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Melly oder wie zähme ich meinen Vampir

von

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Kapitel 4

Kapitel 4:
 

Es ist kurz nach elf, als ich von meiner Einkaufstour zurück komme. Ich stelle die Tüten nur schnell in der Küche ab und gehe dann nach oben um nach Cyr zu sehen. Becca liegt vor dem Bett auf dem Boden und sieht mich an. Ich habe mich schon gefragt, warum sie mich nicht begrüßt hat. Sie ist bei Cyr geblieben. Der schwarzhaarige hat sich tief in den Kissen vergraben. Ich setze mich vorsichtig auf die Bettkante und betrachte sein entspanntes Gesicht. So friedlich habe ich ihn noch nie gesehen. Am besten lasse ich ihn einfach weiterschlafen! Gerade als ich aufstehen will, legt sich eine kühle Hand auf meine Arm. Überrascht sehe ich in Cyrs müde graue Augen.

„Du bist wieder da!“ Er wickelt sich noch fester in die Decke.

„Ja, seit ein paar Minuten. Wie geht es dir?“ Er dreht den Kopf und vergräbt die Nase in den Kissen. Mal wieder bekomme ich keine Antwort. Typisch. Seufzend fahre ich mir durchs Haar und wechsle das Thema.

„Ich mache mir etwas zu essen. Möchtest du auch etwas?“ Aufmerksam beobachte ich wie er das Gesicht verzieht. Zumindest den Teil, den ich sehen kann.

„Brauche nichts!“ Ne, aber das Kunstblut löst er anscheinend in Whiskey! Das ist ja so viel besser!

„Wenn ich das Kunstblut unters Essen mische wird der Geschmack Großteils überdeckt!“ Sein Kopf ruckt ein winziges bisschen herum. Ah, jetzt habe ich also seine Aufmerksamkeit.

„Ich war doch letzten Monat auf dem Seminar über Vampire! Nach dem Vortrag hat mir der Referent ein paar Tipps gegeben.“ Der junge Vampir hatte sich wirklich gefreut, dass ich scheinbar als einzige daran interessiert war etwas über das Leben eines Vampirs herauszufinden. Und nicht nur wie man ihn am besten umlegt. Jetzt sieht Cyr mich unsicher an. Er ist der Grund, warum ich dieses Seminar überhaupt besucht habe und es hilft tatsächlich besser mit ihm auszukommen. Zumindest etwas.

„Meinst du wirklich, das funktioniert?“ Also schmeckt ihm das Kunstblut wirklich nicht, sonst hätte er niemals nach gefragt. Ich zuckte mit den Schultern.

„Woher soll ich das wissen? Aber probieren schadet nicht!“ Der Ausdruck seiner grauen Augen schwankt irgendwo zwischen Hoffnung und Skepsis. Dann nickt er.

„Ich komme mit runter!“ Er versucht sich aufzustützen, sackt aber mit einem leisen Wimmern zurück in die Kissen. Sofort knie ich mich neben das Bett um auf Augenhöhe mit ihm zu sein. Ich greife nach seiner eiskalten Hand.

„Cyr, ist es die Wunde an deiner Flanke?“ Ein kaum erkennbares Nicken. Die Lippen presst er fest zusammen. Am besten bliebe er wohl im Bett, aber etwas Bewegung tut ihm mit Sicherheit auch gut. Vorsichtig schiebe ich ihm einen Arm unter die Schultern.

„Ich helfe dir! Auf drei, okay?“ Er atmet tief durch und nickt dann zögernd.

„Eins… Zwei… Drei…!“ Ich ziehe ihn ein wenig hoch, Cyr stützt sich mit der gesunden Hand ab und schwingt vorsichtig die Beine aus dem Bett. Sein Atem stockt, ich setze mich vorsichtig neben ihn. Einen Arm um seine Taille geschlungen. Wenn Cyrs sonst so perfekte Maske Risse bekommt, müssen seine Verletzungen ziemlich schlimm sein. Vielleicht sollte ich noch einmal mit dem Arzt reden! Aber jetzt ist erst einmal Cyr dran. Nach einem kurzen Moment kommt er auf die Beine. Diesmal ohne meine Hilfe. Bei der Treppe sind seine Bewegungen zaghaft und zögernd, dass ich ihn kurzerhand stütze. Cyr sagt nichts dazu, obwohl er sich so selten berühren lässt. Wenn ich so darüber nachdenke hat er heute sowieso viel mehr durchgehen lassen. Ich habe ihn so oft berührt, ohne dass er sich dagegen gewehrt hat. In der Küche angekommen bugsiere ich ihn auf einen Stuhl.

„Möchtest du einen Tee?“ Er zuckt minimal mit den Schultern. Also mache ich ihm einen Pfefferminztee. Der Vampir aus diesem Vortrag meinte, dass Pfefferminze den Geschmack des Kunstblutes gut überdecken würde. Und Cyr muss das Zeug zu sich nehmen. Durch die Verletzung sogar noch mehr als sonst. Skeptisch beäugt er die Tasse, die ich vor ihm abstelle. Dann streckt er zaghaft die Hand danach aus. Seine Finger zittern. Fragend beobachte ich wie er die Tasse vorsichtig mit umschließt und näher an sich heranzieht.

„Sag mal, ist dir kalt?“ Irgendwie ertappt sieht er mich an. Ohne ein weiteres Wort hole ich die bunte Flickendecke aus dem Wohnzimmer und lege sie um seine Schultern. Ich habe Cyr noch nie frieren sehen. Um ehrlich zu sein wusste sich nicht einmal, dass Vampire frieren können. Anscheinend ist mein Gesicht ein einziges Fragezeichen, denn Cyr seufzt leise.

„Es hängt mit der Verletzung zusammen. Meinem Körper fehlt die Kraft meine Temperatur konstant zu halten. Sie sackt immer wieder ab.“ Er starrt blind in den mit Kunstblut vermischten Tee. Unsicher stehe ich in der Küche und blicke auf meinen Gast hinunter.

„Kann ich sonst noch irgendetwas für dich tun?“ frage ich schließlich vorsichtig und setze mich auf den Stuhl neben ihm.

„Du hast schon genug getan! Immerhin lässt du mich hier bleiben. Und aus dem Bett!“ Die letzten Worte sind so leise, dass ich ihn kaum verstehe. Und der Sinn bleibt mir so oder so verborgen.

„Was meinst du mit: `Ich lasse dich aus dem Bett´?“ Er sieht mich nicht an, schiebt die Tasse zwischen seinen Fingern hin und her.

„Mirko hätte mich heute sicher nicht aufstehen lassen, geschweige denn aus dem Zimmer!“ Das stimmte wohl. Der Arzt der Organisation war streng und er hatte definitiv die Macht Cyr einzusperren. Dabei wäre das sowas von falsch. Denn um Cyr einzusperren gab es nur einen einzigen Weg. Sein Ehrgefühl, seine Treue und in Verbindung damit die Drohung sein Arbeitsverhältnis zu beenden. Denn einfach den Schlüssel herumzudrehen würde nicht funktionieren, egal wie stabil die Tür auch wäre… Cyr ist stärker. Ich habe ihn schon einen Banktresor aufbrechen sehen. Mit bloßen Händen.

„Solange du es nicht übertreibst!“ murmele ich nur als Antwort. Etwas Besseres fällt mir nicht ein. also fange ich endlich mal an meine Einkäufe weg zu räumen.

„Schon klar, dass ich das Training erst einmal vergessen kann! Aber vielleicht kann ich zumindest mal kurz aus dem Haus. Fünf Minuten reichen!“ Was? Cyr hört sich ja fast schon an, als würde er betteln. Um fünf Minuten aus dem Haus zu kommen. Langsam realisiere ich, dass es nicht die Atmosphäre in der Krankenstation ist, die ihn so stört, sondern die aufgezwungene absolute Ruhe. Klar ist Ruhe wichtig, aber Cyr einfach kalt zu stellen, ihn ins Bett zu zwingen… Nein! Das kann und werde ich nicht tun!

„Ich gehe nach dem Essen mit Becca spazieren, wenn du willst kannst du mit kommen!“ Mit Cyr werde ich definitiv nur die kleine Runde gehen. Allerhöchstens eine halbe Stunde!

„Du lässt mich wirklich?“ Er sieht mich mit großen Augen an. Überrascht und ungläubig.

„Ich werde dich nicht einsperren! Dich auch nicht aufhalten wenn du gehen willst. Und ich werde dir keine Vorschriften machen!“ erkläre ich ernst und sehe ihm dabei fest in die Augen.

„Was willst du dafür?“ Seine Worte sind hart und lauernd.

„Dass du mir zwei Dinge versprichst!“ Eindringlich sehe ich ihn an und hole noch einmal tief Luft.

„Als erstes: Versprich mir, dass du auf dich Acht gibst! Dass du auf deinen Körper hörst und es nicht übertreibst! Und zweitens: Versprich mir, dass du zu mir kommst, wenn es dir schlecht geht oder du etwas brauchst! Egal wann oder wo!“ Kurz sehe ich in seine überraschten silbergrauen Augen, dann senkt er den Kopf und starrt in seine Tasse.

„Ich verspreche es!“ sagt er schließlich leise. Ich erhebe mich von meinem Stuhl. Ich habe ihm gerade sozusagen alle Freiheiten gegeben. Es liegt alleine an Cyr wie er jetzt mit der Situation umgeht.

„Okay, was möchtest du Essen?“ Ich trete an den Herd. Becca folgt mir schwanzwedelnd und sieht mich aus ihren braunen Hundeaugen bettelnd an. Ich streichle ihr sanft über den Kopf.

„Dich habe ich ja ganz vergessen, Süße. Du hast Hunger, nicht wahr?“ Ich hole das Hundefutter aus dem Schrank und fülle ihren Napf. Con Cyr habe ich immer noch keine Antwort. Also gut, dann mache ich einfach Nudeln mit Tomatensoße. Und wenn es ihm nicht schmecken sollte… Pech! Ich habe gefragt, was er will. während ich koche herrscht Schweigen in der Küche. Aber es ist keine unangenehme Stille. Irgendwie ist es angenehm Cyr am Tisch zu wissen und Becca daneben auf ihrem Kissen liegen zu sehen. Summend werfe ich immer wieder einen Blick über die Schulter zu Cyr. Er sitzt starr auf dem Stuhl und nippt immer wieder an seiner Tasse. Das erste Mal hebt er denn Blick als ich ihm einen Teller vorsetze. Sein Blick folgt mir, als ich das Besteck hole und mich ihm dann gegenüber setze.

„Iss.“ Fordere ich ihn auf. Sanft.

„Ich dachte du wolltest mir keine Vorschriften machen?“ Im ersten Moment zucke ich zusammen, dann sehe ich ihm in die Augen. Sie sind irgendwie weicher als sonst. Seine Worte sind nicht böse gemeint. Er nimmt auch einfach seine Gabel und fängt an zu essen. Ich beobachte ihn einen Moment, dann beginne auch ich zu essen.

„Willst du noch?“ frage ich, als er seinen leeren Teller zur Seite schiebt. Er schüttelt nur leicht den Kopf. Also bringe ich unser Geschirr zur Spüle. Als ich Wasser in das Becken lasse spüre ich Cyr plötzlich neben mir.

„Kann ich irgendwie helfen?“ Erst will ich ablehnen, aber dann sehe ich zu Cyr. Seine Augen sind fragend und auf mich gerichtet. Da ist es wieder. Er will etwas tun.

„Spülen oder Abtrocknen?“ Ich halte Lappen und Handtuch hoch. Cyr nimmt zweiteres und ich fange an zu spülen. Dabei beobachte ich ihn aus den Augenwinkeln. Mit dem Besteck funktioniert das ja noch ganz gut. Aber bei den Tellern wird es schon echt kreativ. Er steht mit dem Becken an die Arbeitsfläche gelehnt und fixiert mit der verletzten Hand den Teller. Ist die eine Seite trocken dreht er ihn mit der gesunden Hand um und macht die andere Seite. Ich räume das Geschirr weg und sehe ihn dann an.

„Wollen wir raus?“ Er nickt und legt die Decke auf einen Stuhl. Er sollte sich vielleicht vorher noch etwas über ziehen. Immerhin trägt er noch immer nur ein T-Shirt.

„Ich hol dir schnell einen Pullover und meine Jacke!“ Bevor er etwas einwerfen kann bin ich schon die Treppe hochgespurtet und nehme meinen Anorak und einen von Cyrs Pullis und gehe wieder nach unten. Cyr hat seine Schuhe schon an und Becca sitzt schwanzwedelnd zu seinen Füßen.

„Hier…!“ Statt seinen Pulli zu nehmen öffnet er die Laschen seines Gilchrist.

„Was wird das?“ Er sieht mich nicht an, macht einfach weiter.

„Das Teil muss über meinen Mantel, sonst passt er nicht!“ Ich beiße mir auf die Lippen und schlucke meine Widerworte hinunter. Der Gilchrist sitzt über dem Mantel beschissen. Aber ich habe ihm versprochen mich nicht einzumischen. Also helfe ich ihm und nehme mir fest vor morgen in die Stadt zu fahren und ihm einen Anorak zu besorgen, der weit genug ist um die Armschlinge darunter zu bekommen. Jetzt allerdings Leine ich erst mal Becca an und verlasse bei Cyr untergehakt das Haus. Kalte Luft schlägt uns entgegen. Aber Cyr lächelt.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Mei2001
2015-12-11T20:03:04+00:00 11.12.2015 21:03
gutes Kapitel!


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