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Nur mit dir, für dich

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Ein außergewöhnlicher Dieb

Seit dem Tanzabend unter Mondschein auf der Lichtung vergingen Wochen. Oscars und von Fersens Wege kreuzten sich kaum noch, was ihr nicht sonderlich von Belang war. Oscar hatte ohnehin andere Sorgen: In der letzten Zeit tauchte ein gewisser schwarzer Ritter auf und bestahl die Adelshäuser. Seine Beute verteilte er unter den Ärmsten der Armen.

 

Zu ihrer aller Sicherheit begann auch noch Sophie das Anwesen wie eine Festung zu vermauern. Sie schloss alle Fenster und Türen doppelt ab. Oscar schüttelte darüber nur den Kopf, aber zum Lachen war ihr dabei nicht. Ihr treuer und geliebter André beliebte oft abends auszureiten und kehrte erst spät Nachts nach Hause zurück. Oscar machte sich Sorgen um ihn. Sie wollte ihn keineswegs in Verbindung mit dem schwarzen Ritter bringen, aber die Sache ließ sie einfach nicht zur Ruhe kommen.

 

Bei der nächstbesten Gelegenheit stellte sie André zur Rede, aber dieser stritt nur alles ab und versprach ihr, bei der Fahndung nach dem Dieb behilflich zu sein. Oscar war einverstanden und André begleitete sie auf die Bälle, aber der schwarzer Ritter tauchte kein einziges Mal auf – so als hätte er geahnt, dass der Kommandant der königlichen Garde auf ihn lauerte.

 

Eines Abends jedoch war André wieder fort und ihr blieb nichts anderes übrig, als alleine auf den Ball zu gehen. Und ausgerechnet an diesem Abend begegnete sie dem schwarzen Ritter. Sie verfolgte ihn, aber verlor ihn zwischen den engen Gassen von Paris. Sie suchte weiter und fand sich schon bald vor dem Palais des Herzogs von Orleans wieder.

 

Während Oscar Zusammenhänge zwischen dem Palais und dem schwarzen Ritter zog, schlug ihr jemand aus dem Hinterhalt heraus, mit einem harten Gegenstand auf den Kopf. Eine Gruppe Männer, darunter auch der Dieb, kreisten sie ein. Mit letzten Kraft und heftigen Kopfschmerzen gelang es Oscar jedoch zu entkommen. Sie suchte Zuflucht in einem Haus und brach dort zusammen.

 

Am nächsten Morgen erwachte Oscar in einem ärmlichen Zimmer, lag in einem fremden Bett und befühlte einen großen Verband um den Kopf. Unerwartet tauchte Rosalie auf und erzählte ihr, dass sie hier bei einer früheren Nachbarin wohnte und in dem Stand, auf dem Markt, eine Arbeit hatte.

 

Obwohl Oscar sich über Rosalie freute, war ihr dennoch mulmig zu Mute. Als sie auf dem Anwesen zurück war, machte ihr André heftige Vorwürfe, weil sie ohne ihn gegangen war. Oscar wiederum stellte ihn zu Rede, wo er all die Abende war, wenn er solange ausritt. Diesmal gab André nach und führte sie zu einer kleinen Dorfkirche. Allerdings gab es dort keinen Abendandacht. Stattdessen wurden dort neue Ideen entwickelt und über die Verhältnisse des Landes diskutiert.

 

Auf dem Heimweg erklärte André seiner Oscar, er sei zwar in einem Adelshaus aufgewachsen, aber er gehörte trotzdem nicht zu ihnen und es sei seine Schuldigkeit, sich mit den neuen Bewegungen auseinander zu setzen. Zusätzlich versicherte er Oscar weiterhin seine Liebe.

 

Oscar dennoch fühlte sich ihm gegenüber miserabel. Der Standesunterschied zwischen ihnen hing größer denn je. Sie wusste nicht weiter und da war noch dieser Dieb.

 

André stand Oscar weiterhin zur Seite und schlug vor, den Lockvogel zu spielen. Er schnitt sein Haar ab, zog das schwarze Kostüm an und streifte mit Oscar jede Nacht durch die Adelshäuser, bis er dem echten schwarzen Ritter begegnete. Dieser stellte sich ihm zum Kampf und Oscar konnte nicht schießen. Die zwei Männer sahen sich zum verwechseln ähnlich und sie wollte nicht versehentlich André treffen.

 

Ihr Geliebter kämpfte verbissen, bis sein Gegner ihm das Schwert aus der Hand schlug und ihn mit seiner Klinge am Auge verletzte. André fiel zu Boden, verdeckte sein Auge und schrie vor Schmerz. Zwischen seinen Fingern sicherte das dunkelrote Blut. Der schwarze Ritter nutzte seine Chance und flüchtete. Oscar achtete nicht auf ihn. Schreckensbleich eilte sie zu André und versuchte ihm beizustehen. Die Angst um ihn stand ihr im Gesicht geschrieben.

 

Zum Glück war die Verletzung für André nicht lebensbedrohlich. Der Familienarzt versorge sein Auge als sie zurück waren und legte ihm einen Verband an. Er ermahnte ihn, den Verband solange nicht abzunehmen, bis er das erlaubte, sonst würde das Auge nicht mehr zu retten sein.

 

Sophie begleitete danach den Arzt schniefend zum Ausgang. Oscar blieb dagegen bei André. Auf keinen Fall wollte sie ihn alleine lassen! André lag in seinem Bett, mit einem großen Verband um sein linkes Auge und öffnete gerade sein Rechtes. „Oscar...“, formten lautlos seine Lippen.

 

„Ja, ich bin hier.“ Oscar beugte sich etwas zu ihm vor, damit er sie besser sehen konnte und griff nach seiner Hand.

 

André umschloss sie sofort fest, aber nicht schmerzhaft und erforschte mit verbliebenem Auge ihre Gesichtszüge. Wie zart und schön sie immer noch aussah! Im Gegensatz zu ihm! Er war jetzt entstellt! „Oscar...“, wiederholte er ihren Namen und hörte selbst, wie brüchig seine stimme klang. „Hast du den schwarzen Ritter geschnappt?“

 

Als würde das jetzt wichtig sein! „Ich musste ihn entwischen lassen“, rechtfertigte sich Oscar mit gepressten Stimme: „Ich konnte dich doch nicht verletzt zurücklassen. Du bist mir viel wichtiger, André!“

 

Sie liebte ihn unverändert! Das hatte sie ihm hintergründig zum Verstehen gegeben. Es begann zu dämmern. Die ersten Lichtschatten breiteten sich an den Wänden seines Zimmers aus und verjagten langsam die restliche Dunkelheit der Nacht. Mehr und mehr erkannte André das Profil von Oscar. Sein verletztes Auge unter dem Verband schmerzte, aber er ignorierte das. Er wollte nur Oscar in dem ersten Sonnenlicht des neuen Tages betrachten. Solange es ihm noch vergönnt war. Denn insgeheim trennte er sich schon von ihr, obwohl er sie weiterhin liebte. „Ich bin froh, dass mein Auge verletzt wurde und nicht deines, Oscar“, hauchte er kaum hörbar.

 

„Sag doch so etwas nicht!“ Ihre zweite Hand folgte der ersten und umschloss auch seine Hand. „Du wirst gesund werden, André! Der Doktor sagte, du sollst nur den Verband nicht abnehmen, bis er das erlaubt hatte.“

 

„Oscar, du verstehst nicht...“, unterbrach er sie etwas lauter: „...es wird nicht mehr so sein wie früher. Ich bin entstellt! Ich möchte nicht, dass du dich mit so etwas abgibst!“

 

„Aber, André!“ Oscar war schockiert. „Warum sagst du das?! Ist die Liebe etwa so verwerflich?!“

 

„Nein, ist sie nicht“, gestand André und fühlte sich wie ein Verräter. Das schnitt ihm selbst ins Herz, aber er führte seine Aussage trotzdem zu ende: „Ich will nicht, dass man mich bemitleidet und ich möchte nicht, dass du wegen mir an Ansehen verlierst. Man würde auf dich mit Finger zeigen und sagen, du sollst dir lieber einen anderen Stallburschen und Gardist suchen! Verstehst du, was ich meine? Ich bin zu Nichts mehr zu gebrauchen und ich werde dir nur eine unnötige Last sein!“

 

„André...“ Oscar erbleichte, ihre Finger umfassten krampfhafter seine Hand. Mit seinen Worten zerstückelte er ihr Herz und ließ es qualvoll verbluten! Das konnte doch niemals ihr André sein! Oder hatte ihm sein verletztes Auge den Verstand geraubt? Sie hatte mal gehört, dass wenn ein Mensch einer seiner Gliedmaßen oder Sinnesorgan seines Körpers verlor, dann wurde er in den Wahn getrieben. Bei manchen legte es sich mit der Zeit und sie lebten mit ihrer Entstellung weiter. Aber manche blieben wirr, bis an ihr Lebensende...

 

Nein, sie würde nicht zulassen, dass André diesem Wahn verfiel! Sie würde bei ihm bleiben, ihm beistehen und ihm beweisen, dass er nicht entstellt war, dass nach der Genesung alles wieder so sein würde wie früher! Da konnte er sie fortjagen wie er wollte, aber sie würde nicht von seiner Seite weichen! Um den schwarzen Ritter konnte sich auch jemand anders kümmern! Der Zustand ihres Geliebten hatte bei ihr höhere Priorität!

 

Nicht einmal da unternahm Oscar Maßnahmen, als der schwarze Ritter erneut zuschlug. Er hatte 200 Gewehre erbeutet, als die Besatzung ihres Vaters mit dem Transport unterwegs war. Oscar blieb hartnäckig zuhause, was den Angehörigen nicht sonderlich verwunderte. André war ihr treuer Begleiter, ihr Diener und Freund seit Kindertagen. Da konnte man schon ein Auge zudrücken und darüber hinwegsehen. Sie waren wie Geschwister, die man schwerlich von einander trennen konnte und das war für viele nachvollziehbar.

 

André durfte schon bald wieder aufstehen und Spaziergänge durchs das Haus oder den Garten unternehmen. Ihm wurden meistens kleine Aufgaben im Haushalt zugeteilt, die seine Sehkraft nicht beeinträchtigen sollte. Oscar war sorgsam darauf bedacht, dass er keineswegs sein Verband abnahm. Sogar nachts schlich sie zu ihm und wachte über sein Schlaf. So sehr liebte sie ihn schon. Und während endlose Tage verstrichen, verheilte sein Auge zusehends.

 

Der Familienarzt war fast jeden Tag zu Besuch, führte seine Untersuchungen durch, gab ihm Medizin und wechselte ihm den Verband. „Und könnt Ihr jetzt besser sehen?“, fragte ihn Doktor eines Abends.

 

„Ja, Doktor, viel besser und klarer“, antwortete André wahrheitsgemäß.

 

„Das ist sehr gut.“ Der Doktor blies die Kerze diesmal nicht aus und reichte sie der alten Haushälterin. „Wir können nun den nächsten Schritt wagen. Ich lege heute keinen Verband an, aber bei Tageseinbruch empfehle ich, ihn anzulegen. Wir wollen doch nichts überstürzen.“

 

„Ja, Doktor.“ Sophie war noch etwas besorgt. Seit der Verletzung überhäufte sie ihren Enkel mit mütterlichen Fürsorge, dass es beinahe übertrieben wirkte. Sie stellte die Kerze auf einer Kommode ab und geleitete den Arzt aus dem Zimmer.

 

Oscar setzte sich gleich zu André auf die Bettkante und betrachtete sein Gesicht. Dann hob sie ihre Hand und schob ihm vorsichtig das Haar von der linken Gesichtshälfte, um seine Verletzung intensiver zu begutachten. Sein Blick ruhte auf ihr, sein linkes Auge unterschied sich kaum von dem Rechten. Nur eine schmale Narbe verzierte ihm die Augenbraue. Von dort verlief sie den Augenlid herab und endete fast an den dichten Wimpern. Der Augapfel selbst trug keine Verletzung. Das Schwert des schwarzen Ritters hatte es aber knapp verfehlt.

 

André genoss Oscars Anblick so nahe vor ihm, wie schon seit langem nicht mehr. Bis es ihm doch unbehaglich wurde, als sie mit ihren Fingerspitzen an der Narbe fuhr. „Oscar, der Doktor hat mich doch schon untersucht...“

 

„Es wird nicht schaden, wenn ich das auch tue.“

 

„Es ist mir aber peinlich...“, gestand André verlegen. Es war ihm in jeder Hinsicht peinlich. Er schämte sich für sein Benehmen am ersten Tag seiner Verletzung. Oscar hatte wieder einmal bewiesen, dass ihre Liebe das stärkste war, was es je gab. Seine Entstellung, sein verletzten Stolz und seine Abfuhr, hatte sie tapfer hingenommen und war geduldig mit ihm umgegangen. Zwar selbst nicht direkt mitbeteiligt, aber sie hatte ihn geheilt. Mit ihrer Umsicht und Gegenwart, gab sie ihm die nötige Stütze und Kraft, das alles durchzustehen. Dafür war er ihr überaus dankbar und glaubte sie noch mehr zu lieben als bisher.

 

Oscar entfernte ihre Hand und erhob sich von der Bettkante. Sie ahnte, weshalb er verlegen war und wollte mit ihrer Nähe es nicht noch schlimmer machen. Sie würde ihm die Zeit lassen, bis er selbst seine Scham überwand und von alleine zu ihr kam. Wenigstens war seine Wunde so gut wie verheilt. Alles anderes würde sich schon fügen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Tina86
2016-12-11T11:39:31+00:00 11.12.2016 12:39
Wieder ein gelungenes Kapitel. Vor allem finde ich daran toll das du Andre so gut mit seinem Auge wegkommt. Schade das sich deine Fanfic langsam dem Ende nähert. Bin schon gespannt auf den weiteren Verlauf.
Lg Tina86
Antwort von:  Saph_ira
11.12.2016 17:54
Ein herzliches Dankeschön für deine Worte und ich freue mich, dass dir meine FF gefällt. :-) Ja, das stimmt, diese FF wird noch diesen Monat zu ende sein, aber nächstes Jahr werde ich ganz bestimmt die nächste FF hochladen und das steht schon mal fest. :-)
Liebe Grüße,
Ira
Von:  YngvartheViking86
2016-12-10T00:19:11+00:00 10.12.2016 01:19
Ein schönes Kapitel.
Dass Andre Oscar wegscheuchen wollte, kann man zum Teil nachvollziehen. Aber Oscar wäre ja nicht Oscar, wenn sie sich nicht darüber hinweg gesetzt hätte ;)
Sophie als Übermutti passt wie die Faust aufs Auge :D
LG Chris
Antwort von:  Saph_ira
11.12.2016 17:51
Vielen lieben Dank für deinen Kommentar und ich gebe dir auf Bezug von Oscar und Sophie recht. :-)
Liebe Grüße,
Ira
Von:  MilchMaedchen
2016-12-09T21:25:22+00:00 09.12.2016 22:25
Puh, ich hatte schon gedacht, dass du das Schicksal zuschlagen lässt. Wie sich doch alles ändern hätte können, wenn Beide eher zueinander gefunden hätten.
Ein schönes Kapitel, in dem einmal mehr klar wird, wie unglaublich stark die Liebe doch sein kann.
Antwort von:  Saph_ira
11.12.2016 17:49
Wenn es ein Drama wäre, hätte ich bestimmt Schicksal zuschlagen lassen. ^^ Aber da es nur eine Romance zwischen den beiden ist, wird alles gut laufen und meistens zu ihren Gunsten. ;-)
Eine liebes Dankeschön für deinen Kommentar. ;-)


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