Zum Inhalt der Seite

Are You Sane, Baby?

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Zarte Lippen | Yami

Der leblos scheinende Körper war in meinen Armen geborgen. Ryou hatte wohl so etwas wie einen Schock erlitten, das war einfach zu viel auf einmal für ihn.
 

Auf Händen trug ich ihn zurück ins Bett und deckte den Kleinen zu. Zur Sicherheit hörte ich noch seinen Herzschlag ab, der mir etwas langsam vorkam. Das Gesicht des Jungen war ganz blass geworden un die Wangen waren heiß. Falls ich ihm wirklich so einen Schrecken eingejagt habe, tut es mir Leid. Eigentlich bin ich zum Helfen und zum Beschützen bestimmt.
 

Ich holte mir den Sessel, der beim Schreibtisch platziert war, stellte diesen vors Bett und setzte mich. Eine Zeit lang beobachtete ich den ruhig atmenden Ryou, der aber sicher nicht schlief. Er hatte, wie ich mitgehört hatte, Schlafstörungen, die es ihm nicht möglich machten, Nachts zu einer passenden Uhrzeit einzuschlafen.
 

Ich wollte ihn kurz rütteln, um zu sehen, ob er überhaupt noch aufwacht, doch andererseits wollte ich ihn nicht… “stören”. Seine Brust hob und senkte sich sehr intensiv, was mir das Gefühl verschaffte, er bekäme nur schwer Luft. Eine Art Sorge bildete sich in mir.
 

Seine Gedanken waren für mich gerade unzugänglich, da er weder träumte, noch aktiv etwas dachte. “Ryou”, sprach ich mit lauter Stimme und griff seinen Arm. Ich wiederholte seinen Namen, worauf er sein Gesicht kurz verzog. Als ich über seinen Hals strich, zuckte er kurz und öffnete letztendlich seine schönen, großen Augen.
 

“I-ich hatte gerade einen komischen Traum”, er richtete sich auf und sah sich um. Als er mich erblickte, zerfiel das Gefühl von Erleichterung in ihm. “Bist du immer noch da?!”, fragte der 17-jährige und warf mir vor lauter Wut das zweite Mal in dieser Nacht das Kissen gegen mich - diesmal ins Gesicht. Ich behielt meine Kontrolle und reagierte nicht drauf; weder mit Worten, noch mit Taten.
 

“Wir könnten gut miteinander auskommen. Du hast dich wohl gefühlt, als wir gekuschelt haben. Außerdem wolltest du doch einen Mann an deiner Seite, oder nicht?”, meine Geduld würde nicht so schnell verfliegen, immerhin wollte ich dem Kleinen wirklich helfen, ihm Komfort verschaffen. Diese Aufgabe werde ich nicht so schnell aufgeben.
 

“Wenn du dich wirklich um mich kümmern würdest, würdest du mich schlafen lassen”, behauptete Ryou und sah mich angesäuert an. “Aber du kannst nicht”, entgegnete ich, worauf sich ein leidender Blick im Gesicht meines Gegenübers bildete. Ja, Ryou - du kannst nicht schlafen.
 

Ein lauter, verzweifelter Ton entfuhr dem Jungen, der sich hart wieder ins Bett fallen ließ und an die Decke starrte. In seinem Kopf kreisten die Gedanken, wann die Halluzination - also ich - endlich nachlassen würde, und ob er diese Nacht überhaupt genug Schlaf bekommen würde. Und wie viel Ärger er wohl in der Schule bekommen würde. Ich spürte all seine Sorgen, all sein Leid und hatte das starke Bedürfnis, ihm das alles zu nehmen.
 

Ich traute mich, mich neben ihn zu legen. Ryou seufzte genervt und blickte immer noch planlos auf die Decke. “Hast du dich schon einmal gefragt, wie sich Küssen anfühlt?”, wollte ich wissen und wartete auf seine Antwort. Er schmunzelte und biss sich auf die Unterlippe. “Ich habe es in vielen Filmen gesehen. Muss toll sein…”, sein Blick glitt zu mir. Mit seinen schönen Augen schaute er traurig in meine. Die Einsamkeit hat dich so kaputt gemacht, Ryou.
 

Beide legten wir uns seitlich hin und waren zueinander gedreht. Seine Vertrauensblockade löste sich. Sie löste sich wahrscheinlich, weil er einsah, dass ich die einzige Person war, die ihm wirklich zuhörte und mich nicht über seinen Schmerz lustig machte. Seine Mutter tat dies ebenfalls nicht, doch diese lag Nachts nicht neben ihm und sorgte dafür, Ryou von seiner Angst der späten Stunden abzulenken.
 

“Hast du schon mal wen geküsst?”, fragte der Bursche mit einem Ton, gemischt aus Neugier und Trauer. Kurz lachte ich auf und sah ihn für einige Sekunden an. Verwirrt wurde ich angesehen. Ich setzte mich auf, packte Ryou am Arm und zog ihn ebenfalls hoch. Bevor er auch nur ein Wort sagen konnte, nahm ich sein Gesicht augenblicklich in die Hände und legte meine Lippen zart auf seine. Unsere Münder öffneten sich einen Spalt, worauf wir begannen, uns innig zu küssen. Der Puls des Hellhaarigen erhöhte sich, er war aufgeregt und nervös.
 

Um das hier nicht zu weit zu treiben, löste ich mich von ihm und hörte, wie laut er atmete. “Ja, ich habe schonmal wen geküsst”, grinste ich. Der Kleine umschlang mich mit seinen Armen und drückte mich an sich. Es war eine völlig neue Erfahrung für ihn, die er sicher niemals vergessen würde.
 

“Das war so schön”, erkannte er und konnte es kaum fassen, gerade jemanden wirklich geküsst zu haben. “Aber es war nicht echt”, fügte er hinzu und hätte sich fast wieder in Hysterie verloren. Ein gespielt genervtes Seufzen war von mir zu hören, bevor ich Ryou den Kopf tätschelte. Er wird schon noch früh genug herausfinden, dass das Schicksal uns zusammengeführt hat.
 

Ohne eine Regung blieb ich vor ihm sitzen und starrte ihm in die Augen. Ohne ein Wort, ohne ein Zucken, saß ich einfach vor ihm. Skeptisch blickte Ryou mich an, wartete darauf, dass etwas passierte. Diese reine Stille machte ihn total nervös und er fühlte sich unwohl. Dies zeigte sich auch in seinen Bewegungen; Öfter kratzte er sich am Kopf, streichelte seine Hand oder spielte mit seinen Fingern herum.
 

Nach einiger Zeit ließ die Nervosität aber nach und mein Gegenüber äußerte sich; “Mir hat noch nie jemand so viel Aufmerksamkeit geschenkt, wie du in dieser gefühlten halben Ewigkeit”. Immer noch sahen wir uns in die Augen, konnten nicht mehr voneinander wegschauen. Es hat sich eine Bindung zwischen uns aufgebaut.
 

“Ich werde dir immer zuhören und dir immer eine Schulter zum Anlehnen bieten”, versicherte ich ihm und fing an, zu lächeln. “Willst du nicht langsam versuchen, zu schlafen?”, wollte ich wissen, worauf Ryou nickte und sich wieder unter die warme Decke begab. Ich legte mich ebenfalls hin und umarmte den Kleinen von hinten. Er zuckte kurz, als er meinen Körper an seinem spürte. Dies schien ebenfalls neu für ihn gewesen zu sein.
 

“Ich fühle mich so geborgen…”, gab er zu; nach ungefähr zehn Minuten hörte man, dass er nun im Land der Träume angekommen war.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück