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Demonic Rewind

[Demonic Reverie]
von

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Kapitel 28: Das werde ich nicht zulassen (Teil 1)


 

Das Vermillion-Viertel am Stadtrand von Cherrygrove war der große Traum der Investoren gewesen. Mehr Wohnungen, mehr Arbeitsplätze, mehr Natur. Es war nicht nur alles schon geplant, abgesegnet und erwartet, das Bauen hatte auch bereits begonnen – bis ein verheerendes Ereignis die Umgebung verwüstete, mehrere schon beendete Häuser einstürzen ließ und tiefe Gräben erschuf. Danach waren der Plan und alle Baustellen aufgegeben worden.

Natürlich wussten die meisten Personen nicht, dass dieses Ereignis nur eintreten konnte, weil dies der Schauplatz des Kampfes zwischen Cerise und Atanas gewesen war. Farran wusste das auch nur, weil Parthalan und Blackburn ihm bei der Planung davon erzählten, er hatte damals bereits im Gefängnis gesessen, statt an diesem Kampf teilzunehmen.

Inzwischen war das Viertel zur Sperrzone erklärt worden. Die verfallenen Gebäude dienten einigen Tierarten als Zuhause und Urban Explorern als Erkundungsgebiet. Farran hatte in der Nacht einige der dadurch entstandenen Videos angesehen, um ein besseres Gefühl für das Areal zu bekommen, wenn er dort kämpfen sollte. So fühlte es sich an als kenne er diesen Ort bereits, als er gemeinsam mit Luan und Ares dort ankam.

Außer ihnen schien niemand hier zu sein, abgesehen von einem großen weißen Vogel. Unter lautem Protest flog er aus einem der höheren Stockwerke eines Hochhauses, von dem nur eine Hülle übrig geblieben war.

Die drei folgten ihm mit den Augen. Nachdem er nicht mehr zu sehen war, seufzte Luan. „Wird das wirklich funktionieren?“

„Überlass das nur mir“, antwortete Farran. „Ich habe sogar ein besonders starkes Fangnetz bekommen, um ihn nach Abteracht zu bringen.“

Die Begegnung mit Ciar auf dem Balkon hatte ihm gutgetan, dadurch war ein großer Teil seines Ehrgeizes geweckt worden. Gemeinsam mit Blackburn hatte er dann noch innerhalb der letzten Woche trainiert, um sicherzustellen, dass er fit genug wäre, um gegen den Weltenverschlinger anzugehen; sein gesamtes Wissen über diesen rührte bislang von einem Gespräch mit Cathan und Seline, aber das wäre nicht das erste Mal, dass er blind in einen Kampf ging – das war schließlich der Zweck der Fänger.

Luan bedachte ihn mit einem sorgenvollen Blick, dem Farran ein Lächeln entgegensetzte. „Zerbrich dir nicht deinen Kopf. Sei einfach so köderig wie du sein kannst.“

Das Wort schien ihn zu verwirren, er runzelte die Stirn.

Farran sah zu Ares. „Such dir mit ihm ein gutes Versteck, und pass auf ihn auf.“

Wie üblich redete der andere nicht mit ihm, er nickte nur. Was immer ein anderer Farran ihm einmal angetan hatte, musste heftig gewesen sein. Vielleicht waren es ja sogar mehrere aus verschiedenen Welten gewesen.

Ares ergriff Luans Arm und zog ihn mit sich. Der Junge stolperte ihm erst hinterher, bis er mit Ares in Gleichschritt fiel. Er warf dennoch einen Blick zu Farran zurück, worauf dieser ihm lächelnd zuwinkte. Das schien ihn soweit zu beruhigen, dass er wieder nach vorne sehen konnte.

Es hatte ein wenig gedauert, Luan davon zu überzeugen, dass er zwar den Köder spielen, aber dabei nicht auf dem Kampffeld sein sollte – nur um sicherzugehen –, doch Parthalan war es schließlich gelungen. Dass Ares ihn beschützen sollte, war auch eine Idee des Vizeführers gewesen. Der ehemalige Zerstörer wäre die letzte Verteidigungslinie, falls Farran es nicht schaffen sollte.

Aber er hatte nicht vor, es dazu kommen zu lassen.

Er streckte sich ausgiebig und atmete tief durch. Der Geruch von Schnee lag in der Luft. Wie lange war es her, seit er solchen das letzte Mal gesehen hatte? Und wenn er hier versagte, gäbe es nie wieder Schnee.

Mit langsamen Schritten ging tiefer in das Viertel hinein. Mit ein bisschen Fantasie konnte er sich vorstellen, dass es wirklich schön geworden wäre, besonders mit den geplanten Spielplätzen und den öffentlichen Brunnen. Vielleicht hätte er sich selbst eine Wohnung hier gegönnt – mit etwas Glück wurde das Projekt irgendwann wieder aufgenommen.

„Dafür musst du diesen Kerl erst einmal besiegen“, bemerkte eine Stimme, von der er gehofft hatte, sie nicht mehr hören zu müssen, denn während seiner Haft war er davon verschont worden.

Er rollte mit den Augen. „Hast du es immer noch nicht geschafft, zu sterben, Ophelia?“

Die geisterhafte Gestalt einer jung aussehenden Frau – er verstand nicht, wie sie selbst im Tod so eitel sein konnte – erschien neben ihm. Ketten und blaue Flammen wanden sich wie lose Bänder um ihren Körper. Der Blick ihrer roten Augen schien ihn weiterhin aufspießen zu wollen. „Ich verschwinde erst, wenn ich beobachtet habe, wie du krepierst und deine Seele in der Hölle landet.“

Er verzog das Gesicht zu einem leicht amüsierten, leicht gelangweilten Grinsen. Es war immer dieselbe Leier mit ihr.

„Das wird aber kaum möglich sein“, fuhr sie fort, „wenn dieser Kerl die Welt verschlingt. So wie ich das verstehe, sitzen wir dann weiter zusammen fest – nur eben innerhalb des Verschlingers.“

Ausnahmsweise wies er sie nicht darauf hin, dass sie nicht festsaß, nein, sie hatte sich entschieden zu bleiben, wie ein anhänglicher Dämon, der einfach nicht verschwinden wollte. Tanis grollte in seinem Inneren bei diesem Vergleich. In gewisser Weise konnte er Tanis' Zorn dabei sogar nachvollziehen: Sein Dämon hatte sich nicht entschieden, zu ihm zu kommen, unfähig, ihn zu Lebzeiten aus eigenem Abtrieb zu verlassen. Ophelia dagegen war kurz vor ihrem Tod derart voller Hass auf ihn gewesen, dass sie ihre Seele mit seiner verbunden hatte, nur um ihn irgendwann sterben zu sehen, allerdings erlaubte der Zauber ihr nicht, ihm Schaden zuzufügen. Sie konnte sich jederzeit entscheiden, den Bund zu beenden und endgültig ins Jenseits überzugehen. Das wollte sie allerdings nicht, weil sie dickköpfig war.

„Und das Schicksal klingt schlimmer als der Tod.“ Sie schnaubte, wirkte regelrecht angewidert, und warf den Kopf zurück. „Deswegen helfe ich dir dieses eine Mal.“

„Da fühle ich mich aber geehrt.“

Sie reagierte darauf nicht, aber ihr verkrampfter Kiefer verriet ihm, wie wütend sie war.

Damit sie nicht zu sehr in ihrem Hass gärte – und sie am Ende doch noch einen Weg fand, ihn selbst zu töten – wechselte er das Thema: „Du hättest mich ruhig mal während meiner Haft besuchen können. Ich dachte, es würde dir gefallen, mich leiden zu sehen.“

„Es war schön zu beobachten, wie Cerise dich quält – aber ansonsten war es mir zu langweilig. Ich habe lieber Abteracht erkundet, soweit die Verbindung es zuließ.“

Wie viel Bewegungsfreiheit sie besaß wusste er nicht, aber es dürfte zumindest für einige Bereiche Abterachts gereicht haben. Vielleicht wäre das an diesem Tag dann sogar einmal nützlich für ihn.

Auf einem Platz, der von vier Hochhäusern umgeben war, hielt er wieder inne. Die Gebäude bildeten die Ecken eines Quadrats, was ihn nur wieder darin bestätigte, dass es in einer anderen Zeit ein schönes Viertel geworden wäre.

Ophelia ging noch einige Schritte weiter, dabei sah sie direkt in den mit grauen Wolken überzogenen Himmel. Die Ketten und die Flammen um sie bewegten sich immerzu, Farran wurde leicht übel, wenn er das lange beobachtete, deswegen sah er zur Seite. Sie kümmerte sich nicht darum. „Er ist nicht mehr weit weg. Ich lasse euch dann vorerst allein.“

Sie verschwand so schnell wie sie gekommen war. Er ahnte, dass sie lediglich hoffte, nichts tun zu müssen, weil er sich bereits darum kümmerte.

„Dann wird es mal Zeit zum Einsatz, Tanis“, murmelte Farran, um den Dämon aufzurütteln.

Tanis knurrte in seinem Inneren. „Hältst du diesen Kampf für eine gute Idee? Glaubst du wirklich, du kannst ihn aufhalten?

Es war nicht das erste Mal, dass sie dieses Gespräch führten, in der letzten Woche war es öfter ein Thema zwischen ihnen gewesen. Bislang war Farran einer Antwort immer ausgewichen, aber er musste sich dem nun stellen, wenn er wirklich auf die Hilfe seines Dämons zählen wollte.

Er schloss die Augen. „Ich weiß es nicht. Aber ich werde es versuchen. Diese Welt ist mir zu wichtig, um einfach zuzusehen, wie sie zerstört wird. Und ich bin ja nicht allein.“

Ophelias Unterstützung war ihm sicher; als ehemalige Direktorin der Hexenschule Adhara, deren Ziel die Weltherrschaft gewesen war – wie vermessen das auch sein mochte, er empfand immer noch Bewunderung dafür, dass sie ihren perfiden Plan hinter den Rücken von Atanas und Cerise fast zur Vollendung gebracht hätte, wäre er nicht eingeschritten – dürfte er damit eine wichtige Verbündete haben.

Dann gab es noch Ares, der Luan beschützte. Und die restlichen Schulen, die auch nicht einfach nur zusehen würden. Außerdem bestand die Hoffnung, dass Cerise vielleicht in der Stunde ihrer größten Not wieder erwachte und sie alle rettete – eigentlich war es eher ein Wunschtraum.

„Und zu guter Letzt habe ich ja noch dich, Tanis.“ Farran legte eine Hand auf sein Herz, er kam sich vor wie jemand, der einen Schwur ablegte, fast ein wenig lächerlich sogar. „Wir hängen da zusammen drin, genau wie früher.“

Das leise Grummeln, das darauf als Antwort folgte, interpretierte er als Zustimmung.

Mit neuer Zuversicht erfüllt öffnete er die Augen wieder. Gerade rechtzeitig, um die Ankunft einer weiteren Person beobachten zu können. Es war eine Frau mit schulterlangem braunen Haar, ihre hellen Augen wirkten leer – doch wesentlich auffälliger war ohnehin die enorme Macht, die von ihr ausging, derart intensiv, dass sie ihm den Atem zu rauben drohte. Als greife jemand nach seinem Hals und drückte zu, ganz langsam, nur um ihn erst einmal in Panik zu versetzen und sich an seiner Reaktion zu ergötzen.

Er atmete bewusst tief durch, schüttelte jeden Gedanken an Hände an seiner Kehle ab. Dann setzte er ein spöttisches Lächeln auf. „So, du bist also der Weltenverschlinger von dem alle reden, hm? Ich habe mehr erwartet als ein Mädchen, das scheinbar gerade erst wahlfähig geworden ist.“

„Wie schlagfertig.“ Sie sah ihn direkt an, setzte ihre Schritte seitlich.

Er spiegelte ihre Bewegungen, damit sie sich umkreisen konnten. Ihre Energie folgte ihm, musterte ihn aufmerksam, wartete nur darauf, ihn erneut zu packen.

„Ich nehme nicht an, dass du mir einfach sagen wirst, wo Luan ist?“

Er tippte sich an die Stirn. „Nicht schlecht. Du bist ja wirklich klug.“

„Oh~. Danke für das Kompliment~.“ Sie lachte humorlos. „Vielleicht bin ich aber nicht so intelligent wie du denkst, schließlich bin ich auf euren Köder hereingefallen.“

Inzwischen hatten sie sich fast zur Hälfte gekreist und die Seiten gewechselt. Er wartete auf eine unbedachte Bewegung von ihr, sie tat dasselbe bei ihm. Wer immer den ersten Angriff wagte, wäre sofort im Nachteil.

„Stiehlst du überall Luans?“, fragte er, um sie aus der Reserve zu locken.

„Mach dich nicht lächerlich. Es ist nur dieser bestimmte Luan, der mich interessiert.“

„Warum?“

Sie wackelte mit dem Zeigefinger. „Ah-ah-ah! Nur weil ich auf euren Plan hereinfalle, bedeutet das nicht, dass ich so dumm bin, dir von meinem zu erzählen.“

„Ich dachte, du willst vielleicht plaudern, bevor ich dich fertigmache.“

Süffisant lächelnd strich sie sich durch eine lange Haarsträhne, die ihr Gesicht einrahmte, selbst in diesem Moment zeigten ihre Augen keinerlei Emotionen. „Da du von mir gehört hast, weißt du sicher auch, dass ich schon viele deiner Art geschlagen habe. Warum glaubst du, einen Unterschied machen zu können?“

„Weil ich im Gegensatz zu dir nicht denke, dass man jeden Gegner verallgemeinern kann.“ Er hob die Schultern. „Vielleicht bin ich aber auch nur unglaublich selbstsicher.“

„Das wird es wohl sein.“

An ihrem jeweiligen Ausgangspunkt angekommen hielten sie wieder inne, seine Aufmerksamkeit ließ kein bisschen nach. Er glaubte, jeden einzelnen Muskel in seinem Körper spüren zu können, angespannt darauf wartend endlich zum Einsatz zu kommen, sich nach so langer Zeit endlich wieder austoben zu dürfen.

Keiner von ihnen sagte ein Wort.

Von irgendwoher hörte er das Kreischen einer Krähe, die sich von ihnen entfernte, es war wie ein Startschuss für sie beide.

Die fremde Energie zog sich zurück, sammelte sich um die aktuelle Form des Weltenverschlinger, konzentrierte sich derart, dass sich etwas Blaues an ihrem rechten Arm bildete.

Farrans Atmung flachte ein wenig ab. An seiner Seite erschien eine violette Flamme, deren Form der einer langen Axt ähnelte.

Ein Windstoß fegte zwischen ihnen entlang, wirbelte Staub und Sand auf, der ihren Blickkontakt unterbrach. Doch den benötigten sie auch nicht mehr – denn sie stürmten bereits aufeinander zu, die Waffen erhoben, in Gedanken nur noch bei ihren gegensätzlichen Zielen.

 

Luan hob den Kopf, als der Wind seine Haare zerzauste. Ares hatte ihm geraten, nicht neben dem Fenster in diesem Rohbau zu sitzen, doch er war zu besorgt. Es war ohnehin unmöglich von hier aus zu sehen, wie Farran und der Verschlinger kämpften, es fühlte sich aber besser an, zumindest einen Blick nach draußen zu haben.

Ares stand in einer Ecke, die Schulter gegen die Wand gelehnt, in die Luft starrend, als fehle ihm etwas. Luan wusste, worum es sich dabei handeln musste, darüber zu reden wäre zu schmerzhaft, er konnte allerdings ein anderes Thema ansprechen: „Hast du in anderen Welten schon gegen Farran gekämpft?“

„Das ist eine seltsame Frage.“ Ares rührte sich nicht einmal, als er antwortete. „Willst du wissen, wie ich seine Chancen einschätze, oder weswegen fragst du?“

Luan schüttelte den Kopf. Darüber wollte er nicht einmal nachdenken. Wenn der Verschlinger bereits Welten zerstört hatte, stand Farrans Siegeswahrscheinlichkeit eher schlecht. Ihn interessierte etwas anderes: „Du hast kein einziges Wort mit ihm gesprochen. Deswegen.“

„Oh.“ Ares überkreuzte seine Füße. „Ich hatte bislang nicht viele Kontakte mit Farran. In meiner Welt starb er bereits in meiner Kindheit, ich erinnere mich nicht einmal an ihn.“

Ares schien zu überlegen. Es musste schwer sein, besonders wenn er so lange unterwegs gewesen war, wie von ihm und Morte öfter angedeutet worden war früher. Deswegen drängte Luan ihn nicht, sondern wartete geduldig, bis er fertig war.

„Wann immer ich in andere Welten kam, war er entweder oft nicht dort, wo ich war, oder er war auch dort schon gestorben. Ich habe ihn also wirklich nur selten gesehen. Er erinnert mich nur zu sehr an Faren. Sogar der Name passt dazu.“

Das war verständlich. Nachdem Ares damals seinen Faren getötet hatte, war er mit Sicherheit stets mit Schuldgefühlen beladen gewesen. Warum sollte er daran stets erinnert werden wollen, nur weil er jemanden ansah, der Faren ähnlich war?

Luan sah auf seine Schuhe hinunter. Risse zogen sich durch den Beton des unfertigen Bodens, darin wuchsen Grashalme, die sich nicht einmal von dieser unwirtlichen Gegend aufhalten ließen.

„Hat der Weltenwächter etwas gegen Farran?“, fragte Luan unvermittelt.

Mit gerunzelter Stirn sah Ares endlich zu ihm. „Wie kommst du darauf?“

„Ich frage mich nur, warum gerade er so viel durchmacht. Du hast ihn nicht einmal gesehen, wenn du seine Welten zerstört hast, und hier wurde nur er für etwas bestraft, wofür er nicht allein verantwortlich war.“

Farran war bei ihrer letzten Begegnung nicht genauer darauf eingegangen, aber aus seiner Vergangenheit erinnerte Luan sich, dass Jii und Joy an dem Plan beteiligt gewesen waren – doch während Farran eingesperrt wurde, hatten die beiden ihre Schulen weiterleiten dürfen. Und das war schon in seiner Zeit so gewesen.

„Das ist nicht fair“, fügte er an. „Müsste der Weltenwächter nicht auf so etwas achten?“

„Wenn er das könnte, bräuchte er seine Vollstrecker nicht“, erwiderte Ares. „Aber er konnte nicht einmal die Zerstörungen mehrerer Welten verhindern.“

Das war nicht abzustreiten. Doch warum war ihm das nicht gelungen? Hatten ihn diese nicht interessiert? War er abgelenkt gewesen?

„Vielleicht existiert er nicht einmal mehr.“

Ares' Worte trafen Luan wie Eiszapfen in die Brust. Seit Kieran ihm von dem Weltenwächter erzählt hatte, nach dem er benannt worden war, hatte Luan immer an diesen geglaubt. In seiner alten Zeitachse waren die Vollstrecker des Wächters sogar eingeschritten, um ihnen zu helfen.

Doch seit er hier war, hatte er noch keinen Rick getroffen.

Was, wenn er wirklich nicht mehr existierte? Wenn ihm etwas zugestoßen war?

Luan zog die Beine an und schlang seine Arme darum. „Ist das auch meine Schuld?“

Hatte er alle Welten mit seiner Zeitreise in Gefahr gebracht? Dabei war sein einziger Wunsch gewesen, Kieran zu helfen, ihm ein besseres Leben zu ermöglichen. Wie konnte das derart falsch sein? Warum wurde er derart bestraft?

Ares bemerkte offenbar, dass er ihn gerade in ein düsteres Gedankenkarussell befördert hatte. Er stellte sich wieder aufrecht hin, doch bevor er noch etwas sagen oder tun konnte, erklang eine fremde Stimme: „Keine Sorge. Der Weltenwächter lebt immer noch – und er wacht nach wie vor über euch.“

Ares fuhr herum, die Hand bereits erhoben. Luan folgte seinem Blick, besonders da der andere innehielt, statt anzugreifen. Es war nicht die Frau, die sie zuletzt gesehen hatten, als sie dem Verschlinger begegnet waren. Genau genommen waren es diesmal zwei Frauen; eine streng aussehende Rothaarige mit Brille und Uniform, eine leicht bekleidete mit rosa Haar. Luan kannte sie nicht, aber in ihrer Nähe fühlte er sich sicher, sie waren keine Bedrohung.

Ares sah das wohl genauso, denn er senkte die Hand wieder. Er blickte über die Schulter zu Luan. „Das sind Nornen. Es gibt sie in manchen Welten, um diese zu beschützen.“

In einigen Fällen schien das nicht funktioniert zu haben, wenn Ares und die anderen sie dennoch zerstören konnten. Aber das erwähnte Luan nicht, besonders da die Rothaarige bereits wieder sprach: „Ich bin Skalia, das ist Yurid.“

Yurid hob die Hand und winkte ihnen lächelnd zu.

Ares ignorierte diese Begrüßung, er wirkte immer noch misstrauisch. „Warum seid ihr hier?“

„Der Vollstrecker des Weltenwächters hat uns hierher geführt“, sagte Skalia. „Wir haben Brava überall gesucht, aber wir hätten nicht einmal im Mindesten gedacht, dass ein Feind sie für seine Zwecke benutzen könnte.“

Diese Frau war also auch eine Norne. Luan fragte sich, wie es dazu gekommen war, dass der Weltenverschlinger sie hatte übernehmen können. Vielleicht könnten sie das herausfinden, wenn sie ihn erst einmal eingefangen hatten – sofern Farran das gelang.

Aber dann bemerkte er etwas an Skalias Worten. Hastig stand er vom Boden auf. „Bedeutet das, der Vollstrecker ist auch hier?“

Es war lange her, seit er einem solchen einmal begegnet war, doch es war eine weitere Verbindung zu seiner Vergangenheit – und ein Beweis, dass der Weltenwächter noch existierte und sie nicht aufgegeben hatte.

Skalia und Yurid traten beiseite, worauf hinter ihnen noch eine Person sichtbar wurde. Genau genommen ähnelte der Vollstrecker eher Haze als dem Kieran, den Luan liebte. Allerdings war er nicht von einer Aura von Traurigkeit umgeben, er wirkte eher unauffällig, damit er in der Menge untertauchen konnte, sobald es notwendig wurde. Dennoch schlug Luans Herz, erfüllt mit neuer Hoffnung, sofort schneller, als er ihn sah. „Rick!“

Erst in diesem Moment ließ auch Ares' Misstrauen endlich nach. Er trat ebenfalls einen Schritt zurück, um sich wieder gegen die Wand zu lehnen, diesmal jedoch mit seinem Rücken.

Rick näherte sich derweil Luan. „Es ist ziemlich lange her.“

Das stimmte. Luan erinnerte sich kaum an ihre letzte Begegnung in der alten Zeitachse, aber zumindest für ihn waren mindestens vier Jahre vergangen – was ihn auch direkt darauf brachte, eine für ihn wichtige Frage zu stellen: „Bist du hier, um mich für die Zeitreise zu bestrafen?“

Das schien Rick ein wenig zu verwirren, er neigte den Kopf. „Nein. Ich wollte den Nornen nur zeigen, wo sich ihre Gefährtin aufhält. Sie muss schließlich wieder mit ihnen gehen, sobald sie von dem fremden Einfluss befreit ist.“

„Wir haben ihm anfangs nicht geglaubt“, sagte Yurid. „Wir dachten, er sei ein Feind – aber weil er uns jetzt zu Brava gebracht hat, müssen wir wohl doch davon ausgehen, dass er und der Weltenwächter es ernst meinen.“

Skalia warf ihr einen tadelnden Blick zu, aber Rick störte sich nicht einmal an der Kritik.

„Wirst du Farran helfen?“, fragte Luan; vielleicht war es noch nicht zu spät, dass alles gut werden könnte, dass Farran ausnahmsweise einmal in keiner Welt vorzeitig sterben musste.

Er schüttelte mit dem Kopf, worauf Luan seinen eigenen hängen ließ. Doch was Rick dann sagte, ließ erneut Hoffnung in ihm entstehen: „Ich muss ihm nicht helfen, denn Farran ist nicht allein in diesem Kampf – und ich denke, zu dritt haben sie eine realistische Chance, zumindest Brava zu befreien.“
 



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