Zum Inhalt der Seite

West Coast

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Schwarze Hemden & Kaputte Beziehungen

Ryou’s Sicht:

Mein Herz schlug höher, als ich vom Rauschen der Wellen geweckt wurde. Mit einem Lächeln im Gesicht erhob ich mich und blickte sofort aus dem Fenster. Die Aussicht war einfach wunderschön und ich freute mich auf meinen ersten Tag mit Dad. Ich lag am Sofa, während mein Vater auf einer Matratze am Boden schlief.
 

“Dad, kann ich schon frühstücken?”, flüsterte ich ihm zu. Er öffnete die Augen, gähnte einmal un blinzelte mich daraufhin verschlafen an; “Wir müssen einkaufen gehen, Ryou. Ich habe nicht gewusst, was du gerne essen würdest”. Ich nickte, schlüpfte in meine Pantoffeln und ging ins Bad, um mich fertig zu machen. Das Badezimmer war unglaublich sauber und jeder Gegenstand war gerade gerichtet - Perfektionist. Alles fühlte sich so neu an, so auch der Start in den Tag.
 

Gerade war ich mit Zähne putzen fertig, als Dad etwas ins Badezimmer rief; “Ryou, ich habe etwas für dich!”. Überrascht blickte ich in den Spiegel gegenüber von mir. “Für mich?”, hinterfragte ich vorsichtig und machte die übrigen Schritte zum Wohnzimmer. Sogleich wurde mir eine Geschenkbox überreicht, die ich sprachlos annahm. Ich stammelte ein paar Worte, wunderte mich, was wohl drinnen war. “Das wäre überhaupt nicht nötig gewesen”, äußerte ich mit leicht rötlichen Wangen. “Jetzt mach’ schon auf! Wir haben uns so lange nicht mehr gesehen!”, Dad klapste mir leicht auf die Schulter.

Meine Finger zogen an den Enden der blauen Schleife, die sich dadurch löste. Die weiße Geschenkbox machte ich auf und merkte, wie meine Kinnlade fiel. “WIESO?!”, schrie ich durchs große Zimmer und beäugte laut atmend das schwarze Hemd. “DAS MUSS EIN VERMÖGEN GEKOSTET HABEN!”, fügte ich hinzu. Das muss es in der Tat gekostet haben - es war wunderschön verarbeitet, kein Detail wurde ausgelassen. Ich staunte vor mich hin, bis ich beschloss, es anzuprobieren. Ob Dad die richtige Größe ausgewählt hatte? Ich zog mein Shirt aus und schlüpfte in das samtweiche, schwarze Hemd, das etwas enger anlag, als die meisten Hemden. Dennoch passte es wie angegossen und ich konnte meine Freude kaum ausdrücken. Ich fiel meinem Vater um den Hals und drückte ihn ganz fest an mich. Danke.
 

“Für dich ist mir Nichts zu teuer”, gab er zu und klopfte mir auf den Rücken. “Hast du denn gestern noch die Leute von der Küste treffen können?”, er beugte sich etwas zu mir runter und sah mir freudig in die Augen. Ich schüttelte den Kopf und meinte, dass sie vielleicht wegen dem Regen nach Hause gegangen sind. Es war keiner mehr dort - außer dieser Typ mit den braunen Haaren und seinem Motorrad. Sein Blick war kühler, als der Wind, die heiße Zigarette gab einen künstlerischen Kontrast. Gelassen lehnte er am Motorrad und blickte in die Ferne. Gerade wollte ich von diesem Jemand erzählen, da schlug Dad vor; “Wir können heute Abend vorbeischauen. Sie werden sicher da sein”. Ich nickte, ehe er ins Bad ging, um sich ebenfalls fertig zu machen. Entspannt ließ ich mich auf die Couch fallen und starrte aus dem Fenster, die den Ausblick zum Meer präsentierte.
 

Als Dad fertig war, stiegen wir ins Auto und fuhren zum Shoppingcenter im Stadtzentrum. Wir hätten auch die Möglichkeit gehabt, in einen kleinen Supermarkt in der Gegend zu fahren, jedoch wollte Dad für die nächsten drei Tage einkaufen und sich nach einer neuen Jacke umsehen. So fuhren wir zwanzig Minuten, die Umgebung änderte sich drastisch. Es gab nun viel mehr Straßen, Gebäude und Stadtlärm. Die Menschen liefen mit vollen Shoppingtaschen herum oder saßen in einem Restaurant. Vor uns war das große Einkaufszentrum, in welches wir schnurstracks hineingingen. “Whoa!”, stieß ich aus, als ich erkannte, wie groß es war. Drinnen waren zahlreiche Modegeschäfte, Cafes und Parfümerien platziert. Die Halle war bereits mit vielen Lichterketten geschmückt, da sich Weihnachten näherte.
 

Zuerst gingen wir in den Supermarkt, der ganz unten im Erdgeschoß war. Der Einkauf ging ziemlich schnell; Dad packte viel Obst und Gemüse in den Korb, während ich ihn mit viel Fleisch und Süßigkeiten füllte. Bei Mum erntete ich immer mahnende Blicke, bei so viel Schokolade; Dad hingegen ließ alles gut sein, wie es war. An der Kassa war keine lange Schlange und wir versetzten die Ware in unsere robusten Einkaufstaschen, welche Dad dann zum Auto trug, während ich auf ihn wartete. Er kam entlastet zurück und wir begannen, in Modegeschäften herum zu schauen.
 

“Keines dieser Hemden ist annährend so schön, wie meines”, fiel mir auf, als wir uns in der Herrenabteilung eines Geschäftes umsahen. “Ich habe es in einem teuren Geschäft ergattert. Du wirst kein Duplikat davon hier finden”, bestätigte er. Er nahm gezielt eine der Winterjacken, die im Angebot waren und meinte, wir können gehen. Dad zahlte und so machten wir uns auf den Weg zurück ins Auto. Mein Magen knurrte bereits, weshalb wir schneller fuhren, als erlaubt. Mein Vater scheute sich nicht, Gas zu geben. Die vielen Straßen, Gebäude und der Stadtlärm entfernten sich allmählich aus meinem Blickfeld. Bald war nur noch die Küste von Weitem zu sehen. Als wären das zwei Welten ohne Grenze.
 

Zuhause angekommen, bereitete Dad uns Schinkenkäsetoasts zu. Ich saß am Tisch und tippte mit meinen Fingerkuppeln gegen den Tisch. Der Toaster ließ die Scheiben aufspringen, welche Dad schnell auf die beiden Teller gab und mit Bauernschinken und Gouda vollendete. “Frühstück!”, sang er fröhlich und platzierte die beiden Teller aus den Tisch, ehe er sich vor mich setzte und begann, zu essen. Ich hingegen blickte stumm aus dem großen Fenster und drückte meinen Toast in den Händen. “Stimmt was nicht?”, wollte Dad wissen und drehte sich zum Fenster um, um zu sehen, ob ich irgendetwas sah, das mir Sorgen bereitete. “Gestern habe ich jemanden gesehen. Spät Nachts, als du mit meinem Gepäck ins Haus gegangen bist”, verriet ich ihm und die Gänsehaut auf meinem Körper wollte nicht verschwinden. “Wahrscheinlich ein Tourist, der sich verlaufen hat. Die Küstler gehen immer alle zeitgleich nach Hause und warten aufeinander”, sein Toast war nur noch zur Hälfte übrig. Ein Tourist, der sich verlaufen hat?
 

Nach genauerem Umsehen erkannte ich einen jungen Mann; Zigarette im Mund, seine braunen Haare wehten leicht im Wind, der Blick kühl, wie Eis. Der Wind brachte mich zum Zittern, ich spürte Gänsehaut. Er lehnte gegen sein Motorrad, wirkte entspannt und gereizt zugleich, distanziert. Als die Zigarette nur noch ein Stümmel war, warf er diesen zu Boden und zertrat ihn. Danach blickte er zu mir rüber, gleichgültig. Ich lief rot an, versank in Scham und Panik, als hätte ich etwas getan, was sich eigentlich nicht gehörte. Ich hatte fast das Gefühl, mich dafür entschuldigen zu müssen. Der Junge wirkte so lässig und unnahbar, es faszinierte mich. Er stieg auf sein Motorrad und fuhr damit aus meinem Blickfeld - nicht einmal einen Helm hatte er sich aufgesetzt.
 

Ich wusste gar nicht, weshalb ich meinem Vater unbedingt von der Begegnung mit dem unbekannten Braunhaarigen erzählen wollte. Vielleicht, weil ich noch nie jemanden gesehen habe, der so eine eisige Aura ausstrahlte. Oder vielleicht, weil er in dem schwachen Licht der entfernten Laternen so unglaublich ausdrucksvoll aussah. Er sah aus, wie Kunst.
 

“Iss deinen Toast, Ryou”, erinnerte mich mein Vater. Ich aß schnell auf und füllte uns Eistee Pfirsich in zwei Gläser, die ich an den Tisch stellte. Es war sehr still und man hörte nur das Rauschen der Wellen, weil das Fenster offen war.
 

Gestern Nacht hatte ich nicht die Möglichkeit, mir das Innere des Hauses gut anzusehen, weshalb ich nun gespannt um mich herumsah; das Wohnzimmer - beziehungsweise, das Hauptzimmer - war sehr gut beleuchtet durch das große Fenster und wirkte lebendig. Ich fragte mich, ob es mir hier besser gefallen würde, als zuhause. Zuhause hatten wir eine drei Zimmer Wohnung mit zwei Balkonen.
 

“Und, hast du denn einen Freund, mein Sohn?”, Dad nippte an seinem Glas. “N-nein, noch nicht”, informierte ich ihn etwas eingeschüchtert. Er wusste, dass ich schwul war, doch ich redete nur ungerne darüber. Irgendwie gab es mir das Gefühl, ausgegrenzt zu sein. Homosexualität wurde noch nicht überall toleriert und akzeptiert. Ich tippte mit meinen Fingern am eiskalten Glas. “Ich denke, Seto steht auf feminine Männer. Ich sollte ihn dir mal vorstellen. Vielleicht heute Abend?”, sein Glas war nun leer und er stellte es in den Geschirrspüler. Ich zuckte mit den Schultern, und fragte, woher er über die sexuelle Orientierung des Anführers der Gruppe wusste. “Wir sind sehr gut befreundet”, zwinkerte Dad.
 

Die Art und Weise, wie der Typ von gestern gegen sein Motorrad lehnte und seine Zigarette rauchte, hätte ein perfektes Fotomotiv sein können. Dieser Mensch hatte eine Wirkung auf mich, wie kein anderer. Ich habe in meinem Leben noch nie eine Person gesehen, die mich allein mit ihrem Blick so einfrieren konnte. Zwar sah ich keine richtige Handlung, aber dennoch wirkte er so elegant in seinem Sein und seinem Tun. Er hatte lange, schöne Beine und die Haare waren perfekt gestylt.
 

Mich interessierte dieser Seto nicht; ich wollte diesen einen Typen noch einmal sehen. Noch einmal begegnen, nur ihm ihn bewundern zu können. Meine Augen würden die ganze Zeit an ihm kleben, ich würde mich nicht von ihm abwenden können. Noch dazu war er so groß… ich liebe große Typen. Vielleicht läuft er auch manchmal an der Küste herum?
 

Seto’s Sicht:

Ohne das nervende Geräusch meines Weckers öffnete ich meine Augen - mein erster freier Tag seit langem. Ich schielte zur Uhr hinüber und erkannte, dass es schon Mittag war. Zu aller erst checkte ich mein Handy und hatte drei entgangene Anrufe von Mai. Der erste war vor einer Stunde. Ich rief zurück. “Seto?”, kam es von der anderen Leitung. Ich brachte ein verschlafenes “Mhm” raus und hörte mir ihr Anliegen an. “Ich muss dir unbedingt etwas zeigen. Kann ich rüberkommen?”, sie klang leicht besorgt. “Natürlich, keine Frage”, kam es selbstverständlich von mir. Sie bedankte sich und legte auf. Ich rieb mir den Sand aus den Augen und stand auf. Sie würde in weniger als fünfzehn Minuten hier sein.
 

In der Zwischenzeit war ich im Bad und begann meine Tagesroutine. Mit nassen Haaren und im Bademantel verließ ich den Raum und ging zurück in mein Zimmer, um mich anzuziehen. Ich schlüpfte in ein lockeres T-Shirt und eine Jogginghose, als es an der Türe klingelte. Ich schloss auf und sah Mai, die einige Zettel in der rechten Hand hielt. Wir umarmten uns, bevor ich sie reinließ.
 

Wir setzten uns in die Küche; ich aß mein spätes Frühstück und Mai erklärte mir die Diagramme, die sie mitgebracht hatte. “Das Wasser war gestern Abend sehr auffällig ruhig, nicht wahr?”, begann sie. “Das ist mir sehr schnell aufgefallen. Auf dem blauen Diagramm siehst du, dass in der letzten Nacht ein paar Prozente zum durchschnittlichen Meeresspiegel gefehlt haben”, sie hatte nun alle Blätter auf dem Tisch ausgebreitet, während ich meine drei Spiegeleier aß. Ich begutachtete die ausgedruckten Zettel und konnte ihr gut folgen. Jedoch war mir noch nicht bewusst, was sie damit eigentlich sagen wollte.
 

“Und was passiert, wenn das Wasser eine Zeit lang unauffällig ruhig war?”, fragte sie mich und blickte mir direkt in die Augen. “Dann war das Ebbe. Und auf Ebbe folgt Flut”, antwortete ich und verstand, worauf sie nun hinaus wollte. Mai nickte und zeigte mir ein anderes Diagramm. “Die Wahrscheinlichkeit, dass in den nächsten Stunden die Flut kommt, ist sehr hoch. Laut den Berechnungen wird sie sehr stark sein”, sie klang sehr besorgt. In ihrem Gesicht war Angst abzulesen.
 

Ich erklärte ihr gelassen, dass sie sich keine Sorgen machen müsse. Wir Küstler wussten, wie wir uns im Falle einer Flut verhalten sollten. Ebbe und Flut sind an Küsten nichts Fremdes; wir haben uns angepasst und kennen die sichersten Wege, um effektiv davor zu fliehen. Man muss die ersten Anzeichen deuten können, um sich am schnellsten in Sicherheit zu begeben - ansonsten haben die Wellen gewonnen. Wenn man einmal mitgerissen wird, ist es unglaublich kraftraubend, wieder heraus zu gelangen.
 

“Falls die Flut wirklich heute eintreffen sollte, können wir alle bei einem von uns weiterfeiern. Duke hat doch einen Kaminofen, nicht wahr?”, inzwischen hatte ich meinen Teller leergegessen. Es war bei uns üblich, dass wir, wenn eine Flut gerade tobte, bei einem von unserer Gruppe übernachteten und trotzdem noch Spaß hatten. Wir ließen uns von der Macht des Meeres nicht einschüchtern. Ehrlich gesagt witzelten wir sogar während der Flucht, wer als Letzter heil rauskommen würde. Die Erfahrung nahm uns all die Angst vor den majestätischen Wellen.
 

“Treffpunkt ist heute jedenfalls wieder um Acht. Marik bringt heute den Alk mit”, Mai sammelte die Zettel wieder ein und stützte ihr Kinn an ihren Handinnenflächen ab. Sie starrte mich gedankenverloren an. Ich blickte sie direkt an und wartete darauf, bis sie mir erzählte, was in ihrem Kopf rumspukte. Ihre Pupillen wurden größer, ich zog eine Augenbraue hoch.
 

“Und du glaubst wirklich, dass Liebe nicht das ist, was dich vollkommen machen würde?”, sie strich sich eine blonde Haarsträhne aus dem Gesicht. Ein kurzes Lachen entfuhr mir, als sie dieses Thema ansprach. Sie sprach es sehr oft an. Ich war mir nicht sicher, ob sie auf eine Beziehung zwischen uns beiden hinaus wollte, oder ob sie mich einfach dazu überreden wollte, nicht immer auf meinen Verstand zu hören. Als Filialleiter eines Geschäfts muss man jedoch viel mit dem Kopf arbeiten, und nicht mit dem Bauchgefühl oder gar seinen Bedürfnissen. “Ich bin doch glücklich, so, wie es jetzt ist”, behauptete ich, während mir flau im Magen wurde.
 

Mai nickte skeptisch und wendete ihren Blick nun von mir ab. Sie seufzte und starrte aus dem Fenster. Das Wasser war tatsächlich sehr temperamentvoll. Ich fragte mich, was an Land gespült werden würde, sobald die Flut sich wieder gefangen hatte. Einige Male waren es sehr komische Fischarten, manchmal waren es aber auch Leichen, die sinnlos irgendwo in den Tiefen des Wassers herumtrieben. Bei Flut wird nunmal das, was sich gerade drinnen befindet, herausgespült. Bei dem Gedanken, was da unten alles noch verborgen blieb, wurde mir unangenehm. Die Fische in der Tiefsee sahen aus, wie Dämonen und konnten Menschenfleisch zerbeißen. Ich konnte mich an einen Tag erinnern, wo ein Hai hier gestrandet war. Das normalerweise gefährliche Tier lag im Sand und war nicht in der Lage, sich zu bewegen. Es erstickte. Die Menschen hatten zu viel Angst, das Tier anzufassen. Was für eine Schande.
 

“Wer sagt eigentlich, dass ich nur auf meinen Verstand höre? Bei unseren Lagerfeuersitzungen habe ich dich im Arm und sage dir, wie viel du mir bedeutest”, protestierte ich selbstsicher. Mai wusste nicht so recht, was sie darauf sagen hätte sollen. Sie blickte mir nachdenklich über die Schulter. Ich stand auf und gab meinen Teller in den Geschirrspüler, bevor Mai sich auch erhob und mich von hinten umarmte. Ihre Brüste drückten gegen meinen Rücken, ich hielt kurz die Luft an.
 

“Du bist wunderschön”, brachte sie leise heraus. Ich drehte mich um und legte meine Arme um sie; “Trotzdem werde ich nicht mit dir schlafen, Kleine”. Sie biss sich auf die Unterlippe und löste sich von mir. In einer unüblichen Hektik nahm sie ihre Zettel vom Tisch, verabschiedete sich halbherzig und verließ mein Haus. Ich seufzte und fuhr mir durch die Haare.
 

Mit ein paar Gewissensbissen ging ich ins Bad, um mir meine Haare zu föhnen. Während dessen dachte ich darüber nach, ob ich Mai damit weh tue, sie ständig zurückzuweisen. Sie spürte da eindeutig mehr, als nur Freundschaft - unglücklicherweise erwiderte ich dieses Gefühl nicht. Erstens hatte ich keinen Bock auf eine Freundin, und zweitens wollte ich unsere Freundschaft nicht zerstören. Wie würde es denn ausgehen, wenn Mai und ich eine Beziehung beenden würden und uns Abends nicht mehr gemütlich an der Küste amüsieren könnten, sondern eher den Kontakt mieden? Ich wollte daran nicht denken.
 

Seit vier Jahren wohne ich nun hier und sehe Mai als meine beste Freundin. Sie weiß, dass ich Beziehungen nicht mochte, weil sie mir viel zu aufwendig waren. In meinen zwanzig Lebensjahren war ich mit zwei Frauen zusammen, danach hatte ich keine Lust mehr. Es lag eher weniger an den Frauen selber, als an dem ständigen Auf und Ab der Gefühle. Ich hatte keine Lust mehr auf Streit, Missverständnisse und schlechtes Gewissen. Durch die negativen Erfahrungen verblasste das Bedürfnis nach Liebe und Geborgenheit. Es fühlte sich so an, als würde ich nie wieder den Drang danach haben.
 

Meine erste Beziehung hatte ich mit fünfzehn, welche fünf Monate hielt - diese endete, weil ich diesen ständigen Druck, alles perfekt machen zu müssen, nicht aushielt. Bereits ein Jahr danach zog ich hier her und wollte mich unanbhängig machen - von Allem. Als ich mich jedoch mit siebzehn erneut verliebte, merkte ich, dass das gar nicht so einfach war. Es war eine Frau aus dem Stadtzentrum, die mir den Kopf verdrehte. Ich beschloss, mich noch einmal auf einen Menschen einzulassen. Doch schon nach drei Monaten trennten sich unsere Wege; mir gefiel es einfach nicht, mich so stark an jemanden zu binden. Desto mehr Bindung da war, desto mehr schmerzten die Auseinandersetzungen.
 

Öfter ging es mir durch den Kopf, es mit einem Mann zu versuchen. Ich fragte mich, ob es da anders werden würde, doch dann fiel mir immer ein, dass ich meine Zeit nicht mit Beziehungen verschwenden wollte. Beziehungen waren der Grund, weshalb meine Persönlichkeit sich so dermaßen extrem formte. Ich wurde teilweise kalt, ich schluckte Emotionen und ich redete nur halbherzig. So hatte ich den perfekten Grund, um nicht Schuld zu sein, wenn ich Leute verletzte: “Das ist einfach mein Charakter”.
 

Mai bedeutete mir die Welt und leider war ich mir seit ein paar Monaten sicher, dass sie an mir interessiert war. Egal, wie betrunken sie war; sie wollte immer nur mir an die Wäsche. Keinem anderen aus der Gruppe, nur mir. Man könnte sie mit Joey alleine in einem Bett für drei Tage lassen und sie hätten nicht miteinander geschlafen. Denn Joey war kein Seto Kaiba.
 

Mais Anspielungen wurden immer deutlicher, und jede Ablehnung tat ihr mit der Zeit mehr weh. Natürlich tat es mir Leid, aber ich würde ihr nur weh tun. Ich war nunmal nicht gut in Beziehungen und bezweifelte nicht, dass es mein Leben lang so bleiben würde. Die Chance, dass da noch wer kommen würde, der eine perfekte Ergänzung für mein großes Ego wäre, lag gleich bei Null. Außerdem würde ich nicht mehr auf jemanden eingehen wollen, nur, um alles wieder zu verlieren. Liebe belastete mich nur.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Über Kommentare würde ich mich freuen (: Komplett anzeigen

Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück