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Melly oder wie zähme ich meinen Vampir

von

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Kapitel 19

Kapitel 19:
 

Am nächsten Morgen wache ich früh auf. Ich habe nur wirres Zeug geträumt. Dass ich mich dabei an kaum etwas erinnere, ist da bestimmt nichts außergewöhnlich. Aber das wenige, dass ich noch weiß gibt mir zum Nachdenken. Denn Cyr hat in allem die Hauptrolle gespielt. Ich habe Bilder vor meinem inneren Auge in denen Cyr im Mittelpunkt steht, in denen nur er klar erkennbar ist und alles um ihn herum verschwommen.

Cyr blutverschmiert mit einem Schwert in der Hand…

Cyr in einfachen Kleidern, auf einem prunkvollen Thron…

Cyr auf einem weißen Pferd, edel gekleidet, auf seinem Schoß eine gesichtslose Frau…

Cyr lachend…

Cyr ernst und entschlossen…

Cyr, eine Träne rinnt über seine Wange, seine Augen sind leer…

Cyr mit langen Haaren…

Cyr nackt…

Cyr alt, mit Falten und grauem Haar…

Cyr alleine…

Cyr in Gesellschaft…

Cyr in einer Höhle…

Als hätte mein Gehirn versucht nachzuvollziehen was er schon alles erlebt hat. Lächerlich. Als könnte es dreitausendvierhundertsechsundneunzig Jahre in nur einer einzigen Nacht nachholen. Mein Blick huscht zu Cyr. Er liegt zusammen gerollt neben mir auf dem Bett. Sein schwarzer Haarschopf lugt unter der Bettdecke hervor. So viele Jahre machen ihn ziemlich verschlossen. Ich weiß nicht, ob mein Traum auch nur annähernd an die Wirklichkeit herankommt. Aber Cyr hat schon verdammt viel erlebt. Ich spüre seine Wärme neben mir. Sie zieht mich wie magisch an. Vorsichtig strecke ich unter der Decke meine Hand aus, bis ich auf weiche, samtige Haut stoße. Meine Finger streichen über eine seiner Brustwarzen. Sie richtet sich sofort auf. Ich beobachte aufmerksam seine schlanke Gestalt unter meiner Decke. Cyr zuckt sich nicht, während ich weiter über seinen Oberkörper fahre. Über seine Rippen, die deutlich hervorstehen, seinen Bauchnabel, die Wunde an seiner Flanke. Ich muss sie wieder verbinden, sobald er wach ist. Das habe ich gestern über sein Geständnis und das alles ganz vergessen. Erst jetzt fällt mir auf, dass Cyr den Gilchrist gar nicht getragen hat, als ich ihn gefunden habe. Was hat er die letzten vier Tage getrieben?

„Guten Morgen, Melly!“ Das verschlafene Brummen reist mich aus meinen Gedanken. Cyrs silbergraue Augen sind noch etwas verschleiert und sind auf mich gerichtet.

„Morgen…“ erwidere ich leise und streiche ihm eine dunkle Haarsträhne aus seiner Stirn.

„Wie geht es dir?“ Ich betrachte ihn aufmerksam. Seinen Wangen fehlt noch immer Farbe und unter seinen Augen liegen bläuliche Schatten.

„Erschöpft… und meine Schulter…“ murmelt er und schließt die Augen wieder.

„Was hast du die letzten Tage gemacht?“ frage ich vorsichtig. Vielleicht hat er sich da mit seiner Schulter irgendetwas getan… Er schüttelt allerdings nur den Kopf, statt zu antworten.

„Du weißt, dass ich Mirko anrufen muss…“ Er stützt sich mit dem gesunden Arm auf.

„So schlimm ist es nicht.“ Wirft er ein.

„Und Lucian müssen wir auch anrufen!“ Das fällt mir gerade so ein.

„Was?“ Cyr sitzt steil im Bett, seine Augen sind weit aufgerissen.

„Was willst du von Lucian?“ er klingt lauernd, so als ginge ihm das total gegen den Strich.

„Ihm sagen, dass du wieder aufgetaucht bist. Er war gestern sogar hier und hat mich nach dir gefragt.“ Erkläre ich und sehe die Resignation in seinem Blick.

„Wenn du ihn anrufst wird Mirko diesmal auf einem Aufenthalt in der Krankenstation bestehen. Und Luc wird ihm zustimmen!“ Das ist mir bewusst, aber trotzdem…

„Sie haben sich wirklich Sorgen gemacht. Und da du einfach abgehauen bist und gestern in einer ziemlich schlechten Verfassung warst, haben sie vielleicht recht…“ Cyrs Augen werden dunkel und er lässt sich zurück in die Kissen sinken. Dann rattert er eine Nummer herunter. So schnell, dass ich sie kaum verstehe, geschweige denn weiß ich was sie bedeuten soll.

„Was war das?“ Verwirrt sehe ich ihn an.

„Lucians Nummer.“ Ich verdrehe die Augen.

„Kannst du das wiederholen? Mein Gedächtnis ist nicht so gut wie deines! So schnell kann ich mir das nicht merken!“ Ich schnappe mir schnell mein Handy um mit Cyrs Wiederholung der Zahlen nachzukommen. Kurz schaue ich in Cyrs müdes Gesicht, dann drücke ich die grüne Taste.

„Melanie hast du Cyr gesehen?“ Sind die ersten Worte, die aus dem Hörer schallen. War ja klar.

„Ja, ja er sitzt neben mir.“ Sage ich langsam.

„Wie geht es ihm?“ Kommt es sofort.

„Er ist erschöpft.“ Antworte ich ihm knapp und schaue zum Fenster. Einfach um Cyr nicht ansehen zu müssen. Wir haben mindestens fünfzig Zentimeter Neuschnee. Im November! Nächsten Sonntag ist der erste Advent.

„Wir kommen!“ Damit legt Lucian auf. Was habe ich auch anderes erwartet. Ich seufze leise und werfe mein Handy auf die Bettdecke.

„Wir haben fünfzehn Minuten.“ Cyr rollt sich auf die Seite.

„Dann solltest du unten vielleicht etwas aufräumen. Ansonsten wird es wahrscheinlich noch schlimmer.“ Da stimme ich ihm zu. Sie müssen nicht sehen wie schlimm es ihm wirklich gestern ging. Ich habe kaum die Überreste der gestrigen Nacht beseitigt, da klingelt es an der Haustüre. Mirko und Lucian stürzen am mir vorbei und die Treppe hoch. Ich folge ihnen. Cyr sitzt im Schneidersitz auf meinem Bett. Er hat die Arme vor der Brust verschränkt. Allerdings kann ich nicht sagen, ob es eine abwehrende Geste sein soll oder er einfach nur seine Schulter stützt.

„Wie kamst du nur auf die beschissene Idee einfach so zu verschwinden?“ faucht Lucian den anderen Vampir an. Mirko stattdessen stellt seine Tasche auf dem Bett ab und sieht mich tadelnd an.

„Wo ist der Verband?“ Ich weiche seinem Blick aus. Er würde es eh nicht verstehen. Ich verstehe ja selbst nicht wie ich Cyrs Verletzungen vergessen konnte. Zum Glück fragt er nicht weiter, sondern greift nach Cyrs gesunden Arm. Der faucht ihn an und weicht zurück. Sofort schießt Lucian auf ihn zu. Mein Schlafzimmer ist sofort von Fauchen und Knurren erfüllt. Becca verschwindet mit eingezogenem Schwanz aus dem Zimmer. Lucian verfolgt Cyr durchs halbe Zimmer, bis Cyr plötzlich stehen bleibt und die Zähne bleckt. Obwohl er nur eine Unterhose trägt und erschreckend dünn ist wirkt er größer als Lucian. Der Langhaarige lässt sich allerdings nicht einschüchtern, packt Cyr an den Oberarmen. Cyr wehrt sich, wimmert. Lucian schleift ihn zum Bett, wirft ihn auf die Matratze. Ich rechne damit, dass Cyr sofort wieder aufspringt. Doch nichts. Er bleibt genau so liegen wie Cyr ihn hingeworfen hat. Irgendetwas stimmt da nicht. Ich bin vor den beiden Männern bei ihm. Sehe in sein schmerzverzerrtes, fahles Gesicht. Cyr ist auf der rechten Schulter gelandet. Bevor ich irgendetwas tun kann, wird Cyr auf den Tücken gerissen. Ich sehe auf und direkt in Lucians golden schimmernden Augen.

„Hast du sie noch alle?“ frage ich wütend und schiebe mich zwischen den Vampir und das zitternde Häufchen Elend auf meinem Bett.

„Geh mir aus dem Weg! Er hat es verdient!“ faucht Lucian wütend. Ich schüttele entschieden den Kopf.

„Egal welche verquere Rechtsvorstellung du hast! Du hörst jetzt auf Cyr zu verletzen.“ Meine Stimme ist ruhig und ernst. Ich werde nicht zur Seite gehen und Cyr Lucian überlassen. Ich frage mich was er eigentlich hat. Muss er Cyr so angreifen? Was hat er ihm getan? Ist das alles wirklich nur, weil er ein paar Tage verschwunden war?

„Ich bin sein Vorgesetzter! Er hat mir gegenüber Meldepflicht!“ Lucian ist wirklich wütend. Jetzt mischt Mirko sich ein. Beschwichtigend legt er eine Hand auf die Schulter des langhaarigen Vampirs.

„Lass mich erst nach Cyrs Verletzungen sehen!“ In meinem Schlafzimmer herrscht eine angespannte Stille. Ich knie mich neben Cyr aufs Bett und streiche ihm beruhigend über die Brust, während Mirko die Wunde an seiner Flanke säubert und straff verbindet.

„Gut, die Wunde heilt gut!“ Mirko klebt zwei Streifen Pflaster auf das Ende des Mulls um ihn zu fixieren.

„Jetzt zu deiner Schulter. Sie bereitet dir das größere Problem, nicht wahr?“ Mehr eine Feststellung, statt einer Frage. Cyr nickt unwillig und zuckt vor Mirkos ausgestreckter Hand zurück.

„Setz dich gerade hin!“ Ein sanfter Befehl. Cyr gehorcht, dreht sich allerdings halb zu mir und vergräbt sein Gesicht in meiner Schulter. Ich schlinge meinen Arm um seine Taille und beobachte Mirko wie er Cyrs Schulter abtastet. Cyr zuckt mehrfach unter seiner Berührung weg. Plötzlich spüre ich Cyrs Zähne an meinem Hals. Nicht seine scharfen Vampirzähne wie gestern Abend, sondern sein menschliches Gebiss. Wenn Mirko einen besonders schlimmen Punkt erwischt verbeißt sich Cyr fester in meinen Hals, dann lässt er wieder locker. Jedes Mal zucke ich zusammen. Dass ist schmerzhaft. Aber vermutlich keineswegs so schlimm wie Cyrs Schulter. Als Mirko beginnt sie in alle Richtungen zu bewegen, beißt Cyr so fest zu, dass ich leise aufjapse und meine Fingernägel nun meinerseits in Cyrs Nacken vergrabe. Sofort lässt er mit einer gemurmelten Entschuldigung von meinem Hals ab. Stattdessen beißt er sich bei der nächsten Bewegung die Lippe blutig. Mirko nimmt mit einem gemurmelten Fluch die Hände von Cyrs Schulter.

„Was hast du getrieben? Deine Muskeln und Sehnen sind vollkommen überreizt. Das Beste was du tun kannst ist schonen!“ Mirko nimmt eine Salbe aus seiner Tasche und reicht sie mir. Cyrs Kopf sinkt wieder an meine Schulter.

„Hier, reibe ihm damit die Schulter ein!“ Ich schraube langsam den Deckel auf.

„Die Salbe wirkt den Schmerzen entgegen. Und nimm bitte eines der Schmerzmittel, das ich dir gegeben habe. Ab Mittwoch möchte ich, dass du regelmäßig alle zwei Tage zur Physiotherapie gehst.“ Eindringlich sieht Mirko ihn an.

„Ja.“ Murmelt Cyr leise. Ich drücke etwas Salbe aus der Tube und fange an sie vorsichtig auf Cyrs Schulter zu verteilen. Cyr verspannt sich, lässt aber diesmal die Zähne von meinem Hals.

„Lucian…“ Mirko wendet sich dem Leiter der Organisation zu.

„Holst du bitte Cyrs Tasche aus dem Wagen.“ Knurrend verschwindet der Vampir aus meinem Schlafzimmer.

„Er hat dich gebissen, nicht wahr?“ Stellt er ruhig fest, während er auch Cyrs Schulter verbindet. Ertappt sehe ich Mirko an und Cyr wird unruhig.

„Ihm geht es zu gut für das was in der letzten Woche geschehen ist! Echtes Menschenblut… Das erklärt auch, warum ihr euch trotz des Streites wieder so nahe seid!“ Unser Gespräch wird von Lucian unterbrochen, der mit Cyrs Tasche und dem Gilchrist zurück ins Zimmer gestürzt kommt. Ich helfe Cyr ein Hemd überzuziehen und Mirko hilft ihm in den Gilchrist. Dann ist es still in meinem Schlafzimmer. Keiner sagt etwas. Cyr sitzt stumm da, den Kopf gesenkt, die Augen starr auf seine Finger gerichtet, die unruhig an seinem Hemdsaum zupfen. Mirko sitzt neben ihm auf der Bettkante, räumt seine Utensilien wieder in die Tasche. Mein Blick wandert zu Lucian. Er lehnt an der Wand neben der Tür, die Arme vor der Brust verschränkt und sieht Cyr noch immer wütend an. Ich verstehe noch immer nicht was er hat. Noch ein paar Minuten habe ich die gedrückte Stille nicht mehr aus und stehe vom Bett auf.

„Wie wäre es mit Frühstück?“ Cyr steht ebenfalls etwas wackelig auf und zieht eine Jogginghose aus seiner Tasche. Ich streiche ihm über den Arm.

„Soll ich dir etwas bringen?“ Er schüttelte den Kopf.

„Ich komme mit runter!“ Ich widerspreche ihm nicht. Nehme ihn einfach nur an der Hand und zusammen gehen wir nach unten. Lucian folgt uns auf den Fuß. Meine Nackenhaare stellen sich auf. Cyr setzt sich an den Küchentisch ich schalte schon mal den Wasserkocher ein.

„Was möchtest du essen?“ frage ich leise.

„Brot mit Marmelade!“ murmelt er und beobachtet mich, wie ich alles herräume. Mirko setzt sich neben Cyr. Ich koche ihm und Lucian Kaffee. Irgendwie ist es seltsam mit den dreien am Tisch zu sitzen. Es ist so still. Unangenehm still. Wie geht es jetzt weiter?



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Mei2001
2015-12-11T21:17:39+00:00 11.12.2015 22:17
ja, wie geht es weiter?
Von: abgemeldet
2015-09-02T06:45:31+00:00 02.09.2015 08:45
Gute Frage. Wie geht es jetzt weiter? Die kurze Unterhaltung zwischen Melly und Mirko, die hat Lucian sicherlich belauscht, auch wenn er Cyrs Sachen geholt hat. Das Lucian ziemlich wütend ist, verständlich aber die Frage, was Cyr in den letzten Tagen so getrieben hat ist immer noch nicht beantwortet.

Gruß
Neami_Grayham. ^^
Antwort von:  kateling
02.09.2015 12:22
Stimmt...
es sind noch ziemlich viele Fragen offen :)
Und Lucian ist noch so ein Charakter für sich. Mindestens mal genauso verworren wie Cyr. Er wird sich auf jede Fall noch ein wenig einmischen.

Liebe Grüße
Kateling
Antwort von: abgemeldet
02.09.2015 13:02
Das wird ja immer interesanter. ^^


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