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Kinder des Todes

Ein Funken Hoffnung
von

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Der erste unverzeihliche Fluch

Dicke Flocken verwandelten das Dorf Hogsmeade in ein Winterwunderland. Es waren Weihnachtsferien und Severus Snape war heilfroh, dass ein Großteil der Schüler zuhause mit ihren Verwandten unter dem Tannenbaum saßen, Weihnachtslieder sangen und ihn verdammt noch mal in Ruhe ließen. Anstatt in die Drei Besen zu gehen, wo er hinter den Fenstern die Professoren McGonagall und Flitwick erspähte ging er weiter. Er würde nicht an Dumbledores Weihnachtsfeier teilnehmen, die heile Welt vorspielte wo keine war.

Die Zeit, in der er an Knallbonbos gezogen hatte und Weihnachtspudding gegessen hatte, war schon lange vorbei. Eigentlich war er nie ein Freund dieses Festes gewesen. Dumbledore, der außer seinem Bruder sonst keine Familie hatte, mochte die Feier mit den anderen Lehrern genießen. Ihm zeigte es nur, dass er genauso einsam war, wie jeder andere des verdammten Kollegiums, von dem ihn fast alle als Schüler unterrichtet hatte. Bis auf eine Person. Und es reichte, das Trelawney ihm hin und wieder auf dem Gang über den Weg lief. Einen ganzen Abend mit ihr an einem Tisch zu sitzen war, als würde das Schicksal ihm ins Gesicht spucken. Als ob irgendeiner der anderen Lehrer ihm wirklich vertrauen würde! Da könnte er sein Leben noch zehn Mal für Dumbledore riskieren, sie würden immer noch den Todesser in ihm sehen.

Er ließ das Dorf hinter sich und zückte seinen Zauberstab.

Im nächsten Augenblick war er verschwunden.
 

Er apperierte auf die oberste Stufe der Treppe vor seinem Haus, steckte den Schlüssel ins Schloss der Türe, die wie immer im Winter verzogen war und noch mehr klemmte als sonstund einen kleinen Tritt benötigte. Die Tür schwang auf und Wärme durchflutete ihn. Wärme, die ihn nicht durchfluten durfte, denn er hatte keinen Zauber gewirkt, der den Kamin im Hause vor seiner Ankunft aufheizte. Er zog seinen Zauberstab, schloss die Türe leise hinter sich, obwohl er wusste, dass ein Eindringling ihn längst gehört haben musste.

Die Tür zum Wohnzimmer stand offen. Ein Feuer prasselte in dem Kamin. Sein Sessel stand nicht mehr so, wie er gestanden hatte, als er sein Haus zum letzten Mal besucht hatte.

„Wer immer Sie sind, ich empfehle ihnen mit erhobenen Händen hervor zu kommen.“, sagte er laut und verbannte jede Anspannung aus seiner Stimme. Es gab kaum einen Zauberer mit dem er es nicht aufnehmen konnte.

„Entschuldigung, Sir. Bitte... nehmen Sie den Zauberstab runter. Ich wollte nicht einbrechen.“

Eine Frau mit langen schwarzen Locken hatte sich aus dem Sessel erhoben, der mit dem Rücken zu ihm stand. Ihr Gesicht hatte er noch nie gesehen und doch kam sie ihm vertraut vor.

„Ich wollte euch nur besuchen kommen.“

Beinahe fiel ihm der Zauberstab aus der Hand, als sie mit den Schultern zuckte, die von grasgrünem Stoff umschlossen waren und als sie ihn schuldbewusst ansah.

„Amaryllis... was tust du hier?“

Er packte sie an den Oberarmen. Es war immer seltsam fast auf Augenhöhe mit ihr zu sein.

„Es ist Heiligabend.“, sagte sie, als wäre damit alles erklärt. Er ließ sie los, fuhr sich durch die Haare und wandte sich dem Kamin zu. „Wie lange wirkt der Vielsafttrank noch?“, fragte er und warf einen Blick auf die Wanduhr. „Fünf Minuten ungefähr... ich habe den letzten vor einer Stunde genommen... Ich kam sonst nicht an die Teebeutel oben auf dem Schrank.“ Sie deutete auf eine Tasse auf dem Beistelltisch. Die alte Tasse, die seine Mutter so verabscheut hatte.

„Geh ins Schlafzimmer... dort müssten noch ein paar alte Sachen von dir sein...“ Er ließ sich in den Sessel fallen, während sie davon tänzelte und barg das Gesicht in den Händen. Wie zum Teufel war sie hier rein gekommen? Flohpulver konnte es nicht sein, der Kamin war mehrfach gesichert. Es gab Zauber die auf dem Haus lagen, die ihn sofort informierten, wenn Magie genutzt worden war.

Sie kam aus dem Schlafzimmer zurück, bekleidet mit ihrer Arbeitsrobe, die er einfach nicht hatte wegwerfen können und strich den Stoff gerade.

„Setzt dich.“, wies er sie harsch an und deutete auf den Schemel neben dem Sessel. „Wie bist du hier rein gekommen?“

„Nun...“, sie warf einen Blick in die Flammen.

„Sieh mich an, wenn ich mit dir rede!“

Sofort hefteten sich ihre Augen wieder an seinen Blick. Sie straffte die Schultern, setzte sich gerade hin.

„Verzeihung, Sir.“

Er nickte, als Zeichen, dass sie weiter reden durfte.

„Ich habe die Mittel genutzt, die ihr mir beigebracht habt.“ ihre kleine Hand deutete auf den Beistelltisch. Neben der Tasse lagen ein paar rostige Dietriche. „Es war schwerer als gedacht... eure Türe hat geklemmt...ich war froh, dass ich so groß war...“

Er könnte die Sache abkürzen, indem er einfach in ihren Kopf eindrang. Doch verbot er es sich. Bisher log sie ihn nicht an.

„Wie bist du von Finnland hier her gelangt?“

„Ich bin mit dem Flugzeug geflogen.“

„Ganz ohne Geld?“

„Die Familie bei der ich wohne hat mir welches gegeben...“

„Freiwillig?“ Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass die Menschen, die er ausgesucht hatte, ein Kind alleine nach England reisen lassen würden.

„Nein, Sir. Ich habe den Imperiusfluch verwendet. Deswegen machen sie sich auch keine Sorgen um mich. Sie denken, es ist alles in bester Ordnung. Ich wollte keine Aufmerksamkeit erregen.“

„Aber dein Zauberstab...“

„Ich habe es ohne versucht. Ich habe die letzten Wochen geübt und es funktioniert jetzt.“

Er wollte ihr sagen, dass sie nicht einfach einen unverzeihlichen Fluch anwenden durfte. Er wollte ihr sagen, dass sie andere Menschen nicht so manipulieren sollte. Doch wie konnte er? Er selbst hatte ihr den Fluch beigebracht.

„Der Vielsafttrank?“, fragte er weiter.

„Es war ein Rest, Sir. Ich habe ihn damals in meinem Koffer gehabt... Ihr habt schließlich gesagt, dass es wichtig ist, immer auf alles vorbereitet zu sein. Die Frau, von der ich das Haar habe, hatte ihren Pass nur in der Jackentasche. Ich werde ihn auf dem Rückflug in einen Briefkasten stecken. Die Post gibt ihn ihr bestimmt zurück.“ Sie knetete nun die Hände in ihrem Schoss und biss sich auf die Unterlippe.

Er seufzte. „Und warum das alles, Amaryllis? Wofür? Ich habe dir Anweisungen erteilt und ihr habt sie nicht befolgt! Du weißt, dass ich dich bestrafen muss. Warum bist du hier?“

Sie stand von dem Schemel auf, was sie nicht viel größer machte, räusperte sich. „Weil morgen Weihnachten ist. Und... an Weihnachten war ich immer bei euch. Wenn ich jetzt nicht hier wäre... dann wärt ihr doch ganz allein.“ Sie senkte den Kopf und Severus Snape konnte nicht anders als seine Schülerin ungläubig anzustarren. „Du lernst innerhalb eines Monats ohne Zauberstab zu zaubern, belegst deine Zieheltern mit einem Imperiusfluch, benutzt den Vielsafttrank, bestielst deine Zieheltern und eine wildfremde Frau, reist quer durch Europa, widersetzt dich meinen Anordnungen und brichst in mein Haus ein. Warum? Damit ich an Weihnachten nicht alleine bin?“

„Ja, Sir.“ nun biss sie sich auf die Unterlippe, wie sie es immer tat, wenn sie merkte, dass sie etwas falsch gemacht hatte. „Entschuldigung, Sir. Ich dachte, es wäre eine gute Idee.“

„Du hast nicht gedacht, Amaryllis.“ Er stand aus dem Sessel auf und baute sich vor ihr auf. Sie ging ihm gerade einmal bis zur Hüfte, musste den Kopf in den Nacken legen, um ihn überhaupt weiter ansehen zu können.

„Du hast dich meinen Anordnungen widersetzt. Wärst du die Schülerin des dunklen Lords wärst du jetzt tot. Ist dir das bewusst?“ Er umkreiste sie, sah wie sie die Schultern hochzog.

„Steh ordentlich!“, fauchte er sie an und auch wenn sie heftig zusammen zuckte, zwang sie sich die Schultern zu senken.

„Ich habe von dir verlangt, dass du dort bleibst!“ Er fasste den Zauberstab fester. Wut und Enttäuschung brandeten gegen seinen Verstand und ließen seine Stimme laut werden. „Ich habe von dir verlangt in Sicherheit zu bleiben! Und was ist der Dank? Wie dankst du es deinem Meister?“

Er trat wieder vor sich, hob den Zauberstab.

„Verzeihung, Sir.“ Tränen rannen über ihr Gesicht, doch stand sie gerade wie ein Soldat vor seinem General. Ihre Stimme bebte kaum. „Ich hatte gedacht, dass ich euch eine Freude mache. Ich habe mich geirrt. Mein Verhalten war töricht. Verzeiht mir, Herr. Ich verdiene eine Bestrafung.“

Er konnte nicht.

Entwaffnet von seinen eigenen Gefühlen fiel sein Zauberstab zu Boden. Sofort bückte sie sich um ihn aufzuheben.

„Lass ihn liegen, du dummes Ding.“

Neben ihr sank er auf die Knie und zog sie in seine Arme.

Sie sollte eine Kindheit haben. Er hatte es sich geschworen.

„Du dummes, verrücktes Mädchen...“

Wie vor über einem Monat gruben sich kleine Hände in den Stoff seines Umhanges und hielten sich fest.
 

Später am Abend hatte er ihnen etwas zu essen gekocht von den wenigen Vorräten, die er in Spinners End gelagert hatte und nun stand er mit ihr in seinem Keller, wo er Tränke zu brauen pflegte. Wie so oft in den Jahren zuvor ging sie ihm zur Hand. Ein Heiligabend, wie jeder andere und doch spürte er, dass etwas anders war. Er hatte sie an dem Tag, an dem er sie nach Finnland gebracht hatte zu nah an sich heran gelassen. Er konnte nicht so hart zu ihr sein, wie er es vorher gewesen war. Es war wie mit einem Welpen, dem man in einer Gewitternacht ausnahmsweise erlaubte am Fußende auf der Bettdecke zu schlafen. Man bekam den Köter nie wieder aus dem Bett heraus.

Er dachte über Dumbledores Worte nach, während der Trank der lebenden Toten vor sich hin blubberte und Amaryllis längst zusammengerollt auf dem zerschlissenen Sessel in der Ecke bei den Trankzutaten schlummerte.

Er hatte sie nicht weiter unterrichten wollen, doch war sie zu ihm zurückgekehrt und forderte ohne es zu wissen ihre Ausbildung ein.

Sie war gut.

Zu gut für ihre sieben Jahre.

Zu gut für ihr kleines Herz, dass einen Imperiusfluch wirken konnte, damit er an Weihnachten nicht alleine war.

Sie vertraute ihm.

Ein Gefühl, dass er bisher nicht gekannt hatte, überkam ihm.

Das Wissen, dass sie ihm in den Tod folgen würde, wenn er es von ihr verlangen würde.

Sie betrachtete ihn, nicht Voldemort als ihren Herren.

Sie war seine Schülerin.

Wenn er nicht überlebte...

Könnte sie seine Aufgabe ausführen.

Sie könnte Lillys Sohn beschützen und dem Orden des Phönix helfen.

Er musste sie zu einer Agentin ausbilden, wie er einer war.

Nicht nur, um sie vor Voldemort zu schützen.

Er strich über die engelsblonden Haare.

Er hatte Macht über sie und er musste sie nutzen.

Denn wenn er es nicht tat, würde Voldemort es eines Tages tun.

Und er könnte nicht ertragen, wenn dieser Engel beginnen würde zu morden.
 

Ein Imperius war kein Crutiatus.

Ein Imperius war kein Avada Kedava.

Aber ein Imperius war der erste unverzeihliche Fluch.

Es waren nur zwei winzig kleine Schritte, bis zu dem Zauber, der einem selbst die Seele zerfetzte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2015-12-05T14:44:21+00:00 05.12.2015 15:44
Das Verhältnis von Snape und dem Mädchen zu einander ist sehr interessant. Auf der einen Seite, ist da eindeutig diese Zuneigung von Kind zu Bezugsperson, aber irgendwie sind sie beide ziemlich unfähig das auf normale Art und Weise zu zeigen. Auf der anderen ist da diese Meister-Schüler-Beziehung, die mich fast schon an eine Sithausbildung á la Darth Bane erinnert. Er sieht sie nicht nur als schützenswerte Person, sondern auch als Werkzeug, um seine Aufgabe zu erfüllen, sollte er es selbst nicht können. Spannend!
Etwas irritierend finde ich diese "zaubern ohne ZAuberstab"-Sache. Ich weiß noch nicht, was ich davon halten soll und warte daher erst einmal die folgenden Kapitel ab, bevor ich mir eine Meinung dazu bilde. Im Allgemeinen würde ich dir raten mit derartigen Dingen vorsichtig zu sein, sodass die Kleine nicht zu stark und zu besonders im Vergleich zu den gewöhnlichen Charakteren wirkt. Natürlich ist sie anderen durch ihre AUsbildung in vielen Dingen voraus, aber sie ist trotz allem nur ein Kind.
Ich bin gespannt wie es weitergehen wird und was den beiden sonst noch so bevor steht!


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