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Nur mit dir, für dich

von

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Verkupplung

„Was sagst du da?!“ Oscar glaubte, sie hörte nicht richtig. Sophie beabsichtigte Rosalie mit André zu verkuppeln? Sie wollte gerade mit dem Frühstuck beginnen, aber die Neuigkeit von Rosalie vertrieb ihr den Appetit. „Ich werde mich nachher mit Sophie unterhalten müssen...“

 

„Ihr wollt doch nicht etwa bekanntgeben, dass Ihr und André...“ Rosalie befürchtete schon das Schlimmste für das Paar.

 

„Nein, natürlich nicht“, beruhigte Oscar sie schmunzelnd. „Mir wird schon eine plausible Ausrede einfallen. Geh nach unten und sag André, er soll für uns drei Pferde satteln, wenn du und er mit dem Frühstück fertig seid.“

 

„In Ordnung, Lady Oscar.“ Rosalie atmete erleichtert auf und ging. Nach der kurzen Unterhaltung mit Lady Oscar fühlte sie sich wesentlich besser. Es fiel ihr ein Stein vom Herzen. Leichtfüßig lief sie die große Treppe herunter, erreichte die Küche und hörte schon heftige Protestlaute von André: „...nein, Großmutter! Ich werde Rosalie niemals heiraten! Sie ist wie eine Freundin für mich, mehr nicht!“

 

„Aber das Mädchen liebt dich!“, konterte Sophie beharrlich und leicht aufgebracht: „Sie hat dich mit roten Wangen angesehen!“

 

„Die hat sie bestimmt wegen was anderem!“, empörte sich André unnachgiebig: „Ich zweifle daran, dass sie mich liebt!“

 

„Ich sehe, was ich sehe!“, beharrte Sophie stur und in dem Moment betrat Rosalie die Küche.

 

Sophie und ihr Enkel verstummten sofort. Alle beide sahen von dem kleinen Streit erhitzt aus und alle beide taten Rosalie leid. „André, Lady Oscar wünscht nach dem Frühstück mit uns beiden auszureiten“, teilte sie ihm so ruhig wie möglich mit.

 

„Dann gehe ich schon mal die Pferde satteln!“ André stibitzte ein Croissant aus dem Korb und steuerte aufgewühlt hinaus.

 

„Er wird sich schon fangen“, sagte Sophie mit aufgesetztem Lächeln zu Rosalie: „Im Grunde genommen ist er ein lieber Junge.“

 

„Ja, das ist er“, musste Rosalie ihr zustimmen und fügte vorsichtig hinzu: „Er ist ein sehr guter Freund für mich.“

 

„Ach, Kindchen. Mir brauchst du nichts vormachen.“ Sophie lächelte sie gütig an und beschäftigte sich mit dem Brotteig, der für Mittag zu einer Lauchsuppe gedacht war. „Ich werde meinem Enkel deine Gefühle schon ins Gewissen reden.“

 

Rosalie seufzte schwer. Es war aussichtslos die alte Dame vom Gegenteil zu überzeugen. Sie hoffte inständig, dass Lady Oscar mehr Erfolg haben würde. „Ich gehe mich in meine Reitsachen umziehen“, erwiderte sie mit leisen Bedauern.

 

„Ja, mache das“, verabschiedete Sophie sie mit dem gleichen, gütigen Lächeln wie vorhin.

 

Rosalie eilte auf ihr Zimmer und bemerkte nicht, dass sich mitten auf der großen Treppe Oscar aufhielt. Sie hatte schon zuvor aus ihrem Fenster André rennend gesehen und nun lief auch Rosalie in der gleichen zerstreuten Verfassung davon. Sie musste sofort etwas unternehmen! So konnte es nicht weiter gehen! Oscar strafte ihre Haltung kerzengerade, unterdrückte alle ihre Empfindungen und betrat ganz normal die Küche. „Guten Morgen, Sophie.“

 

„Guten Morgen, Lady Oscar“, grüßte Sophie sie erfreut. „Habt Ihr gut geschlafen?“

 

„Ja, danke.“ Oscar verbot sich ein Grinsen. Mit André war immer gut zu schlafen, aber das gehörte nicht hierher. Und sie hatte ohnehin ein Wörtchen mit Sophie zu wechseln, was ihn und Rosalie betraf. Oscar ging langsam durch die Küche, legte sich die richtige Wortwahl zurecht und blieb beim Tisch stehen. „Sophie, wenn du hier fertig bist, würdest du dann bitte ein Ballkleid für Rosalie bereitlegen? Ich habe vor, sie heute Abend mitzunehmen.“

 

„Aber natürlich, Lady Oscar.“ Sophie wusch sich das Mehl von den Händen in einer vorbereiteten Schüssel und trocknete sie dann an ihrer Schürze ab. „Wird André wieder ihr Tanzpartner sein? Sonst lege ich auch für ihn etwas Ordentliches bereit.“

 

„Das ist nicht nötig, Sophie.“ In Bruchteilen einer Sekunde, fiel Oscar eine gewaltige Ausrede ein: „Rosalie wird heute Abend mit anderen Männern tanzen. Ich möchte ihr eine Freude machen. Vielleicht wird sie da einen jungen Mann treffen, der ihr gefällt. Da sie die Tochter adliger Eltern ist, wird es angebrachter sein, sie den Herren aus dem höheren Kreis vorzustellen...“

 

Je weiter Oscar sprach, desto mehr sank das sonnige Gemüt bei Sophie. All ihr Vorhaben ging zunichte. Ihr Herz schmerzte. „Daran habe ich nicht gedacht...“, schluchzte sie und griff nach ihrem Taschentuch.

 

„Woran?“ Oscar verstand nichts. Gewissensbisse breiteten sich in ihr aus. Vielleicht hatte sie unbeabsichtigt etwas Falsches gesagt? Sie wollte doch nur André und Rosalie helfen und nicht ihr einstiges Kindermädchen traurig machen...

 

„...bitte verzeiht mir, Lady Oscar...“, schniefte Sophie in ihr Taschentuch und hielt sich zittrig an der Tischkante.

 

„Was ist mit dir?“ Oscar war sofort bei ihr und stützte sie umsorgt. „Komm, wir setzen uns lieber hin und du erzählst mir deine Sorgen.“

 

Sophie ließ sich von den stärkeren Armen ihres Schützlings bis zur Bank am Fenster führen und ließ sich dort mit ihr nieder. Oscar hielt weiterhin ein Arm um sie, um sie zu stützen und gleichzeitig zu trösten. Sophie tupfte unter der Brille ihre Augen mit dem Taschentuch trocken und begann mit ihrer Erzählung – leicht weinerlich und stotternd: „...arme Rosalie... sie hat sich in meinen Enkel verguckt... aber da sie adlige Eltern hat, darf sie ihn nicht heiraten... das habe ich nicht bedacht... und ich wollte schon André mit ihr zusammenbringen...“

 

„Schscht...“ Oscar drückte ihre alte Kinderfrau sachte an sich. Sie tat ihr von ganzen Herzen leid. „Alles wird gut, Sophie. Ich werde Rosalie nicht in eine Ehe zwingen, die sie nicht will. Ich möchte nur, dass sie sich umschaut und auf andere Gedanken kommt.“

 

„Das ist sehr gütig von Euch.“ Sophie entfernte sich von Oscar, richtete ihre Brille auf ihren Nasenrücken zurecht. Sie sah ihren Schützling mit von Tränen rötlichen Augen an. „Aber was mache ich mit meinem Enkel?! Rosalie mag ihn doch so sehr! Sie hat das zwar abgestritten, aber ihre Wangen werden immer so rot, wenn sie ihn ansieht!“

 

„Wenn Rosalie das abgestritten hat, dann stimmt es auch.“ Oscar setzte ein hübsches Lächeln auf, um die alte Frau ganz zu beruhigen. „Sie ist doch so ein ehrliches Mädchen. Und was ihren Wangen angeht... nun...“ Oscar zuckte beiläufig mit ihren Schultern. „Das macht sie bei jedem. Ich vermute, dass es ihre Art ist, Freundlichkeit auszudrücken.“

 

„Meint Ihr?“ Sophie zog ihre Augenbrauen unschlüssig zusammen. „Mir ist es eigentlich nie aufgefallen...“

 

„Mir schon“, versicherte Oscar ihr glaubwürdig. „Wenn Rosalie beispielsweise mich ansieht, dann werden ihre Wangen auch rot...“

 

„Da gebe ich Euch recht...“ Sophie fiel es wieder ein. Sie fühlte sich jetzt nicht mehr so bedrückt.

 

„Mache dir um Rosalie keine Sorgen. Ich kümmere mich schon um sie.“ Oscar drückte sanft Sophies schrumplige, vom Alter gekennzeichnete Hände und erhob sich.

 

Sophie begleitete sie mit ihren Blicken aus der Küche. Was für ein goldiges Herz doch ihr Schützling besaß! Warum musste sie nur wie ein Mann erzogen werden! Aus ihr wäre so eine wundervolle Ehefrau geworden - Edel, anmutig, gutherzig und liebenswert! Leider waren all diese Eigenschaften ihrem Schützling nicht vergönnt. Für Sophie war Lady Oscar wahrhaft zum bedauern.

 

 

 

 

 

Oscar konnte sich nach dem Gespräch selbst kaum ertragen. Sie hatte der alten Kinderfrau etwas vormachen müssen, um eine heikle Sache gerade zu biegen. Zu Gunsten von André und Rosalie. Und auch für sich selbst. Aber was war das wert? Sophie war nicht mehr die Jüngste und ihre Altersschwäche zeigte sich mit jedem Jahr deutlicher.

 

Oscar hatte die Folgen ihrer Wortwahl nicht bedacht und musste mitansehen, wie sie Sophie zusetzten. Das lastete ihr sehr schwer auf dem Herzen. Zum Glück konnte sie die alte Frau am Ende milde stimmen, aber beim nächsten Mal würde sie bestimmt scheitern. Oder es durfte kein nächstes Mal geben! Sonst würde Sophie noch irgendwann einen Herzstich bekommen und nicht mehr aufstehen!

 

Das würde Oscar sich selbst niemals verzeihen! Sie musste fortan vorsichtiger im Umgang mit ihrer alten Kinderfrau sein! Und auch André sollte mehr Rücksicht auf ihr Alter nehmen. Er liebte im Grunde seine Großmutter, trotz dass sie ihm manchmal die Löffeln langzog und lange Predigten hielt. Oder andersherum, liebte auch Sophie ihren Enkel. Mit ihrer Strenge wollte sie ihn bestimmt nur auf den richtigen Weg lenken.

 

Vertieft in ihren Grübeleien, bemerkte Oscar nicht, dass sie schon am Stall angekommen war. André kam gerade auf sie zu und führte drei gesattelten Pferde an den Zügeln. Er bemühte sich, eine gefasste Miene zur Schau zu tragen und Oscar überlegte, ob es vielleicht besser wäre, nicht gleich bei der Begrüßung von seiner Großmutter zu sprechen. Ihre Mundwinkel zogen sich leicht nach oben. „Guten Morgen, André.“

 

André erwiderte ihr das Lächeln. „Guten Morgen, Oscar.“

 

Oscar nahm ihren weißen Schimmel bei den Zügeln und führte ihn im langsamen Schritt hinter sich. André lief gewohnheitsgemäß neben ihr her, mitsamt den zwei anderen. Hoffentlich bekam Oscar nicht mit, wie es in ihm gerade aussah! Und hoffentlich hatte Rosalie ihr nichts von dem Zwischenfall in der Küche erzählt! Er wusste nicht, ob eine gewisse Eifersucht Oscar deswegen plagen würde, wenn sie erführe, dass Rosalie angeblich in ihm verliebt war. Ob das überhaupt stimmte, war eine andere Sache.

 

Der kleiner Streit zwischen ihm und seiner Großmutter hatte ihm bereits leidgetan. Er konnte aber nichts dafür. Er hatte nur versucht, sie zu überzeugen, dass er sich für Rosalie nicht interessierte und natürlich dabei nichts davon zu verraten, dass er schon längst mit Oscar liiert war.

 

„André?“, riss Oscar ihn aus seinen trüben Gedanken und André reagierte gleich mit einem: „Hmmm?!“ Laut, ohne seine Lippen überhaupt zu bewegen.

 

„Rosalie hat mir erzählt, was in der Küche vorgefallen ist.“

 

André war wie vor den Kopf gestoßen. „Was hat sie?“

Das hatte ihm gerade noch gefehlt! Aber warum blieb Oscar dabei so ruhig? Oder hatte sie schon ihrem Ärger woanders Luft gemacht? Das wäre nicht ausgeschlossen!

 

„Du brauchst nicht so erschrocken schauen, André“, beschwichtigte Oscar ihn im kühlen Ton und aufgesetztem Lächeln - das ergab eine eigenartige Mischung aus Belustigung und Ernst. Sie blieb abrupt stehen und André tat es ihr gleich. Oscar schaute zu ihm hinüber und sprach weiter – leise und bedächtig: „Rosalie ist ein ehrliches Mädchen. Du bist für sie ein guter Freund und das glaube ich ihr...“

 

„Puh...“ André atmete tief ein und aus. „Da bin ich beruhigt...“

 

„Und ich habe mit deiner Großmutter gesprochen...“, setzte Oscar wieder an.

 

André erfasste wieder die Schreckensstarre. „Und was hast du ihr gesagt?“

 

„Ich habe sie davon überzeugt, von ihrem Vorhaben abzulassen. Das ist mir aber schwer gefallen...“ Oscar schilderte ihm mit knappen Sätzen die Unterhaltung mit Sophie und sah André an, dass der altersbedingter Zustand seiner Großmutter ihn auch traf.

 

„Ich danke dir für deine Hilfe, Oscar. Ich verspreche dir, ich werde mehr auf meine Großmutter achtgeben.“

 

„Schon gut, André.“ Oscar hätte ihm gerne an der Wange oder durch das Haar gestrichen, aber es war kein richtiger Ort und Zeitpunkt dafür.

 

„Lady Oscar! André!“ Rosalie kam zu ihnen gerannt. „Bitte entschuldigt für die Verspätung.“

 

„Es ist noch nicht zu spät, Rosalie“, sagte Oscar im milden Tonfall und stieg auf ihr Pferd. Im leichten Galopp trieb sie es vom Hof des Anwesens und verlangsamte es dann. André und Rosalie holten sie schon bald ein und Oscar erzählte ihnen, dass sie heute Abend vorhatte, zu einem Ball zu gehen. „...natürlich nur zum Schein...“, fügte sie mit der List hinzu, bevor Rosalie gegen den Ball protestierte: „Sophie weiß schon Bescheid und wird für dich ein Ballkleid bereitlegen.“

 

Rosalie verstand. Lady Oscar hatte also schon mit Sophie gesprochen und dieser Ball sollte eine Art Tarnung sein, um die alte Haushälterin zu überzeugen und von ihrem Vorhaben endgültig abzubringen. „Dann ist es alles geklärt?“, fragte sie zweideutig.

 

Oscar wusste, was sie genau damit meinte und bestätigte ihr mit einem kleinen Satz: „Ja, jetzt ist wieder alles in Ordnung.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  MilchMaedchen
2016-11-25T19:43:12+00:00 25.11.2016 20:43
Muss ich Chris recht geben, hat Oscar gut hinbekommen.
Bin schon gespannt, wie lange es den Beiden noch gelingt ihre Verbindung geheim zu halten.
Antwort von:  Saph_ira
25.11.2016 22:54
Dankeschön. ;-)
Naja, solange von Fersen noch nicht da ist, könnte noch alles gut verlaufen, aber mehr verrate ich nicht. :-)
Von:  YngvartheViking86
2016-11-25T18:14:25+00:00 25.11.2016 19:14
Das hat Oscar aber gut hingekommen.
Mal sehen wie weit das noch kommt mit Sophie. Ich finde sie ja manchmal zum brüllen komisch :D
LG Chris
Antwort von:  Saph_ira
25.11.2016 19:17
Dankeschön. ;-)
Ja, Sophie kann manchmal ein richtiger Drache sein und sie wird bestimmt nicht locker lassen, auch wenn es im ersten Augenblick so aussieht, als hätte sie aufgegeben. :-)
Liebe Grüße,
Ira


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