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[Barkeeper-Reihe 03] Barkeeper in Not

von

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Kapitel 13 - Eingesperrt

Hier kommt schon gleich das nächste Kapitel! ^^
 

Kapitel 13 - Eingesperrt
 

~Marcell~

Ich versuche die Augen zu öffnen, bekomme meine Lider aber nur wenige Millimeter nach oben gestemmt. Sie sind einfach zu schwer und fühlen sich an, als würde jede einzelne Wimper so viel wie eine Tonne wiegen. Einzig weiße Schleier und Schlieren kann ich erkennen, die mir die wenige Sicht nehmen, die ich mir überhaupt mühsam erkämpfen kann. Also lasse ich es vorerst sein und versuche mit meinen anderen Sinnen zu sehen.

Ich liege auf einer schmalen Bank. Mit dem Rücken lehne ich gegen so etwas wie einer Rückenlehne und mit den Beinen erspüre ich, dass diese Bank nicht sehr breit sein kann. Ich habe außerdem das Gefühl, dass ich mich bewege. Dass sich der Raum bewegt, in dem ich bin. Ein Auto oder Transporter. Ja, das muss es sein. Ich merke, wie das Fahrzeug sich in die Kurve legt, wie die Schlaglöcher der Straße mich mal sachte, mal fester durchschütteln und höre nun auch das Brummen des Motors.

Auch in meinem Kopf brummt und dröhnt es furchtbar und ich komme mir vor, wie in Watte verpackt. Deshalb rühre ich mich nicht, würde mir aber ganz gern an den pochenden Hinterkopf fassen. Nur kann ich das nicht. Meine Handgelenke sind hinter dem Rücken zusammengebunden, stelle ich plötzlich erschrocken fest. Panik wallt in mir auf, was das hämmernde Klopfen in meinem Schädel vervielfacht. Was ist nur passiert? "Und was jetzt?!", höre ich jemanden wütend zischen und zucke innerlich zusammen, ehe ich furchtsam erstarre und weiter lausche.

"Wie, und was jetzt?"

Hysterisches Lachen. Ich mag es nicht, obwohl es mir bekannt vorkommt. "Wohin mit ihm? Wir können ihn nicht hier lassen oder gar zu einem von uns in die Bude schleifen!"

"Lass das mal meine Sorge sein. Ich habe da schon eine Idee." Reden die über mich? Bestimmt, denn über wen sonst sollten sie sich unterhalten? Oder liegt hier noch jemand gefesselt herum?

"Und dann? Die suchen ihn doch bestimmt schon!"

"Ja und? So schnell werden sie ihn sowieso nicht finden." Die Angst in mir wächst. Wo werde ich hingebracht? Wer sind die zwei Männer, die über mich reden und augenscheinlich auch entführt haben? Und warum haben sie das überhaupt?

Entführt ... Krampfhaft versuche ich mich an das Letzte zu erinnern, das ich noch weiß. Ich war im Velvet und musste auf die Toilette. Und als ich die Kabine wieder verlassen wollte, da ... Ich weiß es nicht mehr. Ab da an ist alles schwarz und das Nächste, an das ich mich erinnere ist, wie ich eben hier aufgewacht bin. "Scheiße! Das geht doch nach hinten los!"

"Jetzt mal den Teufel nicht an die Wand. Wir haben doch einen Plan." Einen Plan? Die haben es geplant mich zu entführen?

"Trotzdem ..."

"Nichts trotzdem!", braust der andere auf. "Ich dachte, du bist glücklich darüber, wenn er erstmal aus dem Verkehr gezogen wird."

"Stimmt."

"Du bekommst deinen Traummann und ich die Kohle." Welche Kohle? Von was sprechen die denn? Ich habe doch gar keine Kohle. Sind die auf Lösegeld scharf?

Ich höre jemanden seufzen. "Mein Traummann ... Endlich werde ich Anton bekommen, wenn dieser dämliche Barkeeper verschwunden ist. Und dann werde ich mit ihm glücklich, nachdem ich ihn über seinen ach so tragischen Verlust hinweggetröstet habe." Anton?

Mein Herz pumpt immer schneller. Dieser Kerl will Anton 'bekommen'? Dann kann dieser Typ vor mir nur einer sein: Sebastian! Wer sonst? Doch um sicher zu gehen, sammle ich all meine Kraft und stemme die Augen auf. Blitzend-heißer Kopfschmerz! Aber wenigstens erkenne ich jetzt, dass ich wirklich in einem Auto bin. Ich liege auf der Rückbank. Durch das Frontfenster erkenne ich, dass es noch Nacht ist. Dann können wir noch nicht lange unterwegs sein. Und wie ich vermutet habe, sitzt der miese Twink Sebastian am Steuer und neben ihm? Kein geringerer als mein Ex Holger.

Ich schließe die Augen wieder. Fassungslos bliebe ich still liegen, frage mich, wie es nur möglich ist, dass die beiden jetzt zusammen vor mir sitzen und mich irgendwohin verschleppen wollen. Wie um alles in der Welt ist Holger aus der U-Haft gekommen und wie haben er und Sebbi sich gefunden? Und wann haben sie diesen Plan ausgeheckt, mich zu verschleppen?

Das furchtbare Pochen in meinem Kopf wird immer schlimmer. Ich muss die Ruhe bewahren und mir was ausdenken, wie ich hier herauskommen kann. So unauffällig wie es geht, versuche ich meine Hände aus den Fesseln zu befreien. Doch was ich auch tue, sie lockern sich kein bisschen. 'Ich bin am Arsch', hallt es durch mein Hirn. In was für eine Lage bin ich da nur wieder hineingerutscht? Entführt von dem Stalker meines Freundes, der mich ganz offensichtlich aus dem Weg schaffen will und obendrein hat mein Ex anscheinend spitzbekommen, dass bei meinem jetzigen Freund eine Menge Kohle zu holen ist. 'Ich bin nicht nur an Arsch, ich stecke verdammt tief in der Scheiße.' Ich hätte auf Theo hören sollen. Ich hätte Anton von meinem Verdacht bezüglich Sebastian erzählen müssen. Doch das hilft mir jetzt auch nicht weiter. Jetzt heißt es abwarten, was die beiden mit mir vorhaben und dann meine Chancen abwägen. Kampflos lasse ich mich ganz sicher nicht von den Zweien 'aus dem Weg schaffen'.
 

~Anton~

"Beruhige dich."

"Beruhigen?! Marcell ist verschwunden, die Polizei will nichts machen und ich soll mich beruhigen?!" Aufgebracht pfeffere ich das Telefon von meinem Schreibtisch. Laurin zuckt zusammen. "Wir müssen ihn suchen! Da steckt mit Sicherheit Marcells Ex dahinter! Er hat ihn!"

"Dann suchen wir ihn", sagt Laurin leise. "Hast du eine Ahnung, wo er sein könnte? Dieser Holger?"

"Nein, verflucht noch mal! Marcell hat mir kaum was über ihn erzählt. Und auch wenn, bestimmt hat er ihn nicht in sein neues Zuhause gebracht!" Unruhig laufe ich in meinem Büro hin und her. Unten im Club geht alles wie gewohnt seinen Gang. Nur eins fehlt: Mein Marcell, der wie immer hinter der Theke steht und jeden der Gäste fröhlich anlächelt. Angst, Wut und Hilflosigkeit erfassen mich, halten mein Herz umklammert und Hintern mich daran Luft zu bekommen. "Wo ist er nur?" Auch Laurin wirkt ratlos und besorgt. Die Tür geht auf und ich bleibe stehen. "Theo!" Endlich!

"Sorry Boss. Ich hatte vorm Club zu tun. Du wolltest mich sprechen?"

"Marcell ist weg!", poltere ich los. "Niemand weiß wo er ist!"

Theo schaut erst mich, dann Laurin an. "Ist er abgehauen?"

"Nein!", brülle ich und atme tief ein. Ich muss mich wohl wirklich etwas beruhigen. "Nein, es hat was mit seinem Ex zu tun. Das spüre ich. Er ist heute Nachmittag entlassen worden und mein beschissener Anwalt hat mir heute Abend erst Bescheid gesagt, doch da war Marcell schon unauffindbar." Ich fahre mir wirr durch die Haare. "Die Polizei macht auch nichts, da kein dringender Tatverdacht besteht und Marcell noch keine vierundzwanzig Stunden verschwunden ist." Ich stelle mich dicht vor Theo und blicke ihn flehend an. "Du musst mir helfen. Bitte. Ich weiß sonst nicht, wen ich fragen soll."

Als Theo nickt, atme ich erleichtert aus. "Du meinst meine Kontakte?"

"Ja."

"Ich denke nicht, dass die uns hier weiterhelfen können."

"Was? Aber ich dachte, du kennst Leute, die bei der Polizei und bei so einer staatlichen Truppe sind?"

Theo brummt grimmig. "Ich kenne Leute, ja. Nur glaube ich, dass wir es erstmal selbst versuchen sollten."

Ich puste sarkastisch auf. "Und wo sollen wir anfangen? Marcell könnte überall sein!"

"Sebastian", flüstert Theo. "Schon mal an ihn gedacht?"

"Sebastian? Was ist mit dem?" Was interessiert mich dieser nervige Gogo-Boy?

"Mensch Anton! Das habe ich dir schon mal gesagt! Dieser Pisser stalkt dich! Kapiere es endlich. Außerdem ist er heute nicht zu seiner Schicht erschienen. Er mag zwar ein widerliches, nerviges Bündel sein, doch an seiner Arbeitsmoral hat es noch nie gehapert und den Grund dafür kennen wir beide." Theos blau-grüne Augen fixieren mich. Stimmt das? Könnte es sein, dass Sebastian hinter all dem steckt? Ich schlucke hart. Wegen mir?

"Bist du dir sicher?", frage ich ihn mit dünner Stimme.

Theo nickt verhalten und senkt den Kopf. "Marcell hat nicht mit dir geredet."

"Über was soll er mit mir geredet haben?!" Was will er denn jetzt schon wieder damit andeuten?

"Marcell glaubt, dass Sebastian ihm nachspioniert und sogar sein Rad demoliert hat. Er hat keine Beweise, aber ich halte es für möglich."

"Er hat Marcells Rad so zugerichtet?" Warum hat er mir das denn verschwiegen?

"Das traue ich Sebastian auf jeden Fall zu." Mir bricht der kalte Schweiß aus. War ich wirklich so blind?! So dumm? Ist mein Schatz jetzt bloß in Gefahr, weil ich Sebastian unterschätzt habe?

"Ich ruf ihn an", presse ich hervor und laufe zu meinem Schreibtisch. Davon muss ich mich selbst überzeugen!

Seine Nummer ist schnell rausgesucht. Unterdessen hat Laurin mein Telefon aufgehoben und hält es mir nervös hin. Es klingelt ungewöhnlich lange. Normalerweise geht Sebbi sofort dran, wenn ich ihn anrufe. Ich will gerade schon auflegen, da höre ich seine Stimme. "Sebastian?"

/Anton! Wie schön, dass du ... Scheiße! ... Hör auf!/

"Hallo?"

/Leg auf!/ Da ist jemand bei ihm! Marcell ist es nicht. Die Stimme ist anders. Gereizt und knurrend. /Das ist aber mein Boss! Hey!/

"Was ist?", fragt mich Laurin leise. Ich zucke mit den Schultern und drücke auf Lautsprecher.

/Gib mir mein Handy wieder! Das ist wich... ANTON!/ Ein ziehen in meiner Brust.

"Marcell ... MARCELL!" Aufgelegt. Fassungslos höre ich das monotone Tuten aus den Lautsprechern. "Nein! Nein, dass kann nicht ... Ihr habt ihn auch gehört, oder?" Ich sehe erst zu Theo, dann zu Laurin.

"Ja", bestätigt mir Laurin schließlich. "Sebastian hat ihn tatsächlich."

Wie von Sinnen drücke ich auf Wahlwiederholung, doch nur noch die Mailbox meldet sich. "SCHEIßE!" Wieder fliegt mein Telefon. Diesmal überlebt es den Aufprall allerdings nicht. Es kracht und dann liegt es in Einzelteilen verteilt auf dem Boden meines Büros.

"Anton? Wir gehen jetzt noch mal zur Polizei. Diesmal müssen sie es ernst nehmen." Ich nicke Theo zu. Diesmal müssen sie es ernst nehmen ... Himmel! Ich habe solche Angst um meinen Süßen. 'Bitte lass ihm nichts geschehen!'
 

~Marcell~

"ANTON!" Das war Anton! Eben an Sebastians Telefon! Ich habe seine leise Stimme gehört. Wie er nach mit gerufen hat. Doch jetzt ist sie verstummt. Holger hat ihm schon längst das Handy entrissen und ausgeschaltet. Dennoch rufe ich noch immer seinen Namen, bis: "Halt die Klappe!" Holger verpasst mir eine Ohrfeige, die mich zurück auf den Sitz katapultiert. Geschockt bleibe ich liegen und starre ihn an. Nicht wegen dem Schmerz, sondern wegen dem Umstand, dass er mir eine verpasst hat. Holger hat mich geschlagen! "Das ist alles nur deine Schuld! Wieso musstest du anhalten und an das dämliche Handy gehen?!"

"Das war Anton! Ich kann ihn doch nicht einfach wegdrücken!" Sebastians Stimme überschlägt sich.

"Ganz toll gemacht! Jetzt weiß er, dass wir seinen Toyboy haben! Und jetzt? Wie geht dein Plan weiter?"

"Mein Plan?"

"Ja! Dein beschissener Plan!"

"Das war auch dein Plan, wenn ich dich daran erinnern darf!"

"Ach scheiß drauf!", kreischt Holger. "Wir müssen ihn loswerden und dann abhauen!" Mir kommen die Tränen. Ich will nicht, aber ich kann sie nicht aufhalten. Wie viel Hass in Holgers Stimme mitschwingt. Eben noch hatte ich die leise Hoffnung, er würde vielleicht ein schlechtes Gewissen bekommen, sich an unsere gemeinsame Zeit erinnern und mir helfen, doch da habe ich falsch gehofft. War er von Anfang an nur hinter meinem Geld her? Hat uns nie was verbunden? Bestand unsere gesamte Beziehung nur in meiner Fantasie? "Fahr los! Wir dürfen keine Zeit verlieren. ... Hörst du schlecht? ... Ey sag jetzt nicht, dass du heulst!"

"Ich konnte doch nicht wissen, dass er wach ist", schluchzt Sebastian. "Jetzt hasst mich Anton sicher."

Ich sehe, wie Holger wieder zornig wird, sich aber wieder fängt und ruhig weiter redet. "Bestimmt nicht Sebastian. Er wird das verstehen."

"Wirklich?"

"Wirklich. Er wird einsehen, dass du nur aus Liebe gehandelt hast. Und wer weiß? Wenn wir alles richtig machen, beeindruckt es ihn vielleicht, dass du all das nur für ihn geplant und durchgeführt hast." Ich traue meinen Ohren nicht. Das kann doch nicht wahr sein! Holger ist wirklich ein eiskaltes, manipulierendes Mistschwein! Wie habe ich mich nur so von ihm täuschen lassen können?

Ich will erst dazwischen gehen, Sebastian sagen, dass Holger nur lügt, um ihn für seine Zwecke zu gewinnen, doch ich lasse es. Wahrscheinlich lande ich dann vom Regen in der Traufe. Also was nützt es mir? Denn egal was ich sage, das ändert nichts daran, dass mich Sebastian hasst und mir die Pest an den Hals wünscht, weil ich mit Anton zusammen bin. Am besten, ich stelle mich wieder bewusstlos und versuche zu erkennen, wohin die mich bringen.

Die Dunkelheit und mein schwimmendes Hirn machen mir das jedoch nicht leicht. Erst erkenne ich noch einige Gebäude und sogar Werbetafeln, doch schon bald vermischt sich das alles zu einem einheitlichen Brei, dem ich nicht mehr folgen kann. Die Kopfschmerzen werden immer heftiger, auch dank der Ohrfeige. Mir wird schlecht. So schlecht, dass ich ... "Oh fuck! Marcell kotzt!" Ich beuge mich über die Sitzfläche und spucke in den Fußraum.

"Wir sind ja gleich da", winkt Holger ab. Die Nachricht ist mir mit einem Mal total egal. Ich würge immer noch und weiß was das bedeutet. Die müssen mir vorhin im Waschraum einen Schlag auf den Kopf verpasst haben. Wenn ich Pech habe, habe ich eine Gehirnerschütterung. Das würde die Schmerzen und die Übelkeit erklären. Ebenso das wattige Gefühl, das mich einhüllt. Ob es was nutzen würde, wenn ich ihnen von meiner Diagnose erzähle? Sicher nicht.
 

~Anton~

"Sind Sie sich sicher?" So ein arroganter ... Seinen überheblich, gelangweilten Gesichtsausdruck kann der sich sonst wo hinstecken!

"Ob ich mir ...?" Ich knirsche mit den Zähnen und schlucke meine Wut hinunter. "Ich bin mir absolut sicher", knurre ich und muss mich arg zurücknehmen, nicht sofort über diesen billigen Schreibtisch zu langen und ...

Theo klopft mir aufs Bein, ehe auch er sich an den uniformierten Beamten wendet. "Wir haben ihn alle gehört. Marcell ist entführt worden. Ganz sicher."

"Von dem Stalker von Herrn Hazold?", hakt der Polizist nach. Man kann ihm ganz genau ansehen, was er gerade über uns denkt. Die Verachtung und sogar eine Spur Ekel. Ein schöner beschützender Arm des Gesetztes! Ausgerechnet jetzt geraten wir an einen homophoben Polizisten!

"Ja, verdammt! Von Sebastian Gesterlind! Und jede weitere Sekunde, wo wir ihre beschiss..."

"Anton." Theos strenger Blick lässt mich verstummen. Shit! Ich will endlich was unternehmen! Das ganze Gerede ist doch total unnötig und vor allem Zeitverschwendung! Zeit, die wir nicht haben. Zeit, die mein Schatz vielleicht nicht hat. Ich mag gar nicht weiter darüber nachdenken.

"Nun gut. Ich werde eine Fahndung nach Herrn Gesterlind ausgeben."

"Eine Fahndung?", frage ich den Beamten fassungslos. "Bloß eine Fahndung?"

"Das ist am Besten. Glauben Sie mir." In mir braut sich ein Gewitter zusammen. Ich kann förmlich spüren, wie der Zorn in mir aufkocht.

"Danke Herr Rücker. Komm Anton." Theo zerrt mich auf die Beine, noch bevor ich explodieren kann und Herrn Rücker meine Meinung über sein Verhalten zuschreien kann. Im Endeffekt ist es wahrscheinlich auch besser so. Ich sollte den Beamten nicht noch mehr beleidigen und anschreien.

Draußen im Flur trete ich jedoch ungehalten gegen einen der Besucherstühle, der knarrend über den Boden kratzt und dann wackelnd gegen einen anderen kracht. "Das können die doch nicht machen!", fahre ich Theo an, auch wenn er nichts dafür kann. "Eine Fahndung?! Eine lächerliche Fahndung? Was, wenn sie irgendwo sind, wo kein Mensch ist? Was dann? Dann findet ihn keiner!" Ich raufe mir die Haare. Wenn das so weitergeht, dann bin ich bald kahl. Aber irgendwas muss doch zu machen sein! Irgendwas muss ich doch tun können! "Ein Privatdetektiv!", kommt es mir wirr in den Sinn. "Ein Sicherheitsunternehmen! Irgendwas! Am besten, ich rufe alle an, die ich für Geld bekommen kann. Ich stelle eine private Fahndung an! Jawohl!" Ich schalte mein Handy an. Doch als ich Marcells Gesicht sehe, fange ich an zu zittern.

Kraftlos falle ich auf den Besucherstuhl, den ich eben noch getreten habe. Was bringen mir alle Privatdetektive und Sicherheitsunternehmen der Welt, wenn ich keinen Schimmer habe, wo sich mein Liebling aufhält? Vielleicht ist er ja gar nicht mehr in der Stadt. Mein Magen zieht sich zusammen. Nur nicht dran denken. "Wir müssen ihn finden", flüstere ich. "Wir müssen."

Neben mir geht Laurin in die Hocke und Theo setzt sich neben mich. "Wir finden ihn. Ich trommle selbst ein paar Leute zusammen und dann fahren wir die Stadt ab. Frank habe ich auch schon informiert. Er klemmt sich ebenfalls dahinter." Er klemmt sich dahinter. Mir egal, was das genau bedeutet, Hauptsache wir finden ihn. Und das bald.

"Genau! Ich rufe Vince und Justin an. Die sollen sich mit unseren Bekannten auch auf den Weg machen und zuvor schicken ihnen ein Bild von Marcell und Sebastian."

"Ja", knurre ich und stehe wieder auf. "Suchen wir ihn, wenn die Polizei nichts macht." Denn alles ist besser, als hier dumm auf dem Polizeirevier herum zu sitzen und zu hoffen, dass diese uniformierten Typen mal ihre Hintern bewegen.
 

~Marcell~

"Rein da!" Holger, der mich eben noch am Kragen gepackt gehalten hat, stößt mich von sich. Ich stolpere in den engen Raum vor uns hinein und kann mich gerade so noch abfangen, damit ich nicht auf die Fresse falle. Vor mir dreht sich alles, weshalb ich Schwierigkeiten habe, mich zu orientieren. Sind Sebastian und Holger hinter, oder neben mir?

Ich kann es nicht genau sagen, bis ich ersteren sprechen höre. "Hier wird es dir gefallen. Hast ja so gute Erinnerungen dran." Sebastian steht neben mir und packt mich am Hinterkopf. "Nur diesmal ist kein Anton da, um dir die Zeit im Lagerraum zu versüßen." Er weiß davon? Eigentlich logisch, denn wieso sonst hätten sie sich gerade einen Lagerraum aussuchen sollen, in dem sie mich sperren können? Purer Zufall ist es also nicht, dass ich gerade hier lande. Das ich hier abgestellt werde, wie ein altes Möbelstück, das keiner mehr braucht. Mehr bin ich für die beiden allem Anschein nach nicht. Für Sebastian bin ich nur ein Hindernis, jemand, der sich zwischen ihn und Anton geschoben hat und für Holger bin ich bloß der nervige Ex, der auch noch die Frechheit besessen hat, ihn wegen seiner Abzockerei anzuzeigen.

Ich werde losgelassen und gegen die blecherne Wand geschubst. Mittlerweile ist mir schon wieder schlecht, weshalb ich mich einfach an ihr hinabgleiten lasse und auf dem Boden sitzen bleibe. "Sag Käse", zischt mein Ex. Ein Blitz.

'Das kannst du doch besser! ... Lass uns kitschige Pärchenfotos fürs Familienalbum machen.' "Anton ..." Ich lasse den Kopf hängen. Ob er mich hier finden wird?

"Hör auf seinen Namen zu sagen!" Sebastian stürmt auf mich zu. "Sag ihn niemals wieder!" Er will mich packen und ich drehe eher aus Reflex halbherzig mein Gesicht von ihm weg, doch Holger hält ihn auf.

"Das reicht. Wir müssen von hier weg, bevor uns die Bullen finden." Sebastian schaut verächtlich auf mich herab, während Holger ihm sein Handy wiedergibt. Interessant. Sebastian verzieht noch nicht mal eine Miene und steckt es vertrauensselig ein.

Ist der kleine Twink wirklich so blöd? Selbst ich mit meiner Gehirnerschütterung durchschaue das, was sich soeben vor meinen Augen abgespielt hat. Mein Ex hat gerade ein Foto von mir mit Sebastians Handy gemacht. Sieht so aus, als wolle er allen Verdacht auf ihn lenken, falls sie auffliegen. Wahrscheinlich will er jetzt endgültig von hier verschwinden, vorher Sebastian die Schuld an meiner Entführung anhängen und mich schon wieder mit allen Schulden und Gläubigern sitzen lassen. Das heißt natürlich, falls mich hier jemand findet. "Holger?" Doch bevor er seinen Plan durchzieht, muss ich ihn noch eins fragen. Er bleibt stehen, die Arme schon nach oben gestreckt, damit er das Rolltor schließen kann. "Hast du mich jemals geliebt?" Ich könnte ihm jetzt so viel sagen, ihn anschreien, beschimpfen können. Doch dazu fehlt mir die Kraft. Außerdem stelle ich mir eben diese Frage seit der Ohrfeige, die er mir im Auto verpasst hat. Ich will wissen, ob er mich nur benutzt hat, mich ebenfalls manipuliert hat, nur um das zu bekommen, was er will. Mein Geld und meine Gutmütigkeit. War da wirklich nichts zwischen uns?

Er sieht mich lange an. Dabei studiere ich sein Gesicht, das aber völlig ausdruckslos bleibt. "Vielleicht", flüstert er schlussendlich. "Ein kleines Bisschen. Aber nicht für lange." Seine Muskeln spannen sich an. Das Rolltor rattert nach unten und es wird dunkel um mich herum.

"Tschau, du kleine Zecke!", lacht der widerliche Tänzer und schlägt einmal gegen das Tor. "Viel Spaß da drinnen!" Autotüren schlagen zu. Ein Motor startet. Dann wird es ruhig. Ich bin allein. Gefangen und allein ...

'Er hat mich niemals geliebt.' Wie konnte ich mich nur so täuschen lassen?
 

***
 

~Marcell~

Ich muss eingeschlafen oder ohnmächtig geworden sein, denn als ich wieder zu mir komme, liege ich auf der Seite und kann schwaches Licht durch den Schlitz des Rolltors erkennen. Es ist also schon Tag da draußen. Inzwischen müsste mich wenigstens Anton suchen, falls er mich nicht hat schreien hören letzte Nacht im Auto, als er mit Sebbi telefoniert hat.

"Au!" Meine Gelenke und Muskeln sind total steif vom auf dem Boden liegen. Stöhnend richte ich mich auf und bleibe erstmal aufrecht sitzen, bis sich die Wände aufgehört haben zu drehen. Dann strecke ich meinen Oberkörper und versuche meine Arme, die noch immer hinter meinem Rücken zusammengebunden sind, unter meinen Hintern zu schieben, damit ich wenigstens meine Arme in eine bequemere Lage bringen kann. Nur klappt das nicht. Ziehende und stechende Schmerzen in meinen Schultern sind das Einzige, was ich davon habe. Hatte ich nicht mal im Fernsehen gesehen, dass das klappen würde? Alles nur Lug und Betrug!

Ich lehne mich wieder zurück und versuche ein paar klare Gedanken zu bekommen. Gestern war Mittwoch. Demnach ist heute Donnerstag. Ein Feiertag, um genau zu sein. Auf dem Weg hier her habe ich mitbekommen, dass wir ganz hinten bei den Lagerräumen angehalten haben. Das ist ein schlechtes Zeichen, oder? Werden nicht erst die Vorderen belegt? Falls ja, dann kommt hier vielleicht so schnell niemand vorbei. Erst recht nicht, wenn alle langes Wochenende haben und wegfahren. Und die Angestellten hier? Gibt es hier nicht auch Sicherheitspersonal?

Schwankend komme ich auf die Beine und versuche mich an den Lagerraum zu erinnern, in dem meine Sachen waren. Licht wäre nicht schlecht. Tja. Pech nur, dass ich an das Seil für die Lampe nicht drankomme. Ich müsste springen und es mit dem Mund versuchen zu schnappen. Mit einer Gehirnerschütterung, die ich mit Sicherheit habe, da mein Schädel noch immer brummt wie ein Bienenstock, versuche ich es besser erst gar nicht. Bleibt nur noch eins. Ich gehe auf das Rolltor zu und trete dagegen. Es rappelt furchtbar laut. Gut! "HILFE! ... Aua, mein Kopf!" Ich reiße mich zusammen. Lieber Kopfschmerzen, als hier drinnen zu verrotten! Noch ein Tritt gegen das Tor. Diesmal noch fester. "HIIIILFE! ... Hört mich denn niemand?! HILFE!" Hoffentlich hört mich jemand.
 

~Anton~

"Soll ich mal fahren? Du bist ganz blass. Vielleicht legst du dich besser mal für ein paar Minuten hin."

"Nein!" Ich umklammere das Lenkrad. "Halt du lieber Ausschau, ob du nicht Marcell oder Sebastian irgendwo siehst." Laurin seufzt, sagt aber nichts mehr und starrt aus dem Fenster. Vor einer roten Ampel schaue ich auf die Uhr. "Schon fast vierzehn Uhr", stelle ich deprimiert fest. "Scheiße ... Verfluchte ..." Ich lege meine Stirn auf das Lenkrad. Wo ist er nur? Die ganze Nacht haben wir ihn gesucht. Sind sogar in Sebastians Wohnung gewesen (wie wir da reingekommen sind, verschweige ich lieber), doch auch da war keine Spur von ihm zu entdecken. Es war keiner da. Wäre ja auch zu einfach gewesen. Alle halbe Stunde rufe ich bei der Polizei an, doch auch die haben nichts. Nichts. Immer wieder höre ich diesen Satz. "Wir haben noch nichts, Herr Hazold. Aber wir suchen weiter." Einen Scheiß tun die!

"Anton? Es ist grün." Ich gebe Gas. "Fahr mal hier auf den Parkplatz."

"Hast du ihn gesehen?!" Mit einem Schlag bin ich wieder hellwach.

"Nein. Aber du brauchst eine Pause."

"Quatsch!"

"Du hältst jetzt an!", pampt mich Laurin an. "Ich hole uns einen Kaffee und du informierst dich in der Zwischenzeit bei den anderen um den Stand der Dinge. Einverstanden?" Ich nicke. Laurin kann ja richtig laut werden.

Auf dem kleinen Parkplatz des Supermarktes rolle ich auf einen der freien Plätze und ziehe die Handbremse an. Den Motor lasse ich laufen. Sicher ist sicher. Laurin steigt aus, drückt mir aber noch mal die Hand bevor er in die Bäckerei hinein verschwindet. Derweil greife ich mein Handy. Wahlwiederholung. "Hallo Theo. Und?"

/Keine Spur von ihm./ Mist. Ich fahre mir mit der freien Hand müde übers Gesicht. Ich bin nahe am verzweifeln. /Wo seit ihr?/

"Auf dem kleinen Parkplatz vor dieser Wiener Bäckerei", murmle ich in den Hörer. "Laurin holt Kaffee."

/Wir sind in der Nähe. Sind gleich da./

"Gut." Eigentlich hätte ich protestieren sollen. Es ist besser, wenn wir verteilt bleiben und die Augen offen halten, aber was soll's. Ich bin müde und mein Hirn arbeitet nur noch auf Sparflamme. Bei den anderen wird es genauso sein. Eine Pause tut uns vielleicht wirklich ganz gut. Ich simse Laurin, er soll noch zwei extra Kaffee mitbringen und schließe die Augen, nachdem ich die Umgebung noch einmal haargenau abgeschaut habe. Doch es ist wie schon seit Stunden. Keine Spur von meinem Schatz. Seufzend lehne ich mich zurück. Kräfte sammeln. Kaum habe ich das getan, sehe ich meinen Schatz vor mir. Wie wir gestern um diese Zeit in meinem Ankleidezimmer waren. Wie wir uns geküsst haben, uns gestreichelt und auf dem weichen Teppich dort verausgabt haben. Die aufkeimende Sehnsucht ist fast nicht zum aushalten. Dann sehe ich unser erstes Treffen vor mir. Wie niedlich er ausgesehen hat, als ich ihm nur mit einem Handtuch bekleidet gegenübergestanden habe. Unwillkürlich kommt mir Sebastian in den Sinn. Diese miese kleine Kröte.

Warum bin ich nur so dumm gewesen? Theo hat mir schon vor Monaten gesagt, dass er ein ungutes Gefühl bei ihm hat. Ich nahm ihn nicht für voll. Was sollte dieser Tänzer mir schon anhaben können? Doch da gab es Marcell auch noch nicht in meinem Leben. Ich vergaß Theos Worte, was ein großer Fehler gewesen war. Wer konnte aber auch ahnen, dass Sebbi tatsächlich so besessen von mir ist, dass er meinen Freund entführt? Außer Theo selbstverständlich. "Ich hätte auf ihn hören sollen", sage ich erstickt zu mir selbst. "Es tut mir so leid, Marcell." Auf Theos Menschenkenntnis habe ich schon immer große Stücke gehalten. Warum nur bei Sebastian nicht? 'Weil ich dachte, alles im Griff zu haben', höre ich eine Stimme in mir flüstern. Ich habe Sebastian unterschätzt. Habe seine Gefühle mir gegenüber unterschätzt. Ich habe einen fatalen Fehler begangen, obwohl ich ihm doch von Anfang an klar gemacht habe, dass das mit uns nichts Ernstes geben wird.
 

Die Beifahrertür geht auf. Laurin "Hier."

"Danke." Ich nehme den mir dargereichten Kaffeebecher entgegen und trinke ihn mit großen Schlucken halb leer. "Theo und Matthias sind gleich da", erkläre ich und deute auf die zwei verbliebenen Kaffeebecher.

"Gut. Die sind bestimmt auch schon total geschafft." Laurin lehnt sich zurück und schließt die Augen. "Bei Vince und Justin hat sich auch noch nichts getan."

"Wo sind sie noch mal?"

"Hinten im Industriegebiet West."

"Ah ja. ... Stimmt." Laurin und Theo haben eine ganze Menge Freunde und Bekannte mobilisiert, die mittlerweile fast die gesamte Stadt abdecken. "Warum finden wir ihn nicht? So viele Leute halten Ausschau nach ihnen. Aber noch immer keine Spur von Marcell oder diesem Bastard." Ich schlage auf mein Lenkrad ein. Einmal, zweimal, dreimal. Bis Laurin meine Hand greift und sie sanft drückt. "Wo ist er nur?"

"Wir finden ihn. Ganz sicher." Ich hoffe, bete und flehe alle höheren Mächte an, dass Laurin Recht behält. "Da kommen Matthi und Theo." Ich ziehe den Schlüssel aus dem Zündschloss, ehe wir aussteigen und auf Theos Wagen zulaufen.

"Eben hat Frank angerufen. Er hat seine früheren Beziehungen spielen lassen", ruft uns Theo zu, noch ehe wir bei ihnen angekommen sind.

"Und?!", frage ich ihn aufgeregt. "Haben die was?"

"Nein." Ich presse meine Kiefer zusammen. Dieses Auf und Ab macht mich noch ganz fertig. "Aber er hat die Fotos an sie weitergegeben und ihnen gesagt, wie dringend es ist. Falls Sebastian also irgendwo versucht hier unterzutauchen, oder ins Ausland verschwinden will, dann haben sie ihn. Sogar noch schneller als die Polizei." Untertauchen. Ins Ausland absetzen. Mir wird schlecht.

"Anton?" Matthias und Theo greifen nach mir.

"Was soll das?" Warum halten sie mich fest?

"Du wärst eben beinahe umgekippt. Hast du das nicht gemerkt?" Umgekippt? Was faseln die da? "Setz dich lieber." Theo will mich zu seinem Wagen zerren, doch ich reiße mich von ihm los.

"Wir müssen weiter!", zische ich ihn an.

"Aber du ..."

"Nichts, aber du! Mir setzt bloß die Hitze etwas zu! Das ist alles!" Die Sonne scheint heute echt unbarmherzig auf uns nieder. Und dann noch die ganze Fahrerei im Auto. Kein Wunder, wenn mir mal schwindelig wird.

"Hoffentlich hast du keinen Hitzschlag!" Laurin packt mir an die Stirn, was ich nicht verhindern kann. "Du bist wirklich etwas warm. Gehen wir lieber mal für ein paar Minuten in den Schat..."

Angesäuert schlage ich Laurins Hand weg. Seine Fürsorglichkeit in allen Ehren, aber danach steht mir jetzt überhaupt nicht der Kopf! "Schluss mit der Pause! Wir fahren weiter", bestimme ich und drücke Laurin meinen Autoschlüssel in die Hand. "Du fährst. Zufrieden?" Damit hoffe ich ihn wenigstens für eine Weile ruhig zu stellen.

Wütend stampfe ich auf mein Auto zu. Mir egal, wenn sie mich jetzt für einen Arsch halten. Obwohl ich das nicht denke. Aber die Angst um Marcell zerfrisst mich. Da kann ich mich nicht um einen eventuellen Sonnenstich kümmern! Das Einzige, was jetzt zählt ist, dass ich meinen Schatz wieder unbeschadet zurückbekomme. Um alles andere mache ich mir erst dann Sorgen, wenn ich Marcell wieder gesund und munter in meinen Armen halte. "LAURIN!" Ich ziehe die Beifahrertür zu. So fest, dass der Schlag über den gesamten Parkplatz donnert.

"Bin schon da. Wo lang?" Der Wagen springt an.

"Fahren wir die Hauptstraße bis zur Kreuzung entlang und dann noch mal hinunter zu der Laubenanlage."

"Ist gut." Im Vorbeifahren nicke ich Theo und Matthias dankbar zu und schon klebt mein Blick auf der Umgebung um uns herum. Wir müssen ihn endlich finden!
 

~Marcell~

"Shit!" Auf den Knien rutsche ich so weit es nur geht rückwärts von der Wand weg. Es nutzt allerdings nichts, denn der Geruch folgt mir. Zum wiederholten Male habe ich mich nun schon in einer Ecke des Lagerraums erbrochen. Inzwischen kommt nur noch Magensäure, weshalb sich meine Kehle wie ein brennendes Reibeisen anfühlt. Vom dem säuerlichen Geschmack, den ich schon seit gestern Abend in meinem Mund kleben habe, will ich erst gar nicht sprechen. Kurzum: Ich habe Durst!

Die Hitze, die sich in dem kleinen Lagerraum staut, macht es auch nicht besser. Allein diese drei Begebenheiten sind schon schlimm genug, aber dazu kommen noch meine schneidenden Kopfschmerzen. Es fühlt sich an, als würde meine Schädeldecke bei jedem Herzschlag in zwei brechen. Ich kann es sogar hören. Bumm ... Bumm ... Bumm ... Bei jedem Schlag horche ich angespannt, ob es nicht endlich knackt. Eventuell brächte mir das ein bisschen Linderung. Wenn der Druck weg wäre ... Ach was denke ich da! Ehe das passiert, ist mein Hirn verkocht. Ich muss hier raus!

Ich strecke meinen Hals durch, was meinen Kopfschmerz minimal abschwächt und trete monoton, wie schon seit gefühlten Ewigkeiten, gegen das Rolltor. Bis jetzt hat noch niemand auf meine Rufe oder den Lärm, den ich veranstalte, reagiert. Anscheinend gibt es hier überhaupt kein Sicherheitspersonal. Kein Laut von außen dringt zu mir. Hin und wieder zwitschert ein Vogel, der die Sommersonne zu genießen scheint, sich auf einem schattigen Ast niedergelassen hat und fröhlich sein Liedchen trällert. Ansonsten nimmt niemand Notiz von mir.

"HILFE!" Wieder ein Tritt. "Warum hört mich denn niemand?" Ich bin so müde und würde gern schlafen, habe aber riesige Angst davor. Darf man mit einer Gehirnerschütterung schlafen? Ich denke nicht. Ich hatte wohl bloß Glück, dass ich vorhin überhaupt wieder aufgewacht bin. Noch ein Tritt gegen diese verflixte Rolltür. Wären meine Hände frei, vielleicht hätte ich sie irgendwie da oben aushebeln können. Nur habe ich noch immer nicht meine Fesseln lösen können. In diesem beschissenen Lagerraum gibt es absolut nichts, woran ich sie mir hätte aufraspeln können. "Hilfe ..." Mit halbgeschlossenen Augenlidern schaue ich auf den kleinen Schlitz unter dem Tor. Das Licht wird immer rötlicher. Die Sonne muss demnach schon ziemlich tief stehen. Die Chancen, dass heute jemand sein Lager aufsucht, das sich auch noch ausgerechnet in der Reihe befindet, wie jenes, in dem ich gerade festsitze, schwinden immer mehr.

Flatternd schließen sich meine Augen. Ich kann sie einfach nicht mehr offen halten. Sie brennen so furchtbar und die Augäpfel unter meinen geschlossenen Lidern fühlen sich heiß an. Ich habe sicher Fieber. "Ich muss hier raus ..." Mein Fuß stößt an das blecherne Tor, doch nicht fest genug. Jetzt habe ich noch nicht mal die Kraft dafür, mich bemerkbar zu machen. "Hilfe ..."
 

Immer wieder muss ich an Anton denken. Frage mich, ob er mich sucht. Eigentlich bin ich mir sogar sicher, dass er das tut, doch hat er eine Ahnung, dass ich entführt worden bin? Oder wer mich überhaupt entführt hat?

Ich atme tief durch den Mund ein. Warum habe ich nicht auf Theo gehört und Anton von meinem Verdacht berichtet? "Theo!" Ich reiße die Augen auf und starre an die Decke über mir. "Theo weiß aber Bescheid!" 'Und was nützt mir das?', wabert es durch mein pochendes Hirn. 'Wie soll Theo darauf schließen, dass du in einem Lagerraum eingesperrt bist?' "Sie werden Sebastian finden", antworte ich mir selbst. 'Nicht, wenn er wie Holger abhaut.' Mir fallen erneut die Augen zu. "Dann sieht's scheiße für mich aus." Ich bin zwar kein Arzt, aber selbst ich weiß, dass man ohne Wasser nicht lange auskommt. Zudem, wenn man ständig am kotzen ist, weil die Schädeldecke kurz davor ist, sich in zwei Hälften zu teilen. "Anton ..." Meine Wangen werden feucht. Ich würde ihm jetzt so gern sagen, wie sehr ich ihn liebe. Wenn wir uns wiedersehen, muss ich ihn das unbedingt sagen! Sofort. ... Aber was, wenn ich ihn nie wieder sehe? Ihn und meine Familie? Meine Freunde? Oh Gott! Meine Mutter! Ihr Herz!

Panisch raffe ich mich auf und trete ein paar Mal gegen das Rolltor. Das darf nicht sein! Ich muss hier raus! "Hilfe!", rufe ich nicht mal halb so laut, wie ich es eigentlich wollte. Und auch die Tritte werden immer schwächer. Meine Kräfte schwinden schneller als gedacht. "Warum hört mich denn niemand? ... Anton ..." Kraftlos kippe ich nach hinten gegen die Wand und gönne mir etwas Ruhe, damit ich die nötige Kraft sammeln kann und mich weiter bemerkbar machen kann, falls doch noch jemand da draußen auftaucht.
 

***
 

~Marcell~

Ein Knall lässt mich auffahren. Bin ich vorhin eingeschlafen? Das wollte ich doch vermeiden! Aus schmalen Schlitzen fixiere ich den Spalt neben mir. Schwaches Abendlicht. Ja. Ich bin definitiv eingepennt. Leider geht es mir dennoch nicht besser. Mir ist schon wieder schlecht und ... Moment! Was war das eben eigentlich für ein Knall, der mich aufgeweckt hat? Ist da draußen jemand?

Ich werde wieder munterer und strecke meinen Rücken durch. Die Hoffnung, dass endlich jemand da draußen vor den Lagerräumen steht, lässt meine Lebensgeister neu erwecken. "HILFE!", krächze ich so laut ich kann und trete erneut gegen das Rolltor. "HIIILFE!" Zwei-, dreimal noch kicke ich gegen das vermaledeite Tor und lausche. Sind das Schritte?

"Hallo?" Oh Gott! Da ist tatsächlich jemand!

Wie von Sinnen trete ich weiter gegen das Tor. "HIER!!! ICH BIN HIER EINGESPERRT!" Ich brülle. Die zerberstenden Kopfschmerzen sind mir plötzlich völlig egal. Ich will nur hier raus! "HIIILFE!!!"
 

******
 

Der Autor zieht sich in sein einsames Landhaus zurück, damit ihn die aufgebrachten Leser bis zum nächsten Kapitel nicht ausfindig machen können. *zischhhhh*



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Morphia
2014-10-10T22:28:08+00:00 11.10.2014 00:28
Ich sag es ja... Du bist grausam! T.T
Verdammt ist das spannend. X.x
Bitte bitte schnell weiter machen. >.<

*Anti-Sebbi-Club in Anti-Sebbi & Anti-Holger Club umbenenn*
Die haben beide sowas von verschissen! 😡
Antwort von:  Fara_ThoRn
11.10.2014 07:59
Aber so was von!
Keine Bange, es geht bald weiter. Hab eben noch mal zwei Kapitelchen hochgeladen. Die dürften bald freigeschaltet sein. ^^
Und ich bin gerne hin und wieder grausam *hehehe* Aber nicht für lange. Außerdem kann ich Marcell ja nicht so lange leiden lassen. Sonst steigt mir Anton noch aufs Dach.
Von:  selena
2014-10-10T17:49:41+00:00 10.10.2014 19:49
*endlich das verdammte lagerhaus gefunden hat, wo marcell steckt*
einen kleinen moment geduld noch marcell, ich hol dich sofort da raus!
*bolzenschneider schnappt, tor knackt und es öffnet*
Rettung ist da, marcell!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
Antwort von:  Fara_ThoRn
11.10.2014 08:01
Das muss ich mir jetzt bildlich vorstellen. xD Wie du Marcells Retter beiseite schiebst und die dich ganz verdattert anstarren. ^^
Antwort von:  selena
11.10.2014 10:36
hahaha so ging es mir da auch grad in dem moment. XDXDXDXD
Von:  emina
2014-10-10T13:17:01+00:00 10.10.2014 15:17
Meine armen Babys
Du bist so gemein ihnen so weh zu tun ;____;
Und ich dachte jetzt wird alles gut </3
Antwort von:  Fara_ThoRn
11.10.2014 08:02
Immer mit der Ruhe. Ich lass Marcell schon nicht im Lagerraum versauern.
Meist geht bei mir doch alles gut aus, nech? (^_-)v
Von:  Zinja
2014-10-10T11:20:06+00:00 10.10.2014 13:20
Wahhh omg o.o gleich zwei Kapitel wie geil. Der arme Marcel, Gott das ist so spannend, ich liebe deine stories und ich bin schon riesig gespannt wie es jetzt weiter geht. Bitte bitte schnell ein neues Kapitel, ich bin sooo gespannt.
Antwort von:  Fara_ThoRn
11.10.2014 08:03
Hab schon zwei hochgeladen. Es geht also bald weiter. ^^


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