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[Barkeeper-Reihe 03] Barkeeper in Not

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Kapitel 10 - Beziehungs-Allerlei

Kapitel 10 - Beziehungs-Allerlei
 

~Marcell~

Gut gelaunt lasse ich mich auf die Couch im Pausenraum fallen und werde ganz sentimental. Hier hat alles angefangen. In Gedanken versunken fahre ich mit der Handfläche über das Polster. Das Ding hat auch schon bessere Tage gesehen. Na was solls? Hauptsache man kann sich mal für eine Viertelstunde setzten. "Hey Marcell." Ich schaue auf.

"Hallo Laurin." Mein Kollege kommt auf mich zu und plumpst neben mir auf die Couch. Dabei bläst er laut die Luft zwischen seinen Lippen hindurch. "Viel los heute, was?", frage ich ihn.

"Oh ja! Manchmal stürmen sie alle auf einmal auf einen ein! Da weiß man manchmal gar nicht wo man anfangen soll!"

"Stimmt ..." Ja, manchmal ist es stressig hier, aber ich freue mich immer, wenn es hinter der Theke brummt. Schließlich ist das nur gut für Anton. Für meinen Anton ... Sofort sehe ich ihn vor mir. Wie er mich anlächelt und dabei seine kleine Zahnlücke aufblitzt. Ich liebe es mit meiner Zunge an ihr entlangzufahren. Und ich liebe es, wenn seine Zunge dabei ...

"Hey, Marcell! Hörst du mir überhaupt zu?"

"Was?" Oh Shit! Hat Laurin mich eben was gefragt?

"Sag mal, was ist denn heute mit dir los? Du bist schon den ganzen Abend so abwesend und grinst dümmlich vor dich hin." Oh oh! Das ist nicht gut.

Ich zucke mit den Schultern. "Weiß nicht was du meinst", lüge ich. Natürlich weiß ich was er meint. Ich kann nämlich nur an eins denken: An Anton.

"Oh doch, das weißt du ganz genau!", lacht mein Arbeitskollege und setzt sich schräg zu mir. Ein Bein legt er dabei auf die Sitzfläche und ich sehe aus den Augenwinkeln, wie er mich ganz genau mustert. "Liegt das etwa daran, dass du gestern Abend einfach mit unserem Boss stiften gegangen bist?" Doppel Oh oh!

"Vielleicht ..." Meine Mundwinkel ziehen sich nach oben. Verräter!

"Erzähl! Los!", jubelt Laurin und klammert sich an meinem Arm fest. "Was ist das zwischen euch? Liebe? Sex? Beides?"

Verwundert starre ich ihn an. Seit wann ist er denn so auf Tratsch aus? "Sorry Laurin, aber ich denke, dass Anto... unser Boss! Dass es unser Boss nicht gern sieht, wenn in seinem Club gleich wieder allerlei Gerüchte in den Umlauf gebracht werden."

"Gerüchte?! Meinst du, ich würde das weiterplaudern? Ich werde wie ein Grab schweigen! Ich schwöre! Außerdem ... Ich habe auch ein kleines Geheimnis."

"Ach?" Laurin nickt. "Du?" Er nickt heftiger. "Und was für eins?"

"Es dreht sich um Justin. Er hat in Spanien einen Verflossenen, den Vince und ich letztens angerufen haben. Ramon heißt er und kommt bald zu uns."

"Da wird er sich aber freuen." Justin hat also einen Lover in Spanien. Kein Wunder, dass er auf die Anmachen unserer Gäste und teilweise auch von unseren Kollegen nicht eingeht.

"Mal sehen. Als es ernster zwischen den beiden wurde, ist er abgehauen. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir das hinbekommen. Justin ist noch immer in Ramon verliebt. Das sehe ich ihm an."

"Dann drücke ich euch die Daumen, dass das alles klappt." Ei, ei, ei. Überall nur Liebesdramen. Außer bei mir und Anton … Ich bin so glücklich!

"Danke. Aber pssst! Justin darf nichts spitz bekommen. Du verrätst nichts und ich verrate von dir auch nichts. Einverstanden?"*

"Na gut", gebe ich klein bei. "Aber wirklich kein Wort zu niemanden! Auch wenn hier sowieso schon alle am rumtratschen sind deswegen."

"Versprochen!" Ich glaube, Laurin kann ich es anvertrauen. Über ihn wurde in der Vergangenheit auch immer viel getratscht. Hauptsächlich ging es darum, dass er bei den Gästen den Ruf hatte, jeden eiskalt abblitzen zu lassen. Daher auch sein Spitzname 'Eisprinzessin'. Es liefen sogar die abenteuerlichsten Wetten auf ihn! Er weiß also wie es ist, wenn über einen geredet wird.**
 

"Anton hat mir vor kurzer Zeit aus der Patsche geholfen", beginne ich und spreche so leise wie möglich. Es ist zwar niemand hier, aber man weiß ja nie. "Ich habe ein Haufen Ärger wegen meinem Ex am Hals, der auf einmal verschwunden ist und unauffindbar abgetaucht zu sein scheint. Jedenfalls bin ich wegen ihm aus meiner Wohnung geflogen. Da stand ich also mitten in der Nacht, hatte meinen ersten Arbeitstag im Velvet erst hinter mir und fand niemanden der mich aufnehmen konnte. Deshalb bin ich hier her zurückgekommen und wollte auf der Couch übernachten."

"Oh. Hier?"

"Ja. Aber Anton hat mich entdeckt. Ich dachte erst, jetzt ist es vorbei. Der schmeißt dich hochkant raus, aber dem war nicht so. Er gab mir eine freie Wohnung in seinem Mietshaus, half mir dabei meine Sachen aus dem Lagerraum zu holen, in dem mein ehemaliger Vermieter alles gestopft hatte und er hat sich sogar um einen Anwalt für mich bemüht. Na ja und dann hat Anton sich den Fuß geprellt. Ganz klar, dass ich ihm meine Hilfe angeboten habe und dann kamen wir uns dabei immer näher und ..." Laurins große Augen werden noch größer. "Wir haben gestern miteinander geschlafen!", quietsche ich aufgeregt. Sorry Anton, aber ich musste das jetzt jemanden erzählen!

"Echt?" Ich nicke. "Wahnsinn! Und wie wars?"

Ich lache leise. "Wahnsinnig schön!"

Laurin legt einen Arm um mich und wuschelt mir durchs Haar. So was! "Heißt das jetzt, da läuft was zwischen euch?"

Meine Mundwinkel ziehen sich immer wieder nach oben. "Ja. Das heißt es." Ich kann es immer noch nicht fassen. Aber: "Heute morgen hat mich Anton gefragt, ob ich mit ihm zusammen sein will und ich hab einfach ja gesagt." Jepp. So war es gewesen.

"Wie geil ist das denn?!", jauchzt Laurin. "Ich freue mich ja so für euch! Ich hab doch gewusst, dass sich da was zwischen euch angebahnt hat! Schon beim Probearbeiten!" Meine Wangen werden heiß. Da hat man es schon gemerkt? "Der Boss war ganz beeindruckt von dir", kichert er und lässt mich wieder los.

Vor der Tür rappelt plötzlich was. "Was ist denn da passiert?", frage ich und schaue zur geschlossenen Tür.

"Da muss wohl jemanden was aus der Hand gefallen sein." Kann sein ... Laurin steht auf. "So! Unsere Pause ist um. Kommst du? Die durstigen Gäste warten." Ich ergreife Laurins Hand, die er mir entgegenstreckt und lasse mich von ihm hochziehen.
 

***
 

~Marcell~

Inzwischen komme ich mit Antons Wagen schon viel besser klar. Heute Mittag bestand er darauf, dass ich mit der Karre zur Arbeit fahre. "Sonst lasse ich dich nicht gehen. Außerdem ahnen es doch sowieso schon alle, dass wir ein viel intensiveres Verhältnis zueinander haben, als es für einen Chef und Angestellten üblich ist", hatte er mir zugeraunt, ehe mich zum zigsten Mal aus meiner Kleidung befreite. Ich hatte schlussendlich klein bei gegeben und bin mit dem Protzwagen losgedüst. Nicht zuletzt wegen der Tatsache, dass ich so viel schneller wieder bei ihm bin, wenn ich Feierabend habe. Was gerade jetzt der Fall ist. Noch ein paar Minuten und ich bin Zuhause.

Zuhause ... Wie sich das anhört! Trotzdem ist es ja noch gar nicht richtig mein Zuhause. Irgendwie müssen wir das noch regeln mit der Wohnung. Eine Endlösung ist das meiner Meinung nach noch nicht und ich will ihm auch nicht weiterhin auf der Tasche liegen. Allerdings ... ausziehen will ich auch nicht. Nicht wegen der schönen teuren Wohnung, die ich so 'billig' in Beschlag genommen habe, sondern natürlich wegen meinem netten Vermieter. Ich mag natürlich bei ihm bleiben. Es gibt also noch viel zu klären zwischen uns.

Wieder muss ich an den heutigen Morgen denken. Wie schön es gewesen war, neben Anton aufzuwachen. Als ich die Augen aufschlug, lag er schon da, seinen Kopf auf einen Arm abgelegt und schaute mich an. "Morgen", hatte er mir zugeflüstert und schickte seine freie Hand auf die Reise unter die Bettdecke. In kreisenden Bewegungen glitt sie über meine Haut und ließ mich wieder dahindämmern. Bis sein Mund sich auf meine linke Schulter legte und mir dort unzählige Küsse verpasste. Dabei sah er mich die ganze Zeit über an. Gott! Das war so schön gewesen! Als ob wir uns schon ewig kennen würden!

Ich klammere mich am Lenkrad fest und gebe Gas. Nichts wie nach Hause!
 

Die Garage liegt hinter dem Haus, weshalb ich einmal halb um das Gebäude laufen, oder mich durch den anliegenden, kleinen Garten kämpfen muss, um zur Vorderseite zu gelangen. Meist nehme ich den Garten. Das geht schneller und ich liebe es an den weichen Blättern des Ahorns entlangzustreifen. So auch diesmal. Pfeifend hopse ich von dem kleinen Vorsprung hinab und laufe die zwei Meter Gehweg bis zur Haustür. Ich bin ganz in Gedanken und bemerke es erst, als ich fast direkt vor der Tür stehe. Da steht mein Fahrrad!

Mir donnert die Kinnlade nach unten. Direkt neben der Haustür steht mein kleiner Drahtesel an die Wand gelehnt! Nur sieht es echt erbärmlich aus! Total demoliert steht es da, die Reifen sind erneut aufgerissen, der Rahmen ist verbogen und die Front- sowie die Rückleuchte sind kaputtgeschlagen. Doch als wäre das noch nicht genug, hängen an seinem krummen Lenker meine vermissten Schürzen. Alle mit weißer Pampe beschmiert. "Wer macht denn so was?", flüstere ich fassungslos, kann es mir aber eigentlich schon denken. Sebastian! Klarer Fall!

Aber was mache ich jetzt? Hier stehen lassen kann ich das Teil nicht und Anton möchte ich auch ungern etwas davon sagen. Oder sollte ich es ihm doch sagen? Um ehrlich zu sein beunruhigt mich der Anblick meines Fahrrads schon ein wenig. Dieser kleine Tänzer muss mich ja wirklich hassen. Doch vor allem: Er weiß, dass ich jetzt hier wohne. Sonst stände mein Rad ja nicht hier. Das hier ist ganz deutlich eine Drohung.

Unentschlossen starre ich das Frack vor mir weiter an und kratze mir unwohl in meiner Haut über die Arme. 'Was mach ich den jetzt?' Ob ich Theo anrufen soll? Ich beginne mich gerade mit der Idee anzufreunden, da geht die Haustür auf.

"Marcell! Wo bleibst du?" Anton! "Was machst du denn ... Was ist denn das?" Und da haben wir den Salat! "Ist das dein Fahrrad?"

"Das war es mal gewesen", antworte ich und atme tief ein. Die Idee mit Theo kann ich mir wohl vorerst in die Haare schmieren.

"Wie ist denn das passiert?" Anton beugt sich über mein armes, misshandeltes Rädchen und legt den Kopf schief. "Sind das die Schürzen aus dem Velvet? Du meine Güte! Wer macht denn so was?" Mit gerunzelter Stirn sieht er mich an. "Marcell?"

"Ich weiß nicht", lüge ich. Ich kann es ihm nicht sagen. Und ich will ihm nicht noch mehr Gründe dafür geben, dass er sich um mich sorgt. Er tut schon so viel für mich. "Irgendwelche Raudis." Ich zucke mit den Achseln und hoffe, dass er mir diese Ausrede abkauft.

"Raudis? Und wo kommen die Schürzen her?"

"Die wollte ich waschen. Ich muss sie auf meinem Rad liegen lassen haben." Ich wundere mich echt, wie ich mir so schnell all die Ausreden aus den Fingern saugen kann.

"Hattest du es nicht in die Garage gestellt?"

"Doch."

"Ja aber ...?" Anton seufzt und ich zucke erneut mit den Schultern. "Na gut. Stellen wir es erstmal neben hin, damit es nicht die Anwohner nervt." Entschlossen packt Anton mein Radel und schiebt es um die Ecke. "Morgen lasse ich es entsorgen. Da ist nichts mehr dran zu retten."

"Leider." Anton guckt mich traurig an und legt seinen Arm um mich. Dankbar lehne ich mich an ihn.

"Mach dir keinen Kopf. Ab jetzt nimmst du eben mein Auto." Er platziert einen Kuss auf meinen Haarschopf und zieht mich mit sich.

Du lieber, fürsorglicher Kerl! Vielleicht sollte ich doch mal mit Theo reden, bevor Sebbi noch total, Achtung Wortspiel, am Rad dreht.
 

~Anton~

"Ich habe uns was zu Essen bestellt", rufe ich Marcell zu, der es sich auf meiner Couch bequem gemacht hat. Er ist noch immer ganz durch den Wind. "Das kommt sicher gleich."

"Du musst doch nicht immer was bestellen. Ich hätte auch was kochen können." Mit zwei Gläsern und einer Flasche Wasser in der Hand humple ich zu ihm rüber. Meinem Fuß geht es zum Glück schon wieder ganz gut. Ansonsten hätte mich mein Katerchen bestimmt nicht die Getränke holen lassen. Oder aber, er macht sich doch noch Gedanken um sein Rad.

"Um diese Uhrzeit? Sicher nicht! Dafür gibt es Leute, die das für einen machen." Ich setzte mich neben ihn und ziehe ihn in meine Arme. Ohne Widerstand fällt er gegen mich. "Mach dir keine Gedanken um dein Rad. Wenn du willst kaufe ich dir ein Neues."

"Ich will kein Neues. Dazu habe ich auch gar kein Geld im Moment."

"Ich habe doch gesagt, dass ich dir eins kau..."

"Anton!" Verärgert schaut mein Schatz zu mir auf. "Lass das jetzt bitte! Ich habe keine Lust mit dir darüber zu diskutieren. Ich will einfach nur hier sitzen und dich bei mir haben."

"Okay ..." Nachdenklich drücke ich meine Nase in sein Haar. Ich bin anscheinend wirklich ein totaler Beziehungsanalphabet. Sonst hätte ich doch wohl gewusst, was mein Katerchen gerade will. Oder nicht? Und das Thema Geld lasse ich in Zukunft wohl auch erstmal lieber sein. Aber das ihn sein demoliertes Rad so mitnimmt ... Na gut. Dann tröste ich ihn eben still und leise und verkneife mir jedes weitere Wort.

So sitzen wir da, sagen kein Wort und halten uns fest, bis das Essen geliefert wird. "Ich geh schon!" Marcell rappelt sich auf, doch ich halte ihn am Arm fest.

"Alles wieder gut?", frage ich ihn und streichle mit meinem Daumen über seinen Unterarm.

"Ja. Alles wieder gut. Ich war nur ein bisschen traurig." Er lächelt mich an und geht zum Aufzug.

"Dann ist ja gut", flüstere ich schenke uns Wasser ein.
 

Während dem Essen war Marcell wieder wie immer. Trotzdem bereitet mir der Vorfall von vorhin noch etwas Kopfzerbrechen. Wie wollen wir das in Zukunft miteinander hinbekommen, wenn ich es noch nicht mal zustande bringe, ihn wegen einem dämlichen Fahrrad zu trösten? Ich reiche Marcell gerade einen der schmutzigen Teller, damit er ihn in die Geschirrspülmaschine stellen kann, da platzt es aus mir heraus. "Marcell? Du musst mir sagen, wenn etwas ist!"

"Was?" Er hält mitten in der Bewegung inne und schaut mit kugelrunden Augen zu mir auf. "Es ist nichts!"

"Ich meine doch wegen vorhin. Als wir auf der Couch gesessen haben. Falls ich in Zukunft wieder mal was falsch mache, dann sag es mir. Ich habe praktisch null Erfahrung in Beziehungsangelegenheiten. Ich hatte bis jetzt nur eine und die war ... bestenfalls anstrengend. Wenn ich also mal was mache, was dich nervt, oder du Zeit für dich brauchst, dann sag es mir einfach. Okay? Ich ... Ich bemerke so was eben nicht immer." Nervös verziehe ich meine Lippen zu einem schmalen Spalt.

"Du hast nichts falsch gemacht. Und außerdem", er stellt den Teller in die Spülmaschine und schmiegt sich an mich, "glaube ich, dass du eher mal etwas Zeit für dich alleine brauchen wirst, wenn du wirklich noch niemals in einer festen Beziehung warst." Spitzbübisch grinst er mich an. "Vielleicht nervt es dich schon bald, wenn ich ständig um dich herumwusle." Was?! Niemals!

"Ich will aber, dass du ständig um mich herumwuselst!"

"Sicher?"

"Sehr sicher", bestätige ich ihm und schmuse mit meiner Nase über seine. Marcell gluckst vergnügt. "Das frage ich dich in zwei Monaten noch mal. Mal sehen was du dann dazu sagst." Er tupft mir einen Kuss auf die Nasenspitze, dann wendet er sich wieder von mir ab und räumt weiter das dreckige Geschirr weg.

"Warum?", hake ich nach.

"Warum? Weil wir uns sicher früher oder später zanken werden."

"Glaube ich nicht." Niemals!

"Glaube es mir", seufzt Marcell und schlägt die Spülmaschine zu. "Man muss sich eben erst aneinander gewöhnen. Man lernt nach und nach die Macken des anderen kennen und muss sich damit arrangieren. Das geht häufig mit Streitereien umher." Er lehnt sich gegen die Arbeitsplatte und mustert mich. "Du glaubst mir nicht."

"Nein. Weil ich weiß, dass du keine Macken hast." Jawohl! Das weiß ich! Marcell ist perfekt! Kopfschüttelnd klopft er mir auf die Brust und geht an mir vorbei. Was soll denn das? "Marcell? Hey!" Ich eile hinterher. "Dann sag mir doch einfach, was du deiner Meinung nach für Macken hast!", flehe ich ihn an. "Dann bin ich vorgewarnt."

Er bleibt mitten im Wohnzimmer stehen und dreht sich zu mir um. "Das weiß ich nicht."

"Hä? Aber du sagtest doch gerade ..."

"Ach Anton! Das ist in jeder Beziehung anders. Thomas zum Beispiel, mit ihm war ich vor vier, fünf Jahren zusammen. Der hasste es, wenn ich vor der Wohnung nicht die Schuhe ausgezogen habe und ich habe das natürlich jedes Mal vergessen. Ich wiederum hasste es, wenn er nach dem Baden nicht die Wanne heiß ausgespült hat. Er hasste es, wenn ich meine Zahnbürste in seinen Becher gestellt habe, ich hasste es, wenn er nicht ohne seine zweihundert Kopfkissen schlafen konnte. Er hasste es, wenn ..."

"Stopp mal!" Das ist ja nicht zum aushalten! "Und das war bei jeder deiner Beziehungen so?"

"Im Großen und Ganzen, ja."

"Und habt ihr euch deshalb getrennt?" Mir wird ganz flau im Magen.

"Quatsch! Man streitet sich mal darüber und dann versöhnt man sich auch wieder. Das ist doch normal." Marcell greift sich meine Hand und zieht mich zur Couch.

"Hattest du eigentlich schon viele Beziehungen?", frage ich ihn leise, als wir es uns vor dem Fernseher gemütlich gemacht haben.

"Ich hatte einige. Viele, die nicht lange gehalten haben, aber auch die ein oder andere ernsthafte Beziehung."

"Und wie viele waren das?"

"Ernsthafte?"

"Ja." Ich will das wissen!

"Vier. Mein letzter Ex miteinberechnet." Das flaue Gefühl kehrt zurück.

Ich verschränke meine Finger mit seinen. "Hast du ihn sehr geliebt?"

Marcell versteift sich in meinen Armen. "Warum willst du das wissen?"

"Nur so." Das ungute Gefühl verstärkt sich.

"Ja, ich habe ihn sehr geliebt. Sonst wäre ich ja auch nicht mit ihm zusammengezogen. Aber die Gefühle für ihn sind längst verschwunden. Seit die erste Mahnung in meinen Briefkasten geflattert ist." Eindringlich sieht mich Marcell an, legt dann seine Handfläche auf meine linke Brusthälfte. "Diese Gefühle habe ich jetzt für dich. Mehr noch. Diesmal fühlt es sich anders an."

"Wie, anders?" Ist das jetzt gut oder schlecht?

Er scheint kurz zu überlegen. Fixiert mein Oberteil und spricht leise weiter. "Bis jetzt habe ich mich noch niemals so schnell zu jemanden hingezogen gefühlt, wie zu dir. Um mich in einen Mann verlieben zu können habe ich bis jetzt immer viel Zeit, Nähe und Vertrautheit gebraucht. Ich musste diesen Menschen kennen, verstehst du? Niemals habe ich einen mir noch gänzlich unbekannten Mann angesehen und: Wumms! Es war um mich geschehen. Das irritierte mich." Na klar schmeicheln mir Marcells Worte. Nur wie ich jetzt damit umgehen soll, weiß ich leider nicht.
 

Marcell atmet durch und lächelt mich an. "Ich bin froh, dass ich dir begegnet bin."

"Das bin ich auch." Ich ziehe ihn an mich ran und umarme ihn fest. "Jetzt regeln wir das noch mit deinem Ex und dann gibt es nur noch uns."

"Hört sich gut an", flüstert Marcell und zupft am Kragen meines Shirts herum.

"Sag mal, stört dich schon was an mir?", frage ich ihn neugierig.

"Nein ... Obwohl." Mir rutscht das Herz in die Hose. Ihn stört etwas an mir?! "Dränge mir nicht immer dein Geld auf, ja?" Ähm ... "Das ist mir unangenehm." Das ist ihm unangenehm?

"Das wusste ich nicht! Ich will dir doch nur helfen", erkläre ich und schaue ihn ratlos an.

"Das ist ja auch lieb von dir, aber ich komme mir dabei dämlich vor. Auch wenn du sagst, dass ich es dir wieder zurückzahlen soll ... Mal ehrlich. Wovon soll ich allein die Miete für die Wohnung hernehmen?" Marcell setzt sich wieder auf und wirkt nervös. Macht es ihm wirklich so viel aus, dass ich ihm helfen will? Hier herrscht wohl noch einiges an Klärungsbedarf!

"Marcell? Ich bin weder auf das Geld deiner Miete angewiesen, noch lebe ich auf so großen Fuß, dass ich auf jeden Cent achten muss. Das Einzige, was ich will ist, dass du aus der ganzen Sache, die dir dein Ex angehängt hat, heil wieder heraus kommst. Deshalb greife ich dir unter die Arme. Deswegen und weil ich dich liebe. Wäre es andersherum, würdest du mir da nicht auch helfen wollen?"

"Doch. Natürlich", gibt er klein bei. "Aber hier dreht es sich um hohe Beträge! Nicht nur um ein paar Euros für ein kaputtes Fahrrad! Das ist ..."

"Das ist das, was ich will. Dir helfen. Außerdem, wenn du dir die Miete nicht leisten kannst, dann zieh eben bei mir ein." Ich halte die Luft an. Die Idee kam ganz von selbst. Eigentlich ist das doch die logische Konsequenz aus allem. Oder nicht?

"Bei dir einziehen? Das willst du wirklich? Jetzt schon?"

"Du wohnst doch sowieso schon fast bei mir", antworte ich achselzuckend. "Schlafen tun wir auch zusammen, also sehe ich darin kein Problem."

"Ich weiß nicht ..." Meinem Katerchen scheint die Idee gar nicht zu schmecken.

Fieberhaft denke ich über eine Lösung des Problems nach und komme auch schon auf eine. "Wie wäre es mit einer Testphase?"

"Testphase?"

"Ja! Schaff dein Zeug, das du täglich brauchst, nach oben und wir testen das Zusammenleben." Das hört sich wahrscheinlich bescheuert an, doch wenn Marcell sich damit vorerst besser fühlt, dann tue ich mal so, als würden wir eine Testphase einlegen.

"Keine schlechte Idee", meint Marcell schließlich und reibt sich an mir. "Du, Anton?"

"Ja?"

"Das mit dem zusammen Schlafen eben … das hat sich nicht schlecht angehört eben. Was meinst du?" Frecher, kleiner Kater!

"Du willst ins Bett?" Marcell bejaht. "Soll ich dir eine Gutsnachtgeschichte vorlesen?"

"Unbedingt ..." Mir wird über die Unterlippe geleckt. Typisch Katerchen!
 

***
 

~Marcell~

"Bis heute Abend!"

"Du gehst jetzt schon?" Anton kommt humpelnd aus seinem Büro gestürmt.

"Hey! Langsam mit deinem Fuß!", tadle ich ihn. "Und ja. Ich fahre vorher noch bei meiner Mutter vorbei." Und dann will ich vor meiner Schicht noch ins Velvet, damit ich mit Theo reden kann. Das muss Anton aber nicht wissen.

"Ach? Und du willst mich nicht mitnehmen und mich ihr vorstellen?"

"Heute nicht. Zuerst muss ich ihr gestehen, dass ich mit Holger Schluss gemacht habe. Und dann, je nachdem wie sie das aufgenommen hat, dass ich eine neue Bleibe habe und dann, aber auch nur eventuell, dann sage ich ihr, dass ich mit meinem Vermieter, Schrägstrich, Boss in die Kiste gehe. ... Tschau!" Ich verabreiche ihm einen schnellen Abschiedsschmatzer und laufe zum Fahrstuhl.

"Na dann ... Bis heute Abend." Er lächelt mir zu, ich lächle zurück und flutsche in die Kabine des Aufzugs. Weg bin ich.

Mein Herz wird schwer. Es passt mir nicht, Anton anzulügen. Ich fahre zwar zu meiner Mutter, aber die Sache mit Sebbi und meinem Fahrrad schwebt seit gestern Abend wie ein drohendes Pendel über uns. Nur merkt Anton gar nicht, dass wir schon längst in der Grube sitzen. Ich bete inständig, dass Theo uns da raushilft, noch ehe Anton was davon mitbekommt.
 

Mit dem Auto bin ich fix bei meiner Mutter angekommen. Ich parke extra einige Meter vor ihrer Wohnung entfernt, damit sie den Protzschlitten meines Bosses nicht zu Gesicht bekommt. Ich höre jetzt schon ihre Fragen. 'Woher hast du denn den teuren Wagen? Hast du eine Bank überfallen? Bist du in was Zwielichtiges hineingeraten? Warum willst du mir nicht sagen woher du ihn hast?' Und so weiter, und so fort ...

Aufgeregt klingle ich an der Haustür. Eigentlich versuche ich es ihr immer zu ersparen, sie mit irgendwelchen großen Neuigkeiten zu überraschen. Seit sie mit einem Herzinfarkt im Krankenhaus lag, habe ich immer Angst, ihr könnte das noch mal passieren. Sie beschwert sich immer, dass ich sie mit Samthandschuhen anfassen würde, was ja auch stimmt. Doch das werde ich vor ihr niemals zugeben! Daher serviere ich ihr große Ereignisse immer Häppchenweise. Ganz unauffällig.

/Mengel?/

"Ich bins Mama."

/Marcell? Ach wie schön! Komm rein!/ Der Summer geht und kaum das ich eingetreten bin, kommt meine Mutter auf mich zugestürmt. Sie trocknet sich gerade die Hände mit einem Handtuch trocken. "Warum nimmst du denn nicht den Hausschlüssel?", fragt sie mich, bevor sie mich in ihre Arme schließt.

"Habe ich vergessen." Reine Lüge. Der hängt an meinem Schlüsselbund. Ich hab bloß wieder Schiss, dass sie sich erschrickt, wenn ich plötzlich in der Wohnung auftauche.

Meine Mutter seufzt, sagt aber nichts dazu. "Komm mit in die Küche. Wir bereiten gerade das Mittagessen zu. Magst du mitessen?"

"Gerne."

Ich betrete hinter meiner Mutter die Küche, wo mein Onkel am Tisch sitzt und Gemüse schnipselt. "Hallo Bernd."

"Tagchen Marcell." Bernd ist der Bruder meines Vaters, der schon früh verstorben ist. Und wie das Leben nun mal so spielt, haben sich Bernd und meine Mutter danach zusammengefunden. Das war eine turbulente Zeit. Fast jeder in der Familie war empört darüber, dass meine Mutter mit dem Bruder ihres verstorbenen Ehemannes auf Tuchfühlung geht, doch mittlerweile haben sich die Wogen geglättet, worum ich sehr froh bin. Schon allein meiner Mutter wegen. "Karotte?" Bernd hält mir ein Stück Karotte entgegen.

"Nachher. Danke." Ich setzte mich neben Bernd auf einen der Stühle.

"Was verschafft uns die Ehre deines Besuches?" Mama schielt mich neugierig an und stellt mir ein Brettchen mit Zwiebeln vor die Nase. Jetzt bekomme ich auch noch Küchenarbeit aufgebrummt!

"Ich bin umgezogen", erwähne ich so beiläufig wie möglich.

"Ach? Spontan?" Sie zieht sich einen Stuhl zurecht und setzt sich ans Kopfende des Tisches.

"Ja ... Ich musste aus der Wohnung raus." Ich versuche mir nichts anmerken zu lassen, aber Mama merkt alles.

"Holger?" Ich nicke. "Ich habe es gesagt! Oder nicht Bernd?"

"Hast du", murmelt er und schnibbelt einen Kohlrabikopf klein.

Ich verdrehe die Augen. "Wir haben uns auseinandergelebt. Es ist vorbei, aber mir geht es gut." Ich lächle sie an und zerkleinere die Zwiebeln. Nicht heulen!

"Wie heißt er?", fragt sie spitz.

"Wer?"

"Der Kerl, der sich zwischen dich und Holger gedrängt hat."

"Wie kommst du darauf, dass sich ein Kerl zwischen uns gedrängt hat?" So war das ja nicht. Aber so ähnlich, weshalb ich wieder nur über meine Mutter staunen kann.

"Marcell, ob du es glaubst oder nicht, aber ich war auch mal jung." Ich grinse schräg und erspare mir einen Kommentar.

Ich wollte es ihr zwar heute nicht sagen, aber wenn sie schon so anfängt: "Es hat sich niemand zwischen uns gedrängt, aber ... da ist jemand. Ich habe ihn nach der Trennung kennengelernt."

"Ist das wieder so ein junger Windhund, der nicht weiß was er will?", zetert sie und Bernd beginnt zu lachen, während er auf einem Streifen Karotte herumkaut.

"Er ist kein Windhund", sage ich genervt. "Und wenn du schon so fragst: Er ist diesmal älter als ich und hat seinen Eigenen Laden."

"Oh!" Jetzt ist meine Mutter wirklich überrascht. "Was hat er denn für einen Laden?"

"Einen Tanzclub. Ich arbeite dort. So haben wir uns kennengelernt."

"Der Chef von dem komischen orientalischen Schuppen, in dem du arbeitest?" Bernd legt den Kopf schief.

"Nein. Ich hab einen neuen Job", lasse ich nun auch noch die letzte Bombe platzen. Besorgt mustere ich meine Mutter, doch die sieht relativ gelassen aus. "Er heißt Anton und weiß definitiv was er will." Und wie er das weiß. Ich muss nur an letzte Nacht denken, als er mich schon vor dem Bett ...
 

"Anton. Ein anständiger Name!" Ich blinzle Bernd an. Ich darf am Küchentisch meiner Mutter nicht an den Sex mit Anton denken! Sicher glüht meine Birne wie ein rotes Ampelmännchen.

"Junge, Junge. Bei dir ist ja mal wieder der Teufel los", stöhnt sie auch schon und steht auf, um in den Töpfen rum zu rühren. "Und wann lernen wir deinen anständigen Anton kennen?" Anständiger Anton. Pffhaa! Wenn wir unter uns sind, ist er meist gar nicht so anständig ...

"Bald, denke ich. Aber vorher muss ich noch etwas regeln."

"Was denn?" Sie hört kurz mit dem Gerühre auf.

"Nur denn allgemeinen Umzugskram", lüge ich. "Wenn der Stress rum ist, schleife ich ihn mit hier her. Versprochen. Er war sowieso schon ganz scharf drauf, euch kennenzulernen."

"Echt?" Meine Mutter lacht auf. "Das ist ja mal ganz was Neues! Der scheint ja doch ziemlich in Ordnung zu sein."

"Mehr als das", grinse ich. "Er ist der pure Wahnsinn!"

Ich bleibe noch den ganzen Nachmittag Zuhause bei Mama und Bernd. Das mache ich wirklich zu selten. Spätestens als Bernd mich beim Pokern abzieht (wir spielen immer Karten, wenn ich hier bin), weiß ich auch wieder warum. Ich hasse es zu verlieren!

Nachdem ich dann genug Familienaction hatte, mache ich mich Punkt halb sieben auf den Weg in den Club. Theo ist sicher schon da und ich werde immer aufgeregter. Was sage ich ihm? Das ich mir sicher bin, dass Sebbi hinter den ganzen Sabotageversuchen steckt? Beweisen kann ich das nicht. Aber auch wenn, was kann Theo schon groß gegen ihn ausrichten? Eigentlich erhoffe ich mir von ihm bloß einen Ratschlag, was ich jetzt tun soll. Ich wäre für alles offen, außer es Anton beichten zu müssen. Der Gedanke gefällt mir nämlich gar nicht. Es mag kleinlich klingen, aber ich möchte nicht, dass er schon wieder mit dem tanzenden Twink konfrontiert wird. Ja, ich bin eifersüchtig. Es ist nicht nötig, dennoch bin ich es.

Warum kann dieser kleine, zickige Twink sich nicht einfach in Luft auflösen?
 

******
 

*Ihr könnt alles darüber in der Story 'Barkeeper in Love' nachlesen, wenn ihr mögt.

LINK: http://animexx.onlinewelten.com/fanfiction/autor/723837/336938/

**'Barkeeper auf EIS'. Die Vorgeschichte zu 'Barkeeper in Not'.

LINK: http://animexx.onlinewelten.com/fanfiction/autor/723837/334036/
 

Beide Storys kann man auch getrennt voneinander lesen. Muss man aber nicht. ;-)



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  selena
2014-10-05T10:57:04+00:00 05.10.2014 12:57
sebbi war es bestimmt gewesen, der das letzte bisschen gehört hat, was marcell erzählt hat. und das mit dem fahrrad und den schürzen ebenfalls. theo findet bestimmt ne lösung für marcell. und anton bekommt das auch noch raus.
Antwort von:  Fara_ThoRn
05.10.2014 12:59
Hinterher kommt doch immer alles raus. Nur wie es rauskommen wird ... *mich duck und verkrümel*


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