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Alaska

von

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Rosa Schleifen

„So… Kommst du jetzt?“, verlangte Dixie ungeduldig.

„Äh… Bitte was?“, fragte Kaskae genervt.

„Tu nicht so als ob du mich nicht verstanden hättest, komm schon! Du musst noch einmal dran ziehen, dann ist der Knoten gelöst! Mach schon!“

„Wozu? Damit ich wieder Ärger bekomme? Vergiss es. Zudem wird es bald dunkel.“, wand Kaskae ein.

„BALD? Wir haben Mittag.“

„Ja und? Ich will nicht. Ich häng jetzt schon an der Kette, wer weiß wo ich später lande.“

„Komm schon! Ich… Äh…“ Dixie brauchte jetzt irgendwas womit sie Kaskae locken konnte „Balto! Willst du Balto kennenlernen?“,

„Was? Wirklich?“

Ha! Jetzt hatte Dixie sie! Kaskae wurde allein bei der Nennung von Baltos Namen neugierig. Grund dazu hatte sie alle Male, immerhin wurde hier so viel über ihn gesprochen, aber getroffen hatte sie ihn noch nie.

„Jaaaa… Nun komm endlich! Komm schon!“, nörgelte Dixie und biss Kaskae spielerisch in den Schwanz.

„Au! Ist ja gut, aber nur ganz kurz, klar?“ Wirklich wohl war Kaskae bei dem Gedanken mal wieder herrenlos durch die Gegend zu laufen, während Jane sonst was einkaufen war, nicht unbedingt. Aber gut, für die Wissenschaft! … Oder zumindest für ein Kennenlernen mit dem berühmtesten Halbwolf den dieses Kaff zu bieten hatte.
 

Nach grade mal zehn Minuten schnellen Gehens, was bei Dixie aufgrund ihrer kurzen Beine wirklich bescheuert aussah, waren die Hündinnen bei Baltos Schiffswrack angelangt. Kaskae hatte irgendwie nicht damit gerechnet, dass der große Held Nomes in einer solch bescheidenen Behausung lebte. Obwohl… Ihre Hundehütte sah gegen einen ganzen Fischkutter auch recht alt aus.

„Balto?“, rief Dixie.

„Vielleicht ist er bei Jenna…“, meinte Kaskae und zog instinktiv den Schwanz ein, als sie das knarzende Wrack betraten. WOHL war ihr nicht hierbei, vor allem weil es hier deutlich nach Eisbär roch. Was zur Hölle hatten die hier wieder zu suchen?

„Ach was, der ist bestimmt hier… Und hör auf dich wie ein Welpe auszuführen, ich seh neben dir ja fast schon wieder mutig aus.“, beschwerte sich Dixie.

„Oh entschuldige, ich zeig nur etwas höfliche Zurückhaltung…“, knurrte Kaskae genervt.

„Und knurr mich nicht an! Man, du bist echt ‘ne Memme.“

„Und du vergisst gelegentlich dass ich dir den Kopf abbeißen könnte.“, gabt der Malamute schnippisch zurück.

„Und du vergisst gelegentlich, dass ich zu anmutig und süß bin um zu sterben.“

„Dafür dass du mit grade mal bis zum Bauch reichst bist du echt ziemlich frech.“, gab Kaskae zur Antwort und stellte die Ohren auf, als sie den Schnee hinter sich knirschen hörte.

„He! Baltooo! Komm, Dixie ist da!“

Eine Gans? Ja, da sprach ganz eindeutig eine Gans. Diese Vermutung bestätigte sich such als sie den Kopf drehte.

Da stand da tatsächlich eine Schneegans vorm Wrack und sah den beiden Hunden mit einer solchen Gelassenheit entgegen, als ob absolut keine Gefahr von ihnen ausgehen würde. Mutiges Gänschen… Und er war so schön fett… Woah, Kaskae bekam plötzlich solchen Hunger!

„Balto! Komm schon.“

Der Gänserich flatterte zu Dixie und Kaskae, wobei diese ihn wie ein Marsmännchen anstarrte.

„Na Dixie, wen hast du uns da angeschleppt? Hab sie noch nie gesehen.“, wollte er wissen.

„Ich bin Kaskae… Ich komm nicht sonderlich oft vor die Tür, lebe auch noch nicht so lange hier.“, antwortete die Hündin. Sie hatte keine Lust dass andere für sie antworten, so als ob sie ein unfähiger Welpe war, der zu verschüchtert war um selbst das Maul auf zu bekommen.

„Boris, was gibt’s denn?“

Wer nun vor dem Wrack auftauchte zerstörte so ziemlich jede Vorstellung, die Kaskae von Balto gehabt hatte.

Sie hatte sich unter Balto dem Halbwolf immer einen gefährlich wirkenden, großen, kräftigen, silber-weißen Mischling vorgestellt, gewissermaßen unberechenbar, ein halber Wolf eben, doch der Balto der vor ihr stand war alles andere als das.

Im Gegenteil, der Mischling vor ihr war unscheinbar. Grau-braun, orangene Augen, recht große Pfoten… Natürlich sah man den Wolf in ihm, doch es war nicht so, als ob er auf irgendeine Art und Weise besonders… besonders aussah.

Was Kaskae vor allem verwunderte war die Größe. Sie konnte sich noch an den ausgestopften Wolf erinnern, den sie mal angefallen hatte. Der war mindestens so groß gewesen wie sie, doch Balto? Da war selbst Steele merklich größer! Ach was, sogar sie selbst überragte den Mischling um einen halben Kopf!

Kurz um, sie war auf allen Ebenen enttäuscht worden.

„Dixie? Ich hätte dich gar nicht erwartet“ Balto eilte zu ihnen „Ist was? Und wer bist du eigentlich?“

„Hi Balto“, begrüßte Dixie ihn stürmisch „Ich bin nur schnell vorbeigekommen um dir jemanden vorzustellen, das hier ist Kaskae, hat Jenna dir schon von ihr erzählt?“, plapperte sie.

„Äh, ja, äh, also ja, kann sein… Tut mir leid, ich hab mich dir noch gar nicht vorgestellt.“, sagte Balto.

Kaskae schmunzelte darüber wie Dixie sie Balto vorstellte. Sie fand die Unruhe und Nervosität dieses Wollknäuls irgendwie ganz reizend. Dixie war auf ihre Art einfach süß.

„Ach, nicht so schlimm, wann hat man schon die Möglichkeit mich überhaupt kennenzulernen? Ich komm doch so selten unter Leute.“, spaßte Kaskae, auch wenn ihr bewusst war, wie wahr ihre Aussage eigentlich war. Oh verdammt, Jane sollte wirklich öfter mit ihr Gassi gehen…

„Freut mich sehr dich endlich mal kennenzulernen. Jenna und ihre Freundinnen haben mir schon ein wenig über dich erzählt. Du kommst aus Ketchikan, nicht?“

„Ja, ich-“

„Ähm, Entschuldiguuung? Ich existiere auch noch!“, meldete sich plötzlich der Gänserich laut schnatternd zu Wort. Erst jetzt bemerkte Kaskae den russischen Akzent, mit dem er sprach. Aha, eine russischstämmige, dicke, alternde Schneegans… Irgendwie war die Welt grade sehr seltsam.

„Ach, ja, darf ich vorstellen, Boris.“, stellte Balto ihr die Schneegans vor.

Kaskae starrte den Gänserich noch immer mit einer Mischung aus Hunger und Verwirrung an.

„Äh… ja, bin erfreut…“ Sie räusperte sich „Ich bin… Na ja, mich kennst du ja schon.“

„So, aber um auf deine Frage zurückzukommen“ Kaskae wand sich wieder Balto zu, auch wenn sie ein gewisses Misstrauen ihm gegenüber hatte „Ja, ich komme aus Ketchikan. Wirklich erstaunlich was hier jeder über mich weiß, ohne mich auch nur ein mal persönlich gesprochen zu haben. Ich seh schon, Dixie, Sylvie und Jenna leisten ganze Arbeit.“

Dixie grinste geschmeichelt. „Ach, du kennst uns inzwischen doch wohl gut genug, nicht?“

Balto schmunzelte amüsiert.

„Na ja, du solltest Jenna da vielleicht raushalten, unsere größte Tratschtante ist gleichermaßen auch der kleinste Hund den Nome zu bieten hat.“

„Hey, jetzt wirst du beleidigend, Morse ist immer noch kleiner als ich!“, verteidigte Dixie sich und ihre elf Kilo Eigengewicht, von denen die Hälfte Fell war.

„Wer zur Hölle ist Morse?“, fragte Kaskae. Sie hatte schon ein paar Hunde im Ort gesehen, mal von nahem, mal von weitem, aber Morse war ihr neu.

„Morse ist dieser epileptische Mops.“

„Njet“, mischte sich Boris ein „Er ist eine Englische Bulldogge.“

„Dann eben so, was interessiert’s mich? Er sieht aus wie gegen eine Wand gerannt, ist doch das gleiche.“, sagte Dixie genervt.

„Aha… Aber ihr seid doch sicher nicht nur gekommen um mir Kaskae vorzustellen, oder? Sei ehrlich Dixie, ich kenn dich inzwischen…“

Der kleine Samojede grinste unschuldig und sah gespielt schockiert zu Kaskae, die sich neben sie gesetzt hatte. Selbst wenn sie saß, war sie genauso groß wie Balto wenn er stand.

„Ich FASS es einfach nicht! UNSERE Anwesenheit, ist dir also nicht Grund genug uns dabei zu haben? Balto, du hast mich auf ALLEN Ebenen enttäuscht.“

Kaskae lachte auf, als Dixie theatralisch die Pfote über den Kopf schlug.

„Nana, nun übertreib mal nicht. Ich denke zudem kaum, dass sich jemand wie du den ganzen Weg hierher macht ohne irgendwas wirklich wichtiges zu sagen.“ Ach, Boris hatte eine wundervolle, direkte Art…

„Hey, bin ich etwa unwichtig?“, wandte Kaskae spaßend ein.

„Na ja, er hat schon recht, eigentlich hab ich tatsächlich noch eine Kleinigkeit zu erzählen. Pass auf, ich war vorhin bei Morse und wisst ihr wer nächstes Wochenende in Nome ankommt? Ihr werdet es nicht glauben, aber wir bekommen tatsächlichen mal ausländischen Besuch! Und zwar kommt ein russischer Pelzjäger her und er hat sogar einen Hund!“, erzählte Dixie voller Stolz. Hach, es war toll alle Neuigkeiten in diesem Kaff als erste zu wissen…

„Jäger? Oj, warum können es keine Goldsucher sein? Dann würde ich mich weniger bedroht fühlen…“, sagte Boris und stieß einen langgezogenen Seufzer aus.

„Dafür brauchst du einen Jäger? Reich ich dir nicht?“, fragte Kaskae hab spaßend, halb ernst.

Die Blicke, die sie ansahen, sprachen jedoch für sich. Oh super, ja Kaskae, komm, mach erst mal einen richtig guten Eindruck!

„Okay, deine Humor muss man mögen.“, meinte Dixie kichernd und löste die Situation, bevor ein unangenehmes Schweigen entstehen konnte. Oh verdammt, wie unfassbar dankbar Kaskae ihr doch war…

Doch plötzlich glaubte sie, das Herz bliebe ihr stehen und sämtliches Blut schoss ihr aus dem Kopf.

„Äh, tut mir leid wenn ich euch jetzt hier stehen lasse, aber ich muss ganz dringend zurück, ich… Oh Scheiße, ich, es tut mir leid, aber man sieht sich sicherlich noch mal, ich… Äh, bi dann!“

Und weg war sie.

„Wow, rennen kann sie ja…“, war Boris‘ Kommentar.

„Was war denn jetzt los?“, fragte Balto. Das war nicht grade die Art, auf die man hofft, dass eine erste Begegnung endet.

„Keine Ahnung, ich… Ach, ihr Frauchen! Ich kann dir sagen“ Dixie setzte sich und verdrehte genervt die Augen „DAS ist so eine… Die verbietet ihr einfach ALLES!“

Und dann begann Dixie Balto in allen Einzelheiten von Kaskaes schrecklicher Misere, natürlich wie immer ein bisschen übertrieben, zu erzählen.
 

Währenddessen schlitterte Kaskae in die Straße, von der sie wusste, dass Jane sie dort angebunden hatte. Sie wäre jedoch beinahe auf einer zugefrorenen Pfütze ausgerutscht und mit ihrer Pfote in ihrer eigenen Leine hängen geblieben und sich dabei fast die Schulter ausgekugelt, was schon echt extrem erbärmlich war. Generell war ihr Anblick, wie sie da die Straße entlangstolperte, mehr als dämlich. Nur der Anblick eines Hundes, der an die fünfzig Kilo wog und dabei die Eleganz eines sterbenden Bären hatte, war kurzum tölpelig.

Stark hechelnd setzte Kaskae sich wieder an den Pfosten, wo Dixie es geschafft hatte sie loszubekommen und legte erschöpft den Kopf in den Nacken.

Jedoch blieb ihr nicht viel Zeit zum Verschnaufen.

„Kaskae?“

Star und Kaltag kamen um die Ecke und liefen natürlich sofort auf sie zu, als sie die Hündin vor dem Laden sitzen sahen.

Dabei hatte Kaskae gerade gar keine Lust auf die beiden…

„Ja?“

„Hast du schon gehört?“, begann Kaltag.

„Hm?“

„W-wir bekommen bald besuch! Nächste Woche kommt-“

„Jaja“, unterbrach Kaskae ihn ungehalten, wobei sie noch immer mit ihrer Atmung beschäftigt war„ein Russe inklusive Hund kommt nächste Woche in den Ort, ist gut! Mein Gott, ich hab dauernd Dixie um mich herum, natürlich weiß ich es. Wie kann man etwas denn nicht wissen, wenn man Dixie um sich hat?“

Star, der aufgrund ihrer scharfen Zurechtweisung plötzlich sehr verunsichert war, zog es plötzlich vor zu schwiegen.

Jedoch hätten sie einander sowieso nichts mehr sagen können, da Jane gut gelaunt aus dem Laden kam, in dem sie die ganze Zeit gewesen war.

„Heeey, schau mal was ich dir gekauft hab! Ohhh, du wirst SO SÜß aussehen!“ Jane quiekte fast als sie das sagte und ging vor Kaskae in die Hocke „Hey, hat sich deine Leine etwa gelöst? Wow, du bist sogar sitzen geblieben, du bist ja so ein liebes Mädchen? Hm? Jaaaaaa, das bist du! So, schau mal…“ Sie kramte in ihrer Tüte rum und was sie da raus holte, war Erniedrigung auf allein Ebenen, zumindest wenn Kaskae ein Rüde gewesen wäre.

Trotzdem! Sie wog über fünfzehn Kilo und alles was mehr als eine Ratte wog, hatte eine solche Schmach nicht verdient! Sie hingegen… Toll, dann auch noch vor Kaltag und Star, die das ganze Spektakel irritiert beobachteten.

Sie hatten wohl noch nie gesehen, wie einem Hund eine rosa Schleife um den Hals gebunden wurde.

„Sagt nichts… ich bin so peinlich…“

„Was? Nein, gar nicht!“, widersprach Kaltag ihr, jedoch wahrscheinlich nur um sich ein bisschen bei ihr einzuschleimen. Ja, Kaltag und sein Glück bei den Weibern. Wenn er ihnen schon erzählen wollte, was sie hören wollten, dann sollte er das glaubwürdiger machen.

„A-also was er damit sagen wollte, also nicht DU bist peinlich, sondern das was dir… also die Schleife, also nicht direkt du, du bist toll, nur, n-nur…“

Wenn Kaskae gekonnt hätte, so hätte sie Star wahrscheinlich eine runtergehauen. Sein dummes Gestottere half ihr nicht im geringsten und irgendwie ließ er sich grade wie einen Idioten dastehen.

Jedoch schien Kaltag diese Aufgabe liebend gern zu übernehmen und schlug Star eine über die Rübe.

Durch dessen Aufjaulen wurde jetzt sogar Jane endlich mal auf die beiden Rüden aufmerksam.

„Hey, was macht ihr hier die ganze Zeit? Kusch, bleibt bloß von ihr… Na los, kuschkusch!“

Sie machte ein par zischende Laute und wedelte mit den Armen herum, was effektiv genug war um Kaltag und Star ein paar Meter weiter weg zu treiben.

„Ach, Mistviecher. Ich hasse es wenn die Hündinnen nachstellen als wären die Frischfleisch… Aber jetzt komm, wir werden heute ganz lange spazieren gehen, ja?“

Und schon war ihr Tag gerettet!

„Nach dem Mittagessen.“

Na ja… Fast.
 

Und sie hatte ihr Versprechen gehalten.

Etwa eine Stunde später durchstöberte Kaskae den Hochschnee, wobei sie sich recht nah an den Wald traute.

Jane beobachtete sie zwar mit Argusaugen, doch verließ die befestigten Wege nicht mal im Traum.

Doch es freute Kaskae einfach mal so schnell sie konnte völlig ungebremst durch den Schnee rennen zu können, OHNE nach einigen Metern gegen einen Zaun zu rennen.

Ganz ehrlich, Kaskae hätte nicht in Worte fassen können wie sehr sie das hier leibte und vor allem wie sie es vermisst hatte!

Nicht mal ihre peinliche Schleife störte sie, es war ihr absolut egal ob sie jemand sah.

Und was sie wirklich freute war die Tatsache, dass Jane ihr endlich mal wieder merkbar Vertrauen entgegenbrachte. Jane war jemand, die immer besorgt darüber war, dass etwas schief gehen könnte und es fiel ihr schwer Kaskae in offenem Gelände von der Leine zu lassen.

Wenn Kaskae es sich so überlegte war das hier sogar das erste mal, dass sie, seit sie vor etwa einem Monat hergezogen waren, überhaupt mal ohne Leine durch die Gegens gehen durfte.

Vertrauen… Wenn Kaskae so darüber nachdachte, war das etwas, was sie sich mehr von Janes Seite wünschte. Kaskae vertraute ihr blind, sie hatte nie Leid durch sie erfahren, aber dennoch schien das Mädchen ihr gewisse Dinge nicht zuzutrauen.

Gehorsamkeit zum Beispiel.

Es stimmte ja, wenn Kaskae jetzt etwas hochinteressantes sehen würde und Jane nach ihr rufen würde, würde es eine Weile dauern bis sie kam. Doch sie würde kommen, Kaskae würde niemals weglaufen, auch wenn es vielleicht mal so aussehen würde. Sie würd IMMER zurückkommen, wenn auch nicht sofort.

Der Blick der Hündin schweifte nun zur Küste ab.

Moment, waren da Möwen?!

Sie warf zwar noch einen schnellen Blick zu Jane, doch als diese ihr nichts sagte, hetzte sie bereits in Richtung Meer.

Die Möwen, die so lange wie möglich versucht hatten an ihren Ruheplätze verbleiben zu können, in der Hoffnung, dass Kaskae sich vielleicht doch noch umentscheiden würde, schreckten nun furchtbar auf und flogen panisch in alle Richtungen davon.

Jane, die ihren Hund aus einigen hundert Metern Entfernung beobachtete, musste Schmunzeln, einfach weil Kaskae sich so sehr zu freuen schien.

Es war so süß ihr dabei zuzusehen, wie dieser riesige Hund mit seinem Pinken Halsband und der süßen Schleife im Nacken durch den Schnee, der ihr schon fast bis zum Bauch reichte, zum Ufer rannte und dann laut bellend und um sich schnappend, Möwen in alle Richtungen jagte.

Sie wusste gar nicht wann sie sie das letzte Mal so glücklich gesehen hatte.
 

Kaskae achtete darauf jedoch gar nicht. Sie hatte Jane völlig vergessen, sie war nur noch auf ihre Möwen fixiert.

Zumindest so lange, bis ihr nach einiger Zeit ein anderer Hund zeigte, welcher sie nun schon eine gewisse Zeit beobachtet hatte.

Nein, es war nicht so als ob Steele aus Langeweile Hündinnen nachstellte, so verzweifelt und unausgeglichen war er bei weitem noch nicht, aber es war ja nicht das erste Mal, dass er aus Langeweile an den Strand gegangen war.

Er mochte das Meer und hin und wieder jagte auch er gerne mal Tieren hinterher, die kleiner waren als er. Möwen eben.

Und manchmal da beobachtete er die Vögel auch einfach nur so. Manchmal legte er sich einfach hinter einen kleinen Schneehaufen, ließ den Kopf auf den Pfoten Ruhen und beobachtete die Welt um ihn herum mit allen Sinnen, wie ein ganz normaler Hund.

Ja, kaum zu glauben, aber auch Steele war ein ganz normaler Hund wie jeder andere, auch wenn er selbst wohl einfach zu stolz war zuzugeben, dass er nicht besser war. Aber auch er war eben was er war: Ein simpler Hund, der manchmal einfach nur seine Ruhe vor der Welt haben wollte, sich irgendwo hinsetzen wollte und stillschweigend seine Löcher in die Luft starrte und überlegte was er denn nur als nächstes tun könnte.

Und hier konnte man das eben am besten. Vor allem jetzt, wo noch Packeis auf dem Meer schwamm, waren kaum Menschen an der Küste. Er hatte sie dann meist ganz für sich.

Nur selten bekam er Gesellschaft. Früher hätte er das einfach ignoriert oder gar eine Konversation angefangen, doch seit der Sache mit Balto mied er Kontakt mit den Hunden generell. Und sie halfen ihm dabei ganz vorzüglich, indem sie ihn einfach ignorierten.

Irgendwie war es ihm inzwischen egal geworden, aber bei Kaskae war er vorsichtig. Sie hatte anscheinend noch immer keine Ahnung wer er eigentlich war und das sollte so lange so bleiben, bis er sie um den Finger gewickelt hatte, wenn möglich sogar noch länger.

Kaskae generell schien sich aber gar nicht um Namen zu kümmern. Sie fragte einfach gar nicht nach, wer denn alles in Nome lebte, sie kannte eben ein paar Hunde, manche mehr, manche weniger und ansonsten fragte sie auch nicht weiter nach.

Und ihm konnte es recht sein, das war nur umso besser für ihn.

Er wusste, dass es unausweichlich war. Irgendwann würde sie wissen wer er war, was er getan hatte, aber wenn sie erst mal bis dahin eine solche Symphatie oder gar mehr für ihn empfand, dann würde es ihr egal sein.

So wie Steele sie bisher kennengelernt hatte, erschien sie ihm wie einer von dem Typ Hund der, wenn du ihm nur das Gefühl gibst genug geliebt zu werden, dir alles verzieh.

Und Steele mochte sie doch, wirklich! Er hatte absolut nichts gegen sie, er fand sie in so vielen Dingen liebenswürdig, von ihrer Reinrassigkeit mal abgesehen. Sie war einfach nett.

Aber nicht die Art von nett wie er es von den anderen Hündinnen gewohnt war.

Sie kannte ihn nicht, sie war in keiner Weise von ihm voreingenommen, er hatte keinen Ruf bei ihr, für sie war er einfach ein Fremder gewesen, den sie kennenlernen musste. Und am besten, so empfand er es, würde sie den Steele kennenlernen, den sie haben wollte. Sie musste ja nicht wissen, dass er die schlimmste Dreckstöle sein konnte, die es gab. Nicht dass er das zugab! Neiiin, er hätte nicht zugegeben, dass er ein leiiiichtes Autoritätsproblem besaß… Sah ER etwa aus wie ein Fall für Martin Rütter?

Was auch einen Unterschied machte, ihrer Sicht ihm gegenüber war, dass er sich ihr gegenüber nicht so derartig aufspielte weil er eben genau wusste, dass er es mit ihr feinfühliger angehen wusste. Sie war eben seine einzige Möglichkeit erstens mal wieder eine Hündin von oben zu sehen und zweitens hin und wieder mit irgendwem zu reden und nicht völlig durchzudrehen.

Und sie brachte ihn zum Lachen.

So wie jetzt grade.

„Nette Schleife.“, gab er von sich und schaffte es das Kreischen der Möwen ein wenig zu übertönen.

Kaskae, die bis grade eben noch immer ziemlich kopflos und unbeschwert den Möwen hinterhergehetzt war und inzwischen mit den Pfoten im Meerwasser stand, zuckte zusammen und starrte Steele an als ob er sie umbringen wollte.

„Was? Oh, äh, ja, äh… Oh Gott. Das ist so peinlich…“, gab sie beschämt von sich und versuchte durch einziehen des Kopfes die Schleife irgendwie in ihrem Fell zu verstecken.

Jane hatte jedoch viel zu gute Arbeit geleistet, die Schleife sah man deutlich.

„Nein, ist sie nicht“, erwiderte Steele sofort „Die ist einfach nur niedlich. An dir zumindest.“

„Oh… äh, danke… Findest du wirklich?“, hakte Kaskae nach und entspannte den Hals ein wenig.

„Ja, hat dir das noch niemand gesagt?“

„Na ja, Jane eben, ausgiebig… Aber was wissen Menschen schon darüber was Hunden untereinander gefällt“ Ein Hauch Sarkasmus ließ sich in ihrer Stimme ausmachen, als sie dieses abwertende Auflachen von sich gab „Und Star und Kaltag… Zumindest glaub ich dass sie es versucht haben.“

Zu gerne hätte Steele jetzt irgendein abwertendes Kommentar über die beiden rausgehauen. Ja, er spürte sogar so was wie Neid oder Eifersucht gegenüber den beiden.

Es war dumm von ihm zu glauben, dass Kaskae NIE mit einem anderen männlichen Wesen in Kontakt kommen würde, aber er hätte es gerne so gut wie möglich verhindert. Er mochte den Gedanken an mögliche Konkurrenten bei der EINZIGEN Hündin, bei der er Chancen hatte, überhaupt nicht.

„Ach, ich finde du siehst ganz entzückend mit der Schleife aus. Schäm dich doch nicht dafür.“, bestärkte er sie nochmals „Und willst du nicht langsam aus dem Meerwasser?“

„Oh, haha, ja.“ Sie ließ schnell ein paar Schritte weiter nach rechts, wo das Wasser vom Meer aus nicht mehr mit jeder Welle gegen ihre Pfoten gespült wurde.

„Was machst du eigentlich hier?“, fragte er sie nun und kam ihr ein paar Schritte näher.

„Möwen jagen. Ich darf endlich mal in ruhe durch die Gegend rennen.“, erklärte sie. Dass sie bestimmt bald wieder nach Hause musste, wollte sie jedoch gar nicht erst erwähnen.

„Denkst du nicht auch, dass du zu alt für so was bist? Du bist doch kein Wolf, jagen ist für uns Hunde doch völlig unnötig.“, sagte er und sah einigen Möwen hinterher, die noch immer über ihnen kreisten.

„Ich fress sie ja nicht und es macht Spaß. Aber apropos Wolf, rate wen ich heute endlich mal kennengelernt habe!“, begann sie nun aufgeregt zu erzählen und sah Steele vorfreudig entgegen. Sie konnte es gar nicht abwarten ihm davon erzählen, sie war generell recht erzählfreudig.

Steele war das jedoch herzlich egal, er hätte liebend gern über alles mit ihr gesprochen, nur warum ausgerechnet dieses eine Thema?

Er hasste Balto und er hasste die Tatsache dass sie ihn kannte. Er mochte ihn nicht, er mochte es nicht wenn Dinge nicht der Norm entsprachen, er mochte diesen Wolfshybriden nicht, er mochte es nicht, dass er schneller war als er, er mochte es nicht, dass nun auch Kaskae mit diesem Subjekt Kontakt hatte, Stelle verachtete ihn einfach!

Doch was sollte er schon tun? Und überhaupt, grade als er irgendwas erwidern wollte, sprach sie sowieso schon weiter…



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