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Der Schrein der Himmel II: Höllenhunde

Sess x Kag
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo zusammen, willkommen zu Teil zwei!
Wer den ersten Teil von der Schrein der Himmel noch nicht gelesen hat, dem empfehle ich dies dringend nachzuholen zwecks besserem Verständnis.
Wie immer, Inuyasha und alle ursprünglichen Charaktere gehören nicht mir und ich verdiene kein Geld damit.
Viel Spaß beim Lesen! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo, schön wieder bekannte Namen zu lesen :) Viel Spaß beim Weiterlesen!
Btw: Zu Teil eins gibt es nun ein Artwork zu Hakai, wer ihn sich nicht vorstellen kann oder will ;) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo zusammen,
vielen Dank für euer weiter reges Interesse! Viel Spaß beim Lesen Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo zusammen, der Feiertag wurde fleißig genutzt, es geht weiter :) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Na, kennt ihr die Geschichte noch? ;) Was lange währt, wird endlich gut! Jetzt, nachdem Teehaus beendet ist, hab ich endlich wieder Inspiration gefunden Höllenhunde weiterzuschreiben und es wird jetzt wieder regelmäßiger weitergehen ^^
Wer es noch nicht mitbekommen hat: Mich gibt es seit Sommer auch bei Facebook, den Link findet ihr in meinem Profil. Schaut doch mal vorbei!
Jetzt erstmal viel Spaß bei der lange ersehnten Fortführung von Höllenhunde! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo ungeduldige Meute!
Ja, es ist eine Weile her, ich weiß... Was lange währt, wird endlich gut. Viel Spaß beim Lesen! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Frohes Neues zusammen, liebe Leser und heimlich Leser! Ich freue mich euch meinen ersten guten Vorsatzes des neuen Jahrs zu präsentieren. Viel Spaß damit! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo zusammen,
auf den letzten Metern hat der Osterhase noch ein neues Kapitel im Gepäck. Viel Spaß damit und legt mir 'nen Kommi ins Osterkörbchen! Komplett anzeigen

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01 – überraschender Besuch

01 – überraschender Besuch
 

Lange hielt der eisige Atem des Winters den neu aufgebauten Schrein der Himmel in den westlichen Ländereien gefangen. Die Bewohner litten lange unter der Kälte, die es schaffte durch jede noch so kleine Ritze zu kriechen. Der Einzige, dem der Winter nicht zuzusetzen schien, war Sesshoumaru, Herr des Westens und Dauergast im Tempel. Majestätisch wie eh und je schritt er über den Vorplatz zu seinem morgendlichen Kontrollgang. Doch etwas war anders an diesem klirrend kalten Morgen. Sein weißes Fell, Insigne seiner Herrschaft, ruhte nicht auf seiner Schulter. Mit wachem Blick umrundete er das Heiligtum auf der Suche nach Auffälligkeiten. Doch alles war wie immer, Stille lag über der vom Schnee gefrorenen Landschaft. Selbst den meisten Dämonen war es zu kalt und sie hatten sich in ihre warmen Löcher zurückgezogen. Beruhigt kehrte er zurück und trat in eine einfache Holzkate ein. Ein heruntergebranntes Feuer knisterte in der Mitte des Raumes und lechzte nach neuer Nahrung. Der Dämon legte einige Scheite neuen Holzes in die Flamme, die daraufhin wieder etwas höher brannte und ihre Wärme in der Hütte verbreitete. Nicht weit vom Herd entfernt sah er einen Haufen aus Decken und Fellen, der sich rhythmisch hob und senkte. In Zentrum dieses Bettenberges entdeckte er auch wieder seinen Pelz, der sich schützend um etwas gewickelt hatte. Nur ein schwarzer Schopf gab Aufschluss über den Bewohner dieses Lagers.
 

Die Wintersonne war schon längst aufgegangen und erste Sonnenstrahlen fielen durch einige kleine Löcher in der Decke der Behausung. Einige besonders freche fielen auch direkt auf das seltsame Lager. Das Schauspiel entlockte dem Daiyoukai ein Lächeln. Es war jeden Morgen ein Kampf seine Gefährtin aus dem Bett zu bekommen, sie war ein furchtbarer Morgenmuffel. Doch jetzt, da die Nächte so kalt waren, dass er ihr sogar sein Fell lieh, um sie zu wärmen, war es fast unmöglich sie aus dem warmen und behaglichen Lager zu bekommen. Seine Hand tastete suchend in den Decken, bis sie eine Schulter fand. Zunächst strich er bestimmt darüber, doch es zeigte sich keine Reaktion. Leicht genervt verdrehte er die Augen. Wie konnte man nur so tief und viel schlafen? Er begann die Schulter zu schütteln. Ein verschlafenes Protestgemurmel ertönte nun. „Wach auf, der Tag hat schon längst begonnen“, sagte er kalt. „Mag nicht… es ist gerade so schön“, murmelte der Bettenberg. Menschen, dachte er. Warum war es für dieses Volk nur so schwer ihr Lager morgens hinter sich zu lassen? Überhaupt, das menschliche Schlafbedürfnis war ihm ein stetes Ärgernis seit er das erste Mal ein Menschenkind an seiner Seite hatte.
 


 

Aber er hatte kein Recht sich zu beschweren. Es war sein freier Wille gewesen eine Menschenfrau zu seiner Gefährtin und ein Menschenmädchen zu seiner Tochter zu wählen. Und einen Haken gab es immer, wobei er gerade zerknirscht daran dachte, dass nach ihrer Sterblichkeit die morgendliche Trägheit die verdammenswerteste Eigenschaft der menschlichen Rasse war. Er selbst brauchte kaum Schlaf, er schlief eigentlich nur, wenn er sich von harten Kämpfen erholte. Er verbrachte die Nacht zwar mit seiner Gefährtin im Bett, aber er schlief nicht, er wachte über ihren Schlaf, hielt sie in seinem Arm und genoss den Anblick der schlafenden Schönheit.
 

„Kagome, werd endlich wach, sonst helfe ich nach“, sagte er nun bestimmter. Die Drohung schien zu fruchten, Leben entwickelte sich nun unter den Decken. „Ja, ist ja gut“, kam ein Seufzen daraus hervor. Schicht um Schicht wurden die Decken und Felle nun beiseite geschlagen und zum Vorschein kam eine junge Frau, die sich in einen weißen Pelz feste eingewickelt hatte. Schwerfällig erhob sie sich und begann Wasser in einem Kessel über dem prasselnden Feuer zu erhitzen. Leicht verschlafen grummelte Kagome: „Hat es einen bestimmten Grund, dass du mich heute so früh weckst?“
 

„Ja. Ich wollte mich von dir verabschieden, bevor ich gehe. Ich werde einige Tage fort sein, ich muss etwas erledigen“, antwortete er lakonisch. „Fallen wieder Dämonen über eins der Dörfer her? Ich kann mitkommen…“ „Nein. Das ist es nicht. Warte hier, ich werde bald wieder hier sein.“
 

Herausfordernd grinste Kagome ihren Gefährten an. „Oh, ein Geheimauftrag. Na dann! Erzähl es mir, wenn du wieder da bist.“ Sie wickelte sich aus dem Fell und überreichte es wieder seinem rechtmäßigen Besitzer. Er beugte sich zu ihr herab und hauchte ihr einen Kuss auf die Lippen. „Du wirst es schon noch erfahren. Bis bald, Liebste.“ Nach diesen Worten verschwand er aus der Hütte in den kalten Wintermorgen.
 


 

Nach einem kleinen Frühstück suchte Kagome nach den beiden anderen dauerhaften Bewohnern des Schreins. Sie war wenig überrascht als sie Rin und Jinenji in ihrer Apotheke bei der Arbeit fand. „Ohayo, Kagome!“, begrüßte Rin sie überschwänglich. Die junge Frau sah von einem brodelnden Kessel auf. „Oh, ich wollte euch nicht stören. Ich wollte dir nur sagen, dass Sesshoumaru heute Morgen aufgebrochen ist. Er will in ein paar Tagen wieder hier sein.“ „Wohin ist mein Vater gegangen?“, fragte Rin erstaunt. „Irgendeine streng geheime Sache. Du kennst ihn.“
 

Nun schaltete sich auch Jinenji in die Unterhaltung mit ein: „Er sagt nie wohin er geht, wie immer.“ „Ach, das hat er früher auch schon immer so gemacht, als ich noch ein Kind war. Er verschwindet, kehrt zurück und niemand weiß, wo er gewesen ist. Er hatte es nicht mal Jaken gesagt und der ist sowas wie seine rechte Hand“, plapperte Rin fröhlich drauf los. „Ich dachte, es liegt nur an mir“, seufzte Jinenji resigniert. Ihm war wohl bewusst, dass der Daiyoukai es nicht guthieß, dass er dessen Ziehtochter geheiratet hatte. Immer wieder ließ Sesshoumaru ihn deutlich spüren, dass er nur ein Halbdämon war.
 

Liebevoll legte Rin ihre Hand auf seine Schulter. „Mach dir darüber nicht so viele Gedanken. Er kommt halt nicht aus seiner Haut raus. Ich denke nicht, dass er dich so sehr hasst, wie er immer tut.“ Kagome legte einen Finger an ihr Kinn und begann laut zu denken: „Wenn er dich wirklich so sehr verachten würde, hätte er dich schon längst getötet. Auf eine merkwürdige Art hat er sich wohl mit der Situation arrangiert. Aber das wird er niemals zugeben.“ Ein verschwörerisches Kichern entwich Rin. „Ja, so hatte er es bei mir in meiner Kindheit auch gemacht. Ich wusste, dass er mich beschützt und immer da sein würde. Aber auch, dass er mir das nie offen zeigen oder sagen würde.“ „Er hat sich schon ziemlich verändert seit damals“, stellte Kagome milde lächelnd fest, „Er hat mich sogar zu seiner offiziellen Gefährtin gemacht, obwohl ich ein Mensch bin und hat dich als seine Tochter angenommen. Ein großer Schritt, wenn man bedenkt wie sehr er Menschen hasst.“
 

„Ich habe es doch immer gesagt, Kagome. Harte Schale, weicher Kern“, stellte Rin vergnügt fest. „Ja, in der Tat“, sagte Kagome gedankenverloren.
 


 

Die Ereignislosigkeit der folgenden Tage wurde plötzlich durch das Auftauchen einer kleinen Reisegruppe am Schrein jäh beendet. Zwei Menschen und ein Youkaikind kamen am frühen Abend an und fragten Rin um eine Unterkunft für die Nacht. Rin bemerkte sofort, dass die Frau in anderen Umständen war und bot ihnen an sich einige Tage bei ihnen auszuruhen. Der Mönch bedankte sich überschwänglich bei ihr. Sie besah sich die kleine Gesellschaft nochmals genauer. Sie kamen ihr bekannt vor, doch es wollte ihr partout nicht einfallen woher. Auch die Reisenden musterten sie und schienen zu überlegen, ob sie Rin schon einmal getroffen hatten. Rin brach das peinliche Schweigen schließlich: „Ich habe das Gefühl euch schon mal begegnet zu sein. Wie heißt ihr?“ „Mein Name ist Miroku“, begann der Mönch, „Das ist meine Frau Sango und der kleine Fuchsyoukai ist Shippo.“
 

Es fiel Rin wie Schuppen von den Augen. „Ihr seid die Freunde von Kagome!“, rief Rin erstaunt. „Du kennst Kagome?“, fragte Sango aufgeregt. „Ja natürlich! Sie leitet diesen Schrein. Ich kenne euch auch, wir haben uns früher, als Naraku noch lebte, getroffen. Mein Name ist Rin.“
 

„Kagome ist wieder in dieser Zeit?“, keuchte der junge Mönch erstaunt. Vor lauter Überraschung blieb ihm fast die Luft weg. Shippo hatte bisher noch gar nichts gesagt. Ihm standen große Kullertränen in den Augen. Wie lange hatte er sich nach seiner Ersatzmutter gesehnt? Er hatte oft an sie gedacht, seit sie in ihre Zeit zurückgekehrt war, und er hatte nicht mehr daran geglaubt sie jemals wieder zu sehen. Sangos Verstand schien sich nun von den Schock zu erholen. „Du bist doch das kleine Mädchen, das mit Sesshoumaru gereist ist?“ „Ja, das bin ich.“
 

Nachdem sich die Überraschung des plötzlichen Wiedersehens gelegt hatte, führte Rin die drei in eine kleine Hütte und bat sie Platz zu nehmen. Sie setzte Teewasser auf einem Kessel über dem Herdfeuer auf und ging dann um die lang Vermisste dazu zu holen.
 


 

Kagome spielte mit einem kleinen Findelyoukai schon den ganzen Nachmittag ein Kartenspiel. Sie hatte völlig die Zeit vergessen, denn der Ehrgeiz hatte sie gepackt. Es konnte doch nicht sein, dass sie immer verlor! Mürrisch griff sie wieder nach dem Stapel Karten und begann sie verbissen zu mischen. Rin stürmte ohne Klopfen in den Raum. „Schnell, du musst sofort kommen! Es ist wichtig!“, schrie sie panisch. Kagome war sofort alarmiert. „Was ist passiert?“, fragte sie. „Keine Zeit für Erklärungen, du musst kommen bevor es zu spät ist!“
 

Kagome stand sofort auf und rannte Rin hinterher, die ihr glücklicherweise gerade den Rücken zuwandte, sonst hätte ihr schelmisches Grinsen ihren kleinen Streich sofort verraten. Ihr Sprint endete vor einer der Gästehütten. Kagome schob gerade die Bambusmatte beiseite und meinte zu Rin: „Wenn jemand verletzt ist, warum holst du mich und nicht Jinenj-“ Sie stockte als sie sah, wer friedlich am prasselnden Feuer saß und Tee trank. Völlig erstarrt blieb sie in der Tür stehen und sah ungläubig auf ihre alten Weggefährten, die sie ebenso anstarrten. „Sango…Miroku…Shippo.“ Mehr als ein Flüstern brachte sie nicht zustande.
 

Kagome wurde jäh aus ihrer Starre gerissen als Shippo auf sie zu stürmte und in ihre Arme sprang. Sie hatte Mühe den gewachsenen Fuchs zu fangen, der sich sofort an sie kuschelte und herzzerreißend zu weinen begann. Sie drückte ihn an sich und strich ihm beruhigend über den Kopf. Sango folgte ihm und schloss Kagome fest in die Arme und ließ ihren Freudentränen freien Lauf. „Ich dachte, ich sehe dich nie wieder“, schluchzte sie in Kagomes Schulter. Miroku blieb an seinem Platz sitzen und lächelte selig. Rin stand hinter Kagome und ließ sich von der allgemeinen Wiedersehensfreude und Rührseligkeit anstecken.
 


 

Als sie dann alle zusammen beim Tee saßen, konnte Sango ihre Neugierde nicht mehr unterdrücken: „Seit wann bist du wieder hier? Und warum? Ich dachte, du wolltest diese Zeit hinter dir lassen nach Inuyashas Tod.“ Nachdenklich sah Kagome auf den Boden. „Ja das stimmt. Vor mehr als einem Jahr schickte mir Rin eine Nachricht, dass sie Hilfe braucht, da dem alten Schrein in Musashi Unheil drohte. Also kam ich wieder und wir schützten den Schrein und seine Bewohner. Dabei wurde er aber ziemlich zerstört, deshalb sind wir hierher umgezogen.“ „Und du kehrst nicht mehr in deine Zeit zurück?“ „Nein. Ich habe hier alles was ich mir gewünscht habe. Warum soll ich in ein Leben zurückkehren, dass sich nun seltsam leer und fremd anfühlt?“ „Wir dachten, dass die Erinnerung an Inuyasha in dieser Zeit zu präsent für dich sei und du deshalb fortgegangen bist“, erklärte Miroku. „So war es auch. Aber als ich dann zurückkehrte, stellte ich fest, dass die alten Wunden geheilt sind. Natürlich macht mich der Gedanke an ihn immer noch traurig und ich vermisse ihn manchmal. Aber die Trauer überwältigt mich nicht mehr. So und jetzt genug von mir! Erzählt, was habt ihr in der Zwischenzeit erlebt? Wo ist Kirara?“
 

Sango griff nach der Teekanne und schenkte sich eine weitere Tasse ein. „Kirara ist im Dorf der Dämonenjäger geblieben. Sie hat einen Kater gefunden und kümmert sich nun um ihre eigene kleine Familie. Wir leben dort zusammen mit Kohaku und wollen das Dorf wieder zu neuem Leben erwecken und die Traditionen der Dämonenjäger weitergeben.“ „Sango und ich sind seit einiger Zeit verheiratet und wie du vielleicht bemerkt hast, erwarten wir gerade unser erstes Kind“, führte Miroku den Bericht fort. „Wir sind zurzeit auf dem Weg zu meinem alten Lehrmeister. Shippo bestand darauf uns zu begleiten.“ Der Genannte sah von Kagomes Arm auf als seinen Namen hört. „Ich bin viel stärker geworden inzwischen! Ich muss doch Sango beschützen auf der Reise!“ Kagome lächelte selig und wuschelte dem Kitsune durch die Haare. „Du musst mir später deine neue Fuchsmagie zeigen.“
 

Sie saßen lange zusammen und hingen gemeinsam Erinnerungen an alte Zeiten nach. Plötzlich zuckte der Mönch erschrocken zusammen und sah erschrocken zur Tür. Auch durch Sango ging ein Schauer. „Youkai! Ein verdammt starker!“, flüsterte Miroku. „Er kommt direkt auf uns zu.“
 


 

Sesshoumaru war froh endlich wieder in sein eigentliches Zuhause zurückzukehren. Er hatte alles vorbereitet und war neugierig auf das Gesicht seiner Gefährtin, wenn er ihr von dem Zweck seiner Reise berichten würde. Er wanderte durch den Wald, der den Schrein umgab und seine feine Nase hatte Kagomes Fährte längst gewittert. Aber etwas irritierte ihn. Zwei Menschen und ein Fuchs befanden sich bei ihr. Er hoffte, dass ihn das nicht vor Überraschungen stellte, die sein Vorhaben zunichtemachen würden.
 

Endlich hatte er das Portal hinter sich gelassen und er überquerte den Platz vor dem eigentlichen Tempel. Es irritierte ihn feindselige Energien hinter der Tür von Kagomes Hütte zu spüren. Was war während seiner Abwesenheit geschehen? Seine Schritte beschleunigten sich und er trat mit gezogenem Schwert durch die Tür.
 


 

Miroku und Sango hatten sich, sobald sie das gewaltige Youki gespürt hatten, kampfbereit im Raum positioniert. Kagome konnte gar nicht so schnell reagieren und das Missverständnis aufklären, das durch die Rückkehr ihres Gefährten entstanden war. „Sesshoumaru, was willst du hier?“, rief Miroku erstaunt, als er den Herrn der westlichen Länder in der Tür erblickte. „Verschwinde, du hast hier nichts verloren!“, pflichtete Sango ihm bei.
 

Sesshoumaru war verwundert. Das waren doch die ehemaligen Weggefährten von Kagome. Warum standen sie ihm feindselig gegenüber? Ein kurzer Blick zu Kagome löste das Rätsel. Ihn ihrem Gesicht spiegelten sich Angst und peinliche Betretenheit. Hatte sie den beiden etwa doch nicht alle Neuigkeiten berichtet? Ein Lächeln umspielte seinen Mund. Das Spiel spielte er mit, sollte Kagome es doch auflösen und sich die peinliche Blöße geben.
 

Unbeeindruckt von den beiden Menschen durchschritt er den Raum und baute sich vor der jungen Frau auf. „Miko, wir brechen morgen auf. Mach dich bereit“, sagte er bewusst mit seiner eisigsten Stimme. „Was willst du von ihr? Lass sie in Ruhe!“, schrie Sango und warf ihren Hiraikotsu nach Sesshoumaru. Lässig blockte er mit seinem Schwert das herannahende Geschoss, das krachend zu Boden fiel. Betont langsam wandte er sich wieder den beiden Gästen zu und hielt sie mit Tokijin auf Distanz. „Haltet euch da raus.“ Shippo hatte sich in der Zwischenzeit hinter einem großen Korb versteckt und beobachtete alles. Sein buschiger Schwanz zitterte vor Angst.
 

Kagome schaffte es nun endlich ihre Schockstarre zu überwinden, in die sich zwischenzeitlich gefallen war. Sie sprang auf und stellte sich zwischen die inzwischen verhärteten Fronten. „Hört auf! Ihr habt das alle falsch verstanden!“, rief sie in den Raum hinein. Miroku sah sie verwirrt an, auch Sango war nun mit der Situation überfordert. Kagome seufzte schwer. Dann begann sie zu sprechen: „Es hat seinen Grund, dass er hier ist, denn er lebt hier zusammen mit mir. Ihr seht, ich habe nichts zu befürchten.“ „Bist du jetzt seine Dienerin oder warum darf er so mit dir sprechen?“, fragte Sango erstaunt. „Du hast dir doch früher nichts gefallen lassen.“ Kagome schloss die Augen und setzte ein zynisches Lächeln auf. Was du kannst mein Lieber, das kann ich auch! „Mein werter Herr Gefährte muss manchmal den eiskalten Daiyoukai raushängen lassen, sonst denkt er, dass er hier verweichlicht.“ Jetzt war es raus!
 

Ihren drei Freunden stand nun schon seit Sekunden der Mund offen und immer wieder blickten sie hektisch erst zu ihr und wieder zu Sesshoumaru. Hatten sie das eben richtig verstanden? Kagome beschloss, das verwirrte Gestottere, das nun zwangsläufig folgen würde, abzukürzen. „Ja ihr habt mich richtig verstanden. Ich bin seine Gefährtin und nein, er hat mich nicht gezwungen oder verhext. Ich bin sehr glücklich.“ Fassungslose Blicke ruhten weiter auf ihr. Sesshoumaru lächelte zufrieden, steckte seine Klinge wieder in seinen Gürtel und verließ den Raum wortlos. Er hatte sein Ziel erreicht. Miroku fand zuerst wieder die Sprache. „Aber wie… ich meine, seit wann…?“, stammelte er. Kagome seufzte nochmals ergeben. „Setzt euch, das ist eine längere Geschichte.“
 


 

Sie erzählte den Dreien, was alles geschah seit ihrer Rückkehr und wie das erneute Zusammentreffen mit dem Daiyoukai verlaufen war. „Er hat dich wirklich getötet?“, fragte Shippo erstaunt. „Ja, wir sind ziemlich aneinander geraten bei unserem Wiedersehen“, erzählte Kagome. „Wir haben beide einen ziemlichen Dickschädel.“ Sie fuhr fort davon zu berichten, wie die beiden sich danach näherkamen und der gemeinsame Kampf gegen Hakai sie zusammenschweißte. „Aber wenn du seine Gefährtin bist, wie kannst du noch immer deine Kräfte als Miko haben?“, hakte Miroku nun nach. „Er ist auf eine lange Wanderschaft gegangen und hat einen Bogen fertigen lassen mit dessen Hilfe ich immer noch kämpfen kann.“ Sie erhob sich und holte einen in ein Tuch eingeschlagenen Gegenstand herbei. Vorsichtig faltete sie den Stoff auseinander und ein prächtiger Bogen mit einer silbern schimmernden Sehne kam zum Vorschein.
 

„Das ist der Bogen der Himmel. Er ist aus dem Holz eines heiligen Baumes und einer Strähne von Sesshoumarus Haar gefertigt. Da ein kleiner Teil seiner dämonischen Kraft nun in mir ist, kann ich Pfeile sowohl mit reinigender Kraft als auch zerstörerischen Kraft abschießen. Der Bogen selbst befindet sich auch im Gleichgewicht“, erklärte sie weiter. Fasziniert sahen sich ihre Freunde den Bogen an. „Dann stimmt es, dass Menschen, die eine Beziehung mit einem Dämon eingehen, einen Teil von deren Kraft bekommen?“, fragte Sango neugierig. Kagomes Hand schob den Kragen ihres Gewands etwas beiseite und ein blauer Halbmond trat an ihrer Halsbeuge zum Vorschein. „Dann bist du wirklich den Bund mit Sesshoumaru eingegangen?“, stieß Sango atemlos hervor. „Das habe ich euch doch gesagt….“ „Ich hatte nicht erwartet, dass er dich gleich richtig zu seiner Gefährtin macht. Ich hatte das nicht erwartet, da du ein Mensch bist und ich immer dachte, er würde alle Menschen hassen“, rechtfertigte die Dämonenjägerin sich. Kagome lächelte schief. „Oh, das tut er nach wie vor. Nur er macht inzwischen Ausnahmen. Er hat Rin inzwischen offiziell als seine Tochter angenommen.“ „Ich kann es immer noch nicht fassen, auch wenn ich es sehe“, sagte Miroku leise.
 

Sie saßen noch länger beisammen und Kagome musste den bohrenden Fragen ihrer Freunde Rede und Antwort stehen. Lange nach Einbruch der Nacht verabschiedete sie sich schließlich und ging auf die Suche nach Sesshoumaru. In all der Aufregung hatte sie noch keine Gelegenheit gefunden ihn standesgemäß zu begrüßen.
 


 

Sie fand ihn wie immer auf einem Baum sitzend etwas abseits der Gebäude. Er schaute in die Nacht und ließ seine Gedanken auf Reisen gehen. Er registrierte sie sofort und sah ihr mit einem undeutbaren Blick in die Augen. Sie sah ihm sofort an, dass er verstimmt war. Das warme Gold seiner Augen war erstarrt und ruhte mit alter Kälte auf ihr. Auch machte er keine Anstalten von seinem Ausguck herunter zu kommen. Sieh ahnte, was ihn störte und beschloss ohne Umschweife direkt das eigentliche Problem anzusprechen. „Du bist mir böse, dass ich meinen Freunden nicht eher von dir erzählt habe, richtig?“
 

Er schwieg; also lag sie mit ihrer Vermutung richtig. Sie ließ sich am Fuße des Stammes nieder und sprach in die Nacht. Seiner Aufmerksamkeit war sie sich gewiss. „Es tut mir leid, das war mein Fehler. Ich hätte ihnen eher von dir erzählen müssen. Ich hatte nur Angst, dass sie es nicht verstehen und mich verurteilen würden“, sagte sie traurig. Der Daiyoukai antwortete zunächst nicht und hüllte sich in Schweigen. Er schien seine nächsten Worte zu bedenken. Schließlich entgegnete er: „Wenn du dich schon vor deinen engsten Freunden schämst, vor Freunden, die selbst mit Dämonen leben, wirst du dich je vor den Menschen zu mir bekennen können?“
 

„Nein, so ist das nicht!“, entgegnete Kagome heftig, konnte aber die Tränen in ihren Augen nicht zurückhalten. Sie war do dumm, schalt sie sich in Gedanken. Wie konnte sie nur ihn vor ihren engsten Freunden verleugnen, was hatte sie nur geritten? Immer weiter liefen nun die Tränen über ihr Gesicht, das Weinen ließ sie zittern. Hatte sie das Band, was sie verband, nun durch ihre falsche Scham zerrissen?
 

Sesshoumaru roch das salzige Nass, das ihr Gesicht überströmte. Er konnte es nicht ertragen sie so zu sehen. Also sprang er von seinem Ast herunter und kam kurz vor Kagome auf dem Boden auf. Vorsichtig kniete er sich vor das zitternde Häufchen Elend und wischte vorsichtig mit seinem Finger die Tränen von ihren Wangen. „Tu mir das nie wieder an. Bitte“, sagte er sanft. Schuldbewusst sah sie ihm in die Augen, die nun nicht mehr ganz so kalt wirkten. „Kannst du mir vergeben?“, flüsterte sie ängstlich und wartete angespannt auf seine Antwort. „Es sei dir vergeben, kleine Kagome“, erwiderte er und versiegelte ihre Lippen mit seinem Kuss.
 


 

Sie saßen noch einige Zeit zusammen an dem Baum und lauschten den Geräuschen der klaren Winternacht. Sesshoumaru hatte Kagome inzwischen dicht an sich herangezogen, da die Kälte nun immer weiter zunahm. Eine Sache lag dem Dämon aber noch auf der Seele. „Geh in deine Hütte, Kagome. Es ist spät und du wirst morgen viel vor haben.“ „Du kommst nicht mit mir?“ „Heute nicht. Du findest auf deinem Bett einen Kimono. Bitte trag ihn morgen.“ Nun war Kagomes Neugierde geweckt. Sie verabschiedete sich ausgiebig für die Nacht von ihrem Liebsten und huschte seiner angenehmen Wärme beraubt schnell zu ihrem Haus. Dort angekommen entdeckte sie sofort das Geschenk ihres Gefährten. Ein strahlend weißer Kimono, der mit einem floralen roten Muster am Kragen und an den Ärmeln bestickt war, lag ausgebreitet auf ihrem Lager. Ehrfürchtig ließ sie die feine Seide durch ihre Finger gleiten. Das war das Gegenstück zu Sesshoumarus Haori! Ihr Blick fiel weiter auf einen roten Obi, der danebenlag, dessen weiße Stickerei das Muster des Kimonos wieder aufnahm. Um das Ensemble zu vervollständigen fand sie eine silberne Haarnadel, die in einer fein geschwungenen Mondsichel endete.
 

Sorgfältig faltete sie das edle Kleidungsstück zusammen und ließ sich in ihr Bett gleiten. Was hatte er bloß morgen mit ihr vor, dass er sie so prächtig ausstattete?

02 – Treue dem Westen

02 – Treue dem Westen
 

Kagome erwachte am kommenden Morgen frühzeitig. Die Aufregung hatte sie die Nacht kaum schlafen gelassen, sie war einfach zu neugierig, was Sesshoumaru geplant hatte. In freudiger Erwartung schaute sie auf den kostbaren Kimono, der neben ihrem Bett lag. Doch alleine konnte sie ihn niemals anziehen, es war eine sehr aufwendige Prozedur einen Kimono korrekt anzuziehen und zu binden und sie würde auf jeden Fall eine helfende Hand benötigen. Vorher wollte sie aber noch frühstücken. Sie kannte sich schließlich gut genug und ihre Neigung zum unkontrollierten Kleckern. Nicht auszudenken, wenn sie dieses Kleidungsstück mit einem Fleck beschmutzen würde!

Nachdem sie Frühstück und Tee einigermaßen unfallfrei bewältigt hatte, machte sie sich in ihre Mikotracht gekleidet auf den Weg Rin um Hilfe zu bitten. Als sie in die Hütte trat, sah sie, wie Rin auf dem Boden kniete und andächtig über einen in ihrem Schoß gefalteten Stoff strich. Doch sie bemerkte Kagome trotzdem gleich. „Ohayo! Sieh mal, was mir Sesshoumaru mitgebracht hat! Er sagte, ich solle ihn gleich heute anziehen für unsere Reise!“, sagte sie vergnügt. Kagome kniete sich zu Rin und nahm den Stoff ebenfalls in Augenschein. Sie fühlte sofort, dass es auch reine, feingesponnene Seide war, allerdings in ein tiefes Rot gefärbt. Er hatte ihr einen ebenso kostbaren Kimono mitgebracht. „Rin, steh mal auf und zeig ihn mir!“ Rin erhob sich und entfaltete vorsichtig den Stoff. Seide raschelte. Zum Vorschein kam ein elegant geschnittener Kimono in karmesinroter Seide, der an Kragen und Ärmel ebenfalls mit einem Blumenmuster bestickt war, nur wurde hier weißes Seidengarn verwendet. Der Obi war auch bei diesem Modell komplementär zu dem Kimono gehalten; weiß mit roten Stickereien.

Die beiden Frauen bestaunten das edle Stück, auch Jinenji bewunderte ihn ehrfürchtig. In seinem ganzen Leben hatte er noch niemals ein solch kostbares Kleidungsstück gesehen. Schließlich ergriff Kagome das Wort: „Mir hat er auch einen mitgebracht, er ist aber weiß. Ich wollte dich fragen, ob du mir behilflich sein kannst ihn anzuziehen, alleine kriege ich ihn nie ordentlich gebunden.“ „Natürlich, aber ich fürchte, ich werde deine Hilfe ebenfalls brauchen“, antwortete Rin. Die beiden beschlossen Kagomes Hütte zum Ankleide- und Frisierzimmer umfunktionieren.
 

Es wirkte schließlich etwas befremdlich die beiden so edel gekleideten Damen in der nun schäbig wirkenden Hütte zu sehen. Es wirkte so unpassend, so surreal. Rin legte letzte Hand an Kagomes Haar, das sie mit Hilfe der Haarnadel gebändigt und am Hinterkopf hochgesteckt hatte. Kagome war froh, dass sie durch die vielen Feste am Schrein ihrer Familie leidlich Übung darin hatte, wie ein Kimono mit Obi korrekt zu binden war. Besonders bei solch aufwendigen Modellen wusste man oft nicht wohin mit all dem Stoff; ihr Obi hatte eine stattliche Länge von über vier Metern und wurde von Rin nach ihrer Anleitung zu einem kunstvollen Kissen in ihrem Rücken gebunden. „Ich frage mich, wie wir in diesen Kimonos eine Reise antreten sollen. Sie sind wunderschön, aber ein wenig unpraktisch“, ächzte Kagome. Versuchsweise schritt sie durch den Raum, aber sie konnte nur kleine Schritte machen.

„Indem ihr nicht lauft, sondern auf Ah-Uns Rücken reitet“, klärte Sesshoumaru sie auf. Er tauchte wie immer lautlos in der Hütte auf. Bewundernd glitt sein Blick über seine Gefährtin und Tochter. Genau wie er es geplant hatte, sie strahlten Anmut und Eleganz aus. „Sesshoumaru, wohin gehen wir denn, dass wir so etwas tragen müssen?“, fragte ihn Rin und riss ihn aus seinem Starren. „Ihr werdet es früh genug sehen. Kommt, wir brechen auf.“ Er machte auf dem Absatz kehrt und verließ die Hütte. Nach einem letzten kritischen gegenseitigem Blick und einem finalen zurecht Zupfen der Haare traten die beiden aus dem Haus.

Ah-Un stand gesattelt auf dem Hof. Daneben wartete Jinenji, Sango, Miroku und Shippo, die ebenfalls reisefertig waren. Verwundert ließ Kagome ihren Blick über die Reisegruppe schweifen. Was war nur das Ziel ihrer Reise und warum durften sogar ihre Freunde sie begleiten? Ihre Begleiter sahen ebenso verwundert aus, auch sie schienen im Unklaren über ihr Unternehmen gelassen worden sein. „Du siehst wundervoll aus, Kagome! Wo hast du diesen Kimono her?“, fragte Sango ihre Freundin bewundernd. „Sesshoumaru brachte ihn mir von seiner letzten Wanderung… Ich frage mich nur wozu?“, antwortete die Miko stockend.

„Wir brechen auf“, hallte die tiefe Stimme des Dämons über den Platz. Die beiden Damen nahmen auf Ah-Uns Rücken Platz und der Zug setzte sich mit Sesshoumaru an der Spitze in Bewegung.
 

Ohne Eile zogen sie durch die winterliche Landschaft, immer der noch tief stehenden Sonne entgegen in Richtung Westen. Die Wälder waren kahl, die Bäume waren von einer feinen Schicht Reif bedeckt. Sie liefen abseits der Wege und die Menschen hatten große Mühe sich einen Weg durch den immer tiefer werdenden Schnee zu bahnen. Shippo hatte nach kurzer Strecke Platz auf Kagomes Schoß genommen, da er mit seinen kurzen Beinen das Tempo nicht mithalten konnte. Selbst Ah-Un wirkte angestrengt. Nur der Daiyoukai schritt anstrengungslos voran. Die Welt war wie ausgestorben an diesem eisigen Tag, weder Youkai noch Tier kreuzte ihren Weg. Selbst die Pflanzenwelt hatte sich zurückgezogen und überwinterte tief in der Erde verborgen.

„Houshi, weißt du wo wir sind?“, fragte Sango nach einiger Zeit. Sie hatte schon kurz nach Abreise die Orientierung verloren. „Nein, ich kenne diese Wälder nicht. Auf all meinen Reisen bin ich noch nie hier durch gekommen“, antwortete er. „Wir sind im tief in den westlichen Ländern, das hier ist eigentlich ein Dämonenwald“, klärte Jinenji die beiden auf. „Menschen betreten ihn eigentlich nicht. Die meisten haben Angst ihn zu betreten. Sie erzählen sich Sagen über dieses Gebiet.“ „Wovor fürchten sie sich?“, fragte Kagome nach. „Sie erzählen sich von einer wilden Bestie, die im Herzen dieser Wälder und Berge lebt. Ein grausamer Dämon, der niemanden aus seinem Reich entkommen lässt. Deshalb meiden alle es dieses Gebiet zu betreten. Es sind in der Vergangenheit schon viele Menschen spurlos verschwunden.“ „Sesshoumaru macht sich keine Gedanken darum“, stellte Sango fest. „Wer sollte ihm gefährlich werden?“, entgegnete Rin mit kindlicher Naivität. „Auch wieder wahr…“

Als die Sonne ihren Zenit erreicht hatte, lichtete sich der Wald mit jedem Schritt. Sie traten an einer Anhöhe aus dem Schatten der blattlosen Bäume und es eröffnete sich der Blick auf ein Tal, das einen See beherbergte. Die weitläufige Klamm war ringsherum von mit Wäldern bedeckten Bergen umgeben, kein befestigter Weg war zu sehen. So von der Welt verborgen lag eine Festung auf der Halbinsel, die in das klare Wasser des Bergsees ragte. Es war eine strategisch klug gebaute Burg. An drei Seiten war sie von Wasser umgeben und konnte so nur an der befestigten Stirnseite angegriffen werden. Hohe Wehrmauern umgaben das Areal, die aber immer wieder von Türmen unterbrochen wurden. Von ihrem erhöhten Standort konnten die Freunde einen Blick auf die hinter den Wällen verborgenen Gebäude werfen. Ein großes, traditionelles japanisches Schloss stand dort. Es schien alt zu sein und doch im Laufe der Zeit immer wieder erweitert worden zu sein; einige Teile sahen weniger verwittert aus. Rings um das Haupthaus, das hoch in den Himmel ragte, waren mehrere kleine Nebenhäuser verteilt, die aber durch überdachte Gänge mit dem Zentrum verbunden waren. Die von Schnee bedeckten Giebel glitzerten in der Mittagssonne.

„Wir haben unser Ziel erreicht“, durchschnitt Sesshoumarus Stimme die ehrfürchtige Stille. „Das ist die Burg des Westens, Sitz meiner Familie und der Inuyoukai.“
 

Über einen verschlungenen Pfad führte er sie hinab ins Tal. Ein schmaler Steg verband das Ufer mit dem Eingangsportal. Uneinnehmbar, ging es Kagome durch den Kopf. Bullige Wachen patrouillierten auf den Mauern und schauten neugierig auf die Ankömmlinge. Unbeeindruckt schritt Sesshoumaru weiter voran auf das Tor zu, das sich nun knarzend öffnete. Das Leben im Hof des Anwesens erstarb sofort, als sie ihren Herrscher erblickten. Soldaten, Handwerker, Diener, alle sahen sofort respektvoll zu Boden als Sesshoumaru mit seinem Gefolge den Hof überquerte. Heimlich warfen die Untertanen einen Blick auf die Begleitung ihres Herrn. Zwei Menschenfrauen, noch dazu gekleidet in den Farben des Westens? Was ging hier vor sich? Dem feinen Gehör des Daiyoukai blieb das darauf folgende Getuschel natürlich nicht verborgen; es interessierte ihn nur einfach nicht.

Endlich betraten sie das Haupthaus und wurden sofort von einem aufgeregt plappernden Jaken abgefangen: „Meister Sesshoumaru-sama, ich bin so froh Euch wiederzusehen! Ich habe alles nach Eurem Auftrag verwaltet. Was haben diese Menschen hier verloren?“ „Du wirst es früh genug erfahren“, entgegnete der Angesprochene kühl und unterband damit das Gezeter des kleinen Froschs. „Mach dich nützlich und bring die zwei Menschen, den Fuchs und den Hanyou im Gästehaus unter.“ „Aber Meister Sesshoumaru-sama, was ist mit den beiden anderen Menschen, was soll ich –“ Er kam nicht mehr dazu den Satz zu beenden, denn ein gezielter Tritt ließ ihn aus dem Raum fliegen. Die Kröte war zwar nützlich, aber er konnte einem den letzten Nerv rauben, dachte Sesshoumaru. Ruhe blieb ihm auch weiter nicht vergönnt.

„Das ist doch die Miko, die uns damals gerettet hat!“ Der zu laut geflüsterte Ausspruch drang bis an Kagomes Ohren und sie drehte sich der Stimme entgegen. Sie entdeckte zwei schmächtige, junge Wachen, die sie entgeistert anstarrten. Kagome wühlte in ihren Erinnerungen woher die beiden sie kennen konnten. Als die beiden sich ihrer Aufmerksamkeit gewissen waren, fuhr der Sprecher fort: „Wir sind die beiden Krieger, die ihr letzten Winter von der Schlacht verletzt in der Menschensiedlung getroffen habt. Ihr habt unsere Wunden geheilt und uns versorgt. Inuko und Zassho sind unsere Namen.“ Ihr Gesicht erhellte sich nun, natürlich erinnerte sie sich an die beiden. Doch bevor sie antworten konnte, donnerte Sesshoumarus Stimme durch den Raum: „Genug!“

Dieses eine Wort brachte sie sofort zum Schweigen. Demütig senkten sie ihre Köpfe und harrten ängstlich der Dinge, die nun folgen würden. Doch der Herr des Westens hatte keine Lust sich mit ihnen abzumühen, er hatte anderes im Sinn. Er setzte seinen Weg fort und bedeutete Kagome und Rin ihm zu folgen. Sie gelangten in einen großen Raum, in dem einige Krieger auf den Tatamimatten kniend warteten. Sie durchschritten die in zwei Reihen Sitzenden und kamen am Kopf des Zimmers ebenso zum Sitzen. Was hatte ihr Gefährte vor? Warum nahm er sie mit hierher? Ihr Blick traf den von Rin, die ebenso unsicher aussah. Gespannte Stille lag über allen Anwesenden. Offenbar wusste niemand warum ihr Herrscher sie einberufen hatte.
 

„Ihr habt mir und dem Westen alle eure Lehenstreue geschworen. In vielen Schlachten habt ihr diese bewiesen.“ „Oyakata-sama, zieht ein Kampf herauf?“, fragte der Krieger, der zur Rechten Sesshoumarus saß. Er war offenbar der Heerführer und stand den anderen Hauptmännern vor. „Nein Sencho. Ihr seid heute hier, um diese beide Menschen in unserem Bund mit aufzunehmen.“ Ein Raunen ging durch den Raum. Das war unerhört! Noch nie betrat ein Mensch diesen Ort und nun sollten sie diesen beiden, die auch noch Frauen waren, ihre Gefolgschaft schwören?

Gelassen wartete Sesshoumaru ab, bis sich das Stimmengewirr gelegt hatte. „Sie sind keine einfachen Menschen. Das ist Kagome, bekannt als Miko des Himmels und neue Herrin des Westens. Und sie ist Rin, Tochter des Westens.“

Ungläubig sahen die versammelten Inuyoukai zu ihrem Anführer und den beiden Frauen. Ein untersetzter Krieger war der erste, der wieder das Wort erhob: „Dann stimmen die Geschichten, die sich die Männer am Feuer erzählen! Ihr habt eine Sterbliche zu Eurer Gefährtin gewählt.“ „Sie ist keine normale Menschenfrau, Gimon! Hast du noch nie von der Miko des Himmels gehört?“, sagte Sencho noch bevor sein Herr Gelegenheit hatte selbst etwas zu erwidern. „Wenn sie seine Gefährtin ist, ist sie sowieso keine Miko mehr“, äußerte der erste Redner nun unbedacht. Er war so in Rage über diese Ungeheuerlichkeit, dass er glatt vergessen hatte, dass sein Meister anwesend war.

Gimon wusste nicht, wie ihm geschah, als Sesshoumarus Klaue ihn am Hals packte und zu Boden drückte. Ein Röcheln entfloh seiner Kehle und er versuchte verzweifelt wieder Luft zu bekommen. Doch der Daiyoukai drückte erbarmungslos seine Finger um seinen Hals. „Wer die Ehre der Herrin des Westens in Frage stellt, muss sich vor mir rechtfertigen“, sprach er kalt und schleuderte den inzwischen ohnmächtigen Hauptmann durch eine Wand aus dem Raum. Mit einem bedrohlichen Glimmen in den Augen sah er nun in die Runde. „Kagome ist mächtiger als die meisten von euch. Sie hat ihren Mut, ihre Aufrichtigkeit und ihre Treue in vielen Schlachten an meiner Seite bewiesen.“ Seine Augen verengten sich nun gefährlich. „Hat noch einer von euch etwas gegen sie vorzubringen?“ Stille. Niemand sagte ein Wort.

Kagomes Herz klopfte wild in ihrer Brust. Geschah dies alles gerade wirklich? Er stellte sie an seinem Sitz seinen Kriegern offiziell als seine Gefährtin und Herrin des Westens vor? Sie konnte es kaum glauben. Sie hatte nie erwartet, dass er seinen Ruf als Herrscher riskieren würde, in dem er sich zu ihr bekannte. Nicht nachdem, wie er über seinen Vater und dessen menschliche Geliebte sprach. Gerne hätte sie ihrer Freude freien Lauf gelassen, doch dies war nicht der passende Rahmen um vor Rührung zu weinen und ihrem Dämon verliebt um den Hals zu fallen. Also verwendete sie ihre Kraft darauf eisern Contenance zu wahren und ein unbewegtes Gesicht zu machen. Ein solcher Gefühlsausbruch ließ sich niemals mit ihrer neuen, noch ungewohnten Rolle als Herrscherin vereinen. Vorsichtig schaute sie zu Rin herüber, der es scheinbar genauso ging wie ihr. Sie sah deutlich in ihren Augen, wie glücklich sie darüber war, dass er sie nun allen als seine Tochter vorstellte.
 

Sencho durchbrach das schwer über allen liegende Schweigen, indem aufstand und sein Schwert zog. Er hielt es senkrecht vor sein Gesicht und sah es eindringlich an. So verharrte er einige Augenblicke in tiefer Konzentration. Dann rammte er sein Schwert in den Boden und ließ sein Youki darin hell aufleuchten. Grüne Flammen umgaben das Schwert.

„Mein Leben und Schwert für den Westen! Ich gelobe Dir Sesshoumaru Treue bis in den Tod und darüber hinaus. Und ich gelobe Kagome und Rin Treue; wenn ich sie durch mein Leben oder meinen Tod bewahren kann, so sei es!“ Nun flammte seine dämonische Energie voll auf und hüllte ihn ein.

Sein Beispiel beendete das Zaudern der anderen Heerführer. Einer nach dem anderen zog sein Schwert und leistete den Treueschwur auf die Familie des Westens. Schließlich standen alle und die Kraft ihres Youkis brachte die Luft zum Flirren.

Als letzter erhob sich ihr Lehensherr. Er zog Tokijin und bohrte die Klinge ebenfalls in den Grund. Die blaue Aura des Schwertes strahlte hell auf. „Ich nehme euren Eid an. Ehre für Treue, Tod für Verrat!“, sprach er und mit diesen Worten verband sich seine Energie mit denen der anderen. Ohne ihr Zutun verband sich das versiegelte Reiki von Kagome mit dem Sturm des Youkis. Auch Rins heilige Kraft antwortete dem Ruf dieses Rituals. Sie waren nun alle verbunden durch die Kraft des Eides. Ein Eid, der gebunden an die eigene Lebenskraft war.
 

Kagome war geblendet von all dem Youki, was sie nun durchfloss. Es kam ihr immer noch alles wie ein Traum vor, obwohl es nun einige Stunden her war. Sie saß alleine in einem kleinen Raum, doch sie wusste nicht mehr wie sie dorthin gekommen war, so sehr hatte die Energie des Bundes sie benebelt. Ihre feinen Mikosinne waren sehr in Mitleidenschaft gezogen worden durch das rohe, ungezügelte Toben des vereinten Youki. Jemand hatte ein Tablett mit Tee auf einen kleinen Tisch vor ihr gestellt. Es musste wohl schon eine Weile her sein, denn der Tee war erkaltet.

„Du siehst aus als wärst du in Gedanken“, sagte Sesshoumaru sanft als er den Raum betrat und sich ihr gegenüber setzte. Erschrocken sah sie auf. Sie war wirklich etwas neben der Spur, wenn sie ihn erst dann bemerkte, als er vor ihr saß und mit ihr sprach. „Nein, eigentlich nicht. Nur selbst jetzt ist mein Geist etwas mitgenommen von vorhin. Ich glaube, das war etwas zu viel Dämonenmacht auf einmal“, antwortete sie lächelnd. „Ich habe so etwas beinahe befürchtet, aber es war dennoch nötig.“ „Warum?“ „Es wirkt für euch Menschen wahrscheinlich nur wie ein archaisches Kriegerritual, aber diese Energie ist das, was dieses Land zusammenhält. Es ist wichtig, dass ihr jetzt ein Teil davon seid. Nur so kannst du deinen Platz an meiner Seite einnehmen.“

Sie konnte ihre Empfindungen kaum in Worte kleiden, daher beugte sie sich etwas vor und strich ihrem Gefährten zärtlich über die Wange. Vorsichtig legte sie ihre Lippen auf seine und hauchte ihm einen Kuss darauf. Sesshoumaru grummelte kurz und schob den Tisch genervt beiseite, der zwischen ihm und seiner Liebsten stand. Endlich konnte er sie richtig an sich ziehen. Sie setzte sich vor ihn und lehnte sich an seine Brust. „Deshalb hast du mir diesen Kimono gebracht, um mich hierher zu bringen?“, fragte sie schüchtern. „Unter anderem.“ „Und was war dein eigentlicher Gedanke?“, fragte Kagome ihn neckisch. „Dich darin zu sehen und ihn dir wieder auszuziehen.“ Kagome lief augenblicklich rot an, so überrannt fühlte sie sich durch seine offene Begierde. Sesshoumaru konnte ein Lachen nicht mehr zurückhalten. „Du bist ein faszinierendes Wesen, Kagome. Wir teilen nun schon über ein halbes Jahr das Bett und doch bist du schüchtern wie am ersten Tag.“ Das darauffolgende empörte Gemurmel konnte der Daiyoukai nicht einmal mit seinem übermenschlichen Gehör verstehen.

Nachdem sie sich wieder etwas gefangen hatte, lehnte Kagome sich enger in seine Umarmung. „Ich wollte gestern schon mit dir über etwas sprechen, doch es schien mir nicht der richtige Moment dafür“, begann Kagome zaghaft zu sprechen. „Und nun ist es der Richtige?“ „Naja, wir streiten zumindest nicht und du bist nicht böse mit mir“, entgegnete Kagome. Sie drehte sich in einen Armen und suchte mit ihren Augen seinen Blick. „Ich fürchte unsere Zweisamkeit wird bald enden und stattdessen zu einer Dreisamkeit werden.“ Sesshoumaru Herz setzte einen Schlag aus. War es wirklich das, was er dachte, was sie ihm damit sagen wollte?

Kagome bemerkte die Anspannung, die durch Sesshoumarus Körper ging. „Ja du hast mich richtig verstanden, Liebster. Du wirst Vater.“

Tausend Gedanken und Gefühle brachen gleichzeitig über ihn herein. Diese Nachricht zwang seine sonst so eiserne Selbstkontrolle nieder und die Überraschung stand ihm ins Gesicht gestanden. Immer wieder vergegenwärtigte er sich die Nachricht, die ihm Kagome soeben überbracht hatte. Sie trug sein Kind unter dem Herzen!

Kagome beobachtete seine Gesichtszüge, auf denen sich sein Innenleben spiegelte. Er wirkte schockiert, keine Freude zeigte sich in seinem Antlitz. Eine kalte Furcht umklammerte ihr Herz; wollte er das gar nicht? Würde er jetzt wütend werden? Sie am Ende noch verstoßen? Tränen stiegen in ihr auf und sie kniff ihre Augen feste zu. Sie wollte das nun wenigstens nicht mit ansehen müssen. Aber ihr Herz machte sich nun unabhängig von ihr selbstständig und sie konnte ihre eigene Stimme flüstern hören: „Bist du denn so schockiert, fühlst du denn gar keine Freude?“

Ihre Worte holten ihn wieder zurück. Er brauchte einen Moment um wieder im Hier und Jetzt zu sein. Der salzige Geruch ihrer Tränen brannte in seiner Nase und bedauernd sah er, was sein Schweigen angerichtet hatte. Er zog sie eng zu sich und blickte ihr fest in die Augen. „Ich bin nicht schockiert, du hast mich nur ziemlich überrascht. Damit habe ich nun gar nicht gerechnet.“ Kagome fühlte sich nun etwas befreiter und leichter ums Herz. Ein schüchternes Lächeln umspielte ihren Mund als sie ihm antwortete: „Du hast gerade selbst festgestellt, dass wir seit über einem halben Jahr das Bett teilen.“

Sesshoumaru lächelte schief über ihre Schlussfolgerung. Er strich ihr zärtlich durch das Haar und sagte sanft: „Ja, da ist was dran. Und natürlich freue ich mich.“ Doch die Gedanken in ihm kamen nicht zur Ruhe. Ein Wort brannte sich in seinem Kopf ein, das ihn lange verfolgen würde; Hanyou.
 

Am Abend versammelten sich die Bewohner im Haupthaus des Anwesens. Große Tische waren reich gedeckt, um die neue Herrin zu feiern. Einige Inuyoukai waren zwar anfangs etwas skeptisch, dass ihr Herrscher nun eine Sterbliche an seiner Seite hatte, doch hatte das unrühmliche Schicksal Gimons bereits die Runde gemacht. Auch hatten viele der Soldaten schon Geschichten über die Miko des Himmels gehört und wussten, dass sie keine einfache Menschenfrau war. Und der Schnaps tat schließlich sein übriges, so dass niemand einen Gedanken weiter daran verschwendete.

Kagome saß zusammen mit Rin neben Sesshoumaru am Kopf der Tafel und beobachtete neugierig die Anwesenden. Das meiste waren Soldaten, wie sie feststelle. Raue Gesellen, die sich gierig über das kredenzte Fleisch hermachten. Immer wieder erhob sich einer, um einen Toast auf die Herrin oder Tochter des Westens auszusprechen. Ihre Freunde saßen nicht weit von ihr und sahen sich immer wieder verwundet um. Besonders Sango konnte nicht glauben, was sie sah. Der menschenverachtende Sesshoumaru präsentierte ihre Freundin Kagome offen vor allen als seine Gefährtin. Und niemand störte sich daran! Nachdenklich stocherte sie in ihrem Essen. Sie musste wohl ihr Urteil über den Daiyoukai noch einmal überdenken. Auch Jinenji war verwirrt, dass ihm gestattet wurde mitzukommen. Natürlich hatte Sesshoumaru ihm mit einigen unmissverständlichen Blicken zu verstehen gegeben, dass er sich hier von Rin fernzuhalten hatte, aber er schien sich langsam damit abzufinden, dass er nichts gegen die Beziehung seiner Tochter mit dem Hanyou tun konnte. Jedenfalls nicht ohne Rin ins Unglück zu stürzen und sich ihren ewigen Zorn und Hass zuzuziehen.

Direkt neben Kagome saß Sencho, der als oberster Heeresführer das Privileg hatte am Ende der Tafel zusammen mit seinem Herrn zu sitzen. Er fing ein lockeres Gespräch mit Kagome an. „Liege ich recht mit der Annahme, wenn ich vermute, dass Ihr es gewesen seid, die meine beiden verletzten Krieger nach der Schlacht versorgt hat?“ „Woher wisst ihr das?“, antwortete Kagome überrascht. „Sie kehrten nach einiger Zeit zu unserem Lager zurück und berichteten mir von einer Miko, die sich ohne Groll um sie gekümmert hatte. Und dass diese Priesterin nach dem Lager gefragt hatte. Als ich euch heute sah, war mir klar, dass Ihr es gewesen sein müsst“, berichtete er freimütig. „Vor allem nach der überschwänglichen Begrüßung der beiden.“ „Ja, ihr habt recht. Die beiden hatten mir erzählt, dass sie den Tod zu fürchten hätten bei ihrer Rückkehr, doch nun sehe ich sie hier zusammen mit den anderen Kriegern.“ Kagome fragte sich schon die ganze Zeit, wie das sein konnte. „Ich bin kein Unmensch“, begann Sencho zu sprechen, während er nach einem großen Stück Fleisch griff. „Wenigstens hatte ihr Ehrgefühl sie nicht völlig verlassen. Sie sind freiwillig zum Heer zurückkehrt und haben mir alles gebeichtet. Loyale Krieger sind rar gesät.“ Verschwörerisch grinste Kagome ihn an. „Ihr scheint nicht ganz so streng zu sein wie Sesshoumaru-sama.“ „Oh, sie haben ihre Strafe erhalten. Aber ihr habt teilweise recht, ja. Ich kann es mir leisten ab und an Gnade vor Recht walten zu lassen. Auf meinen Schultern ruht auch nicht die Last der Verantwortung für ein ganzes Land.“

Darüber hatte Kagome sich noch nie Gedanken gemacht. Natürlich wusste sie schon seit den Erzählungen von Inuyasha, dass Sesshoumaru der Herr über die westlichen Länder war. Aber nie hatte sie bedacht, dass dieser Titel große Verantwortung mit sich zog. Warum hatte sie bisher davon nichts bemerkt und warum schien er sich so wenig um sein Reich zu kümmern und zog das Leben bei ihr im Schrein vor?

Das Festmahl ging bis spät in die Nacht und wurde Stunde um Stunde immer ausgelassener. Trinksprüche wurden derber und einigen bekam der viele Alkohol nicht. Sencho sprang weit nach Mitternacht auf, um eine Schlägerei zwischen seinen Männern zu beenden. Kagome hatte dadurch aber auch Gelegenheit ihn genauer zu betrachten. Er musste ungefähr dasselbe Alter haben wie Sesshoumaru, wobei das bei Dämonen immer schwer zu einzuschätzen war. Seine für Hundedämonen typischen weißen Haare hatte er zu einem festen Zopf an seinem Hinterkopf gebunden. Er hatte nicht die bullige, massige Gestalt, wie einige andere der anwesenden Krieger. Er war hochgewachsen und drahtig, doch seine Bewegungen zeigten, dass seine Muskeln stark waren. Gekleidet war er in einen hellblauen Haori, auf dem an der Brust das Wappen Sesshoumarus prangte; die blaue Mondsichel. Dazu trug er schlichte leinenfarbene Hosen und einen gelben Gürtel, der sein Schwert hielt. Nichts an seiner Erscheinung deutete auf seinen Rang hin, aber er strahlte eine natürliche Autorität aus, der sich seine Männer unterordneten.

Die Schlägerei zwischen den jungen Rekruten war von ihm schnell beendet worden und er kehrte nun um, um wieder neben Kagome an der Tafel Platz zu nehmen. Jetzt hatte sich auch endlich die Möglichkeit sein Gesicht zu studieren. Es war scharf geschnitten und über sein linkes Auge zog sich eine Narbe, was ihm ein verwegenes Äußeres bescherte. Sein Blick verriet Entschlossenheit, hatte aber nicht die Kälte, die Sesshoumaru ausstrahlte. Die Farbe seiner Augen war dunkler, sie glänzten nicht golden wie bei ihrem Gefährten und dessen Bruder, sondern hatten den Ton eines dunklen Bernsteins. Je ein blauer Streifen auf den Wangen zeugte von seiner dämonischen Herkunft.
 

Tief in der Nacht brachte Sesshoumaru seine Gefährtin schließlich in sein Schlafzimmer. Es war spät und ihr fielen bereits die Augen während des Festes zu. Ihre Freunde und Rin hatten sich schon früher zurückgezogen. Allerdings war Rin im Haupthaus untergebracht, Jinenji dagegen fügte sich in sein Exil im Gästehaus. Müde schmiegte sich Kagome an seine Brust, doch Schlaf konnte sie noch nicht finden. Zu viele Fragen schwirrten in ihrem Geist. „Warum hast du eigentlich Sango und die anderen mit hierher genommen?“, machte sie ihren Gedanken Luft. „Ich dachte, du wolltest sie gerne dabei haben, besonders da ihr euch wohl so lange nicht gesehen hattet“, antwortete er lakonisch. „Sehr aufmerksam von dir!“ Zur Belohnung gab sie ihm einen verführerischen Kuss. „Ich war sehr überrascht, dass du es sogar Jinenji gestattet hast mitzukommen.“ Nun verfinsterte sich seine Miene. „Erinnere mich nicht daran. Rin hat mich vor die Wahl gestellt: Entweder er kommt mit oder sie würde nicht mitkommen.“ Prustend kicherte Kagome los, es ließ sich einfach nicht unterdrücken. Es war zu komisch immer wieder zu sehen, wie sehr die junge Frau ihren Vater um den Finger gewickelt hatte, dass er sich so etwas gefallen ließ. Sesshoumaru antwortete mit einem gekränkten Schnauben auf die plötzliche Heiterkeit der Frau in seinem Arm.

Eine weitere Frage drängte sich ihr aber noch auf bevor sie Schlaf würde finden können. „Warum hast du damals eigentlich nicht deine Krieger zur Hilfe gerufen, als wir gegen Naraku gekämpft haben? Es hätte alles doch sicher einfacher gemacht.“ Sein Blick hing ohne Ziel in der Dunkelheit als er ihr ruhig antwortete: „Weil das eine persönliche Angelegenheit zwischen mir und diesem Bastard war. Ich fechte meine Kämpfe selbst aus und verstecke mich nicht hinter meinen Männern. Warum sollten sie ihr Leben riskieren, wenn ihr Land nicht in Gefahr ist? Ich opfere sie nicht leichtfertig für meinen Stolz.“ Es klang einleuchtend befand Kagome und ihre Neugierde war gestillt fürs Erste.

„Schlaf jetzt. Wir brechen morgen wieder nach Hause auf.“, sagte er und strich ihr zärtlich über den Rücken. „Ist das hier nicht dein Zuhause?“, fragte Kagome ihn verschlafen. „Es ist ein altes, großes Haus voller Kälte und schmerzhaften Erinnerungen.“ Schnell war Kagome eingeschlafen, doch Sesshoumaru lag wach. Immer wieder drängte sich ein Wort in sein Bewusstsein; Hanyou.
 

Am nächsten Tag standen alle zum Aufbruch bereit im Hof der Burg. Sesshoumaru hinterließ Jaken und Sencho letzte Anweisungen, dann setzte er sich an die Spitze und sie machten sich auf den beschwerlichen Weg durch die verschneiten Wälder nach Hause. Rin und Kagome saßen wieder auf Ah-Un, ebenso wie Sango nun, die durch ihre Umstände nicht nochmals den Weg zu Fuß gehen konnte. Gegen Mittag legten sie auf einer sonnigen Lichtung Rast ein. Sie waren nicht in Eile und so gab es für Sesshoumaru auch keinen Grund die Menschenzu einem Gewaltmarsch durch den Schnee zu zwingen. Einige Findlinge lagen verstreut, so dass niemand gezwungen war sein Essen im Schnee sitzend einzunehmen. So saßen sie verteilt über den Platz und jeder ging schweigend seinem Mahl nach.

Sesshoumaru dagegen war besorgt. Irgendetwas stimmte hier nicht, er konnte nur nicht feststellen was es war. Alle seine Instinkte waren alarmiert, doch keiner seiner scharfen Sinne konnte etwas Ungewöhnliches oder potentiell Gefährliches entdecken. Unruhig zog er seine Kreise durch den Schnee und suchte verbissen den Grund für sein ungutes Gefühl. Doch weder seine Nase, noch seine Ohren und Augen entdeckten etwas Verdächtiges. Auch konnte er keine fremde Präsenz spüren, es war nur dieses Gefühl der Bedrohung, das sich flau in seinem Magen ausbreitete.

Kagome sah von ihrem Essen auf und bemerkte, wie ihr Gefährte am anderen Ende der Lichtung angespannt nach etwas suchte. Er musste irgendetwas entdeckt haben, das ihn aus seiner sonst so stoischen Ruhe riss. Sie legte den Beutel mit dem Proviant neben sich ab und wollte zu ihm gehen, um den Grund für seine Besorgnis zu erfahren.

Doch bevor ihre Füße den Boden berühren konnten, öffnete sich der Boden unter ihr. Der Spalt erweiterte sich rasch und noch bevor sie ihr Bein zurückziehen konnte, packte ein langes Tentakel sie und zog sie in die Tiefe. Sesshoumaru sah, was geschah, doch er schaffte es nicht seine Gefährtin zu packen, bevor sie gänzlich hinab gezogen worden war. Der Anblick, der sich ihm für einen Augenblick durch den sich schließenden Spalt offenbarte, ließ sein Blut gefrieren. Naraku hatte mit einem seiner Fangarme Kagome fest umschlungen, die verzweifelt nach Hilfe schrie und schwebte über dem Fluss, der die Seelen der Toten in die Unterwelt spülte.

„So sieht man sich wieder, Sesshoumaru“, lachte Naraku, bevor sich der Weg in die Hölle endgültig schloss.

03 – Höllenfahrtskommando

Inmitten der Schneedecke stach ein Flecken Erde heraus, dessen nackte Erde zu sehen war. Schnee rieselte bereits wieder sanft vom Himmel und die weißen Flocken begannen den aufgewühlten Boden wieder zu bedecken Die Wintersonne brachte die unzähligen Kristalle zum funkeln. Vor der Lücke kauerte eine Gestalt im Schnee, die immer wieder die kalte Erde durch seine Hand rieseln ließ, als konnte er nicht fassen, dass sie tatsächlich existierte. Starr lag sein Blick auf den Boden vor ihm gerichtet, doch sein Blick war leer; seine Gedanken waren weit weg von diesem Ort. Die Szene strahlte eine Ruhe aus, die vergessen ließ, welch Schrecken diesen Ort erst vor wenigen Momenten ereilt hatte. Die Hölle selbst hatte sich geöffnet und ihr schrecklichster Bewohner hatte sie mit sich hinab gezogen. Sein Licht, sein Gegenstück. Und er war machtlos gewesen, konnte sie nicht retten. Er konnte nur sehen, an welchen fürchterlichen Ort sie entführt wurde. Und nun war er allein, kniete im Schnee und konnte immer noch nicht begreifen, was soeben geschehen war.

Nach und nach befreiten sich alle aus ihrer Paralyse und begannen zu verstehen was geschehen war. Es ging alles so furchtbar schnell; ein lautes Grollen der Erde, Kagomes Schreie und das höhnische Lachen, dass aus den Tiefen hallte. Langsam traten die Reisegefährten hinter Sesshoumaru und starrten zusammen mit ihm auf den Boden. „Kagome… was…?“, flüsterte Rin mit tränenerstickter Stimme. Sie kniete sich neben ihren Vater und legte ihm die Hände auf die Schultern. „Naraku. Er hat sie in die Unterwelt gezogen“, sagte der Daiyoukai mit belegter Stimme. Sango schlug sich die Hand erschrocken vor den Mund, als sie den Namen ihres ärgsten Gegners hörte. „Ist sie…?“, versuchte Miroku die unvermeidliche Frage zu stellen. „Ich weiß es nicht“, unterbrach ihn Sesshoumaru. Doch die Frage hatte sein Herz bereits erreicht. Schmerzhaft zog es sich in seiner Brust zusammen bei dem Gedanken daran, dass er seine Liebste für immer verloren haben könnte.

Was war das für ein Gefühl, das immer weiter in ihm anschwoll, ihm fast die Luft zum Atmen nahm? Er war körperlich unverletzt, doch es der Schmerz zerriss ihn innerlich. Kagome… seine Gefährtin… und sein ungeborenes Junges, durchfuhr es ihn. Kalt spürte er den Wind auf seinen Wangen. Wieso spürte er ihn plötzlich so deutlich? Was war das auf seinem Gesicht? Fassungslos strich er mit seinem Finger über seine Wange.

Der stolze Herr der westlichen Länder, ein unerbittlicher Dämon, kniete an diesem Wintertag am Boden und zeigte das erste Mal in seinem Leben Tränen. Er, der gefühlskalte Daiyoukai weinte um eine Menschenfrau und einen kleinen Hanyou.

Sango konnte nicht glauben, was sie da gerade sah; Sesshoumaru weinend am Boden. Sie kam sich mit einem Male sehr schäbig vor; stets hatte sie ihn verurteilt und verachtet, immer das Schlechteste von ihm gedacht. Sie hatte das Gefühl, sie hatte kein Recht an diesem Ort zu sein. Kein Recht Zeuge seiner Trauer zu sein. Doch ihr eigenes Entsetzen konnte auch sie nicht verdrängen und so suchte sie Trost in den Armen ihres Mannes. Stumm weinten sie zusammen. Rin saß immer noch am Boden und hielt den Daiyoukai. Verzweiflung machte sich in ihr breit. Was sollten sie nun tun? Was würde ihr Vater nun tun? Noch nie hatte sie ihn so gesehen. Er musste innerlich wirklich gebrochen sein, dass sein Seelenleben durch seine kalte Maske der Gleichgültigkeit drang.
 

Seine Gefährtin… sein Kind… ihm entrissen von einem machtbesessenen Halbblut. Endlich flammte sein Zorn auf, endlich brannte die wilde Wut in seinem Blut. Naraku würde bitter bezahlen für das, was er getan hatte! Immer weiter tobte der Sturm in seinem Herzen, er überließ bereitwillig seinem Dämonenblut die Kontrolle. Hass, abgrundtiefer Hass formte sich in seinem Herzen. Er würde diesen Bastard finden und qualvoll zur Strecke bringen! Nicht eher würde er ruhen, bis er Narakus Existenz für alle Zeiten ausgelöscht hätte.

Rin bemerkte, dass sich etwas in Sesshoumaru verändert hatte. Welle um Welle seines heftig pulsierenden Youkis traf sie. Sie hatte keine Wahl; so gerne sie bei ihm war, aber wenn sie sich jetzt nicht in Sicherheit bringen würde, würde die entfesselte Wut des Dämons sie zerfetzen. Seine Augen färbten sich immer weiter rot. „Ich bin bei dir, chichiue“, flüsterte sie, dann suchte sie mit den anderen Schutz zwischen den nahegelegenen Bäumen. Keinen Moment zu spät. Mit einem lauten Schrei aus den Tiefen seiner Seele ließ Sesshoumaru seinem Zorn freien Lauf. Er rammte seine Faust in den Boden und die wilde Kraft seines Youkis zerstörte die gesamte Lichtung.

Er fühlte sich wieder lebendig durch seine Wut und stand nun inmitten der Trümmer. Der Hass und der Wunsch nach Vergeltung gaben ihm neuen Antrieb. Die Zerstörung um ihn herum verschaffte ihm etwas Genugtuung. Sein Gesicht war wieder erstarrt, sein Blick hart und entschlossen. Seine Augen leuchteten noch immer vor Zorn rot und er sah wieder auf die Stelle der Lichtung, die all dies verursacht hatte. Er würde Kagome finden und beschützen, Naraku ein für alle Mal vernichten und mit ihr aus der Unterwelt zurückkehren. Und er würde sein Junges, sein Fleisch und Blut schützen. „Wir brechen auf“, donnerte seine Stimme durch die gespenstische Stille.
 

Tiefer, immer tiefer wurde Kagome hinab gezogen. Anfangs sah sie noch den Himmel als kleinen hellen Punkt, aber er wurde schnell kleiner und im nächsten Moment war sie von Dunkelheit umgeben. Trotzdem spürte sie, dass sie immer weiter hinab flogen. Ein Tentakelarm hatte sich um ihre Taille geschlungen und hielt ihre Arme gefangen. Der Fangarm war so dick, dass ihr der Blick nach unten versperrt wurde. Ihr suchender Blick fand schließlich ein nur zu gut bekanntes Gesicht. Aber wie konnte das sein? Sie hatte ihn zusammen mit dem Juwel doch vernichtet?

„Schau ruhig zurück, Miko, verabschiede dich von der Welt dort oben“, sagte Naraku belustigt, als er sah wie Kagomes Blick in Richtung der Welt der Lebenden ging. „Du wirst sie nie wieder sehen.“ Sie antwortete nicht. Was sollte sie diesem Monster auch antworten? Einige Momente später und viele hunderte Meter tiefer bemerkte sie, dass es nicht mehr ganz so dunkel war. Ein kaltes, schwaches Licht zeigte furchterregende Schatten um sie herum. Seinen Ursprung musste es unten am Boden haben. Scharf gezackte Felsen säumten sie, aber außer nacktem Stein konnte sie nichts erkennen. Sie musste hier weg! Je tiefer sie verschleppt wurde, desto unmöglicher wurde der Weg zurück. Sie wand sich in ihrer Umklammerung, drehte sich in der Hoffnung wenigstens einen Arm freizubekommen. Doch es war aussichtslos. Naraku schien ihre Befreiungsversuche zu bemerken, denn er erhöhte den Druck seiner Fessel. Kagome japste nach Luft; wenn sie nicht aufhören würde Widerstand zu leisten, würde er sie erdrücken. Zufrieden stellte er fest, dass Kagome ihre lächerlichen Befreiungsversuche aufgegeben hatte. Selbst wenn sie sich aus seinem Fangarm befreien würde können, von diesem Ort gab es kein Entkommen. Nach einer unsanften Landung hatte sie schließlich wieder festen Boden unter den Füßen. Naraku schleuderte sie aus seinem Arm zu Boden. Hart schlug Kagome auf dem Untergrund auf. Es dauerte einen Moment bis sie sich aufsetzen und einen Blick auf ihre Umgebung werfen konnte.

Was sie sah, schockierte sie. Sie waren am Ufer eines gespenstischen Flusses gelandet, der zugleich auch Quelle des unheimlichen Lichts war. Über ihnen erstreckte sich Dunkelheit, keine Decke oder ähnliches war zu sehen. Sie mussten mehrere Kilometer tief unter der Erde sein, stellte Kagome entsetzt fest. Ein breiter Pfad folgte dem Fluss, der in der Dunkelheit verschwand. Sie nahm den glühenden Lauf nun genauer in Augenschein. Er führte definitiv kein Wasser, ein geheimnisvoller grünstrahlender Nebel durchzog ihn. Vorsichtig kroch sie ein Stückchen näher, um einen besseren Blick zu haben. Waren das Gesichter in dem Nebel? Eben hatte sie doch eine Frau angesehen! Sie blinzelte einige Male, doch der Dunst hatte sich in seinem Fluss bereits wieder verwirbelt. Dort, ein Kind! Diesmal war sie sich sicher ein Kind entdeckt zu haben. Große, leere Augen starrten sie an und fesselten sie. „Lass mich nicht allein!“, hallte die flehende Stimme des Kindes in ihrem Kopf. „Ich habe Angst, bleib bei mir!“ Vorsichtig versuchte sie ihre Hand dem kleinen Jungen entgegenzustrecken. Doch im nächsten Moment packte Narakus Tentakel sie wieder und zog sie von dem Fluss zurück.

„Lass das, Miko! Sie wollen sich an deinem Leben laben, in der Hoffnung zurückkehren zu können. Sie dringen in deinen Kopf und manipulieren dich“, sagte der Halbdämon scharf. Geschockt sah Kagome ihn an. „Was ist…das?“, fragte sie in Ermangelung eines passenden Begriffs. „Das ist der Fluss, der die Seelen der Toten in die Unterwelt führt.“ Er stieß sie nach vorne und bestimmte ihr dem Weg weiter zu folgen. „Und das, Teuerste, ist die Unterwelt. Hort der toten Seelen, die auf ewig hier ihr Dasein fristen müssen und dein neues Heim.“ Fassungslos blieb Kagome stehen. Wie konnte das alles sein? Das war ein Traum, ein furchtbarer Traum! Eben saß sie doch noch mit ihrem Gefährten auf dieser Lichtung im Wald… wie war sie gestorben? „Bin ich tot?“, wisperte sie.
 

„Aber nein, tot nützt du uns nichts. Du lebst, du hast sogar noch deinen sterblichen Körper“, entgegnete Naraku sichtlich amüsiert. „Aber der wird dir nichts nützen.“ Er stieß sie grob in den Rücken und setzte seinen Weg mit ihr fort. Kagome hatte keine Ahnung wie lange sie liefen, aber sie achtete auch nicht auf ihre Umgebung. Ihre Gedanken rasten; Was hatte dieser Finsterling vor? Wofür brauchte er sie? Und wer war ‚wir‘? Sie machte eine innere Bestandsaufnahme: Von einem toten Naraku in das Totenreich entführt, mutterseelenallein und jeder Tote war offensichtlich scharf darauf sich ihre Lebensenergie einzuverleiben. Und bislang hatte sie auch keine Fluchtmöglichkeit entdecken können, also war sie an diesem Ort gefangen. Nicht einmal eine Waffe oder wenigstens einen Bannzettel hatte sich bei sich, sie war alldem auch noch ausgeliefert.

Sie irrte lange durch diese finstere, unheimliche Welt. Tote, überall Tote wohin das Auge blickte. Einige waren fürchterlich verstümmelt, andere wirkten fast lebendig. Aber von allen ging dieselbe Kälte aus, auch von Naraku. Er war also wirklich tot. Selbst Youkai gab es hier, scheinbar gab es eine Unterwelt für alle. Doch immer wieder entdeckte sie merkwürdige Wesen, denen der kalte Hauch des Todes fehlte. Sie stolzierten herum und suchten sich immer wieder gezielt Seelen aus der Masse heraus, die sie malträtieren konnten. Entsetzliche Schreie hallten deshalb immer wieder durch das Labyrinth, das sich zwischen den Felsstelen auftat.

Ihr Weg endete in einem etwas abgeschiedenen, seelenleeren Raum. Ein großer Stuhl stand im Zentrum, auf dem sich Naraku nun betont entspannt niederließ. Das war ein Thron, schoss es Kagome in den Sinn! „Willkommen in meinem Reich“, lachte Naraku nun verächtlich.

„Hör auf zu prahlen, Hanyou, zieh es endlich durch!“, hallte eine Stimme aufgeregt durch den Raum. Sie erschrak. Woher kam diese unheimliche Stimme? „Aber aber, sie kann nicht entkommen. Lass es uns genießen, mein Freund“, antwortete Naraku der Stimme amüsiert. „Sie ist zu wichtig, wir sollten nichts riskieren!“ Die Stimme kam aus Narakus Richtung. Wie konnte das sein? Wohnte noch eine Seele in seinem toten Körper?

„Jetzt hast du unsere Miko verwirrt“, stellte Naraku fest. „Ich hatte doch noch keine Gelegenheit dich angemessen vorzustellen. Wobei ihr ja alte Bekannte seid“, sinnierte er geheimnistuerisch. Seine Hand ging zu seinem Gürtel und kam auf einem übergroßen Schwertknauf zum liegen. Das Schwert, es spricht, stellte Kagome fest. Er zog langsam und andächtig das Schwert, das eine machtvolle Aura umgab. Konnte das wirklich wahr sein? War es wirklich das eine Schwert? „Kagome, darf ich vorstellen, das ist Sou’unga, das Schwert, das die Unterwelt beherrscht.“

Kagome erstarrte. Das war fürchterlich. Ihre zwei schlimmsten Gegner hatten sich im Jenseits gefunden und verbündet! Und nun hatten sie einen gemeinsamen Plan gefasst und sie war wohl das Werkzeug, um ihn in die Tat umzusetzen. „Es war eine nette Überraschung Sou’unga zu finden, nachdem ich so lange an diesem finsteren Ort ein gepeinigtes Dasein fristen musste. Wir haben uns von Anfang an verstanden“, sprach Naraku gespielt unschuldig. „Und welch Ironie des Schicksals, du und dieser Inuyasha haben beide Male dafür gesorgt, dass wir hier gelandet sind. Eine glückliche Fügung!“
 

Nein nein, das durfte alles nicht wahr sein! Sie hatten Sou’unga damals in die Totenwelt verbannt, damit der böse Geist, der dieses Schwert befallen hatte, keine Gelegenheit mehr haben würde der Menschheit Schaden zuzufügen. Und nun hatte es hier einen willigen Komplizen gefunden, der genauso machtversessen und bösartig war! Aber nicht mit ihr! Niemals würde sie sich benutzen lassen, um zu der Erfüllung der kranken Wünsche dieser beiden beizutragen! Sie würde alles tun, um die beiden aufzuhalten. Sie wusste zwar noch nicht wie, aber das würde sich finden. Doch zunächst musste sie weg, weg von den beiden und sich überlegen, was sie tun würde können.

Naraku war so berauscht von ihrer beider baldigem Triumph, dass er Kagome keine besondere Aufmerksamkeit mehr schenkte. Was sollte sie schon tun? Unauffällig musterte sie den Raum. Hinter ihr lag die Tür, durch die sie hereingeführt worden war. Und hinter dem Thron, auf dem sich das Halbblut räkelte, war noch eine Tür, direkt ihr gegenüber. Kurzentschlossen rannte Kagome los, durch die Tür und einfach immer weiter geradeaus. Es war ihr egal, wohin ihr Weg sie führen würde, Hauptsache weg von den beiden Wahnsinnigen!
 

Nach einem Gewaltmarsch durch den Schnee erreichte Sesshoumaru endlich den Schrein. Er allein wäre wesentlich schneller gewesen, doch er konnte es nicht riskieren Rin und die anderen schutzlos zu lassen. Er war eiskalt überrascht worden, nochmals würde ihm das nicht passieren! Er musste nun mit allem rechnen, diese untote Spinne schien etwas geplant zu haben. Seine Tochter war erschöpft. Zwar hatte sie den restlichen Weg auf Ah-Un zusammen mit Sango zurückgelegt, doch ein Ritt durch die Wildnis während es schneite, zehrte auch an den Kräften. Aber sie war viel zu aufgebracht, um an ihre Erschöpfung zu denken. „Was wirst du nun tun, Vater?“, fragte sie den Daiyoukai, der sich in seiner und Kagomes gemeinsamer Hütte am neu entfachten Feuer niedergelassen hatte, um seine nächsten Schritte zu planen. Auch die anderen waren ihnen gefolgt. Ihnen allen lag Kagomes Wohlergehen am Herzen und so wollten sie zu ihrer Rettung beitragen.

„Ich werde sie da raus holen und diesem dreckigen Halbblut ein qualvolles Ende bereiten!“, knurrte er ins Feuer. „Niemand fügt meinem Rudel Schaden zu ohne dafür zu bezahlen!“ Rin stutze für einen Moment. Hatte er das gerade wirklich gesagt? Die anderen hatten es wohl nicht mitbekommen, doch sie hatte diesen subtilen Hinweis gehört. Sesshoumaru fiel oft in die Sprachgewohnheiten seines Volkes, wenn er wütend war, das kannte sie von früher. Und Rudel bedeutete so viel wie Familie. Da sie selbst aber unversehrt war, musste es demnach bedeuten…

„Vater, er hat nicht nur Kagome verschleppt, habe ich Recht?“, fragte sie mit kummervollen Blick. Mit einem undefinierbaren Blick sah er Rin an. Sie kannte ihn zu gut um es nicht verstanden zu haben, bemerkte er in Gedanken. Die anderen folgten neugierig dem Gespräch. Was meinte Rin bloß, überlegt Miroku angestrengt. Sesshoumaru lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf das lodernde Feuer. Er hasste es, über so etwas Persönliches sprechen zu müssen vor jemand anderem als Rin. Aber es schien wohl, dass er keine Wahl hatte. Er brauchte Mitstreiter, die Rin und den Tempel beschützen würden und diese Menschen und der Fuchs hatten immerhin schon damals gegen Naraku gekämpft. „Kagome trägt unser Junges unter dem Herzen“, flüsterte er den Flammen entgegen. Kaum, dass er es ausgesprochen hatte, umklammerte wieder dieses tiefe Gefühl von Trauer und Angst sein Herz.

Alle Blicke ruhten auf dem Daiyoukai. Das war furchtbar, ging es Miroku durch den Kopf. Er musste sofort daran denken, wie er sich fühlen würde, wenn Sango und seinem Kind etwas zustoßen würde. Er verstand nun auch den für den scheinbar so Gefühllosen untypischen emotionalen Ausbruch auf jener verhängnisvollen Lichtung im Wald. Shippo zog geräuschvoll die Nase hoch. Tränen liefen ihm zum wiederholten Male an diesem Tag über das Gesicht. Das war alles zu viel für sein kleines Herz. Er stand eine solche Angst um Kagome aus und nun erfuhr er, dass sie auch noch ein Baby erwartete. Die Stimmung war nun noch gedrückter, Rin hatte ebenfalls angefangen zu weinen.

Sango war es, die als erstes wieder den Blick nach vorne richtete: „Sesshoumaru-sama, wie wollt ihr in die Unterwelt gelangen? Mir ist kein Weg bekannt.“ Immer noch starrte er in das Feuer. Es beruhigte seinen aufgewühlten Geist und half ihm konzentriert nachzudenken. Nach einer Weile antwortete er: „Es gibt zwei Wege, die ich bereits gegangen bin. Der erste Eingang liegt drei Tagesreisen im Norden in einem Berg versteckt. Ein Tor von zwei Wächtern bewacht, das zur Grenze ins Jenseits führt.“ „Aber dieser Weg ist unpassierbar!“, fiel ihm der Mönch nun aufgebracht ins Wort, „sie töten jeden, der versucht das Tor zu öffnen. Und selbst wenn Ihr es schafft das Tor zu öffnen, dann werdet ihr zu Stein!“ „Nein“, antwortete Sesshoumaru monoton, „Mich lassen sie passieren, da ich Tenseiga trage. Ich würde aber den zweiten Weg bevorzugen, da er mich direkt in die Unterwelt führt. Ich weiß nur nicht, ob ich ihn öffnen kann.“ „Du sprichst in Rätseln, chichiue“, versuchte Rin nachzuhaken.
 

„Das Meido. Es öffnet einen direkten Weg. Aber leider ging die Technik es zu öffnen damals an meinen Halbbruder und damit an Tessaiga über“, sagte er nachdenklich. „Aber Tessaiga ist doch hier im Schrein aufbewahrt“, warf Jinenji ein. „Das Schwert akzeptiert mich nicht“, erwiderte Sesshoumaru resigniert. „Es wurde für Inuyasha geschmiedet, nur er konnte es führen.“ „Aber Kagome konnte es doch führen im Kampf gegen Hakai dank deines Youkis“, dachte Rin laut, „Es scheint deine Kraft nicht abzulehnen. Vielleicht hat es sich verändert seit Inuyashas Tod und seiner neuen Rolle.“ Entschlossen stand die junge Frau auf und verließ die Hütte. Doch der Herr des Westens sah nicht auf, er starrte weiter resigniert in das Herdfeuer. „Tessaiga hat Euch abgelehnt, weil Ihr niemanden damit beschützen wolltet“, versuchte Shippo nun dem niedergeschlagenen Herrn des Westens unbeholfen Mut zu machen. „Jetzt habt ihr doch Kagome, vielleicht klappt es ja nun!“

In diesem Moment kehrte auch Rin wieder zurück. In ihren Händen hielt sie das legendäre Schwert. „Du musst es zumindest versuchen! Tessaiga hat Kagome immer beschützt!“ Mit diesen Worten hielt sie ihm das Schwert hin. Mit müdem Blick sah Sesshoumaru auf den verwitterten Griff der Klinge. Was hatte er schon zu verlieren? Langsam streckte er seine Hand nach Tessaiga. Er näherte sich immer weiter, doch das Schwert reagierte nicht auf ihn. Schließlich legten sich seine Krallen um den Knauf und packten es fest. Doch Tessaiga entlud nicht seine Energie, seine Hand blieb unversehrt. Erstaunt sah er den Reißzahn seines Vaters an. Tessaiga wehrte sich nicht?

Das Schwert pulsierte zur Antwort in seinem Griff, als wollte es ihm Mut machen. Entschlossenheit und Hoffnung kehrten in Sesshoumarus Blick zurück. Tessaiga akzeptierte ihn! Er war nun in der Lage den Pfad in die Unterwelt zu beschreiten und ihr Kagome wieder zu entreißen!

04 – Seine wahre Bestimmung

„Du Bastard hast sie entkommen lassen!“, schrie der Geist Sou'ungas aufgebracht. „Wegen deiner sinnlosen Prahlerei ist alles in Gefahr! Wenn sie entkommt, werden wir nie unser Ziel erreichen!“ Die Aura des Schwertes flackerte heftig und umfing Naraku. Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, entlud der Geist seine dunkle Macht über dem Hanyou, der vor Pein zusammengekrümmt nach Luft rang. Nachdem der höllische Sturm abgeflaut war, zischte Naraku: „Krieg dich wieder ein. Wo soll sie denn hin? Es gibt kein Entrinnen von diesem Ort. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir sie wieder haben.“ „Oder es ist eine Frage der Zeit, bis die Toten sie zu einer der ihren gemacht haben! Eine lebendige Seele an diesem Ort, das ist ein gefundenes Fressen für diesen Abschaum! Sieh zu, wie du das wieder gerade biegst! Wir brauchen ihre reine Seele, um uns diesen Ort endgültig Untertan zu machen!“ „Jetzt warte es ab. Es wird sich alles finden“, sagte er mit einem diabolischen Lächeln auf den Lippen und verließ die Kammer. Er stand auf einer kleinen Anhöhe und überblickte die Verdammnis. „Du willst spielen, Miko? Wohlan, die Jagd beginnt.“
 

Sesshoumaru hielt immer noch fassungslos Tessaiga in der Hand. Wie konnte das sein? Warum akzeptierte das Schwert, nach dem er sich so lange gesehnt hatte, ihn plötzlich? Prüfte es tatsächlich das Herz seines Trägers, so wie es der alte Schmied ihm einst gesagt hatte? Aber er hatte keine Zeit das Rätsel zu erforschen. Er stand auf, befestigte die Schwertscheide an seinem Gürtel neben Tokijin und Tenseiga und zog das Schwert, das einst sein Bruder führte. Nichts war mehr zu erahnen von der eben noch so unscheinbaren, rostigen Klinge. Der riesige Fangzahn seines Vaters ragte stolz in die Luft und verstand sofort den Wunsch seines Trägers. Die Klinge pulsierte einmal kurz und färbte sich schwarz; die Technik, die er einst gemeistert hatte, um sie dann an Inuyasha zu verlieren, das Meido Zangetsuha. Welch bittere Ironie des Schicksals, ging es ihm durch den Kopf. Er verließ den Raum und trat auf den großen Platz vor dem Tempel. Er kannte genau die zerstörerische Kraft des Tores zur Unterwelt und wollte nicht alles und alle um sich herum mit sich nehmen. Er konzentrierte sich auf das Schwert und schlug einen Bogen durch die Nacht. Laut tosend öffnete sich der Pfad vor ihm, der kalte Hauch der Unterwelt verbreitete sich sofort und ließ den anderen das Blut gefrieren. „Beschützt Rin und den Schrein. Das dreckige Halbblut plant etwas.“ Mit diesen Worten trat er in den schwarzen Kreis und verließ die Welt der Lebenden.

Er trat ein in die Schatten und das Tor schloss sich hinter ihm. Dunkelheit umgab ihn, nur der Weg vor ihm war erleuchtet. Er kannte diesen Ort, er war hier schon einmal. Damals, als er das Meido Zangetsuha noch nicht vollständig gemeistert hatte, stieg er in die Unterwelt hinab, um Rin und Kohaku zu retten, die von einem Youkai der Unterwelt gefressen worden waren. An diesem Tag hätte er Rin fast verloren. Das Leben seiner Tochter war von der Dunkelheit verschlungen worden, obwohl er den Wächter vernichtet hatte. Nur dank seiner Mutter und ihres Meido Steins konnte Rin noch einmal von den Toten zurückkehren. Dieser Tag hatte ihn Demut vor dem Leben gelehrt; auch wenn er Tenseiga besaß, er war nicht Herrscher über Leben und Tod.

Und nun ging er auf dem gleichen Weg um seine Liebste aus dem Totenreich zu retten. Doch diesmal würde ihn sein Weg tiefer in die Dunkelheit führen. Er erreichte wieder das Zentrum dieses Ortes, dort wo die Toten auf ihre Reise in die eigentliche Unterwelt warteten. Ein Berg Leichen lag vor ihm auf dem ein riesiger Dämon stand und die Seelen erbarmungslos in den Fluss stieß, der in die eigentliche Unterwelt führte. Selten nur befand er eine Seele für würdig erlöst zu werden von der ewigen Pein. Seine Anwesenheit blieb nicht unbemerkt. Die Seelen der Toten klammerten sich immer noch an ihr Leben, wollten ihren Tod nicht akzeptieren. Sie kamen auf ihn zu, versuchten ihn einzukesseln, um dann über seine Lebensenergie herfallen zu können, die sie retten könnte vor ihrem Schicksal. Auch der Wächter wurde auf ihn aufmerksam. Ein Lebender an diesem Ort, das war wider die Natur. Es war seine Aufgabe für Ordnung zu sorgen und das Gleichgewicht zu bewahren. Doch noch bevor er zum vernichtenden Schlag ausholen konnte, schlug Sesshoumaru ihm mit Tenseiga den Kopf von den Schultern und der Wächter verlor sich im ewigen Nichts. Doch die Toten wollten nicht von ihm lassen, zu verlockend war die Chance, die sich ihnen hier bot. Doch auch das hatte er bereits einmal erlebt. Tenseiga schien in hellem Licht und schenkte den Seelen Frieden und Erlösung. Nachdem dieses erste Hindernis überwunden war, konnte er nun den Sprung in den Fluss der toten Seelen wagen. Doch er hütete sich den Nebel zu berühren; auch diese Seelen gierten nach seinem Leben. Deshalb schwebte er über dem Dunst und folgte dem Strom hinab in die Tiefe.
 

Er folgte dem Lauf des Nebels einige Zeit, der ihn immer weiter in die Tiefe führte, auch die Dunkelheit um ihn herum schien sich nochmals zu verdichten. Ein Mensch oder sogar ein einfacher Youkai könnte niemals diesen Weg lebend beschreiten, schoss es ihm in den Kopf. Er hoffte, dass Kagome trotz des Ortes noch lebendig war, sie schien über einen anderen Weg in die Unterwelt gelangt zu sein. Schließlich verlor sich der Nebel in der Ferne, nachdem er unter einer hölzernen Brücke durchgeflossen war. Das musste der Eingang zur Unterwelt sein. Elegant kam er auf dem Übergang zum Landen und sah sich um. Vor ihm erstrecke sich eine weite Ödnis, die von zerklüfteten Steinen bedeckt war. Einige Felsnadeln ragten steil in den Himmel. Am Ende der Ebene konnte er eine Art Gebäude erkennen, das aber mehr wie eine steinerne Ruine wirkte.

Überall waren Tote. Tote Menschen, die zumeist kraftlos auf dem Boden lagen und vor sich hin siechten, tote Youkai, die durch die trostlose Gegend zogen oder einfach ins Nichts starrten. Alle stanken sie furchtbar nach Tod und Verwesung, viele sahen aber fast lebendig aus. Doch immer wieder tauchten Wesen auf, denen dieser Geruch fehlte. Finstere Gestalten, die stolz und herrschaftlich durch das Totenreich zogen. Das mussten die Wächter sein, er hatte Legenden gehört über diese Wesen. Weder Mensch noch Youkai lebten sie an diesem Ort unter dem Befehl des Herrschers der Unterwelt. Ihre Aufgabe war es zu verhindern, dass eine tote Seele entkommen konnte und einige Tote wurden auf fürchterliche Weise von ihnen gequält, um sie für die Verfehlungen in ihrem Leben büßen zu lassen. Sie waren hässlicher als jeder Oni, ihr Körper war verunstaltet, die Gesichter bloße Fratzen. Irgendwo hier musste Kagome sein und er würde sie finden. Er verließ die Brücke und begann seine Suche auf der verödeten Ebene.
 

Kagome rannte immer weiter, einfach geradeaus. Hauptsache sie kam weg von Naraku. Schnell hörte sie seinen Spott und das Fluchen Sou'ungas nicht mehr, aber sie lief weiter. Doch nach einiger Zeit änderte sich die Umgebung. Das felsige Labyrinth der Ruine hatte sie verlassen, sie erreichte nun einen Wald aus toten Bäumen. Gespenstisch streckten sie ihre Äste nach allen Richtungen aus und das fahle Zwielicht brach sich zwischen ihnen. Die Aufregung und das Adrenalin hatten sie während ihrer Flucht vergessen lassen an welch furchtbarem Ort sie war, doch nun brach die Angst über sie herein. Unheimliche Geräusche umgaben sie und sie konnte spüren, dass sie nicht allein war. Beklommen sah sie sich immer wieder um, folgte mit den Augen jedem Geräusch, doch sie konnte Nichts und Niemand entdecken. Langsam und vorsichtig ging sie weiter, immer tiefer in den geisterhaften Wald hinein.

Eine verweste Hand griff plötzlich von hinten nach ihrer Schulter. Ein Schauer durchlief sofort ihren Körper und sie schaffte es gerade noch sich loszureißen, bevor sie von der zweiten Hand zu Boden gerissen werden konnte. Sie rannte sofort los, bloß Weg von diesem Horror! Dabei sah sie sich kurz um und bemerkte jetzt erst, dass sich eine Gruppe von Toten hinter ihr versammelt hatte. Unwillkürlich musste sie an Narakus Warnung denken, dass die Verstorbenen nach ihrer Lebenskraft gierten und alles versuchen würden an sie zu gelangen. Aber wenn sie hier ihrer Lebensenergie beraubt werden würde, dann gäbe es keine Fluchtmöglichkeit mehr, niemals würde sie diesen schrecklichen Ort mehr verlassen können! Panik stieg immer weiter in ihr auf und sie lief so schnell ihre Beine sie nur tragen konnten. Sie hörte das Wehklagen und Heulen der Meute hinter ihr, sie kamen immer näher und näher. Gleich würden sie sie einholen und sie hatte keine Möglichkeit sich irgendwie zur Wehr zu setzen. Abrupt musste sie abbremsen, denn vor ihr tat sich ein tiefer Abgrund auf. Nun war sie gefangen zwischen einer tiefen Spalte im Boden und der Sehnsucht der Toten nach einer Rückkehr ins Leben.
 

Der verzweifelte Schrei einer Frau drang plötzlich an Sesshoumarus Ohr. Er befand sich inzwischen inmitten der Ebene und lief in den Tälern zwischen den Felsen. Die Stimme, sie kam ganz aus der Nähe! Konnte das Kagome sein? Seine Schritte beschleunigten sich und als er eine Senke, die hinter einem großen Brocken verborgen lag, erreichte, wurde er Zeuge eines grausamen Schauspiels. Eine menschliche Frau lag dort, bedrängt von einem Wächter. Das Höllenwesen hielt eine grobe, blutverschmierte Klinge in der Hand und die Kleidung der Frau war blutüberströmt. Der Dämon beugte sich nun zu ihr hinab und stieß seine Pranke in ihren Bauch, um etwas daraus zu ziehen. Sesshoumaru hörte die Schmerzensschrei und das Wimmern, es ging selbst ihm durch Mark und Bein. Mit einem Ruck hielt der Dämon nun ein blutverschmiertes Kind in den Händen, das laut anfing zu schreien. „Nicht, tut Ihm nichts!“, flehte die Frau unter Schmerzen, doch der Teufel verschlang das Baby augenblicklich. „Das geschieht dir recht, Schlampe! So ergeht es jeder, die sich von einem Dämon nehmen lässt und auch noch sein Kind austrägt!“ Verstört und in Tränen aufgelöst sah die Frau auf das Maul des Teufels, aus dem noch immer Blut tropfte. „Sieh mich nicht so an, Youkaihure, du hast es nicht besser verdient!“ Mit diesen Worten führte er seine Folter weiter und trat brutal auf sie ein.

Sesshoumaru ging ein kalter Schauer über den Rücken. War das etwa das Schicksal aller menschlichen Frauen, die ein Kind mit einem Youkai hatten? Sofort musste er an Kagome und sein Junges denken. Würde auch sie so die Ewigkeit verbringen müssen, gequält in der Unterwelt? Wieder einmal meldete sich die Stimme seines alten Ichs in seinem Kopf. „Sie hat es verdient, sie ist ein erbärmlicher Mensch, der einem schwächlichen Hanyou das Leben schenkt.“ Doch bevor er diesen Gedanken bewerten konnte, ließ der Teufel von der Frau für einen Moment ab und er konnte endlich ihr Gesicht erkennen. Izayoi! Das war die menschliche Gefährtin seines Vaters!

Alte, lange verdrängte Erinnerungen überfluteten seinen Geist. Er erinnerte sich an den Hass, den er ihr entgegenbrachte. Hass dafür, dass sie der Grund war, dass seine Mutter aus seinem Leben vertrieben wurde, Zorn und der Wunsch nach Rache, weil sie der Grund war, dass sein Vater jämmerlich in den Flammen eines Menschenschlosses verreckt war. Er sah sich wieder vor seinem inneren Auge, wie er den Leichnam seines Vaters aus den verkohlten Trümmern zog, die Fährte von ihr und seinem gerade geborenem Bruder in der Nase. Sie, der wertlose Mensch und der Hanyou, konnten fliehen und weiterleben, weil Inu no Taisho sein Leben für diese beiden gegeben hatte. Und auch schon vorher hatte sich sein Vater sehr verändert, als er sie kennengelernt hatte, was die Entfremdung zwischen Vater und Sohn weiter vorantrieb.

Doch nun übernahm sein Verstand wieder, er war wieder mit seinen Gedanken und Gefühlen in der Gegenwart. Und wenn er nun Izayoi sah, musste er unweigerlich sofort an Kagome denken. Ihre braunen Augen sahen ihn aus Izayois tränenverschleiertem Blick an. Sie war nicht anders, eine Sterbliche, die den Bund mit einem Dämon eingegangen war. Und auch wie Izayoi hatte sie ihr Herz nicht irgendeinem Dämon geschenkt, sondern einem Daiyoukai, einem der Herrscher über die Youkai. Keine Dämonin konnte ihm das geben, was sie ihm gab, das sah er inzwischen ein. Ihre Güte, die Wärme, die sie in sein Leben brachte, all das machte ihn stärker. Und er konnte sich auch nicht gegen diese Empfindungen wehren; sein inneres Biest hatte sich entschieden. Er konnte den Weg seines Vaters nachvollziehen, dass er eigentlich nicht vor einer Wahl gestanden hatte, sondern dass es sein Schicksal war, dem er gefolgt war.

Izayoi war keine Verräterin an den Menschen, sie hatte seinen Vater nicht getötet. Sie hatte ihn einfach so genommen, wie er war, ohne einen Unterschied zu machen. Es war die Entscheidung Inu no Taishos sein Leben für seine Gefährtin und seinen Sohn zu opfern. Und nun lag sie hier in ihrem Blut, misshandelt und erniedrigt. Allein, niemand beschützte sie vor dem Schrecken der Unterwelt. Und eines Tages würde auch seine Liebste hier in ihrem Blut liegen, genauso gequält und beschimpft. Doch das würde er niemals zulassen! Und vielleicht konnte Izayoi ihm wertvolle Informationen geben, um Kagome zu retten.
 

Er zog Tokijin und stürmte die Anhöhe hinab. Der Höllendämon war völlig überrumpelt und konnte kaum ausweichen. Ein tiefer Schnitt klaffte an seinem Arm. Irritiert sah er, wer ihn angegriffen hatte. „Was verteidigst du das Menschenweib? Du bist doch ein Youkai. Oder hast du sie etwa auch gefickt?“, höhnte er und entflammte die Wut des Herrn des Westens noch weiter. Er hatte sich dabei wieder aufgerichtet und zischend schloss sich die Wunde an seinem Arm wieder. Er konnte sich regenerieren? Die grobschlächtige Klinge in seinen Klauen wiegend sah er den Daiyoukai abschätzig an. „Was willst du, Bürschchen? Und was suchst du hier, du bist nicht tot.“ Sesshoumaru schwieg, dieses sinnlose Geschwätz vor Kämpfen nervte ihn und er sah darüber hinaus auch keine Notwendigkeit den Höllenbewohner über seine Absichten aufzuklären. Er sah ihn nur mit kaltem, verächtlichem Blick an. „Oh, hat es dir die Sprache verschlagen!“, wurde er weiter verhöhnt, aber er ließ sich nicht provozieren. „Das Menschenweib hat dich nicht zu interessieren und du hast lebend hier nichts verloren. Aber das werde ich nun ändern!“ Mit diesen Worten kam der Teufel auf ihn zu gestürmt und hieb wild auf ihn ein. Sesshoumaru parierte die Schläge, die zwar hart, aber unplatziert auf ihn niederregneten.

Da war sie plötzlich, die Lücke in der Deckung seines Gegners! Er ließ Tokijin hervorschnellen und rammte es in den fetten Wanst des Höllenwesens. Doch dieser war unbeeindruckt. Er zog sich das Schwert aus dem Körper und brach es über seinem Knie entzwei. Wie konnte das sein? Tokijin war aus den Zähnen Goshinkis geschmiedet, wie konnte es so leicht zerbrochen werden? „Damit willst du mich vernichten? Mit diesem kümmerlichen Schwert?“, lachte der Wächter verächtlich. „Ein schwaches Schwert geführt von einem schwachen Dämon, das kann mir nichts anhaben! Und auch deine anderen Schwerter werde ich zerstören, du hast hier keine Macht! Und jetzt stirb!“

Er stürzte sich sofort wieder auf Sesshoumaru, der nun sichtlich Mühe hatte den wilden Angriffen auszuweichen. Immer wieder schaffte er es nur knapp der rostigen Klinge auszuweichen. „Zu stolz einfach aufzugeben und zu sterben, was?“, spie ihn der Höllenwächter verächtlich an. Wieder wich er einem Schlag aus, der von oben auf ihn hinab sauste. Doch plötzlich ging ein Ruck durch seinen Körper. Die Klauen seines Gegners hatten seine Brust durchbohrt, nur knapp wurde sein Herz verfehlt. Schwer atmend ging er auf die Knie, das Blut sprudelte stoßweise aus der Wunde. Verdammt, wieso hatte er diesen Schlag nicht erahnt? Diese Wunde machte selbst ihm zu schaffen, wenn er die Blutung nicht stoppen würde, wäre sein Schicksal besiegelt. „So gefällst du mir schon besser“, ätzte sein Gegner und holte zum finalen Schlag aus. Doch sein Schwert wurde gestoppt; Sesshoumaru hatte es mit der Energiepeitsche umwickelt und zog die Klinge zu Boden. „Netter Versuch, aber wie lange wirst du das durchhalten? Du wirst sekündlich schwächer… Ich habe Zeit.“

Er hatte recht, ging es Sesshoumaru durch den Kopf. Sein Blick trübte sich bereits jetzt und die Umgebung drehte sich. Wenn seine Kraft versiegt war, würde der Teufel nicht zögern ihn zu töten. Das durfte nicht sein, dass er an diesem Ort im Kampf fiel! Er musste seine Gefährtin retten, er durfte einfach nicht sterben! Doch eine bleierne Müdigkeit durchzog immer weiter seinen Körper, der ihm nun den Dienst versagte. Ich darf nicht verlieren, war der letzte klare Gedanke in seinem Kopf, bevor Schwärze ihn umfing.
 

War er nun tot? Er war allein in der Finsternis und ein warmes Gefühl durchfloss ihn. Sein Körper war noch immer schwer verletzt, aber er fühlte keinen Schmerz mehr. Aber dieser Ort… das war nicht die Welt der Toten. Wo war er nur gelandet? „Du hast es endlich verstanden, Sesshoumaru“, hallte plötzlich eine Stimme durch das Nichts. „Endlich hast du deine Bestimmung gefunden und dein Schicksal angenommen.“ Er kannte diese seltsame Stimme irgendwoher. Die Stimme, die eine war und sich doch wie viele anhörte. Aber das war unmöglich! Wieso sprachen sie zu ihm?

„Du bist in diesem Kampf über dich hinaus gewachsen, du hast dein altes Wesen endlich überwunden und bist zu einem wahren Daiyoukai geworden.“ Ein wahrer Daiyoukai? Was meinten sie damit, das war er doch schon davor? „Nein, Sesshoumaru, du warst vorher einfach nur ein starker Youkai, dessen Vater ein Daiyoukai war.“ Er hatte völlig vergessen, dass die Namenlosen in seinen Kopf gucken konnten. Und jetzt war er ihrem Treiben wieder hilflos ausgeliefert und musste sich verspotten lassen. „Ihr nennt die Herrscher der Youkai zwar Daiyoukai, aber das ist nur noch ein Wort. Über die Jahrtausende haben die Youkai vergessen, was es bedeutet ein wahrer Daiyoukai zu sein. Nach langer Zeit überwand schließlich dein Vater die Grenzen seines Seins und wurde zum wahren Daiyoukai. Auch wenn er das nur kurze Zeit war.“ Die Gedanken überschlugen sich in Sesshoumaru. Was war es, das einen Dämon zu einem Daiyoukai werden ließ? Sein Vater war seit er denken konnte immer ein mächtiger Youkai gewesen bis er…

„Ganz recht, bis er sein kaltes Youkaiherz befreite und zu einem mitfühlenden Wesen wurde. Er hat sich selbst und die Grenzen seiner Existenz überwunden.“ Das war es, was sein Vater ihm immer versuchte begreiflich zu machen, dachte Sesshoumaru. Doch er hielt es für Schwäche und vergrub sein Herz noch tiefer, bis er schließlich gar nichts mehr fühlte und strebte nach Macht und Stärke. Er verachtete seinen Vater so sehr für dessen vermeintliche Schwäche, dass er sogar mit dem Gedanken gespielt hatte seinen Platz einzunehmen. Doch nun ergab so vieles plötzlich Sinn. Er erinnerte sich an das Gespräch mit seinem Vater am Abend seines Todes. „Sesshoumaru, gibt es jemanden den du beschützen willst?“ Er hatte den Sinn hinter dieser Frage seines Vaters nicht verstanden, es als sentimentale Schwäche abgetan. Doch nun begriff er langsam, was sein alter Herr ihm damals versuchte begreiflich zu machen. Und warum er ihm Tenseiga hinterließ. Das Meido zu meistern war Nebensache; er hatte versucht ihm den Weg zu zeigen ein wahrer Daiyoukai zu werden!

„Besser spät als nie, dass du es begreifst“, spotteten die Götter. „Das, was ihr Dämonen Stärke nennt, ist eure Schwäche. Nur eine liebende Seele hat die Macht die Welt zu verändern. Das solltest ganz besonders du wissen, du bist nur deshalb noch am Leben.“ Kagomes Stärke, deren Quell in ihrer Liebe zu allen Wesen lag, sinnierte er. Sie stand so unerschrocken für ihre Werte ein, dass sie sogar mit den Göttern um sein Schicksal gefeilscht hatte.

Aber wenn er nun auch ein mitfühlendes Herz hatte, warum waren da all diese Zweifel in ihm? Diese Stimme seines alten Ichs, die ihm immer wieder einredete ein Schwächling zu sein? Warum fühlte er sich nicht mächtig, sondern unvollkommen? Früher war sein Weg klar, er hatte seinen Platz in der Welt, doch nun war alles in Bewegung, alles in Frage gestellt. Wenn er doch nun ein wahrer Daiyoukai war, warum fühlte es sich nicht richtig an, warum dieser Selbstzweifel? „Das ist dein Schicksal, Sesshoumaru. Deine Kraft hängt von deinem Herzen ab, denke immer daran.“

Der Höllenwächter war verwirrt. Warum pulsierte plötzlich die Aura seines Gegners mit neuer Kraft? Doch bevor er sich weiter darüber Gedanken machen konnte, befreite sich der eben noch geschlagen Geglaubte und schleuderte sein Schwert bei Seite. Ein strahlendes Licht umgab Sesshoumaru, das die Wunde in seiner Brust schloss und sich dann an seinem linken Arm sammelte. Immer wieder entlud sich diese Kraft in Blitzen und die Luft knisterte. Beide waren überrascht von der plötzlichen Wendung und starrten ehrfurchtsvoll auf das Leuchten. Doch Sesshoumaru begriff, was vor sich ging und richtete die entfesselte Energie auf den Teufel. Der wurde hart zu Boden geschleudert und sah verwundert auf die Wunde in seinem Torso. Weitere Häme lag ihm auf der Zunge, doch bevor er seine Verachtung dem Daiyoukai entgegen schleudern konnte, wurde er von den Lichtblitzen zerfetzt, die ihren Ursprung in seiner Verletzung hatten.

Das Licht an Sesshoumarus Linken verblasste nun langsam und enthüllte einen Arm, der ein Schwert hielt. Wie konnte das sein? Ungläubig betrachtete er seine nun wiedergekehrte Gliedmaße. „Der Mangel deines Arms war ein Symbol für den Mangel in deinem Herzen. Den hast du nun überwunden und so hast du auch diesen Makel überwunden“, hallte die Stimme der Götter in seinem Bewusstsein. „Das ist das Schwert deiner Bestimmung, Bakusaiga!“
 

Immer weniger Schritte trennten Kagome von dem tödlichen Abgrund. Doch es gab kein Entrinnen, die Toten kamen immer weiter auf sie zu. Aber aufgeben würde sie nicht, sie würde sich mit Händen und Füßen wehren! Grimmig ballte sie ihre Fäuste. Doch plötzlich erfasste sie etwas, hob sie hoch in die Luft und trug sie fort von dieser ausweglosen Lage. Sie drehte ihren Kopf zu ihrem Retter und erkannte ihn sofort: Inuyasha! Er hatte sie wie so oft früher gerettet! „Was tust du hier an diesem Ort, obwohl du nicht tot bist?“, fragte der Hanyou sie, als sie wieder festen Boden unter den Füßen hatten.

05 – Vergangenes trifft das Jetzt

05 – Vergangenes trifft das Jetzt
 

Ungläubig sah Izayoi ihren Retter an. „Sesshoumaru? Bist du es wirklich?“ Der Angesprochene warf ihr einen abschätzigen Blick zu und zog es vor zu schweigen. Langsam rappelte sie sich wieder auf. Die Wunden an ihrem Körper schienen sie nicht zu behindern. „Wie kommt es, dass ein Mensch solche Verletzungen überlebt?“, fragte Sesshoumaru kühl. „Ich bin bereits tot. Das, was du eben gesehen hast, ist die Strafe, die der neue Herrscher der Unterwelt für mich auserkoren hat. Jeden Tag durchlebe ich diesen Alptraum aufs Neue. Jeden Tag muss ich mit ansehen, wie dieser Teufel mir mein Kind aus dem Leib reißt und tötet. Mein Körper spürt den Schmerz schon lange nicht mehr, aber mein Herz bricht jeden Tag und es zerspringt in meiner Brust“, berichtete sie ihm traurig. Er stutzte. „Ein neuer Herrscher der Unterwelt? Berichte, was du darüber weißt!“

„Ich bin schon sehr lange an diesem Ort. Mir erging es immer wie den anderen Toten, meine Seele verrottete langsam in der Finsternis und ich vergaß, was ich im Leben zurückgelassen hatte. Doch plötzlich änderte sich dieser Ort auf einen Schlag. Die Wächter, die sonst immer stumm durch die Unterwelt patrouillierten, begannen die Toten zu quälen. Sie sagten, der neue Herrscher bestrafe uns für unser verabscheuungswürdiges Handeln im Diesseits.“ „Wann begann es?“ „Zeit spielt hier keine Rolle, ich vermag es nicht genau zu sagen. Aber noch nicht lange“, überlegte Izayoi. „Es gibt Gerüchte, dass der neue Fürst der Hölle den Alten besiegt hat. Davor soll er ein mächtiger Dämon gewesen sein als er noch lebte und das Diesseits in Finsternis gestürzt haben.“ In Sesshoumarus Kopf fügten sich die Teile endlich zu einem Ganzen. Seine Vermutung wurde von Izayois Erzählung untermauert; egal wie man es drehte und wendete, alles ließ nur einen logischen Schluss zu. Naraku hatte es irgendwie geschafft sich die Unterwelt Untertan zu machen. Nur zu welchem Zweck er Kagome entführt hatte, blieb ihm noch immer verborgen.

„Sesshoumaru, ich möchte dir danken, dass du mich gerettet hast“, durchschnitt Izayoi die sich ausbreitende Stille und sah ihm fest in die Augen. Grimmig sah er zur Seite, ihr Dank störte ihn. „Nicht um deinetwillen….“, knurrte er. Doch bevor Izayoi ihre Verwunderung kundtun konnte, setzte Sesshoumaru seinen Weg durch die ewige Felswüste fort. „In dieser Richtung stinkt es nicht so sehr nach Tod.“ Neugierig beschloss sie ihm zu folgen. Er erschien ihr nicht tot zu sein, was machte er hier?
 

Inuyasha trug Kagome noch ein Stück weiter bis sie eine Lichtung in dem Wald aus toten Bäumen gefunden hatten. Kein Wort hatten sie seitdem mehr gewechselt. Behutsam setzte der Hanyou Kagome auf dem Boden ab und ließ sich ihr gegenüber nieder. Neugierig musterte er sie. Sie war viel erwachsener geworden seit damals, stellte er in Gedanken fest. Sie schien in sich zu ruhen und wirkte selbstsicherer. Sie war nun eine Frau und kein Mädchen mehr. Doch etwas störte ihn. „Warum riechst du nach meinem Bruder und trägst seine Kleidung? Was hast du mit ihm zu schaffen?“, platze es aus ihm heraus.

Innerlich verdrehte Kagome die Augen. Es war klar, dass er danach fragen würde, aber das er so taktlos sein würde sie gleich als erstes damit zu überfallen, übertraf ihre geringen Erwartungen an ihn sogar noch. „Auch schön dich wiederzusehen, Inuyasha, auch wenn es ein seltsamer Ort dafür ist. Es ist eine Menge Zeit vergangen“, zischte sie ihn gespielt fröhlich an mit einem aufgesetzten Lächeln. Ertappt und peinlich berührt sah der Gescholtene zu Boden. „So war das nicht gemeint“, murmelte er. „Wie ist es denn dann gemeint?“, hakte Kagome unbarmherzig nach. „Natürlich wundert es mich dich lebendig hier wiederzusehen. Aber das mit Sesshoumaru finde ich genauso mysteriös. Hat er dich-“ „Hör auf damit!“, unterbrach ihn Kagome rüde. „Kannst du nicht einmal für fünf Minuten deinen kindischen Hass auf deinen älteren Bruder vergessen!“ Sie hatte absolut keine Lust sich jetzt seine Vorwürfe anzuhören, wenn sie ihm von ihrer Beziehung zu dem Daiyoukai erzählen würde.

Er schmollte noch einen Moment, beleidigt, dass sie ihm so energisch ins Wort gefallen war. Doch einen Augenblick später hatte er sich wieder im Griff. „Dann erzähl mir wie du hier her gekommen bist“, schlug er versöhnlichere Töne an. Kagome berichtete ihm von Naraku, der sie zusammen mit Sou'unga entführt hatte. „Ich habe den Verdacht, dass die beiden irgendwas ausbrüten. Und sie brauchen mich dafür, das konnte ich raushören. Aber wozu?“, beendete Kagome ihren Bericht.

Nachdenklich legte der Hanyou seinen Kopf in den Nacken. „Hier unten ist in letzter Zeit viel in Bewegung. Von den beiden habe ich noch nichts mitbekommen, aber es scheint als würde hier irgendeine geheime Sache vorbereitet. Vielleicht hat deine Entführung auch damit zu tun.“ „Das denke ich auch. Aber ich muss jetzt erst einmal einen Weg hier raus finden, bevor mich diese ekligen Zombies erwischen.“ „Keh, du stellst dir das leicht vor, einfach mal aus der Unterwelt abzuhauen“, schnaubte Inuyasha und verschränkte die Arme um seine Wort zu unterstreichen. „Aber ich kann dich ja schlecht hier alleine herumirren lassen, also komme ich mit dir.“ Voller Tatendrang stand er auf und reichte Kagome seine klauenbesetzte Hand um ihr beim Aufstehen behilflich zu sein. Doch als er sie hochzog, verrutschte der Kragen ihres Kimonos und entblößte ihre Halsbeuge. Entsetzt starrte Inuyasha auf die blaue Mondsichel, die sich deutlich von Kagomes heller Haut abhob.
 

„Was… wie kommt… Verdammt, Kagome, was hast du getan?“, schrie Inuyasha sie unvermittelt an. Er riss seine Hand aus ihrer und schleuderte sie von sich. „Sag mir, dass das nicht wahr ist! Sag mir, dass du nicht seine Gefährtin bist!“ Er fuhr sich mit den Händen über sein Gesicht, ruhelos suchten sie in seinem dichten, weißen Haar Halt. Unruhig lief er im Kreis, die Rastlosigkeit seines Herzens hielt seinen Körper besetzt. Immer wieder sah er kurz zu Kagome und suchte eine Antwort auf seine Fragen in ihrem Gesicht. Doch die junge Frau saß auf dem staubigen Boden und hatte ihren Blick beschämt gesenkt. Wieso schämte sie sich eigentlich? Sie hatte nichts Unrechtes getan. Aber trotzdem, jetzt in diesem Moment fühlte sie sich wie eine Verräterin. Zwei Seelen tobten in ihrem Herzen, das unter der Heftigkeit dieses Kampfes zu zerspringen drohte. Stumm sah sie zu Boden und beobachtete eine Träne, die von ihrer Wange zu Boden fiel.

„Verdammt, sag endlich etwas, Kagome! Was ist passiert, dass du dich diesem Drecksack hingeben konntest? Was hat er dir gedroht, was hat er dir versprochen?“ Kagomes Niedergeschlagenheit hatte seine Wut etwas gedämpft, er war nun nicht mehr so ungehalten und hatte aufgehört sie anzuschreien. Langsam kniete er sich vor sie und sah in ihr versteinertes Gesicht. Sie wirkte so abwesend, ihr Geist schien so weit weg. Hatte er Geister der Vergangenheit in ihrem Herzen geweckt? Wollte sie das eigentlich vergessen und er hatte in seinem Furor schreckliche Erinnerungen wieder ans Licht geholt? Zärtlich strich er die Tränen aus ihrem Gesicht. „Egal was passiert ist, du kannst es mir sagen. Ich würde dir nie so weh tun“, flüsterte er.
 

Bilder zogen wie Wolken durch Kagomes Gedanken. Bilder von schönen Erinnerungen; Sesshoumaru und sie vereint in der Stille der Nacht. Sein Lächeln, das er nur ihr zeigte. Der Stolz in seinen Augen, wenn er sie anblickte. Seine Liebe, die keiner vielen umständlicher Worte bedurfte. Und das wurde nun von Inuyasha in Frage gestellt? Von dem Mann, der sie im Leben zurückließ, weil er lieber im Tod mit einer anderen vereint sein wollte. Dem es egal war, wie sehr der Kummer sie auffraß und sie mit so vielen unbeantworteten Fragen allein ließ. Für den sie ein Lückenbüßer war und jedes Mal aufs Neue fallen gelassen worden war, wenn Kikyo auch nur in der Nähe war. Dieser Mann schickte sich jetzt tatsächlich an über Sesshoumaru zu urteilen?

Fest kniff sie ihre Augen zusammen und schüttelte sich bei Inuyashas Worten, die sich wie süßes Gift ihr näherten. „Sei ruhig! Du hast kein Recht so etwas zu sagen!“ Verwirrt sah der Hanyou sie an. „Aber Kagome…“ „Halt die Klappe!“, fauchte sie ihn an und sah ihn mit zornig funkelnden Augen an. „Du irrst dich, wenn du immer noch denkst, dass Sesshoumaru der Böse in dieser Geschichte ist. Er war es, der für mich da war, als ich einsam ein trostloses Leben führte. Er hat mich aus dem Loch befreit, in das du mich gestoßen hattest! Du glaubst ernsthaft, du würdest mir nie wehtun? Das ist doch blanker Hohn! Du kapierst ja bis jetzt nicht einmal, wie oft und wie sehr du mich verletzt hast! Du siehst immer nur dich selbst und deinen albernen Hass auf deinen Bruder!“

„Ich habe dir doch erklärt, was es mit Kikyo auf sich hatte“, versuchte Inuyasha sich zu rechtfertigen. „Ja, du hast mir gesagt, was du für sie empfindest, wie wichtig sie ist und noch vieles mehr. Ist dir je in den Sinn gekommen, wie sehr mich diese Worte geschmerzt haben? Du denkst, du entschuldigst dich halbherzig dafür, dass du sie nicht loslassen kannst und dann ist alles gut? Und nach jeder halbherzigen Entschuldigung setzt du noch einen oben drauf und gehst einen Schritt weiter. Hat es dich jemals wirklich interessiert, wie es mir dabei ging?“ Betretenes Schweigen ging von ihm aus, er wusste nicht, was er entgegnen sollte. Es war nie seine Absicht gewesen, doch er musste zugeben, dass Kagome recht hatte. „Die Eifersucht, die du eben gegenüber Sesshoumaru gespürt hast, war mein ständiger Begleiter während unserer gesamten gemeinsamen Zeit. Immer habe ich nur Kikyo da, Kikyo dort gehört, ständig wurde ich mit ihr verglichen und mir vorgehalten, dass sie so vollkommener sei als ich.“ Inuyashas Gesicht spiegelte die Pein in seinem Inneren wieder. Zum ersten Mal hatte Kagome das Gefühl, dass er etwas begriff.

Ernst sah sie ihm in die Augen. „Ich verrate dir etwas. Ich habe mich heimlich gefreut als Kikyo endgültig gestorben war. Es war, als wäre eine Last von mir gewichen, ich habe mich so befreit gefühlt. Ich war voller Hoffnung nach dem Kampf mit Naraku, ich hatte wirklich an eine gemeinsame Zukunft geglaubt. Und dann beschließt du einfach so mich für eine tote Frau zu verlassen, indem du deinen Geist vor dem Hier und Jetzt verschließt und nur noch in trüben Gedanken versinkst. Ich hab mich oft gefragt, ob du es eigentlich mitbekommen hast, dass ich wieder in meine Zeit zurückgekehrt war.“ Erschrocken antwortete er: „Ich habe das natürlich mitbekommen! Nur wie hätte ich dich aufhalten sollen? Ich hatte keine Kraft mehr, keinen Lebensmut, so habe ich es nicht mal geschafft dich zu bitten bei mir zu bleiben. Und bevor du etwas sagst, mir war es nicht egal, dass du gegangen bist! Es hat mich noch trauriger werden lassen, ich habe mich noch einsamer gefühlt und bin dann diesen Weg gegangen, da ich hoffte, im Jenseits nicht mehr allein zu sein.“

Kagome schluckte und versuchte gegen die Tränen anzukämpfen, die zusammen mit tiefen Schuldgefühlen in ihr aufstiegen. In einem selten einfühlsamen Moment begriff Inuyasha, was gerade in der jungen Frau passierte. „Oh Gott Kagome, so war das nicht gemeint! Es ist nicht deine Schuld, dass ich nicht mehr leben wollte. Denk so etwas nicht!“ Vorsichtig zog er sie an seine Schulter und strich ihr beruhigend über den Rücken. „Niemand hat Schuld, du am allerwenigsten. Ich glaube, wenn ich jetzt von diesem Ort aus auf mein Leben zurück blicke, war das alles unausweichlich. Ich glaube, ich wäre diesen Weg auch gegangen, wenn du bei mir gewesen wärst. Nur jetzt bin ich froh, dass du nicht dabei warst, dass du das nicht sehen musstest.“ Betrübt sah Kagome auf den Boden und murmelte: „Rin hat mir davon erzählt. Es war ein Schock als ich es kurz nach meiner Rückkehr erfahren habe. Kaede hatte dich gefunden wie du in deinem eigenen Blut lagst mit einem langen Dolch in der Hand.“ „Ich glaube, ich fange an zu verstehen, was du mir sagen wolltest. Es war wirklich egoistisch, ich habe keinen Gedanken daran verschwendet wie du dich fühlst.“ Sie sah ihn verwundert an; so empathisch und reif hatte sie ihn noch nie erlebt. Er wirkte nun wirklich erwachsen, nicht wie der impulsive Wirbelwind, der er im Leben war. Nach einer Weile fand sie wieder die Sprache: „Ich bin trotz allem froh, dass ich dich hier wieder getroffen habe. Dass ich noch einmal mit dir sprechen kann. Es ist so unendlich traurig über deinen Tod zu sprechen, aber ich fühle mich leichter jetzt.“ In stummem Einverständnis legte er seinen Arm um ihre Schulter.
 

„Und jetzt erzähl mir, was dich zu meinem dämlichen Halb-Bruder verschlagen hat. Ich kann es immer noch nicht fassen“, fragte er nach einem Augenblick, aber nun nicht mehr so zornig. Kagome erzählte ihm wie sie vor etwas über einem Jahr wieder in die Zeit der kriegerischen Staaten reiste und von ihrem ersten Wiedersehen am Schrein, das auch mit Mühe nicht als romantisches Treffen zählen konnte. Ein Knurren drang tief aus Inuyashas Kehle, als sie ihm erzählte, wie Sesshoumaru sie im Streit getötet hatte. „Der Mistkerl hat sich kein Stück verändert.“ „Zu dem Zeitpunkt noch nicht. Aber lass mich doch weiter erzählen“, unterbrach Kagome die Hasstirade, zu der er wieder ansetzen wollte.

„Wir haben danach oft zusammengesessen und einfach nur geredet. Ich war damals so in meinem Trott gefangen, dass ich vergessen hatte, was ich mir eigentlich wünschte. Ich habe nicht mehr die Sehnsucht gespürt nicht mehr allein zu sein, ich habe mich selbst und alle meine Bedürfnisse ignoriert und nur nach dem Glück der anderen geschaut. Ich wusste, dass etwas fehlte, aber konnte nicht einmal mehr benennen, was es war. Sesshoumaru hatte sehr schnell meine Einsamkeit bemerkt. Erst durch seine Frage, wie ich denn andere glücklich machen könnte, wenn ich es nicht schaffe mich selbst glücklich zu machen, brach die Mauer, die ich um mein Herz gezogen hatte. Nach diesem Gespräch hat er sich richtig um mich gekümmert. Bei ihm konnte ich sein, wie ich mich fühlte. Irgendwie wuchsen wir in dieser Zeit zusammen und erkannten im anderen das Gegenstück zu der Lücke im eigenen Herzen.“

„Ich kann mir das alles nicht vorstelle, das hört sich so gar nicht nach ihm an. Er hat nie den Eindruck gemacht, dass es ihn auch nur einen feuchten Dreck schert was mit anderen ist, geschweige denn wie es einem Menschen geht. War ihm das wirklich egal, dass du ein Mensch bist?“ Leise kicherte Kagome. „Oh, glaube ja nicht, dass er seinen Standpunkt bezüglich Menschen geändert hat.“ Mit einem vor Verwunderung zu einer Grimasse verzogenem Gesicht fragte der Halbdämon: „Aber… du bist doch noch ein Mensch oder hab ich was verpasst?“ „Natürlich“, gluckste sie, „aber er wird nicht müde mir die Schwächen der Menschheit vorzuwerfen.“ Es tat so unendlich gut endlich wieder befreit lachen zu können zusammen mit Inuyasha. Wie lange war es her, dass sie sich in seiner Gegenwart so leicht gefühlt hatte und unbeschwert zusammen saßen und flachsten?

Kagome fuhr mit ihrer Erzählung fort und umriss kurz wie Hakai den Tempel angegriffen hatte. „Aber wie konntest du deine Kräfte benutzen, wenn du doch seine Gefährtin bist?“, fiel Inuyasha ihr ins Wort. „Du bist auch gar nicht neugierig, was?“, entgegnete die Miko schnippisch. „Wieso?“ Inuyasha begriff nicht, was an seiner Frage sie so aufgestachelt hatte. „Denkst du, ich habe mir es leicht gemacht? Dass ich nicht bedacht habe, dass ich keine Miko mehr sein werde und einfach mal so mit ihm ins Bett gehüpft bin?“ „Keh, so wie du von ihm schwärmst…“, sagte Inuyasha ohne darüber nachgedacht zu haben. Flammende Wut kochte in Kagomes Gemüt. Was unterstellte er ihr da bitte? „Inuyasha, du Idiot! MACH PLATZ!“, schrie sie ihn aus Reflex an. „Haha, das klappt ni-“ Er kam nicht mehr dazu den Satz zu beenden, da sein Gesicht hart auf dem Boden aufschlug. „Oh, das klappt ja noch immer“, flötete Kagome unschuldig.
 

„Inuyasha, du bist genauso dumm wie ich dich in Erinnerung hatte“, durchschnitt eine vor Häme triefende Stimme die Szene. „Liebster“, flüsterte Kagome ungläubig, als sie sah von wem diese Worte kamen. Zwischen den kahlen Bäumen ragte stolz die Gestalt des Daiyoukai hervor. Keine Regung im Gesicht verriet die Erleichterung, die er spürte, als er seine Gefährtin unversehrt mit seinem Bruder streiten sah. Doch Kagome bemerkte, dass das Gold in seinen Augen jenen warmen Ton angenommen hatte, der nur ihr galt. Missmutig warf Inuyasha einen Blick auf ihn. „Bist du endlich abgekratzt oder was willst du hier?“, warf er Sesshoumaru an den Kopf. Sesshoumaru verspürte das altbekannte Kribbeln in seinen Klauen als Inuyashas Provokation ihn erreichte. Doch das war nebensächlich. Er ging zu Kagome und kniete sich direkt vor sie auf den staubigen Boden. Zärtlich strich er über ihre Wange und sah ihr eindringlich in die Augen, aus denen Tränen der Freude und Erleichterung brachen. Sie verstand die stumme Frage in seinem Blick. „Es geht mir gut. Ich bin vor Naraku geflohen und Inuyasha hat mich vor den Toten gerettet.“ Die versteckte Anspannung wich aus dem Antlitz des Herrn des Westens und er half Kagome auf die Beine. Sie fühlte sich so erleichtert, so beschützt. Ihr Dämon hatte im wahrsten Sinne des Wortes Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt um sie zu retten. Sie hatte keine Ahnung wie er das geschafft hatte, aber das war für den Moment egal. Jetzt wollte sie nur die Geborgenheit seiner Umarmung spüren. Doch etwas stimmte nicht! „Dein Arm… er ist wieder da! Aber wie…?“, staunte sie. „Schicksal wurde mir gesagt“, antwortete Sesshoumaru lakonisch.

Ein Stich ging durch Inuyashas Herz als er beobachtete, wie sein ungeliebter Bruder Kagome in die Arme schloss. Schmerzlich wurde ihm wieder bewusst, dass das sein Platz hätte sein können, wäre er seiner toten Liebe nicht blind wie ein Besessener gefolgt. Das Glück, das sein Bruder nun hatte, es wäre seins gewesen. Vor dem Wiedersehen in der Unterwelt hätte er jeden verprügelt, der behauptete, dass sein Bruder Kagome gut täte. Jeden der auch nur den Namen seines Bruders mit irgendeiner positiven Eigenschaft in Verbindung gebracht hätte. Aber nun, nachdem er die gemeinsame Geschichte der beiden kannte, sah er ein, dass Sesshoumaru der Richtige an ihrer Seite war. Dass er die Wunden heilte, die er geschlagen hatte.

Er war im Begriff sich in einer depressiven Mischung aus Selbstmitleid und Weltschmerz zu verlieren, als er plötzlich aufschreckte. „Dort drüben, da ist jemand!“ Langsam trat eine zierliche Gestalt aus dem Schatten heraus und zuckte überrascht zusammen als sie ihren Entdecker sah. Inuyasha war nicht weniger überrascht und so standen sich die beiden paralysiert gegenüber, fassungslos wer der andere war. „Mutter“, hauchte der Hanyou und seine Augen wurden immer größer je länger er sie ansah. Izayoi lächelte ihn traurig an. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich nach so kurzer Zeit hier wieder treffe. Du bist doch noch jung gewesen, Inuyasha.“ Er konnte nicht mehr sprechen, zu sehr war er von seinen Gefühlen überwältigt. Viel zu früh hatte ihn seine Mutter, damals als er noch ein Kind war, verlassen. Damals, als diese fürchterliche Krankheit in der Stadt wütete und so viele Menschen starben. Seine Mutter hatte nie eine kräftige Konstitution und so hatte sie der Seuche nichts entgegenzusetzen. Sie war sein Ein und Alles gewesen, die einzige Person, die ihm nahe stand und ihn nicht verachtete für das was er war. Auch als er erwachsen war, dachte er oft an sie, vermisste sie, ihre Wärme und ihre Güte.
 

„Wie ergreifend, man möchte brechen“, ätzte Narakus Stimme über das Feld. Der Finsterling schwebte über ihnen in der Luft und sah in einer Mischung aus Verachtung und Belustigung auf die Personen am Boden herab. Sou'unga hielt er fest in seiner Hand. „Kagome, wir haben dir doch gesagt, es gibt kein Entkommen vor uns. Und auch die beiden Köter werden dich nicht retten können. Das hier ist unser Reich, ihr habt hier keine Macht!“ Ein Glühen umfing Sou'unga, dessen Energie in der Luft knisterte.

Inuyashas Aufmerksamkeit wurde sofort von seinem alten Erzfeind gefesselt. Grimmig sah er zu ihm auf und drohte mit der Faust: „Naraku, du Bastard! Was willst du von Kagome? Hör auf dich da oben zu verstecken und komm dahin, wo meine Klauen dich zerfetzen können!“ „Immer noch der gleiche Hitzkopf, Inuyasha?“, höhnte Naraku. Sesshoumaru beobachtete unterdes das Scharmützel der beiden und stellte sich schützend vor Kagome. Nochmal würde dieses dreckige Halbblut seine Gefährtin nicht anrühren! Seine Wut tobte durch seinen Geist, die Knöchel seiner Hand zeichneten sich weiß ab, so fest hielt er den Griff Bakusaigas. Wie gerne würde er diesem Größenwahnsinnigen jeden Knochen einzeln aus dem Leib schneiden, um ihn büßen zu lassen für seine schändliche Tat! Doch Kagomes Schutz hatte Vorrang und so konnte er nicht losstürmen.

„Ich habe keine Zeit um mit euch Tölen zu spielen. Kühlt euer Mütchen daran!“, rief Naraku verächtlich und schickte Sou'ungas Energie in den Boden. Ein Beben ging durch die staubige Erde, die so dicht aufgewirbelt wurde, dass es unmöglich war noch etwas zu sehen. Das Flackern der Energie setzte sich in der Staubwolke fort, das war nicht einfach ein Ablenkungsmanöver, schoss es Sesshoumaru durch den Kopf. Die Kraft schwebte nicht mehr diffus durch den Dunst, sie konzentrierte sich an mehreren Punkten zu Dämonenauren!

Inuyasha bemerkte auch, dass sich innerhalb der Wolke etwas Unheilvolles zusammenbraute und ließ von Naraku ab. Kagome wurde von seinem Bruder beschützt, also konnte er sich um die Sicherheit Izayois kümmern und positionierte sich an der Seite seiner Mutter. Doch bevor die beiden Hundedämonen sich gewahr wurden was da vorging, implodierte der Staub und mehrere Dutzend Höllenwächter umzingelten sie. Die teuflischen Wesen gaben den beiden keine Chance die Situation zu erfassen und stürzten sich mit derben Waffen auf sie. Sesshoumaru konnte erst im allerletzten Moment den Schlag einer verrosteten Klinge parieren und wurde arg bedrängt. Die Wächter waren nicht einfaches Kanonenfutter, sie waren stark und sie drohten die Brüder durch ihre schiere Überzahl zu erdrücken. Sesshoumaru versuchte verzweifelt nicht von Kagomes Seite gedrängt zu werden, doch genau diese Strategie verfolgten Narakus Mitstreiter. Mit jedem Hieb, dem er auswich oder abwehrte, wurde er ein Stück weiter von Kagome getrieben. Inuyasha wurde nur beschäftigt, so dass er nicht eingreifen konnte, aber Kagome wurde gezielt isoliert. Er kämpfte verbissen weiter und steckte bewusst Treffer ein um die Distanz zu seiner Liebsten verringern zu können. Doch es half nichts, sie stand abseits vom Kampfgetümmel allein und er kam einfach nicht durch die Reihen der Wächter.

„So, jetzt werden wir nicht mehr gestört. Jetzt können wir uns ganz Dir widmen, meine Teuerste“, sagte Naraku, dessen Stimme sich mit Sou'ungas verbunden hatte. Mit einem diabolischen Lächeln auf den Lippen war er plötzlich aus der Luft hinab geschossen und vor der verängstigten Miko gelandet. Narakus Augen leuchteten auf, seine Aura flammte rot auf. Es musste etwas mit dem Schwert zu tun haben, dachte Kagome. Er hatte irgendwie die Verbindung mit Sou'unga genutzt und war weitaus mächtiger geworden als damals, jedoch war er dem Schwert nicht verfallen. Sie schienen gleichberechtigte Verbündete zu sein. „Du hast etwas, das ich haben will, Miko und das werde ich mir jetzt holen!“ Er hob das Schwert und hielt es hoch über seinen Kopf. Ein schwarzes Licht umhüllte die Klinge, die einen Augenblick später nach unten gerissen wurde.

Durch das Chaos des Kampfes hindurch sah Sesshoumaru wie Naraku Sou'unga über Kagome hinab sausen ließ. Es zerriss sein Herz; wieder musste er machtlos mit ansehen, wie sich der Halbdämon an seiner Gefährtin verging und wieder konnte er ihr nicht beistehen! Kagome sank zusammen und verschwand in der Staubwolke. „Die Reinste aller reinen Seelen! Und nun ist sie mein! Jetzt kann nichts mehr meine Herrschaft über das Diesseits und Jenseits verhindern!“, hallte Narakus mit Sou'unga verbundene Stimme schrill über den Kampfplatz. Die Teufel waren für einen Moment abgelenkt, so dass Sesshoumaru es schaffte sich zu Kagomes leblosen Körper durchzuschlagen. Seltsam, sie hatte gar keine Wunde, fiel ihm sofort auf. Wie konnte das sein? Das Schwert hatte sie doch voll getroffen? Auch wirkte sie nicht tot, obwohl sie nicht atmete. Was hatte der Bastard ihr nur angetan?

„So meine treuen Höllendiener, wir haben was wir wollten! Kümmert euch um die beiden Köter, macht keine Gefangenen!“, befahl Naraku den Wächtern und erhob sich wieder in die Höhe. Seine Gestalt löste sich in einer dichten Wolke Miasma auf und im nächsten Augenblick war er verschwunden. Sesshoumaru sah ihm grimmig nach, doch er hatte jetzt leider nicht die Möglichkeit die Jagd zu beginnen, da ihm nun wieder die volle Aufmerksamkeit der Wächter zu Teil wurde. Er sah kurz herüber zu Inuyasha, der schwer verwundet sich gerade noch so auf den Beinen halten konnte. Der Kampf war für ihn noch viel schwerer, er hatte kein Schwert und konnte sich nur mit Klauen und Fäusten verteidigen. Auch er selbst hatte beim Versuch zu Kagome durchzudringen schwere Treffer erlitten und blutete aus einigen tiefen Wunden. Selbst mit Bakusaigas Macht schaffte er es nicht sich wirklich Luft zu verschaffen; es waren einfach zu viele starke Gegner und sie hatten auch recht schnell durchschaut, was die Kraft Bakusaigas bewirkte.
 

Seine Sicht trübte sich, Erschöpfung wollte von seinem Körper Besitz ergreifen. Instinktiv gaben sich die beiden Brüder Rückendeckung. Wenn sie schon nicht gewinnen konnten, würden sie ihre Haut so teuer wie möglich verkaufen und so viele Feinde wie möglich mit sich nehmen! Izayoi hatte es wohl geschafft zu fliehen, da sie scheinbar uninteressant für ihre Gegner war. „Keh, ich hätte nie gedacht, dass ich einmal Seite an Seite mit dir untergehe“, lachte Inuyasha bitter. „Dann geh du ruhig unter, ich vernichte derweil Naraku“, antwortete Sesshoumaru genervt.

Er erwartete den finalen Schlag und sah seinen Gegnern fest und ohne Furcht in die Augen. Doch sie machten keine Anstalten anzugreifen, sondern sahen geschockt an ihm vorbei. In seinem Rücken hörte er ein lautes Tosen, neuer Schlachtenlärm brandete auf. Knochen brachen, Gliedmaßen wurden von Leibern gerissen, Körper krachten an die Felsen. Etwas näherte sich, etwas Großes, denn der Boden zitterte unter den Schritten. Eine tiefe Stimme grollte: „Lasst die beiden in Ruhe, jetzt habt ihr Scheusale es mit mir zu tun!“

06 – schicksalhafte Wiedersehen

06 – schicksalhafte Wiedersehen
 

Langsam drehte sich Sesshoumaru herum und erblickte den riesigen, weißen Hund, der erbarmungslos die Reihen der Wächter lichtete. Seine Pranken schleuderten die Körper der Gegner über den Boden, wer Pech hatte, wurde von seinen Klauen zerfetzt. Sein Maul war blutverschmiert, einige Feinde schienen seinen Fängen ebenfalls zum Opfer gefallen zu sein. Stolz stand er auf dem verwüsteten Schlachtfeld und blickte die übrig gebliebenen Teufel herausfordernd an. Denen wurde die ganze Angelegenheit langsam, aber sicher zu heiß. Es war nicht Teil ihres Auftrages sich von einem wild gewordenen Dämonenhund abschlachten zu lassen. Sollten die beiden Inuyoukai doch noch einen Moment überleben, sie würden ihnen nicht entkommen können. Es gab kein Entkommen aus der Unterwelt und früher oder später würde auch der Herr des Westens hier zugrunde gehen. Mit einem zufriedenen Knurren quittierte die riesige Gestalt den nicht ganz so geordneten Rückzug der Wächter und verfolgte ihre Flucht in den Schatten des toten Waldes.

Irgendetwas dort erweckte aber sein Interesse und mit einem Satz ließ er die schwer verwundeten Brüder zurück. Verwirrt sah Sesshoumaru der massigen Gestalt hinterher, die zwischen den Bäumen verschwand. Konnte das wirklich wahr sein? War er es wirklich oder spielten seine Sinne ihm einen Streich? Er warf einen Blick zu seinem Bruder, den dieser fragend erwiderte. Er hatte also dasselbe gesehen wie er. „War das…?“, fragte Inuyasha stockend seinen älteren Bruder. „Vater“, flüsterte Sesshoumaru ergriffen. Ungläubig schüttelte er den Kopf. Warum war der große Hundedämon in der Unterwelt? Er schien doch sonst in der Zwischenwelt weiter zu existieren und beschützte von dort aus mit seiner Kraft den Schrein. Verwirrtheit und Ärger stiegen in ihm auf. Was zur Hölle ging hier vor sich?
 

Ein lange vermisster Duft hatte sich in die feine Nase Inu no Taishos verirrt. Erinnerungen waren mit diesem Duft verbunden, Erinnerungen, die sein Herz überfluteten und nun sein Handeln bestimmten. Hatte er sich geirrt und der Geruch war nur ein Trugbild? War es am Ende noch eine Falle? Es war ihm egal, er musste Gewissheit haben. Irgendwo in diesem geisterhaften Hain war seine Liebste versteckt und er würde sie finden! Selbst wenn es nur eine Falle wäre, sein Herz würde niemals wieder Ruhe finden, wenn er jetzt nicht nach ihr suchen würde. Wieder sog er ihren Duft in seine Nase und folgte der Fährte weiter, die sich zwischen den schwarz in den Himmel ragenden Stämmen entlang zog. Ungeduldig sah er sich immer wieder um. Er musste ihr ganz nah sein, die Intensität des Geruchs nahm stetig an Intensität zu.

Izayoi hatte versucht dem Gemetzel zu entgehen und Deckung am Rande des Waldes gesucht. Besorgt sah sie, wie die teuflischen Wächter wieder und wieder auf ihren Sohn einschlugen, der immer mehr Mühe hatte sich zur Wehr zu setzen. Auch Sesshoumaru erging es nicht besser und die junge Frau, die er so sehr zu beschützen versuchte, wurde schließlich von dem grotesk großen Schwert niedergestreckt. Sie hatte Angst, fürchterliche Angst. Aber weniger um sich selbst als um ihr einziges Kind. Sie hatte den traurigen Blick gesehen, mit dem er die junge Frau ansah, als sein Halbbruder sie in seine Arme schloss. Es musste einst ein Band existiert haben, dass die beiden verbunden hatte und dieses Band wurde wohl getrennt. Was würde aus ihm werden, wenn die junge Frau nun nicht mehr war? Es brach ihr mütterliches Herz ihren Sohn schon jetzt so resigniert zu sehen, diese unendliche Traurigkeit zu sehen, die seine goldenen Augen füllte.

Plötzlich wurde sie von einem Beben aus ihren Sorgen gerissen. Schweren Schritte brachten den Boden zum Zittern, es war schwierig sich auf den Beinen zu halten. Ein tiefes Grollen übertönte den Lärm des Kampfes, der daraufhin augenblicklich erstarb. Was für ein Schrecken war nun aufgetaucht, dass sogar die Wächter vor Angst erstarrten? Panisch suchte sie Deckung in einer kleinen Höhle, die zwischen einigen Felsbrocken lag. Hoffentlich würde sie hier nicht entdeckt werden. Sie kauerte sich dicht in die hinterste Ecke und harrte der Dinge, die nun geschehen würden.

Das riesige Wesen, was in den Kampf eingegriffen hatte, schien kurzen Prozess gemacht zu haben. Nach wenigen Minuten drang kein Laut mehr vom Ort des Geschehens zu ihr. Was war mit ihrem Sohn? War er auch dem neuen Schrecken zum Opfer gefallen? Die Neugier und die Sorge um Inuyasha überwanden schließlich ihre Furcht und vorsichtig krabbelte sie zum Eingang ihres Verstecks um einen Blick riskieren zu können. Doch kaum erreichte sie den Rand der Höhle, tauchte dicht vor ihr eine riesige, weiße Schnauze auf, die die Luft um sich herum tief einsog. Blut triefte von den Lefzen. Ängstlich hob sie den Blick und sah den Kopf eines großen, weißen Hundes, dessen rote Augen sie anstarrten.

Konnte er es wirklich sein? Wie lange hatte sie nach ihrem Tod an diesem Ort nach ihm gesucht, war durch die Unterwelt gewandert immer auf der Suche nach der Seele des großen Hundedämons. Doch egal wo sie nach ihm suchte, egal wen sie nach ihm fragte, nie hatte sie einen Hinweis auf seinen Verbleib gefunden. Und jetzt stand er aus heiterem Himmel plötzlich vor ihr! Geschah das wirklich oder spielten ihr ihre Gefühle einen Streich? Vorsichtig erhob sie sich und streckte die Hand nach der gigantischen Schnauze aus. Ihre Finger berührten die feuchte Nase und strichen zärtlich darüber. Ergeben schloss der Inuyoukai die Augen und gab Laute des Wohlbefindens von sich. Er senkte weiter seinen Kopf, damit Izayoi ihn auch dort berühren konnte. Er war es wirklich! Jetzt, da sie sein weiches Fell unter ihren Fingern spürte, konnte sie es endlich glauben. Nach so langer Zeit hatte sie endlich ihren Gefährten wieder gefunden!

Licht hüllte die wahre Gestalt Inu no Taishos ein und blendete Izayoi für einen Moment. Als sich ihre Augen von dem gleißend hellen Schein erholt hatten, stand er vor ihr, so wie sie ihn in Erinnerung hatte. Die langen, weißen Haare hatte er zu einem Zopf zusammengebunden und sein muskulöser Körper war von einer prächtigen Rüstung geschützt. Sein Gesicht wirkte unbewegt wie eh und je, doch seine goldenen Augen blickten sie sehnsüchtig an. „Izayoi“, sprach er sanft ihren Namen und trat auf sie zu.

Lange vergessen geglaubte Gefühle überfluteten ihr Herz und nahmen ihr für einen Moment die Luft zum Atmen. Das Letzte, das sie von ihm gesehen hatte, war wie er sich mit dem Schwert in der Hand in den Kampf mit Takemaru warf und sich die Flammen hinter ihm schlossen. Dank des Fells der Feuerratte schaffte sie es damals zu fliehen und musste auf einer Anhöhe mit ansehen, wie das brennende Schloss ihren Liebsten unter sich begrub. Sie hatte ihn so sehr vermisst und sich gewünscht, dass er bei ihr wäre, um ihren Sohn aufwachsen zu sehen. Traurige Tränen mischten sich in ihren Augen mit Freudentränen und endlich erreichte ihr Liebster sie und zog sie in seine Arme. „Liebster“, schluchzte sie und lehnte sich in seine Umarmung. Der Dämon wurde ebenfalls von seinen Gefühlen übermannt, die ihm die Sprache verschlugen. Wortlos drückte er sie enger an sich und legte seine Wange auf ihren Scheitel. Zusammen verharrten sie in diesem Moment, der ihnen solange vom Schicksal verwehrt wurde.
 

Die beiden ungleichen Brüder hatten sich etwas abseits des Kampfplatzes niedergelassen und versorgten notdürftig ihre Wunden. Sesshoumaru saß neben Kagomes Körper und musterte diesen nachdenklich. Sie wirkte, als würde sie schlafen, nur dass sie nicht atmete. Er hatte sie genau untersucht, aber er konnte keine Verletzung feststellen. Aber sie war nicht tot, das verriet ihm seine Nase. Ihr Körper verströmte nicht den typischen Hauch des Todes, sie roch noch immer lebendig. Sie atmete nur einfach nicht und lag regungslos und ohne Bewusstsein da. Inuyasha bemerkte, wie Sesshoumaru seine Gefährtin ansah und tief in Gedanken versunken war. Er schien nicht von Trauer niedergeschmettert zu sein, aber was war mit ihr los?

„Hat er sie getötet?“, fragte er direkt und setzte sich seinem älteren Bruder gegenüber. Sesshoumaru fühlte sich gestört durch die plumpe Frage des Hanyous und warf ihm einen unmissverständlichen, scharfen Blick zu. „Wenn du nicht immer auf den ersten Eindruck hereinfallen würdest und nur eine Sekunde nachdenken tätest, wüsstest du es“, beantwortete er die Frage genervt. „Keh, aber du weißt natürlich genau, was mit ihr los ist, Meister Oberschlau!“, pflaumte Inuyasha zurück. „Es reicht, du erbärmliches Halbblut!“, knurrte Sesshoumaru, dessen Geduldsfaden nun endgültig riss. Er holte weit aus und seine Faust schlug donnernd im Gesicht des Hanyous ein. „Oh, was sind wir denn so gereizt? Hat Meister Oberschlau etwa auch keine Idee, was mit Kagome passiert ist?“, stichelte Inuyasha weiter und rieb sich die geschwollene Schläfe.

Sesshoumaru war außer sich vor Wut. Was erlaubte sich dieser Kerl eigentlich? Erst war er keine Hilfe um Kagome zu beschützen und nun behinderte er ihn auch noch dabei herauszufinden, was mit ihr geschehen war. Und nun wagte er es auch noch ihn zu verspotten! „Wir werden das jetzt ein für alle Mal klären“, knurrte er und stand langsam auf. „Ich hatte schon gedacht, du fragst nie“, antwortete Inuyasha keck und lachte den Älteren streitlustig an. Im nächsten Moment sprang er beiseite um Sesshoumarus Energiepeitsche auszuweichen. Er nutzte den Schwung und stoß sich von einem der umliegenden Felswände ab, wurde jedoch von Sesshoumaru hart abgeblockt. Nun war wieder der Daiyoukai am Zug und ließ einen Regen von Schlägen auf seinen Bruder prasseln. Inuyasha hatte Mühe den schnell aufeinanderfolgenden und hart platzierten Hieben auszuweichen. Immer weiter wurde er zurückgedrängt, bis er schließlich hart einen Felsen in seinem Rücken spürte. Ein siegessicheres Lächeln bildete sich auf Sesshoumarus Lippen und er holte zum alles entscheidendem Schlag aus.

Doch bevor seine Krallen ihr Ziel finden konnten, wurde sein Schlag abrupt gebremst. „Hört auf damit, es gibt Wichtigeres als eure Streitereien!“, durchschnitt die Stimme Inu no Taishos die angespannte Stille. Fest umschloss seine Hand den Unterarm seines Erstgeborenen. Sesshoumaru schnaubte abfällig. Was hatte der Alte sich einzumischen? Das ganze ging ihn nichts an. „Halt dich da raus!“, zischte er seinen Vater an. Unnachgiebig starrten sich die beiden in die Augen, keiner wich dem Blick des anderen aus. „Ich lasse nicht zu, dass meine Söhne sich bekriegen“, sagte er bestimmt. Sesshoumaru hielt noch einen Moment den Blick des Daiyoukais, dann knurrte er und wandte sich schließlich ab. Aber auch Inuyasha traf der mahnende Blick des Herrn der Hunde. „Du hast mir gar nichts zu-“, setzte Inuyasha zu einer frechen Erwiderung an, doch er wurde von seiner Mutter unterbrochen, die unangenehm fest eines seiner Ohren gepackt hatte. „Inuyasha, wie sprichst du mit deinem Vater?“ Deutlich kleinlauter entgegnete der Hanyou: „Mutter, lass das! Ich bin kein Kind mehr.“ „Dann hör auf dich wie eines zu benehmen!“

Sesshoumarus Wut war nicht verraucht, sie hatte sich durch das Eingreifen seines Vaters potenziert. Verdammt, was bildete sich der Alte eigentlich ein ihn wie einen Welpen zu behandeln? Und warum hatte er ihm gehorcht und ihm nicht den Kopf von den Schultern geholt? Er zuckte zusammen, als er die Hand seines Vaters auf der Schulter spürte. „Mein Sohn, es ist lange her, dass wir uns das letzte Mal gegenüber standen“, stellte Inu no Taisho fest. Betont langsam drehte Sesshoumaru seinen Kopf herum und war bemüht seinen Zorn hinter der kalten Maske aus Gleichgültigkeit zu verbergen. „Was machst du hier? Ich dachte, du wachst über den Schrein.“ „Ich habe gesehen, was passiert ist. Deswegen bin ich in die Unterwelt gegangen, um euch zu helfen.“ „Ich brauche deine Hilfe nicht, Vater. Halt dich da raus.“

Inuyasha stand etwas abseits zusammen mit seiner Mutter. Immer wieder sah er ungläubig und neugierig zu dem großen Hundedämon. „Du hast mich oft nach deinem Vater gefragt, als du noch ein kleiner Junge warst. Immer wenn die anderen Kinder mit ihren Vätern gespielt hatten, bist du furchtbar eifersüchtig und traurig geworden.“ „Es ist merkwürdig ihm jetzt als Erwachsener gegenüber zu stehen. Ich kenne ihn gar nicht, ich habe immer nur Geschichten über ihn gehört. Mich kennt er doch auch nicht, wir sind doch eigentlich Fremde“, sagte der Hanyou traurig. Izayoi strich ihrem Kind zärtlich über die Wange. „Du wirst immer sein Sohn bleiben, egal was sein wird. Er hatte sich schon vor deiner Geburt so viele Gedanken und Sorgen um dich gemacht und hat sein Leben geopfert um dich zu beschützen. Du wirst auch jetzt, da ihr euch hier im Jenseits wiedertrefft, kein Fremder für ihn sein.“ Inuyasha seufzte schwer, aber das Lächeln seiner Mutter ließ wie auch schon früher seinen Kummer verschwinden. „Inuyasha, egal was ein jeder in seinem Leben macht, man wird immer das Kind seiner Eltern sein.“
 

Ja, so war es, dachte Sesshoumaru zerknirscht. Er benahm sich auch jetzt, 200 Jahre später, noch wie ein Welpe kaum das sein Vater vor ihm stand. Er ärgerte sich über sich selbst, dass er seine Vergangenheit nicht hinter sich lassen konnte. Inu no Taisho bemerkte den Gram seines Sohnes und ahnte, was in diesem vorging. Er war schon immer unglaublich stolz und eigensinnig gewesen, auch als Kind wollte er immer mit dem Kopf durch die Wand. Selbst als er noch ein kleiner Junge war, gab es nichts Schlimmeres für ihn als Hilfe annehmen zu müssen. „Sesshoumaru, denk an deine Gefährtin. Du bist stark, du hast mich bei weitem übertroffen, aber diese Schlacht kannst du nicht allein gewinnen. Dein Stolz wird es verkraften, aber Kagome nicht, wenn du auf deinen Stolz hörst.“ Er ließ den Herrn des Westens mit diesen Worten alleine und wandte sich zu seinem jüngeren Sohn.

Verdammt, was hatte der Alte die Weisheit auch mit Löffeln gefressen! Warum musste er immer recht haben? In Sesshoumarus Herzen tobte nun ein unerbitterlicher Kampf zwischen seinem Stolz und seinem Wunsch Kagome wieder Narakus Fängen zu entreißen. Seine Hände hatten sich zu Fäusten verkrampft und rastlos lief er umher. Sein Blick wanderte ruhelos durch die Gegend und blieb schließlich an Kagomes regungslosem Körper hängen. Was machte er sich eigentlich vor? Es gab nichts Kostbareres in seinem Leben als Kagome. Er würde auch mit gebrochenem Stolz irgendwie weiterleben können, aber ein Leben ohne Kagome war undenkbar!

Gold brannte sich in Gold, als sich der Daiyoukai und der Hanyou gegenüberstanden. Die Augen Inu no Taishos strahlten Wärme und Vaterstolz aus, Inuyashas Unsicherheit und Verwirrung. „Du hast viel erlebt und durchmachen müssen in deinem kurzen Leben, Inuyasha“, durchbrach er schließlich die dröhnende Stille zwischen den beiden. „Aber wie…?“, stotterte der Halbdämon erstaunt. „Ich habe immer über dich gewacht, mein Sohn. Nach meinem Tod am Tage deiner Geburt konnte ich die Welt der Lebenden nicht hinter mir lassen. Du, deine Mutter und auch Sesshoumaru haben meine Seele an das Diesseits gebunden und so verfolgte ich in der Zwischenwelt euer Leben.“ Inuyashas Augen wurden immer größer und hingen an dem großen Hundedämon.

Plötzlich fand er sich im Schwitzkasten seines Vaters wieder, der ihm anerkennend, aber ungestüm über den Kopf wuschelte. „Zwei Mädels, Inuyasha, was? Das ist mein Junge!“, lachte der Daiyoukai ausgelassen. Der Hanyou sah lief sichtlich verlegen rosa an und versuchte seinen Vater zu beschwichtigen: „Nein, so war das nicht…. Du verstehst das falsch!“ „Ach, keine falsche Bescheidenheit!“ Das war so typisch sein Vater, dachte Sesshoumaru und verdrehte genervt die Augen. Aber es war klar, dass sein missratener Halbbruder genau diese Seite von dem alten Sittenstrolch geerbt hatte.

„Wenn ihr fertig damit seid euch über eure Frauengeschichten zu unterhalten, könnten wir dann wieder Naraku und Sou’unga verfolgen?“ „Keh, der wird sein blaues Wunder erleben“, antwortete Inuyasha kampflustig. Inu no Taisho lächelte. Sesshoumaru hatte es wirklich geschafft, er war in seine Fußstapfen getreten, den alten Stolz und das kalte Herz eines Youkai hinter sich lassend beschritt er den Pfad eines wahren Daiyoukais.

Sesshoumaru spürte ein warmes Gefühl in sich aufziehen. Seine Gedanken schweiften in die Zukunft. Würde es auch so sein, wenn sein Kind älter wurde und seinen Weg im Leben gehen würde? Wäre er als Vater wie sein eigener? Er wusste es nicht, aber der Gedanke an seine Familie erfüllte ihn mit Kraft diesen schweren Kampf gegen das vereinte Böse aufzunehmen. Ja Vater, sprach er in Gedanken, ich habe etwas zu beschützen!
 

Was war geschehen? Wo war sie? Blaues Licht umfing sie, sphärische Lichter umgaben sie. Sie fühlte sich leicht und unbeschwert, frei von aller Schwere. Genau das gleiche Gefühl, das sie immer durchströmt hatte, wenn sie durch den Brunnen reiste, kam es Kagome in den Sinn. Sie sah auf ihre Arme und erschrak. Warum konnte sie durch sie hindurchsehen? War sie ein Geist? Die Leichtigkeit, die sie eben verspürt hatte, war die Abwesenheit ihres Körpers! Aber sie war nicht tot, also was um Himmels Willen war geschehen?

Sie versuchte sich zu erinnern. Das letzte Bild, das sie fassen konnte, war Naraku, wie er das unheimlich leuchtende Sou’unga auf sie schlug und im nächsten Augenblick war sie an diesem Ort. Sie hatte keinen Schmerz gespürt und war danach in die Schwärze geglitten. Sie war nicht tot. Damals, als Sesshoumaru sie bei ihrem Wiedersehen am Schrein erschlagen hatte, war es anders. Damals war sie wirklich für kurze Zeit tot gewesen. Aber jetzt war sie es nicht. Ihre Seele war zwischen dem Diesseits und Jenseits verschollen. Naraku musste das verursacht haben, überlegte sie. Sie musste herausfinden was er bezweckte, nur so konnte sie etwas an ihrer misslichen Lage ändern. Ruhig bleiben, sprach sie sich selbst Mut zu. Bleib ruhig Kagome, brich nicht in Panik aus!
 

Naraku hielt eine kleine, hell pulsierende Lichtkugel schwebend in der Hand und besah sie sich genau. „So rein“, flüsterte er schwärmerisch, „Nicht so verdorben wie die anderen Seelen der Menschen. Nicht von Bitterkeit zerfressen wie Kikyos.“ „Ist sie brauchbar?“, fragte Sou’ungas Geist pragmatisch. Angewidert verzog der Halbdämon das Gesicht. Der Geist des Schwertes hatte einfach keinen Sinn für Schönheit, konnte nicht einfach nur den Moment auskosten. „Ja doch, mein Freund. Das ist die Seele, in der das Licht der Götter ungetrübt scheint.“ „Worauf wartest du dann noch?“

Naraku flog über die trostlosen Lande der Unterwelt. Unter ihm tummelten sich die verschiedensten Seelen der Toten; Menschen, Youkai, alles was einmal mit Leben erfüllt war, verbrachte nun nach dem Tod hier die Ewigkeit. Eine unendlich große Anzahl von Soldaten, die praktisch unzerstörbar waren. Wenn man die Macht hatte, sie zu führen, konnte keine Kraft der Welt dieses Heer aufhalten! Der Herrscher über das Totenreich konnte der Herrscher über alle Welten werden, wenn er die Kraft besaß die Tore der Unterwelt zu öffnen!

Die beiden hatten schnell ihr Ziel erreicht und gelangten an den Eingang einer finsteren Höhle, die in einem Berg verschwand. Dieser Teil der Unterwelt war verlassen und einsam, kein Toter konnte sich hier aufhalten. Das Energiefeld dieses Ortes war derart gepolt, dass jegliche Seele sofort zerfetzt und in das ewige Nichts verbannt wurde. Auch er konnte nur dank Sou’unga an diesem Ort existieren, ohne das Schwert der Unterwelt würde auch er der endgültigen Vernichtung anheimfallen. Der Geist hatte ihm kurz nach ihrem ersten Treffen von diesem Ort und seinen Möglichkeiten erzählt. Hier war ihr Ziel, dies war der Ort, an dem sie sich selbst zu den Herrschern über die Welten krönen würden! Der Schlüssel zur Herrschaft war die reine Seele Kagomes, in der die göttliche Macht des Himmelreichs versteckt war.

Naraku trat ein in die Dunkelheit und folgte dem Tunnel hinab in die Tiefe des Berges. Raue, kantige Felswände säumten seinen Weg, die gespenstische Schatten warfen. Das Licht Kagomes Seele schien ihm den Weg. Der Weg schlängelte sich in vielen Kurven durch das Felsmassiv um sie und immer wieder gelangte er an Wegkreuzungen. Es war ein Labyrinth, in dem er sich nur dank Sou’ungas Führung nicht verlief. Auch hier unten waren sie allein, nicht einmal die Wächter konnten diesen Ort betreten. Niemand konnte sie jetzt noch aufhalten. Unvermittelt endete der Weg und sie standen vor einer großen Pforte. Sie war in die steinernen Wände gehauen und ihre Türflügel wurden von zwei gigantischen Felsblöcken gebildet. Kantig wurde sie umrahmt und in den Fries waren Worte in einer ihm unbekannten Sprache gehauen. Aber es interessierte Naraku nicht, denn er wusste, was er zu tun hatte. Er zog Sou’unga und tippte einmal mit der Spitze auf den Eingang.

Knarrend öffnete sich das Tor und Staub rieselte zu Boden. Dieses Tor war eine sehr lange Zeit nicht geöffnet worden. Stickige, abgestandene Luft wehte ihm aus dem Inneren entgegen. Sou’unga vibrierte ungeduldig in seinem Griff, endlich war ihr Ziel zum Greifen nahe. Unbeeindruckt trat Naraku mit dem Schwert immer noch in der Hand durch die Pforte und erreichte einen runden Raum, der in ein schummriges Licht getaucht war. In dessen Mitte kauerte eine Gestalt. Sie war nicht besonders groß und hatte eine menschliche Erscheinung. Das Gesicht hatte sie in den sehnigen Händen vergraben. Der ausgemergelte Körper war zusammengekrümmt, die Knie zur Brust gezogen. Einige wenige schwarze Strähnen fielen verfilzt über den Rücken. Die Haut, durch die sich deutlich die Knochen abzeichneten, war aschfahl und hatte einen gräulichen Stich. Eine erbärmliche Kreatur, ging es Naraku durch den Kopf.

Doch es war immer noch Leben in dem Wesen. Es hatte Narakus und Sou’ungas Anwesenheit bemerkt und richtete sich nun in eine sitzende Position auf. Nun war auch das Gesicht nicht mehr verdeckt. Das Gesicht war ebenso hager wie der Rest des Körpers und wirkte fast wie ein Totenkopf. Die Haut war verknittert und faltig, aber es war nicht zu ersehen, ob das wegen des Alters oder der schlechten Verfassung seines Besitzers war. Die Augen aber waren selbst Naraku unheimlich. Schwarz blickten sie ihn aus ihren Höhlen an. Es waren keine richtigen schwarzen Augen, wie sie auch einige Youkai oder Oni hatten. Nein, das war das ewige Nichts, das ihm aus ihnen entgegen schien! „Sou’unga, du verräterisches Schwert, hast du dir jetzt einen willigeren Besitzer gesucht?“, sprach die Kreatur in einer hallenden, tiefen Stimme.
 

Das also war er, dachte Naraku, das war der Herr der Unterwelt, Akuma. Er war vor hunderten von Jahren seiner Macht beraubt worden, als es sein Schwert Sou’unga nach immer größerer Macht verlangte. Er wollte sie nicht, er hatte keine Ambitionen oder hochtrabende Pläne. Akuma war der Herr der Unterwelt, dafür zuständig diese gegen Eindringlinge und Flüchtige zu verteidigen und die Seelen der Toten sicher durch den Fluss der Toten in sein Reich zu führen. Sou’unga war ihm von den Weltenerbauern geschaffen worden, damit auch die Unterwelt über eine mächtige Waffe verfügte und so das Gleichgewicht der Kräfte zwischen den Welten gewahrt blieb. Doch das Schwert hatte seit seiner Schöpfung einen eigenen Willen, der eigentlich dazu diente die Toten zu lenken. Aber er war verdorben, böse und es gierte ihm vom ersten Tag an nach immer größerer Macht. Eines Tages schließlich schaffte es Sou’unga Akuma zu überwältigen und aus seiner Bestimmung auszubrechen. Es nahm Besitz von einem der Wächter des Totenreichs und öffnete ein Tor in die Welt der Menschen. Dort wartete es, bis es eines Tages in die Hände eines würdigeren Herrschers der Toten gelangen würde. Fast hatte Sou’unga geglaubt ihn gefunden zu haben, aber der mächtige Inuyoukai, dem es sich angeschlossen hatte, hatte kein Interesse daran die Welten zu erobern und kämpfte mit seinem starken Willen den bösen Geist nieder. Er sorgte dafür, dass der Geist auch nach seinem Tod gebannt blieb, doch als das Siegel brach, versuchte Sou’unga in der Hand eines rachehungrigen Menschen, den es als Marionette und Körper benutzte, das Diesseits zu erobern. Doch die Söhne des Inuyoukai verbannten es zurück in die Unterwelt. Dort traf es auf Naraku und endlich war sich Sou’unga sicher einen neuen würdigen Anwärter gefunden zu haben, den es zum Herrscher des Totenreichs krönen konnte und mit ihm die Eroberung der Welten forcieren konnte.

„Du wirst nie der vollständige Herrscher sein, nicht solange ich existiere! Euer Machthunger hat Grenzen!“, spie Akuma Naraku entgegen. Ein widerliches, böses Lächeln umspielte die Lippen des Hanyou. „Du hast Recht, Akuma, keine Kraft aus der Unterwelt noch aus der Welt der Menschen kann dir etwas anhaben.“ Die Gier nach Macht ließ seinen Blick immer irrer werden. Mit einem wahnsinnigen Lachen hielt er Akuma die strahlende Sphäre von Kagomes Seele vor die Augen. „Aber die Macht der Welt der Göttlichen!“, schrie er.

In einer Hand schwebte Kagomes Seele und in der anderen hielt er noch immer das Schwert der Unterwelt. Vor seiner Brust vereinigte er die beiden und das Licht der Miko ging in Sou’unga über. Die Aura des Schwertes explodierte und vermischte sich mit der göttlichen Kraft. „Lang lebe der Herr der Toten!“, proklamierte Naraku und stieß Sou’unga Akuma in die Brust.
 

Trotz aller guten Vorsätze verfiel Kagome nun in Panik. Eben noch war sie in der Zwischenwelt, nun war sie plötzlich von einem Moment auf den anderen in einer düsteren, beklemmenden Umgebung, die ebenso ausweglos war. Sie fühlte sich mit einem Male so schwach, so ausgelaugt. Etwas Furchtbares musste passiert sein, das spürten ihre Mikoknochen ganz deutlich. Hektisch sah sie sich um, doch in dem dunkelroten Glühen ihrer Umgebung konnte sie keinen Hinweis erkennen. Ihre Gedanken gingen zu Sesshoumaru, hoffentlich ging es ihm gut. Verdammt, sie musste so schnell wie möglich herausfinden, was geschehen war!

Sie zuckte erschrocken zusammen als sich ihr plötzlich eine nur zu gut bekannte Stimme näherte. „Jetzt kannst du nicht mehr von mir davon laufen, Miko. Jetzt bist du in mir gefangen und wir werden die Ewigkeit miteinander verbringen, liebste Kagome.“ Verdammt, das war Sou’unga!

07 – Du in mir

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

08 - gelebte Erinnerungen

08 – gelebte Erinnerungen
 


 

Stöhnend rieb sich Inu no Taisho über die schmerzende Stirn. Schmerz hämmerte dagegen und hielt ihn davon ab einen klaren Gedanken zu fassen. Vorsichtig blinzelte er und öffnete probeweise ein Auge einen kleinen Spalt. Das fahle Licht aber brannte sich einen Weg direkt in seinen Kopf und verwandelte den Schmerz in ein brutales Inferno. Es dauerte einige Momente, bis er wieder Herr über seine Sinne war. Was war nur geschehen? Wo war er? Er konnte sich an nichts erinnern. Alle seine Erinnerungen und Eindrücke waren aus seinem Geist gelöscht. Wissend um die eigene Person und den Schmerz in seinem Kopf lag er im Ungewissen. Wenn schon seine Augen den Dienst verweigerten, musste er sich anderweitig einen Überblick über seine Situation verschaffen. Er war in diesem Moment ein leichtes Opfer für eventuelle Angreifer und musste diesen Zustand irgendwie schnellstmöglich beheben. Langsam sog er die Luft der Umgebung ein und prüfte die ankommenden Eindrücke mit seinem überragenden Geruchssinn.
 

Moos und Erde. Reine, feuchte Luft. Schneebedecktes Gras. Langsam formte sich in seinem Geist ein Bild. Er musste sich in einem Wald befinden an einem Wintertag. Die Kälte kroch seinen Körper hinauf und betäubte wenigstens etwas seine schmerzenden Glieder. Erleichtert stellte er fest, dass er allein war. Er witterte nur einige versprengte Wildtiere in seiner Nähe, die aber keine Gefahr für ihn darstellten. Eine scharfe Spur Rauch traf seine Nase und eine wilde Mischung unterschiedlichster Geruchsnuancen folgte ihm. Eine Menschensiedlung, schloss er, als er die Witterung mit seinen Erinnerungen abglich. Sie schien aber etwas abseits zu liegen, da der Geruch schwächer war als der des Waldes. Die starke Anspannung fiel von ihm ab, denn er war fürs Erste sicher. Auf seiner Haut spürte er warme Sonnenstrahlen; es war also Tag. Er fühlte weiter durch seinen Körper und erschrak, als er eine tiefe Wunde erspürte, die sich quer über seine Brust zog. Wann wurde er verletzt? Konnte er sich deshalb an nichts erinnern, weil sein Widersacher ihn so schwer verwundet hatte? Merkwürdig, dabei war sein Kopf unverletzt.
 

Da er sich in Sicherheit wähnte, beschloss er einfach an Ort und Stelle liegen zu bleiben und abzuwarten, bis sich sein Körper erholt haben würde und der dumpfe Schmerz und die Benebelung aus seinem Kopf verschwunden wären. Das leise Rauschen des Winds in den Bäumen drang an sein Ohr, von weit weg erreichte ihn das Lied eines einsamen Vogels. Er genoss den Frieden der Natur und dämmerte in einen leichten Schlaf. Selbst ein Daiyoukai musste der tiefen Erschöpfung Tribut zollen.
 

Die Sonne war bereits untergegangen, als der Herr der Hunde die Augen aufschlug. Kurz sah er sich um, doch nichts hatte sich verändert. Er saß immer noch allein im Wald. Die Dunkelheit tat seinen überreizten Augen gut und die klare Nachtluft vertrieb den Rest der diffusen Umnachtung aus seinem Kopf. Schwerfällig und müde setzte er sich auf, um sich besser umblicken zu können. Die vielen Schneekristalle funkelten im spärlichen Licht der Sterne und schenkten der Umgebung ein kaltes Licht. Trotz dieser Reflexionen war die Nacht tiefdunkel, kein Mond stand am Himmel und spendete sein silbernes Licht. Prüfend sah der Dämon in die Nacht. Eine Mondfinsternis? Etwas in seinen Gedanken alarmierte ihn, wollte ihn an lang zurückliegende Ereignisse erinnern, doch kaum versuchte er den Gedanken zu greifen, löste er sich in Nebel auf. Sein Kopf war wohl noch immer lädiert, dachte er zerknirscht, obwohl sein Körper wieder einigermaßen dienstbereit war. Nur die große Wunde auf seiner Brust hatte sich noch immer nicht geschlossen. Warum nur konnte er sich an den Kampf nicht erinnern?
 

Trotz allem musste er wachsam sein. Eine Mondfinsternis war immer Vorbote bedeutender Ereignisse, in dieser klaren Winternacht würde das Schicksal sich offenbaren und erbarmungslos zuschlagen. Suchend glitt seine Hand an seine Hüfte und erleichtert stellte er fest, dass Tenseiga noch immer bei ihm war. Wenigstens war er bewaffnet und konnte sich seiner Haut erwehren, was auch immer ihm bevorstand. Mühsam stand er nun vollständig auf und klopfte sich den Schnee von seinem Fell. Es war sinnlos weiter im Nirgendwo zu sitzen und darüber nachzudenken, was alles sein könnte. Er musste zuerst herausfinden, wo er war, dann konnte er sich immer noch Gedanken machen. Der dunkle Wald sah nach allen Seiten hin gleich wenig einladend aus, deshalb beschloss er der Brise Rauch im Wind zu folgen. Vielleicht würde die Menschensiedlung ihm einen Hinweis auf seinen Verbleib geben, außerdem war er schon immer gut damit beraten gewesen im Zweifelsfall einfach seiner Nase zu folgen. Langsam stapfte er durch den Schnee und verschwand zwischen den kahlen Bäumen. Nur eine Spur im Schnee und ein Abdruck auf dem Boden verrieten noch, dass diese Lichtung bis vor wenigen Augenblicken nicht ganz so einsam gewesen war.
 


 

Inu no Taishou wanderte fast die halbe Nacht durch den finsteren Wald, bis ihn die Fährte zu seinem Ziel geführt hatte. Auf einer Anhöhe angelangt, eröffnete sich ihm der Blick über ein bewohntes Tal. Zentrum der Siedlung war ein befestigtes Schloss, um das sich viele Soldaten in Stellung gebracht hatten. Sie schienen einen Angriff zu erwarten, immer wieder patrouillierten die Wachen an den Mauern entlang und spähten angespannt in die Nacht. Dieser Ort kam ihm so unendlich vertraut vor, er war sich sicher schon einmal hier gewesen zu sein. Doch wieder löste sich die Erinnerung in Nebel auf, bevor sie sein Bewusstsein erreichen konnte. Er beobachtete weiter alles genau, immer mit der Hoffnung einen Hinweis entdecken zu können, der ihm half aus der vagen Ahnung eine konkrete Erinnerung machen zu können.
 

Plötzlich trug der Wind einen Schrei zu seinem Ohr. Eine Frau; war das ein Todesschrei? Noch bevor er überlegen konnte, wer die Unbekannte sein könnte, erreichte ihn eine weitere Böe des kalten Nachtwindes. Sie schickte ihm den Hauch eines Duftes, den er nie in seinem Leben vergessen würde. Kirschblüte und Jasmin. Die einzigartige Mischung von Anmut, Güte und Vergänglichkeit. Izayoi! Es gab nur ein Wesen auf der ganzen Welt, dem dieser Geruch anhaftete. Die blumige Süße vertrieb den Nebel aus seinem Kopf, endlich konnte er wieder klar sehen, endlich waren seine Erinnerungen nicht mehr vor ihm verborgen.
 

Er kannte diesen Ort, er war schon einmal hier gewesen. Das Schloss vor ihm war der Ort, an dem er einst gestorben war. Izayoi war darin, schenkte gerade seinem Sohn das Leben und vor einem Augenblick fiel sie der Eifersucht und dem blinden Hass ihres Leibwächters zum Opfer. Wie war er nur hierhergekommen? Das Letzte, an das er sich erinnern konnte, war, wie ihn Narakus Schergen langsam überwältigt hatten und ein kalter Nebel seine Sinne raubte. Hatte der größenwahnsinnige Hanyou ihn durch die Zeiten geschickt oder war er nur gefangen in einer Erinnerung? Doch es blieb ihm keine Zeit den Überlegungen mehr Aufmerksamkeit zu widmen, denn er wusste, dass seine Gefährtin ihn jetzt in diesem Moment brauchte. Falle hin, Falle her, er würde sie und ihr Kind nicht im Stich lassen! Die Wachen vor den Mauern, sie waren seinetwegen aufgestellt worden. General Takemaru wartete auf ihn, um sich an ihm für seine enttäuschte Liebe zu rächen.
 

Inu no Taishou wusste, was zu tun war. Mit gezogenem Schwert stürmte er den Hang hinab, direkt auf das schwer befestigte Tor zu. Er würde sie vor dem Tod und den Flammen retten, die bald beginnen würden hungrig nach dem Schloss zu lechzten. Die Menschen würden bitter für das büßen, was sie seiner Gefährtin und seinem Kind antaten! Tenseiga war zwar eine stumpfe Klinge, die kein lebendes Fleisch durchschnitt, aber mit genug Zorn und Wucht geführt, konnte man sie trotzdem tief in den Leib eines unglückseligen Menschen bohren, der dem Herrn der Hunde den Zutritt zum Anwesen versperrte. Es war mühsam mit Tenseiga zu kämpfen, an diesem Ort war ihm das Schwert keine große Hilfe, daher steckte er es wieder in die Scheide an seinem Gürtel. Für dieses Pack waren seine Klauen mehr als ausreichend, Schläge konnte er mit den Unterarmen abwehren, die von schweren Armschienen geschützt wurden. Schnell hatte er eine Schneise der Verwüstung durch die Formation seiner Widersacher geschlagen, ihr Blut tropfte von seinen Händen. Die Menschen bekamen es wie so oft mit der Angst zu tun, in kopfloser Panik flohen sie hinter die schützende Mauer des Anwesens und verbarrikadierten das Tor.
 

Sein Ohr vernahm ein Zischen neben seinem Kopf, dann spürte er einen dumpfen Schlag auf seiner Schulter. Bogenschützen; Sie versuchten ihn aus sicherer Entfernung mit einem Pfeilhagel aufzuhalten. Sollten sie es nur probieren, es war aussichtslos. Die Rüstung um seine Schultern war undurchdringlich für solch schwache Geschosse. Sehnsüchtig erinnerte er sich an den Verlauf der Ereignisse. Damals hatte er nicht nur Tenseiga bei sich, sondern auch Tessaiga und Sou'unga. Er vermisste gerade schmerzlich das Kaze no Kizu, es würde mühselig werden das Tor zu sprengen ohne die wilde Kraft der Windnarbe. Sei es drum, es gab nichts, das ihn aufhalten können würde auf dem Weg zu seiner Liebsten. Er stürmte auf das hölzerne Bollwerk zu und ignorierte weiter die verzweifelten Versuche der Soldaten ihn aufzuhalten. Kurz hielt er einen Moment inne, als er vor der Pforte stand und sammelte seine Kraft in seiner Faust. Er spürte, wie das Youki durch seinen Körper floss und sich in seinem rechten Arm sammelte. Mit einem gewaltigen Schlag brachte er das Tor zum Bersten, das Holz splitterte unter seiner dämonischen Kraft und die Flügel wurden aus den Angeln gerissen.
 

Das Hindernis war aus dem Weg geräumt, doch im Hof versammelten sich schon wieder die Krieger, um ihr Heim in grimmiger Verzweiflung gegen das Ungeheuer zu verteidigen. Hinter ihnen, am Ende des Hofes, entdeckte Inu no Taishou unter dem Vordach stehend den Anführer; seinen unbarmherzigsten Gegner, der ihn aus vollstem Herzen hasste. Takemaru, der Mörder Izayois. Seine Erscheinung wich ab von der Erinnerung, bemerkte der große Hundedämon. Ein böses Leuchten in den Augen des Generals verriet, dass dies nicht der Mann war, gegen den er vor langer Zeit gekämpft hatte. Er war offensichtlich nicht in der Zeit zurückgeschickt worden, schlussfolgerte er. Das war eine von Naraku manipulierte Erinnerung, in der er gefangen gehalten wurde. Offenbar machte der sich selbst gekrönte neue Fürst der Unterwelt einen Spaß daraus ihn nochmal seine dunkelste Stunde erleben zu lassen. Sou'unga steckte wahrscheinlich hinter dieser Idee, immerhin war das verwunschene Schwert damals dabei gewesen, als er in den brennenden Trümmern seinen letzten Kampf bestritt. Sei es drum, er würde kämpfen! Takemaru stand wohl unter der Kontrolle des bösartigen Halbbluts und sollte sicherstellen, dass die Seele des Daiyoukai im ewigen Nichts verschwand.
 

Der Kampf war nicht ohne Risiko, das war Ini no Taisho wohl bewusst. Er war bereits tot und er wusste, dass seine Seele für immer verloren gehen würde, sollte er besiegt werden. So erging es jedem Toten, der auch nach seinem Ableben im Kampf fiel. Offenbar wollten Naraku und Sou'unga sichergehen, dass er seinem Sohn nicht helfen können würde im Kampf um Kagomes Seele. Diese Gewissheit reichte den beiden aber nicht, sie wollten sich einen makaberen Spaß daraus machen und ihn bereits jetzt leiden lassen, sie wollten ihn gebrochen am Boden sehen. Sou'unga war schon immer rachsüchtig gewesen und es schien ihn dafür büßen lassen zu wollen, dass er sich damals gegen den Machthunger des Schwerts gestellt hatte. Grimmig lächelnd nahm er den Kampf gegen die Menschen auf. Wenn der Verlust seiner Existenz helfen konnte, dass Izayoi und seine Söhne in Sicherheit sein würden, dann war er gerne bereit diesen Preis zu zahlen. Er würde sich aber teuer verkaufen und so viele von ihnen mit sich nehmen wie nur irgend möglich.
 


 

Seine Klauen waren bereits von einer dicken Blutkruste bedeckt, als der letzte menschliche Beschützer des Schlosses sein Leben aushauchte. So viele hatte er damit zerfetzt, der Boden hatte sich mit dem Blut vollgesogen und bildete an einigen Stellen blutige Lachen. Sie konnten ihm nicht gefährlich werden, auch wenn sie so zahlreich gewesen waren. Er hatte sie alle aufgerieben. Angewidert griff er nach dem Umhang eines der Gefallenen und wischte sich das Blut von den Händen. Wie er den Gestank von Blut hasste! Der stechende, metallische Geruch würde ihn noch lange nach dem Kampf verfolgen, egal wie gründlich er sich reinigte. Als er fertig war, warf er achtlos den besudelten Stoff von sich und nahm seinen wahren Gegner in Augenschein.
 

Setsuna no Takemaru, besser gesagt seine von Naraku besessene Erscheinung, stand immer noch ungerührt auf dem hölzernen Steg unter dem Vordach des Palastes. Es hatte ihn nicht im Mindesten gerührt, dass alle seine Männer brutal abgeschlachtet wurden, er hatte nicht einmal mit der Wimper gezuckt oder Anstalten gemacht ihnen zu helfen. Ruhig stand er da und beobachtete das Geschehen. Jetzt, da die beiden durch das Schicksal ewig verbundenen Widersacher allein waren, zog er sein Schwert. „Mich wirst du nicht so einfach kriegen, Bestie!“, spie er dem Daiyoukai entgegen. „Du wirst dich nicht an meinem Blut laben!“
 

Inu no Taishou schwieg. Es hatte keinen Sinn seinen Atem an diese Kreatur zu verschwenden. Stattdessen zog er wieder Tenseiga und fixierte seinen Gegenspieler mit seinem Blick. Würde sein Schwert Wirkung zeigen? Immerhin war Takemaru eigentlich auch schon tot und wurde von dem Geist des toten Spinnendämons beherrscht. Er wusste es nicht, es blieb ihm nur die Hoffnung und der Glaube an seine Waffe. Ohne würde das ein aussichtsloser Kampf werden, das spürte er. Durch Narakus Kontrolle hatte Takemaru die Grenzen seines menschlichen Körpers gesprengt und verströmte eine starke und böse Energie.
 

Mit irrem Geschrei stürmte der Samurai auf ihn zu, sein Schwert mit beiden Händen fest umschlossen. Sofort erinnerte sich Inu no Taisho, er kannte diesen Angriff! Genau so hatte ihn in der Nacht seines Todes der General schon attackiert, nur ohne die finstere Energie, die ihm mehr Kraft verlieh. Er würde versuchen ihn am Hals zu treffen, er wollte dem Herrn der Hunde den Kopf von den Schultern schlagen. Leise Zuversicht stahl sich in das Herz des Daiyoukai, er war leicht im Vorteil durch diese Kenntnis. Auch er rannte mit erhobener Klinge in den Kampf und wie schon früher war die Deckung des Samurais an seiner linken Schulter offen. Mit einer schnellen Drehung wich er dem Schwert aus, das nach seinem Hals schlug und nahm den Schwung mit, um Tenseiga aus der Drehung heraus auf die Achsel Takemarus hinab fallen zu lassen. Krachend schlug die Klinge auf dem Harnisch auf, der unter der Wucht des Schlages zersplitterte. Doch Inu no Taishou spürte, dass nichts seinen Schlag bremste, Tenseigas Schneide glitt durch das Fleisch seines Widersachers und trennte den Arm vom Körper ab. Der Aufprall der Gliedmaße auf dem verschneiten Boden durchbrach die Stille.
 

Der Hundedämon hatte aber keine Zeit sich Gedanken um seinen Sieg zu machen oder ihn gar zu genießen. Hektisch eilte er an Takemaru vorbei in das Innere des Anwesens, immer der Fährte Izayois hinterher. Das große Haus war menschenleer und verlassen, daher gab es nichts, was ihn nochmals aufhalten konnte. Endlich erreichte er den Seitenflügel, in dem seine Gefährtin lebte und trat in den dunklen Raum ein. Seine Augen entdeckten sofort den vertrauten Baldachin, der um ihr Lager herum aufgespannt war; auch der darin steckende Speer war ihm nur allzu gut bekannt. Aber etwas war anders als in jener Nacht, das Haus brannte nicht. Nirgendwo konnte seine feine Nase auch nur eine Spur Rauch finden, es schien nicht einmal ein Herdfeuer zu geben. Hatte Sou'unga dieses nicht unwesentliche Detail in seiner Traumwelt etwa vergessen? Er konnte es sich nicht vorstellen. All seine Sinne waren nun alarmiert und wachsam, als er sich dem mit edlem Stoff abgetrennten Bett seiner Liebsten näherte.
 

Kaum schob er den Vorhang zur Seite, zeigte sich ihm ein schreckliches Bild. Der regungslose Körper seiner Gefährtin lag blutüberströmt in den weichen Seidenkissen, schützend um ein Bündel in ihren Armen gekrümmt. Eine große, klaffende Wunde in ihrer Brust verströmte den kalten Hauch des Todes, ihre Augen waren glasig und leer. Inu no Taishou runzelte nachdenklich die Stirn. Warum hörte er seinen Sohn nicht weinen, warum konnte er nicht die Aura des kleinen Hanyou spüren? Doch die Sorge und Angst, die er um Izayoi hatte, vernebelte seinen sonst so scharfen Verstand, er schob dessen Warnungen beiseite. Mit zitternden Händen zog er wieder Tenseiga aus dem Gürtel, flehentlich sah er das Schwert an. „Tenseiga… bitte“, flüsterte er und konzentrierte sich dann auf den toten Körper vor ihm.
 

Wo waren die Knechte der Unterwelt? Warum konnte er sie nicht sehen? Prüfend umfasste er Tenseigas Griff fester, er spürte die vertraute Kraft seiner Waffe. Daran lag es nicht, das Schwert versagte ihm nicht seine Dienste. Warum nur konnte er seine Geliebte dann nicht dem Tod entreißen? Verzweiflung kroch in sein Herz, war er etwa zu spät gekommen? Der große Inuyoukai sank neben dem toten Körper auf die Knie, alle Kraft schien ihn in diesem Moment zu verlassen. Vorsichtig berührte er die Wange der jungen Frau, doch er zuckte zurück, als er die Kälte fühlte. Sie war doch tot, warum konnte er sie dann nicht mit dem heilenden Schwert retten? Er überwand sich und streckte seine Hand erneut nach ihrem Gesicht aus, diesmal vorbereitet auf die kühle Haut und strich zärtlich über ihre Wangen. „Izayoi, wo bist du?“, wisperte er in kaum versteckter Trauer. Doch sie antwortete ihm nicht, sie würde ihm nie wieder antworten. Von seiner hilflosen Ohnmacht und dem Schmerz übermannt, sackte der Daiyoukai in sich zusammen.
 


 

„Dachtest du im Ernst, dass es so einfach sein würde?“ Verächtlich grinsend trat Setsuna no Takemaru in das Gemach der Fürstentochter. Die Spuren des eben stattgefundenen Kampfs waren verschwunden, sein Arm hatte nicht einmal eine kleine Wunde, obwohl Tenseiga ihn doch eben durchschnitten hatte. Lässig hielt der Leibwächter Izayois sein Schwert in den Händen und ergötzte sich am Leid des Daiyoukai. „Na, enttäuscht? Hattest du gehofft, dass du mit der kleinen Schlampe und deinem Bastard ein idyllisches Familienleben in dieser Welt haben kannst?“ Seine vor Häme sprühenden Augen konnten sich einfach nicht sattsehen an dem gebrochenen Dämon.
 

Oh, er würde ihn bezahlen lassen für diese Worte, schwor sich Inu no Taishou grimmig. Niemand verhöhnte ihn oder die seinen ungestraft und diesem Menschen würde er nun die Leviten lesen. Langsam erhob er sich und nahm wieder sein Schwert an sich. Ohne eine Vorwarnung stürzte er sich auf den General und hieb das Schwert in seine Brust. Tenseiga aber prallte an ihm ab, die Klinge machte nicht einmal einen Kratzer in den Brustharnisch, der Schlag blieb wirkungslos. Wie konnte das sein? Eben noch durchtrennte sie seinen Arm! Wieder schlug er auf ihn ein und traf ihn an der Schulter, aber auch dort vermochte Tenseiga keinen Schaden zu hinterlassen. Entsetzt starrte Inu no Taishou auf den nun hämisch lachenden Krieger.
 

„Hast du es noch immer nicht begriffen? Dachtest du, dass du mir mit deinem ach so prächtigem Schwert den Rest geben kannst?“, ertönte wieder das wahnsinnige Lachen. „Du hast hier keine Macht, Dämon. Du tust das, was ich dir gestatte zu tun, du siehst das, was ich dir erlaube zu sehen.“ Bei diesen Worten schritt Takemaru langsam auf den immer noch überraschten Daiyoukai zu. Kaum war er in Reichweite, holte er zu einem gewaltigen Schlag aus, den der Inuyoukai nur schlecht parieren konnte. Das Schwert glitt an Tenseiga herunter und der Samurai nutzte sofort die Lücke in der Deckung. Das Schwert stach tief in die Flanke.
 

Woher hatte dieser Mensch diese immense Kraft? Die Energie in dem Schlag, kein Mensch konnte so eine Wucht in einen Hieb legen. Wer war dieser Kerl und wo verdammt war er hier gelandet? Das war weder Realität noch eine Erinnerung. Er kam nicht dazu weiter seine Lage zu analysieren, denn die nächsten Schläge prasselten bereits wieder auf ihn ein. Tenseiga war kein Schwert für einen solchen Kampf, vor allem nicht gegen solch einen Gegner. Mühsam wehrte er die Schläge ab, die in immer schnellerer Folge kamen. Die Geschwindigkeit war ebenfalls übermenschlich, bemerkte er. Er konnte nicht verhindern, dass einige Schläge trafen, tiefe Wunden übersäten seinen Körper und raubten ihm Kraft und Konzentration. Verdammt, er musste aufpassen, sonst würde er für alle Zeiten im ewigen Nichts verschwinden!
 

Vorsichtig, ohne seinen Gegner länger als einen Augenblick aus den Augen zu lassen, sah er sich in dem Raum um und suchte nach einem Hinweis auf das, was sich hier gerade abspielte. Doch er konnte nichts Ungewöhnliches entdecken. Wenn sein Blick blind war, vielleicht konnten ihm seine anderen Sinne etwas verraten. Tief sog er die Luft in seine Lungen, erforschte genau den Geruch des Ortes, aber der metallische Gestank von Blut überdeckte alles. War das Absicht von Takemaru – oder besser gesagt von Naraku und Sou'unga, die diese Gestalt nur angenommen hatten, um schmerzvolle Erinnerungen in ihm zu wecken. Inu no Taishou konzentrierte seine Sinne auf die Aura der Gestalt ihm gegenüber. Jetzt, da Takemaru sich keine Mühe mehr gab es zu verbergen, konnte er deutlich die finstere Präsenz in ihm spüren.
 

„Du siehst so ratlos aus. Hast du es nun verstanden, dass das dein Ende sein wird?“, stichelte der Samurai weiter. Der Daiyoukai zog es vor zu schweigen, was brachte ein Wortgefecht mit diesem Irren auch? Plötzlich alarmierte ihn sein Instinkt, er spürte eine dunkle Aura in seinem Rücken anschwellen. Bereit sich zu verteidigen wirbelte er herum, doch da war nichts. Nur Izayoi lag dort tot am Boden mit seinem Sohn im Arm. Doch sein Instinkt gab keine Entwarnung, deutlich spürte er die Energie, die immer weiter wuchs. Seine Sinne folgten der Spur der Aura bis zu ihrem Ursprung. Izayoi? Entsetzt sah er den toten Körper an. Sie war doch tot, wie konnte sie da Energie ausstrahlen? Aber er vertraute seinen Instinkten, auch wenn sie ihn vor seiner Gefährtin warnten. So oft schon hatten sie ihn vor Schlimmem bewahrt.
 

Der Youkai lief mit zur Abwehr bereitem Schwert einen Bogen durch den Raum, immer zu seinem Gegner gewandt. Er musste herausfinden, warum seine Liebste diese unendlich böse Energie ausstrahlte, doch er durfte dabei nicht unvorsichtig sein und Takemaru den Rücken zuwenden. Schließlich hatte er es geschafft und stand nun neben dem Lager, auf dem die Tote noch immer regungslos lag. Hektisch suchten seine Augen ihren Körper auf einen Hinweis ab, eine Spur, die ihm erklären konnte, was hier eigentlich gerade vor sich ging. Immer wieder ging sein Blick dabei wieder zurück zu seinem Gegner, der aber keine Anstalten machte ihn angreifen zu wollen. Er schien belustigt zu beobachten, wie der Inuyoukai versuchte das Rätsel zu lösen.
 

Beiläufig glitt Inu no Taishous wachsamer Blick über Izayois Hals. Er stutzte. Da fehlte doch etwas! Er sah genauer hin, drehte leicht den Kopf um einen Blick in den Kragen des Kimonos werfen zu können, aber auch dort war nichts zu sehen. Sein Mal fehlte! Er hatte Izayoi als die seine markiert, als er sie zu seiner Gefährtin gemacht hatte, aber die rote Blume mit den runden Blüten, das alte Wappen des Westens, fehlte an ihrer Halsbeuge. Das war gar nicht Izayoi, die da vor ihm lag, das war eine Illusion! Jetzt ergaben auch die ganzen andere Ungereimtheiten Sinn. Warum er sie nicht wieder ins Leben holen konnte, warum sein Sohn tot war und der Ort völlig verlassen war. Auch warum er sich zu Anfang an nichts erinnern konnte und seine Gedanken wie durch einen Dunst vor ihm verborgen blieben. Takemaru hatte sich wohl den Arm nur scheinbar abschlagen lassen, um ihn in Sicherheit zu wiegen. All das um ihn herum war eine Trugwelt, erschaffen von Naraku und Sou'unga, um ihn dort genüsslich zu Grunde gehen zu lassen. Der Nebel musste ihn wohl hierher verschlagen haben.
 

Die neue Erkenntnis gab ihm Kraft. Jede Illusion hatte einen Mittelpunkt, ein Zentrum, von dem aus sie aufrecht erhalten wurde. Wenn er es schaffte das zu finden und zu zerstören, konnte er sich befreien. Takemaru war wohl kaum so leichtsinnig sich selbst als Pfeiler des Zaubers zu wählen, zu groß war das Risiko, dass das Trugbild im Kampf zerstört wurde. Wieder alarmierte ihn sein Instinkt, die dunkle Energie im Körper der falschen Izayoi schwoll erneut an. Plötzlich traf ihn hart ein Gedanke und raubte ihm fast die Luft zum Atmen. Sie war es. Seine vermeintlich tote Gefährtin, sie war das Zentrum der ganzen Scharade!
 

Bekümmert sah er zu dem toten Körper zu seinen Füßen. Welch grausames Versteck, wie niederträchtig war dieser Naraku, dass er den Schlüssel zur Rettung in dem versteckte, was ihm am kostbarsten war? Die einzige Möglichkeit dieses Gefängnis zu verlassen bestand darin mit seinem Schwert die Illusion seiner Gefährtin zu durchstoßen. Gequält schloss er die Augen. Nein, das konnte er nicht, er konnte doch nicht Tenseiga in Izayois Herz rammen! Niemals würde er seiner Geliebten auch nur ein Haar krümmen können.
 

„Von der Liebe zu einer Menschenfrau besiegt… Ein schöner Dämon bist du mir“, ätzte Takemaru, als er bemerkte, dass sein Spiel aufgeflogen war. Doch er machte sich keine Sorgen, der Daiyoukai war geschlagen. Sorgsam hatte er diese Erinnerung als Falle gewählt, weil er genau wusste, dass der Herr der Hunde nur eine einzige Schwäche besaß: Die Liebe zu seiner sterblichen Gefährtin. Niemals würde er es schaffen seine Gefühle für sie niederzuringen und ihr etwas antun. Sie hatten gewonnen und gleich würde der Geist des großen Hundedämons für immer verschwinden.
 

Die vor Hohn und Verachtung triefende Stimme Takemarus riss Inu no Taisho wieder aus seinem Kummer und brachte ihn zurück in das Hier und Jetzt. Das war nicht Izayoi! Die Echte wartete in der Unterwelt bei Kagomes Körper auf seine Rückkehr. Nach über zweihundert Jahren hatten sie sich endlich im Jenseits wiedergefunden, er hatte sie wieder in seine Arme schließen können. Er schloss die Augen, erinnerte sich an die Wärme ihrer Liebkosung, den warmen Schein ihrer Augen und das gütige Lächeln. Diese Izayoi war real und sie vertraute darauf, dass er zu ihr zurückkehrte. Das vor ihm, das war ein kalter Haufen Fleisch, geformt und parfümiert wie sie. Trotzdem, da war etwas tief in seinem Herzen, dass ihn zögern ließ. Entschlossen schloss er die Augen und entzog sich dem süßen Gift der Illusion. Wieder und wieder rief er sich die Erinnerung an die echte Izayoi vor Augen. Wie sie schüchtern die Schnauze seiner wahren Gestalt gestreichelt hatte, vor Glück weinend, dass sie ihn endlich gefunden hatte.
 

„Verzeih mir, Liebste.“ Dann nahm er Tenseiga fest in beide Hände und rammte es in die Brust der toten Frau. „Wie…? Das ist unmöglich!“, schrie Takemaru entsetzt, als der wilde Strudel aus Licht ihn begann zu verschlingen. Das Gleißen blendete Inu no Taisho, raubte ihm wieder das Bewusstsein. Kurz, bevor er wieder wegdämmerte, spürte er einen harten Zug an seinem Körper, der ihn hinweg trug.
 


 

„Du hattest Unrecht, was den alten Hund betraf“, kommentierte Naraku belustigt das Zerplatzen der Illusion. Er stand auf einer Anhöhe, von der er die Weiten der Unterwelt gut überblicken konnte. „Ach, sei ruhig, elendes Halbblut“, knurrte Sou'unga. „Wir werden sehen, ob du bei dem Hanyou richtig lagst.“ „Oh, ich bin mir da sehr sicher. Es hat schon einmal geklappt“, antwortete Naraku und lachte vergnügt in sich hinein.

09 - gelebte Träume

9 – gelebte Träume
 

Wärme. Ein fast vergessenes Gefühl durchströmte Inuyasha, hüllte ihn fast vollständig ein und trug ihn fernab von der kalten Wirklichkeit der Unterwelt. Wie lange war es her, dass er etwas anderes gefühlt hatte als den beklemmenden Hauch des Todes? Er wagte es nicht die Augen zu öffnen und den Ursprung dieser unverhofften Geborgenheit zu suchen. Zu groß war die Befürchtung, dass sie sich nur als Illusion herausstellen könnte. Er war tot, sein Körper taub und in der ewigen Kälte der Unterwelt gefangen. Doch zu lange schon vermisste er die Sicherheit einer warmen Umarmung und so gestattete er sich, sich noch ein wenig länger von dem Trugbild berauschen zu lassen.

Langsam bahnten sich die Erinnerungen wieder ihren Weg in sein Bewusstsein. Naraku und Sou'unga hatten ihm eine Falle gestellt und ihn, seinen Vater und seinen elenden Halbbruder überwältigt mit Hilfe irgendeines miesen Zaubers. Ein unheimlicher Nebel war aus dem Nichts aufgezogen und hatte zuerst seinen Körper gelähmt, dann seinen Verstand eingelullt und ihn in tiefe Ohnmacht versetzt. Gerade war er dabei sich von dem Angriff zu erholen. Inuyasha war zwar ein unverbesserlicher Hitzkopf, aber er war nicht dumm; Natürlich hatten sie ihn nicht ohne Hintergedanken außer Gefecht gesetzt und er war weit von jeder Sicherheit entfernt. Aber das Gefühl des warmen Körpers, der ihn gerade in die Arme schloss, war einfach unwiderstehlich.
 

Schließlich schaffte er es endlich sich dazu durchzuringen die verlockende Illusion hinter sich zu lassen und sich der tristen Wirklichkeit zu stellen. Vorsichtig öffnete er die Augen, blinzelte einige Male, bevor sich sein Blick auf die Umgebung fokussierte. Das satte Grün des ihn umgebenden Waldes eroberte seine Sinne im Sturm. Sanft brach sich das warme Licht der Sonne zwischen den Wipfeln und tauchte den Ort in ein mystisches Licht. Zwischen den hohen Stämmen verlor sich sein Blick in der Tiefe des Dickichts. Er saß auf einer weichen Schicht Moos zu Füßen eines mächtigen, alten Baumes und sein Kopf ruhte weich auf dem strahlend weißen Stoff eines Mikogewands. Den Stamm des Baumes über ihm überzog eine Art Narbe, die Rinde war fast vollständig abgelöst und das verwitterte, blanke Holz trat an die Oberfläche. Er lächelte schief. Wieso war ihm nur irgendwie sofort klargewesen, dass Naraku versuchte seinen Willen durch diesen ganz speziellen Ort und diese ganz besondere Gesellschaft zu brechen? Müde blinzelte er einige Mal, bevor er sich dazu aufraffte seinen Kopf aus dem weichen Schoß zu erheben.

Sein Blick verlor sich sogleich in den Tiefen der lodernden braunen Augen, die ihn neugierig ansahen. Traurig seufzte er: „Verschwinde, du bist nicht Kikyou, nur eine Illusion, ein plumper Versuch von diesem Mistkerl mich zu manipulieren.“ Keine Reaktion, die braunen Augen blieben stumm und sahen ihn weiter erwartungsvoll an. „Wenn auch eine Schöne“, fügte er schließlich schwermütig hinzu, ließ seinen Kopf wieder auf den Schoß der Miko sinken und schloss ergeben die Augen.

Eine warme Hand strich über seine Stirn, vertrieb die dunklen Gedanken und die Sorgen aus seinem Geist und hinterließ eine Spur von Zärtlichkeit auf seiner Haut. Wie lange war es nur her, dass Kikyous Körper zuletzt eine solche Wärme ausgestrahlt hatte? Die wiederauferstandene Priesterin hatte während ihres Kampfes gegen Naraku nichts mehr gemein mit der Frau, die er einst so glühend geliebt hatte. Sie war kalt gewesen, innerlich wie äußerlich und ihr Gesicht hatte einen harten Zug angenommen. Diese Frau hier über ihm jedoch… sie war genau wie die Kikyou, an die er sich so oft wehmütig erinnerte.

„Wer sagt denn, dass ich eine Illusion bin“, durchbrach ihre glockenhelle Stimme schließlich die Stille. Ihre Hand hörte dabei nicht auf weiter das Gesicht des Hanyous zu liebkosen. „Du bist vor sehr langer Zeit gestorben“, entgegnete Inuyasha traurig und war dabei hin und hergerissen zwischen seinen Hoffnungen und der bitteren Wirklichkeit. Kikyou ließ sich aber von der Melancholie nicht anstecken und lachte: „Genau wie du. Wir sind beide tot, warum sollten wir uns also nicht jetzt wiedersehen?“ Neuer Elan kam in Inuyashas müden Körper, er richtete sich geschwind auf und sein Blick geriet vorwurfsvoller, als er es beabsichtigt hatte. „Warum hab ich dich dann all die Zeit vorher in der Unterwelt nicht gefunden? Ich habe sie durchkämmt, ich war all die lange Zeit auf der Suche nach dir gewesen!“

Ihre Hände umschlossen nun sein Gesicht, eindringlich sah sie ihn an und wie so oft verlor sich sein Verstand in ihren Augen. „Weil es Kräfte gab, die alles daran gesetzt hatten zu verhindern, dass wir uns wiedersehen! Ich wusste, dass du mir gefolgt warst, aber es war mir unmöglich zu dir zu gelangen. Aber jetzt, da alles in Aufruhr ist, habe ich es endlich geschafft zu dir zu gelangen.“ Mürrisch wandte Inuyasha seinen Blick von ihrem Gesicht ab; wenn er einen klaren Kopf behalten wollte, durfte er sich nicht von den unendlichen Tiefen ihrer Augen hinfort tragen lassen. Jedoch musste er all seine Selbstbeherrschung eisern zusammennehmen, der Gedanke, einfach alle Vernunft über Bord zu werfen war gerade zu verlockend.

„Keh, das soll ich glauben? Warum habe ich dann nichts davon bemerkt?“, schnaubte er in der vagen Hoffnung, dass das Anzetteln eines Streits ihn vor seiner Sehnsucht retten würde. „Ich habe die Unterwelt der Länge nach durchstreift auf der Suche nach dir, mir wurden nie Steine in den Weg gelegt.“ Sein Vorhaben schien zu gelingen, denn sofort wandelte sich der sanfte Blick der Priesterin und das Feuer in ihren Augen flammte auf. „Glaubst du etwa, dass sich dir irgendein Höllenwesen einfach in den Weg gestellt und gesagt hätte, dass du mich nicht finden darfst? Nein Inuyasha, es ist wie auch früher schon; Das Böse spinnt seine Pläne im Verborgenen, unsichtbar für die meisten. Das ist im Tod nicht anders als im Leben.“

Der Hanyou wurde hellhörig. Das Böse spann seine Pläne? Wie ein Netz? Er musste sofort an eine gewisse größenwahnsinnige Spinne denken. Wusste sie vielleicht doch mehr, als er annahm? „Wie meinst du das? Das Böse plant im Verborgenen… Weißt du etwa mehr über die Dinge, die gerade geschehen?“ In Kikyous Blick kehrte die Wärme zurück und langsam begann sie zu sprechen: „Ich weiß es nicht, aber seit einiger Zeit ist hier einiges in Bewegung. Etwas Urböses schläft in der Dunkelheit, ich kann es fühlen. Ob es Naraku ist, ich weiß es nicht. Warum glaubst du, dass er etwas damit zu tun hat?“ „Weil er Kagome aus dem Diesseits an diesen Ort gebracht hat“, seufzte Inuyasha schwermütiger als beabsichtigt.
 

Kikyous totes Herz krampfte sich zusammen als sie diesen Namen hörte. Sie. Wieder. Er dachte wieder nur an dieses Mädchen, das ihre Wiedergeburt sein sollte. Und das obwohl sie sich gerade nach so langer Zeit endlich wieder gefunden hatten und sie an alte Zeiten anknüpfen wollte. Wieder stand sie zwischen ihnen, wie auch nach ihrer Rückkehr schon. Dieses unsägliche Gör hatte sich einfach in ihr Leben und ihre Epoche gedrängt und Kikyous Platz versucht in dieser Welt einzunehmen, als sei es das Selbstverständlichste. Ihre eigene – wenn auch unfreiwillige – Rückkehr dagegen wurde misstrauisch beäugt. Irgendwann hatte sie das Gefühl von Inuyashas Freunden mehr wie ein Gegner als eine Verbündete wahrgenommen zu werden. Womit hatte sie das verdient? Unerbittlich kämpfte sie gegen Naraku und das verdorbene Juwel, hatte sich schließlich selbst in letzter Verzweiflung geopfert und alles, das man in ihr sah, war der Störenfried in Kagomes romantischer Zweisamkeit mit Inuyasha.

Warum konnte nur niemand verstehen, dass die Fäden des Schicksals, die sie und Inuyasha verbanden, nicht einfach so von einem dahergelaufenen Mädchen durchtrennt werden konnten? Natürlich konnte der Hanyou sie nicht vergessen, sie ihn noch viel weniger. Ihre Beziehung endete ja nicht wirklich in einem bösen Streit noch hatte einer den anderen verlassen. Ihr gemeinsames Glück hatte einfach das Pech Spielball Narakus Intrigen zu sein und war ihnen gnadenlos geopfert worden. Doch wahre Liebe widerstand selbst diesen Widrigkeiten.

Sie musste diese vorlaute Wiedergeburt endlich aus Inuyashas Gedanken verbannen, beschloss sie. Sie würde ihn dazu bringen, sie ein für alle Mal zu vergessen und dann endlich stünde Nichts und Niemand mehr ihrer Liebe im Weg. Auch nicht Naraku, dafür hatte sie diesmal gesorgt.
 

Kikyou sah mit unergründlichem Blick Inuyasha tief in die Augen, der etwas ratlos ihr gegenüber saß. Er schien bemerkt zu haben, dass seine letzte Bemerkung sie verstimmt hatte. Schuldbewusst hatten sich seine Ohren gesenkt und er wartete auf seine Strafe. Was hatte Kagome dem armen Hanyou nur angetan, dass er nach dieser kleinen Verfehlung wie ein geprügelter Hund vor ihr saß?

„Du kannst sie einfach nicht vergessen, oder? Trotz allem, was geschehen ist“, sagte sie sanft und legte noch eine Spur mehr Wärme in ihren Blick. Schuldbewusst sah Inuyasha auf den Boden, die Scham erstickte jedes Wort in seiner Brust. „Obwohl sie dich verraten hat und nun die Gefährtin deines unmöglichen Bruders ist. Hat dich einfach vergessen und dein Andenken beschmutzt.“ Ihre Worte blieben nicht ohne Wirkung, er atmete tiefer ein, als es von Nöten gewesen wäre und seine Lippen waren fest aufeinander gekniffen. „Und selbst hier, in der Unterwelt, freut sie sich kaum dich zu sehen. Wie so oft hast du sie gerettet und sie hatte zum Dank nichts als Vorwürfe für dich. Keine Freude dich im Tod noch einmal zu sehen, nur wieder Forderungen und du sollst ihren Egoismus auch noch gutheißen.“ Entsetzt sah Inuyasha die Frau ihm gegenüber an: „Aber woher weißt du…? Wir waren bei unserem Wiedersehen allein!“ Zärtlich strich Kikyou ihm über die Wange. „Du Dummkopf, du warst nie allein. Ich habe immer über dich gewacht, auch wenn ich nicht zu dir gelangen konnte.“ „Du?“, stammelte Inuyasha ungläubig und schaffte es vor lauter Verblüffung nicht mehr den Mund zu schließen.

„Ja. Ich habe gesehen, wie schlecht es dir nach meinem Tod ging, wie sehr du gelitten hast und es hat mir beinahe das Herz zerrissen. Du warst so einsam, dein Herz war gebrochen und du hast dir Vorwürfe gemacht, dass du es nicht geschafft hattest mich zu retten. Du konntest dich selbst nicht mehr leiden und warst so unendlich traurig und verloren.“ Die Erinnerung an jene Zeit brachte all die Erinnerungen wieder zurück in Inuyashas Bewusstsein. Jede Spannung verließ seinen Körper, die Schultern hingen traurig nach unten, ebenso die plüschigen Ohren. „Ja… es war alles leer. Ich saß allein im Dunkel, so allein.“ Die Miko zog daraufhin den inzwischen ziemlich verloren aussehenden Hanyou an sich heran und schloss ihn fest in die Arme. „Wie konnte sie dich nur im Stich lassen in dem Moment, als du sie am meisten gebraucht hattest?“

Verstohlen blinzelte Inuyasha die aufsteigenden Tränen nieder und drückte sein Gesicht fest an die Schulter Kikyous. All die schmerzhaften Erinnerungen waren wieder präsent, wie die Schwärze in seinem Herzen ihn immer weiter von innen heraus aufgefressen hatte und er sich doch eigentlich nichts anderes gewünscht hatte als angenommen und geliebt zu werden. Doch das Band zwischen ihm und Kagome war zu diesem Zeitpunkt bereits so rissig, dass es dieser Belastung nicht mehr standhielt; es riss endgültig. Ja, Kikyou hatte Recht, Kagome hatte ihn verraten und im Stich gelassen! Doch in seiner momentanen Aufgewühltheit vergaß er wieder wie so oft, dass er es eigentlich war, der die Beziehung zu Kagome immer weiter ausgehöhlt hatte. Kikyou lächelte, sie war am Ziel. Endlich.
 

„Sehr gut, meine willfährige Dienerin“, lachte die Stimme Narakus in Kikyous Geist. „Ich habe meinen Teil unserer Abmachung erfüllt, jetzt ist es an dir dein deinen zu erfüllen.“ Sie schauderte, die unterschwellige Drohung in diesen Worten war nicht zu überhören. Langsam verhallte das Lachen in ihrem Bewusstsein wieder, genauso schnell wie die Stimme plötzlich aufgetaucht war.

Sie erinnerte sich genau. Nachdem sie endgültig die Welt der Lebenden durch das Opfer ihrer untoten Existenz verlassen hatte, irrte sie durch unendliche Schwärze. Das war nicht die Unterwelt, die sie schon einmal vor fünfzig Jahren bewohnt hatte. Sie war gefangen im ewigen Nichts. Aus Angst vor einer erneuten Wiederkehr ging der böse Geist des Juwels – mit der Unterstützung des Spinnendämons – wohl diesmal auf Nummer sicher und verbannte sie an einen Ort, wo sie niemand je wieder befreien konnte. Die Zeit verging, wie viel konnte sie nicht sagen. Doch der Erschaffer dieses Ortes hatte ein Fenster in die Welt der Lebenden hinterlassen und so war ihr es möglich weiter die Geschehnisse und Inuyashas Weg zu verfolgen. Sie war sich bis heute nicht sicher, ob sie dafür dankbar sein sollte oder ob es nur eine perfide Qual ihres Kerkermeisters war.

Ihr Herz war in tausend kleine Splitter zerborsten, als sie mitansehen musste, wie Inuyasha die ihr so verhasste Kagome in die Arme schloss und leidenschaftlich küsste. Nach der Rückkehr ihrer Wiedergeburt ins Mittelalter lebten die beiden noch eine Weile zusammen, doch das Glück trübte sich. Es erfüllte Kikyou mit Genugtuung zu sehen, dass Inuyasha sie niemals vergessen konnte und ihr Tod ihn schwer getroffen hatte. Immer wieder waren seine Gefühle Anlass für Streit und die ständigen Vorwürfe verstärkten nur den Kummer des Hanyous. Offensichtlich erinnerte er sich immer häufiger an die glücklichen Zeiten mit ihr; damals, als an einen wie Naraku noch nicht zu denken war. So sehr wollte sie ihn trösten, aber es blieb ihr nichts anderes übrig als mit fürsorglichen Gedanken bei ihm zu sein. Kagome verschwand in ihrer eigenen Zeit und entsetzt musste sie mitansehen, wie ihr Geliebter aus lauter Verzweiflung und Einsamkeit den Freitod wählte, nur um wieder mit ihr vereint sein zu können – wie damals vor über fünfzig Jahren. Aber wieder stellte sich Naraku zwischen ihr Glück, wie auch damals schon, in dem er ihre Seele an diesem finsteren Ort gefangen hielt und sie zwang zu beobachten, wie Inuyashas Seele in erneuter Verzweiflung durch die Unterwelt streifte auf der Suche nach ihr. Die Zeit verging und die Sehnsucht schien für alle Zeiten ihr gemeinsames Schicksal zu bestimmen.

Doch eines Tages plötzlich erschien Naraku in ihrem Kerker. Auch er war tot, aber das setzte seinem Machtstreben keine Grenzen. Das Schwert in seiner Hand hatte ein bösartiges Eigenleben und schien mit ihm zu sprechen. Konnte es wirklich wahr sein, war das etwa Sou'unga, das Schwert, das die Unterwelt beherrschte? Wie war es nur in die Fänge Narakus geraten? Gestohlen hatte er es offenbar nicht, da die beiden zusammenarbeiteten. Die Allianz des ultimativ Bösen konnte nichts Gutes für die Welt der Lebenden bedeuten. Wollten sie vorsorglich nun ihre Existenz für immer vernichten?

Doch wider Erwarten machten die beiden ihr ein unmoralisches Angebot: Sie würden Inuyasha und sie auf ewig vereinen. Im Gegenzug jedoch verlangten sie, dass Kikyou dafür zu sorgen hatte, dass Inuyasha in ihren Armen vergaß, dass er eigentlich seinem Bruder und Kagome versprochen hatte gegen das finstere Machtstreben von Sou'unga und Naraku zu kämpfen. Dass er vergaß Kagome retten zu wollen. Dass er vergaß, dass er nach so langer Zeit seine Mutter wiedergefunden hatte. Sie sollte ihn alles außer ihr vergessen lassen machen und damit dem Bösen Wegbereiter sein auf dem Pfad der Eroberung. Sie würde damit die Niederlage des Lichts besiegeln.

Kikyou hatte einen Moment gezögert und abgewogen. Sie war immer eine selbstlose Kämpferin für das Gute gewesen, hatte ihr ganzes Leben dem untergeordnet. Doch was war der Dank dafür gewesen? Trauer, Schmerz, Einsamkeit und ein gebrochenes Herz; Tod, ein qualvolles Zurückkehren ins Leben und wieder Tod; am Ende dieser Existenz stand Verbannung. Jetzt wurde ihr endlich ihr Anteil am Glück auf dem Silbertablett serviert, sie musste nur noch zugreifen. War sie wirklich bereit es wieder zu opfern, nur damit andere ein unbeschwertes Leben führen konnten? Sollte sie sich selbst wieder ins Unglück stürzen, all ihre Wünsche und Sehnsüchte verleugnen für irgendwelche hehre Moral von Gut und Böse?

Nein, diesmal nicht! Diesmal dachte sie an sich selbst, das erste Mal in ihrem langen Leben. So willigte sie ein in den Pakt mit den Teufeln.
 

Kikyou drückte Inuyasha noch etwas fester an sich und schloss ihn fest in ihre Arme. „Ich werde dich nie verlassen. Endlich können wir zusammen sein, für immer und ewig. So wie wir es uns immer gewünscht haben.“ Er genoss die Wärme ihrer Umarmung, endlich fand sein rastloses Herz Ruhe. „Für immer“, flüsterte er und löste sich vorsichtig aus der innigen Liebkosung, um sich in einem leidenschaftlichen Kuss mit seiner einzig wahren Liebe zu verlieren.
 

„Endlich funktioniert mal einer deiner Pläne“, kommentierte Sou'unga zufrieden die Szene. „Es wird auch langsam Zeit“, lächelte Naraku versonnen. Noch immer standen die beiden auf der Anhöhe, der Wind zerrte an den Gewändern des Spinnendämons. Doch es störte ihn nicht, da sein Geist an einem anderen Ort weilte und das Geschehen beobachtete. „Und ich bin guter Dinge, dass auch unser nächster Plan gelingen wird.“

10 - gelebte Rache

10 - gelebte Rache
 

Voller Freude rieb sich Naraku die Hände, gleich würden er und Sou'unga sich dem Höhepunkt des Varietees diabolischer Grausamkeiten widmen, das Dessert im Menü ihrer Pläne: Sesshoumarus eisernen Willen für immer zu brechen und zu beobachten, wie der ach so stolze Daiyoukai winselnd im Staub lag. Die schweifende Aufmerksamkeit des Schwertes sammelte sich bereits wieder in dem Stahl an der Hüfte des Halbdämons und brachte das Metall zum Glühen; sogar der Lichtschein wirkte nun voll irrer Vorfreude. „Das Beste zum Schluss“, schmunzelte Naraku. Da Sou'unga immer das letzte Wort haben wollte, fügte es noch hinzu: „Rache, zuckersüße Rache! Ich werde mich an diesem Köter rächen dafür, dass er mich an diesen erbärmlichen Ort verbannt hat!“
 


 

Eine kühle Stimme unterbrach die Vorfreude jäh: „Vater, es ist soweit. Sie sind alle versammelt.“ Es brauchte einen Moment, bis Narakus böser Geist wieder im Hier und Jetzt ankam, so versunken war er in die Vorstellung den Herrn des Westens zu vernichten. Nachdem er die Überraschung abgeschüttelt hatte, drehte er sich herum und sah eine vor ihm auf dem Boden devot kniende Gestalt. „Hakai*, du störst! Was ist so wichtig, dass es nicht warten kann, bis der Köter zu Staub zermahlen ist?“ Genervt und voller Vorwurf warf er dem gebeugten Mann abschätzige Blicke zu. „Euer Heer. Es ist bereit. Bereit von Euch geführt zu werden die Welt zu erobern.“ Langsam erhob sich der Abkömmling des Spinnenhanyous.
 

Hakai hatte sich seit seinem Tod nicht verändert. Sein dunkelgrünes Haar hing lang über seine Schultern hinab und verlieh ihm zusammen mit seiner blassen Haut ein ungesundes Aussehen. Giftgrün funkelnde Augen offenbarten eine wachen Blick und einen wachen Geist. Seine Kleidung orientierte sich wie auch schon zu Lebzeiten an seinem verehrten Vater; zweckmäßig und lila. Haori und Hose waren unter einer dunklen Stahlrüstung zum Großteil verborgen. Auf dem Brustharnisch prangte voller Stolz das Zeichen der flammenden Spinne. Wie jeder Krieger seiner Zeit trug er zwei Schwerter bei sich, ein Langes und ein Kurzes. Erwartungsvoll sah er auf zu den beiden mächtigen Anführern und wartete auf seinen Befehl.
 

„Ich wusste gar nicht, dass du einen Sohn hattest“, bemerkte Sou'unga beiläufig im Plauderton. Die wahnwitzige Vorfreude auf das Schinden Sesshoumarus war mit einem Schlag verflogen. „Wir hatten bisher noch nicht die Gelegenheit alte Familiengeschichte auszutauschen, mein Bester“, erwiderte Naraku, „Da sich aber gerade die Gelegenheit aufdrängt, sollst du es erfahren.“ Versonnen ließ er seinen Blick in die Ferne schweifen. „Er ist sozusagen mein erster Ableger. Ich hatte das Erschaffen von Abkömmlingen zu diesem Zeitpunkt noch nicht gemeistert, aber ich wusste auch damals schon, dass ich eine Schar loyaler Mitstreiter und Untergebener benötigen würde. Also entstand er auf die herkömmliche Methode und ist der Einzige meiner Gefolgsleute, der mich Vater nennen darf. Die anderen sind Teile meines Körpers und meiner Lebenskraft.“ „Und wer ist die Mutter des Burschen?“, hakte Sou'unga nach. Naraku war etwas überrascht, dass sich das Schwert der Unterwelt für banalen Klatsch interessierte, fuhr aber fort.
 

„Kumunojo, eine mächtige Spinnenyoukai. Sie war stark und Spinne und Spinne gesellt sich gern. Ich fürchte fast, sie hatte sich in mich verliebt. So entstand der kleine Hakai, der hier so treuergeben vor uns kniet. Ein plärrendes Balg konnte ich allerdings nicht gebrauchen, also ließ ich ihn erst einmal bei seiner Mutter und vollendete die Kunst neue Teile meines Ichs zu erschaffen. Ich hatte sie vollkommen vergessen, bis sie eines Tages mich aufspürte, zusammen mit meinem Sohn. Wie du siehst, ist aus dem schreienden Schwächling ein ansehnlicher Dämon geworden und so nahm ich ihn in meine Dienste.“ „Er ist ein verdammter Hanyou, genau wie du!“, spie Sou'unga sofort verächtlich. „Du kannst so viele Youkai schwängern wie du willst, dein menschliches Blut wird das dämonische immer verdrecken. Also nenn ihn nicht einen Dämon, wenn er nur ein mickriges Halbblut ist.“
 

Gereizt schaute Naraku auf das Schwert im Halfter seines Gürtels. Irgendwann, eines fernen Tages würde er ein vollwertiger Dämon sein. Bis dahin würde er diesen arroganten Youkai ihr vorlautes Maul stopfen mit ihren eigenen Gedärmen. Die Schmach vernichtend von einem Halbdämon geschlagen zu werden würde er ihnen bereiten. Im Falle Sou'ungas war es allerdings klüger gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Das hieß aber nicht, dass er diese Unverschämtheit vergessen würde.
 

Sou'unga schien das rapide Abkühlen der Gesprächsatmosphäre zu bemerken und versuchte Naraku etwas von seinem angekratzten Stolz abzulenken. „Und was ist aus der Mutter geworden?“ „Sie ging mir auf die Nerven, stellte Forderungen. Ich hatte keine Verwendung mehr für sie und auch sonst lag mir nichts an ihr. Also habe ich ihr vor unerfüllter Liebe krankes Herz durchbohrt. Sie ist tot.“ Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, schien ihn ein Gedanke zu durchzucken. Hektisch und mit Paranoia sah er sich um. Er war ja auch tot!
 

„Krieg dich wieder ein, Hanyou“, knurrte das Schwert ungeduldig und richtete dann das Wort an Hakai. „Steh auf, Bürschchen. Wie bist du eigentlich gestorben?“ Elegant erhob Hakai sich und antwortete maliziös: „Vater und ich teilen nicht nur das gleiche Blut, sondern auch die gleichen Feinde. Ich habe ebenfalls eine Rechnung mit dieser unmöglichen Miko und dem räudigen Köter zu begleichen, mit diesen ganzen vermaledeiten Tempelbewohnern. Es ist noch nicht allzu lange her, dass sie mich vernichtend geschlagen hat, als ich ihren verlogenen Schrein angriff um Vater zu rächen.“ Sou'unga wandte sich wieder an Naraku: „Und was hast du mit ihm jetzt vor? Das ist ja alles ganz hübsch und rührselig, aber ich verstehe nicht, was wir mit ihm anfangen sollen?“
 

„Er wird unser Heerführer, das ist doch wohl offensichtlich“, verkündete Naraku ruhig. „Bitte? Ich dachte, du marschierst an der Spitze und unterwirfst die Welt! Bist du dafür zu feige, Halbblut? Hast du wegen deines menschlichen Bluts nicht genug Mumm in den Knochen dich deinen Gegnern selbst zu stellen?“ Die Klinge war außer sich vor Wut. Sou'unga verzieh jede Charakterschwäche, eigentlich ernährte es sich sogar von den Lastern und schlechten Gedanken der Welt und befürwortete diese daher für gewöhnlich. Aber es ruhte noch immer so etwas wie der Stolz eines Kriegers in ihm und für diesen gab es nichts Verachtenswerteres als Feigheit im Angesicht des Feindes.
 

Genervt verdrehte Naraku die Augen. Dieses Schwert war viel zu aufbrausend und ungeduldig, dachte nie gründlich über alles nach. „Wir beiden werden hier unten gebraucht. Du musst dich weiter um die Miko kümmern, ich habe den Hund noch zu schlagen. Gleichzeitig ist es nun höchste Zeit endlich die Tore zum Diesseits zu öffnen und unsere Eroberung zu starten. Ich glaube nicht, dass du irgendjemand anderem die ehrenvolle Aufgabe übertragen willst die kleine Miko zu schinden, deren Seele in dir gefangen ist, oder?“ „Ist ja gut, ist ja gut“, moserte Sou'unga. Schwerter konnten physikalisch gesehen nicht schmollen; könnten sie es, würde das Schwert der Unterwelt nun genau das tun. Konnte es aber zum Glück nicht, dachte Naraku erleichtert.
 

„Hast du alle Toten gefunden, die ich dir aufgetragen habe?“, wandte sich der Spinnenhanyou nun wieder seinem Sohn und dem Geschäftlichen zu. „Ja, es wird ihnen alle eine Freude sein Rache an dieser verfluchten Miko Kagome und ihren Freunden zu nehmen.“ Fest umschloss Narakus Hand den Knauf Sou'ungas und hob es mit beide Händen in die Höhe. Er konzentrierte all seine Kraft auf das Schwert, das es ihm gleich tat. Der Stahl vibrierte von all der Macht, die ihn durchfloss. „Mach schon“, ächzte Naraku angestrengt, der Schweiß stand ihm auf der Stirn und seine Arme begannen unter der enormen Anstrengung zu zittern. „Öffne endlich das verdammte Tor!“
 

Krachend entlud sich ein gleißend heller Blitz von der Spitze Sou'ungas und zuckte in die Höhe. In weiter Höhe erreichte er die Grenzen des Reichs der Toten und schlug donnernd in der steinigen Erde ein. Felsen und andere Brocken barsten aus der Grenze und fielen auf den Grund der Unterwelt. Die Macht des Schwertes der Toten arbeitete sich einem gigantischen Bohrer gleich durchs Erdreich hinaus in die Welt der Menschen. Der erste Strahl der Sonne, der durch den so geschaffenen Durchbruch fiel, wurde von den Armeen der Hölle mit lautem Jubel empfangen.
 


 


 

Das Warten und gleichzeitige Nichtstun waren das Schlimmste. Von innerer Unruhe getrieben lief Shippo immer wieder um den Schrein der Himmel herum. Seinen Freunden gegenüber hatte er gesagt, er würde patrouillieren, da er ja nun der einzige richtige Dämon war, der den Schrein beschützen konnte. Er musste jetzt tapfer sein, er durfte nicht zeigen, dass er furchtbare Angst hatte. Besonders hatte er Angst davor, dass Kagome nie wieder zurückkommen würde. Allein der Gedanke trieb dem kleinen Fuchs schon wieder die Tränen in die Augen. Nein, jetzt war nicht die Zeit zum Weinen. Er musste stark sein. Schließlich hatte Sesshoumaru gesagt, er solle auf den Schrein und die anderen aufpassen, während er weg war. Ein dicker Kloß bildete sich in Shippos Hals. Er würde mutig sein und den Daiyoukai nicht enttäuschen! Aber er hoffte dabei, dass die Angreifer nicht zu viele, nicht zu unheimlich und nicht zu stark sein würden. Entschlossen setzte er seine Patrouille im Stechschritt fort.
 

Auch die anderen hingen schwermütigen Gedanken nach. Sie hatten sich in Rin und Jinenjis Hütte versammelt und harrten der Dinge, die da kommen mochten. Sango ging zum wiederholten Male mit dem Wetzstein über ihren Knochenbumerang. Es lag etwas in der Luft und es war nicht der erste Bote des noch fernen Frühlings. Sie musste vorbereitet sein. Miroku war eigentlich dagegen, dass sie in ihrem jetzigen Zustand sich in einen Kampf stürzen wollte, aber das war ihr egal. Nichts und niemand würde sie halten können, wenn ihre Freunde in Gefahr waren. Sie würde alles dafür tun, dass Kagome wieder wohlbehalten zukehren konnte. Und wenn ihre Ahnung auch nur annährend richtig war, würde es keine Welt mehr geben für das Kind unter ihrem Herzen, wenn sie jetzt nicht in den Kampf zog gegen das, was sich langsam zusammenbraute. Böse Energien waren überall zerstreut; sie lagen in der Luft, durchzogen den Boden und selbst das Wasser hatten sie verpestet.
 

Jinenji wusste mit sich nichts anzufangen und saß stumm in einer Ecke der Hütte und wartete einfach. Es brachte einfach nichts jetzt, wo noch nichts passiert war, Energie zu verschwenden. Egal was aber passieren würde, er wäre bereit. Rin dagegen hatte in einer Übersprunghandlung den Bestand der Heilkräuter bereits zum dritten Male vollständig sortiert und kontrolliert. Es gab ihr einfach das Gefühl etwas Hilfreiches zu tun und gewappnet zu sein. Sie wusste genau, dass sie keine große Hilfe in einem Kampf sein würde. Also blieb ihr nur dafür zu sorgen, dass alle den Kampf heil überstehen würden. Wieder und wieder ließ sie ihre spirituellen Sinne durch die Umgebung schweifen. Nicht, weil sie wie die anderen nach potentiellen Gefahren Ausschau hielt, sondern weil sie sehnlichst auf die Rückkehr von Sesshoumaru und Kagome wartete. Sie hatte wenig Sorge, dass dies nicht gelingen würde. Nie hatte sie das kindliche Urvertrauen in die Stärke ihres früheren Meisters und jetzigen Ziehvaters verloren. Die Welt drehte durch und sprang auseinander, aber wenn Sesshoumaru-sama sich der Sache annahm, wäre bald schon wieder alles in Ordnung. Das war seit ihrer Kindheit so und daran hatte sich auch jetzt nichts geändert, da war Rin sich sicher. Es war nur eine Frage der Zeit bis er zusammen mit Kagome wieder wohlbehalten zurückkehren würde.
 

Bezüglich ihrer eigenen Lage hatte Rin dagegen ein mulmiges Gefühl. Die Barriere, die den Schrein schützte, war stark geschwächt. Tessaiga war ein Baustein des Bannkreises, aber Sesshoumaru hatte es mit auf seine Rettungsmission genommen. Die Kraft wirkte nur noch schwach aus der Ferne, es wäre einem Angreifer ein Leichtes den Schutz aufzulösen. Im Prinzip waren sie einem Angriff schutzlos ausgeliefert. Sie hatte die Situation mit Miroku besprochen, in der Hoffnung, dass es dem Mönch möglich war den Verteidigungszauber zu verstärken. Aber seine Möglichkeiten waren begrenzt, niemand konnte so einfach die Macht des Ino no Taishou ersetzen. Trotzdem gab Miroku sein Möglichstes und wirkte fleißig Bannkreise und Schutzzauber um sie herum. Sie würden einen starken Angreifer nicht aufhalten, aber zumindest wurden sie so rechtzeitig gewarnt. Das war der einzige Vorteil, den sie sich verschaffen konnten, dachte Rin resigniert.
 

Ein Tag verging, ohne dass etwas geschah. Trotzdem lag immer noch diese unheilvolle Spannung in der Luft, wie ein Gewitter, das sich am Horizont zusammenbraute. Nachts wachte Rin plötzlich schweißgebadet auf, ihr Herz raste in heller Aufregung. Was war geschehen? Warum alarmierten sie ihre Sinne so unvermittelt? Angespannt sah sie sich im Raum um, doch alles war wie immer. Das Zimmer war friedlich in Dunkelheit getaucht, das schwache Licht des Mondes schien durch das Fenster hinein. Die Stille wurde nur durch das Schnaufen Jinenjis unterbrochen, der neben ihr schlief und an dem die ganze Aufregung spurlos vorbeizog. Es war nichts mit bösen Absichten in ihre Hütte eingedrungen. Als das feststand, entspannte sich Rin ein klein wenig. Mit dem verbliebenen Rest ihrer spirituellen Kraft spürte sie nun ebenfalls durch die Nacht.
 

Sie schloss die Augen, konzentrierte sich und spürte – nichts. Da war nichts, überhaupt nichts. Und das durfte nicht sein. Wo war der letzte Hauch des Bannkreises? Warum war er nun endgültig zusammengebrochen? Die Frage ließ ihr keine Ruhe. Sie verließ die wohlige Wärme ihres Bettes, legte sich eine Decke um die Schultern und lief durch die Kälte der klaren Winternacht zum Schreingebäude. Das Knarren der schweren Holztür hallte laut in der Stille der Nacht. Leise trat Rin in das finstere Allerheiligste ein, spärlich erleuchtet vom milchigen Schein der Sterne. Der reich geschmückte Platz Tessaigas war leer. Direkt daneben stand die vergoldete Statue ihres Schutzgottes stumm in der Dunkelheit.
 

„Sag mal bist du irre, weißt du wie spät es ist?“, keifte es plötzlich aus dem Nichts. „Lass einen alten Mann gefälligst schlafen!“ Ein empörtes Glitzern huschte über das hölzerne Gesicht der Statue. „Ent… Entschuldige“, flüsterte Rin und kniff verängstigt die Augen zu. Nachdem einige Atemzüge später der Zorn der Götter sie doch nicht niedergestreckt hatte, entspannte sie sich wieder ein kleines bisschen. „Was willst du eigentlich mitten in der Nacht hier“, grummelte die Stimme nun etwas versöhnlicher. Schüchtern sah die junge Frau sich um. Alles sah wie immer aus, nur Tessaigas Platz war verwaist. „Die Barriere – ich meine der Rest, der davon übrig war – sie ist plötzlich weg“, wisperte sie ängstlich. „Warum, was ist passiert?“ Ein lautes Gähnen hallte unter der hohen Decke. „Ach so. Der alte Hund ist gegangen, er redete irgendwas davon, dass er woanders gebraucht werden würde und jemanden beschützen müsse.“ „Was?“, entgegnete Rin entsetzt, „Was meinst du damit?“ „Kindchen, er ist tot, ein Geist. Wahrscheinlich ist ihm eingefallen, dass er in der Unterwelt besser aufgehoben ist.“
 

Stumm und mit einem eisigen Schauer, der ihr über den Rücken strich, ging Rin wieder zurück zu ihrem Bett. Sie kroch unter die warmen Decken und kuschelte sich Schutz suchend an ihren Gefährten. Der Bannkreis, der sie schützen sollte, war verblasst, Inu no Taisho in die Unterwelt geeilt, wahrscheinlich, weil dort die Dinge um Kagome und Sesshoumaru nicht zum Besten standen. Ihre Hoffnungen auf ein glückliches Ende verfinsterten sich gerade.
 


 

Die Anmut der Morgenröte wurde dem donnernden Detonieren eines nahen Bergs zerstört. Wie aus einem Vulkan schossen Gesteinsbrocken aus dem Innern der Erde, doch ihnen folgte kein heißer Strom aus flüssigem Stein und Lava. Unter lautem Geschrei und Brüllen kletterten die Toten aus den Tiefen und hetzten den zerstörten Abhang hinunter. Voller Kampfeslust hackten sie auf alles Lebendige, das ihnen in den Weg kam und schlugen eine kahle Schneise durch den Wald. Hakai entstieg besonnen der Unterwelt und blieb auf der Spitze des Berges stehen. Der Schrein, wo war er? Er war hier irgendwo in der Nähe gewesen, so ein Tempel konnte nicht einfach so davonlaufen! Missmutig sah er sich um und ließ seinen kalten Blick den Horizont absuchen. Da! Da reflektierte etwas die ersten Strahlen des Tages! Er kniff seine Augen zusammen, begierig darauf auf in der weiten Ferne mehr zu entdecken. Ein goldenes, geschwungenes Dach glänzte da im Morgenlicht. Das Dach eines Tempels.
 

„Mir nach!“, donnerte seine Stimme, dann stürmte er mit gezogenem Schwert voran auf das Strahlen am Horizont zu. Heute war ein guter Tag. Heute war der Tag seiner Rache.
 


 

Mäßig interessiert beobachtete Naraku, wie sich die Heerscharen der Hölle durch das schmale Tor zwängten. Es waren viele und so schien der Strom der Toten nicht zu versiegen. Doch trotz des Auftakts zu seinem Triumph wirkte er unzufrieden. Er wartete auf etwas, besser gesagt auf jemanden. Und er hasste es zu warten. „Was wird jetzt eigentlich aus dem letzten Köter“, fragte Sou'unga und bohrte treffsicher in der Wunde auf dem Gemüt den Hanyous. „Du hattest dich doch so darauf gefreut.“ „Ja, ich habe mir das auch alles hübsch zurechtgelegt. Aber das entscheidende Etwas lässt auf sich warten!“ Nervös trommelten die Finger seiner verschränkten Arme auf seinem Bizeps.
 

„Meister“, erlöste ihn schließlich nach einer gefühlten Ewigkeit eine Stimme in seinem Rücken. „Da bist du ja, wie kannst du deinen Gebieter nur warten lassen?“, giftete Naraku ungeduldig. Ruhiger und mit einem Lächeln in der Stimme fuhr er fort: „Begib dich in meine Nebel. Dann bring den großen Herrn des Westens dazu alles zu vergessen, was er in der Welt dort oben hat und weshalb er sogar in die Unterwelt gestiegen ist. Erinnere ihn daran, was er wirklich ist und was er wirklich will. Und dann bringe ihn zu mir.“
 

* Wer nicht mehr weiß, wer Hakai war: http://animexx.onlinewelten.com/fanfiction/autor/662150/296842/993825/default/#complete

11 - gelebte Angst

11 – gelebte Angst
 

Der Nebel war so dicht, dass es Sesshoumaru unmöglich war auch nur seine eigene Hand zu sehen. Die Umgebung verschwand in einem dichten Schleier und verbarg sicher ungenannte und unzählige Gegner – dessen war sich der Daiyoukai sicher. Er war sehenden Auges in Narakus Falle getappt und erwartete nun einen heimtückischen Angriff aus der Deckung des dichten Dunsts. Vorsichtig und mit gezücktem Schwert bewegte er sich Meter um Meter vorwärts. Doch nichts passierte, er war allein. Auch seine Ohren gaben ihm keinen Hinweis auf mögliche Feinde. Die Stille erdrückte ihn beinahe, jedes Geräusch wurde gedämpft, selbst seine eigenen Schritte drangen kaum bis an sein Ohr heran. Wohin hatte Naraku ihn nur gebracht? Was machte es für einen Sinn ihn in diesem Labyrinth des Nichts irren zu lassen ohne ihn anzugreifen? Wie lange lief er nun schon umher? Stunden? Tage? Die Zeit an diesem Ort schien stillzustehen, vielleicht existierte sie aber nicht einmal.

Schließlich steckte er Bakusaiga wieder in seine Scheide. Es war sinnlos weiter Vorsicht walten zu lassen, dieser Ort war nicht dazu gedacht ihn einem vernichtenden Angriff auszusetzen. Viel eher versuchte die Spinne ihn in den Wahnsinn zu treiben durch die Unendlichkeit des Nichts. Sesshoumaru beschleunigte seine Schritte und hoffte darauf in den Tiefen des Nebels Hinweise darauf zu finden, welches Schicksal ihn erwarten sollte.
 

Ängstlich hatte sich Kagome in einer Nische versteckt. Natürlich war es sinnlos, dies war Sou'ungas Dimension und wahrscheinlich war selbst die Wand in ihrem Rücken ein Teil von ihm. Trotzdem gab es ihr ein klein wenig Sicherheit sich wenigstens vor dem lüsternen Blick verstecken zu können. Der Geist des Schwertes wusste mit Gewissheit, wo sie sich verkrochen hatte und ergötzte sich an ihrer Panik. Sie versuchte alles sich ihm zu entziehen, besonders nach der Demonstration seiner Gelüste, deren unfreiwilliger Zeuge sie geworden war. Das Mal an ihrem Hals war so mächtig, dass es sogar als Abbild Sou'unga verletzt hatte. Wäre es auch mächtig genug ihren echten Körper zu schützen? Gedankenverloren strich ihre Hand über den Halbmond an ihrer Halsbeuge. Immer noch schmerzte es, dabei war es kein reales Messer gewesen mit dem Sou'unga versucht hatte das Zeichen ihrer Verbundenheit auszulöschen. Wie lange würde sie es schaffen sich dem Schwertgeist und seinen abartigen Phantasien zu entziehen? Ein kalter Schauder ging über ihren Rücken, nackte Panik begann erneut sie zu erfüllen bei dem Gedanken daran. Zärtlich strichen ihre Finger erneut über das Zeichen ihres Bundes zu Sesshoumaru; kampflos würde sie sich nicht fügen. Wenn das Youki ihres Liebsten in der Lage war Sou'unga selbst an diesem Ort zu schaden, dann war er nicht unbesiegbar.

Doch wie sollte sie sich wehren? Ihre Kräfte waren versiegelt, der Bogen, einziges Mittel diese freizusetzen, lag zurückgelassen im Diesseits. Kagome schloss die Augen und richtete ihren Blick nach innen. Da lag ruhig ihr Reiki, wie ein See. Ein warmes Licht strahlte davon ab und keine Welle kräuselte die Oberfläche. In der Mitte des Sees lag eine kleine Insel, ein dunkler Fleck. Friedlich umspülte ihre heilige Energie das Youki ihres Gefährten, das zwar in sich in einem wilden Sturm tobte, aber keinen Versuch unternahm sich gegen seine Umgebung aufzulehnen. Ach, was gäbe sie dafür, wieder auf ihre Kräfte zugreifen zu können! Sehnsüchtig streckte sie die mentale Hand danach aus, doch egal wie sehr sie es versuchte, sie erreichte den See nicht.

Es war einfach zum Verzweifeln und himmelschreiend ungerecht! Warum durfte eine Miko nicht stark sein und lieben? Ihre Kräfte waren nicht einfach versiegelt, sie waren weiter da. Sie konnte sie jederzeit sehen, wenn sie sich auf ihre Seele konzentrierte, das war das Deprimierendste an der ganzen Sache. Sie konnte sie nur einfach nicht erreichen, egal wie sehr sie sich anstrengte, danach streckte oder irgendwie versuchte den See zu berühren. Immer blieb er an der gleichen Stelle auf der gleichen Distanz und schien sie zu verhöhnen: Hättest du dich nicht hingegeben, dann könntest du mich haben. Selbst schuld, Miko. So sind die Regeln.

Plötzlich zog ein Luftzug durch die verzweigten Gänge Sou'ungas. Heiße, feuchte Luft kroch über Kagomes Körper, die sich sofort schützend zusammenkauerte. Im nächsten Augenblick war die Luft wieder still. Seltsam, überlegte die Miko. Doch bevor sie überhaupt Gelegenheit bekam sich ernsthaft Gedanken um das Phänomen machen zu können, blies der Wind schon wieder, doch diesmal aus genau der entgegengesetzten Richtung. Das unheimliche Windtreiben ließ nicht nach; es hatte einen regelmäßigen Rhythmus gefunden und die warme und irgendwie schmierige Luft wogte um Kagome herum. Der Luftzug trug ein immer deutlicher zu hörendes Vibrieren mit sich, der Wind seufzte fast.

„Du riechst so gut… Deine Angst, köstlich“, hallte Sou'ungas Stimme genießerisch durch die gesamte Umgebung. Erneut nahm die Strömung der Luft Fahrt auf, kleine Böen leckten über Kagomes Körper. „Mhhhhhh….so süß, so herrlich süß“, vibrierte das tiefe Seufzen in der Luft, „Du kannst dich verstecken so viel du willst. Ich wittere dich, ich bin auf deiner Spur. Egal was du versuchst, du entkommst mir nicht.“ Wieder spürte sie die heiße Luft auf der Haut, diesmal deutlich im Nacken. Plötzlich kam ihr ein völlig unpassendes Bild in den Sinn, ihr Verstand war wohl langsam dabei sich gen Wahnsinn zu verabschieden. Warum musste sie ausgerechnet jetzt an Sesshoumaru denken? Sie kniff die Augen zusammen und schüttelte heftig den Kopf, um das Bild wieder loszuwerden. Nein, nein, nein, sie durfte jetzt nicht daran denken, wie sehr sie es liebte, wenn ihr Liebster ihren Nacken küsste und dabei sein heißer Atem über ihre Haut…. Heißer Atem! Von der Erkenntnis überwältigt riss sie die Augen auf und saß kerzengerade. Der mysteriöse Wind war Sou'ungas Atem. Er suchte nach ihr, nahm Witterung auf und ihre Fährte schien ihn schon wieder um den letzten Rest seines Verstandes zu bringen, wenn sie an seine Worte dachte.

Aus plötzlich aufziehender Angst und Ekel bemühte sich Kagome jeden Flecken ihres Körpers mit dem Stoff ihrer Kleidung zu bedecken. Aber es war sinnlos, das wusste sie nur zu genau. Sie konnte mucksmäuschenstill sein, sich verstecken und keinen Millimeter bewegen, um nicht gefunden zu werden. Ihren Geruch aber konnte sie nicht verstecken. Sou'unga hatte ihre Fährte und er würde sie finden. Schon die Jagd auf sie schien ihn wieder ungeheuer zu erregen, sie mochte sich nicht vorstellen, was passieren würde, sollte er sie finden. Kampflos würde sie sich aber nicht ergeben. Sie musste auf der Hut sein und sich etwas überlegen; Sou'unga ließ sich sicher nicht noch einmal durch den blauen Halbmond abwehren.
 

Diese Welt war vollkommen bizarr. Je weiter Sesshoumaru in den Nebel vordrang, desto mehr lichtete er sich. Langsam konnte er schemenhaft Umrisse im Zwielicht erkennen, aber immer noch war er vollkommen allein. Weit vor ihm zeichneten sich die Umrisse von einem großen Gebäude als Schatten im Dunst ab. Endlich hatte er ein Ziel, seine Schritte beschleunigten sich und er hielt auf die Schemen am Horizont zu. Mit jedem weiteren Schritt vertrieb das trübe Licht der Sonne am Himmel weiter die Nebelschleier und der eigenartige Ort offenbarte seine Geheimnisse. Ungeduld beschleunigte seine Schritte noch weiter. Er konnte es sich nicht leisten hier von Narakus Spielchen aufgehalten zu werden, jede Sekunde war kostbar; jede Sekunde konnte eine Sekunde zu spät sein um Kagome aus Sou'ungas Fängen zu retten.

Es dauerte nicht lange und er hatte diesen verlassenen Ort erreicht. Ruinen, um ihn herum ragten nichts als Ruinen in den trüben Himmel. Erhabene Gebäude waren in sich zusammengestürzt, nichts als Staub zeugte von der einstigen Pracht. Er verlangsamte seine Schritte und seine goldenen Augen suchten angestrengt nach einem Hinweis, wo er gelandet sein mochte. Dieser Ort… er kam dem Herrn des Westens so seltsam vertraut vor.

Die Überreste der Gebäude lagen nicht zufällig zerstreut in der Gegend, ihre Anordnung hatte vor sehr langer Zeit einem Zweck gedient. Einige wenige Holzbarken und Dielen hatten der Verwesung getrotzt und lagen zerstreut zwischen den Haufen der Steine. Klassischer Baustil, rekonstruierte Sesshoumarus Verstand. Die Schuttberge waren in einer rechteckigen Form angeordnet und umschlossen einen weiteren Überrest eines Gebäudes. Allerdings war dieser nur zu erahnen, einige wenige Ziegel und Steine, die das Fundament gebildet hatten, waren verblieben. Der Rest des Hauses war dem Fluss der Zeit zum Opfer gefallen und damit wahrscheinlich aus Holz gebaut worden. Die Ruine nahm einiges an Platz ein, das war kein einfaches Haus gewesen. Sie streckte sich über hunderte Meter sowohl in die Länge als auch in die Breite. Einst hatte sie sicher Heerscharen von Bewohnern beherbergt. Mauern um ein großes Gebäude, unzählige Bewohner… Sesshoumaru Verstand arbeitete weiter auf Hochtouren und fügte die Hinweise zu einem stimmigen Ganzen zusammen.

Eine Burg, dieser Ort war eine Burg und der Aufbau schien ihm so vertraut, dass es beinahe schmerzte. Dieser Ort war haargenau so gebaut wie der Stammsitz seines Hauses. Wenn er die Augen schloss und an sein Heim dachte und einen Moment später die Augen wieder öffnete, sah er vor seinem geistigen Auge die nun verfallenen Baracken und Hütten und die überdachten Gänge mit ihren polierten Dielen, die die unzähligen Häuser wie Lebensadern verbanden. Die Zeit war nur fortgeschritten. Hatte Naraku ihn durch die Zeit geschickt, damit er ihn nicht bei seinen Plänen behindern konnte? Wenn das wirklich der Sitz des Westens war, dann gab es nur einen Ort, an dem dies überprüft werden konnte.

Zielstrebig lief er an den Überresten des Haupthauses vorbei und richtete seinen Blick aufmerksam gen Boden. Irgendwo hier musste der Eingang versteckt sein. Das Fehlen der Bebauung machte es ihm schwer sich zu orientieren. Einst lag der Zugang zum Allerheiligsten seiner Familie versteckt in einem unscheinbaren kleinen Zimmer, verborgen unter den Tatami-Matten. Vor seinem inneren Auge nahm die Erinnerung Gestalt an. Ein kleiner, fensterloser Raum; der Boden bedeckt mit Matten aus Reisstroh, die Wände aus Papier; an der Wand ein antiker Holzschnitt von einem gigantischen Hundedämon, der seine Feinde mit blutigem Maul zerfleischt. Der Erste seines Hauses, der erste Herrscher über die westlichen Ländereien. Unter der dritten Matte der zweiten Reihe von der Tür aus betrachtet war der Zugang verborgen zur Gruft seines Hauses.

Immer wieder fegte er mit seinem Fuß staubige Erde beiseite, die ihm den Blick auf die Tür im Boden verdecken konnte. Der Zugang im Boden war aus Stein, er musste die Zeit überdauert haben. Während er suchte, wanderten seine Gedanken wieder zu dem Heiligtum seiner Familie. Sein Vater war der einzige Herr des Westens gewesen, der nicht hier seine letzte Ruhe gefunden hatte. Es war sein Wille gewesen zusammen mit Tessaiga am Rande des Jenseits zu verrotten, bis sein jüngster Sohn stark genug sein würde sein Erbe anzutreten und Tessaiga an sich zu nehmen. Und das alles nur um das Schwert vor ihm, seinem Ältesten zu beschützen. Gedankenverloren knurrte er. Der alte Zorn war wieder entflammt durch die Erinnerung und die Gedanken an seine Vorfahren. Nach all den Geschehnissen hatte sein Vater sein Recht hier bestattet zu werden sowieso verwirkt. Erbärmlich verreckt im Kampf mit einem Menschen um eine Menschenfrau und einen Hanyou zu retten. Unwürdig den Kreis seiner Ahnen zu betreten.

Plötzlich frischte der Wind wieder auf, heftige Böen wirbelten den Staub zu Sesshoumarus Füßen auf. Einige Meter vor ihm blitzte etwas Metallisches am Boden in fahlen Licht auf – der Türöffner. Seltsam, woher kam so plötzlich der Wind? Und so gelegen? Dieser Ort schien ein Eigenleben zu führen und zu wollen, dass Sesshoumaru fand, wonach er suchte.
 

„Ich finde das ziemlich öde, was du mit dem Köter machst“, beschwerte sich Sou'unga, nachdem es eine ganze Weile geschwiegen hatte. Doch nun schien es das Schwert für an der Zeit sich für einen Moment der Pflicht zu widmen, bevor er wieder seiner Lust folgen und das muntere Spiel mit der Miko seinen vorläufigen Höhepunkt finden würde. „Läuft durch die Gegend, guckt nachdenklich – wie willst du ihn so unschädlich machen?“ „Ich mache gar nichts“, entgegnete Naraku gelassen. „Das ist das Werk von Oryuryu, meiner Untergebenen.“ „Du lässt einen deiner Lakaien sich um Sesshoumaru kümmern? Bist du jetzt übergeschnappt?“, schrie das Schwert erbost und steigerte sich binnen Sekunden in einen erneuten Wutanfall. Der Hanyou blieb weiterhin ruhig und erklärte: „Nein, das ist sogar sehr überlegt. Man kann diesen Hund nicht so einfach dressieren wie die anderen. Schau, Inuyasha ist ziemlich einfach gestrickt. Es war kinderleicht ihn zu überwältigen, wenn man seine Schwäche für Kikyou kennt. Inu no Taishou hat seine Izayoi.“ Skeptisch zog Naraku die linke Augenbraue hoch und sah tadelnd auf Sou'unga. „Das hat aber nicht geklappt, weil du den alten Hund unterschätzt hast und er sich aus deiner Illusion befreit hat.“ Das Schwert zog es vor zu schweigen. Diese Niederlage war beschämend, sein Hass auf den Herrn der Hunde wuchs dadurch nur noch weiter.

„Es ist also nicht so einfach ihre Wünsche zu manipulieren um sie gefügig zu machen“, fuhr der Spinnenhanyou fort. „Mit Sesshoumaru ist mir das schon einmal misslungen. Ich versuchte sein Streben nach Tessaiga und seine Verachtung für seinen Bruder auszunutzen, damit er mir helfen würde, die Splitter des Juwels zu gewinnen. Doch er hat sich kurze Zeit später widersetzt, das schien nicht sein innigster Wunsch gewesen zu sein. Seitdem hasst er mich und bekämpft mich. Das Risiko erneut zu scheitern kann ich jetzt nicht eingehen.“ „Aber jetzt ist es doch ganz einfach“, warf Sou'unga ein. „Diese Miko, danach sehnt sich sein Herz. Er ist genauso leicht zu manipulieren wie sein Bruder.“ Naraku schüttelte nachdenklich den Kopf. „Nein, das glaube ich nicht. Es ist wieder das Offensichtliche und damit bin ich bereits einmal gescheitert. Es muss etwas geben, das diesem Hund wichtiger ist, schon immer wichtiger gewesen ist.“

„Was hat dein Lakai damit zu tun?“ Sou'unga klang nun immer ungeduldiger. „Oryuryu hat die Fähigkeit direkt in die Seelen schauen zu können“, erklärte Naraku. „Sie sieht genau, wonach sich jemand sehnt, was er fürchtet. Ich habe ihr befohlen Sesshoumaru unschädlich zu machen. Ihn zu töten oder auf ewig in einer Illusion gefangen zu halten, es ist mir gleich. Jeder hat eine Schwachstelle, jeder hat einen Preis für den er bereit ist den Kampf aufzugeben.“ „Das wird ja wohl seine Gefährtin sein“, protestierte Sou'unga. „Soll sie sich in diese Miko verwandeln, sie leben glücklich in ihrer Scheinwelt und wir werden nicht mehr gestört.“ „Meinetwegen auch das, aber ich glaube, der Herr des Westens ist nicht so einfach gestrickt, wie du denkst, mein Lieber. Schau in ihre Illusion. Ich sehe dort wenig Liebe und Zweisamkeit, ich sehe die Ruinen eines einst stolzen Reiches.“
 

Stickige, alte Luft strömte Sesshoumaru entgegen, als er den Eingang öffnete. Der mit aufgewirbelte Staub reizte seine empfindliche Nase. Schützend hielt er den Ärmel über sein Gesicht und sprang hinunter in das Dunkel. Er fiel nicht tief und landete leichtfüßig auf dem trockenen Lehmboden. Die Dunkelheit um ihm herum wurde nur durch das wenige Licht, das durch die Luke fiel, zerschnitten. Doch das störte Sesshoumaru nicht, seine Augen kamen auch mit wenig Licht aus. Außerdem kannte er diesen Ort. Hier würde er eine Antwort finden, wann in der Zeit er gelandet war und was passiert war.

Seine Anwesenheit schien nicht unbemerkt zu bleiben, plötzlich entflammten sich Fackeln an den Wänden wie aus dem Nichts und offenbarten einen langen Gang. Er folgte dieser Einladung, achtete aber aufmerksam auf seine Umgebung. Das war immer noch das Werk von Naraku, er musste wachsam bleiben um nicht in eine Falle zu tappen.

Der Gang endete in einem großen, sechseckigen Raum, dessen Mittelpunkt ein steinerner Block bildete. Eine Öffnung in der Decke warf einen hellen Lichtkegel darauf. In den Stein war eine Inschrift graviert: Sesshoumaru, letzter Herr des Westens. Der Daiyoukai konnte seine Bestürzung nicht verbergen. „Was? Wie ist das geschehen?“ Sprachlos stand er vor seinem eigenen Grab und starrte minutenlang fassungslos ins Nichts.

Schritte halten hinter ihm in der Dunkelheit. „Euer Sohn war zu schwach nach Eurem Tod das Erbe fortzusetzen. Ein Hanyou hatte den übrigen Daiyoukai nichts entgegenzusetzen. Machtlos musste er mitansehen, wie die anderen Herrscher die Schande, die Ihr in ihm hinterlassen habt, auslöschten und den Westen dann unterwarfen. Ihr seid in die Geschichte eingegangen als der Daiyoukai, der seine Macht und seinen Stolz der Liebe zu einer Sterblichen geopfert hat und so den Untergang seiner Herrschaft besiegelt hat. Das, was Euer Vater begonnen hat, habt Ihr vollendet.“ Die Stimme gehörte zu einer Youkai, die in voller Rüstung aus dem Schatten trat und Sesshoumaru ruhig anblickte.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Na wer weiß, was der Gute vor hat? ;)
Ich freue mich auf Meinungen! Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Endlich ist dieser unerträgliche Fluff vorbei. Da fühl ich mich gleich wohler.
Lasst was da! Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich hatte beim Schreiben zeitweise was im Auge ._.
Wie ist es euch ergangen? Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Beim ersten Teil des Kapitels merkt man irgendwie, dass er am Vatertag geschrieben wurde... in diesem Sinne: Alles Gute nachträglich zum Vatertag, Inu no Papa! ;) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Na, da hat sich aber jemand Mühe gegeben.
Ich freue mich immer noch über Kommis wie ein Schnitzel, also hopp, tut dem kleinen Knopf was Gutes! :) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Es ist offenbar zwecklos einem Hund neue Tricks beizubringen und ihn Alte vergessen zu lassen. :>
Wie immer lauer ich gespannt auf eure Kommentare, die übringes auch der perfekte Raum sind für wüste Schimpftiraden über Kikyou ;) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich finde, auch Leser sollten gute Vorsätze haben. Einer davon wäre es, wieder öfter einen Kommentar voller Inhalt zu schreiben ;) Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (80)
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Von:  Vigeta_Lord_d_T
2019-05-27T08:11:23+00:00 27.05.2019 10:11
Ein sehr düsteres Kapitel. Das wird immer schlimmer.
Von:  Vigeta_Lord_d_T
2019-05-27T07:00:41+00:00 27.05.2019 09:00
Was für eine Kranke Scheiße leuft den jetzt hier ab .

Wie willst du das wieder gerade biegen????? Haaaa?????

Mache mir Sorgen um Kagome.

Von:  Vigeta_Lord_d_T
2019-05-27T05:59:36+00:00 27.05.2019 07:59
O o jetzt weiß ich warum es hollenhunde heißt ALLE 3 Inu's .

Arme Schweine.

Das ist eine Spitzen Idee.
Von:  Vigeta_Lord_d_T
2019-05-26T20:03:52+00:00 26.05.2019 22:03
A so kann man Bakusaiga,Sesshomaru s linken Arm und das Sesshomaru seinen Vater übertrifft auch einbaut toll Idee habe moch nie es in einem anderen ff gelesen..

InuYasha und Izayoi in der unterwelt warum das ????
Von:  Vigeta_Lord_d_T
2019-05-26T19:16:25+00:00 26.05.2019 21:16
Ich bin momentan so sauer wie Sesshomaru auf der waldlichtung .

Und freu freu mich mit einen dämonischen Lächeln über die Entwicklung vor allem da Sesshomaru jetzt auch noch Tessaiga hat 😈😈😈 jetzt kann die Partie steigen
Von:  Vigeta_Lord_d_T
2019-05-26T18:25:34+00:00 26.05.2019 20:25
Ich finde das Kapitel super 1A .
Vor allem der Schwur !!!!
!!!!Mein Leben und Schwert für den Westen! Ich gelobe Dir Sesshoumaru Treue bis in den Tod und darüber hinaus. Und ich gelobe!!!!!!!! KAGOME !!!!!!!!und Rin Treue; wenn ich sie durch mein!!!!!!!!!! Leben !!!!!!!!!oder meinen !!!!!!!!!!! Tod bewahren kann, so sei es!“ !!!!!!!!

Tja ich weiß ja auch nicht ABER nach demmmmmmmmm Schwur den Sencho und ALLE anderen geleistet haben ob die so begeistert erfreut oder sogar in Jubel ausbrechen wenn sie erfahren WASSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSS der Herrin des Westens passiert ist wage ich zu bezweifeln.

Ich glaube ein paar min 3 Yokais werden da noch stinkt sauer werden wenn sie davon erfahren.
Antwort von:  Vigeta_Lord_d_T
26.05.2019 20:26
Ps. Sesshomaru und hanjou na toll so ein Idiot er sollte sich freuen der Depp.
Von:  Vigeta_Lord_d_T
2019-05-26T17:02:11+00:00 26.05.2019 19:02
Ich habe da eine Vermutung. Aber das wäre der über Hammer wenn Sesshomaru das Vorhaben sollte.

Schloss der westlichen Länder?????
Von:  waldhexe91
2018-04-02T06:36:59+00:00 02.04.2018 08:36
Ich hoffe du schreibst irgendwann weiter. Finde die Geschichte sehr spannend.
Von:  holzeren
2017-10-09T19:35:31+00:00 09.10.2017 21:35
Wahnsinn..geile geschichte
Von:  Chrysanteme
2017-06-28T10:44:07+00:00 28.06.2017 12:44
Och neeee...immer wenns am spannensten ist. Aber wieder eine tolle und fesselnde Geschichte. Große Verbeugung vor deiner Phantasie und deinem Einfallsreichtum...einfach überwältigend. Schreib bitte ganz schnell weiter...hoffentlich verliert Sesshoumaru nicht wirklich seine Erinnerungen ....und die arme Kagome...wie lange kann sie Sou'unga wohl noch trotzen....sämtliche Nägel schon abgekaut so mitreissend ist das 🤤😓😭 lg Chrysanteme






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