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Star Trek - Timeline - 04-01

Rückkehr ins Licht
von

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Hinter feindlichen Linien

 „Energieaufnahme?“

„Konstant.“

„Geschwindigkeit?“

„Konstant, aber miserabel“, fügte Vraneek mürrisch hinzu.

Ti´Maran nickte entsagungsvoll. „Zielabstand zum fünften Planeten des Systems?“

„Drei Lichtminuten.“

„Kurs?“

„Konstant.“

Ti´Maran wischte sich über die Stirn. Die Doppelsonne dieses unbekannten Sternensystems, drei Lichtmonate vom Wurmloch entfernt, schien ihre Hitzestrahlung, direkt durch den Frontbildschirm, auf die Brücke zu übertragen. Kein Wunder, denn die Umweltkontrollen arbeiteten momentan etwas exzentrisch. Vorsichtig formuliert.

Schließlich erklärte die romulanische Interimskommandantin: „Es sieht so aus, als würde sich die GENOREX vorläufig in relativer Sicherheit befinden. Der Gasplanet, mit seinen dreiundzwanzig Monden, kann uns notfalls gegen eine direkte Ortung durch eventuell auftauchende Jem´Hadar-Kriegsschiffe abschirmen. Besonders der Dritte. Auf ihm scheint es große Topalinlager zu geben. Leider wurde die strukturelle Integrität des Schiffes so arg in Mitleidenschaft gezogen, dass wir es nicht wagen können, es in der Atmosphäre des Gasriesen eintauchen zu lassen. Solange wir jedoch nur die passiven Scanner benutzen wird uns hier kaum jemand finden, oder was meinen Sie, Steuermann?“

Vraneek, den es mächtig wurmte wenn Ti´Maran derart dienstlich mit ihm sprach, erklärte grimmig: „Ich bin Ihrer Ansicht, Kommandantin. Einen besseren Ort für die notwendigen Reparaturen, werden wir, zumindest auf absehbare Zeit, nicht finden, und mit unseren defekten Systemen werden wir vermutlich auch nicht mehr sehr weit kommen. Es grenzt bereits an ein Wunder, dass wir es, mit dem halbwracken Schiff, bis hierher geschafft haben. Der Überlichtantrieb ist so gut wie erledigt, und um den Impulsantrieb und die Umweltkontrollen ist es kaum besser bestellt. Wir haben also kaum eine Wahl, schätze ich, obwohl ich einen Sternennebel, als Versteck, lieber gesehen hätte.“

Ti´Maran ahnte, wie es um Vraneeks momentane Gemütslage bestellt war, und deshalb erwiderte sie lobend: „Eine zutreffende Analyse, Sublieutenant. Wir werden in zwei sich abwechselnden Schichten arbeiten. Sie, Sublieutenant, lösen mich auf der Brücke in exakt zehn Stunden ab. Bis dahin haben Sie Zeit auszuruhen. Vorher werden Sie jedoch den jeweiligen Sektionsführern diesen Rotationsplan mitteilen.“

Damit reichte die Romulanerin ihrem Freund ein Daten-PADD.

Vraneek schien etwas sagen zu wollen, doch ein scharfer Blick seiner Freundin hielt ihn davon ab. Stattdessen bestätigte er knapp: „Zu Befehl, Kommandantin.“

Ti´Maran erhob sich geschmeidig aus dem Kommandantensessel und blickte Vraneek grübelnd nach, als er die Brücke verließ. In Vraneek rumorte es, das spürte sie ganz deutlich, und wenn sie nicht aufpasste dann konnte daraus leicht ein Zerwürfnis werden das ihre Position als Interimskommandantin dieses Schiffes unterminieren konnte. Das jedoch durfte in ihrer momentan ohnehin schon prekären Lage keinesfalls passieren, und sie würde es verhindern – um jeden Preis. Sie verscheuchte diese düsteren Gedanken und sah bedächtig in die Runde.

Außer ihr selbst waren nur zwei Ulans und drei Mannschaftsdienstgrade anwesend. Einen Ulan und einen der gemeinen Soldaten schickte sie ebenfalls von der Brücke. Sich an den verbleibenden Ulan wendend sagte sie kühl: „Fahren Sie alle nachrangigen Systeme auf Minimalleistung herunter, Lerok. Danach werden Sie für eine Weile die Brücke übernehmen, ich selbst habe vor, mir einen Überblick über die Gefechtsschäden zu verschaffen. Ich möchte, dass Sie mich umgehend benachrichtigen, falls es zu Feindaktivitäten kommen sollte, ist das klar?“

„Verstanden, Kommandantin“, schnarrte der junge Ulan und Ti´Maran wandte sich schnell ab.

Nachdem die Romulanerin sich auf dem Gang zum Maschinensektor wiederfand, blieb sie für einen Augenblick stehen atmete tief durch. Die Verantwortung für mehr als vierhundert Überlebende lastete auf ihren Schultern, und sie fragte sich, ob sie in der Lage sein würde, diesem Druck standzuhalten. Nach einem kurzen Moment straffte sie sich und sagte sich selbst, dass genau das zum Offizier sein dazu gehörte. Eben in unsicherer Lage das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen und vorbildlich voranzuschreiten.

Ohne es verhindern zu können schweiften ihre Gedanken, zum zweiten Mal, innerhalb kurzer Zeit, zu Valand Kuehn ab. Er hatte sich in einer vergleichbaren Situation wiedergefunden, nachdem die U.S.S. ALAMO seinerzeit von zwei Plasmafackeln einer ausbrechenden Sternenexplosion getroffen worden war. Auch er hatte sich durch ein Chaos von Tod und Vernichtung kämpfen müssen. Es war schon sehr bizarr – damals hatte sie sich gefragt, wie dieser junge Mann es geschafft hatte, unmittelbar nach der Katastrophe, mit der Situation umzugehen und nun steckte sie in einer ganz ähnlichen Lage.

Den Moment der Schwäche endgültig überwindend, vertrieb sie die Gedanken an Valand Kuehn und schritt mit raumgreifenden Schritten aus, den sechseckigen, grünlich beleuchteten, Gang entlang. Seit ihrer Operation waren zehn Tage vergangen und sie spürte kaum noch Schmerzen im Rippenbereich. Der Assistenzarzt hatte gute Arbeit geleistet und sie nahm sich vor, dies nachher im Logbuch zu vermerken. Bei diesem Gedanke blieb sie an der nächsten Gangkreuzung stehen und beschloss spontan, zuerst die Krankenstation, fünf Decks tiefer, aufzusuchen.

Als Ti´Maran zwei Minuten später die Krankenstation betrat bekam sie gerade noch mit, wie Assistenzarzt Geralak den Körper einer jungen Romulanerin zudeckte. Sie besaß genug Taktgefühl um eine Weile schweigend zu verharren, bis der Arzt ihre Anwesenheit bemerkte und fragend über die Schulter blickte.

„Sie hat tapfer gegen den Tod angekämpft aber ihre Verwundung war zu schwer“, erklärte Geralak düster, als Ti´Maran keine Anstalten machte etwas zu sagen, und drehte sich nun zu seiner Vorgesetzten um. „Ich fürchte, dass wir noch zwei weitere Schwerverwundete verlieren werden. Für den Rest der momentan hier befindlichen Verwundeten kann ich garantieren und versichern, dass sie überleben werden.“

Ti´Maran schluckte bitter und sich einer ihrer unangenehmen Aufgaben entsinnend erwiderte sie tonlos: „Senden Sie mir später die Namen, damit ich sie auf die Verlustliste setzen kann, Sublieutenant. Wie viele Gefallene haben wir damit insgesamt zu beklagen?“

Der Arzt griff zu einem Daten-PADD und warf einen finsteren Blick darauf, bevor er Ti´Maran ansah und düster antwortete: „Fünfhundertundneununddreißig. Das ist mehr als die Hälfte der Crew, Kommandantin. Darunter alle Führungsoffiziere.“

Ti´Maran ballte ihre schlanken Hände zu Fäusten und ein Gefühl der Hilflosigkeit überfiel sie für einen Augenblick. Wie sie das hasste. Dann besann sie sich darauf, warum sie eigentlich her gekommen war und fragte den Arzt geradeheraus: „Wie schätzen Sie die psychische Verfassung der Überlebenden ein, Doktor?“

Geralak runzelte die Stirn und seine grün-braunen Augen blickten durch Ti´Maran hindurch. „Wenn ich die Gesamtsituation mit einbeziehe so würde ich sagen, dass sich eine gewisse pessimistische Grundtendenz nicht verleugnen lässt, Kommandantin. Die fürchterliche Niederlage gegen die Jem´Hadar hat den Kampfwillen der Besatzung zwar nicht erlöschen lassen, aber ihm doch einen deutlichen Schlag versetzt.“

Ti´Maran lächelte ironisch. „Das haben Sie aber nett formuliert, Doktor. Mit anderen Worten, die Crew ist demoralisiert.“

„Oder so“, versetzte der Arzt trocken. Dann sammelte er sich wieder und sagte: „Ich will mir nicht anmaßen Ihnen Ratschläge zur Schiffsführung zu geben, doch ich denke diese Crew braucht einen kleinen Erfolg, an dem sie sich wieder etwas aufrichten kann. Zum Beispiel die Bestätigung, dass die Schiffssysteme wieder annähernd funktionieren und es eine Chance gibt den Alpha-Quadranten zu erreichen.“ Etwas leiser, fast verschwörerisch, setzte der Arzt hinzu: „Geben Sie der Mannschaft ein Ziel, Kommandantin – etwas woran sie glauben kann. Machen Sie den Leuten wieder Mut. Erfinden Sie notfalls etwas, wenn es nicht anders geht.“

Ti´Maran musterte ihr Gegenüber unwillig. Erst nach einem langen Moment entspannten sich ihre Gesichtszüge und sie gab zu: „Vielleicht haben Sie Recht, Doktor. Wir haben ein unbewohntes Sternensystem erreicht und die GENOREX befindet sich im Orbit um einen Gasriesen, der eine ganze Reihe von Monden aufweist, die uns gegen eine Ortung feindlicher Kräfte schützen können. Wir befinden uns also momentan in relativer Sicherheit und können die Schiffssysteme reparieren.“

Der Arzt lächelte fein. „Erzählen Sie das der Mannschaft. Allein das Wissen darum, vorerst einen einigermaßen geschützten Ort für die notwendigen Reparaturen gefunden zu haben, wird ihr neuen Auftrieb geben. Sie müssen dafür nicht einmal etwas erfinden.“

Ti´Maran blickte den Arzt wohlwollend an. „Danke, Sublieutenant. Auch für ihre gute medizinische Arbeit. Ich werde das entsprechend im Logbuch vermerken. Bitte entschuldigen Sie mich, ich war auf dem Weg zum Maschinensektor.“

Der Arzt blickte unmerklich lächelnd hinter Ti´Maran her, bevor er sich abwandte um sich wieder um seine Patienten zu kümmern.

Währenddessen fuhr Ti´Maran wieder hinauf, bis auf Deck-2 und schritt energisch durch den langen Gang, der vom schnabelförmigen Frontsektor des Kriegsschiffes in den hinteren Bereich führte. Sie verzichtete dabei bewusst auf die Nutzung eines Turbolifts, um Zeit zu haben über die Worte des Doktors nachzudenken. Geralak hatte es ganz richtig erkannt: Die Crew brauchte eine starke Führung. Eine Kommandantin, die Zuversicht verströmte, und den festen Glauben daran, dass sie das Schiff wieder in den Heimathafen zurückbringen würde.

Erneut dachte Ti´Maran an den Sternenflottenoffizier Valand Kuehn. Er hatte, während sie an Bord der ALAMO gewesen war, stets den unerschütterlichen Glauben daran verströmt trotz des kritischen Zustandes seines havarierten Schiffes irgendwann wieder nach Hause zu kommen. Mehr als drei Jahre später, im Jahr 2368, war Commander Tomalak erneut mit ihm, an der Grenze zum Klingonischen Reiches, zusammengetroffen. Den Berichten zufolge diente er zu diesem Zeitpunkt, als Erster Offizier, an Bord eines brandneuen Sternenflotten-Prototyps mit dem Namen AKIRA. Er hatte also letztlich die seinerzeit schwer angeschlagene ALAMO sicher nach Hause gebracht. Hardliner wie Kravik hätten sie vermutlich standrechtlich erschießen lassen, wenn sie geahnt hätten, dass sie sich darüber gefreut hatte, von seiner sicheren Rückkehr zu erfahren. Was sie weniger gefreut hatte war die Tatsache gewesen, dass es Kuehn, in Abwesenheit seines Captains, geschafft hatte mit diesem einen Raumschiff, der TERIX und zwei weiteren romulanischen Warbirds der D´DERIDEX-KLASSE die Stirn zu bieten. Er hatte, Tomalaks Bericht zufolge, die Waffen und Überlichtantriebe aller drei Warbirds mit den Schiffswaffen funktionsunfähig gemacht und Ti´Maran hatte sich einige Male gefragt wie er das angestellt haben mochte. Ihr Glaube an die Überlegenheit der romulanischen Spezies gegenüber aller anderen galaktischen Spezies war zwar bereits während der Vorkommnisse an Bord der ALAMO erschüttert worden, doch dass ein einzelnes Föderationsraumschiff es erfolgreich mit drei romulanischen Warbirds aufnehmen konnte, das beunruhigte auch sie. Kein Kommandant eines romulanischen Kriegsschiffs war seitdem in das Gebiet der Föderation eingeflogen. Selbst der alte Haudegen Tomalak nicht.

Die Romulanerin konzentrierte sich wieder auf das Hier und Jetzt, als sie den hinteren Bereich des Schiffes erreichte. Als sie den Maschinenraum betrat, waren die anwesenden Techniker so sehr mit den Reparaturen beschäftigt, dass man ihre Anwesenheit gar nicht zur Kenntnis nahm. Hauptsächlich schienen die Techniker darum bemüht zu sein, die Anlagen zum Erzeugen einer künstlichen Quantensingularität wieder funktionsfähig zu machen. Ältere Anlagen dieser Art waren nicht in der Lage gewesen, eine einmal geöffnete Singularität wieder zu schließen, was hier und da zum Verlust von Raumschiffen geführt hatte. Man hatte stets abwarten müssen, bis diese Mikrosingularitäten, nach einer maximalen Lebensdauer von fünf bis sechs Jahren, selbsttätig wieder in sich zusammenfiel. Dieses neuere Modell der Hauptenergieerzeugung erlaubte es, künstliche Singularitäten beliebig lang zu erzeugen und bei Bedarf, innerhalb von Sekundenbruchteilen, wieder zu schließen um eventuelle Beschädigungen am Raumschiff zu vermeiden.

Anders, als auf Raumschiffen der Föderation, oder der Klingonen, gab es an Bord romulanischer Raumschiffe keinen eigentlichen Warpkern, sondern die Hauptenergie wurde einer künstlich erzeugten Quantensingularität entnommen. Dem zufolge wurde das Warpplasma auch nicht durch einen Warpkern geleitet sondern vielmehr in zwei Ring-Plasmareaktoren erzeugt und von dort zu den Warpspulen geleitet. Dieses duale System hatte sich als weitaus effektiver erwiesen, als herkömmliche Warptriebwerke früheren Ursprungs. Außerdem war es ausgereift und annähernd narrensicher – etwas, das der Kriegermentalität der meisten Romulaner, die zumeist einfach zu handhabende Technik bevorzugten, sehr entgegenkam. Darüber hinaus fiel die Notwenigkeit weg, Dilithium-Kristalle zu benötigen. Dennoch gab es auf Remus gewaltige Dilithiumminen, denn der Handel mit diesem Element erwies sich als äußerst lukrativ und erlaubte es dem Romulanischen Sternenimperium, einen enorm hohen Anteil des Staatshaushalts für das Militär abzuzweigen.

Endlich bemerkte einer der Techniker die Interimskommandantin und wollte einen entsprechenden Befehl geben Haltung anzunehmen, doch Ti´Maran kam ihm zuvor und sagte laut vernehmlich: „Weitermachen!“ Nach einer Weile fragte sie: „Wo finde ich den verantwortlichen Leiter dieser Abteilung?“

Ein Mann im unteren Mannschaftsdienstgrad trat vor und meldete zackig: „Ein Deck tiefer bei den Ringreaktoren, Kommandantin.“

Ti´Maran nickte knapp und schritt an dem Mann vorbei. Sie wollte sich einen kurzen Überblick verschaffen. Erst dann begab sie sich zum Turbolift und fuhr ein Deck tiefer, hinunter zu den beiden Ringreaktorräumen. Unterwegs hielt sie eine junge Frau im Rang eines Unteroffiziers an und erkundigte sich nach dem momentan Leitenden Ingenieur. Nachdem sie Auskunft erhalten hatte, dass sich der Interims-Chefingenieur im Steuerbord-Reaktorraum aufhielt, machte Ti´Maran sich wieder auf den Weg.

Als die romulanische Interimskommandantin den Steuerbord-Reaktorraum betrat hörte sie als Erstes laut gerufene Befehle, mit gereizt klingender Stimme vorgetragen. Erst dann erkannte sie den untersetzten Mann, in ramponierter Uniform, zu dem diese raue, tragende Stimme gehörte. Am zerrissenen und blutbefleckten Uniformkragen des Mannes erkannte Ti´Maran die Abzeichen eines Unteroffiziers. Offensichtlich war er seit dem Desaster im Omarion-Nebel nicht mehr aus seiner Uniform gekommen. Dem entsprechend roch er auch, wie die Interimskommandantin feststellte, als sie sich ihm näherte. Seine beinahe giftgrünen Augen funkelten in hellem Glanz, als er einen weiteren seiner Untergebenen, mit tragender Stimme und leicht gereiztem Tonfall, von einem Bereich des Reaktors, zu einem anderen zitierte. Erst danach nahm er Ti´Marans Anwesenheit wahr und nahm Haltung an. „Es ist immer noch ein verdammtes Chaos, Kommandantin“, meldete er unaufgefordert, wobei sein Blick zwischen ihr und dem Reaktor hin und her irrte. „Wir werden ein paar Tage benötigen, um die Reaktoren halbwegs in Funktion zu halten, und das auch nur, wenn wir einen halbwegs geschützten Ort finden, an dem wir die Reaktoren wechselseitig ganz abstellen können.“

„Den haben wir eben erreicht“, gab die Romulanerin zurück und weidete sich für einen Moment am Gesichtsausdruck des Unteroffiziers, bevor sie erklärte: „Die GENOREX hat ein Solarsystem mit einem Gasriesen erreicht, der eine Reihe von Monden besitzt. Leider können wir nicht in die Atmosphäre des Gasriesen selbst abtauchen, aber die Monde sollten uns einen gewissen Schutz gegen Feindortung verschaffen. Wie ist ihr Name?“

Zuerst etwas ungläubig, dann erleichtert blickte der Unteroffizier mit dem grobporigen Gesicht seine Vorgesetzte an und seine fleischigen Lippen verzogen sich zu einem leichten Lächeln. „Unteroffizier Kraantik, Kommandantin. Das, was Sie eben gesagt haben, ist eine willkommene Nachricht. Die Aggregate sind bei einer weiteren Belastung, wie bisher, beinahe irreparabel. Hinzu kommt, dass unsere besten Spezialisten getötet worden sind. Der Rest ist so erschöpft, dass er sich kaum noch auf den Beinen halten kann, obwohl wir den Rotationsplan, den uns Sublieutenant Vraneek vor kurzer Zeit brachte, bereits umgesetzt haben, um diese Situation etwas zu verbessern. Es gibt allerdings etwas, das mir Sorgen macht, Kommandantin.“

Ti´Maran hob leicht ihre Augenbrauen. „Was wäre das, Unteroffizier Kraantik?“

Der Untersetzte zögerte kurz, bevor er offen sagte: „Die Überlichtaggregate werden wir kaum wieder in Gang bekommen. Uns fehlen schlicht die notwendigen Ersatzteile und wir können sie mit Bordmitteln nur sehr langsam herstellen.“

„Wenn es sein muss, dann fliegen wir mit Unterlichtgeschwindigkeit zum Wurmloch. Von hier aus sind es nur drei Lichtmonate bis dorthin. In maximal einem Jahr können wir es bei vollem Impuls erreichen.“

„Damit wären wir dann beim zweiten Punkt, der mir Sorgen bereitet“, erwiderte Kraantik mürrisch. „So lange halten die Aggregate der Lebenserhaltung nicht durch. Die werden bestenfalls noch ein paar Monate arbeiten, günstigstenfalls ein halbes Jahr. Sie verstehen also meine Sorgen, Kommandantin?“

Ti´Marans Gesicht wurde zur Maske. „Welche Alternativen haben wir?“

Das Gesicht des romulanischen Unteroffiziers sprach Bände, bevor er antwortete: „Die sind mehr als verzweifelt, fürchte ich. Wir könnten Teile eines anderen Raumschiffs verwenden, wenn wir an eins herankämen. Aber hier im Gamma-Quadrant ein vorgetäuschtes Notsignal zu senden, um ein Raumschiff auf uns aufmerksam zu machen, das halte ich für sehr gewagt, Kommandantin. Dazu sollten wir zumindest die Unterlichtaggregate und die Energieerzeuger wieder auf maximal mögliche Leistung bringen.“

„Ich verstehe, Unteroffizier. Wie lange werden Sie und Ihr Team dazu benötigen?“

Kraantik überlegte kurz und antwortete dann: „Mindestens fünf Tage. Falls das Schiff in ein Gefecht ziehen soll wären sechs Tage besser.“

Ti´Maran nickte knapp. „Also gut, Kraantik. Sechs Tage. Sagen Sie mir, falls Sie noch Leute brauchen.“

Der Unteroffizier verzog das Gesicht und gab zurück: „Danke, Kommandantin, aber hier unten wimmelt es bereits von Stümpern die ich zwangsläufig einsetzen musste, da ein Großteil der technischen Crew getötet worden ist. Da wären weitere nur noch ineffektiver.“

„Wie Sie meinen“, erklärte die Interimskommandantin zustimmend. „Ich erwarte von Ihnen täglich mindestens drei Berichte, wie sich die Reparaturarbeiten entwickeln. Ach, eine Frage noch, Kraantik: Wie steht es um unsere Tarnfeldemitter?“

Der Unteroffiziers verzog missmutig das Gesicht bevor er erwiderte: „Die sind irreparabel erledigt, Kommandantin.“

Ti´Maran nickte Kraantik mit grimmiger Miene zu und wandte sich dann ab. Im hinausgehen bekam sie noch mit, wie der Unteroffizier einen der, zu Hilfstechnikern umfunktionierten, Crewmen zusammenschrie, weil der einen selbstdichtenden Schaftbolzen falsch herum in eins der Nebenaggregate eingesetzt hatte.

Auf halbem Weg zur Brücke traf Ti´Maran, in dem verlassenen Hauptgang, auf Vraneek. Dass er sie hatte abpassen wollen war offensichtlich, und dem entsprechend schlecht gelaunt blickte sie ihrem Freund entgegen. Denn jetzt war keine Zeit für private Dinge, und Vraneek hatte von ihr unmissverständliche Befehle erhalten. Noch als sie zehn Schritte von ihm entfernt war, fragte sie bereits ungehalten: „Was tust du hier? Du hast den Befehl erhalten dich auszuruhen.“

Die zuerst erfreute Miene des Sublieutenants wurde übergangslos ernst. Seinerseits unwillig erwiderte er, als sie ihn erreicht hatte, mit gedämpfter Stimme: „Was ist in den letzten Tagen mit dir los, verdammt? Ich habe das Gefühl, dass du mich ganz bewusst meidest. Ist dir nicht klar was ich für dich empfinde?“

Zu Vraneeks Überraschung explodierte Ti´Maran förmlich bei diesen Worten, und heftig schrie sie ihn an: „Wir befinden uns in einer verdammten Notlage, und ich bin nicht gewillt Ihre persönlichen Bedürfnisse über das der Besatzung dieses Schiffes zu stellen, Sublieutenant! Ich hoffe, das ist Ihnen spätestens jetzt ganz klar! Und jetzt verschwinden Sie, bevor ich Sie wegen Befehlsverweigerung, mit der vollen Härte der Kriegsgesetze, bestrafen werde, Sublieutenant Vraneek!“

Ein wütendes Funkeln glitzerte in Vraneeks Augen, als er heftig erwiderte: „Verstanden Kommandantin. Unter diesen Umständen halte ich es für angemessen wenn wir unsere private Beziehung nicht länger weiterführen.“

„Endlich nehmen Sie Vernunft an“, erwiderte Ti´Maran giftig. „Dasselbe habe ich mir eben auch gedacht, und jetzt gehen Sie mir endlich aus den Augen, Sublieutenant.“

Damit rauschte die Romulanerin an Vraneek vorbei in Richtung Brücke, die Hände zu Fäusten geballt. Sie spürte, dass die Beziehung zu Vraneek unwiderruflich ihr Ende gefunden hatte; etwas, das sich bereits in den letzten Tagen schleichend abgezeichnet hatte. Sie hatte diese Entwicklung nicht sehen wollen, doch sie war unabwendbar gewesen, das wurde ihr in diesem Moment klar. Diese Beziehung hatte sich bereits zu Friedenszeiten nicht sonderlich mit ihrem gemeinsamen Dienst vertragen, und dieser offene Bruch zwischen ihnen war das unvermeidbare Resultat. Ti´Maran verspürte Bitterkeit tief in sich, doch sie drängte sie tief in ihr Inneres zurück. Momentan gab es vordringlichere Probleme, als diese gescheiterte Beziehung. Immer schneller ausschreitend verspürte sie das unbändige Verlangen danach irgend etwas zu zerschlagen, doch es gab nichts Greifbares in ihrer Umgebung. Darum schlug sie schließlich wütend mehrmals mit der rechten Faust gegen die Schott-Einfassung der Brücke, als sie dort ankam. Danach rief sie sich zur Ordnung, noch während der Schmerz durch ihre Hand fuhr. Tief durchatmend ordnete sie mit den Fingern ihr schwarzes Haar, bevor sie sich sammelte und das Schott zur Brücke öffnete.

 

* * *

 

Sechs Tage später saß Ti´Maran, zusammen mit fünf weiteren Crewmitgliedern im Besprechungsraum der GENOREX, der sich an Steuerbord der Brücke befand, zusammen. Zunächst hatte sie nicht übel Lust dazu gehabt, Vraneek von diesem Meeting auszuschließen, doch am Ende hatte ihr professionelles Denken die Oberhand behalten. Vraneek war nach ihr der höchste Offizier an Bord, und es wäre nicht nur ein Affront gegen ihn gewesen, hätte sie ihn ausgeschlossen, sondern sie konnte es sich auch nicht leisten, auf sein Können, im Sinne einer sicheren Rückkehr nach Romulus, zu verzichten.

Ti´Maran blickte von Vraneek, der ihr an dem länglichen, sechseckigen Tisch, am anderen Kopfende mit finsterer Miene gegenüber saß, zu Unteroffizier Kraantik und machte eine auffordernde Geste, wobei sie sagte: „Geben Sie uns einen knappen Bericht, über den momentanen technischen Status unseres Raumschiffs, Unteroffizier.“

Kraantik, der den Eindruck machte, sich in dieser Runde von Offizieren etwas unwohl zu fühlen, räusperte sich. „Die Unterlicht-Aggregate laufen wieder zufriedenstellend. Beim Überlichttriebwerk ist es so, wie ich es bereits vor Tagen befürchtet habe. Ohne Ersatzteile werden wir den nicht wieder in Gang bekommen. Das bringt uns zu dem Problem, dass die gleichfalls angeschlagene Lebenserhaltung nur halb so lange arbeiten wird, wie wir mit maximaler Impulsgeschwindigkeit brauchen werden, um das Wurmloch zu erreichen. Die Tarnfeldemitter sind mit unseren Mitteln irreparabel. An Positivem ist zu berichten, dass unsere Waffen im Kampf kaum beschädigt wurden und wieder volle Leistung bringen werden. Dasselbe gilt für die Schilde. Die wenigen beschädigten Schildemitter konnten wir erfolgreich reparieren. Aus dem fast völlig zerstörten Waffenarsenal haben wir drei Minen bergen können, deren Tarnemitter noch intakt sind. Möglicherweise gelingt es uns, sie taktisch einzusetzen, bei unseren kommenden Vorhaben.“

Ti´Maran nickte dem Unteroffizier zu und wandte sich mit auffordernder Miene an Geralak: „Geben Sie eine medizinisch-psychologische Analyse unserer Situation, Doktor.“

Der Mediziner wirkte eher entspannt, als angespannt. Bedächtig antwortete er: „Soweit ich das beurteilen kann hat sich die Verfassung der Besatzung weitgehend stabilisiert. Der erste Schock des Desasters im Omarion-Nebel ist überwunden und die Crew blickt, mit Vertrauen in Ihre Führungskraft, vorwärts, Kommandantin. Außer uns sechs, haben 455 Crewmitglieder das Desaster überlebt und sind, bis auf neunzehn Männer und Frauen, voll einsatzbereit.“

Ti´Maran, die den Doktor wegen seiner Bemerkung ob ihrer Führungsqualitäten zwischendurch dankbar angesehen hatte, nickte knapp und erklärte sachlich: „Danke, für Ihre Ausführungen, Geralak. Ist eine permanente Zweischichtrotation für die Crew gesundheitlich zu vertreten?“

Der Assistenzarzt nickte. „Bedenkenlos.“

Halbwegs zufrieden wandte sich Ti´Maran zu Ulan Te´Varin. Sie verstand etwas von Waffensystemen und war geschult in der Raumkampf-Taktik. Te´Varin erinnerte die Interimskommandantin gelegentlich daran, wie sie sie selbst früher gewesen war: Begeisterungsfähig – beinahe fanatisch, mit einem fast unbegrenzten Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Ti´Maran machte sich von diesen Gedanken frei und fragte die junge Frau knapp: „Sind Sie bereit das Schiff durch ein Gefecht mit Jem´Hadar-Schiffen zu führen, Ulan? Die Wahrscheinlichkeit, dass wir es bald mit einer zahlenmäßig überlegenen Einheit aufnehmen werden müssen ist relativ hoch.“

In den Augen der Angesprochenen leuchtete ein leidenschaftliches Feuer, als sie zackig erwiderte: „Ja, Kommandantin. Ich bin bereit und wir werden sie schlagen.“

„Nun, dann sind wir uns in dieser Hinsicht einig“, erwiderte Ti´Maran und war, trotz ihrer momentan misslichen Lage, versucht zu schmunzeln. Nur knapp gelang es ihr sich zu beherrschen und sich diese Blöße vor ihren Untergebenen nicht zu geben. Schnell wandte sie ihren Blick Vraneek zu und ihre Miene wurde zur Maske. „Lieutenant Vraneek, Sie werden, wenn es zum Gefecht kommt, die notwendigen Manöver weitgehend selbsttätig ausführen. Ich werde lediglich die allgemeine Taktik bestimmen. Ich traue Ihnen zu, dass Sie mit dieser Verantwortung umgehen können.“

Der Steuermann der GENOREX nickte finster und erwiderte: „Sie können sich voll auf mich verlassen, Kommandantin.“

Für einen Moment hielt Ti´Maran seinen Blick mit dem ihren fest, bevor sie sich zu guter Letzt Ulan Lerok zu wandte. Der, vor kurzem erst frisch von der Kriegsakademie zur GENOREX versetzte, junge Mann, mit der Statur eines Modellathleten, machte einen fast unbeschwerten Eindruck, obwohl er direkt nach dem Gefecht einen schwer erschütterten Eindruck auf die Interimskommandantin gemacht hatte. Viele Jungoffiziere zerbrachen innerlich an Erlebnissen, wie die verlorene Schlacht im Omarion-Nebel. Dieser Offizier hingegen legte momentan alle Attribute an den Tag, die nur sehr wenige, sehr gute Offiziere auszeichnete. Ti´Maran machte sich diesbezüglich eine Gedankennotiz und sagte dann mit strengem Tonfall: „Lerok, Sie werden eng mit Lieutenant Vraneek zusammenarbeiten. Sprechen Sie sich vor dem anstehenden Gefecht mit ihm ab und achten Sie genau auf seine Anweisungen dann haben wir eine gute Chance die Heimat wiederzusehen.“

Während der Ulan bestätigte, blickte Ti´Maran in die Runde und fasste zusammen: „Die GENOREX ist also in vollem Umfang kampfbereit. Wir kommen lediglich nicht lebend zum Wurmloch, sofern wir keine Ersatzteile auftreiben können, die man uns freiwillig wohl kaum überlassen wird.“

Sie erhob sich geschmeidig aus ihrem Sessel, legte ihre Hände auf den Rücken und nahm eine stolze Pose ein. „Ich habe darum einen, zugegebenermaßen etwas verwegenen, Plan entwickelt, um dieses Dilemma zu umgehen. Wir befinden uns momentan, innerhalb dieses Sternensystems, in einem taktischen Vorteil den ich zu nutzen gedenke. Nach einer Ruhephase, damit unsere Crew körperlich in der bestmöglichen Verfassung ist, wird die GENOREX einen allgemeinen Notruf absetzen, den wir so abändern und verfremden werden, dass die Jem´Hadar an die Havarie eines ihrer eigenen Schiffe glauben werden. Die GENOREX wird sich danach zwischen dem Gasriesen und seinen Monden auf die Lauer legen und warten wer diesem Notruf folgen wird. Wenn wir Glück haben wird es ein einzelnes Schiff des Dominion sein, falls wir Pech haben werden sie mit einem Kampfverband auftauchen, doch dieses Risiko müssen wir eingehen. Die drei Minen werden wir in diesen Plan mit einbeziehen. An einer der Minen wird ein kleiner Notpeilsender befestigt werden. Danach platzieren wir die Minen zwischen dem Gasriesen und dem dritten Mond und tarnen sie. Wenn der Feind sich der Position nähert um nachzusehen, dann wird er eine böse Überraschung erleben. Wir beginnen mit dieser Aktion in exakt siebzehn Stunden. Abschließend noch dies: Sie alle gehören zur Elite der Romulanischen Flotte. Sie haben bald die Gelegenheit das erneut unter Beweis zu stellen.“

Ti´Marans Gestalt straffte sich bei ihren letzten Worten. Danach blickte sie die fünf Anwesenden auffordernd an und sie verstanden die unausgesprochene Aufforderung den Konferenzraum zu verlassen um ihre Posten wieder einzunehmen.

 

* * *

 

Knapp siebzehn Stunden nach dieser Besprechung, durcheilten drei Raumschiffe der Jem´Hadar, weniger als sechs Lichtjahre vom Ort dieser Besprechung entfernt, die kosmischen Weiten des Gamma-Quadranten.

Der Erste, Traltan´telek, ein junger und selbst für einen Jem´Hadar-Kommandanten äußerst aggressiver Krieger, stand auf der Brücke des Führungs-Raiders, welcher der Form eines irdischen Käfers nicht unähnlich schien, und wandte gelegentlich leicht den Kopf. Da er ein Headset trug, das ihm über einen virtuellen Monitor den Blick in den Weltraum gestattete obwohl es auf der nüchtern eingerichteten Brücke dieses Kampfschiffes weder Fenster noch Bildschirme gab, verschaffte er sich so einen Überblick von der momentanen stellaren Umgebung des kleinen Verbandes, den er befehligte. Traltan´telek erachtete es als große Ehre, von Krelton´kentak zum Befehlshaber über zwei Raiders und dem Transportschiff, welches vierzehn Gefangene zu einer fernen Welt des Dominion bringen sollte, bestimmt worden zu sein. Sein Leben war den Gründern geweiht, und diesen Auftrag für sie zu erledigen stellte den bisherigen Höhepunkt seiner jungen Karriere dar. Einerseits wusste Traltan´telek darum, dass er ein Klon war, doch andererseits konnte dies nicht vollkommen verhindern, dass er sich dennoch für ein besonderes Exemplar seiner Spezies hielt. Er lebte in dem festen Glauben daran, zu Höherem bestimmt zu sein als die meisten seiner Kameraden.

Da sich das Display des Head-Sets nur vor seinem linken Auge befand musste er sich nur genügend konzentrieren, um die reale Umgebung der Brücke ebenfalls wahrzunehmen. Nicht jedes Lebewesen konnte dies über einen längeren Zeitraum, ohne dabei körperliche Nebenerscheinungen, wie Desorientierung oder Kopfschmerzen zu empfinden, wie der Erste wusste, und er war stolz darauf, dass er keinerlei solche Probleme kannte.

Traltan´telek horchte auf, als ein Summen von einer der hinteren Konsolen ertönte und gleich darauf sein Taktischer Offizier meldete: „Erster, ich empfange einen Notruf eines unserer Kriegsschiffe. Es handelt sich, dem Rufzeichen nach, um einen Schlachtkreuzer. Welcher es ist kann ich nicht sagen, der Ruf ist verstümmelt. Offenbar gibt es Interferenzen durch das Magnetfeld eines Gasplaneten, in dessen Nähe sich das Schiff befindet.“

Ohne sich umzudrehen sagte der Erste: „Dann kommt der Notruf unzweifelhaft aus dem Solarsystem das sich etwas mehr als sechs Lichtjahre entfernt befindet. Ansonsten erkenne ich in diesem Sektor weit und breit kein System das in Frage käme.“

„Bestätigt!“, schnarrte der Taktische Offizier.

Traltan´telek zögerte nicht zu befehlen: „Pilot: Setzen Sie einen neuen Kurs, sobald ich die Kommandanten der beiden anderen Schiffe von unserem neuen Ziel unterrichtet habe. Taktik: Eine Verbindung zu unseren Schiffen!“

Die beiden Jem´Hadar bestätigten, und Traltan´telek gab seine Befehle an die Besatzungen der beiden übrigen Raumschiffe. Gemeinsam flogen die drei Raumschiffe einen weiten Bogen, bis der Doppelstern des in Frage kommenden Sonnensystem direkt vor dem Bug ihrer Schiffe lag.

Traltan´telek erinnerte sich für einen kurzen Moment daran, dass er Befehl hatte, seine Gefangenen auf direktem Weg zu ihrem Bestimmungsort zu bringen. Doch ein Notruf von einem ihrer Kreuzer konnte bedeuten, dass es in diesem Sektor eine Gefahr gab, die weitaus bedeutender war als das etwas verzögerte Eintreffen von vierzehn Gefangenen. Gelang es ihm rechtzeitig eine solche eventuelle Gefahr zu entdecken, damit sie vom Dominion rechtzeitig abgewendet werden konnte, so würde das unter Umständen bedeuten, dass man ihm ein größeres Kriegsschiff anvertraute. Dieser Gedanke gefiel dem Ersten.

Bei dem Klonprozess für die Jem´Hadar hatten die Gründer bewusst darauf verzichtet, Charaktereigenschaften, wie Stolz oder Ehrgeiz aus dem genetischen Code zu entfernen, da sie der Überzeugung waren, dass beides dem Kampfeifer ihrer Krieger zuträglich war. Diese Überzeugung sollte Traltan´telek bald schon zum Verhängnis werden...

 

* * *

 

Vor etwa einer Stunde hatte Ti´Maran geduscht und anschließend in Ruhe ein leichtes Mal verzehrt. Nun saß sie in einem Sessel im Wohnraum ihres Quartiers und starrte auf das PADD mit ihren persönlichen Daten, darunter einigen Bildern von ihr und Vraneek. Erinnerungen an eine glücklichere Zeit. Sie beide an den Silbermeer-Klippen. Ihr Besuch im Museum für Romulanische Kriegsgeschichte. Die gemeinsame Besteigung der Gorelak-Höhen und die Aussicht auf die zwei Kilometer entfernte Hauptstadt und die erhabene Weite des sich anschließende Lervoc-Ozeans - im Dunst des Morgennebels verschwindend.

Vergangenheit.

Sie hatte sich gleichfalls einige ältere Einträge ihres persönlichen Logbuchs angehört und war an einen Mann von der Erde erinnert worden. Sie wusste nicht zu sagen warum sie ausgerechnet die Einträge abgehört hatte, die mit ihm zu tun hatten, doch unterbewusst suchte sie offenbar nach Erkenntnissen – nach Hinweisen darauf, mit der Last ihres momentanen Kommandos umzugehen. Zum wiederholten Mal fragte sich die Romulanerin, wie es dieser junge Provisorische Commander damals geschafft hatte, noch dazu nach einem sehr persönlichen Verlust, einer solchen Verantwortung erfolgreich standzuhalten. Sie strich sich mit gespreizten Fingern durch das kurze, schwarze Haar und schloss für einen Moment lang in der Erinnerung die Augen. Dann blickte sie auf das PADD und rief das Hauptmenü auf. Nachdem sie die Bilddateien von Vraneek und sich selbst unterlegt hatte, verharrte ihr schlanker Daumen einen Moment über einer der Sensortasten, bevor er schließlich nach unten sank. Einen Moment später waren die Dateien unwiderruflich gelöscht.

Ti´Maran ließ langsam das PADD sinken und horchte in sich hinein. Ein wenig überrascht stellte sie fest, dass sie eher Erleichterung spürte als Melancholie, und sie fragte sich warum das so war. Lag es an Vraneek? Lag es an ihr selbst? Oder lag es vielleicht an eine Begegnung mit einem Mann der Erde, dessen Blick sie immer noch verfolgte obwohl sie keinerlei Begierde für ihn verspürte? Oder lag es vielleicht sogar an einem Mann der Erde, den sie erst nach dieser Begegnung kennengelernt hatte?

Etwas verloren saß sie so da und starrte grüblerisch ins Leere. In einem Moment der Erkenntnis spürte sie, dass diese Begegnungen mit zwei irdischen Männern etwas bewirkt hatten – tief in ihr. Einer von ihnen mit einer ähnlichen Leidenschaft wie ein Romulaner, doch sehr wohl in der Lage sie auch zu beherrschen und den Notwendigkeiten der aktuellen Situation unterzuordnen. Der andere das krasse Gegenteil – sanft und von tiefster Ruhe bis in den Kern seines Wesens.

Gemeinsam war beiden der unverbrüchliche Glaube an das Miteinander der verschiedenen galaktischen Spezies – etwas, dass das Romulanische Sternenimperium nicht lehrte oder als erstrebenswert erachtete.

Was Ti´Maran daran so faszinierte war nicht diese Ansicht als solche, sondern die unverbrüchliche Überzeugung dieser beiden so unterschiedlichen Männer, dass dieses Prinzip richtig war, und dass es sich lohnte dafür einzutreten. Aber noch etwas Anderes hatte der Romulanerin an diesen beiden Männern imponiert; etwas, das sie signifikant von Männern ihrer eigenen Rasse unterschied: Beide waren von Beginn an vorbehaltlos bereit gewesen in ihr eine gleichberechtigte Partnerin zu sehen. Eine Kameradin, deren Meinungen und Ansichten sie nicht nur akzeptierten sondern auch respektierten. Vielleicht war es genau dies, was die Begegnungen mit ihnen so unvergesslich für sie hatte werden lassen.

Valand Kuehn hatte einmal ein irdisches Sprichwort in ihrer Gegenwart benutzt, von dem sie immer noch hoffte dass es ein Körnchen Wahrheit enthielt:

Man sieht sich immer zweimal im Leben.

Als der Anruf von der Brücke kam, schrak sie auf und ließ dabei ihr PADD zu Boden fallen. Sich innerlich schnell zur Ordnung rufend aktivierte sie ihren Kommunikator und meldete sich: „Hier Ti´Maran. Was gibt es?“

„Kommandantin, unsere Langstreckenscanner haben drei sich nähernde Raumschiffe ausgemacht“, meldete sich Ulan Te´Varin. „Den Signaturen nach handelt es sich um zwei Angriffsschiffe und ein Schiff dessen Klasse wir nicht kennen, kaum größer als die beiden Angriffsschiffe. Es handelt sich also nicht um einen ihrer Schlachtkreuzer.“

„Verstanden, Ulan“, erwiderte Ti´Maran sachlich. „Geben Sie Gefechtsalarm für die Besatzung, ich komme auf die Brücke. Ti´Maran, Ende.“

Die Romulanerin schaltete ihren Kommunikator wieder auf Stand-By und erhob sich aus ihrem Sessel. Sie bückte sich, hob das PADD vom Boden auf und legte es behutsam auf eine Kommode, an der Wand des Raumes, bevor sie das Quartier verließ und mit weit ausgreifenden Schritten zum Turbolift eilte.

Keine Minute später erschien sie auf der Brücke und wandte sich an ihren Stellvertreter, Vraneek, der sie bislang vertreten hatte: „Berichten Sie, Sublieutenant.“

Vraneek blickte seine Ex-Freundin mit undurchdringlicher Miene an und meldete: „Die drei Raumschiffe nähern sich mit hoher Warp-Geschwindigkeit dem System. Sie haben den Notruf ohne Zweifel empfangen und haben, nach ihrem Verhalten zu urteilen, den Peilsender geortet. Jetzt kommen sie her um zu sehen, welches Raumschiff ihn gesendet hat. Wie befohlen war der Notruf so stark verstümmelt, dass die Jem´Hadar davon ausgehen müssen, der Notruf wäre aus der Nähe des Gasriesen abgegeben worden. Sie handeln momentan wie erhofft und haben offensichtlich vor, an dem Punkt an dem wir die Minen und den Peilsender platziert haben, zuerst mit der Suche nach der Quelle des Notrufs zu beginnen, Kommandantin.“

Ti´Maran nickte knapp. „Danke, Sublieutenant. Nehmen Sie ihren Posten ein und bringen Sie das Schiff zu einer Position in der Nähe des dritten Mondes. Danach schalten Sie den Energieausstoß der Triebwerke auf Minimalleistung herunter. Die Emissionen der Topalinvorkommen des dritten Mondes werden die Restausstrahlungen unserer Aggregate hoffentlich komplett überdecken.“

Noch während Vraneek bestätigte und zu seiner Station ging nahm die Interimskommandantin Kontakt zum Maschinenraum auf.

„Unteroffizier Kraantik: Fahren Sie die Schiffssysteme so weit herunter, dass sie innerhalb weniger Augenblicke wieder auf volle Leistung gebracht werden können, sobald ich Ihnen das Kommando dazu erteile. Halten Sie ab jetzt Verbindung. Sie müssen besonders darauf bedacht sein, dass die Schilde und Waffen über genügend Energie verfügen, auch wenn dies zu Lasten der Geschwindigkeit gehen sollte, ist das klar? Keines der drei Raumschiffe darf uns entgehen.“

„Ich habe verstanden, Kommandantin“, erwiderte Kraantik über Funk.

Ti´Maran ließ den Kanal geöffnet. An die junge Frau hinter der Taktischen Konsole gewandt befahl sie: „Warten Sie ab, bis die Schiffe sich den Minen auf minimale Distanz genähert haben. Dann zünden Sie. Die beiden Angriffsschiffe vernichten Sie, das begleitende Raumschiff darf nur beschädigt werden. Zielen Sie auf dessen Schilde Waffen und Antrieb.“

Während die Angesprochene bestätigte, beugte sich Ti´Maran bereits wieder im Sessel des Schiffskommandanten nach vorne und blickte auf den Hauptbildschirm des Warbirds. Sie hatte ganz und gar verdrängt, was sie noch vor wenigen Minuten in ihrem Quartier beschäftigt hatte. Nun war sie vollkommen fokussiert und bereitete sich innerlich auf das kommende Gefecht vor.



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