der Öffentlichkeit immer so nahe kommt, bringt mich beinahe ins Grab.
 

Die Kugel gleitet von meinen Fingern auf die Bahn.
 

»Die beiden sehen schon ziemlich schwul zusammen aus, oder?«, höre ich Niklas‘ Stimme hinter uns.
 

Die Kugel trifft und alle Kegel fallen um.



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Kommentare zu diesem Kapitel (10)

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Von:  herzausglas
2014-11-06T07:06:37+00:00 06.11.2014 08:06
Moah Niklas ist ja so ein Horst! Ich bin super gespannt wie Kim und Lelo auf seinen blöden Spruch reagieren werden. (Ich hoffe schon iwie darauf dass sie rummachen :'D)
Manu und Pia sind so niedlich *____* hach ich bin so glücklich dass du sie eingebaut hast :) sie übertreffen sogar Skyrim und wie Lelo Kim bowlen zeigt als Highlight dieses Kapitels!!
Von:  Deedochan
2014-11-02T17:51:22+00:00 02.11.2014 18:51
Hey ho! Ich hoffe, du hattest ein schönes Halloween und DANKE für die ENS und natüüüüüüüüüüürlich vorallem für das Kapitel ^^

Ich bin selbst so verliebt in die beiden und diesen Niklas würde ich am liebsten verprügeln *Fäuste schwing*. Auf alle Fälle möchte ich hier einmal erwähnen, dass ich es super finde, dass Lelo in deiner Geschichte Moslem ist und dass seine Familie so liberal und offen ist - auch wegen der Kopftuchsache von Lelos Schwester. Wie du es in dem Kapitel angedeutet hast, ist es so, wie Kim das sagte: Man hört immer nur das Gegenteil. Deswegen finde ich das total toll, dass du das als - nennen wir es mal Unterthema - in deine Geschichte integrierst ^^
Ich freue mich schon auf das nächste Kapitel.

GLG
Deedo
Von: abgemeldet
2014-11-01T17:43:04+00:00 01.11.2014 18:43
ha! schönes ende :D der schlusssatz legt nahe, dass niklas' versuchter seitenhieb ins leere laufen wird. eine bessere bestätigung für ihr nahes zusammensein als dass alle zehn pins umfallen gibt es nicht, egal wonach es für ihn aussehen mag. was lelo also aus diesem spruch macht ist ihm überlassen, er kann jedenfalls nur damit gewinnen =)
eine feine sache, wie lelo die beiden freunde immer weiter in seinen alltag integriert. mit ausnahme von niklas, der sich gerade eben von ganz alleine ins aus manövriert hat, klingen die übrigen freunde nicht so, als würden sie wirklich ärger machen. das ist doch ein aussichtsreicher ansatz für alles, wozu lelo sich bereit fühlt.
der kleine zeitsprung lässt vermuten, dass bald irgendwas passiert. positiv? negativ? jetzt gleich beim bowlen oder vielleicht eher später, wenn lelo mit jemandem aus seiner familie spricht? hmmm. ich bin gespannt und freu mich auf mehr.
vielen dank für dieses schöne kapitel,
liebe grüße!
Von:  niyo
2014-11-01T15:00:35+00:00 01.11.2014 16:00
Ich mag Niklas nicht. Blödmann!
Schön, wie ihn Pia und Manu niedergeredet haben.
Lelo und Kim sind so Zucker zusammen. Schön zu sehen, wie Lelo offener wird in der Öffentlichkeit. Mal sehen, wie lange das mit dem Outing noch dauert bei ihm :).
Ich fand den Anfang der Geschichte sehr nett. Es ist schön(oh, schon wieder :D) zu sehen, wie die Beiden miteinander umgehen im Alltag. Ich kann verstehen, dass Kim Angst hat blöde Fragen zu stellen, finde es aber toll, wie Lelo damit umgeht und einfach drauf rumredet. Die Beiden sind zwei Herzchen, ich habe sie so lieb gewonnen <3.

Oh, und Dankeschön, Du Lily so geschrieben hast, wie Du es getan hast. Meine persönlich liebste Schreibweise :). (Lilli mag ich auch, solange man mich nicht damit meint *lach*)

Ich wünsch Dir noch ein schönes Wochenende :).
Von: abgemeldet
2014-11-01T10:05:56+00:00 01.11.2014 11:05
Bei Sophias Geschichte musste ich an Tumblr denken XD Sie schafft das sicher ^^

Also übers Internet kenne ich einen aus Saudi Arabien und sein Vater neben seiner Mutter noch eine Frau und beide haben Kinder von ihm. Sie verstehen sich echt gut und helfen einander etc. ^^

Haha, also ich bin nicht besonders gut im Computerspielespielen, weil ich einfach zu faul bin, zu blocken und auszuweichen und überhaupt viel über eine Strategie oder so nachzudenken und so, aber schlecht bin ich jetzt auch nicht :P Ich wette, Pia könnte Niklas in all seinen Lieblingsspielen besiegen, muahahaha XD
Ich mag Pia und Manu, sie sind sehr süß ^^
Von: abgemeldet
2014-11-01T09:24:43+00:00 01.11.2014 10:24
Ein ruhiger Anfang und ein sehr prickelndes Ende >:D - fantastisch geschrieben, hast mich wieder total mitgerissen! Lelos Entwicklung dahin, etwas offener und mutiger sein zu wollen, und wie er Kim seine Gefühle zeigt, lassen mich rumhibbeln und rumsabbern weil das einfach so dermaßen süß ist >3< ~ <3 ~ da macht das eigene Herz auch bald einen Abflug! xD
Von:  tenshi_90
2014-11-01T07:21:36+00:00 01.11.2014 08:21
Sieht so aus, als sei Lelo genau so verrückt nach Kim, wie Kim immer auf ihn ist. :) Die letzte Szene ist ja eindeutig ein Beweis dafür ^^


Von:  brandzess
2014-10-31T23:08:51+00:00 01.11.2014 00:08
Lelo und Kim sind schon süß zusammen :3 Und Lelo scheint wirklich mindestens so verrückt nach Kim zu sein wie andersrum. Das stelle ich bestimmt nicht zum ersten Mal fest, aber es ist einfach so. Zeigt sich ja jetzt wieder an der letzten Szene xD Die liebe ich übrigens. Das erregt natürlich aufsehen, aber naja^^
Niklas ist natürlich nicht unbedingt... naja meine Sorte von Mensch ist er nicht, sagen wir es Mal so. Kims anscheinend auch nicht.
Manu und Pia xD Oh man die Spannung ist ja schon greifbar. Echt putzig.
Lelo will sich also bald outen. Ich hoffe, dass es gut für ihn läuft.
Freu mich auf mehr :)
Lg brandzess
Von:  emina
2014-10-31T22:58:08+00:00 31.10.2014 23:58
Ich liebe diese Geschichte <3<3<3 alles ist so toll und passt zusammen ^^
und vor allem liebe ich den nervösen Kim ^___^
Von:  Aschra
2014-10-31T21:04:00+00:00 31.10.2014 22:04
Allein fürden letzten Satz möchte ich Niklas schlagen, auch wenn er recht hat!
Ein sehr schönes Kapitel, ich mag Pia und Manu. Die beiden sind niedlich zusammen.
Und Lelo und Kim sind einfach nur toll. Ich habe Lelo unheimlich lieb, der ist einfach nur
toll und ich habe ziemlich gegrinst als er Kim fragt ob er ihn nervös machen würde.
Irgendwie ist diese Stelle unheimlich toll und niedlich!
Lg Aschra


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