Zum Inhalt der Seite

Tears and Laughter

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Halloween


 

Sky
 

Am nächsten Morgen weckte mich meine aufspringende Türe.

„Happy Birthday to You!

Happy Birthday to You!

Happy Birthday Dear Skyler!

Happy Birthday to You!“, sang Amy grinsend und kam mit einem Tablett zu meinem Bett.

Ich setzte mich auf. Die schwere Silberkette rutschte dabei zurück in meinen Ausschnitt. Ich habe es irgendwie nicht mal beim Schlafen übers Herz gebracht sie auszuziehen. Verschlafen schaute ich Amy an: „Hö?“

Amy setzte sich auf mein Bett.

Auf dem Tablett lag eine Biskuitrolle gefüllt mit Sahne und Erdbeeren. Mein Lieblingskuchen! Drei Kerzen brannten darauf: „Wünsch dir was!“

Ich stockte: 'Was denn?'

Überlegend wog ich meinen Kopf hin und her. Das Kribbeln kehrte in meinen Bauch zurück. Es wirkte so, als sei darin mein eigentlicher, mein wirklicher Wunsch versteckt, doch ich konnte ihn nicht fassen. In meinem Kopf formte sich etwas, was der Sache am nächsten kam.

'Ich wünsche mir mich... gut zu fühlen! In Bezug auf meine Eltern... und in Bezug auf... neue Bekanntschaften!', ich pustete. Die Kerzen erloschen.

Amy grinste: „Ich hoffe so sehr er geht in Erfüllung!“

Ich nickte: „Ja, ich auch.“

Dann gingen wir in die Stube und ich schnitt den Kuchen an. Er war gut! Ich wusste nur, dass Amy leider gar nicht backen oder kochen konnte. Unsere liebenswerte Küchendame wird sie tatkräftig unterstützt haben.

„Also“, machte Amy und schluckte ein Stück Kuchen hinunter: „Zu heute Abend. Es gibt einen kleinen Abendplan.“

Ich nickte: „Der wäre?“

„Der erste Teil der Feier findet im Garten statt. Um 17 Uhr kommen die Kids. Die Firma meines Vaters stellt Süßigkeiten. Jeder von uns bekommt einen kleinen Korb voll. Die Kinder müssen dann zu jedem hingehen, 'Süßes, oder Saures!' rufen oder ihm einen Streich spielen. Es gibt ein großes Buffet. Um 22 Uhr lassen wir kleine Schiffchen mit Papierlampions unseren kleinen Bach runter fahren. Es ist eine asiatische Tradition. Ein Hausverwalter hat sie vor etlichen Jahren mal mit eingebracht. Man erzählt sich, dass das Licht die Wünsche zu den Geliebten und Verstorbenen ins Jenseits bringen. Danach gehen die Kinder wieder nach Hause und die Erwachsenen feiern drinnen weiter. Ach ja!“, sie zeigte mit der Kuchengabel auf mich: „Sei auf der Hut vor Undertaker. Der wird an Halloween wieder zum 12-Jährigen und spielt Streiche wie ein junger Gott. Die sind auch teilweise echt fies und er erweist sich jedes Jahr als äußerst kreativ darin. Er bekommt einfach jeden ran.“

Ich blinzelte aufgrund der Informationsflut: „Okay... Hab verstanden“, 'Das kann ja heiter werden...'

Amy lachte: „Schau nicht so! Das wird gut! Und seine Streiche sind echt lustig! Naja... natürlich solange man nicht unmittelbarer Gegenstand darin ist.“

Ich nickte ein weiteres Mal. Das konnte ich mir lebhaft vorstellen: „Wann müssen wir denn hier los?“

„Sebastian kommt um halb sieben und holt uns ab.“

„Warum so spät? Ich hab außerdem noch gar keine Ahnung, was ich anziehen soll...“

„Na, wir müssen ja noch los und dir was holen!!“

„Wie...?“

„Dein Geburtstagsgeschenk von mir! Einen Nachmittag shoppen, bis der Arzt kommt!“

„Aber...“

Amy nickte und hüpfte vom Sofa: „Ich dusch' zuerst!“

„Prefect vor Fag“, seufzte ich. Amy lachte und verschwand ins Bad.

Nachdem ich den Rest Kuchen vernichtet hatte, machte ich mir einen Kaffee und lehnte mich an das Fenster, aus dem ich gestern den Bestatter geworfen hatte. Irgendwie war ich furchtbar nervös. Ich konnte mir wirklich sehr gut vorstellen, dass der Totengräber ein exzellenter Scherzkeks und Fallensteller war, natürlich vollkommen ungeachtet aller Empfindlichkeiten. Da ich eh schon immer Gegenstandes seines äußerst merkwürdigen Pläsiers wurde, schwante mir Übles. Viel Übles.

Während ich meinen Kaffee trank, bekam ich die Gedanken nicht so recht von dem Bestatter weg. Irgendwann hörte ich Amys Stimme: „Du kannst!“

Ich stellte die leere Tasse ab und stellte mich unter die Dusche. Das warme Wasser entspannte mich etwas.

'Ich bin nun 18', schwirrte es durch meine Kopf: 'Das heißt, der Griff des Jugendamtes wird ein bisschen lockerer...' Ich hoffte dadurch würde einiges ein bisschen leichter werden.
 

1 Stunde später zog mich Amy mit einem Coffee-to-go in unseren Händen durch die Oxford Street. Ich nippte an meinem Kaffee, während Amy sich in meinem Arm geharkt über unsere Nachmittagsplanung ausließ. Sie wollte in etliche Shops. Wir waren auf dem Weg unsere Halloweenkostüme für heute Abend zu besorgen. Ich hatte versucht zu diskutieren, aber Amy bestand darauf mir auch eins zu holen. Natürlich, ein paar Pfund mehr oder weniger machten ihr nichts aus. Mir aber schon. Irgendwie fühlte ich mich immer wie ein kleiner Parasit. Doch ich hatte die Diskussion mal wieder verloren. Sie meinte einfach ich solle es als Geburtstagsgeschenk betrachten. Ich hasste meinen Geburtstag. Doch sowohl Amy, als auch ein gewisser Bestatter wollten davon nichts hören. Ich war geliefert.

Amy bugsierte mich durch sämtliche Läden. Doch der Phantomhive gefiel nichts. Irgendwann hing die Sonne schon in den Seilen und eine satte Abendröte zog sich über den wolkenleeren Himmel Londons. Dann blieb Amber vor einem großen Laden stehen. Es war ein Shop für Gothic Clothes.

„Das sieht doch nach was aus!“, zog sie mich hinein.

Tatsächlich konnte ich mich nicht gegen das Gefühl erwehren im Land der auf Stoff gebannten Träume gelandet zu sein.

Amy und ich sahen uns an, grinsten und wuselten dann vom Shoppingfieber gepackt durch den Laden. Wir probierten unzählige Kleidungsstücke an. Amy sah in allen umwerfend aus. Mir gefielen die Teile nicht mehr sobald ich sie an mir im Spiegel sah. Ich war einfach zu dünn. Einem Gerippe wie mir konnte man nichts Schönes anziehen.

Ich hing die letzte Fuhre Klamotten wieder auf den Harken: „Das wird nix, Amy.“

„Aber das sah doch gut aus!“, die Phantomhive redete sich den Mund fusselig seit wir hier waren. Laut ihr stand mir alles wunderbar, ich fühlte mich eher wie ein abgenagtes Skelett, das man in ein rosa Tütü stecken wollte.

„Find' ich nicht“, seufzte ich: „Hast du dich entschieden?“

„Ja ich glaub schon, aber ich brauch noch mal deine Meinung.“

„Klar.“

Sie verschwand in der Kabine. Hinaus kam sie in einem kurzen kurzen Pixierock. Er erinnerte mich an den eines furchtbar stereotypischen 'Zigeuners'. Viele blaue und grüne Lagen lagen übereinander, alle unterschiedlich lang und schief geschnitten, hier und da große goldene Nieten. Dazu trug sie ein braunes, enges, gerafftes Oberteil überzogen mit schwarzer Spitze und langen Ärmeln. Um die Beine zog sich eine braune Perlonstrumpfhose mit floralem Muster und sie trug ein paare schlichte schwarze Stiefel.

„Was sagst du?“, fragte sie und wuschelte sich durch ihr Haar, damit es unordentlicher aussah.

Ich legte den Kopf schief: „Zigeuner?“

Sie nickte grinsend: „Gut?“

Ich lächelte dünn: „Steht dir!“

„Super!“, sie verschwand wieder in der Garderobe um sich umzuziehen.

Ich schlenderte durch den Laden und meine Augen fielen auf eine dicke, blass fleischfarbene Leggins. Sie hatte ein komisches Design. Ich nahm sie in die Hand. Wenn man sie anzog sollte sie die Illusion erwecken man hatte die Beine einer alten Porzellanpuppe. An den Knien waren die Details des Kugelgelenks sehr schön ausgearbeitet und so gut schattiert, dass die Illusion durchaus realistisch war. An den Oberschenkeln wirkte es so, als blätterte die Farbe von der dreckig gestalteten Haut.

„Cool“, machte Amy über meine Schulter: „Die ist echt fancy!“

„Ja nicht?“, das Ding gefiel mir ausgesprochen gut.

„Oh warte! Ich hab was gesehen!“, Amy rannte zu einem Regal und zog ein paar Handschuhe heraus. Sie kam wieder zu mir. Die Handschuhe waren aus dicken Elasthan und gehörten definitiv zu der Leggins. An den Finger- und Handgelenken, sowie am Ellbogen waren die Details des Puppengelenks ebenso sorgfältig herausgearbeitet.

Amy grinste mich an. Ich grinste zurück: „Hast du dieselbe Idee wie ich?“

„Oh ja“, machte die Phantomhive: „Das wird der Knaller!“

'Ob die Idee wohl Under... Halt! Stop!', ich stoppte den Gedanken, als er mir unwillkürlich durch den Kopf schießen wollte. Warum sollte es ihm gefallen müssen?! Gehirn, was tust du?!

„Nur“, ich schaute mich im Laden um: „Was dazu?“

Amy wuselte mit mir einige Minuten durch die Laden. Mit einigen Sache schickte sie mich in die Kabine. Ich zog die Leggins und die Handschuhe an. Ich weiß nicht ob es gut war, dass sie fast genau meinen Hautton hatten. Schließlich fiel meine weitere Auswahl auf eine Bondagehose. Sie war schwarz, kurz und mit vielen Nieten, Schnallen und absichtlich zerschlissenen Stofffetzen auf Endzeitatmosphäre getrimmt. Ein paar Ketten hielten die Hosenbeine an dem Stück Stoff. Sie begannen unter den Knien, waren erst eng doch endeten dann in einem großen Schlag und hatten eine Schnürung an der Seite. Auch hier Nieten, Schnallen und Stofffetzen. Über das rechte Knie und den linken Oberschenkel zog sich sogar ein Stück Netzstoff. Dazu suchte ich mir ein schulterfreies, schwarzes Top mit kurzen Ärmeln aus. 5 große Schnallen verzierten mittig Brust und Bauch und ein verspielter Rüschenrand zierte die Enden oben wie unten. Hinten war es geschnürt und hier und da hatte es einige flache Nieten. Die Kombination fand ich abgefahren und sie wirkte ein bisschen wie aus 'Mad Max'. Als ich in den Spiegel schaute, gefiel ich mir tatsächlich.

Ich kam aus der Kabine. Amy klappte der Kiefer runter: „Alter! Wie geil!“

Ich verschränkte die Arme hinter dem Rücken: „Gut so?“

„Aber hallo! Warte...“, sie hob einen kleinen Haarreif an, auf dem ein kleiner Zylinder verziert mit ein paar Spinnenweben und einer violetten Schleife saß und steckte ihn mir auf die Haare: „Perfekt! Kauf es! Kauf es!“

„Sicher?“, irgendwie wackelte ich doch wieder innerlich: „Ich weiß nicht. Ist das nicht... zu viel?“

„Nein! Kauf es!“

„Aber...“

„Mein Gott! Zieh dich um! Ich kauf es dir! Du hast keine Wahl!“

Ich lächelte ein wenig beschämt und zog mich wieder um. Als ich aus der Kabine kam hatte ich schon den Mund geöffnet um noch einmal zu widersprechen, doch Amy nahm mir einfach die Kleider aus den Händen und rannte zur Kasse.

Mit gepackten Tüten verließen wir den Laden.

„Man!“, lachte Amy: „Den Anderen werden die Augen ausfallen!“

„Anderen...?“, fragte ich zögerlich.

„Ja man! Ronald, Fred, Lee, Charlie, Undertaker, meinen Eltern, vielleicht sogar Sebastian und William.“

Bei dem Namen 'Undertaker' stoppte ich kurz im Schritt. Irgendwie war mir die Vorstellung das in seiner Gegenwart zu tragen ein wenig peinlich. Warum?

Amy drehte sich um als ich zurückgefallen war: „Alles ok bei dir?“

Ich lächelte dünn und schloss zu ihr auf: „Ach ja.“

Amy verdrehte lachend die Augen: „Ihm wird’s gefallen. Vertrau mir. Er mag Puppen, er mag Wicked, er mag dich.“

Ich schaute Amy mit zusammen gekniffenen Augen an: „Hö? Wer? Wem?“

„Na Undertaker!“

Mir klappte der Kiefer auf: „Wie kommst du denn jetzt darauf?“

„Ich hab dein Gesicht gesehen. Ich finde es übrigens schon ein bisschen komisch, dass du nach dem Gespräch von gestern eine Hose gekauft hast, die vom Stil an Bondage angelehnt ist. Hihi! Bindet euch bitte in einem separaten Zimmer an!“

Meine Gesichtszüge entgleisten als meine Haut wieder zu brennen begann: „Wa-wa-wa-wa-was ist denn bei dir kaputt?! Man! I-i-i-i-ich hab das so nicht gemeint!“

Amy lachte: „Lustig ist es trotzdem.“

Ich schnaubte: „Amy?“

„Ja?“

„RENN!“

Mit einem belustigten Schrei lief die Phantomhive davon und ich jagte hinterher.
 

Zuhause schlüpfte ich in das Kostüm. Ich fand es toll, doch so ganz sicher war ich mir noch nicht. Trotz allem schminkte ich mir Gesicht und Ausschnitt bleicher, sodass sie zu der Leggins und den Handschuhen passte. Es fehlte nicht mehr viel dazu. Dann verpasste ich mir Smokey Eyes, einen dickeren Lidstrich und zog mit meinem Eyeliner Linien an mein Kinn und die Augenlider. Ich schattierte sie mit braunem und schwarzem Lidschatten, um die Illusion von Puppengelenken zu perfektionieren. Ich puderte mir vorsichtig etwas dunkleres Rouge ins Gesicht, damit es alt und verschmutzt wirkte und ließ dann an meiner Wange den Anschein von abplatzender Farbe entstehen. Schließlich drehte ich mir einen unsauberen Dutt, setzte den kleinen Haarreif auf und flechtete mir wieder die Strähne ins Haar. Nachdem ich mir kleine Kreolen in die Ohren und mein Medaillon, sowie die Silberkette um die Hals gelegt hatte, war ich fertig. Mein Make up hatte mich fast eine Stunde gekostet. Sebastian würde nicht mehr lange auf sich warten lassen.

Als ich durch den Flur ging zog ich mir die Schuhe von Amys Geburtstagsfeier an die Füße und setzte mich zu ihr ins Wohnzimmer.

Sie sah mich an. Ein wenig Neid stand in ihrem Gesicht: „Noah wie cool! Ich bekomm' so ein Make up gar nicht hin!“

Sie hatte sich zu ihrem Kostüm einen blau- grünen Lidschatten aufgelegt. Ihre Haare waren buschig und es saß eine Haarband mit großer, blauer Schleife darin. Ihr Kostüm stand ihr ausgesprochen gut: „Du siehst fabelhaft aus, Amy. Es steht dir.“

Amy lachte geschmeichelt. Dann unterhielten wir uns noch eine Weile. Meine Nervosität wuchs. Gott sei Dank wusste niemand, dass ich heute Geburtstag hatte. Niemand außer... Amy und Undertaker... Ich schickte ein Stoßgebet zum Himmel als ich hoffte, sie hielten sich geschlossen. Nur einmal.

Irgendwann stand Amy auf: „Schnapp' dir deine Gitarre, Sky! Wir müssen!“

Ich nickte ein wenig widerwillig, ging aber auf dem Weg zu meinem Poncho an meinem Zimmer vorbei und verstaute die Westerngitarre in ihrer Tragetasche. Dann wickelte ich mir den Poncho um und wir verließen den Campus. Vor den Toren stand wieder die Limousine und davor der eifrige düstere Butler. Er trug seinen Frack, doch eine Hälfte seines Gesichtes war als ein sehr realistischer Totenschädel geschminkt.

Er verbeugte sich: „Myladys? Ihr seht fabelhaft aus.“

„Danke...“, schaute ich geschmeichelt und beschämt zur Seite. Irgendwie fühlte ich mich komisch in der Nähe des Butlers. Nicht, dass er unhöflich war oder irgendwie unsympathisch geartet. Er hatte einfach etwas an sich, was mir intuitiv die Nackenhaare hochstellte. Das Kribbeln war wieder da. Seine Augen waren hart wie Stein, unendlich distanziert von allem und jedem und keine ehrlich positive Gefühlsregung lag darin. Das schmale Lächeln wirkte irgendwie furchtbar kalt. Es war so falsch, es schlug meins um Längen. Nur sah man dem Butler an, wie er sich gar keine Mühe gab es ehrlich wirken zu lassen. Er trug diese Falschheit sogar eher stolz wie ein Pfau sein prächtiges Gefieder. Es wunderte mich, dass Undertaker ihn für dieses Lächeln noch nicht die Nase gebrochen oder den Joker aus ihm gemacht hatte. Es wunderte mich auch, dass ich jetzt aus heiteren Himmel über so etwas nachdachte: 'Grah!'

„Danke Sebastian! Du auch!“, rief Amy.

Der Butler hielt uns die Türe auf und wir stiegen ein. Wie beim ersten Mal auch dauerte es einige Zeit, bis wir die mysteriöse Villa der Phantomhives erreichten.

Der Butler führte uns durch die Eingangshalle und dann durch ein paar Türen. Den großen Garten hatte ich bis jetzt nur durch die Fenster gesehen. Ich war bei meinem letzten Besuch zu schwach gewesen um draußen zu sein. Er sah schon von meinem Zimmer damals so wunderbar aus und als wir dort ankamen war er noch viel überwältigender. Es war eine riesige Grünfläche. Viele Beete, hohe Hecken und Bäume mit verschiedenen Blüten standen überall. Ein paar Meter von uns entfernt öffnete sich der Eingang zu einem großen Irrgarten. Zu meiner Rechten plätscherte ein naturbelassener Bach und füllte einen großen Teich mit verschiedenen Wasserpflanzen. Überall hingen Girlanden mit orangenen, roten, schwarzen und weißen Lampions. Viele Bänke waren aufgestellt, einige Feuerstellen erhellten den düsteren Garten und etliche Skelette, große Spinnen und Särge, sowie Grabsteine verliehen ihm den richtigen Flair. An der Hauswand standen einige liebevoll hergerichtete Tische, bestückt mit makaber angerichteten Leckereien.

Neben einer Feuerstelle standen drei Gestalten. Eine trug ein blutrotes, enges Kleid und lange Handschuhe. Sein Saum war zerfleddert und zog sich über den Boden. Am Rücken war das Kleid weit aufgeschnitten und ein großer, roter Hexenhut saß auf zusammengeflochtenen roten Haaren. Grell war wirklich nicht zu übersehen und es irritierte mich ein bisschen, dass er ein Kleid trug, war er doch sehr eindeutig ein Mann. Noch mehr verwirrte mich, dass es ihm so gut stand. Seine rote Hexe überzeugte.

Er richtete gerade lachend Williams Krawatte, aber nicht damit sie ordentlicher lag. Im Gegenteil: Er zog den Knoten nach unten und pflückte sie aus dem Jackett. William sah eigentlich aus wie immer, nur war sein Gesicht in einem außerordentlichen Maße missbilligend. Er trug einen vollkommen zerfetzten Anzug. Ich fragte mich was er darstellen wollte. Eigentlich sah er nur aus wie unter einen Rasenmäher gekommen. Ronald stand neben den Beiden und lachte. Er trug eine weite graue Stoffhose, an der ein Hosenbein fehlte, dazu Sandalen. Seine Beine, Arme und Oberkörper, sowie ein Teil von Gesicht und Haaren waren dicht in Bandagen eingewickelt. Die Mumie erkannte man sofort.

Keiner der Dreien trug eine Brille. Wahrscheinlich trugen sie wieder Kontaktlinsen wie beim letzten Mal. Ich legte den Kopf schief. Irgendwas an ihnen... war heute anders. Ich hatte keine Ahnung was, obwohl es mir sofort ins Auge fiel. Irgendwas... irgendwas an ihnen unterschied sie von allen anderen. Als gehörte es nicht so ganz hier her. Ich schüttelte den Kopf und das komische Gefühl weg.

Auf zwei Bänken ein paar Meter weiter saßen Lee, Fred, Charlie und Frank. Lee und Fred trugen beide eine total zerrissene, blutige und dreckige Schuluniform. Lee in schwarz grün, ich erkannte sie als eine der Green Lions, und Fred in schwarz blau, eindeutig von den Sapphire Owls. Jeweils eine ihrer Pupillen versteckte sich hinter einer weißen Kontaktlinse und sie hatten viele blutige Löcher geschminkt, sowie Laub in den Haaren. Sie sollten wohl zwei Zombies darstellen. Lee fiel des Weiteren ein langer, dünner, geflochtener Zopf über die Schulter. Beim ersten Ball hatte ich ihn gar nicht gesehen. Ich hatte immer gedacht der Asiate hatte kurze Haare. Frank sah normal aus. Er war nur von oben bis unten mit Kunstblut zugeschmiert. Irgendwie wirkte der Mann nicht ganz glücklich und ziemlich angesickt. Charlie trug einen schwarzen Anzug auf dem in weiß das menschliche Skelett abgedruckt war. Er hatte sich einen Totenschädel ins Gesicht geschminkt. Er war ein Skelett, ohne Frage. In einer Ecke unterhielten sich Alex und Heather. Sie trugen ein Partnerkostüm als Frankenstein und Frankensteins Braut. Es liefen noch einige andere Gäste herum. Wahrscheinlich der übliche Schmahn mit Geschäftspartnern von Amys Vater. Alle hatten sie einen Korb in Form einer Kürbislaterne gefüllt mit Süßigkeiten und trugen teure Kostüme. Auch liefen viele, viele Kinder lachend durch den Garten. Sie trugen alle ganz liebevolle selbstgemachte Kostüme und wirkten so ausgelassen und glücklich mit ihren Tüten in der Hand. Ich schaute mich um. Einen hatte ich noch nicht gesehen. Von dem Bestatter fehlte jede Spur.

Amy lief davon: „Mum! Dad!“, winkte sie ihren Eltern zu.

Ich ging langsamer hinterher. Die Drei unterhielten sich kurz, aber ich konnte nicht hören worüber. Als ich dazu gestoßen war, lächelte Alex mich an: „Hallo Skyler! Es ist mir eine Ehre und unsagbare Freude, dass du auch gekommen bist. Du siehst gut aus.“

„Ganz vorzüglich sogar“, lachte Heather: „Du stellst uns noch alle in den Schatten.“

„Dabei haben wir uns so viel Mühe gegeben!“, ergänzte ihr Mann amüsiert.

Die Phantomhives lachten. Ich kratzte mir ein wenig beschämt den Hinterkopf: „Oh danke... Aber hier sind so viele wirklich gute Kostüme. Ich glaube nicht, dass ich hier irgendjemand in den Schatten stelle.“

Heather lächelte mir mütterlich entgegen: „Nicht so bescheiden, junge Dame!“

Ich lachte: „Ihr seid zu gütig.“

„Du.“

„Okay, du bist zu gütig.“

Amy kicherte, dann schaute sie sich um: „Wo ist Undertaker?“

Heather lachte: „Ich habe keine Idee. Aber er ist hier.“

„Das weißt du weil?“, fragte Amy.

Alex schüttelte belustigt den Kopf: „Ich gebe dir einen Tipp: Als Frank und William hier aufgetaucht sind, sahen sie ganz normal aus.“

„Oh“, machte ich und musterte Williams drangsalierten Anzug und Franks blutige Aufmachung. Deswegen schauten die Beiden so genervt! Der Bestatter hatte sie schon angeschmiert!

Amy lachte: „Es ist jedes Jahr das Selbe! Wenn sie einfach verkleidet kommen würden, würden sie sich so viel ersparen.“

„Aber“, ich war ein wenig irritiert: „Wie hat er das gemacht?“

„Oh“, kicherte Heather: „Also Frank das habe ich gesehen! Er ist durch eine Türe gegangen, als er auf die Toilette wollte. Die Tür stand ein Spalt offen und... Haha! Als er sie ganz geöffnet hatte, kam ihm ein Eimer entgegen.“

„William war viel besser!“, lachte Alexander schadenfroh: „Seht ihr den Galgen da drüben?“

Amy und ich drehten uns und folgten Alexanders Hand.

„Ja“, machte ich, als ich das große Stück Dekoration erblickte. Der Galgen war originalgetreu: „Und?“

Alex musste wieder leise lachen: „William ist daran vorbeigegangen und schwups! Hing sein Fuß in einer Schlinge und er kopfüber in der Luft! Dann kam Undertaker... Mit einer Schere in der Hand und Williams Leiden ging erst so richtig los.“

Ich musste lachen, als ich mir vorstellte wie sich William mit all seinen Kräften dieser Schere erwehren wollte. Es war nicht von Erfolg gekrönt gewesen, das war nur allzu offensichtlich.

„Aber wo er gerade ist?“, Heather schüttelte belustigt den Kopf: „Ich weiß es nicht. Ihn an Halloween aus den Augen zu verlieren ist nicht gut. Haltet euch von allem fern was potenziell zu Scherzen einlädt.“

Ich schaute mich um. Hier lud alles potenziell zum Scherzen ein.

„Wir sind verloren“, sagten ich und Amy im Chor.

Heather und Alex drückten uns beide einen Kürbiskorb in die Hand.

„Komm“, machte Amy: „Ich zeig dir, wo du deine Gitarre abstellen kannst.“

Alex musterte mich wohlwollend: „Gitarre?“

„Ja!“, antwortete Amy für mich: „Sky spielt uns was vor.“

Ich versuchte zu lächeln.

Heather lachte wieder: „Schatz, ich habe irgendwie das Gefühl es war deine Idee, nicht ihre.“

Amy nickt: „Jap, sie hat keine Wahl.“

Dann zog sie mich weg, bevor ihre Eltern mich retten konnten.

Ich stellte die Gitarre gegen die Wand zwischen die Buffettische und einem großen Sarg. Unsere Körbe landeten daneben.

„Ich hab Hunger!“, sagte Amy: „Du auch?“

Ich schüttelte den Kopf. Irgendwie brannte mein Magen in Anbetracht der Menschenmassen.

Amy seufzte: „Gut... ich bin gleich zurück.“

Als die Adelstochter fröhlich durch die Leckereien schaute, lehnte ich mich mit einem sanften Seufzen gegen die Wand und schlang meine Arme fest um meinen rebellierenden Magen.

Ich ließ meinen Blick über den nächtlichen Garten schweifen. Die Phantomhives hatten wirklich keine Kosten und Mühen gescheut, um ihre Halloweenfeier so richtig herauszuputzen.

Auf einmal packte mich etwas am Arm. Ich war total überrumpelt und konnte nicht reagieren. Mein Sichtfeld wurde aufgrund der Geschwindigkeit zu bunten Schlieren und meine Füße kamen nicht hinterher, als ich einfach weg gezogen wurde. Mein kleiner Schrei wurde von einer undurchsichtigen Düsternis und einem komischen Klacken erstickt. Wo auch immer ich plötzlich gelandet war, es war eng. Sehr eng. Kühle Wände drückten gegen meine Schultern und Rücken, doch vor meine Brust drückte etwas Weicheres.

Das Etwas verschwand von meinem Arm. Ein anderes Etwas legte sich um meine Taille und drückte mich näher an das Weiche. In Ermangelung an Platz legte ich meine Hände dagegen. Mein Kopf wanderte unruhig herum und ich versuchte mich zu drehen und von dem Weichen weg zu drücken, als mich eine kleine Panik ergriff.

Wo war ich?! Und warum?!

Dann erschien das Etwas wieder unter meinem Kinn, beruhigte gezwungener Maßen meinen rastlosen Kopf und schob ihn nach oben: „Happy Birthday. Ahehehehe!“

Ein grün leuchtendes Auge strahlte mir entgegen. Es war nah. Mir ging aufgrund des fehlenden Platzes auf, dass ich in dem Sarg gelandet sein musste neben dem ich eben noch an der Wand gelehnt hatte. Ich hatte die Auswahl aus gefühlt Hunderten von Särgen, doch erwischte gerade den Belegten: 'Danke Karma! Du mich auch!'

Mein Herz schlug schneller als ich das Auge vor mir erkannte. Diese schimmernde Iris zog meine Gedanken wie Kaugummi. Ich hatte dieses Schimmern schon einmal gesehen, doch ich hatte es matter in Erinnerung. Bestimmt spielt mein Kopf mir Streiche, als ich merkte wie mein Körper in seiner Position einfror: „Underta...?!“

Die Hand wanderte von meinem Kinn und drückte mir den Mund zu: „Nicht so laut, mein hübsches Geburtstagskind“, flüsterte er und sein Atem streifte über meine Wangen. Sie vibrierten mit einen mal ganz sonderbar: „Du verschreckst noch meine Opfer. Ahihihihihi!“

Ich zog eine Augenbraue hoch.

Undertaker nahm die Hand von meinem Mund und legte einen Finger an seine grinsenden, geschwungenen Lippen um mir verständlich zu machen ruhig zu bleiben. Dann drehte er mich im Sarg herum, aber ohne seinen Arm von meiner Taille zunehmen. Ich erkannte auch erst jetzt, dass es sein Arm war und mein Herz hüpfte ganz kurios in meiner Brust herum. Ich spürte den Körper des Totengräbers nur überdeutlich in meinem Rücken und eine silberne Haarsträhne fiel an den Rand meines Sichtfeldes, als er den Sargdeckel ein Stück aufschob. Durch den kleinen Spalt sah ich Amy, die mit einem Teller immer noch an den Tischen entlang schlenderte. Ich spürte ein spitzes Kinn auf meiner Schulter. Der Bestatter hatte ohne zu fragen seinen Kopf darauf abgelegt. Mein Herz übersprang mehr als nur einen Schlag. Ich schaute ihn tadelnd an: „Amy? Ernsthaft?“, flüsterte ich leise.

Er lachte genauso leise zurück: „Schau hin und genieße. Hehe.“

Ich schaute wieder zurück. Mein Herz hämmerte wie verrückt gegen meine Brust und schickte mir wieder das Blut ins Gesicht. Es rauschte und klopfte wild in meinen Ohren, doch die Umarmung des Bestatters war alles andere als unangenehm. Sie war wahrscheinlich eh nur dem Platzmangel geschuldet. Genau wie beim letzten Mal nach unserem Sargunfall...

Amy blieb vor einer Süßspeise aus Gelatine stehen, die aufgemacht war wie eine geöffnete Marzipanleiche. Sie nahm ein kleines Messer und schien sich ein Stück herausschneiden zu wollen. Kaum hatte sie das erste Mal in die glibberige Gelatine geschnitten rächte sich das Gericht: Viele feine, rote Fäden sprühten aus dem Essen und Amy fiel der Teller herunter, als sie sich schützend mit einem kleinen Schrei die Hände vors Gesicht hielt.

„Undertaker!“, kreischte sie schrill: „Du Arschloch!“

Mir klappte der Mund auf, während Amy verzweifelnd mit ihren Händen wedelnd von der Süßspeise versaut wurde. Ihre Kleider waren schon ganz rot.

Ich spürte wie der Oberkörper hinter mir zu beben anfing und Undertaker drehte sein Gesicht in meine Schulter, um sein Lachen in meinem Stoff zu ersticken. Ich wollte nicht, aber ich musste mitlachen. Amy stellte sich schon schön perplex dämlich an. Ich drückte eine Hand vor meinen Mund, um mein Lachen zurückzuhalten. Doch als dem Bestatter meine Reaktion auffiel fing er nur noch lauter an zu lachen. Es steckte mich an und schon bald waren wir in schallendes Gelächter ausgebrochen.

Natürlich bemerkte uns Amy, denn auf einmal ging der Sargdeckel auf: „Undertaker! Du bist so ein kleiner...!“, Amy stockte und schaute mich verwirrt an: „Sky?!“

Ich wedelte mit den Händen: „Ich bin unschuldig! Ich bin unfreiwillig hier! Ich wurde gezwungen!“

„Aha“, machte Amy, immer noch die Hand am Sargdeckel: „Ich sehe wie sehr du dich wehrst.“

Ich wurde rot und schluckte mit großen Augen in totaler Sprachlosigkeit. Undertaker lachte weiter, lehnte sich gegen die Rückseite des Sarges und wischte sich durchs Gesicht. Er ließ meine Taille immer noch nicht los und ich musste mich ein Stück mitdrehen. So schaute ich meiner verärgerten besten Freundin nun frontal ins Gesicht. Jetzt, wo das Licht der Feuerstellen in den Sarg sickern konnte, sah ich, dass auch der Bestatter kostümiert war. Er trug einen altertümlichen, grauen Herrenrock mit großem, silbern gesäumtem Revers. Das Ding wirkte verdammt teuer und verdammt alt. Unter dem offenen Herrenrock sah man ein reinweißes Hemd, dessen Rüschenärmel unter den Ärmeln des Rockes herausschauten und um die untere Partie seines Halses lag eine Ascot Krawatte mit spitzen Rand in zwei Lagen. Ihr Saum war zerschlissen und ein wenig dreckig. Sie war mit roten Punkten gesprenkelt, Kunstblut, welches aus den Mundwinkeln und von dem Kinn des Bestatters getropft war. Er hatte spitze Schneidezähne und dunkle Schatten unter die schmalen Augen geschminkt. Wahrscheinlich sollte er ein Vampir sein. Seine Haare trug er wie üblich offen, doch an der linken Seite locker hinter sein Ohr gekämmt. Eine schlichte schwarze Hose und ein paar polierte Lackschuhe rundeten die Erscheinung ab. Es stand ihm gut. Verdammt gut. Außerordentlich... verdammt gut. Ich wurde dunkler und drehte den Kopf ein wenig hilflos wieder zu Amy. Von ihr war nur gerade keine Hilfe zu erwarten.

„Wi-wirklich!“, brachte ich schließlich hastig heraus, als ich mich von dem Anblick des Bestatters losreißen konnte und wedelte weiter mit den Händen: „Ich wurde da wortwörtlich mit reingezogen! Ich bin eine Gefangene! Ich werde gezwungen!“

Undertakers Lachen wurde so schrill, dass es fast verschwand. Er schien dieses Gespräch besser zu finden als den Streich an sich.

Amy legte den Kopf schief und stemmte eine Hand in die Hüfte: „Gezwungen? Wozu denn? Zum Lachen und zum Kuscheln?“

„Ku-ku-ku-ku-ku-wa-wi-wi-wi“, mein Kopf war wie leergefegt und mein Herz klopfte in meinem Hals: „Wir kuscheln nicht!“

„Was mach ihr denn dann?“ Amy zog eine Augenbraue hoch: „Schach spielt ihr nicht.“

Der Bestatter ließ mich los, aber nur weil er erstickend an der Wand des Sarges herunterrutschte. Sein Lachen war nicht mehr zu hören und er hatte den Kopf auf die angewinkelten Knie gelehnt und wedelte hilflos mit den Armen.

Ich drehte mich ein Stück weg: „Ich... ich glaube er stirbt gerade...“

Amy schnaubte: „Zu Recht! Ich bin total versaut!“

„Ich...“, der Bestatter japste und schaute mit vor Tränen glitzernden Augen zu ihr hoch: „Hahahahahahahaahaha! Würde so gerne sagen... Ahahahahaha! Das es mir leid tut.... Ahehehehehe! Aber das wäre gelogen... Wuhuhuhuhuhu!“, er lehnte seinen Kopf gegen die Rückwand und atmete schwer durch: „Deine wedelnden Arme! Fu fu fu! Zu herrlich!“

Er stellte sich wieder hin: „Wuhuhu. Schau nicht so böse. Du lachst immer am Lautesten, wenn mir jemand zum Opfer fällt.“

Amy seufzte: „Du bist scheiße.“

„Das meinst du nicht so, ahehehehe!“

Dann lachte sie: „Tu ich auch nicht. Aber warum ich?! Ich dachte wir sind Partner?!“

'Ah', machte ich in meinem Kopf: 'Da lang läuft der Hase in den Bau.'

Undertaker kratzte sich lachend an der Nase: „Es war Zufall. Wer darein tappt konnte ich nicht planen, aber ich hatte eigentlich mit Charlie oder Ronald gerechnet.“

„Verrechnet!“

Er lachte weiter: „Ahehehe! Och, nur so halb. Deine Reaktion war vielleicht noch besser“, dann nahm er grinsend den Sargdeckel in die Hand: „Und nun entschuldige mich. Hier ist geschlossene Gesellschaft.“

Mein Gesicht entgleiste: „Was?!“

Doch das Licht ging schon wieder aus, als der Deckel zu klackte.

Ich drehte meine Kopf zu ihm: „Geschlossene Gesellschaft?! Was soll das denn heißen?!“

Mein Herz lief einen Marathon. Ach Quatsch! Zwei! Mein Gesicht wurde wieder unsagbar heiß, als ich mich zu dem Bestatter drehte.

Amy lachte vor dem Sarg: „Ok, ok ich sehe ich bin unerwünscht. Soll ich euch ein Seil bringen? Oder habt ihr alles?“

„Wir sind versorgt!“, lachte der Bestatter.

„Ok“, machte Amy: „Bye!“

Das schwache Licht seiner Augen ließ mich sein Grinsen sehen. Ich hatte den Atem angehalten. Er hatte nicht wirklich ein Seil dabei, oder? Ich hoffte nicht!

Undertaker lachte: „Hehe! Du siehst schon wieder aus wie ein schockierter Teddybär.“

„Ich bin kein Teddybär!“, machte ich empört: „Was soll das hier?!“

Er lachte weiter und beugte sich in mein Gesicht: „Du hast doch keine Angst vor mir, oder?“

Ich stockte.

„Nein“, piepste ich schließlich, um es mir selber einzureden: „Habe ich nicht... Du hast nicht wirklich ein Seil dabei, oder?“

Er lachte schriller: „Ahehehehehe! Nein!“, dann stützte er eine Hand neben mein Gesicht an die Wand des Sarges und beugte sich noch näher zu mir. Ich wollte ausweichen, doch ich hatte nach nicht mal einem Schritt ebenfalls den Sarg im Rücken. Unsere Körper trennte nicht mal mehr ein Zentimeter und irgendwie hatte ich das Gefühl die Luft in dem engen Sarg begann zu knistern: „Aber wenn du drauf bestehst kann ich improvisieren.“

In mir kollabierte alles. Mein Herz rutschte mir in die Hose und schnackte schmerzhaft zurück in mein Brust: „N-n-n-nein!“

Er seufzte lachend: „Hehe! Schade.“

„Was?!“

Er lachte: „Jetzt bekomme keinen Herzinfarkt! Ahehehehe! Wie kann ich aufhören dich zu ärgern, wenn du dich so wunderbar pikierst?“

'Er... er verarscht mich! Klar... was auch sonst!', ich atmete durch: „Mach das nie wieder!“

„Was?“

„Na... das!“

Er kicherte: „Ich habe so das Gefühl du weißt es selber nicht.“

„Ääääääähm... Hör auf mich zu verarschen!“

Er kicherte lauter.

„Und was sollte das mit der geschlossenen Gesellschaft?!“

„Nun“, er legte den Kopf schief: „Du hast Bauchweh, oder? Ich tippe weil hier so viele Leute sind. Du wirkst irgendwie immer ein bisschen verstört in großen Menschenmassen.“

Ich schaute beschämt zur Seite: „Ein bisschen... vielleicht...“

„Wir können hier drin bleiben so lange du willst“, sein Lächeln war wieder so verständnisvoll und mitfühlend. Die Albernheit war daraus verschwunden und es wirkte warm und ehrlich. Der Bestatter war wirklich emotionsflexibel. In einem Moment gruselte er einem die Seele aus dem Leib und lacht einen aus, dann im anderen Moment schafft er es mit einem Lächeln die Welt zu retten.

Ein heißer Funken zündete sich in meinem Herzen an, als ich auf dieses geschwungene Lächeln schaute.

„Nun?“, fragte er leise.

„Ähm... das wird nicht nötig sein. Wenn wir zu lange hier bleiben dann...“

„Kommen die Anderen auf falsche Gedanken. Warum ist dir das so wichtig? Hehe, lass sie doch denken was sie wollen.“

Ich kniff die Augen zusammen: „Aber...“

„Aaaaber?“

„Ich...“

„Weiß selber nicht was ich will“, beendete er zum zweiten Mal einen Satz für mich. Tragischerweise lag er gefährlich nah an der Wahrheit.

Ich zog meine Augen zu Schlitzen: „Ich kann selber reden...“

„Tihi! Dann tu es auch.“

„Warte!“, mir fiel etwas ein: „Du hast mich erschreckt!“

Sein Lächeln brach ein: „Nein, das tust du nicht...“

Ich kicherte: „Und du hast mich gestern auch erschreckt.“

„Du hast mir eine auf die Nase gegeben und mich aus dem dritten Stock in einen Rosenbusch geworfen! Ich glaube eher wir sind quitt, junge Dame. Hehe!“

„Warte, warte, warte! Du hast mich mit dem Fenster wissentlich um den Verstand gebracht, Houdini!“

Er lachte: „Gut, damit fällt die Faust in meinem Gesicht weg. Zwei hab ich noch gut.“

„Du hast mich ohne Vorwarnung in einen Sarg gezogen!“

Er lachte wieder: „Das wiegt sich mit einem Freiflug aus 8 Metern Höhe auf. Hihi.“

Ich blieb stumm: 'Verdammt!'

Er grinste breit: „Wenn du nichts mehr findest hab ich noch einen gut.“

„Du... du hast mich vor Amy wie einen treulosen Trottel dastehen lassen!“

Er lachte: „Hihihi. Lass ich gelten, weil ich nett bin. Wir sind quitt.“

Ich seufzte: „Nie darf ich meinen Spaß haben...“

„Ahehehe. Was würde dir denn Spaß machen?“

Ich schaute ihm mit großen Augen ins Gesicht: „Ähhhhm... weiß nicht?“

Er schüttelte lachend den Kopf: „Hehe. Du bist wirklich unbeschreiblich“, dann hob er den Kopf wieder und steckte eine Hand in seine Manteltasche: „Also? Raus oder hier bleiben?“

Meine Gedanken ratterten in meinem Kopf. Warum fällt mir die Antwort auf diese Frage so schwer?

„Ähm“, machte ich schließlich und wollte weiter reden, da ging der Sargdeckel plötzlich wieder auf.

Eine rot behandschuhte Hand packte dem Bestatter am Schlafittchen und zog ihm aus dem Sarg: „Was machst du da?!“

Es war Grell. Er hatte den Bestatter am Kragen und schüttelte ihn von vorne nach hinten: „Du hast nicht einen Hauch von Anstand! Was auch immer du mit dem armen Ding vorhast, lass es bleiben!“

Ich beschaute die Szenerie aus dem Sarg fassungslos. Ich hatte keine Ahnung wovon Grell sprach. Es erschloss sich meinen überforderten Gedanken auch nicht.

Doch Undertaker lachte nur sein übliches schrilles Lachen, während Grell wild an ihm herum schüttelte.

Auf einmal gab es ein leises Krachen. Alle unsere sechs Augen schauten zu Boden auf ein kleines, dunkles Holzkästchen was Undertaker aus der Manteltasche gefallen war. Es hatte Rosenranken eingraviert und eine grau-lilane Schleife war darum gebunden.

Grell schaute Undertaker wieder an, an dessen Kragen er noch beide Hände hatte: „Oh ist das...?“

„Ja“, nickte Undertaker und schaute den Mann im Kleid wieder an: „Ich wollte es ihr gerade geben, dann kamst du.“

Grell nahm seine Arme weg: „Oh... Ups.“

Undertaker lachte: „Für wie unmöglich hältst du mich eigentlich?“

„Du kennst die Antwort. Es ist Halloween.“

„Ja, hehe!“, lachte er: „Ist es.“

Grell wedelte ausschweifend mit den Armen und verschränkte sie dann hinterm Rücken: „Nun denn, dann bist du dir unserem Problems ja vollkommen bewusst. Ich bin mal weg.“

Mit großen Schritten verzog er sich wieder zu Ron und William.

Undertaker bückte sich und hob das kleine Kästchen auf. Ich ging einen Schritt aus dem Sarg auf ihn zu: „Was ist das?“

Er lächelte mich an und hielt es mir hin: „Alles Gute zum Geburtstag, meine schöne Puppe.“

Ich schaute ihn erst verwirrt an. Dann schaute ich weg und verschränkt die Arme hinter meinem Rücken, als ich mich erinnerte, dass ich als Puppe verkleidet war.

Aber etwas in meinen Gedanken stockte: 'Seine schöne Puppe?'

Das klang irgendwie nach einer Art von Besitzanspruch. Aber er nannte mich auch hin und wieder 'meine Liebe'. Es war also eher seine antiquierte Redensart: 'Oder?'

Ich war mir irgendwie nicht sicher wie ich mich bei diesen Gedanken fühlte. Beide alternativen fühlten sich so komisch an.

„Es steht dir. Ausgesprochen gut sogar.“

Ich schaute ihn wieder an und machte den roten Lampions Konkurrenz: „Danke...“

„Nun“, sagte er: „Möchtest du es nicht?“

Ich schaute wieder auf das kleine Kästchen mit der Schleife. War das wirklich ein Geschenk? Für mich?

Ich drehte nervös meinen Fuß auf dem Rasen: „Aber... du hast mir doch schon etwas geschenkt...“

„Die Kette?“, er lachte: „Hehe! Jeder, der mir etwas bedeutet, hat so eine Kette bekommen.“

Ich schaute ihm wieder ins Gesicht: „Jeder?“

„Ja“, er nickte: „Jeder: Du, Amy, Grell, Ronald, William, Alexander, Heather, Frederic, Sebastian, Lee, Frank und Charlie. Selbst ich habe eine. Aber das“, er nahm meine Hand und legte mir das Kästchen hinein. Dann nahm er die Andere und legte sie darauf: „Das ist nur für dich.“

Ich lächelte verhalten: „Sicher?“

Er nickte lächelnd: „Sicher.“

Ich nahm den Kasten richtig in die Hände und musterte ihn.

Undertaker lachte: „Hehehe! Nun mach schon auf.“

Ich schaute noch einmal zu ihm, dann wieder auf das Kästchen und zog zögerlich die Schleife ab. Als ich das Kästchen öffnete blieb mir die Luft weg. Es war ein Kalligraphie Set! Ein langer Federhalter lag darin in einem Bett aus schwarzem Samt. Sein dunkler Holzgriff verschwand in einer großen schwarzen Feder und eine kleine schwarze Schleife war darum gebunden. Die Spitze war silbern, filigran und hatte ebenfalls ein feines florales Muster eingeätzt. In dem Kästchen lag noch ein Tintenfässchen aus schwarzem Stein und vier weitere Federn. Alle mit einem anderen Muster und verschieden geformten Spitzen. Ich schaute ihn an: „Das ist wunderschön! Danke!“

Sein Lächeln wurde breiter: „Es freut mich, dass es dir gefällt.“

Ich schaute noch einmal auf das Set. Es sah unsagbar teuer aus: „Aber... bist du sicher, dass du es verschenken willst...?“

„Warum sollte ich nicht sicher sein?“

„Naja... das sieht sehr, sehr teuer aus und...“

Er lachte: „Hehe! Es war nicht teuer! Nur der Rabe, dem ich die Feder geklaut habe, der schmollt glaube ich noch ein bisschen.“

„Feder geklaut?“, ich schaute ihn an. Dann machte es Klick in meinem Kopf: „Du hast das selber gemacht?!“

Er lachte: „Ich mache meine Geschenke immer selbst. Hat mich ein bisschen Zeit gekostet, aber wenn es dir gefällt hat es sich gelohnt.“

Ich war sprachlos. Diese Federn waren ein Meisterwerk! Der Bestatter muss goldene Hände haben!

Er lachte wieder: „Hehe. Was hast du?“

„Ich...“, ich schüttelte ungläubig und vollkommen ergriffen den Kopf: „Ich kann es... nur nicht fassen... Das ist... wirklich wunderschön!“, ich hob den Federhalter an und beschaute ihn genau: „Und das ist eine Rabenfeder? Außergewöhnliche Idee!“

Undertaker wackelte amüsiert mit dem Kopf: „Nicht so außergewöhnlich. Ich habe gerade Krabat gelesen.“

„Krabat?“, ich erinnerte mich. Der Protagonist schenkt seiner Liebsten als Andenken eine Rabenfeder. Aber... er schenkte sie seiner Liebsten... und das war ich für Undertaker sicher nicht... Dafür war ich viel zu unaufgeregt und ordinär... Irgendetwas in mir zog sich zusammen. Ihm muss wohl beim Lesen einfach aufgefallen sein, dass Rabenfedern schön sind.

Er zeigte auf das Holz des Halters: „Kirschholz. Die Federn sind aus Silber.“

Ich schaute ihn an: „Silber?“

Er nickte: „Ich habe eh Silber für die Ketten gebraucht, also habe ich die Gelegenheit beim Schopfe gepackt und einfach mehr besorgt. Wie gesagt, so kreativ war die Idee leider doch nicht. Hehe!“

Ich legte die Feder zurück, schloss das Kästchen und legte es gerührt an meine Brust: „Ich... weiß nicht wie ich dir danken soll...“

Undertaker lachte und zog mir mit spitzen Fingern das Geschenkband aus meiner Hand. Er trat einen Schritt näher und hob die Hände um die Bände locker um meinen großen Dutt zu binden. Ich schaute ihn perplex von unten an, als er sich mit seinem üblichen Grinsen an meinen Haaren zu schaffen machte. Der Bestatter nahm die Hände wieder zu sich und lächelte mich mit einem Auge an.

Dann schwirrte mir ein Gedanke durch den Kopf. Irgendwie konnte ich ihn nicht verscheuchen. Er musste raus: „Es ist nicht viel, aber... darf... darf ich dich zum Dank umarmen?“

Undertaker lachte seicht und breitete die Arme aus: „Aber natürlich.“

Zögerlich legte ich die Arme um seinen Hals und drückte ihn. Er drückte mich zurück. In den Geruch von Zucker, Gras und Zedernholz hatte sich das Odeur von Mottenkugeln gemischt. Wahrscheinlich kam er von dem alten Herrenrock. Vielleicht war er ein Erbstück. Wenn hatte er gut auf ihn Acht gegeben.

Ich wusste nicht warum, aber aus irgendeinem Grund ließen wir einander nicht gleich wieder los.

Irgendwann brachte der Bestatter wieder Platz zwischen uns. Ich erschrak mich fast, als ich Sebastian neben ihm stehen sah.

„Es tut mir leid euch stören zu müssen“, lächelte der Butler vieldeutig: „Doch wir bräuchten Miss Rosewell für einen Moment. Und dich auch.“

Undertaker lachte: „Oh, ist es soweit?“

Der Butler nickte: „In der Tat. Nach mir bitte.“

Ich schaute Undertaker an: „Was ist los?“

Der Bestatter lächelte breit und nahm mich einfach bei der Hand: „Das wirst du sehen! Komm! Hehe!“, dann zog er mich hinter sich her.

Wir folgten Sebastian zu einem Kreis von Leuten. Ich sah Amy, ihre Eltern und ihren Bruder, Lee, Charlie Frank, Ron, Will und Grell. Sebastian stellte sich dazu und ich mich neben Amy. Undertaker zwischen mich und Ronald.

Alexander räusperte sich: „Wie mir zu Ohren kam, haben wir heute einen ganz besonderen Gast in unserer Runde.“

Mir stockte der Atem: 'Oh nein...'

„Und zwar“, der Earl Phantomhive zeigte auf mich: „Feiert die liebe Skyler heute ihren 18. Geburtstag!“

'Nicht wenn es nach mir geht...'

Ein Raunen und heiteres Geschnatter halte kurz durch die Runde. Alexander hob die Hände: „Bitte, bitte meine Damen und Herren.“

Die Runde verstummte, nur Grell nicht.

„Und Herrinnen“, setzte Alexander lachend hinzu.

Grell rieb sich schuldbewusst und lächelnd den Hinterkopf, während Sebastian seufzte. Die Szenerie hatte etwas unglaublich Vertrautes an sich. Die Leute in dem Kreis wirkten alle mit ihren grundverschiedenen Charakteren so unsagbar harmonisch zu einander.

Der Earl schüttelte lachend den Kopf: „Leider erreichte mich die Information etwas spät. Deswegen lasst uns etwas improvisieren! Erheben wir unsere Gläser und geben der lieben Skyler in Form eines Ständchens unsere besten Wünsche mit auf den Weg.“

Sebastian ging herum und verteilte einige Gläser. Er schien für jeden das Lieblingsgetränk auf dem Tablett zu haben, denn die Gläser und der Inhalt sahen bei allen verschieden aus. Ich bekam eine Champagnerflöte in die Hand.

Ich lächelte schief und in hohem Maße überfordert. Amy legte mir die Arme um den Hals. Dann fing die Runde mit erhobenen Gläsern an zu singen:

„Happy Birthday to You!

Happy Birthday to You!

Happy Birthday Dear Skyler!

Happy Birthday to You!
 

From good friends and true,

From old friends and new,

May good luck go with you,

And happiness too!
 

How old are you?!

How old are you?!

How old, How old

How old are you?!“

Ich merkte wie mir wieder die Röte ins Gesicht stieg, als mir jeder noch einmal lose Glückwünsche zu rief.

„Danke!“, sagte ich schüchtern und mir hochrotem, puckerndem Kopf: „Ich weiß gar nicht, wie ich euch danken soll!“

Alexander und Heather schüttelten mir die Hand. Lee und Fred drückten mich kurz mit einem lächelnden Glückwunsch. Mein Herz wurde immer schneller. Noch nie haben mir so viele Menschen gratuliert.

Grell kam auf mich zu, schlang die Arme ungefragt um mich und hob mich drehender Weise von den Füßen: „AAAAAH! 18! Herzlichen Glückwunsch!“

Irgendwann bekam er von William einen gegen den Kopf: „Benimm dich, Sutcliff!“

Dann gab er mir die Hand: „Skyler Rosewell. Meine Glückwünsche.“

„Danke sehr, William“, lächelte ich mit immer noch drehendem Kopf und schüttelte dem strengen Mann die Hand. Er hatte einen strammen Händedruck. Mein Kopf surrte so komisch wegen Grell und dieser ganzen Aufmerksamkeit.

Ronald drückte mich: „Noah! Alles Gute!“

„Danke sehr“, tätschelte ich scheu seinen Rücken.

Auch Charlie und Frank beglückwünschten mich kurz persönlich.

Ich drehte mich zu Amy: „Du hast gepetzt.“

Sie nickte: „Joa“, sie grinste mich an: „Mir fällt gerade ein, wir haben noch was vor!“

Ich blinzelte sie an: „Nein...“

„Oh Doch!“

„Nein...“

„Do~och!“

Ich zog eine Augenbraue hoch: „Ne~ein“, gab ich im selben Singsang wieder zurück.

Eine Stimme hinter mir: „Bitte, Mylady.“

Sebastian hielt mir meine Gitarre hin. Ich blinzelte. Dann sah ich wie Amys Familie, Lee, Frank und Charlie, sowie Ronald, William, Grell und Undertaker die freien Bänke um uns herum besetzten. Irgendwie flatterte mein Herz wieder ganz komisch, als mich der Bestatter von weiter weg angrinste. Er hatte die Beine überschlagen und hielt das Glas leger am oberen Rand in seiner locker hängenden Hand. Diese unnatürliche Haltung wirkte an ihm nur allzu natürlich.

Amy lachte: „Ich hab übrigens alles gepetzt.“

„Ich hasse dich...“, ließ ich mich auf eine Bank fallen.

„ Alle da?“, fragte Amy, packte meine Gitarre für mich aus und legte sie mir in die Arme.

Nicken und zustimmendes Gemurmel aus einigen erwartungsvollen Gesichtern.

Ich schaute nervös zur Seite. Die vielen Augen auf mir machten mich nervös. Verzweifelt versuchte ich die Hände zu sortieren, doch ich hatte noch etwas in der Hand. Ich schaute auf den kleinen Kasten, dann unwillkürlich zu dem Bestatter. Er grinste mich immer noch an. Irgendwie erwartungsvoll, doch vollends gelassen. Als habe er keinen Zweifel, dass das was folgen würde gut werden würde. Dann nickte er mir zu.

Mein Herz wurde ganz warm und hüpfte hin und her, als ich ein noch weit aus wärmeres Gefühl auf meinen Wangenknochen spürte.

Ich streckte Amy das Kästchen hin. Sie verstand grinsend und packte es für mich in die Gitarrentasche.

Dann verspielte ich mich zweimal vor Nervosität, doch irgendwann traf ich endlich die Töne die ich wollte:
 

„Because of you my whole world started to stand upside down,

importance disappearing, grins are innocent, smirks no more

tied down to the facts.

I learned some heavy lessons out of anger,

thought the world was grey and cold.

But you cross my way, surprisingly

and without any word.

But heavy is the core in my heart, still

painful the thoughts I want to hide

Bright and pure sounds the laugh that you share! A black one brings some colors into my lacklustre World.

I am so terribly lost if this weird smile

is not for me, my friend.

If you turn your grin away, then tell me

that you will come back,

so it remains!

Round the clock the people yell and lie!

But you don't and I believe that you show me the right Path!

If you only exist in my dreams

then let me stay fallen asleep!

I don't want to live an icy hell!

Should I turn right where nothing's left, or

left where nothing's right?

Give me a word

I can believe in! (Amy & Sky)

Discern my tricks instantly at the first sign

With a broken spine, I was just about to hide.

You just look simply right behind my gloomy shine

In contrast to the other you don't let it work this Way,

because Carefree

is the world you want to show.

I have learned to to create and adorn

every lie I need to use.

The reality hides between the lines,

truth is not good enough to share.

That is how it works in here,

sick twisted smiles are everywhere!

But the truth, it disappears (Amy: Lies stay in the way!)

Difficult are the riddles that live give me,

when no one thinks about a word they say

They don't think that a word could ever hurt anyone,

but they mistaken 'cause they shatter souls and minds!

They kill me right away!

If you turn your grin away, then tell me

that you will come back,

so it remains!

Round the clock the people yell and lie!

But you don't and I believe that you show me the right Path!

If you only exist in my dreams

then let me stay fallen asleep!

I don't want to live an icy hell!

Should I turn right where nothing's left, or

left where nothing's right?

Give me a word

I can believe in! (Amy & Sky)

Discern my tricks instantly at the first sign

With a broken spine, I was just about to hide

and you just look simply right behind my gloomy shine

In contrast to the other you don't let it work this Way,

because Carefree

is the world you want to show.

The world you want to show.

The world you want to show.

The world you want to show. (Amy & Sky Kanon)

Is it the sorrow or the sadness, you see?

Through my pokerface, you just blink so easily.

You're hilarious and crazy, odd like no one else!

But what I see is someone stunning,

kind as no one else ever could be. (Amy & Sky)

Kind as no one else ever could be!

Haha dadadada dadadada!

Haha dadadada dadada dadada!

Haha dadadada dadada! (Amy & Sky)

If you turn you grin away, then tell me

that you will come back,

so It remains! (3x Amy & Sky)

If you turn you grin away, then tell me

that you will come back,

so It remains!”
 

Ich nahm zögerlich die Hand von den Seiten. Amy hatte mich wie schon Zuhause bei ein paar Parts stimmlich begleitet, doch die Leute um mich herum blieben stumm und taten nichts. Auch wenn ich jetzt erst merkte das sich viele der Gäste, die ich nicht kannte, und einige Kinder um uns gescharrt hatten. Ich schaute Amy an, sie schaute zurück und wirkte auch irgendwie nervös. Ich ärgerte mich innerlich über mich selbst und ließ den Kopf hängen. Wie hatte ich nur hoffen können, dass irgendjemanden der Mist gefällt, den ich mir zusammen geschrieben hatte?

„Fabulös!“ hörte ich plötzlich.

Mein Kopf zuckte nach oben. Grell war aufgestanden und hielt sein Glas in die Luft: „Diese leichten Akkorde in Kontrast zu dieser melancholischen Thematik! Ein Ohrenschmaus! Wie das Drama von Romeo und Juliette! Herzerquickend!“

Mit einem breiten Grinsen stellte Undertaker langsam sein Glas auf die Lehne der Bank und klatschte bedächtig und bedeutungsschwer in die Hände. Mein Herz rutschte nach unten.

Auf einmal rauschte es los. Ich machte große Augen und konnte meine Verwunderung nicht zurück halten, als plötzlich alle anfingen zu applaudieren. Es war laut! Ich sah so viele Gesichter und die Luft vibrierte durch das Zusammenschlagen der vielen Hände. Undertaker, Ronald, Charlie, Fred und Lee standen sogar beim Klatschen auf. Die Kinder hüpften auf und ab.

Ich grinste Amy an. Sie grinste zurück und hob die Hand. Überschwänglich schlug ich ein.

Nachdem ich meine Gitarre weg gestellt hatte, hatten mich so viele Leute angesprochen, dass ich nicht wusste wo mir der Kopf stand. Alle redeten auf mich ein und stellten mir Fragen: Wer ich sei, was mich zu dem Lied inspiriert hatte. Immer und immer wieder liefen Kinder auf uns zu, riefen: „Süßes oder Saures“, um so viele Süßigkeiten von den vielen versammelten Erwachsenen abzustauben. Amy wich nicht von meiner Seite, wohl wissend wie überfordert ich war. Irgendwann schaffte ich es aus der Menschentraube zu schlüpfen, die sich um mich gescharrte hatte, weil Amy es gekonnt gedeichselt hatte die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Ich huschte an den Gästen vorbei. Mein Kopf schwirrte furchtbar laut und die vielen Fragen surrten darin wie ein Schwarm wütender Wespen. Auf leisen Sohlen schlich ich in einen dunkleren Teil des Gartens. Ich folgte einer Zeit lang dem Lauf des kleinen Baches, bis kein Lichtpegel der Laternen mehr den Boden erreichte.
 

Mit einem angestrengten Seufzer stellte ich mein geplündertes Körbchen ab und setzte mich an das Ufer des kleinen Baches. Ich zog die Beine an mich heran. Meine Gedanken schwirrten zurück zu dem Moment, an dem ich aufgehört hatte zu spielen. Es war überwältigend gewesen und vieles war sicherlich in meinen überfluteten Sinneseindrücken untergegangen. Doch ich erinnerte mich so genau an das Grinsen des Bestatters, als er sein Glas beiseite gestellt hatte um mir zu applaudieren. Er war sogar aufgestanden! Ich versteckte den Kopf hinter meinen Händen, als ich nicht verhindern konnte, dass eine Miniversion von mir selbst mit einem breiten Grinsen in meinem Kopf freudig auf und ab hüpfte. Das Grinsen des Mini-me's schlich sich auch auf mein Gesicht. Dann sickerte ein orangener Schein durch meine Finger und Lider. Ich nahm die Hände herunter und staunte. Unzählige kleine Schiffchen mit Papierlampions glitten gemächlich über das klare Wasser des ruhigen Baches. Sie spiegelten sich in der galten Wasseroberfläche wie große Sterne.

„Wow“, machte ich leise.

„Schön nicht?“

Mein Kopf wirbelte zu meiner Seite. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich nicht alleine war. Ein grünes Auge lächelte mich an silbernen Haaren vorbei an.

Ich blinzelte: „Öhm... Hi?“

Undertakers Kopf drehte sich noch ein Stück zu mir und er winkte grinsend mit einer Hand. In seinem freigelegten kristallklaren Auge sah ich die leuchtenden Reflektionen der kleinen Schiffchen vorbei gleiten. Das Funkeln der Kerzen leuchtete mit seiner fluoreszierenden Iris um die Wette. Ich vergaß aufgrund dieses Lichtspiels das Atmen.

Irgendwann zwang ich mich, mich wach zublinzeln: „Öhm... Was tust du hier?“

Er grinste: „Hehe. Naja, ich hab gesehen wie sich unser kleiner Superstar davongeschlichen hat.“

Ich drehte meinen Kopf weg: „Ach, ich bin doch kein Superstar...“

„War es von dir?“

Ich drehte meinen Kopf doch wieder zu ihm: „Was?“

„Das Lied.“

Ich stockte kurz: „Ja... war es.“

Er lachte, aber nicht albern oder schrill: „Haha! Wie viele Talente du hast! Zeichnen, Gitarre spielen, Lieder schreiben, eine Mimik vom Feinsten!“, er legte den Kopf schief und stützte ihn in eine Hand. Ein Arm lag auf seinen halb angewinkelten Knien, den Anderen hatte er mit den Ellbogen abgestützt, um seinem Kopf darin ablegen zu können: „Kenne ich sie jetzt alle oder hab ich noch etwas, worauf ich mich freuen kann?“

Ich merkte ein Brennen in meinem Gesicht und schaute nach unten, als ich irgendwie beschämt und ein wenig überfordert meine Arme um meine Knie schlang: „Ich weiß nicht... Ich bin ja auch in dem was du aufgezählt hast nicht wirklich gut...“

„Natürlich und ich bin total humorlos“, konterte er mich mit einem sarkastischen Unterton im Lachen.

Ich schaute ihn an. Er hatte immer noch den Kopf auf die Hand gelehnt und beide Augen leuchteten nun mit den vorbei segelnden kleinen Sternen um die Wette, da ihm sein Pony aus dem Gesicht fiel: „Es war wunderbar.“

„Was? Das Lied?“

„Das Lied. Deine Stimme. Deine flinken Finger auf den Seiten und dein faszinierend passionierter Gesichtsausdruck.“

Mein Rot wurde dunkler und ich schaute wieder beschämt nach schräg unten: „Ach... du übertreibst...“

„Vergiss nicht: Ich lüge nie. Hehe!“

Irgendwie war mir das Lob ein bisschen unangenehm, deswegen versuchte ich das Thema zu wechseln: „Willst du kein Schiffchen fahren lassen?“, fragte ich.

Irgendetwas in Undertakers Blick veränderte sich. Sein Grinsen blieb an Ort und Stelle, aber das Lächeln in seinen Augen verschwand und kippte komplett. Die nun traurig funkelnden Augen wandte er halb zu dem Bach, ohne den Kopf aus der Hand zu nehmen: „So viele Schiffchen wie ich wollte, kann ich nicht fahren lassen.“

„Inwiefern?“, meine Blick klebte an diesem traurigen Grinsen und den erinnerungsschweren Augen. Auch dieser Gesichtsausdruck war einfach... ganz besonders! Er hatte dieselbe jahrzehntealte melancholische Ausstrahlung wie damals auf dem Friedhof.

Ihm einfuhr ein leises Seufzen, dann ein Lachen was nicht gespielt, aber traurig klang: „Ich habe schon viele, viele Freunde verloren.“

„Oh...“, machte ich: 'Ja, Skyler! Super gemacht! Volltreffer!'

Ich kratzte mich an der Schläfe: „Es... tut mir leid... ich wollte nicht, dass du...“

Undertakers Augen wanderten wieder zu mir und er lächelte mich an: „Alles gut. Das konntest du ja nicht wissen. Hehe.“

Doch irgendwie war ich neugierig: „Was ist denn mit deiner... deiner Familie?“

Er lachte komisch: „Ich habe keine.“

Mir klappte der Mund auf: 'Super Sky! Andere treten ins Fettnäpfen, aber du? Du machst den Moonwalk durch Fritteusen!'

Er nahm mit einem sanften Lachen den Arm, der locker auf seinen Knien gelegen hatte, streckte ihn zu mir und klappte mir mit einem Finger den Mund zu, bevor er ihn wieder auf seine Knie legte. Wir saßen nicht annähernd eine Armlänge entfernt. Unsere Schultern berührten sich fast. Wie war er bloß hier hingekommen, ohne dass ich es bemerkt hatte?

„Schau nicht so. Das musst du nicht.“

„Warum? Ich hab mich ja voll in die Nesseln gesetzt! Es tut mir leid! Ich wollte dich nicht an sowas erinnern!“

„Ich erinnere mich gerne an meine Freunde. An eine Familie kann ich mich nicht erinnern, weil ich nie eine hatte. Also, hehe: Keine Sorge.“

Ich drehte meinen Kopf zu dem kleinen Bach und wackelte nervös mit meinen angezogenen Füßen. Undertaker lachte wieder neben mir: „Hehe! Du hast jetzt nicht wirklich ein schlechtes Gewissen, oder?“

Ich wackelte ein bisschen mit dem Kopf: „Doch... schon...“

Ein langer Finger an meinem Kinn drehte mein Kopf wieder zu dem kuriosen Leichengräber: „Brauchst du aber nicht.“

Ich legte den Kopf schief, als mich diese in so vielen Art und Weisen leuchtenden Augen anlächelten und mein Herz erhörte seinen Takt: „Ja vielleicht, aber ich kann es nicht ändern...“, dann musste ich aus irgendeinem Grund lächeln: „Du hast jetzt auf jeden Fall wieder einen gut bei mir!“

Er lachte. Sein Gesicht wirkte wieder wie gewohnt: „Hahahaha! Doch nicht für so etwas. Das ist ja gemogelt!“

„Warum? Ich biete es dir doch an.“

„Dann lehne ich es halt ab.“

Ich schüttelte den Kopf: „Warum? Du magst es doch gar nicht ausgekitzelt zu werden.“

Er giggelte wieder: „Ehehe! Tu ich auch nicht, aber wenn es dir Spaß macht ist es das wert.“

Meine Gedanken krachten ineinander wie ein paar LKWs auf der Autobahn: „Hö?“

Er lachte wieder, streckte ein weiteres Mal seinen Finger aus und ließ ihn auf meiner Nasenspitze kreisen: „Thihihi! Naja, so wie du im Park gelacht hast und da du eben im Sarg meintest du dürftest nie deinen Spaß haben, folgere ich du hast Freude daran mich zu kitzeln.“

Ich grinste und schaute schräg nach oben: „Naja, ich hab Spaß daran wenn du quiekst und durch die Gegend hüpfst.“

Er nahm die Hand aus meinem Gesicht und lachte. Es steckte mich an. Eine kurze Weile hörte ich wieder nur unser gemeinsames Lachen.

Dann zog Undertaker etwas aus seinem Herrenrock. Er hielt es mir hin. Es war zusammengefaltet. Unsicher nahm ich es an und beschaute es: Es war eines der kleinen Schiffchen.

„Warum gibst du mir das?“, fragte ich verwirrt.

Er lächelte weiter: „Ich wusste nicht, ob du jemanden hast dem du Gedenken und ein paar liebe Grüße schicken willst.“

Ich schaute auf das gefaltete Schiffchen. Dann griff ich unwillkürlich an mein Medaillon: „Doch schon...“, 'Oma...'

„Na dann“, er hielt mir ein Teelicht und ein Streichholzbriefchen hin: „Tu es.“

Bedächtig faltete ich das Schiffchen auseinander. Dann nahm ich das Teelicht und ein Streichholz und zündete die Miniaturkerze an. Obwohl ich sie vorsichtig in das Schiffchen stellen wollte, verbrannte ich mir die Hand. Sie zuckte auf, doch das Teelicht landete wie gewollt in seiner Halterung. Ich wedelte mit meiner verbrannten Hand: „Aui...“

Undertaker schnappte sie bedächtig aus der Luft und drehte meine Handfläche nach oben. Es war keine große Stelle, doch sie leuchtete rot. In meinem Handschuh war ein kleines Brandloch.

„Du Schussel“, lachte Undertaker sanft.

Ich ließ den Kopf hängen: „Und ich kann's noch nicht mal auf mein Karma schieben...“

Wir schauten uns an und fingen wieder synchron an zu lachen. Er hielt meine Hand immer noch fest als wir uns beruhigt hatten.

Dann dachte ich, ich müsste gleich sterben.

Denn der Bestatter nahm meine Hand nach oben und drückte einen kleinen Kuss auf die verbrannte Stelle. Seine Lippen waren ganz weich und so unsagbar kalt!

Alles! Und ich meine wirklich ALLES! hatte aufgehört: Denken, Herzschlag, Atmung, die Welt. Es funktionierte NICHTS mehr! Ich starrte einfach nur auf das Gesicht des Bestatters, der es mittlerweile wieder hochgenommen hatte.

„Besser?“, fragte er.

Ich schaffte es irgendwie zu nicken. Es tat nicht mehr weh, denn ein Kribbeln hatte sich von der Stelle ausgebreitet und schwirrte wild durch meine Nerven. Durch alle Nerven. Gleichzeitig.

„Geht es dir nicht gut?“

„D-d-doch!“, schaffte ich es irgendwie: „Bei mir ist... ist alles ok!“

„Dann“, Undertaker ließ meine Hand los: „Lass es fahren.“

Ich konnte nicht aufstehen. Das Gefühl in meinen Beinen war auf das Kribbeln beschränkt und ich fühlte meine Knie nicht mehr. Ich räusperte mich und zwang mein Körpergefühl zu mir zurück zu kehren. Etwas umständlich krabbelte ich auf meine Füße und endete auf meinen wackeligen Knien. Auch Undertaker erhob sich. Vorsichtig ging ich endgültig zu dem kleinen Bach und setzte behutsam den leuchtenden Lampion ins Wasser.

„Für dich Oma“, flüsterte ich: „Ich hoffe es geht dir gut, da wo du bist. Mir... mir geht es gut.“

Dann segelte es mit den vielen Anderen nach irgendwo. Ich schaute dem kleinen Schiff mit einer gewissen Melancholie hinter her. Mir wurde gerade wieder bewusst, dass ich meine Oma furchtbar vermisste. Ich hätte so gerne, dass sie bei meiner Einschulung gewesen war. Dass ich in den Ferien zu ihr fahren und mit ihr backen könnte, während ich von meinem guten Zeugnis erzählte und den vielen tollen Sachen die mir passiert waren. Ich hätte ihr gerne Amy vorgestellt. Sie hätten sich sicher so gut verstanden. Ich hätte ihr so gern stolz erzählt, dass ich der Fag eines Prefects bin. Ich hatte noch so viel mehr was ich ihr erzählen wollte.

Zwei Arme falteten sich um meine Schultern und ich merkte den Druck von etwas Spitzem auf meinem Kopf.

„Sie weiß das alles“, sagte eine Stimme von oben. Es irritierte mich, dass der Bestatter mich von hinten umarmte und genau zu wissen schien, was ich dachte: „Woher...?“

„Intuition und Erfahrungswerte. Wenn ich mit atmenden Menschen zu tun habe. sind es zu 95% trauernde Angehörige. Ich weiß wie sie schauen. Ahehehehe!“

Worüber er lachte fragte ich nicht. Es gehörte einfach zu ihm. Wenn er nicht grinste oder lachte war die Welt einfach nicht richtig. Ich drehte mich um. Nun wo wir nicht mehr seitlich, sondern ich mit dem Rücken und er mit dem Gesicht zu den kleinen Kerzen standen, war das Funkeln in seinen Augen überdeutlich. Nur seine Pupillen schienen es gierig zu verschlucken. Sie leuchteten einfach heller als die Teelichter auf dem Wasser.

Er legte mir seine Hand an die Wange während sein Lächeln wieder Welten rettete. Sie war so kalt auf meiner roten Haut und lies eine Gänsehaut über meinen Körper rieseln. Ich spürte den Körper des Leichengräbers überdeutlich.

Meine Gedanken wurden ein weiteres Mal einfach fort gewischt. Was ich dachte und was um uns herum passierte war gerade einfach nicht wichtig. Diese grünen Augen. Die waren wichtig. Wie auf Kommando legte er mir die andere Hand um die Hüfte und zog mich zu sich. Zwischen unsere Körper passte nun nicht mal mehr ein Blatt Papier. Ich merkte wie mein Herz gegen seinen Körper schlug und Seins gegen meinen. Sie hatten denselben Takt. Aus einem spontanen Impuls heraus legte ich eine Hand an seine Schulter und fuhr mit der anderen seinen Hals hinauf bis sich meine Finger in seinen langen, weichen Haaren verhedderten. Der Totengräber wehrte sich nicht. Ich ertrank in seinen Augen, denn atmen konnte ich nicht mehr. Sein Daumen strich über meine Unterlippe und setzte die Stellen die er passiert hatte unter Strom.

Ich sah am Rand meines Sichtfeldes, dass sein Lächeln breiter wurde: „Ich hab es noch nie erlebt, dass jemand ein Lied über mich schreibt.“

„Wer sagt, dass es von dir handelt?“, neckte ich ihn leise.

Er lachte: „Hehe! 'You're hilarious and crazy, odd like no one else'. Über wen denn sonst? Meinen weniger psychotischen Zwillingsbruder? Oh warte, hehehehe, ich hab ja keinen! Ehrlich meine schöne Puppe. Ich bin blind, nicht taub. Selbst William hat es verstanden und der hat nun wirklich gar keinen Sinn für blumige Ausschmückungen.“

Ich lachte mit: „Sonst sagst du immer, du seist sehschwach und nicht blind.“

„Ehehehehe stimmt, stimmt. Aber blind ist schneller gesagt als sehschwach.“

Ich schloss meine Augen und wir lachten kurz. Dann merkte ich etwas Kühles gegen meine Stirn. Als ich meine Augen wieder öffnete hatte der Bestatter seine Stirn gegen meine gelehnt und immer noch die Augen geschlossen: „Denkst du so über mich?“

„Ja“, sagte ich ohne zu überlegen. Denken konnte ich gerade eh nicht mehr. Mein logischer Verstand war irgendwo mit dem Schiffchen in der Ferne verschwunden: „Tue ich.“

Die Kälte seiner Haut traf in einem sirrenden Knistern auf die Wärme meiner. Meine Gedanken vibrierten und wurden zu zähen Schleiern.

„Wenn du dich da mal nicht verschätzt.“

„Das glaube ich nicht.“

Der Totengräber lachte durch die geschlossenen Lippen und seine Hand fuhr über meine Wange in meine Haare, als er meinen Körper noch fester an sich drückte. Ich hob meinen Kopf ein Stück, er schlug die Lider auf und unsere Nasenspitzen berührten sich zum ersten Mal.

Mein Herz setzte aus, doch das bekam ich nur am Rande mit. Ich sah nichts mehr außer den schmalen leuchtenden Augen. Ich musste auch nicht mehr sehen. Sie waren alles, was ich sehen wollte.

Doch dann verschwanden sie, genau wie die Berührung seiner Stirn. Seine Nase war allerdings immer noch dort wo sie gewesen war, als er sein Gesicht ein Stück drehte. Ich spürte seinen Atem auf meinen Lippen und sein Herz schlug irgendwie schneller gegen meinen Körper. Mein Eigenes erwachte in einer rasenden Geschwindigkeit wieder zum Leben, als er sein Gesicht nach vorne recken wollte und ich die Augen schloss...

„Süßes oder Saures!“, grölte es in einem mehrstimmigen Kinderchor zu uns herüber. Ich riss die Augen auf. Der Kopf des Totengräbers fuhr herum. Meiner tat es ihm gleich. Eine Schar Kinder kamen mit ihren Tüten auf uns zu gerannt.

Mit einem Schlag kam die Welt zurück und ich war fast mit ihr überfordert. Ich blinzelte Undertaker an. Er lachte und ließ mich los. Also ließ auch ich, mit einem gewissen inneren Widerstand, meine Hände von ihm abfallen. Ein scharfes Gefühl surrte durch meine Brust, doch ich lächelte und ging hinter dem großen Mann die kleine Anhöhe hoch. Wir packten unsere Körbchen und verteilten die Süßigkeiten an die sich freuenden Kinder. Der Bestatter zeigte sich ungeahnt gekonnt in dem Umgang mit den Kleinen. Lachte, brachte sie zum Lachen. Wuschelte ihnen liebevoll durch die Haare. Das scharfe Gefühl wurde bei diesem Anblick ein wenig besser, ging aber nicht wirklich weg.

„Tschö!“

„Bis zum nächsten Jahr!“

„Macht es gut!“, riefen die Kinder, nachdem sie unsere Körbe fast leer gefegt hatten und liefen zu ihrer Aufsichtsperson um sich für die Heimreise fertig zu machen.

Ich seufzte. Das Surren hatte aufgehört. Doch nun lag eine Last schwer auf meiner Seele und ich hatte das Gefühl sie drückt mein Herz zu Boden. Ich schaute zu Boden, als dieses Gefühl mein Gemüt hinunter zog. Weit hinunter. Auf einmal hatte ich einen pinken Lutscher vor der Nase. Meine Augen wanderten an der Süßware entlang, über die langen Finger mit den schwarzen Krallen die sie hielten und dem Arm im alten Männerrock hoch bis zu dem grinsenden Gesicht des Totengräbers.

„Hehe. Lolly?“, fragte er giggelnd und wedelte mit dem Zuckerklümpchen vor meinem Gesicht.

Ich seufzte. Dann entfuhr mir trotz der Schwere in meiner Brust ein Lachen, als ich den weißen Stiel griff: „Hihi, danke.“

Ich steckte ihn nicht sofort in den Mund, sondern hielt ihn mit beiden Händen vor meine Brust und starrte ihn an. Dieses schwere Gefühl kannte ich nur zu gut: Es war Enttäuschung.

Das Rascheln von Plastik ließ mich hoch schielen. Undertaker hatte sich selber einen ausgepackt, die Folie in das Körbchen geschmissen und ihn in seinen Mund gesteckt. Sein Grinsen wurde irgendwie selig und entlockte mir ein Kichern. Dann wanderten seine Augen zu mir. Hastig schaute ich weg und die Röte, die die ganze Zeit nur auf ihren Auftritt gewartete hatte, traf mich mit voller Wucht.

Mit einem weiteren Lachen nahm der Leichengräber mir den Lutscher wieder aus der Hand und steckte ihn beiläufig in meinen Mund.

Ich blinzelte mit gestopftem Mund zu ihm hoch. Sein Lutscher dämpfte sein Lachen ein wenig. Dann drehte er die Süßigkeit einmal genüsslich in seinem Mund und nahm sie heraus: „Sollen wir zu den anderen? Nicht, dass noch jemand nach dem Geburtstagskind sucht. Hehe!“

Ich lachte dumpf und nahm ebenfalls den Lutscher aus dem Mund: „Können wir. Ich weiß zwar nicht wer nach mir suchen würde, aber naja.“

Undertaker setzte sich in Bewegung: „Hehehehe! Machst du Witze! Amy, Fred, Ronald. Eigentlich alle! Da sie mich auch aus den Augen verloren haben denken sie wahrscheinlich, ich foltere dich gerade mit einem meiner Halloweenscherze zu Tode. Tihihihihihihi!“

Ich schloss zu ihm auf: „So schlimm können deine Scherze nicht sein.“

„Och“, machte er lachend: „Ehehe! Kommt drauf an, ob ich die Person mag die sie treffen.“

Mit einem heiteren Lachen ließen wir die kleinen Schiffchen hinter uns.
 

Der Garten war schon um einiges leerer, als wir wieder zu der eigentlichen Party kamen. Es war spät und die Kinder waren verschwunden, sowie ein Großteil der anderen Gäste. Sie hatten ihren Ruf mit ein bisschen Charity aufpoliert und sahen wohl keinen Grund mehr zu bleiben.

Lee, Fred und Amy kamen auf uns zu gelaufen: „Sky?! Geht es dir gut?“

Ich schaute sie etwas verwirrt an und nahm den Lutscher aus dem Mund: „Ja klar, warum sollte es mir nicht gut gehen?“

Ihre Augen wanderten synchron zu Undertaker.

Dieser lachte: „Ehehe! Ich habe nichts getan.“

Ihre Augen wanderten zu mir.

Ich nickte: „Er hat recht.“

Die Drei atmeten im Chor durch.

Ich schaute den Bestatter an: „Du bist an Halloween wirklich ein Albtraum, oder?“

Er hob die Schultern: „Ehehehehe! Ich hab ne Menge Spaß.“

„Das glaube ich“, machte Fred: „Weißt du wie viele Gäste in deine Fallen getappt sind?“

„Hehehehe! Ich hoffe einige.“

„Ja!“, rief Fred fast gereizt.

Lee kicherte: „Und es war lustig.“

Ich steckte mir meinen Lutscher wieder in den Mund und beschaute die Szenerie schweigend.

Amy nickte eifrig: „Die haben blöd geschaut. Als der Einen das Skelett um die Ohren geflogen ist! Aber die ist auch eine blöde Schnalle! Hat sie voll verdient“

„Oh oh“, machte Lee und zeigte auf Amy: „Oder der steife Typ, der von der Riesenspinne assassiniert wurde!“

„Oder oder!“

Fred hebt die Hände und unterbrach Amy: „Es reicht!“

„Aber es war lustig“, sagten Amy und Lee im Chor.

Undertaker lachte: „Hihihi! Und ich hab's verpasst.“

„Wo warst du eigentlich?“, fragte Amy: „Ich habe es noch nie erlebt, dass du es verpasst dir deinen Triumph abzuholen.“

Er giggelte: „Ich hatte etwas Besseres zu tun.“

Ich stockte und blinzelte zu ihm hoch. Ich merkte drei paar Augen auf mir. Also drehte ich meinen Kopf zur Seite und versuchte mein Rosa daran zu hindern nicht in einem satten Rot zu enden.

Ein Klimpern lenkte mich ab. Als ich hoch schaute sah ich, dass Sebastian mit ein paar Mägden angefangen hatte das Essen rein zutragen.

Amy lachte: „Es geht wohl jetzt drinnen weiter. Kommt!“

Die Gruppe setzte sich in Bewegung. Dann stoppte uns ein großer Knall, gefolgt von einem spitzen: „IIIIIIHHHH!“

Amy, Lee und Fred wirbelten herum. Ich blieb stocksteif an der Stelle stehen. Undertaker presste die Hand vor den Mund und hielt sich mit der anderen den Bauch. Diese Reaktion gab bei mir Entwarnung. Es schien, als habe nur ein weiterer seiner Streiche gefruchtet.

„UNDERTAKER!“, keifte es von hinten: „Wenn ich dich in die Finger bekomme, bist du tot! Hast du gehört?! TOT!“

Ich drehte mich herum. Grell stand vor einem Dekoskelett und hielt die Arme von seinem Körper. Er war über und über bedeckt von blauem Glibber.

Undertaker drehte sich um und verlor jegliche Selbstbeherrschung als er Grell erblickte: „Pahahahahahaahahahahahahaahaha! Nein! Ausgerechnet du! Ahihihihihihihhihi! Das ist ja wie Weihnachten und Neujahr am selben Tag!“

Grell hob den Kopf und sah den lachenden Bestatter.

„DU!“, rief er: „RENN UM DEIN ERBÄRMLICHES DASEIN!“

Dann sprintete der Mann in Rot los. Es überraschte mich, dass er in dem langen, engen Rock so ungestört und schnell rennen konnte.

Undertaker schaute mich kurz an: „Äh... Ehehe! Ich muss kurz weg!“

Dann nahm der Bestatter seine Beine in die Hand und rannte schrill lachend in Richtung Gebäude. Dabei rannte er Sebastian fast um den Haufen, als er an ihm vorbei in einer Türe verschwand. Der Butler schaute mit klimpernden Augen in unserer Richtung. Grell rauschte wütend und mit erhobener Faust an uns vorbei: „BLEIB STEHEH, DU AUSHILFSPAUSENCLOWN!“

Sebastian hob das Tablett mit Essen über seinen Kopf und presste sich gegen eine Wand, um Grell Platz zu machen, der in seiner Wut die Übersicht über die Umgebung verloren zu haben schien. Als dem Butler aufging was passiert war, drückte er seine behandschuhte Hand vor den Mund und lachte Grell leise, aber mit einigem Pläsier, aus.

Amy, Lee, Fred und ich tauschten kurz ein paar stumme Blicke und mussten dann anfangen zu lachen.

„Willkommen bei den Phantomhives“, grinste Fred zu mir, als wir uns beruhigt hatten.

Ich nickte und lächelte breit. Ich war gerne hier.
 

Schließlich hatte wir es endlich geschafft den Ballsaal zu betreten. Wir unterhielten uns locker, als wir in den großen Raum kamen.  Doch das kribbelige Gefühl - welches mich mal wieder den ganzen Abend verfolgte und nur am Bach fast nicht mehr zu merken gewesen war – stob wieder auf und war intensiver, als den vorangegangenen Abend. Ein kleiner Tumult stoppte allerdings unsere Konversation und meine Grübeleien, über das Kribbeln. Ich sah Alex, Heather, Frank und Charlie beieinander in einer Ecke stehen. Sie lachten amüsiert. Nur Frank hatte die Hände in den Hosentaschen und rollte unaufhörlich mit den Augen.

„LASST MICH LOS! Das wird er mir büßen! Das war ein Designerstück! Hörst du?! EIN DESIGNERSTÜCK!“

Unsere Köpfe drehten sich zu dem Geschreie. Grell hatte eine große Schüssel Bowle in den Händen. Sie faste sicherlich 10 Liter und er hielt sie bemerkenswert unangestrengt über seinen Kopf. Undertaker lag vor ihm auf den Boden und starb einen seiner üblichen lachenden Tode. An einem Arm von Grell hing Ronald, an dem anderen William. Sebastian hielt von vorne gegen die große Schüssel.

„Sutcliff!“, rief der strenge Schwarzhaarige: „Lass die Bowle sinken! Ich warne dich! Du bist eine Schande für die ganze Dispatch Association!“

„Grell!“, zurrte Ronald an seinem Arm: „Beruhige dich! Es ist doch nur Götterspeise! Das kann man waschen!“

„NIEMALS! Er wird leiden! Hört ihr?! LEIDEN!“, Grell versuchte sich nach vorne zu beugen, doch Ronald und William hielten ihn davon ab.

„Ich warne dich Grell!“, schnaubte der Butler wütend: „Wage es dich und ich werde dein schlimmster Albtraum!“

Ich war der festen Meinung Undertaker würde Grells Rache eh nicht mehr miterleben. Vorher unterlag er seinem Lachanfall.

Nachdem mein Unglaube überwunden war, musste ich lachen.

„Ich versuch mal die Situation zu retten“, seufzte Fred.

Lee hielt ihn zurück: „Oh nein, nein, nein! Ich will wissen, ob er sein Fett weg kriegt!“

Fred seufzte wieder: „Du trägst ihm die Sache mit der Farbbombe vom letzten Jahr immer noch nach, oder?“

„Ja!“, machte Lee: „Aber natürlich!“

Fred kratzte sich am Kinn: „Wo bin ich hier gelandet?“

Lee lachte: „Sag du es mir. Ist dein Haus.“

„Ja“, machte Fred: „Ich lebe in einem Irrenhaus...“

Ich musste kichern. Amy stimmte ein.

Grell versuchte immer noch in rasender Wut Undertaker die Bowle über den Kopf zu schütten. Sebastian, William und Ron riefen ihn Dinge zu, doch der Mann in Rot hatte komplett dicht gemacht und war nur noch auf die Vollendung seiner Rache fixiert, womit er sein Ziel augenscheinlich nur noch mehr amüsierte.

Auch diese Szene hatte trotz allem ihre ganz eigene Idylle und Harmonie. So geht man nicht mit Menschen um, die man nicht mag. Das war ein Hahnenkampf unter Freunden.

Und ich. Ich stand in einer kleinen Gruppe von Gleichaltrigen, mit der ich mich gemeinsam amüsierte. Eine nicht gekannte Leichtigkeit fuhr durch mein Herz. Ich fühlte mich akzeptiert. Ich hatte das Gefühl meine Anwesenheit war gut und richtig.

Freds Stimme weckte mich: „Es reicht. Das geht ja nicht vor und nicht zurück.“

Amys älterer Bruder machte sich auf den Weg zu den Streithähnen.

Lee stöhnte: „Och nein! Es ist doch grad' so lustig!“

Fred warf nur abwertend eine Hand zu ihm über die Schulter und ging weiter: „Komm runter Grell!“

„SAGT MIR NICHT WAS ICH TUN SOLL!“

Fred diskutierte mit Grell um die Wette. Irgendwann setzte sich Undertaker in den Schneidersitz und legte den Kopf schief, als er die Szenerie beschaute. Nicht, dass er sie hätte auflösen können indem er einfach weggehen würde. Doch das tat er nicht. Er hatte offensichtlich viel zu viel Spaß. Nach ein paar Sekunden fing er an sich grübelnd mit dem Zeigefinger an die Lippe zu tippen. Ich sah die kleine Glühbirne förmlich über seinem Kopf anspringen, als er ein weiteres Mal lachte.

Was folgte erntete meinen ehrlichen Respekt.

Undertaker stellte die Hände hinter seinen Rücken auf den Boden und sprang vorne auf die Füße. Dann stoß er sich mit den Füßen ab und machte einen Handstand. Sein Fuß wandte sich an dem schwarzhaarigen Butler vorbei und trat vor die Bowle. Die Schüssel kippte nach hinten. Der Butler konnte sie nicht schnell genug fassen und sie ergoss ihren Inhalt auf den wütenden Mann in Rot. Die Krempe seines großen Hutes klappte nass nach unten und Sebastian, Ronald sowie William huschten schnell zur Seite um der roten Flüssigkeit zu entkommen. Als Undertaker in der Hocke gelandet war, bewahrte Fred die große Glasschüssel von der Kollision mit dem Boden und Grell stand wie ein begossener Pudel, vollgesaut mit Bowle und Glibber in der Gegend.

Ich musste neidvoll zu gestehen: Der Stunt hatte Stil. Viel davon.

Sebastian legte die Hand an die Stirn und stemmte die andere in die Hüfte: „Warum? Warum hast du das getan? 1.700 Pfund... einen ganzen Vormittag Vorbereitung und nun ist es Parfüm für einen roten, begossenen Pudel...“

William seufzte und legte eine Hand vor die Augen: „Drama in...3...2...1...“

„RUINIERT!“, Grell ging in die Knie, schlug die Hände vors Gesicht und fing lautstark an zu flennen: „Warum?! Oh warum ich?! Was, oh Welt, habe ich dir angetan?! Mein schönes Kleid! Oh mein schönes Kleid!“

Lees, Amys und mein Kopf kippten gleichzeitig zur selben Seite, als Grell so bitterlich um seine Garderobe weinte.

Von hinten hörte ich Amys Eltern und Charlie lachen. Auch Sebastian schüttelte amüsiert den Kopf, als er Fred die Schüssel abnahm und Ronald hatte sich, die Hand auf den Bauch, vor Lachen vorgebeugt. William schüttelte mit verschränkten Armen den Kopf.

Undertaker stand auf und ging die zwei Schritte zu Grell, der schluchzend in seiner Pfütze saß. Mit einem seiner langen Zeigefinger hob er ein Bröckchen der blauen Götterspeise von Grells Schulter als er sich hinunter beugte.

„Hmmm Blaubeere mit Erdbeerbowle. Ahehehehehe. Köstlich“, lachte er, als er sich das kleine Bröckchen in den Mund geschoben hatte.

Grell griff ihn am Hemd und schüttelte ihn: „Wie konntest du nur?! Wie konntest du nur?! Ich dachte wir sind Freunde und gehen durch dick und dünn?!“

Undertaker lachte, während er wieder nach vorne und hinten geworfen würde: „Tun wir. Ahehehehe! Durch dick, dünn und blaue Gelatine! Pahahahaha!“

„DU HAST MICH GAR NICHT GERN!“

Undertaker lachte weiter: „Awahahahahaha! Natürlich habe ich dich gern! Hätte ich dich nicht gern, hätte ich blauen Tapetenkleister genommen! Tihihihihihi!“

„ICH HASSE DICH!“

William ging die Hutschnur hoch. Er riss Sebastian, der die Szenerie mehr als perplex verfolgt hatte, die große Schüssel aus der Hand und zog sie Grell über den Hinterkopf: „Es reicht!“

Grell kippte an Undertaker vorbei und blieb mit einem zuckenden Bein liegen. Lachend stand der Bestatter auf und William klemmte die ovale Schüssel unter seinen Arm: „Tat das denn wirklich Not, Undertaker?“

Dieser lachte immer noch: „PAHUHUHUHUHUHUHU! Voll auf die 12! WAHAHAHAHAHA!“

William seufzte, stellte die Schüssel wieder auf den Tisch, packte dann Grell am Kragen und zog seinen halbohnmächtigen Kollegen einfach über den Boden aus dem Raum.

Ich schaute Amy an: „Sind die...“

„Ja“, machte sie, ohne dass ich ausreden musste: „Das ist der ganz normale Wahnsinn“, lachend breitete sie die Arme aus: „Willkommen bei den Phantomhives!“

Ich lachte mit.

Eine Magd kam mit einem Wischtuch und nahm sich der Bowlenpfütze an.

Jemand seufzte neben mir. Es war Sebastian.

Der Butler schaute uns mit einem großen Schweißtropfen an der Stirn an: „Darf ich euch eure Jacken abnehmen?“

Kichernd gaben wir dem Butler unsere Jacken.

Dann ertönte moderne Musik. Eine Mischung aus Rock, Pop und Electronic. Sie war ziemlich flott.

Lee streckte Amy eine Hand hin: „Oh, das Lied hab ich mir gewünscht! Darf ich bitten?“

Amy legte ihre Hand hinein. Ich sah einen kleinen rosa Schlimmer auf ihrem Gesicht: 'Aha? Solche Typen magst du also.' Ich war mir ganz sicher, dass sie letztes Mal bei Ron nicht rot geworden war.

Lee zog Amy auf die Tanzfläche. Was sie aufs Parkett legten war nicht wirklich einer Tanzart zuzuordnen, aber es sah gut aus und die Beiden hatte sichtlich Freude.

Auch Ron hatte keine Probleme aus den übrig gebliebenen, unbekannten Gästen eine schöne Tanzpartnerin zu finden. Selbst Fred nahm sich eines Mädchens an und führte sie auf die Tanzfläche. Alex hatte die Hand seiner Frau genommen und die Beiden wirbelten über die Tanzfläche.

Ich blieb alleine zurück und legte den Kopf schief, während ich den Anderen beim Tanzen zuschaute.

Nun wo mich nichts mehr ablenkte, schwebten meine Gedanken ein paar Minuten zurück zu dem kleinen Bach. Was war dort passiert? Oder eben nicht? Wäre etwas passiert?

Mein Herz klopfte schneller, als ich an die Situation dachte und ich verschränkte meine Hände hinter dem Rücken, als ich den Kopf hängen ließ.

Wahrscheinlich wäre nichts passiert. Wollte ich, dass etwas passierte? Und wenn.... was?

Ich hatte wieder 2 Stimmen in meinem Kopf: Die Eine war sich sicher zu wollen, dass etwas passierte. Die Andere fragte mich, ob ich etwas Schlechtes gegessen hatte und wie ich denn bitte auf den Gedanken der puren Möglichkeit kommen würde. Ich schabte gedankenverloren mit meinem Fuß über den glatten Marmorboden.

Was soll denn bitte ein Mann wie er an mir gut finden? Ich habe sicher... Ich musste das falsch interpretiert haben. Ich wusste ja noch nicht einmal wie ich es interpretierte! Er wollte mich sicher nur irgendwie ärgern... Wahrscheinlich hatten mich die Kinder vor einem Streich gerettet. Einen Piks mit einem dieser Scherzelektroschocker oder so...

„Willst du nicht tanzen?“, fragte eine Stimme neben mir.

Ich schaute hoch in ein vernarbtes Gesicht: „Öhm...“, dann schaute ich wieder zu Boden: „Ich kann nicht gut tanzen.“

Undertaker lachte: „Ahehehehehe! Du bist im violetten Haus. Natürlich kannst du tanzen.“

Ich schüttelte den hängenden Kopf: „Nein... Ich hab in Tanzen gerade mal eine Drei...“

„Noten sind nicht alles. Tihi!“

„Kannst du tanzen?“

„Machst du Witze?“, lachte der Bestatter: „Ich liebe es! Hehe! Und ich möchte einfach mal von mir selbst behaupten ich bin ziemlich gut darin!“

Ich legte den Kopf schief und schielte zu ihm hoch: „Warum tanzt du dann nicht?“

Eine Hand erschien vor meiner Nase: „Meine Tanzpartnerin hat noch nicht ja gesagt.“

Ich zog den Kopf ein Stück zurück und schaute ungläubig von seiner Hand in sein Gesicht: „Was meinst du?“

Sein warmes Lächeln war wieder erschienen: „Darf ich um diesen Tanz bitten?“

Ich zögerte. Irgendwie war ich mir nicht mehr sicher wie ich mich ihm gegenüber verhalten sollte. Die Situation am Bach stand ungeklärt wie eine dicke Wand zwischen mir und dem hochgewachsenen Mann. Ich war weder sicher was ich wollte, noch konnte ich irgendwelche Schlüsse ziehen was er darüber dachte. Er benahm sich eigentlich, als wäre es nie passiert. Vielleicht überdenke ich das alles auch nur und für ihn war es irgendwas vollkommen Unverfängliches gewesen. Schließlich sah der Totengräber Dinge einfach ganz anders als alle anderen. Ich seufzte.

„Sky?“, hörte ich seine Stimme.

Ich blinzelte zu ihm hoch: „Hm?“

„Ist irgendetwas?“

Ich zuckte mit den Schulter: „Ich... weiß nicht.“

„Willst du reden?“

Ich schüttelte den Kopf: „Ich sag dir Bescheid wenn ich wirklich weiß was. Dann kann ich dir sagen ob.“

Der Bestatter wackelte mit den Kopf: „Wie du möchtest. Nun? Was sagst du?“

Mir fiel auf, dass er mir immer noch seine Hand hinstreckte. Ich musterte sie kurz überlegend. Was nützt es mir jetzt mich davon aus der Bahn werfen zu lassen? Zumindest von seiner Warte aus schien ja zwischen uns alles völlig in Ordnung zu sein. Außerdem hatte er mir schon so oft geholfen. Eigentlich war ich es ihm schuldig.

Also nickte ich knapp und legte ein wenig zögerlich die Hand in Seine. Seine kalten, langen Finger schlossen sich um meine eigenen und er zog mich mit sich.

Das Lied wechselte, als wir auf der Tanzfläche angekommen waren, zu einer schnellen Discomusik. Ich konnte mir irgendwie nicht vorstellen, dass es die Musik des Bestatters war. Andererseits wenn man wirklich gerne tanzte fraß in diesem Punkte wohl der Teufel Fliegen.

Ich wusste nicht wirklich wie ich anfangen sollte. Meine Scheu den Bestatter anzufassen war ungeahnt groß geworden. Des Weiteren war er so groß! Ich endete an seinem Schlüsselbein!

Meinen Zaudern wohl gewahr nahm der Bestatter das Zepter in die Hand. Er legte meine Arme um seinen Hals und dann seine Hände links und rechts an meine Taille. Wir begangen uns im Rhythmus der Musik zu drehen. Das Einzige, was nicht annähernd im Takt war, war mein Herz. Es klopfte viel zu schnell und drohte mich immer wieder aus dem Rhythmus zu werfen. Doch der Totengräber führte mich mit einer ungeahnten Routine über die Tanzfläche. Mir war natürlich schon aufgegangen, dass der Leichengräber alles andere als ungeschickt oder ungelenk war, aber ich hatte ihm irgendwie nicht zugesprochen, dass er gut tanzen könnte. Wenn einer von uns beiden viele Talente hatte dann er und nicht ich.

Irgendwann schubste er mich sachte weg, packte dabei meine Hand und wir drehten uns halb auseinander. Dann wieder zurück. Er nahm meine andere Hand, ließ die Erste los und wir drehten uns wieder ein Stück auseinander. Als er meine zweite Hand wieder griff hörte ich ihn lachen. Es schien ihm Freude zu machen und diese Erkenntnis mogelte ein leichtes Lächeln in meine Züge. Ich konzentrierte mich furchtbar genau auf meine Füße. Ich wollte auf keinen Fall wieder auf der Nase landen, oder ihm auf die Füße treten. Meine 10cm Plateauabsätze machten es leider nicht einfacher.

Es irritierte mich immer ein wenig, wenn er eine Hand los ließ um eine Figur zu drehen. Ob er mich nun um mich selbst drehte, oder von ihm weg. Doch nach dem ersten Lied hatte meine Scheu einem amüsierten Pläsier Platz gemacht. Die Freude des Bestatters war ansteckend. Ansteckend wie sein Lachen. Es war einfach nicht möglich sich in seiner Anwesenheit dauerhaft schlecht zu fühlen. Wenn auch im positiven Sinne: Dieser Mann war furchtbar manipulativ!

Ich hatte die Lieder, die wir auf der Tanzfläche verbrachten, nicht mit gezählt. Es waren viele gewesen! Lange drehten wir uns und tanzten. Ich gewann durch die führenden Hände des Totengräbers immer und immer mehr an Sicherheit bei dem, was ich tat und irgendwann war die ganze Anspannung von mir abgefallen. Ich fing an zu lachen und zu lächeln. Genau wie der große Mann direkt vor mir. Er hatte nicht gelogen: Er war ein unglaublich guter Tänzer. Er hatte mit seiner Aussage er sei 'ziemlich gut darin' eigentlich sogar eher untertrieben. Seine großen, runden Bewegungen waren instinktiv und in einem hohen Maße elegant. Doch irgendetwas in meinem Kopf sagte mir, dass er sich nicht gänzlich wie ein Tänzer bewegte. Ich hatte das Gefühl seine Körpergefühle und -beherrschung hatten noch einen anderen Ursprung. Nur konnte ich nicht sagen welchen.

Als Undertaker mich wieder einmal um mich drehte sah ich Grell auf der Tanzfläche. Er trug seinen roten Anzug und tanzte ausgelassen neben Ronald. Die Beiden tanzten ohne Partner. Auch sie hatten ihre Körper exzellent unter Kontrolle. Undertaker nahm wieder meine zweite Hand und in der Drehung huschten meine Augen über Amy, Fred und Lee. Auch die beiden Jungs bewegten sich einzigartig beherrscht, doch nicht so wie Amy, die wirklich nur wie eine gute Tänzerin wirkte. Irgendwo her kam mir diese Art sich zu bewegen bekannt vor. Dann machte es Klick: Die Kampfsportler aus dem grünen Haus bewegten sich ähnlich. Sie hatten Bewegungsabläufe aus dem Training instinktiv in ihren Körpertonus übernommen. Aber... war es möglich, dass sie alle auf irgendeine Art und Weise im Kampfsport bewandert waren? Lee war es. Er hatte in den lockeren Plaudereien fallen lassen, das er Prefect des grünen Hauses gewesen war und seine Schulkameraden furchtbar lachen mussten, als er als Chinese Kung Fu als Hauptsportart gewählt hatte. Bei Fred konnte ich es mir auch vorstellen. Kampfsport war ein beliebtes Hobby für junge Menschen. Dasselbe galt vielleicht auch für Ron. Aber Grell und Undertaker? Sie wirkten beide nicht, als seien sie der Typ dafür.

Die Musik wechselte zu einer Ballade und Undertaker warf mich aus meinem Gedanken, als er seine Hände an meine Hüften nahm und mich zu ihm ran zog. Instinktiv legte ich die Hände um seinen Hals und wir begangen zu schunkeln.

Seine grünen Augen schauten mich an: „Hast du Spaß?“

Ich nickte eifrig und konnte das breite Grinsen nicht von meinem Gesicht verbannen.

Er lachte: „Haha! Das freut mich!“

Dann legte er vollkommen ohne Vorwarnung seine Stirn auf meine und schloss mit einem zufriedenen Grinsen die Augen. Obwohl mein Gesicht wieder so furchtbar warm wurde und ich einen kleinen Flashback zurück zum Bach unterlag, schloss ich meine ebenfalls und begann die Situation zu genießen. Meine inneren Mauern waren zerbröckelt. In mir wollte sich nichts mehr wehren und eine angenehme Wärme stieg von meinen Bauch in meine Brust.

Just in diesem Moment ging splitternd die Welt unter...
 

Schreie.

Überall.

Menschen rannten durcheinander.

Chaos.

Panik.

Ein fürchterliches Krachen hatte unsere Köpfe herumfahren lassen.

„Vorsicht!“, hatte jemand gerufen.

„Alle von den Fenstern weg!“, ein anderer.

Die Splitter der berstenden Fensterscheiben flogen glitzernd durch den Raum und auf die Menschen darin.

Mir war, als krieche der Hauch der Verdammnis durch die kaputten Fenster. Er füllte den Raum in Sekundenschnelle und schnürte mir mit einem unangenehmen Kribbeln unter der Haut die Brust zu. Mich ergriff das unwillkürliche Gefühl jemand beobachtete uns aus sicherer Entfernung durch die kaputten Fensterscheiben.

Erst waren zwei Fenster weiter weg zu Bruch gegangen. Die Welt erfasste ich für einen überforderten Moment nur in abgehackten Sequenzen, die keinen Sinn ergaben.

Mit einem lauten Krachen folgte das Fenster direkt neben uns. Glas rieselte durch die Luft und fiel wie ein Regen aus feinen Kristallen auf den Boden. Auch auf den Bestatter und mich. Mir entfloh ein Schrei. Er mischte sich unter die Panik der Anderen, als ich den Kopf unter meine Arme und auf meine Brust drehte um die Splitter nicht ins Gesicht zu kriegen.

Eine Hand packte mich und zog mich herum. Als ich aufschaute sah ich Undertaker, der mich hinter sich zog. Dann folgte ein schneidendes Geräusch und ein... Winseln?

Die Zeit spulte sich mit einem mal wieder in ihrem eigentlichen Tempo ab, als ich hinter dem Rücken des Totengräbers zum Stehen kam. Ich traute meinen Augen nicht. Was ich sah lag jenseits meiner Vorstellungskraft. Die Bilder krochen schwer durch meine geschockten Gedanken.

Schützend vor mir stand der Totengräber. Doch was er in der Hand hielt, wollte ich erst nicht erkennen. Ich tat es, doch konnte es nicht glauben. Wo kam sie her? Verstecken konnte man so etwas nicht! Sie war viel zu groß!

Das Winseln wurde zu einem Knurren. Ein gigantischer schwarzer Hund sprang auf den Bestatter zu. Und ich meine gigantisch! Seine Schulterhöhe schlug locker die eines ausgewachsenen Kaltblüters um die Hälfte. Das Tier fletschte seine abscheulich spitzen Zähne und wollte sie zielgerichtet in den Bestatter bohren. Der Körper des Tieres schnitt durch die Realität wie ein Brieföffner durch weißes Papier und zog eine unsichtbare Spur aus Unheil hinter sich her.

Doch Undertaker lachte durch seine geschlossenen Lippen.

Dunkel.

Gefährlich.

Mit einem Streich der großen Sense, die er von irgendwo her hatte, fiel das Tier nach hinten. Eine Blutsichel flog von der Spitze der silbernen Waffe durch die Luft. Er führte seine Sense so natürlich, als wäre sie ein verlängerter Arm.

Dieses Ding war anders als alles, was ich bisher gesehen hatte: Der Griff war größer als der Bestatter selbst. Ich schätzte ihn auf ungefähr 2.10 Meter. Sie hatte eine lange geschwungene Klinge, die aussieht als würde sie aus einem Schädel wachsen, um den eine dornige Rebe gewickelt war. Das aus einem Brustkorb und dem Schädel bestehende Miniatur-Skelett schmückt das obere Ende der Sense. Die Wirbelsäule des Skeletts verschwand in dem langen Griff, der in einem unteren Rückgrat endete. Sie sah erstaunlich aus. Ich musste des Weiteren zugeben, dass sie prächtig zu dem morbiden Mann passte. Doch die große Waffe passte nicht in diese Welt. Irgendetwas waberte um sie herum, zu gleichen Teilen überdeutlich wie unsichtbar. Aus der Wunde des Hundes platzten etliche Streifen eines alten Super 35 Films. Sie schwirrten durch die Luft. Mit einer Handbewegung des Bestatters verschwanden sie wieder.

Das Tier zuckte nicht mehr und blieb einfach liegen.

Undertaker drehte sich zu mir um. Ich wollte etwas sagen. Ihn Dinge fragen, aber das Aufheulen eines Motors ließ meinen Kopf herumschnacken. Ein weiterer Hund sprang auf Grell zu. Er hatte eine rote Kettensäge in der Hand, deren Griff goldene Ornamente aufwies. Auch sie wirkte, als habe man sie ausgeschnitten und in ein Bild mit falschem Stil geklebt. Mit einer gekonnten Bewegung zerfiel das Tier in Zwei. Blut schwabbte über den Boden. Wieder flogen Filmstreifen durch den Saal, die Grell ebenfalls mit einer wischenden Bewegung verschwinden ließ.

Ein weiterer Motor. Mein Kopf flog zur anderen Seite. Ronald flog durch die Luft und hatte einen... Rasenmäher... in den Händen. Ich schüttelte perplex den Kopf. Doch spätestens als er das kreisende Blatt mit einem viel zu hohen Sprung auf den Kopf des Hundes vor ihm steckte und ihn so das Gesicht und die Schnauze zerfetzte, war mir bewusst, dass so etwas ordinäres wie ein Rasenmäher in den Händen des Jünglings eine gefährlich Waffe war. Des Weiteren wirkte auch dieser Rasenmäher auf irgendeine Art und Weise ganz und gar nicht ordinär! Die Szenerie mit den Filmstreifen wiederholte sich ein weiteres Mal. Auch der blonde Jüngling verbannte sie mit einer Geste seiner Hand nach irgendwo.

Ein langer, metallischer Stab schwirrte durch mein Sichtfeld als ich Ronald beschaute und ließ die Wirklichkeit verwischen. Eine Astschere bohrte sich durch den ganzen Rum in das Gesicht eines dieser scheußlichen Viecher. Das andere Ende hatte William in der Hand. Er zog sie wieder heraus, die Astschere fuhr ineinander, nur, um sich über seinem Kopf zu drehen und sich gleich wieder auszufahren, als er sie nach vorne stieß und den nächsten Hund erdolchte. Bei seinen Gegnern fuhren ebenfalls super 35 Filme aus den tiefen Wunden auf den strengen Mann zu. Er ließ sie durch zwei Finger fahren und wenn der Film sie passiert hatte, zerfiel er zu braun glitzerndem Staub.

Was war hier los? Wo kamen diese ganzen Dinge her? Eine riesige Sense, diese lange Astschere, ein großer Rasenmäher und eine schwere Kettensäge! Sie hatten nichts davon irgendwo vorher bei sich getragen. Und nichts davon versteckte man in seiner Hosentasche! Die Zeit war auch viel zu kurz gewesen um sie zu holen! Sie waren einfach auf einmal da! Und diese Filme? Was waren sie?! Woher kamen sie?!

Ich wusste nicht wo ich hin schauen sollte. Etliche schwarze Monsterhunde rauschten durch den Ballsaal. Ihre  getöteten Kameraden zerfielen zu schwarz glänzendem Staub und machten so Platz für die Neuankömmlinge. Filme schwirrten durch die Luft. Blut überflutete den polierten Marmorboden. Das Blut der Hunde... und das Blut der Menschen, die ihnen hilflos zum Opfer fielen, wenn sie nicht schnell genug hinter die 4 Männer gekommen waren. Schreie und Gekläffe surrten durch die Luft und erfüllten sie gänzlich.

Silberne Schatten flogen an meinen Augen vorbei. Ich folgte ihnen, als sie einen weiteren Hund an mehreren empfindlichen Stellen trafen und ihn niederstreckten. Das waren... Silbermesser! Ganz normale Silbermesser! Das Filmstreifenspektakel blieb schon fast zu meinem Verwundern aus. Ich drehte die Augen in die Richtung, aus denen sie gekommen waren. Sebastian rannte durch den Raum und warf das Tafelsilber wie Dolche. Er traf mit jedem Wurf. Der Mann war schnell. Ich konnte ihn kaum sehen.

Wieder dieses grässliche Reißen und ein Winseln hinter mir. Undertaker hatte einen weiteren Hund mit der großen Sense ins Nirwana geschickt. Ich sah drei Weitere auf ihn zu springen.

Das schafft er nicht! Ich hatte keine Ahnung woher er mit dem Ding so gut umgehen konnte, doch drei waren definitiv zu viel. Das war unmöglich!

„Undertaker!“, kreischte ich.

Dann setzte sich ein riesiger Kloß in meine Kehle und ich starrte ungläubig auf eine Szenerie, an die ich in meinen schlimmsten Albträumen nie zu glauben gewagt hätte:

Der Bestatter duckte sich nonchalant unter dem ersten Hund hinweg und rammte ihm sein Sensenblatt in den Bauch. Er zog es der ganzen Länge nach durch den Hund und sein Innerstes platschte schwer, nass und blutig auf den Boden. Mit einer drehenden Bewegung seiner Waffe köpfte er den Anderen, um dann die Sense über seinen Kopf mit beiden Händen zu packen und in der Stirn des Dritten zu versenken. All das war in einer einzigen Bewegung und weniger als einer Minute über die Bühne gegangen. Ich hing irgendwo zwischen tiefem Schock, totalem Unglauben und ehrfürchtigem Erstaunen.

Der Totengräber sprang zurück zu mir. Er landete neben mir, griff mich an den Schultern und zog mich in seinen Arm. Schützend brachte er das geschwungene Blatt vor uns und ich verlor den Boden unter meinen Füßen, als er mit einem langen Sprung mehr Distanz zwischen uns und die Fenstern brachte, durch die immer mehr dieser monströsen Hunde sprangen.

Rückwärts legte er den gesamten Raum mit einem einzigen Sprung zurück und landete neben Amy und ihrer Familie, so wie Lee, Charlie und Frank.

Undertaker setzte mich neben meiner besten Freundin ab: „Bleib hier!“

Er wollte sich wieder umdrehen und zurück ins Gefecht welches Grell, Ronald, William und Sebastian so eisern mit ihren außergewöhnlichen Waffen fochten.

Doch ich griff seinen Arm, mit dem er diese vollkommen überproportionale Sense führte: „Bist du verrückt?! Du kannst da nicht wieder hin! Hast du dir mal diese Monster angesehen?! Die sind riesig!“

Sein Kopf zuckte zu mir: „Ehehehehe! Ich weiß, aber ich muss den Anderen helfen.“

„Das ist Selbstmord!“, ich begann zu zittern und merkte einige Tränen meine Wangen runter kullern: „Die bringen dich um! Die zerreißen dich! Ich will nicht, dass dir etwas passiert!“

Ein mitfühlendes Lächeln erschien in seinem Gesicht. Er legte die freie Hand auf meinen Hinterkopf. Dann blieb mir das Herz stehen, als er mir mit seinen weichen, kalten Lippen einen schnellen Kuss auf die Stirn drückte. Er wischte mir mit dem Daumen die Tränen aus dem Gesicht. Vollkommen überwältigt und unvorbereitet getroffen rutschten meine Hände von seinem Arm.

„Mir passiert nichts. Hehe! Es braucht schon etwas mehr als ein paar Straßenköter, um mich in einen Sarg zu bringen!“, lächelte er mir selbstsicher und irgendwie amüsiert entgegen. Ich konnte sein Amüsement nicht im Geringsten nachvollziehen. Überall starben Menschen und tobten irgendwelche Monster um uns herum.

„Aber!“

„Bleib hier, damit ich mir keine Sorgen um dich machen muss. Fred! Lee! Frank! Charlie! Alex! Ich verlasse mich auf euch!“

Dann verschwand er einfach. Von jetzt auf gleich war er einfach nicht mehr da.

Ich zitterte und merkte heiße Tränen meine Wangen herunterlaufen. Ich hatte furchtbare Angst!

Amy legte mir die Arme um den Hals: „Alles wird gut Sky! Uns passiert nichts! Sie passen auf uns auf!“

„Aber!“, sah ich sie an: „Wer passt auf sie auf?!“

„Sieh selbst“, Heather hatte sich zu uns herunter gebeugt und legte schützend die Arme um ihre Tochter und mich: „Ihnen wird nichts passieren. Sie sind exzellente Kämpfer. Die Besten.“

Fred, Lee, Frank, Charlie und Alex stellten sich vor uns. Jeder von ihnen hatte ein Schwert in der Hand. In den Schneiden prangten einige Runen und filigran hinein gearbeitete Symbole aus allen Religionen.

„Sebastian!“, rief Alexander erbost: „Bereite dem ganzen Spektakel ein Ende! Das ist ein Befehl!“

Der Butler lachte dunkel und zückte mehr Messer und Gabel, bevor er los sprang: „Ja, mein Lord!“

Ich verstand die Welt nicht mehr, als Sebastian mit einem gezielten Wurf den nächsten Hund ins Jenseits schickte.

Ein Aufschrei erreichte meine Ohren und ließ meinem Blick von dem Butler wegfahren. Ronald flog durch die Luft. Blut spritzte aus seiner Brust und von den scharfen, erhobenen Krallen eines Hundes. Das Vieh muss ihm frontal die grässlichen Klauen in den Oberkörper gerammt haben. Krachend ging Ron mit seinem Rasenmäher zu Boden.

Der Hund holte über ihm aus und ich schlug die Hände vor den Mund. Amy zog mich näher zu sich: „Ron!“

Das Heulen der Kettensäge erlösten den Hund von seiner grauenhaften Tatze. Dann von seinem Kopf.

Der Rothaarige half dem Blonden auf, während die braunen, glänzenden Filme um sie herum schwirrten. Ronald stand, was mich zutiefst verwunderte. Die vier tiefen Wunden bluteten.

„Geht's?“, fragte Grell und schnipste die Filme weg.

Ronald nickte: „Alles ok!“

'Alles ok?!', ich verstand die Welt nicht mehr. Niemand! Wirklich niemand wäre nach so einem Treffer einfach wieder aufgestanden! Doch der Blonde stand und packte seinen Rasenmäher, während er auf den nächsten Hund zu sprang und sich für seine Verletzung bitterlich rächte. Die 5 Männer waren so unsagbar schnell. Teilweise sah man sie gar nicht mehr. Sie verschmierten die Realität wie Wasser auf frischer Ölfarbe.

Grell drehte sich um und erschrak ein Stück: „Undertaker!“

Mein Kopf fuhr wieder herum. Undertaker stand auf einem Bein zwischen drei Hunden. Dem einen hatte er mit dem Kopf auf seiner Sense das Maul gestopft. Obwohl die Kiefer der Hunde beachtlich kräftig seien müsste erlitt seine Sense nicht mal die Idee eines Schadens. Dem Zweiten hielt sein Fuß und den Dritten seine Hand an den Schnauzen auf Abstand. Obwohl die Tiere mit aller Kraft dagegen drückten, wirkte der Totengräber noch nicht einmal angestrengt. Im Gegenteil. Er lachte.

“Ahehehehehehe! Mir geht es prächtig!“

'Prächtig?!', unumstößliche gute Laune und positive Weltsicht in allen Ehren: Die Situation war einfach nicht mehr komisch und er in mächtigen Schwierigkeiten!

Ich merkte erst in welchen Schwierigkeiten er wirklich steckte, als die drei Monster tief Luft holten. Ein furchtbar greller, orangener Schein tauchte den ganzen Raum in ein grässliches Licht. Hitze flog uns entgegen und brannte in meinen ungläubigen Augen. Doch schließen konnte ich sie nicht.

Mein ganzer Körper fror für einen Moment ein. Mein Herz ging in die Brüche. Mein Kopf kam mit dem Denken nicht mehr hinter her.

„UNDERTAKER!“, kreischte ich dann vollkommen hysterisch, als der Totengräber in einer Horde heißer, roter Flammen verschwand.

Mein Körper gehorchte mir nicht mehr. Ich sackte mental, wie körperlich vollkommen in mir zusammen. In dem Moment, in dem Undertaker von dem Feuer verschluckt worden war, spürte ich mein gesamte Welt in sich zusammenfallen. Es konnte doch nicht... Er kann doch nicht einfach tot sein! Er konnte nicht einfach so in meine Welt platzen, sie vollkommen auf den Kopf stellen und dann einfach wieder verschwinden! Für immer! Das konnte er nicht! Er hatte mir doch versprochen immer da zu sein! Und er log doch nie!

Die Tränen, die über meine Wangen rannten, waren bei weitem nicht nur dem Brennen in meinen Augen geschuldet.

Amy hielt mich fest: „Sky, bleib ruhig! Es ist alles ok!“

„Alles ok!“, mein Oberkörper schnellte hoch und ich griff Amy an den Schultern: „Er ist tot, Amy! TOT!“

„Nein, Nein!“, Heather drückte uns fester: „Ihm geht es gut!“

„WAS?!“, meine Stimme war schrill vor Überforderung und Panik und so viel, so viel Trauer. Meine Nerven hatten ihr Ende schon weit überschritten und nun war auch noch Undertaker den Monstern endgültig zum Opfer gefallen.

„So schau doch!“

Auf die Aussage von Amys Mutter hin, drehte ich meinen Kopf wieder zum Ort des Geschehens.

Als müsse ihre Aussage unterstrichen werden, flog einer der Hunde durch den halben Saal. Der Bestatter sprang lachend aus dem roten Feuerball und landete auf der Schnauze des Hundes, den er vorher mit seiner Hand zurückgehalten hatte. Er riss dem Anderen die Sense aus dem Maul und versenkte sie in seiner Schläfe. Sein grauer Herrenrock war vollkommen ruiniert, doch der Bestatter abgesehen von ein paar rußverschmierten Stellen vollkommen in Ordnung. Nicht, dass ich das schlecht fand. Doch nun war ich vollends ratlos. Ich hatte das Gefühl, ich hatte nichts von der Welt verstanden. Denn ich kannte keine Welt, wo man drei Feuersäulen überlebte und danach heiter lachend nonchalant ein paar Monster verkloppte. Doch genau das geschah gerade. Denn Undertaker sprang von dem Kopf des Hundes ab, drehte sich und tötete Monster Nr. 2 ebenfalls mit der Sense in der Schläfe. Es war eine absurd beschauliche Szenerie, als der Bestatter zwischen Blut und Filmstreifen leichtfüßig auf dem Boden landete. Seine Sense hing an seinem lockeren Arm und er wischte sich lachend mit der anderen Hand den langen Pony in die Haare.

Ich traute meinen weit aufgerissenen Augen nicht mehr im Geringsten. Ich musste träumen! Genau! Sicherlich wachte ich gleich auf, lag in meinem Bett und Amy erzählte mir, dass ich auf der Halloweenfeier zu viel getrunken hatte und vom Alkohol ausgeknockt worden war. Das war alles nur ein vollkommen abgedrehter, böser Traum! Nur ein böser Traum!

Monster Nr. 3 sprang auf ihn zu, doch eine Astschere in der Kehle schickte ihn vorher an einen besseren Ort. Noch mehr Film.

Undertaker schaute William an: „Hehe! Mach mein Spielzeug nicht kaputt!“

'Bitte was?!'

William teilte meinen Unglauben, als er mit Undertaker in dem rotierenden Ball aus Filmstreifen stand: „Ich habe dir geholfen!“

„Was nicht nötig ist. Ehehehehe!“

„Du bist unverbesserlich!“

Die Beiden töteten jeweils einen weiteren Hund, der ihnen in den Rücken springen wollten, ohne auch nur hinzusehen. Der braune Ball wurde dichter und drehte sich schneller, als er mit noch mehr Filmstreifen angefüllt wurde. Die Luft zirkulierte mit ihm und fuhr mir scharf durch die Haare.

Die beiden Männer schnipsten. Der Ball zerbarst in einer riesigen Staubwolke und rieselte zu Boden. Die Luft beruhigte sich.

Undertaker drehte sich um: „Ehehehe! Wie ich mir dachte!“

„Was?“, fragte William genervt. Die Beiden erwehrten sich eher nebenbei eines weiteren Hundes, als der Bestatter fortfuhr: „Ehehehehehe! Hey Butler! Hinter den Fenstern ist ein Portal!“

Sebastian, der als schwarzer Schatten durch die Luft gesprungen war und mit dem Tafelsilber ebenfalls einige Hunde zu Tode geworfen hatte, landete neben ihm: „Wo genau?“

Die Sense des Totengräbers deutete aus dem Fenster.

„Hihi“, giggelte Undertaker: „Schließe es doch bitte. Mir wird langweilig. Diese armseligen Viecher sind keine adäquaten Gegner für uns.“

Der Butler verschwamm zu einer schwarzen Schliere. Doch kurz vor dem Fenster stoppten ihn einige Hunde, die in den Raum sprangen. Die Bestien schickten auf dem Butler einige lodernde Flammensäulen entgegen. Doch der schwarzhaarige Mann zog einen Handschuh aus. Ein grelles violettes Licht erschien und die Flammen der Biester folgten der Hand des Butlers. Er schickte sie einem von ihnen entgegen und versenkte ihn in einem Flammenmeer. In dem Moment waren auch schon Grell, Undertaker, Ronald und William an seiner Seite erschienen und schickten die anderen Hunde mit einem beherzten Schlag ihrer kuriosen Kampfwerkzeuge wieder aus dem Fenster. Sebastian sprang den Hunden hinterher.

Ronald, Grell, William und Undertaker erlegten noch 5 übrig gebliebenen Monstrositäten. Eine davon schaffte es vor seinem Ableben durch William, Grell eine tiefe Wunde am Arm zu verpassen.

Dann...

Kehrte Stille ein.

Träge bewegten sich die zerrissenen Spitzengardinen in dem Luftzug, der durch die gesprungenen Fenster in den Raum zog. Das borstige Fell der toten Hunde wehte darin sachte. Dann nahm die Brise die Kadaver als schwarzer Staub mit sich.

Sebastian stieg durch eines der Fenster wieder in den Raum: „So. Das müsste es gewesen sein“, der Butler schaute sich mit in die Hüfte gestützten Armen in dem zerstörten Ballsaal um: „Herrje. Was ein Chaos.“

Die restlichen Gäste begannen zu kreischen, als sie ihre Schockstarre überwunden hatten und flüchteten durch Türen und Fenster. Nur die Toten und wir blieben zurück.

William seufzte: „Knox! Sutcliff!“

Auf sein Kommando erschien in den Händen der drei Männer ein dickes Buch. Aus den Seiten lugten hier und dort bunte Klebezettel.

Jeder der drei Männer begab sich zu einer Leiche und Schnitten eine kleine Wunde mit ihren Gartenwerkzeugen hinein. Wieder platzten die Super 35 Filme aus den blutigen Löchern. Sie studierten sie einige Zeit gründlich, schlugen dann ihr Buch auf, blätterten hindurch und drückten einen Stempel auf die Seite.

Routiniert gingen die Männer die Leichen ab. Was sie da taten erschloss sich mir nicht.

Die Luft frischte wieder auf. Erst nur lau, doch dann zog sie schwer an meinen Haaren. Immer noch in der schützenden Umarmung meiner besten Freundin und ihrer Mutter hielt ich mit einer Hand meine Haare aus meinem Gesicht und es wandte sich zu dem Zentrum des kleinen Vortex.

Es war Undertakers Zeigefinger.

Der braune Staub der Filme und der schwarze Staub der Hunde stoben vom Boden auf, verfingen sich in der Wirbelschleppe und drehten sich wie die Spiralarme einer braun-schwarz glitzernden Galaxie um den Finger des Totengräbers.

Er öffnete die Hand. Die Luftzirkulation nahm rapide zu und alles, was in dem Raum nicht festgemacht war, kippte hinunter und polterte um.

Der glitzernde Staub sammelte sich in seiner Hand zu einem großen Ball. Seine Sense zersprang wie Glas und es wirkte, als splitterte an dieser Stelle kurz die Wirklichkeit. Dann drehte sich Undertaker einmal um die eigene Achse, stieß den Arm mit Schwung nach vorne und der Ball pfiff um Haaresbreite an Sebastians Ohr vorbei durch das Fenster hinter ihm. Die Augen des Butlers zuckten kurz und verblieben ein wenig größer in seinem Gesicht, als der Ball ihn ohne Vorwarnung knapp verfehlte. Er zerplatze in viele Funken und kurz flackerte die Silhouette einer männlichen Gestalt hinter dem Fenster auf. Im selben Moment war sie wieder verschwunden.

Sebastian starrte auf die Stelle wo die Gestalt kurz erschienen war und drehte sich dann zum Bestatter: „Claude?“

Dieser nickte schrill kichernd:“ Ehehehe! Claude.“

„Das erklärt einiges. Du konntest ihn spüren?“, ging Sebastian zu dem Totengräber.

„Nein“, giggelte er: „Ich hab ihn gehört.“

Ich zog die Augenbrauen zusammen. Undertaker stand in der Mitte des Ballsaals in der Größe dreier Fußballfelder und will jemanden vor dem Fenster, also in rund 100 Metern Entfernung, durch all den Tumult gehört haben?

Und was zum Teufel meinte der Butler mit 'spüren'?

Ich verstand die Welt nicht mehr.

Was gerade passiert war, passte einfach nicht in sie hinein.

Mein Puls raste immer noch in meinen Venen, als die Männer vor uns ihre Schwerter auf den Boden legten. Obwohl sie bewaffnet waren, hatten sie nicht eingegriffen. Ich konnte es ihnen nicht verübeln.

Grell, Ronald und William erschienen bei Undertaker und Sebastian. Buch und Waffen waren verschwunden.

Undertaker schaute sich um: „Scheint, als habe ich ein bisschen Arbeit gewonnen. Ehehehe!“

William seufzte: „Wie auch immer. Unsere ist getan.“

Der Bestatter wendete sich zu dem Butler: „Ich darf mir doch sicher euren Kühlraum leihen, oder? Hehe.“

Der Butler nickte langsam: „Ja, darfst du. Ich habe keine Lust, dass sie anfangen uns die ganze Villa zu zu stinken. Dieser Geruch geht nie wieder aus den Textilien.“

„Dann geh mir doch bitte zur Hand. Ehehehehe!“

Als wäre nichts passiert schulterten der Butler und der Bestatter jeweils 2 Leichen. Sie verschwanden und kamen irgendwann wieder, um die Nächsten abzuholen. So brachten sie die 15 Verblichenen nach und nach aus dem großen Raum. Es war ein Wunder, dass es so wenige waren. Es war ein Wunder, dass wir noch lebten.

„Ist bei euch alles ok?“, fragte Heather sorgenvoll, als Undertaker und Sebastian mit der zweiten Fuhre Toter verschwunden waren.

Amy nickte: „Ja alles gut.“

Ich antwortete nicht. Ich wusste einfach nicht was... was gerade überhaupt passiert war! Die Hölle war los gebrochen und 5 Männer hatten sich zahlloser Monster erwehrt. Drei davon ohne, dass ihnen ein Haar in der Frisur verrutscht war und die zwei Lädierten standen, als habe sie eine Mieze gekratzt und nicht ein riesiger Monsterhund mit geschätzten 220cm Schulterhöhe!

„Skyler?“, hörte ich Heathers besorgte Stimme: „Bist du in Ordnung? Du blutest.“

Mein Kopf drehte sich zu ihr und ich suchte dann hastig meinen Körper ab. Ich hatte eine große Schnittwunde am Oberarm. Wahrscheinlich von den gesplitterten Fensterscheiben. Nichts Bedrohliches, aber sie hatte mir den linken Arm voll geblutet. Jetzt, wo ich sie sah, brannte die Stelle ganz furchtbar. Doch ich drehte meinen Kopf zu Amys Mutter und nickte hastig: „Äh ja. Das ist... glaube ich nichts Schlimmes.“

Die Frau drückte Amy und mich erleichtert an sich: „Gott sei Dank!“

Als sie ihre Umarmung gelockert hatte wischte Amy mir durchs Gesicht: „Du bist total verheult. Ich kann dich verstehen! Geht es dir wirklich gut?“

Ich realisierte erst jetzt, dass meine Tränen zwar stumm gewesen, doch die ganze Zeit weiter meine Wangen herunter gerannt waren. Mein Herz klopfte immer noch viel zu schnell. Ich hatte Angst es blieb stehen.

„Ich...“, begann ich und unterdrückte ein Schluchzen mit meiner Hand. Mein Körper begann unkontrolliert zu zittern: „Habe mich furchtbar erschreckt!... Was... was ist passiert?“

Lee hatte sich neben uns auf den Boden gesetzt und legte mir die Hand auf die Schulter: „Es ist vorbei. Niemandem passiert mehr etwas.“

Fred schaute seinen Vater an: „Wir müssen sie einweihen.“

Alexander nickte seinem Sohn beipflichtend zu: „Das sehe ich ebenso. Aber erst einmal sollten wir uns beruhigen und die Verwundeten verarzten.“

Auch Charlie und Frank saßen auf dem Boden und nickten angestrengt. Sie hatten zwar nichts getan, doch sahen sie erschöpft aus. Man sah die Alarmbereitschaft förmlich bei ihnen abfallen. Bei Lee, Fred und Alex wirkte es ähnlich.

Heather stand auf. Amy zog mich auf die Füße.

Die Countess Phantomhive lächelte mich und Amy mütterlich an: „Wie wäre es, wenn ihr ein Bad nehmt, um euch wieder zu beruhigen? Danach werden wir sprechen.“

„Aber...“, machte Amy, doch ihre Mutter unterbrach sie: „Schatz, ich verstehe dich. Aber wir müssen uns erst einmal kurz sortieren, ok? Wir sind genauso überrascht wie ihr.“

Amy schaute mich an. Erschöpft nickte ich. Was mit mir geschah war mir eigentlich egal. Mein Kopf raste wie mein Herz und ich konnte keinen klaren Gedanken fassen.

Heather führte uns, die eine Hand an meinem, die Andere an Amys Rücken aus dem zerstörten Ballsaal. Sie sprach eine Magd im Flur an. Die Frau wirkte etwas verstört, aber einigermaßen gefasst und eilte davon um ein Bad fertig zu machen.

Schweigend gingen wir durch den düsteren Flur der Villa. Heather nahm ihre Hand nicht von unserem Rücken. Sie vermittelte mir eine warme Sicherheit. Ich hatte das Gefühl sobald diese Hand verschwand würde ich zusammenbrechen.

Dann hallten zwei Stimmen durch das Düster. Als wir um die Ecke bogen, kamen uns Sebastian und Undertaker entgegen. Sie waren von den Schultern an total blutverschmiert. Der Butler wirkte ernst, doch der Bestatter giggelte wie gewohnt.

Als ich den silberhaarigen Mann erblickte, fasste ich den ersten halbwegs klaren Gedanken nach einer gefühlten Ewigkeit. Er war trotzdem weit von überlegt entfernt. Eine Kurzschlussreaktion.

„Undertaker!“, ich lief aus dem plötzlichen Impuls heraus los.

Der Kopf des Totengräbers flog herum und ich hörte ein leises „Uff!“, als ich ohne zu bremsen meine Arme um seine Taille schlang.

Ich spürte eine Hand um meine Schultern und eine andere, die mir sanft den Kopf tätschelte.

Ich nahm den Kopf von seiner Brust und schaute ihm ins Gesicht: „Gott, hab ich mich erschreckt! Bist du denn vollkommen verrückt geworden?! Hast du endgültig den Verstand verloren?!“

Undertaker lachte, doch ich ließ ihn nicht zu Wort kommen. Ich löste die Umarmung, griff den Revers seines verschmorten Herrenrocks und schob ihn auseinander. Ich untersuchte und befühlte sorgfältig seinen Oberkörper nach eventuellen Blessuren, wollte sichergehen, dass das Blut nicht sein eigenes war und suchte nach den Brandwunden, die der Totengräber haben musste! Doch es gab keine. Der Leichengräber war vollkommen unverletzt, roch lediglich nach Eisen und verbranntem Stoff: „Geht es dir wirklich gut? Du bist doch nicht verletzt, oder?!“

Er nahm mich an den Schultern und schob mich ein Stück weg, um mir besser ins Gesicht schauen zu können: „Es geht mir gut. Ich habe dir doch gesagt mir passiert nichts“, dann nahm er meinen blutverschmierten linken Arm. Ein komischer Schatten flog durch seine grünen Augen, die noch deutlich zu sehen waren, da sein Pony immer noch in seine langen Haare geschoben war: „Im Gegensatz zu dir.“

Ich schaute kurz auf meinen Arm: „Oh das... Das ist nichts! Hätte Heather nichts gesagt, hätte ich es gar nicht bemerkt. Aber du... du... du...“, ich konnte meine rotierenden Gedanken und unverarbeiteten Eindrücke nicht in Worte fassen. Doch mein Herz beruhigte sich wieder, als ich mir sicher war, dass dem Bestatter nichts zugestoßen war.

„Ich habe nicht einen Kratzer. Habe ich dir nicht gesagt, du musst dir keine Sorgen um mich machen? Hehe.“

„Hör auf zu lachen!“, kreischte ich: „Das das das das das... war alles einfach so ganz und gar nicht lustig! Dir hätte sonst was passieren können! Da waren Monster! Und Blut! Und T...To...Tot...Tote...“, ich hatte vorher noch nie einen toten Menschen gesehen. Schon gar keinen, der in purer Todesangst zu Grunde gegangen war. Ihre seelenlosen... ihre gedankenlosen, leeren Augen hatten aufgerissen in die Luft gestarrt. Der stumme Hilfeschrei hatte noch deutlich ihr Gesicht verzerrt, als sie mit aufgerissenen Körpern, abgerissenen Körperteilen und furchtbaren Verstümmlungen vollkommen blutverschmiert und schlaff auf dem hellen Marmor gelegen hatten.

Ich versteckte mein Gesicht in den Händen, als mir ein Schluchzen entfuhr und ich wieder zu zittern begann. Was war nur passiert?!

Ein Paar Arme umfingen mich aufmunternd: „Es ist vorbei, meine schöne Puppe.“

Ich legte die Arme um seinen Hals und drückte ihn feste an mich: „Erschrecke mich nie wieder so!“

„Das... könnte schwierig werden.“

„Nein! Nein, das ist überhaupt nicht schwierig! Tu so etwas nie, nie, nie, nie, nie wieder!“

Ich vergrub mein Gesicht in seiner Schulter, als meine Apartheit von Panik zerschlagen wurde welche sich in vielen heißen Tränen und endlosem Geschluchze ergoss: „Was ist passiert?! Was war das?! Was zur Hölle war das?!“

Ich wusste nicht nach wie viel Zeit, aber irgendwann hatte ich eine dritte Hand auf der Schulter: „Komm Sky. Evelyn hat ein Bad für uns vorbereitet. Das wird dir gut tun. Danach erklären wir dir alles. So kannst du eh nichts aufnehmen“, hörte ich Amys einfühlsame Stimme.

Undertaker legte mir die Hände auf die Schultern und drückte mich weg und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht: „Sie hat recht. Geh mit ihr.“

„Aber... aber du...!“

„Bist der Letzte, um den du dir jetzt Sorgen machen musst. Geh mit Amy, damit ich mir keine mehr um dich machen muss, ok? In echter Freundschaft kann die Welt genesen. Auch nach so etwas. Amy wird auf dich aufpassen. Das weiß ich. Es gibt niemanden, dem ich dich mit besserem Gewissen mitgeben könnte. Wenn es dir besser geht komm zu uns und wir erzählen dir die Wahrheit.“

„Die Wahrheit? Worüber?!“

„Über uns“, sprach der Bestatter ruhig: „Doch jetzt geh.“

Amy nahm meine Hand und zog mich mit sich. Heather nickte den Beiden kurz zu. Sie nickten verstehend zurück und dann kam die Countess Phantomhive hinter uns her. Ich schaute über meine Schulter zu dem Bestatter, der mit Sebastian weiter Richtung Ballsaal ging.
 

Heather führte uns in ein riesiges Badezimmer. Wäre ich nicht so verstört gewesen hätte ich den komplett mit weißen Marmor verkleideten Raum, in dessen Mitte eine riesige Wanne eingelassen war, sicherlich bestaunt.

Dampf füllte das Bad und mir stieg der Duft von Lavendel in die Nase. Ich mochte Lavendel. Er roch so gut. Doch auch das machte mich gerade nicht glücklich.

Amys Mutter verabschiedete sich und Evelyn, eine junge Magd die ich schon von meinem letzten Aufenthalt kannte, kam mit zwei Stapeln Kleidern und zwei Tassen Tee in das Badezimmer. Sie stellte die Tassen auf den ebenerdigen Badewannenrand und verschwand mit einem aufbauenden Lächeln.

Amy zog sich aus. Ich stand in der Gegend herum.

„Komm Sky“, sagte Amy, als sie mit einem leisen Platschen ins Wasser glitt.

Mit einem Seufzen zog ich mich aus und stieg zu meiner besten Freundin in die Badewanne. Das warme Wasser tat furchtbar gut. Meine Muskeln entspannten sich ein bisschen, als ich mir die zwei Geschenkbänder aus den Haaren band und die Spangen herauszog. Nur der geflochtene Zopf blieb unangetastet.

Ich tauchte mein Gesicht unter Wasser und rubbelte mir das zerstörte Make up aus dem Gesicht und das trockene Blut von meinem Arm. Ich wollte kein Blut mehr sehen! Die toten Augen der armen Seelen im Ballsaal spukten durch meine Gedanken und jagten mir immer wieder eine Heidenangst ein. Amy und ich sprachen nicht. Auch die Phantomhive schien nicht ganz ohne mentale Blessuren aus der Situation gekommen zu sein. Sie versuchte trotz allem irgendwann mit mir zu sprechen, doch ich antwortete nur einsilbig, beschäftigt mit den jüngsten Ereignissen. Was als schöner Abend begonnen hatte, war in einer Horrorshow geendet.

Nachdem die Teetassen leer, wir sauber und die Nerven nicht mehr ganz so blank waren, zogen Amy und ich die schlichten schwarzen, langen Kleider und unsere Schuhe an.

„Bist du bereit?“, fragte Amy, bevor wir das Bad verließen.

Ich nickte.

„Sicher? Das... wird alles nicht so leicht zu glauben sein.“

„Amy“, sagte ich stumpf: „Ich glaube es gibt mittlerweile wenig, was ich nicht mehr glaube.“

Sie nickte bedächtig: „Wahrscheinlich hast du recht. Ich tippe trotzdem es hält die ein oder andere unangenehme Überraschung bereit.“

„Ich will es wissen“, sagte ich mit fester Stimme. Das Einzige dessen ich mir sicher war, war, dass ich Antworten wollte.

Amber nickte: „Gut, dann komm.“
 

Ein paar Minuten folgte ich Amy durch die Flure.

Ich hatte ein komisches Gefühl im Nacken. Irgendwie zerrte an mir das Gefühl wir waren nicht alleine. Doch immer, wenn ich mich umdrehte, lag der Flur düster und leer hinter uns. Ich schüttelte beim gefühlt hundertsten Mal den Kopf und schnaubte. Ich war jetzt, glaube ich, endgültig paranoid. Ich konnte mir einreden so oft ich wollte, dass dort niemand war: Das Gefühl es blieb beständig.

Amy drehte sich um: „Was hast du?“

Ich wandte mich zu ihr und schloss auf: „Ach nichts. Nur eine blühende Paranoia.“

Amy wackelte mit dem Kopf: „So ganz kann ich es dir nicht verübeln.“

Ich seufzte. Mitleid brauchte ich jetzt wirklich nicht. Dieser Wirbelsturm an furchtbaren Empfindungen in meinem Inneren machte es auch nicht besser: „Wie weit müssen wir noch?“

„Wir müssen in den Südflügel. Es ist noch ein Stück.“

„Wozu braucht man so ein großes Haus?“

„Frag meine Vorfahren“, antwortete die Phantomhive: „Die haben es gebaut. Statussymbol tippe ich. Die Zeiten waren früher anders.“

Das Gefühl brannte in meinem Nacken. Ich drehte mich wieder um: Niemand.

Wenn Undertaker mich jetzt wieder verarschen wollte, hatte der Typ ein riesiges Problem mit mir! Aber irgendwie glaubte ich das nicht. Er mochte es, wenn ich mich gruselte. Doch gerade ging das Gefühl in Richtung Todesangst.

„Sky?“

Ich drehte den Kopf wieder: „Ich bin verrückt geworden...“

„Umso besser passt du hier rein. Glaub mir.“

Wir gingen weiter. Unsere Schritte halten laut durch die leeren, langen Flure. Denn er war leer! Wann begriff ich das endlich?!

„Du erzählst mir nichts?“, fragte ich und rieb mir meinen unangenehm kribbelnden Nacken.

Amy schüttelte den Kopf: „Mein Vater erklärt es dir.“

Ich seufzte und nickte, als ich einen weiteren Impuls mich umzudrehen widerstand.

Dann zog sich das Kribbeln plötzlich blitzschnell meine Wirbelsäule entlang und ließ mich unwillkürlich meinen Rücken straffen.

Für 2 Sekunden war ich meinen Taten nicht mehr Herr.

„Vorsicht!“, rief ich.

'Wovor?', fragte ich mich gleichzeitig.

Ich wusste nicht warum ich es tat, aber das Kribbeln und Surren war in meiner Wirbelsäule so heiß und schneidend. So brennend, dass mein Körper sich wie davon geleitet drehte. Ich schubste Amy gegen die Wand. Die Welt zog sich wie Kaugummi und gleichzeitig raste die Zeit vorbei. Ich taumelte selber nach hinten. Ein Schatten flog zwischen mir und Amy hindurch. Er wäre in uns rein gerast, ständen wir noch dort, wo wir eben gestanden hatten. Amy starrte mit großen Augen auf den Schatten und dann auf mich. Ein kratzendes und schleifendes Geräusch schabte über den breiten Läufer auf dem Flurboden. Der Schatten war ein Mann geworden. Er hockte nach vorne gebeugt auf dem Boden und hatte mit seiner in den Teppich festgekrallten Hand den Läufer zerrissen.

Die Gestalt des Mannes traf mich wie ein Schlag. Diese stufigen, schwarzen Haare, der Frack, goldene Augen hinter einer eckigen Brille. Es war der Butler meines blonden Angreifers vom letzten Monat.

Claude Faustus.

Ein knisterndes, vollkommen überfordertes Schweigen brach fast schreiend zwischen uns Dreien aus.

Amy öffnete den Mund. Der Mann verschwand und riss Amy von der Wand. Sie wollte schreien, doch die weiß behandschuhte Hand des zweiten Butlers ließ sie stumm bleiben. Er presst sie so fest auf ihren Mund, dass sie keinen Ton herausbrachte.

Als er Amy in seinen Klammergriff nahm, erkannte ich die Gelegenheit: „Was willst du?! Lass sie gehen! Hilfe!“

Etwas bohrte sich in meine Brust. Es riss mich von den Füßen. Zu Boden. Ich knallte auf den Rücken und griff an die schmerzende Stelle. Unter meinem linken Schlüsselbein steckte ein goldenes Messer. Der schneidende Schmerz erschwerte mir das Atmen.

'Amy!', raste es durch meinen Kopf, als ich vom Boden aus ihre wild strampelnden Füße sah. Ich durfte jetzt nicht schlapp machen! Sie braucht mich! Die Anderen waren sicher noch viel zu weit entfernt! Ich rappelte mich auf und schaffte es unter großen Schmerzen Luft zu holen. Der Butler muss einen Nerv oder zumindest einen sehr empfindlichen Punkt getroffen haben. Ich schrie so laut ich konnte: „Verschwinde! Lass uns in Ruhe! Hil.... IRGS!“

Claude unterbrach mein Gebrüll mit einem Schuh an meiner Schläfe. Mein Kopf schnackte nach hinten und riss mich wieder zu Boden.

Die Welt drehte sich.

Schwarze Ränder krochen bedrohlich in mein Sichtfeld.

'Amy...', krochen meine Gedanken in weite Ferne, als mir unendlich kalt wurde: 'Halt durch...'

Amy kämpfte in den Armen des Butlers wie eine Löwin. Doch sie hatte keine Chance. Ich kann mich an den eisernen Griff dieses Mannes noch nur allzu gut erinnern. Mehr instinktiv als denkend stützte ich mich auf die Ellbogen. Mein Kopf wurde leerer, als hätte er dank Claude einen Sprung durch den die Gedanken hinaus sickernden. Doch in diesem Moment traf etwas hart meinen Magen und ließ mich in mir zusammenbrechen. Ich wehrte mich gegen die Ohnmacht. Sie griff mit eiskalten Fingern nach mir. Mein Kopf schmerzte dumpf und pochend heiß, genau wie mein Magen. Die Stelle, wo das Messer steckte, surrte fürchterlich schmerzhaft. Kleine Blutstropfen fielen von meiner Schläfe und der Wunde in meinem Torso auf den Teppich.

Einen Wimpernschlag, bevor ich das Bewusstsein verlor, erhaschte ich einen verschwommenen Blick auf ein paar silberne Haarsträhnen.

'Amy... hilf ihr... Bitte...', waren meine letzten abgehackten Gedanken.

Dann ging die Welt aus.
 

Undertaker
 

An Schlaf war nicht zu denken.

Die herrlich blauen Augen hielten meine Gedanken gefangen und ich war mir meinem komischen Gefühl zwar nun bewusst, doch... wie ich damit umgehen sollte erfuhr ich daraus nicht. Ich war eher noch ratloser als vorher.

Das junge Ding war, mittlerweile, zarte 18 Jahre alt. So faszinierend sie war, so jung war sie auch. Sie war ein Mensch und ich... ein zum immer Weiterleben verdammter Schnitter in Frührente.

Merkenau stolzierte zu mir über den Tresen und legte eines von den Teilchen, die Skyler für mich gebacken hatte, neben meinen vor sich her dampfenden Teebecher. Der kleine Rabe legte den Kopf schief, als wisse er genau was los sei.

Das junge Ding... Es hatte sich so viel Mühe gegeben und ein Geschenk für mich gebacken. Für mich war es alles andere als eine Kleinigkeit.

Merkenau nahm das Teilchen und legte es in meine auf dem Tisch liegende Hand. Ich nahm es: „Was möchtest du mir damit sagen, kleiner Mann?“

Er krächzte mir etwas zu und wackelte mit einem Flügelchen.

Ich verstand ihn wohl.

„Und wie?“, legte ich mein Gesicht in die andere Hand und beschaute gedankenverloren das kleine Stück Süßgebäck.

Merkenau legte mit einem einzelnen Krächzen und verständnislosem Ausdruck den Kopf schief.

Ich seufzte: „Gut. Ich weiß es auch nicht. Ich bin nur ein von jeglicher geistiger Gesundheit verlassener Ex-Sensenmann.“

Der Rabe krächzte noch einmal, dieses Mal um Längen verständnisloser als vorher.

„Ehehehe! Ich rede gerade mit einem Raben. Ist das nicht Beweis genug?“

Merkenau schüttelte ein wenig beleidigt sein Gefieder und setzte sich an Ort und Stelle.

Ich biss endlich von dem Teilchen ab. Es war süß, doch nicht zu süß. Es war perfekt, auch wenn die Formen der Teilchen hier und da ein wenig eigen aussahen. Wie das junge Wesen, das es gebacken hatte. Es war perfekt, weil es eben nicht perfekt war.

Ich schüttelte den Kopf, steckte das letzte Stück des Teilchens in meinen Mund und spülte es mit Tee hinunter.

„Sie hat mich heute aus dem Fenster geworfen“, lachte ich zu Merkenau.

Er schaute mich vielsagend mit nur einem Auge an.

Ich lachte: „Ehehehehe! Und wie ich das verdient hatte!“

Der Rabe schloss das Auge wieder und krächzte.

Ich stupste ihn vor den Schnabel. Er schlug fast erschrocken mit dem Flügel und wackelte dann betont mit seinem kleinen Hinterteil, als er sich reichlich aufgeplustert und fast beleidigt wieder setzte.

Ich lachte wieder: „Hehehehe! Und sie hat Recht, du bist wirklich knuffig.“

Immer noch den Kopf in meine Hand gestützt schaute ich aus einem meiner Fenster. Die Nacht lag ruhig davor. Kein Anzeichen dafür, dass irgendetwas geschehen würde.

Irgendwann war ich auf meiner Hand eingedöst.

Meine halb schlafenden Gedanken repetierten etliche Szenarien, in denen ich das junge Ding getroffen hatte. Sobald sie meine Ladentür öffnete ging für mich die Sonne auf. Dieses Gefühl war komisch...
 

Gerade, als ich daran dachte, riss mich das Poltern eben dieser Türe aus meinem Halbschlaf.

Mein Kopf zuckte hoch. Merkenau krächzte verstört vor mir auf dem Tisch und lief mit einem flatternden Flügel erschrocken darauf herum.

Ich blinzelte zu meiner Türe.

„Undertaker!~♥“

Ich seufzte und schnappte mir den vollkommen erschrockenen Vogel. Mit diesem Besuch hatte ich wirklich nicht gerechnet. Ich sollte aufhören an meinem Schreibtisch zu schlafen. Es endete irgendwie immer damit, dass jemand reichlich ungewöhnlich in meinen Laden polterte.

„Grell“, antwortete ich lachend und streichelte den kleinen Raben über das vor Schreck explodierte Gefieder: „Hehe, welch Überraschung. Was kann ich für dich tun?“

Der rote Sensenmann setzte sich wie üblich mit verschränkten Armen auf meinen Tresen: „Ich habe heute frei, da dachte ich schau mal vorbei.“

Ich lachte weiter: „Ehehehe! Du kannst immer vorbeischauen, das weißt du.“

Er breitete die Arme aus: „Wie du siehst. Hier bin ich“, dann verschränkte er sie wieder und legte den Kopf schief: „Alles ok bei dir?“

Ich nickte grinsend: „Aber natürlich. Warum fragst du?“

„Du siehst müde aus.“

„Ich hab nur schlecht geschlafen, hehe!“

„Warum?“

Ich zuckte mit den Schultern: „Das klingt ja, als sei ich der Einzige der schlecht schläft, ehe.“

„Bei weitem nicht. Du kennst doch William. Der schläft konsequent schlecht und hat dann furchtbar schlechte Laune. Den darf man nicht ansprechen, wenn er weniger als eine Stunde im Büro ist. Aber warum schläft jemand wie du schlecht?“

Ich streichelte weiter Merkenau: „William sollte man nie ansprechen. Hehe!“

Grell wollte etwas erwidern, doch sein Blick legte sich auf den kleinen Raben in meiner Hand: „Och ne!“

Der rote Reaper sprang auf und legte sein Gesicht auf die Arme auf meinen Tresen, um den kleinen Raben besser betrachten zu können: „Wer bist du denn? Du süßer kleiner Scha... Au!“

Merkenau pikste ihn mit seinem Schnabel in die Nase.

Grell schnellte wieder hoch und hielt sich besagte Nase mit beiden Händen: „Wofür war das denn?!“

„Das ist Merkenau und er hat geschlafen, als du meintest es sei eine vorzügliche Idee wie ein Elefant durch meine Türe zu krachen. Ehehehehehe!“

„Wie ein Elefant?!“, empört stemmte Grell seine Hände in die Hüften und streckte selbige zur Seite heraus: „Du vergleichst mich mit einem Elefanten?!“

„Ihr seid zumindest ähnlich subtil, hehe!“

Grell schüttelte den Kopf: „Wie gemein! Und ich wollte meinen freien Vormittag mit dir verbringen!“

„Vormittag?“, ich konnte meine Verwunderung nur halb verstecken: „Wie spät ist es?“

„11 Uhr. Du weißt nicht wie spät es ist?“

„Oh. Naja, hehe! Ich habe gerade etwas gedöst und dann kam der Elefant. Hehe!“

„Ich bin kein Elefant!“

„Dann reiß meine Türe nicht immer so auf. Wuhuhu!“

Grell zu ärgern machte den Tag gleich etwas besser. Es lenkte mich auf jedenfalls ein wenig von meinen komischen Gedanken ab. Ich mochte es nicht, etwas einfach nicht sortiert oder einsortiert zu bekommen. Es nicht beim ersten Mal zu können war herrlich! Dann konnte man rätseln und forschen! Doch ich rätselte jetzt schon seit knapp 6 Wochen an diesem Gefühl und nur, weil es jetzt einen Namen hatte, hieß es nicht, dass ich damit weiter gekommen war.

Grell legte den Kopf schief: „Nun erzähl schon.“

Ich setzte Merkenau auf den Tresen. Der Rabe hüpfte provokant ignorant in eine kleine mit Heu ausgestopfte Schachtel, die ihm als Nest diente.

„Na“, machte ich und stützte mein Gesicht in meine Hand. Mir war eigentlich nicht danach Jemanden in meine durcheinander geratene Gefühlswelt einzuweihen: „Ich hatte ungewohnt viel Besuch in letzter Zeit. Da blieb die Arbeit liegen. Hehehehehe!“

Grells Augen wurden riesig hinter seiner roten Brille: „Das geht? Man kann dich dazu bringen nicht zu arbeiten?“

Ich lachte wieder: „Ihihihihi! Aber natürlich!“

„Bei mir hörst du nie auf!“, Grell setzte sich wieder auf den Tresen und seufzte lautstark: „Ich muss mir das immer alles mitansehen. Was mach ich falsch? Bist du krank?“

Ich zog eine Augenbraue unter meinem Pony hoch und musste lachen: „Ahehehehehehe! Gar nichts! Du kannst das was du hier siehst einfach nur vertragen. Und wie soll ich krank werden, lieber Grell? Ich bin ein Shinigami genau wie du. Wir werden nicht krank.“

„Naja... ich rede nicht von einer Erkältung... Du bist alt, Undertaker... Wir haben uns schon öfter gefragt, warum du ausgestiegen bist. Nicht nur wir, sondern der ganze Dispatch. Einige Gerüchte kursieren du hättest... naja... dass du... ähm ja... dass du unter Umständen... und deswegen vielleicht...“

Ich legte meinen Kopf auf meiner Hand schief: „Ich hab die Dornen des Todes nicht. Ich bin ausgestiegen, weil ich irgendwann das Bedürfnis hatte mich mit den Records selbst zu erwürgen. Hehe. Es war einfach furchtbar langweilig und so unsäglich monoton.“

Grell seufzte erleichtert: „Puuh... Das wäre echt keine schöne Sache gewesen. Aber erstaunlich, dass du nach all den Dienstjahre nicht daran erkrankt bist.“

Ich lachte wieder: „Fu fu fu! Wer es kann der kann es, Grell. Selbst weinende Kinder gaben mir ihre Seele ohne zu zögern, jede wütende Furie wurde ein sanftes Kätzchen. Wo keine rasende Seele, da keine Infektionsgefahr. Hehehehehe!“

Grell nahm eine Hand an seine Wange und legte verträumt den Kopf schief als er mich musterte: „Diesen Augen würde ich auch meine Seele geben...~♥“, dann besann er sich wieder: „Äääääähm... aber was meinst du mit 'Ich kann das was ich hier sehe vertragen'?“

Ich lachte wieder und nahm die Hand runter: „Tihihihi! Mein Besuch der letzten Tage könnte es nicht.“

Grell ballte die Hände zu Fäusten und wackelte ungeduldig mit der Hüfte: „Jetzt red nicht weiter um den heißen Brei, spuck's endlich aus! Ich platze gleich!“

„Hmmmm, tihihi! William würde auf ewig in meiner Schuld stehen, würde es dazu kommen! Ehehehehehehe!“

„Du Arschloch!“, kreischte Grell empört: „Das stimmt gar nicht! Willi würde bitterlich um mich trauern! Er liebt mich und kann es nur nicht zugeben!“

Ich lachte weiter: „Ahahahahaha! Das Liebe durch den Magen geht, das habe ich ja schon gehört! Aber durch Schläge? Das wäre mir neu! Tihihihihihihi!“

„Hey!“, Grell drehte sich beleidigt weg: „Willi und ich haben halte eine... ganz besondere Beziehung! Ach! Du hast von solchen Dingen einfach keine Ahnung!“

Da hatte Grell recht. Ich verstand von solchen Dingen wirklich nur sehr, sehr wenig. Genau dieser Umstand stellte sich für mich im Moment als eher problematisch heraus: „Wie recht du hast, lieber Grell. Hehe. Aber jeder, dem du bis jetzt deine Liebe gestanden hast, versucht dich umzubringen. Fuhuhuhuhu!“

Grell fing an vor Wut zu schäumen: „Oh du....! Du Bastard! Ich fass' es nicht! Du kleiner blöder Arsch! Ehrlich! Ich sollte dich...!“

„Du solltest mich was?“, lachte ich.

Der Sensenmann schüttelte den Kopf und verschränkte die Arme: „Hach, vergiss es! Du bist einfach furchtbar! Aber jetzt erzähl: Welches paradoxe Seelchen besucht dich zwar regelmäßig, verträgt aber deine Arbeit nicht?“, der Sensenmann lehnte sich auf den Tresen und drückte meine Nase mit seiner platt: „Wir reden doch nicht etwas von einer Frau, oooooder?“

Ich lachte: „Doch tun wir, hehe. Ich wüsste nur nicht, warum das wichtig ist.“

Grell seufzte seicht: „Oh das lässt hoffen! Es wäre so romantisch, wenn es endlich mal jemand schaffen würde dir dein Herz zu klauen.“

„Tihihi! Wieso?“, das interessiert mich jetzt doch brennend.

„Das ist doch offensichtlich!“, stützte sich Grell wieder auf und hob einen Zeigefinger: „Ich kenne dich nur knapp 130 Jahre, in denen du konsequent mehr als nur eigenbrötlerisch unterwegs warst. Das ist im Vergleich zu deiner Lebensspanne ein schlechter Scherz, ich weiß! Aber auch bei den Shinigamis gibt es keinen Anhaltspunkt darauf, dass du mal eine Freundin gehabt hättest! Die Gute wäre mindestens halb so berühmt gewesen wie du selbst!“

Ich seufzte und lachte gleichzeitig. Diese ganze Idolverehrung ging mir mächtig auf den Zeiger. Ich war alles andere als ein vorzeigbarer Grim Reaper gewesen. Machte ich meine Arbeit zwar immer gewissenhaft, ich war ein bürokratischer Alptraum! Nicht ganz unabsichtlich, zugegeben. Ich lachte bei dem Gedanken an viele verärgerte Manager, die fast einen Schreikrampf bekommen hatten, wenn ich - mal wieder - durch wiederholte Regelverstöße in ihrem Büro gelandet und meinen Report mit zwei oder drei Zeilen vorgelegt hatte. Nur, was hätten sie machen können?: 'Nichts. Ahahahahaha!'

Trotz allem war es gut, dass nur Grell, Ron und Will wussten wer ich wirklich bin. Für die Shinigami war ich irgendwann einfach verschwunden und es wäre mir sehr lieb, wenn es so bliebe.

Amüsiert durch diese kleinen Erinnerungen verschränkte ich die Arme und legte den Kopf schief: „Es stimmt auch. Ich hatte nie eine, hehe!“

„Aber das ist doch nicht lustig!“, meinte Grell schrill: „Das ist unglaublich tragisch! Seit über 200.000 Jahren streifst du alleine durch die Welt. Sobald wir deinen Laden verlassen bleibst du alleine zurück, umgeben von den Toten und Verdammten! Kein Wunder, dass du sie nicht mehr alle hast!“

Ich breitete die Hände aus: „Hehe. Ich mag mein Leben, Grell. Genauso wie es ist. Ich mache das Beste daraus.“

Grell seufzte gedehnt: „Du redest mit Leichen... Aber wenn du es sagt, Undertaker. Doch erzähl mir trotzdem wer dich besuchen kommt!“

Ich lachte und erhob mich:“ Erst mache ich mir einen Tee. Möchtest du auch einen? Ahehehehehe.“

„Jetzt schinde keine Zeit!“

„Ich schinde keine Zeit. Ich möchte es uns lediglich ein bisschen gemütlich machen. Hehe.“

Grell verschränkte wieder die Arme: „Nun gut. Ich nehme einen. Aber aus einem frischen Becher!“

Ich lachte und verschwand zu meiner Küchenzeile.

Keine fünf Minuten später kam ich mit zwei Messbechern voll New-Moon-Drop wieder.

Grell stand vor einem Regal und musterte den silbernen Rahmen mit Skylers Bild.

Er drehte den Kopf zu mir, als ich das Tablett auf den Tresen abstellte: „Das Bild ist herrlich! Aber warum zeichnest du dich selbst?“

Ich lachte: „Hehe! Das ist nicht von mir. Es ist ein Geschenk!“

Grell legte den Kopf schief, als er wieder auf das Bild schaute: „Aber das ist deine Schrift!“

„Ich habe es trotzdem nicht gezeichnet. Ahehehe. Das liegt weit über meinen Fähigkeiten.“

„Nun“, Grell setzte sich auf einen Sarg und nahm einen Becher von mir entgegen: „Deine Skizzen sind nicht schlecht.“

Ich warf mir eine Hand voll Zucker in den Becher: „Aber bei weitem nicht so akkurat, hehe. Es ist nicht von mir.“

„Von wenn dann?“, Grell nahm einen Schluck Tee und ich setzte mich auf einen Sarg ihm gegenüber: „Von Skyler. Hehe!“

„Skyler? Amys Freundin?“

Ich nickte: „In der Tat. Ein bezauberndes junges Ding, findest du nicht?“

Grell nickte: „Schon. Ein sehr schüchternes junges Ding. Ein wenig arg unsicher in sich selbst. Sie war gar herzzerreißend!“

Anschließend wurden seine Augen groß. Die Erkenntnis kroch aus dem hinteren Ende seiner Gedanken in seine Augen. Ihm klappte der Mund auf.

Ich lachte in Zustimmung. Und ja, der Gesichtsausdruck amüsierte mich auch in hohem Maße!

Grell schüttelte den Kopf: „Das ist nicht dein Ernst! Amys kleine Freundin war die letzten Tage bei dir zu Besuch?!“

„Hehe. Doch, genau so war es. Jeden Tag.“

Grell schaute mich an, als sei ich ein Alien: „Warum?“

Mein Blick wanderte aus dem Fenster: „Eine gute Frage, mein lieber Grell. Laut ihr hatte sie Ferien, Langeweile und nichts zu tun, da Amy nach Hause gefahren ist. Also bot ich ihr an, sich hier die Zeit zu vertreiben.“

„Und wie habt ihr euch die Zeit vertrieben?“

Ich giggelte: „Hihi! Naja wir haben geredet, viel gelacht, kleine Raben gerettet.“

„Klingt ja gar nicht mal so schlecht“, dann seufzte Grell: „Trotzdem hatte ich irgendwie gehofft dir ist die einzig Wahre über den Weg gelaufen...“

In meinem Kopf stockte es: 'Vielleicht... war es auch so...'

Doch so hundertprozentig konnte ich diese Aussage nicht bestätigen oder verneinen. Dieses Gefühl hatte eine ganz unangenehme Komik an sich. Des Weiteren fand ich es irgendwie erstaunlich und äußerst interessant, dass die Tatsache, dass es die junge Skyler war die mich besuchte, für Grell sofort auszuschließen schien er könnte mit seinem Verdacht im Recht liegen.

„Was schaust du so seltsam?“, riss mich Grell aus meinen Gedanken.

Ich legte den Kopf schief: „Ich frage mich die letzten Tage nur, warum so ein junges Ding ihren Geburtstag partout nicht feiern will. Hehehehe!“

Ich hatte ihren Geburtstag noch zwei Mal gegenüber Sky angesprochen. Wenn sie davon sprach wirkte es, als redete sie über eine tödliche und hochansteckende Krankheit. Ich hatte es weder geschafft ihr Lust darauf zu machen, noch weniger wollte sie, dass ich gegenüber den Phantomhives auch nur ein Wort darüber fallen lasse. Sehr komisch. Sehr schade.

Grell blinzelte mich an: „Wie? Ich kenne kein junges Mädchen, was nicht gerne ihren Geburtstag feiert. Wann hat die Kleine denn?“

Ich seufzte und starrte in meinem Becher: „Heute.“

„Was?!“, Grells Stimme war fast aufgeregt: „Heute?! An Halloween?! Ist sie bei den Phantomhives dabei?“

Ich nickte: „Ja ist sie.“

Grell seufzte ebenfalls: „Oh man! Die Sache ist zum Heulen! Dagegen müssen wir was tun! Das muss eine unglaubliche Feier werden!“

Ich warf meinen Kopf zur Seite, damit mein Pony aus dem Gesicht fiel. Dann zog ich gut sichtbar für Grell eine Braue hoch: „Sie hat mir damit gedroht sich irgendwo einzuschließen und nie wieder heraus zukommen, sollte irgendjemand großes Aufsehen deswegen machen.“

Grell stockte. Hinter seinem Augen ratterte es: „Was? Was ein komisches Mädchen. Also... keine tolle Feier?“

Ich nahm einen tiefen Schluck Tee, stellte meinen Becher auf den Sarg und schüttelte den Kopf: „Nein Grell, keine tolle Feier.“

Grell seufzte abermals: „Noah. Da ist sie die beste Freundin einer Phantomhive und nutzt es nicht!“

Ich verschränkte die Arme: „So scheint es.“

Grells Augenbraue wanderte nach oben: „Irgendwie bist du heute komisch.“

Ich lachte und nahm einen weitere Schluck aus meinem fast leeren Becher: „Ich bin immer komisch. Hehehe!“

Grell schüttelte den Kopf: „Nein, du bist komischer als sonst!“

„Ich verstand das nur nicht so ganz. Du weißt wie sehr ich es hasse etwas nicht zu verstehen, hehehehe!“

„Haaaa...“, Grell schaute mich an: „Die Phantomhives haben halt einfach ein Händchen dafür sich die... extravaganten Individuen herauszusuchen.“

Ich wackelte mit dem Kopf und musste lachen: „Hehehehe! Wenn ich mir unseren kleinen Bekanntenkreis so ansehe bin ich geneigt dir zu zustimmen.“

„Hey!“, stemmte Grell die Händen in die Hüften: „Was soll das heißen?!“

Ich musste kichern und hob meinen Ärmel zum Mund: „Hihihihi! Hast du dich mal in unserem Freundeskreis umgeschaut? Jeder Psychiater hätte an uns seine liebe Mühe.“

Grell kicherte mit: „Liebe Mühe? Hihi! Der wird nach 10 Minuten seines Kollegen bester Kunde! Aber der Dachschaden zieht sich auch sehr Konsequent durch die Generationen unserer paar Lieblingsmenschen, das ist dir bewusst, ja?“

„Ich weiß das sehr gut. Hehe! Ich hole schließlich regelmäßig ihre Seelen und beerdige sie dann. Ehehehehe!“

„Warum du das nicht uns machen lässt ist mir eh ein Rätsel!“

„Ich bin es ihnen schuldig. Das ultimative und letzte Dankeschön für eine Freundschaft.“

„Und ein hohes Maß an Selbstfolter!“

„Man gewöhnt sich an alles, ehehehehe!“

Grell schüttelte den Kopf: „Manchmal machst du dir selbst das Leben sehr sehr schwierig.“

Ich schaute ihn an und zog meine Mundwinkel ein Stück höher: „Mit Nichten. Irgendetwas schwer zu nehmen habe ich schon lange aufgegeben. Aber ich habe Prinzipien, lieber Grell. Wenn auch ganz eigene. Ich erwarte nicht, dass du sie verstehst.“

Grell seufzte: „Tu ich nicht. Mach dir keine Sorgen“

Das war nur halb die Wahrheit. Grell war das Denken zu anstrengend. Schlau genug wäre er: „Du bist einfach nur zu faul. Ehehehehehe!“

„Jup“, Grell nahm einen Schluck Tee: „Arbeite mal unter William. Danach hast du keine Lust auch noch in deiner Freizeit irgendetwas zu tun, was auch nur ansatzweise anstrengend wäre.“

„Fu fu fu! Keine Sorge, Grell. Nie würde ich dich zum Denken zwingen. Ehehehehehe!“

„Mit deinen verdammten kryptischen Aussagen tust du es ständig!“

Ich blinzelte lachend: „Ehehehehehehe! Ein bisschen Spaß musst du mir schon lassen!“

Grell stemmte die Hände in die Hüfte und schaute mich an: „Ich bin doch nicht deine Witzfigur!“

„Aber natürlich nicht! Du bist mein guter alter Freund, der es doch sehr hoch schätzt mich glücklich zu machen, oder nicht? Ahehehehe!“

„Ach!“, machte Grell: „Hör auf mich gegen mich selbst auszuspielen!“

„Nun“, lachte ich: „Ehehe! Es macht aber so viel Spaß!“

Grell nahm einen Schluck von seinem Tee: „Warum gebe ich mir eigentlich so viel Mühe mit dir?“

„Hehehehe!“, lachte ich wieder und zwinkerte ihm mit einem Auge zu: „Weil du mich magst.“

„Nah!“, machte Grell und strampelte mit den Beinen: „Oh diese Augen!!“

Ein lautes Lachen brach aus meinem Mund, als alles so lief wie ich es geplant hatte.

Grells Kopf kippte zur Seite: „Haaaaaaaaaaa... Denen kann doch wirklich niemand widerstehen...“

„Denkst du? Hehe.“

„Natürlich! Warum hab ich dir sonst die Kontaktlinsen vorbei gebracht?! Trag sie! Trag sie!“

Ich unterhielt mich lange mit Grell. Über alles und über jeden. Er redete und redete. Er redete so viel, dass ich schon meinen 4en Becher Tee getrunken hatte und Grells Erster kalt und verlassen immer noch neben ihm stand. Aber der Vormittag war alles andere als unangenehm.

Irgendwann schaute der rote Reaper auf seine Armbanduhr: „Uh! Schon halb drei! Ich muss mich noch fertig machen!“, er erhob sich: „Als was gehst du dieses Jahr?“

Ich legte den Kopf schief: „Ehehehehe! Habe ich mir noch keine Gedanken zu gemacht.“

„Oh nein, das geht nicht! Du musst dich hin und wieder schon ein bisschen in Schale werfen! Du könntest ein richtiges Schnuckelchen sein, wenn du nicht immer diese furchtbaren Klamotten tragen würdest!“

„Ich mag sie. Hehehehehe!“

Ungefragt ging der Reaper durch die Türe in meine zwei kleinen Privaträume, nachdem er ausgiebig mit dem Kopf geschüttelt hatte. Nach 10 Minuten kam er mit ein paar Klamotten und einen Paar Schuhen auf dem Arm wieder zu mir und legte sie auf den Tresen.

Er ging zu dem Tisch. Es war mein alter grauer Herrenrock, den ich mir irgendwann 1800- schlag- mich- tot gekauft hatte. Wann wusste ich gar nicht mehr genau. Ein weißes Rüschenhemd, ähnlich alt, und eine schwarze Anzughose, die Schuhe waren meine alten Lackschuhe die ich schon als Shinigami getragen hatte.

Grell kramte in seiner Tasche und legte mir ein kleines Plastikpäckchen auf den Tisch. Darin waren zwei Fangzähne zum Ankleben. Er legte den Kopf schief: „Zieh das an und geh als Vampir! Vergiss die Kontaktlinsen nicht und nimm sie dieses mal raus bevor du schlafen gehst! Kunstblut hast du ja in Hülle und Fülle“, das Letzte kam reichlich vorwurfsvoll: „Ich kann mir nur lebhaft vorstellen, was du damit vor hast...“

Ich breitete lachend die Hände aus und wackelte damit: „Süßes oder Saures! Hehehehehe!“

Grell schüttelte den Kopf: „Wie 200.000 benimmst du dich wirklich nicht...“

„Den Geist jung zu halten ist eine Kunst und eine Tugend, lieber Grell. Du benimmst dich auch nicht wie fast 300. Hehehehehe!“

„Sprich mein Alter nicht aus!“, Grell befühlte sein Gesicht: „Nur bei dem Klang dieser Zahl bekomme ich Falten!“

Ich lachte nur noch mehr. Dann verabschiedete sich der Reaper. Ich schaute auf das Assembler, was er mir rausgesucht hatte. Grells Modegeschmack war eigentlich verlässlich. In mehr als der optischen Hinsicht war er heute doch eine kleine Hilfe gewesen.

Merkenau war wieder auf dem Tresen aufgetaucht und legte seinen kleinen Kopf schief.

Ich kraulte ihn: „Hehehehe! Das Leben ist ein Spiel, schauen wir mal was es uns noch so zu bieten hat und wohin es uns treibt, ihihihihihi! Aufregend ist es ja schon.“

Dann verschwand ich unter der Dusche und machte mich ausgehfertig.
 

Als ich mich umgezogen, die kleinen durchsichtigen Dinger in meine Augen und die kleinen spitzen Dinger irgendwie an meine Zähne verfrachtet hatte, ging ich zu meinem kleinen Herd.

Ich hatte noch viel vorzubereiten!

Schließlich hatte ich wie jedes Halloween wieder eine Menge vor.

Mit reichlich viel Vorfreude verstaute ich 16 Kilo Wackelpudding in allen Farben und um die 25 Liter Kunstblut, gefolgt von Kleinkram wie Sprungfedern, Stöckchen, Seil, Kordel und Faden in meinen Kofferraum und fuhr zur Villa Phantomhive.

Um 16:04 Uhr streunte ich durch ihren Garten. Sebastian hatte, wie jedes Jahr, beständig diskutierend an meinen Fersen gehangen, während ich hier und dort meine Fallen am Aufstellen war: „Undertaker! Bitte nur ein Jahr! Sabotiere nur ein Jahr nicht meine ganzen Bemühungen!“

Ich lachte, als ich gerade den großen Dekogalgen präparierte, an dem Grell jedes Jahr mit William ein Foto machen wollte. Zum Foto kam es nie, aber er schleifte ihn jedes Jahr dorthin. William war ein furchtbarer Spielverderber. Er verkleidete sich genauso wenig wie er lachte.

Mehr Spaß für mich: „Ahehehehehe! Hör auf zu betteln Butler! Ich sabotiere nichts! Streiche gehören zu Halloween! Ich gebe deinen Bemühungen lediglich den letzten Schliff!“

„Wo hast du meine Dessertleiche hin getan?“, legte der Butler unbegeistert den Kopf schief und stemmte die Hände in die Hüften.

„Sie ist in der Küche, hehehe!“, schwang ich mich von den Galgen und machte mich auf den Weg zu meiner nächsten Schandtat.

Der Butler folgte mir auf dem Fuße: „Warum?“

„Ich habe Pläne mit ihr, hihihihi!“

„Bitte! Wenn du dich an der Deko zu schaffen machst, kann ich das ja noch tolerieren, aber vergehe dich nicht an meinem Dessert!“

„Meine Güte! Ahehehehehe! Weißt du was, Butler? Wenn du mir so emsig hinterherläufst und dich so wunderbar aufregst, wird Halloween schon zu einem guten Tag, bevor meine erste Falle überhaupt zugeschnappt hat. Tihihihihi!“

„Ich renne nicht zu deiner Belustigung hinter dir her, Shinigami!“, fauchte der Sebastian unbegeistert: „Ich gehe nur sicher, dass deine Streiche niemanden enthaupten, oder erdrosseln, oder vergiften, oder um Gliedmaßen erleichtern, oder...“

Ich hob die Hand: „Erstens, Butler, nenne mich nicht Shinigami. Zweitens, ehehehehehe! Haben meine Scherze noch nie zu ernsthaften Blessuren geführt!“

Es knarzte, als ich einen Stuhl heran zog und mich darauf stellte, um einen Eimer voller Kunstblut auf einer halb geschlossenen Tür abzustellen, wohl wissend, dass auch Frank sich nicht verkleiden würde und immer als erste Amtshandlung, nachdem er Alexander begrüßt hatte, durch eben diese Tür auf Toilette ging: „Oder haben sich der Earl und die Countess je über mich beschwert?“

„Nun“, der Butler stockte: „Nein und ich möchte verhindern, dass es soweit kommt.“

Ich hüpfte von meinem Stuhl und ging weiter: „Es wird nicht soweit kommen, ehehehehe! Meine Streiche sorgen jedes Jahr für eine Menge Belustigung!“

„Und einer ungeahnten Paranoia unter den Gästen...“, seufzte der dämonische Butler genervt.

„Ach! Ahahahahahaha! Die sollen sich alle nicht so anstellen, hihihihi!“

„Du bist ein Fluch, Undertaker! An Halloween bist du schlimmer als jeder Dämon, den ich kenne!“

„Oh danke, danke“, grinste ich Sebastian entgegen: „Du machst mich ja ganz verlegen, ehehehehehe!“

„Das war kein Kompliment!“

Alexander kam auf uns zu: „Ich sehe euch beide diskutieren. Was hast du wieder vor, Undertaker?“

Ich lachte amüsiert: „Ihihihihihihi! Ein Menge, mein lieber Earl!“

„Dein Tatendrang ist unbeschreiblich“, lachte Alexander: „Treib es nur nicht zu bunt.“

„Schade“, giggelte ich: „Tihi! Dabei hab ich mir dieses Jahr mit den Farben so viel Mühe gegeben!“

Der Earl schüttelte lächelnd den Kopf: „Du weißt genau was ich meine.“

Ich lachte weiter: „Hehehe. Habe ich euch je Anlass gegeben euch Sorgen um die Gesundheit eurer Gäste zu machen?“

„Nein“, stemmte Sebastian eine Hand in die Hüften: „Aber ich kenne deinen Sinn für Humor.“

„Ach wie wo!“, sagte ich und hob den Stofffetzen an einem Dekoskelett an um eine blaue Gelatinebombe darin zu verstecken: „Sag nicht, du bist immer noch beleidigt wegen der Campania. Ehehehehehe!“

Der Butler verschränkte die Arme: „Beleidigt ist das falsche Wort. Allerdings war deine diebische Freude an dieser morbiden Szenerie mehr als bedenklich!“

Ich schaute ihn über das Skelett an: „Puhuhu! Freust du dich etwa nicht, wenn ein Plan funktioniert?“

„Das nennst du funktionieren?!“

„Aber natürlich! Ich habe eine Menge Herzblut in die Sache gesteckt! Ahahahahaha!“

„Auf dein schlechte Gewissen kann ich lange warten, oder?“, seufzte Sebastian kopfschüttelnd.

Herrlich! Ist unser kleiner dämonischer Butler nicht einfach herrlich?

„Ich korrigiere dich nur ungern, Sebastian, aber“, ich musste wieder lachen: „Puhuhu! Darauf kannst du ewig warten, wenn du denn möchtest. Ehehehehe!“

Sebastian seufzte: „Ich fasse es nicht...“

Ich steckte einen Zettel an das Skelett und ging weiter. Nun liefen Sebastian und Alexander hinter mir her.

Ich drehte mich im Laufen um: „Seit ihr nun meine persönlichen Babysitter? Ehehehehehe!“

„Nein“, sagte die Beiden im Chor.

„Ich vertraue dir nur nicht“, fuhr Sebastian weiter aus.

„Das wird sich auch nicht mehr ändern, oder? Ihihihihi!“

Der Dämon schüttelte den Kopf: „Nicht in diesem Leben.“

„Fuhuhu! Nun ja, es sind deine Nerven die dabei drauf gehen, nicht meine. Ehehehehehe!“

„Bassy!“, schrie es auf einmal hinter uns. Sebastian stolperte ein paar Schritte nach vorne, als Grell sich die Wirkungen seiner Kette zunutze machte. In der Gewissheit, dass der Butler ihn nicht spüren konnte, sprang er ihn an und legte ihm seine Arme fest um den Brustkorb: „Oh mein Heißgeliebter! Wie geht es dir? Hast du mich vermisst? Ich habe dich furchtbar vermisst! Ahhhh! Sag, dass du mich vermisst hast!“

Sebastians Gesicht war mehr als nur unbegeistert, während der rote Reaper ihn umklammerte, sich an ihn kuschelte und durch die Gegend quietschte.

Irgendwann rangelten die Beiden, als Sebastian versuchte sich zu befreien. Will und Ron tauchten hinter ihnen auf.

Ich lachte: „Ihr habt keinerlei Intensionen ihm zu helfen oder? Hehe.“

„Wem?“, fragte die laufende Mullbinde, die der junge blonde Reaper war: „Grell oder Sebastian?“

Ich zuckte giggelnd mit den Schultern: „Irgendeinem von ihnen, Ehehehe!“

„Nicht im Geringsten“, William verschränkte die Arme. Missbilligend stellte ich fest, dass ihm zwar die Brille fehlte, er aber mal wieder nicht verkleidet war. Ich giggelte. Wenn William so um Hilfe für sein Kostüm bettelte, dann will ich mich seiner doch erbarmen! Wie jedes Jahr! Ich freute mich jetzt schon auf diesen Moment!

Den Garten der Phantomhives hatte ich mittlerweile schon gründlich vermint.

Grell flog mit einem spitzen Schrei durch mein Sichtfeld, als Sebastian sich befreien konnte. William hätte seinen Kollegen fangen können... aber er machte lieber einen großen Schritt zur Seite.

Ich schaute auf meine Taschenuhr: 17:09 Uhr.

Ein wenig verwirrt musterte ich den Butler: „Wie kommt es, dass du noch hier bist?“

Sebastian richtete seine Krawatte: „Die junge Lady erbat heute später dazu stoßen zu dürfen. Sie wollte ihrer Freundin wohl noch ein Geburtstagsgeschenk machen. Sie erscheinen um 19 Uhr.“

Ich lachte. Ich hatte mir fast gedacht, dass Amy nicht verschwiegen bleiben würde: „So so, ihr seid also bestens informiert. Hehe!“

Sebastian nickte: „Die junge Lady bat ihren Vater kein großes Aufsehen zu machen. Aber komplett ignorieren können wir ein Geburtstagskind natürlich nicht.“

Ich lächelte breit: „Oh, da wird sie sich aber freuen. Hehe!“

„Wenn ihr mich entschuldigt“, legte der Butler seine rechte Hand auf die Brust: „Ich muss die Gäste bewirten.“

„Aber!“, Grell setzte sich auf dem Boden auf: „Aber Bassy!“

„Wir sehen uns“, verschwand der Butler.

Ich musste kichern. Grell schaute mich böse an: „Lach mich nicht aus!“

Ich lachte lauter: „Pahahahaha! Wie könnte ich denn, lieber Grell! Ich lache dich höchsten an! Ihihihihihihihihi!“

Der Garten füllte sich. Sebastian verteilte die mit Süßigkeiten gefüllten Kürbislaternen an die Partygäste. Ich verschwand in die Küche und präparierte das Dessert, jetzt wo Sebastian beschäftigt war und mir nicht mehr dazwischen funken konnte. Still und heimlich landete es wieder auf dem Buffet.

Eine Stunde später erschienen die Kinder in dem großen aufwendig dekorierten Garten.

Es war ein herrliches Bild wie immer. Die Kinder flitzten hin und her und niemand war vor ihnen sicher. Selbst ich nicht.

Ich saß auf einer Bank und trank schon seit einer halben Stunde genüsslich an demselben Glas irischen Whiskys, als ich die amüsierten Kinder beschaute, ihnen Süßigkeiten in die Hand drückte oder lautstark den ein oder anderen Gast auslachte, der mir vollkommen ahnungslos in die Falle gegangen war.

Einer dieser Gäste war tatsächlich Frank. Er bemerkte mich, bevor ich ihn bemerkte. Zumindest erzählte ihm der Eimer voller Kunstblut, der ihm so liebevoll Hallo sagte, von meiner Anwesenheit.

Als ich das Poltern hörte sah ich noch Franks Kopf hoch zucken, aber er hatte nur noch die Zeit große Augen zu machen und Luft zu holen um etwas zu rufen. Riesige Augen um genau zu sein! Nicht mal mehr die Arme konnte er pünktlich heben.

„UNDERTAKER!“, schallte mein Name durch den ganzen Garten.

Ich hörte ihn selten so oft wie an Halloween!

Als ich diese Szenerie erblickte, konnte ich nicht mehr. Ich musste so schallend anfangen zu lachen, dass ich ein weiteres Mal meine Körperbeherrschung verlor. Ich merkte wie ich von der Bank rutschte, konnte mich aber nicht dagegen wehren. Auf dem Boden lachte ich einfach weiter. Franks Gesicht war einfach zu genial gewesen!

Zwei Hände packten mich, während ich lachend auf dem Boden lag. Ich öffnete die Augen und erkannte den total zugeschmierten Frank durch meine Lachtränen. Er schüttelte mich: „Du kleiner Verrückter! Warum ich?! Warum jedes verdammte Jahr ich?!“

Ich konnte ihm nicht direkt antworten. Mein Lachen erstickte jedes Wort, das ich hätte sagen wollen. Nach ein paar Minuten hatte ich mich ansatzweise beruhigt: „Wuhuhuhuhuhuhuhu! Weil du dich nie verkleidest! Das ist doch wirklich jammerschade! Also denke ich mir jedes Jahr, du brauchst ein bisschen, ehehehehehehehe, Hilfe!“

„Ich will deine Hilfe nicht!“, rüttelte Frank mich weiter: „Ich habe dich nie darum gebeten!“

„Ahahahahahaha! Liebster Frank! Ich höre auch die stummen Hilfeschreie der Spielverderber und Humorlosen!“

„Du kleiner Freak!“, er ließ mich los und ich kippte in einem weiteren Lachanfall nach hinten.

„Ich bin total vollgesaut wegen dir!“

Ich hatte das Gefühl ich würde nie wieder Luft bekommen: „Pahahahahahahahahaha! Das war der Plan! Ahahahahahahahahaha!“

Frank ging kopfschüttelnd weg: „Idiot!“

„Wuhuhuhuhuhuhuhuhuhuhuhu!“

„Geht es dir gut?“, hörte ich eine helle Stimme über mir.

Ein kleiner blonder Junge in einem Vampirkostüm beugte sich über mich und schaute mich mit schief gelegtem Kopf an.

Ich atmete tief durch und setzte mich auf: „Aber natürlich kleiner Mann. Ahehehehehehe! Mir geht es prächtig!“

„Du lagst auf dem Boden“, sagte der Kleine: „Ich dachte, du hast dir vielleicht weh getan.“

Ich grinste breit. Kinder können so knuffig sein. Sie sind noch so vorurteilsfrei.

Ich wuschelte ihm durch die zerzausten, schwarz eingesprühten Haare: „Ahehehehehe! Es geht mir bestens. Ich habe mir nicht wehgetan.“

Ich langte in meine Kürbislaterne und warf dem Jungen eine Handvoll Bonbons in die Tasche: „Hier. Du bist ein sehr aufmerksamer junger Mann. Ehehehe!“

Der Junge lachte: „Danke Mister!“

Dann lief er zurück zu seinen Freunden und ich erhob mich.

Im selben Moment hörte ich von hinter mir einen weiteren Aufschrei. Mehr als nur zufrieden erkannte ich die Stimme noch bevor ich mich umgedreht hatte: Auch unser lieber William war mir wie geplant in die Falle gegangen.

„William!“, rief Grell.

„Hör auf so blöd zu schauen!“, rief der Aufsichtsbeamte dem Rothaarigen zu: „Hol mich hier runter, verdammt! Bevor der Verrückte hier auftaucht!“

William baumelte kopfüber einen halben Meter über dem Boden.

Grell hob gerade die Hände um etwas zu unternehmen, da musste ich meine Chance wahrnehmen.

Ohne Vorwarnung stand ich zwischen den Beiden.

Grell hielt ich mit meinem Knie auf Abstand: „Der Verrückte ist schon da, tihihihihihihihihihihihi! Tut mir Leid, liebster Grell, ich habe hier noch etwas zu erledigen. Hehehehe!“

In Williams Gesicht stand die Realisierung des absoluten Grauens: „Wage es dich, Undertaker! Lass mich in Ruhe!“

Ich griff in meine Manteltasche und zückte eine große Storchschere.

William bekam suppentellergroße Augen: „Was hast du vor?! Zur Hölle, pack' die Schere weg!“

„Ahehehe! Aber jetzt wird es doch erst richtig lustig!“

„Nein!“, William wich dem ersten Schnitt aus: „Lass das bleiben! Hey! Das ist gefährlich, verdammt!“

„Du bist ein Shinigami und hast Angst vor einer Schere? Ahahahaha!“

William wedelte meine Hand weg: „Was hast du damit vor?! Wenn du mir an die Haare gehst, werde ich furchtbare Rache nehmen! Hey!“, ich erwischte William am Arm und er hatte einen großen Schnitt im Sakko: „Bist du denn von allen guten Geistern verlassen?! Sutcliff!“

Doch Grell hatte immer noch mein Knie im Gesicht und ich verhinderte es tunlichst, dass er daran vorbei kam: „Ich versuch's ja, Willi!“

„Wozu bist du eigentlich gut?! Und nenn mich nicht Willi! Ah, Verdammt! Mein Jackett! Lass mein Jackett in Ruhe!“

Ich packte mit der freien Hand Williams Hände und tat mich mit der Anderen ausgiebig an seinen Ärmeln gütig: „Hab dich nicht so! Es ist Halloween! Da kannst du doch nicht rumlaufen wie der letzte Spießer! Pahahahahahahahaha!“

„Bist du denn des Wahnsinns?!“, keifte William, nachdem ich seine Sakko- und Hemdärmel ausgiebig durchlöchert hatte.

Ich sprang hoch, griff das Seil an dem William hin und her baumelte und machte mit dem Rest seines Anzugs weiter: „Natürlich bin ich das! Fu fu fu fu!“

Grell wollte seinem anderen Geliebten zu Hilfe eilen, doch ich streckte zur rechten Zeit mein Bein aus und er rasselte vor meinen Fuß.

„Sutcliff! Du Trottel!“, William trat nach mir, hatte aber nur dezenten Erfolg und konnte seine Hose genau so wenig retten wie seine Ärmel.

„Wuhuhuhuhuhuhuhuhuhuhuhuhuhuhuhuhu!“, lachte ich ausgelassen: „Dieses Geschrei! Es ist Musik in meinen Ohren!“

„Lass ab von mir!“, rief William erbost.

„Ok“, grinste ich und schnitt das Seil durch.

William rasselte überrascht mit einem spitzen Laut auf den Rasen. Ich landete neben ihm.

„Besser“, grinste ich dem strengen Shinigami in seinem zerstörten Anzug an: „Du siehst gut aus William. Thihihihi!“

Der Schnitter warf mir einen Blick zu, der auch ohne Death Scythe hätte töten könnte: „Du bist eine Schande. Für jeden Shinigami der lebt, je gelebt hat und je leben wird!“

Ich lachte weiter: „Genau was ich erreichen will! Vielleicht reißt ihr dann endlich diese dämliche Statue ein. Nehehehehe!“

William wischte sich durch die Haare: „Niemals! Das ist die Statue eines großen Mannes, der leider zu einem armen Irren geworden ist! Du bist schon lange nicht mehr der Mann, der dort verewigt wurde!“

Ich legte grinsend einen Finger an die Lippen und blitzte William mit meinem einen freigelegten Auge an: „Sicher? Hmhmhmhm!“

William seufzte: „Zumindest nicht mehr gänzlich.“

„Woher willst du das wissen? Du bist viel zu jung! Ahehehehehe! Ich war schon immer ganz anders als die Andern!“

„Die meisten Shinigami denken eh, dass du mittlerweile das Zeitliche gesegnet hast“, antwortete William streng: „In unserer Welt ist nichts mehr außer weit erzählten Legenden von dir übrig.“

„Tihi! Perfekt!“

„Wie bitte?“

„Genau was ich erreichen wollte. Ahehehehehehe!“

William schüttelte den Kopf: „Du bist... einfach... unbeschreiblich...“

„Oh wie liebenswürdig“, grinste ich: „Das ist, glaube ich, das Netteste was du in knapp hundert Jahren zu mir gesagt hast, liebster William.“

„Nenn mich nicht Liebster! Und ich habe deine Taten mal hochgelobt. Du weißt selber, was ich von dir als Dankeschön bekommen habe!“

Ich lachte wieder: „Nimm doch nicht alles so furchtbar Ernst, William. Tehehehehehe!“

Ich wandte mich um. Mein Werk war getan und William hatte mich gewohnt gut unterhalten. Doch sein Gemecker fing schon wieder an nervig zu werden. Genau wie die Lobrede, die er mal meinte vor Ciel und Sebastian über mich halten zu wollen.

Ich wollte kein Lobpreisungen, wann kapierten die Shinigami das denn endlich? Ich habe nichts dafür getan um 'Berühmt' oder ein 'Idol' zu werden. Wenn sie an jemanden glauben wollten, dann doch bitte an sich selbst und nicht einen Sensenmann, der sich schon gefühlte 100 Mal selbst überlebt hatte. Sie sollen ihre eigenen Geschichten schreiben, anstatt meiner verstaubten hinterher zu jagen. Sie machen sich des Weiteren gar kein Bild darüber wie unerfreulich die Unfähigkeit zu sterben ist.

Die Shinigami ließen mich ziehen. William war für den Rest des Abends eh nicht mehr gut auf mich zu sprechen und Grell hielt treu zu ihm, egal wie oft er von ihm geschlagen wurde.

Ich entschied mich des Weiteren für eine kleine Auszeit von dem ganzen Trubel um mich herum. Die Feier florierte. Wie von den Phantomhives zu erwarten war.

Schlendernden Schrittes machte ich mich auf zu einem großen Sarg, der mir gemütlich erschien und den ich sicherlich irgendwann auch mal selbst geschreinert hatte, genau wie jeden anderen Sarg in diesem Garten. Er stand direkt neben den Buffettischen und ich hatte die wunderbare Chance während meiner Auszeit auch das Dessert im Auge zu haben, was ich trotz Sebastians überdeutlichen Wiederwillens in den Hauptbestandteil einer meiner Streiche verwandelt hatte.

Entspannt lehnte ich mich ins halbdunkel und lugte durch den einen Spalt offen stehenden Sargdeckel in den Garten hinaus.

Wenig später fielen meine Augen auf einen äußerst erfreulichen Anblick:

Amy war erschienen, ihre beste Freundin treu an ihrer Seite.

Amy trug ein für sie ungewöhnlich buntes Assemble an verkommen wirkender Kleidung. Es stand der jungen Phantomhive nicht schlecht, war sie doch genau so ein hübsches Ding wie alle anderen Frauen und Mädchen in ihrer Familie.

Doch als ich die junge Skyler sah, konnte ich meinen Kiefer nicht davon abhalten ein Stück aus seinen Angeln zu rutschen:

Das hübsche Ding war als Puppe verkleidet. Als eine zerfallene Porzellanpuppe.

Ihre schwarze Hose war ein sehr außergewöhnliches Model, kurz, der Schlag an ihren Unterschenkeln nur durch ein paar Ketten befestigt und offenbarte so die gut designten Puppengelenke an ihren Knien. Sollte wohl von Werk aus eher zerfallen wirken und spannte sich äußerst ansehnlich um ihre endlos langen, dünnen und von den hohen Absätzen noch zusätzlich gestreckten Beine. Obwohl Ihr Poncho das Kostüm an ihrem Oberkörper verdeckte, konnte ich genau die schön gestalteten Puppengelenke an ihren Fingern, sowie den kleinen Zylinder in ihrem locker gebundenen Dutt und das außergewöhnlich gekonnte Make up in ihrem Gesicht erkennen. Sie war eine beachtliche Künstlerin und das anscheinend nicht nur auf dem Papier.

Mein Blick klebte an der junge Brünetten, denn zwei Tatsachen holten mich gerade ein:

Ich hatte eine Schwäche für Verfallenes und ich hatte eine Schwäche für Puppen.

Dazu stand ihr Kostüm der jungen Skyler auch noch unbeschreiblich gut. Noch besser als das hübsche Kleid von der letzten Feier. Sie bewegte sich auch sicherer in diesem Aufzug. Nicht gänzlich sicher, aber es schien ihr deutlich angenehmer als das schwarze Ballkleid zu sein. Sie hatte eine Gitarrentasche über der schmalen Schulter.  Ich kam nicht drumherum mich zu fragen, warum sie das Instrument dabei hatte.

Die beiden Mädchen unterhielten sich kurz mit Alex und Heather und bekamen von ihnen ebenfalls zwei Kürbislaternen mit Süßigkeiten in die Hände gedrückt.

Dann winkte Amy ihre Freundin mit sich und die beiden Mädchen gingen genau in meine Richtung. Eigentlich zog es die junge Phantomhive wie gewohnt zum Buffet.

'Oh...', machte es in meinem Kopf. Das kleine Detail war mir heute irgendwie hinten über gefallen: Die junge Amy aß gerne. Vor allem aß sie gerne süße Dinge.

Ich presste die Hand gegen meinen Mund, als ich kichern musste. Das war wohl einfach Pech, aber verhindern konnte... ok, wollte... ich das, was jetzt kommen sollte, auch nicht mehr.

Skyler stellte sich genau neben meinen Sarg. Sie schlang die Arme um ihren dünnen Leib und sah irgendwie wieder etwas überfordert und angeschlagen aus. Sie war wohl wirklich kein Typ für so viel Trubel.

Ich erkannte das Schicksal mit dem Zaunpfahl winken. Ich hieß weder Ciel, noch Grell und brauchte es von daher auch nicht, dass das Schicksal mich mit dem ganzen Zaun niederschlug.

Leise streckte ich also einen meiner Arme aus meinem Sarg und öffnete ihn geräuschlos ein Stück weiter.

Ohne ein Wort der Warnung packte ich das zierliche Ding am Arm und zog sie in mein dunkles Versteck.

Ihre Füße versuchten Balancen zu halten, doch es gelang ihr nicht, noch war es nötig: Sobald ich sie an mich heran gezogen hatte, schloss ich den Sargdeckel gänzlich, sodass die junger Sky nicht mehr hätte umfallen können, selbst wenn sie es gewollte hätte.

Doch zur Sicherheit schlang ich einen meiner Arme um ihre dünne Taille und zog sie zu mir. Das hübsche Ding hatte teilweise ein so unsägliches Pech und so ungeschickte Füße, da konnte ich es mir sehr gut vorstellen, dass sie es trotz allem schaffte sich den schlanken Hals zu brechen.

Ich merkte wie sie sich wand und den Kopf hin und her warf, offensichtlich desorientiert von ihrem unvorhergesehenen Positionswechsel.
 

Ihre zarten Hände legten sich an meine Brust und sie versuchte sich wegzudrücken. Doch das zarte Ding war so possierlich schwach!

Sachte griff ich ihr kleines Kinn und drehte ihren Kopf zu mir: „Happy Birthday. Ahehehehe!“

All ihre Bewegungen erstarrten abrupt, als sie mir mit großen Augen entgegen schaute.

“Underta...?!“, erkannte sie mich schließlich und ihre Stimme flog durch den engen Sarg.

Ich schob meine Hand nach oben und bedeckte ihren Mund: „Nicht so laut, mein hübsches Geburtstagskind. Du verschreckst noch meine Opfer. Ahihihihihi!“

Sie zog wieder eine ihrer geschwungenen Augenbrauen hoch.

Ich entließ ihren Mund und legte stumm meinen Zeigefinger an meine Lippen. Anschließen drehte ich sie halb um sich selbst und schob den Sarg ein Stück auf, sodass ihr Blick auf ihre beste Freundin fiel, die immer noch den Buffettisch auf und ab ging, unschlüssig, was von den vielen von Sebastian vorbereiteten Köstlichkeiten sie essen sollte.

'Vielleicht geht es ja doch gut. Tehe!', lachte ich durch meine Gedanken und legte mein Kinn ohne zu überlegen auf Skylers Schulter ab. Doch der Geruch von Seife und Lavendel vertrieben schnell den Gedanken daran, dass Amy wirklich nicht primär Ziel meiner Streiche war. Sie war eher eine Art... hilfreicher Handlanger. Die jugendliche Phantomhive und ich teilten uns einen unsagbar herrlichen Charakterzug im Übermaß: Schadenfreude!

Sky drehte den Kopf so gut es ging zu mir: „Amy? Ernsthaft?“, flüsterte sie etwas ungläubig und noch nicht so ganz begeistert.

Sie muss vorgewarnt worden sein. Zumindest schien sie genau zu ahnen, was ihrer Freundin bevor stand.

Ich lachte leise zurück: „Schau hin und genieße. Hehe.“

Ihre Augen wanderten wieder zurück und hingen an Amy, als diese voller Tatendrang in natürlich genau eben dieses Dessert schnitt, welches ich zur Falle auserkoren hatte. Sofort bespuckte die Süßspeise sie mit dem rot gefärbten Zuckerwasser.

„Undertaker!“, kreischte Amy schrill. Das Zeug würde wenn es trocken war ganz furchtbar kleben: „Du Arschloch!“

Während der jungen Sky der Mund aufklappte, versteckte ich mein Gesicht in dem Stoff ihres Ponchos um nicht jetzt schon quer durch den ganzen Garten zu grölen und mein Versteck an Jedermann zu verraten. Außerdem wollte ich die junge Skyler ja ein wenig von der Menge fern halten, bevor sie einen Magendurchbruch bekam.

Zwar brauchte es ein paar Sekunden, aber dann merkte ich ein sanftes Zittern in meinen Armen und hört das zarte, helle Prusten des Geburtstagskindes neben meinem Ohr.

Es kam, wie es immer kam: Sobald wir nebeneinander standen und auch nur einer anfing zu lachen, schaukelten wir uns hoch und brachen irgendwann in vollends sinnfreies Gelächter aus.

Amy war weder taub, noch dumm und kam bestimmten Schrittes auf unser Versteck zu. Ich wusste nicht genau was jetzt geschehen würde, aber ich war mir sicher es würde amüsant werden, als Amy mit der Miene eines sehr unfreiwillig begossenen Pudels den Sarg aufriss: „Undertaker! Du bist so ein kleiner...!“, die Adelstochter brach ab, sobald sie ihre beste Freundin in meinen Armen sah: „Sky?!“

Eben diese wedelte fast schon verzweifelt mit den Händen: „Ich bin unschuldig! Ich bin unfreiwillig hier! Ich wurde gezwungen!“

„Aha“, machte Amy und wirkte nicht ansatzweise überzeugt. Ihre Augenbraue zuckte sogar ein Stück nach oben: „Ich sehe wie sehr du dich wehrst.“

Skyler traf dieser Ausspruch wohl wie eine Abrissbirne und ließ sie alles was sie sagen und denken wollte hinunter schlucken, als ihr Gesicht ein so tiefes Rot annahm, dass ich mir nicht sicher war ob es nicht sogar der dunkelste Farbton war, den ich bis jetzt in ihrem Gesicht gesehen hatte. Ich konnte aufgrund dieser Szenerie nicht anders, lachte weiter, lehnte mich gegen die Rückseite des Sarges und wischte durch mein Gesicht.

„Wi-wirklich!“, wedelte Sky weiter: „Ich wurde da wortwörtlich mit reingezogen! Ich bin eine Gefangene! Ich werde gezwungen!“

'Eine Gefangene! Ahehehehehe! Natürlich!', verschwand mein Lachen in unhörbare Höhen und mir stiegen ein weiteres Mal an diesem Tag die Lachtränen in die Augen: Ich liebe Halloween!

Amy legte den Kopf schief und stemmte eine Hand in die Hüfte: „Gezwungen? Wozu denn? Zum Lachen und zum Kuscheln?“

„Ku-ku-ku-ku-ku-wa-wi-wi-wi“, stammelte Sky sichtlich überfordert und ein weiteres Mal von der unnachgiebigen und direkten Ehrlichkeit ihrer Freundin hart getroffen: „Wir kuscheln nicht!“

„Was mach ihr denn dann?“, fragte Amy vollkommen absichtlich unempathisch und von der Scham ihrer Freundin unberührt: „Schach spielt ihr nicht.“

Ich ließ die junge Skyler los, als sich mein Bauch so verkrampfte, dass auch meine Knie den Dienst ein Stück weit quittierten. Ich rutschte erstickend am Sarg nach unten und wedelte mit den Armen um die positive Anspannung irgendwie aus meinem Körper zu lassen.

„Ich... ich glaube er stirbt gerade...“, hörte ich Skyler durch mein Lachen.

Amy schnaubte: „Zu Recht! Ich bin total versaut!“

„Ich...“, versuchte ich mit Amy zu sprechen, doch es gelang mir nicht ganz: „Hahahahahahahaahaha! Würde so gerne sagen... Ahahahahaha! Das es mir leid tut.... Ahehehehehe! Aber das wäre gelogen... Wuhuhuhuhuhu!“, irgendwie schaffte ich es zu verschnaufen und stellte mich wieder auf die Füße: „Deine wedelnden Arme! Fu fu fu! Zu herrlich! Wuhuhu. Schau nicht so böse. Du lachst immer am Lautesten, wenn mir jemand zum Opfer fällt.“

Amy verschränkte die Arme: „Du bist scheiße.“

„Das meinst du nicht so, ahehehehe!“

Dann lachte sie: „Tu ich auch nicht. Aber warum ich?! Ich dachte wir sind Partner?!“

Ich kratze mich lachend an der Nase: „Es war Zufall. Wer darein tappt konnte ich nicht planen, aber ich hatte eigentlich mit Charlie oder Ronald gerechnet.“

„Verrechnet!“

„Ahehehe! Och, nur so halb“, packte ich den Sargdeckel und zwinkerte Amy schelmisch entgegen: „Deine Reaktion war vielleicht noch besser. Und nun entschuldige mich. Hier ist geschlossene Gesellschaft.“

„Was?!“, quiekte Sky, sichtlich unbegeistert, dass sie bei dieser Entscheidung kein Mitspracherecht zu haben schien.

Hatte sie auch nicht, denn ohne weiter auf ihren pikierten Ausruf einzugehen schloss ich den Deckel.

„Geschlossene Gesellschaft?!“, quietschte sie fast hysterisch und vollkommen überfordert: „Was soll das denn heißen?!“

Außen hörte ich Amy lachen: „Ok, ok ich sehe ich bin unerwünscht. Soll ich euch ein Seil bringen? Oder habt ihr alles?“

'Thehehehe, das wird ein... wie hieß das noch mal... genau! Das wird ein 'Running Gag'! Wuhuhu!', blieb mein Lachen nicht lange in meinem Kopf: „Wir sind versorgt!“

„Ok, bye!“, verschwanden Amys Schritte.

Es war eng in dem Sarg und ich sah in zwei weit aufgerissene, blaue Augen die mich vollkommen schockiert musterten, ohne zu blinzeln. Doch ich hörte die junge Skyler nicht mehr atmen: 'Hat sie die Luft angehalten? Hihi!', wieder fand das Lachen seinen Weg nach außen: „Hehe! Du siehst schon wieder aus wie ein schockierter Teddybär.“

„Ich bin kein Teddybär!“, rief sie empört: „Was soll das hier?!“

Ich lachte weiter und beugte mich in ihr schönes Gesicht: „Du hast doch keine Angst vor mir, oder?“

Sie klimperte mit den Augen: „Nein... Habe ich nicht... Du hast nicht wirklich ein Seil dabei, oder?“

Das schrille Lachen kam wie von selbst: 'Ein Seil! Pahahahahaha! Natürlich! Ich habe immer ein Seil in der Hosentasche! Man weiß ja nie wofür man es braucht! Kleines, du machst mich fertig! Tehehehehe!'

Ich legte den Kopf lachend schief: „Ahehehehehe! Nein!“, dann stützte ich eine Hand neben sie an den Sarg und beugte mich daran näher zu ihr herunter. Sie wollte nach hinten ausweichen, doch der Sarg hielt sie auf. So konnte sie nicht verhindern, dass wir bald sehr nah beieinander standen. Ein angenehmes Knistern fuhr durch meine Nerven, als ich ihre Augen von so nah betrachten durfte: „Aber wenn du drauf bestehst kann ich improvisieren.“

„N-n-n-nein!“

„Hehe! Schade“, lachte und seufzte ich vollkommen wahrheitsgemäß. Ihre Schüchternheit war einerseits unglaublich süß, andererseits stand sie aber dem ein oder anderen Abenteuer im Weg.

„Was?!“

Ich lachte weiter. In erster Linie war ihre Verschämtheit aber unglaublich amüsant: „Jetzt bekomme keinen Herzinfarkt! Ahehehehe! Wie kann ich aufhören dich zu ärgern, wenn du dich so wunderbar pikierst?“

„Mach das nie wieder!“

„Was?“

„Na... das!“

'Die Aussage des Tages, kleine Sky!', ein Kichern kroch durch meine Lippen: „Ich habe so das Gefühl du weißt es selber nicht.“

„Ääääääähm... Hör auf mich zu verarschen!“

Ich kicherte lauter.

„Und was sollte das mit der geschlossenen Gesellschaft?!“

„Nun“, fiel mein Kopf zur Seite und meine Augen musterten sie eindringlich. Ihr Aufenthalt hier, bei mir, war ja nicht nur Scherz, Spaß und Lachen: „Du hast Bauchweh, oder? Ich tippe, weil hier so viele Leute sind. Du wirkst irgendwie immer ein bisschen verstört in großen Menschenmassen.“

Sie schaute beschämt zur Seite: „Ein bisschen... vielleicht...“

„Wir können hier drin bleiben so lange du willst“, lächelte ich ihr entgegen. Sie sollte sich die Zeit nehmen, die sie brauchte. Sie hatte Geburtstag! Und den sollte sie nicht mit Bauchweh und Magenzippen in Erinnerung behalten. Nach 17 verkorksten Geburtstagen hatte ich mir vorgenommen den Heutigen zu einem guten werden zu lassen: „Nun?“

„Ähm... das wird nicht nötig sein. Wenn wir zu lange hier bleiben dann...“

„Kommen die Anderen auf falsche Gedanken. Warum ist dir das so wichtig? Hehe, lass sie doch denken was sie wollen.“

Sie kniff wieder ein wenig in ihrer Weltsicht erschüttert die Augen zusammen: „Aber...“

„Aaaaber?“

„Ich...“

„Weiß selber nicht was ich will“, lachte ich.

Dass ich ihre Sätze beende, ist mittlerweile ein inoffizielles Spiel zwischen uns geworden.

Ihre Augen wurden zu Schlitzen: „Ich kann selber reden...“

„Tihi! Dann tu es auch.“

„Warte!“, erschien eine strahlende Erkenntnis in ihrem Gesicht. Der schelmische Glanz in ihren Augen war so bezaubernd... wie unglücksverheißend: „Du hast mich erschreckt!“

„Nein, das tust du nicht...“, wusste ich ganz genau worauf diese Aussage hinaus laufen würde. Das hatte sie zu einem inoffiziellen Spiel zwischen uns gemacht.

Sie kicherte: „Und du hast mich gestern auch erschreckt.“

„Du hast mir eine auf die Nase gegeben und mich aus dem dritten Stock in einen Rosenbusch geworfen! Ich glaube eher wir sind quitt, junge Dame. Hehe!“, so sehr ich ihr ihre Freude gönnte: Spiele spielt man fair. Das gilt auch für junge, hübsche Mädchen. Ihre Rache hatte sie schon gehabt.

„Warte, warte, warte! Du hast mich mit dem Fenster wissentlich um den Verstand gebracht, Houdini!“

'Houdini! Ich hab also schon meinen ganz persönlichen Spitznamen, hehe', irgendwie wurde mir warm bei diesem Gedanken: „Gut, damit fällt die Faust in meinem Gesicht weg. Zwei hab ich noch gut.“

„Du hast mich ohne Vorwarnung in einen Sarg gezogen!“, rief sie aus.

„Das wiegt sich mit einem Freiflug aus 8 Metern Höhe auf. Hihi.“

Sie verstummte. Hinter ihren Augen sah ich ihre Gedanken verzweifelt nach einer weiteren Situation suchen, mit der sie mich ausmanövrieren kann.

'Herrlich!', das junge Ding stellt sich doch teilweise als ernstzunehmende Gegnerin heraus! Es gibt nicht viele Menschen oder Wesen, die mir Paroli bieten (können) und ein breites Grinsen erschien auf meinen Lippen: „Wenn du nichts mehr findest hab ich noch einen gut.“

„Du... du hast mich vor Amy wie einen treulosen Trottel dastehen lassen!“

„Hihihi. Lass ich gelten, weil ich nett bin. Wir sind quitt.“

Sie seufzte: „Nie darf ich meinen Spaß haben...“

„Ahehehe. Was würde dir denn Spaß machen?“

Ihr Gesicht entgleiste ein Stück: „Ähhhhm... weiß nicht?“

Ich schüttelte lachend den Kopf: „Hehe. Du bist wirklich unbeschreiblich“, man sah ihr zumindest genau an, wann ihre Gedanken wie ein Kartenhaus zusammen fielen. Ein Gesichtsausdruck für die Götter. Generell fühlte ich mich wegen ihrer vollkommen unkontrollierten und überforderten Mimik des Öfteren wie Gott in Frankreich.

Ich griff in meine Manteltasche und meine Hand fand die kleine Holzkiste, in der sich Skylers Geburtstagsgeschenk versteckte. Ich war mir sicher es gefiel ihr, trotzdem glomm in meiner Brust ein schwacher Schein von hoffen und bangen auf. Das war ungewöhnlich wie irritierend, doch ich schaffte es seine Anwesenheit nach außen zu kaschieren: „Also? Raus oder hier bleiben?“

„Ähm“, kam es nach einem Moment des Schweigens.

Ich wollte eigentlich geduldig weiter auf ihre Antwort warten, doch der Sarg ging auf, das plötzliche und unerwartete Licht blendete mich und ein roter Handschuh zog mich von Skyler weg: „Was machst du da?!“

'Grell...', stöhnte ich in meinen Gedanken: 'Du Trottel mit deinem unglaublich schlechten Timing!'

Die Ketten, die ich für alle meine Freunde gefertigt hatte, offenbarten gerade einen großen Nachteil: Wir spürten uns gegenseitig auch nicht mehr. Grell muss von Amy erfahren haben was los war und wo Skyler und ich versteckt waren.

Er schüttelte mich: „Du hast nicht einen Hauch von Anstand! Was auch immer du mit dem armen Ding vorhast, lass es bleiben!“

Doch im Endeffekt musste ich aufgrund von Grells schlechten Benehmens doch wieder heiter lachen.

Plötzlich spürte ich, wie das Gewicht aus meiner Manteltasche schwand. Ich wollte das Kästchen greifen, doch Grell rüttelte so heftig an mir herum, dass ich es nicht zu fassen bekam. Mit einem kleinen Krach ging es zu Boden und unsere Augen senkten sich darauf, als auch Grell aufhörte mich zu schütteln. Er schaute mich wieder an: „Oh ist das...?“

„Ja“, nickte ich: „Ich wollte es ihr gerade geben, dann kamst du.“

Grell nahm seine Arme von meinem Revers: „Oh... Ups.“

Ich lachte: „Für wie unmöglich hältst du mich eigentlich?“

„Du kennst die Antwort. Es ist Halloween.“

„Ja, hehe! Ist es.“

'Und ein gewisses Mädchen mit braunen Haaren ist die Einzige, die heute keinen Streich fürchten muss... zumindest keinen geplanten... Thihi!'

Grell wedelte ausschweifend mit den Armen und verschränkte sie dann hinterm Rücken: „Nun denn, dann bist du dir unseres Problems ja vollkommen bewusst. Ich bin mal weg.“

Er eilte zurück zu den beiden anderen Shinigami. William warf mir einen scharfen Blick zu. Ich winkte ihm grinsend zurück. Er drehte seufzend den Kopf weg.

'Sturer, alter Esel, hehe!'

Ehrlich. Der altersschwache Esel, denn ich um 1890 vor meinen kleinen Karren gespannt hatte, hatte mehr Humor gehabt als William.

Dann hob ich das kleine Geschenk vom Boden auf und hörte auch schon Skylers Stimme neben mir: „Was ist das?“

Lächelnd hielt ich es ihr entgegen, doch irgendwie unterschwellig nervös: „Alles Gute zum Geburtstag, meine schöne Puppe.“

Ihre großen Augen schauten reichlich irritiert aus dem schön geschminkten Gesicht. Sie sah wirklich fabelhaft aus! Als hätte dieses Kostüm nur darauf gewartet, dass sie es trug. Doch sie schien sich ihrer Aufmachung immer noch nicht ganz sicher zu sein: „Es steht dir. Ausgesprochen gut sogar.“

Ihr Gesicht hatte einen satten Rotton, doch zu meiner Überraschung schaute sie mich an anstatt noch weiter weg: „Danke...“

„Nun“, hielt ich ihr das Kästchen näher hin: „Möchtest du es nicht?“

Sie beschaute es und drehte ihren Fuß auf dem teuren Rollrasen: „Aber... du hast mir doch schon etwas geschenkt...“

„Die Kette? Hehe! Jeder, der mir etwas bedeutet, hat so eine Kette bekommen.“

Sie wirkte etwas unsicher: „Jeder?“

„Ja“, nickte ich: „Jeder: Du, Amy, Grell, Ronald, William, Alexander, Heather, Frederic, Sebastian, Lee, Frank und Charlie. Selbst ich habe eine. Aber das“, ich nahm ihre Hände und legte das Geschenk in sie hinein: „Das ist nur für dich.“

Sie lächelte verhalten und so endlos schüchtern: „Sicher?“

Dieses Lächeln lässt mein eigenes weiter werden, als ich nickte: „Sicher.“

Dann musterte sie den kleinen Kasten gründlich. Sie wirkte immer noch so, als sei sie sich nicht ganz sicher, dass es jetzt wirklich ihr gehörte. Ich konnte es ihr nachfühlen. Mit dem Süßgebäck war es mir ähnlich ergangen.

Also lachte ich: „Hehehe! Nun mach schon auf.“

Nach einem weiteren zögerlichen Blick in mein Gesicht band sie die Schleife ab und öffnete den Kasten. Lange ruhte ihr Blick auf dem Schreibwerkzeug, das ich in einigen Stunden Arbeit zusammengestellt hatte: „Das ist wunderschön! Danke!“

Mein Lächeln wurde breiter und mein Herz unwillkürlich einen Schritt schneller: „Es freut mich, dass es dir gefällt.“

Skyler beschaute das Set ein weiteres Mal: „Aber... bist du sicher, dass du es verschenken willst...?“

„Warum sollte ich nicht sicher sein?“

„Naja... das sieht sehr, sehr teuer aus und...“

„Hehe!“, lachte ich. Solche Gedanken kamen wirklich nur Menschen, die nichts hatten. Skyler war so ein Mensch. Eigentlich mittellos war sie sehr bescheiden geworden.

„Es war nicht teuer!“, beruhigte ich sie: „Nur der Rabe, dem ich die Feder geklaut habe, der schmollt glaube ich noch ein bisschen.“

„Feder geklaut?“, es dauerte ein bisschen, bis die Erkenntnis ganz durchgedrungen war: „Du hast das selber gemacht?!“

„Ich mache meine Geschenke immer selbst. Hat mich ein bisschen Zeit gekostet, aber wenn es dir gefällt hat es sich gelohnt.“

Skyler antwortete nicht. Sie schaute mich nur an. Selbst das Blinzeln schien sie vergessen zu haben: „Hehe. Was hast du?“

„Ich...“, schüttelte sie reichlich sprachlos und berührte den Kopf. Diese Reaktion zeigte mir, dass ich mit meinen Vermutungen richtig lag: Es gefiel ihr.

„Ich kann es... nur nicht fassen... Das ist... wirklich wunderschön!“, sie hob den Federhalter an und beschaute ihn genau: „Und das ist eine Rabenfeder? Außergewöhnliche Idee!“

Ich wackelte amüsiert mit dem Kopf: „Nicht so außergewöhnlich. Ich habe gerade Krabat gelesen.“

„Krabat?“, wieder huschten viele Gedanken durch ihre Augen und schienen sich gegenseitig auf die Füße zu treten.

Ich zeigte auf das Holz des Halters, um sie aufzuwecken: „Kirschholz. Die Federn sind aus Silber.“

Skyler blinzelte: „Silber?“

Ich nickte: „Ich habe eh Silber für die Ketten gebraucht, also habe ich die Gelegenheit beim Schopfe gepackt und einfach mehr besorgt. Wie gesagt, so kreativ war die Idee leider doch nicht. Hehe!“

Sie legte die Feder bedächtig zurück, schloss das Kästchen und legte es gerührt an ihre Brust: „Ich... weiß nicht wie ich dir danken soll...“

Aus einem spontanen Impuls, von dem ich auch nicht genau wusste woher er kam, nahm ich das Geschenkband und band es in ihr weiches Haar. Ich mochte ihre Haare. Ich mochte das Gefühl von ihnen an meinen Fingern. Vielleicht hatte mein Unterbewusstsein es nur als schlechten Vorwand vorgeschoben, um ihre Haare berühren zu können.

Als ich damit fertig war, ging ich wieder einen halben Schritt zurück und lächelte sie mit einem angenehm warmen Gefühl in meiner Brust und meinen immer kalten Fingern an.

Dann musterte mich das schöne Ding wieder etwas schüchtern und beschämt: „Es ist nicht viel aber... darf... darf ich dich zum Dank umarmen?“

Diese Bitte traf mich auf eine komische Art und Weise. Es war eine gewisse Art von... Schock... aber keiner, der als unangenehm zu bezeichnen wäre. Er entlockte mir ein Lachen und nur als zu bereitwillig öffnete ich meine Arme für diese kleine, hübsche, schüchterne Puppe: „Aber natürlich.“

Zögerlich legte sie die Arme um meinen Hals und drückte mich an sie. Ich drückte sie zurück, vorsichtiger als von mir gewohnt. Sie wirkte für mich irgendwie immer noch wie aus dünnem Glas. Auf keinen Fall wollte ich, dass ihr Inneres oder Äußeres einen Sprung bekam. Ihre weichen Haare an meiner Wange, roch ich wieder die Seife und den Lavendel. Der Duft der kleinen, lilanen Blume passte so unaussprechlich gut zu ihr.

Es widerstrebte mir das dünne Ding wieder los zulassen. Also tat ich das, was ich immer tat wenn mir etwas widerstrebte: Ich tat es einfach nicht. Ich hielt sie fest. Gerade fiel mir nichts ein was ich lieber täte, als sie im Arm zu haben.

Dann tippte mir jemand auf die Schulter. Meine Augen wanderten zur Seite und fanden Sebastian, der mich ganz komisch angrinste. Ronald hatte bei seinem letzten Besuch ein ähnliches Grinsen gezeigt. Ich konnte damit genauso wenig umgehen, wie mit meinen Gefühlen der hübschen Sky gegenüber. Und eigentlich hatte ich keine Probleme damit Lachen und Grinsen zu deuten.

Ich verwirrte mich ein weiteres Mal selbst und schob mit einem gewissen Widerwillen die hübsche Sky von mir weg.

„Es tut mir leid euch stören zu müssen“, lächelte der Butler vieldeutig: „Doch wir bräuchten Miss Rosewell für einen Moment. Und dich auch.“

Ich lachte: „Oh, ist es soweit?“, konnte ich mir denken was folgte: Alex blies zum Geburtstagsangriff.

Der Butler nickte: „In der Tat. Nach mir bitte.“

Skyler schaute mich verwirrt und vollkommen ahnungslos an: „Was ist los?“

Ich lächelte breit, dem gewahr was folgen würde und nahm sie einfach bei der Hand mit mir mit: „Das wirst du sehen! Komm! Hehe!“

Wir folgten Sebastian zu dem Kreis von Leuten, in dem ich jeden sah den die junge Skyler bis jetzt kennen gelernt hatte. Es schien, als wollten alle bereitwillig ihren Geburtstag mit ihr feiern. Wir stellten uns zwischen Amy und Ronald in den Kreis. Frank und William mieden meinen Blick partout und so unglaublich provokant, dass ich kichern musste: 'Jeder eitle Pfau würde bei euch noch blauer vor Neid, tihihihi!“

Alexander räusperte sich: „Wie mir zu Ohren kam, haben wir heute einen ganz besonderen Gast in unserer Runde.“

In Skylers Gesicht erschien eine mittelschwer schockierte Erkenntnis.

„Und zwar“, der Earl Phantomhive zeigte auf das junge Ding: „Feiert die liebe Skyler heute ihren 18. Geburtstag!“

Alex unterbrach das kurz aufflackernde Raunen und Reden mit seinen Händen: „Bitte, bitte meine Damen und Herren.“

Nur Grell konnte seinen Mund nicht sofort halten. Es war wie immer.

„Und Herrinnen“, lachte der Earl. Er zeigte damit nicht nur, dass Grell jetzt den Mund halten sollte. Er schätzte damit gleichzeitig seine Eigenart. Er war ein wunderbarer Redner.

Grell rieb sich schuldbewusst und lächelnd den Hinterkopf, während Sebastian seufzte.

Es fühlte sich wie immer gut an Teil dieser äußerst außergewöhnlichen Bande zu sein.

Der Earl schüttelte lachend den Kopf: „Leider erreichte mich die Information etwas spät. Deswegen lasst uns etwas improvisieren! Erheben wir unsere Gläser und geben der lieben Skyler in Form eines Ständchens unsere besten Wünsche mit auf den Weg“, log er vollkommen unverfroren und extrem gekonnt. Er wusste schon länger Bescheid, doch Amy hatte ihn ja gebeten keine große Show zu veranstalten. Also verpackte er es als spontanen Einfall: 'Nicht dumm, hehe!'

Sebastian ging herum und verteilte einige Gläser. Ich nahm mir meinen Whisky vom Tablett.

Skyler wirkte nicht so ganz glücklich. Ihr schief hängendes Lächeln war noch nicht mal wirklich gekonnt gespielt und man sah ihr an, wie wenig sie mit der Situation umgehen konnte. Amy legte ihr die Arme um den Hals um sie mental zu unterstützen, als der ganze Kreis ihr ein sehr kurzes und äußerst traditionelles Geburtstagsständchen sang.

Nach dem Ständchen flogen ein paar Glückwünsche durch die Runde und schickten Skyler einen roten Schein ins überforderte Gesicht.

„Danke!“, lächelte sie schüchtern und so furchtbar rot: „Ich weiß gar nicht, wie ich euch danken soll!“

Das glaubte ich ihr auf Anhieb. Sie hatte wirklich keine Ahnung was sie jetzt tun sollte.

Mehr unbeholfen schüttelte sie Alexander und Heather die Hand. Auch Lee und Fred drückte sie eher verstört als gekonnt.

Grell hob die junge Skyler von den Füßen, als kenne er sie schon ewig und drehte sie herum und herum: „AAAAAH! 18! Herzlichen Glückwunsch!“

Irgendwann brachte William ihn mit einem Schlag auf den Hinterkopf zum Stehen: „Benimm dich, Sutcliff!“,

anschließend gab er Sky die Hand: „Skyler Rosewell. Meine Glückwünsche.“

„Danke sehr, William“, lächelte sie so gut sie konnte, als sie seine Hand schüttelte. Sie konnte es nur leider nicht gut.

Ronald drückte sie überschwänglich: „Noah! Alles Gute!“

„Danke sehr“, lachte sie vollkommen überfahren von so viel Herzlichkeit.

Ja, die Leute hier waren schon alle ein Fall für sich.

Charlie und Frank beglückwünschten sie eher kurz, was dem jungen Ding sehr entgegen zu kommen schien.

Als Sky sich zu ihrer Freundin drehte, flüsterten die Beiden.

Ich wollte lauschen, doch Ronald sprach mich an: „Irgendwie scheint sie ein bisschen verstört zu sein.“

Ich lachte: „Hehehe. So ganz verübeln kann man es ihr wohl nicht. Bei dem Haufen.“

„Du bist Teil des Haufens!“

„Und jeden Tag dankbar dafür, hehehehe!“

Ronald seufzte lächelnd, verschränkte die Arme und beschaute die Leute, die alle beisammen standen und redeten: „Ich mag solche Tage“, sagt er irgendwie sentimental.

Doch ich musste ihm in jedem Punkt zustimmen: „Da wirkt die Welt nicht mehr ganz so öde, tehe!“

„Und nicht mehr ganz so schlecht“, fuhr der Jüngling weiter aus.

Ich schaute ihn an und zog die sichtbare Augenbraue hoch: „In deinem Alter sollte die Welt noch nicht schlecht sein, Ronald. Hehe.“

„Und in deinem?“

Giggelnd drehte ich wieder meinen Kopf zu den Leuten. Wie lange blieben sie? Das werde ich sehen.

„Hört man auf, sich über so etwas Gedanken zu machen.“

„Weißt du?“, Ron verschränkte die Arme: „Manchmal würde ich echt gerne wissen, worüber sich so ein 'Legendärer Todesgott' den ganzen Tag Gedanken macht.“

„Hehe! Dann musst du einen fragen.“

„Antwortest du mir?“

„Dann fragst du den Falschen“, kicherte ich: „Hihihi. Ich bin kein Todesgott mehr. Es ist wie William sagt: Ich bin ein armer Irrer. Alles andere habe ich zurück gelassen.“

„Vermisst du es?“

Mein Auge wanderte zu Ronald und ich legte einen Zeigefinger an meine Lippen: „Das weiß nur der Wind.“

Die Wahrheit war, dass manchmal nein und manchmal ja.

Ich mochte meine Ruhe, hatte keine Lust mehr auf hunderte Seiten Regelwerk, doch... ich war in der Welt der Shinigami mal Zuhause gewesen. Ein bisschen Heimweh hatte wohl jeder mal.

„Oh doch!“, schallte es plötzlich von Amy zu uns herüber.

„Nein...“, nuschelte Skyler extrem unbegeistert und missmutig.

„Do~och!“, singsangte Amy.

“Ne~ein“, gab es ihr Sky in selben Tonfall wieder. Nur irgendwie spöttischer.

Ich zog wieder die Augenbraue hoch, als ich doch wissen wollte worüber Amy und Skyler, ein Herz und eine Seele, diskutierten und so gänzlich anderer Meinung zu sein schienen.

Sebastian gab Sky ihre Gitarrentasche und ein Licht ging mir auf.

„Bitte, Mylady“, grinste der Butler, wohl wissend, dass er gerade alles andere als eine gute Tat beging.

Alex lief an mir und Ronald vorbei und winkte uns mit sich: „Kommt schnell! Setzen wir uns.“

Wir taten wie geheißen und die ganze Gruppe versammelte sich um die beiden Mädchen. Skyler fühlte sich sichtlich nicht wohl in ihrer Hauptrolle, was Amy ein bisschen amüsierte. Ein Teil dieses Amüsement war definitiv die süße Rache dafür, dass Skyler sie ausgelacht hatte. Nicht, dass Amy sie viel ungenierter ausgelacht hätte, wäre die Rollenverteilung andersherum gewesen. Ich überschlug die Beine auf meiner Bank und hielt mein Glas wie gewohnt am obereren Ende in der locker hängenden Hand. Ronald setzte sich neben mich: „Was das wohl gibt?“

Ich legte einen Finger an die Lippen: „Shhh! Sonst verpasst du es.“

„Ist ja gut, ist ja gut“, lachte Ron.

Doch ich schaute ihn schon nicht mehr an. Ich schickte dem so verlorenen aussehenden Ding ein Lächeln quer durch den größeren Kreis aus Bänken.

Amy lachte: „Ich hab übrigens alles gepetzt.“

„Ich hasse dich...“, seufzte Skyler, als sie sich setzte.

Ich war mir ja nicht ganz schlüssig, ob Amy ihr mit solchen Aktionen irgendwie helfen wollte, oder es sie einfach belustigte. Zweiteres war eigentlich gar nicht so ausgeschlossen, sie war immer noch eine Phantomhive. Und die Phantomhives waren immer noch keine normalen oder 100% guten Menschen. Sie konnten sehr sehr grausam werden. Anders hielt man eine Machtposition und ein Netzwerk wie die 'Nobelmänner des Bösen' nicht.

Doch hier ging es um Skyler. Vielleicht sah Amy diese Maßnahmen doch als irgendwie therapeutisch wertvoll an.

„Alle da?“, fragte Amy und reichte Sky ihre Gitarre.

Einen Raunen und Gemurmel ging durch den Kreis. Doch es erstarb von selbst, in Erwartung dessen was folgen sollte. Selbst Grell hielt sofort wieder seinen Mund.

Sky schaute nervös zur Seite. Nicht richtig wissend wohin sie ihre schönen Augen drehten sollte, wackelte sie mit den Händen. In einer hielt sie immer noch mein Geschenk. Sie betrachtete es kurz und ihre himmelblauen Augen hoben sich in meine. Ich war mir sicher, egal zu was sie Amy gerade zwang, Amy tat es nicht würde sie wissen, dass es zum Scheitern verurteilt war. Was auch immer die kleine Sky tun sollte, ich war mir sicher es wird fabelhaft. Ich legte eben diese Gewissheit in das Lächeln welches ich ihr bereitwillig ein weiteres Mal schenkte. Sky schaut wieder weg, als ihr ein Hauch rot auf das schmale Gesicht flog: 'Wie süß...'

Dann gab sie Amy den Kasten mit den Federn, welche diese für sie in die Gitarrentasche packte.

Jetzt, wo sie die Gitarre in der Hand hatte, war ich neugieriger auf das was sie damit vorhatte als vorher. Ich nippte genüsslich an meinem Whisky, als sie die Seiten anspielte. Doch dann unterdrückte ich das Zucken meines Auges: Der Ton war schief. Grässlich schief.

Schon fast entmutigt schüttelte Sky den Kopf und ich sah ihre Hände sachte zittern. Doch sie schlug ein zweites Mal an: Wieder schief.

'Beruhige dich doch...', surrte es mitfühlend durch meinem Kopf. Ich war mir irgendwie sicher, eigentlich konnte sie es.

Als habe sie es gehört, atmete sie einmal tief durch und die folgenden Töne hallten herrlich durch die mittlerweile schwarze, nur durch das Flackern der Feuerstellen erhellte, Nacht.

Das Lied lehnte an der Zigeunermoll Tonleiter und wehte trotz der eigentlich schweren Akkorde ungewöhnlich leicht durch die Nacht. Es tanzte mit den Flammen der Feuerstellen hin und her, begleitet von einem festen Mezzosopran, dem ich dem sonst so unsichereren Ding fast nicht zugesprochen hätte.

Was ich hörte gefiel mir mehr als ausgesprochen gut und ich merkte, wie mein Herz wieder aus dem Takt geriet und einen Schritt schneller schlug.

Der Text verwunderte mich allerdings.

Es war auf jeden Fall kein Cover.

Bei der ein oder anderen Stelle hörte ich doch zweimal hin, war mir aber trotz allem nicht ganz sicher, ob ich wirklich verstanden hatte was der jungen Frau in ihrer herrlichen Stimmlage über die Lippen rollte.

'Bright and pure sounds the laugh that you share!'; 'I am so terribly lost if this weird smile is not for me, my friend'; 'If you turn your grin away, then tell me...'; 'You're hilarious and crazy, odd like no one else!'

Das Lied handelte ohrenscheinlich von schlechten Erfahrungen und einem Grinsen und Lachen, welches ein Stück Hoffnung in eine zerstörte Welt bringt: 'Singt sie von...?'

Doch der Gedanke blieb bei der Hälfte in irgendetwas in meinem Kopf stecken.

Ich blinzelte unwillkürlich und spürte dann ein paar Augen auf mir. Als ich hochschaute traf mein Blick den von Ronald, Grell und William. Die Drei hatten einen ähnlichen Ausdruck aufgelegt und musterten mich vielsagend. Doch Grell lachte, augenscheinlich davon überzeugt und amüsiert richtig zu hören. Ich schickte ihnen ein stummes Lachen mit einem breiten Grinsen entgegen.

'Es wäre schön wenn...', flog es mir durch den Kopf. Mein Unterbewusstsein hatte schon lange alles ausgesprochen, was mein aktives Bewusstsein nicht einmal über die inneren Lippen brachte, als ich meinen Kopf wieder zu Skyler drehte.

Die Unsicherheit vom Anfang hatte sie verloren. In der Kunst, ob visuell oder auditiv, schien sie so aufzugehen, dass sie alles andere vergaß. Ein wundervoller Anblick. Sie lächelte und ihre Augen funkelten, als sie in die Seiten griff. Sie verspielte sich nicht mehr ein einziges Mal und strahlte ihre Freundin an, die sie hier und da stimmlich begleitete.

In der Menge, die immer größer wurde, herrschte Stille.

Sky nahm die Hand hinunter als die letzten Töne ausgeklungen waren, doch die Leute blieben stumm. Die Atmosphäre war mehr als komisch. Irgendwie waren mir meine Gedanken mit einem breiten Grinsen aus der Reihe getanzt. Die Mädchen schauten sich nervös an. Als Sky den Kopf hängen ließ, hatte sie einen fast schmerzlichen Gesichtsausdruck. Dieser Ausdruck surrte ziehend durch mein Herz und meinen Magen, in der einen Sekunde in der ich ihn sah.

„Fabulös!“, rief es, bevor ich etwas tun konnte.

Grell hatte schneller geschaltet als ich, war aufgestanden und hatte sein Glas gehoben: „Diese leichten Akkorde in Kontrast zu dieser melancholischen Thematik! Ein Ohrenschmaus! Wie das Drama von Romeo und Juliette! Herzerquickend!“

Viel besser hätte ich es nicht ausdrücken können. Skyler blinzelte Grell fast fassungslos an. Mit einem breiten Grinsen stellte ich mein Glas zur Seite und klatschte in die Hände. Skys Gesicht wurde noch ungläubiger und ein verhaltenes, kleines Lächeln erschien in ihrem Gesicht, als sie zu mir schaute.

Dann ging mein Klatschen im Tosen etlicher anderer Handpaare unter. Ich stand auf, Ronald, Charlie, Fred und Lee folgten meinem Beispiel und wir klatschten weiter.

Sky musterte uns erst fast perplex, dann grinste sie Amy an. Die jungen Dinger strahlten um die Wette, als sie eine Hand zusammenschlugen.

Kaum hatte Skyler die Gitarre weg gestellt und sich mit Amy von der Bank erhoben, schwappte die Besuchertraube wie eine wütende Welle über den Mädchen zusammen. So kam ich nicht an das Mädchen heran. Doch aus den Augen ließ ich Sky auch nicht. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie es toll fand von so vielen Menschen umringt zu sein. Amy wich nicht von ihrer Seite, was auch mich beruhigte. Ronald und Charlie verfingen mich in ein Gespräch, dessen ich nur halb zugewandt war. Mit einem Ohr hörte ich wie Sebastian und einige Hausangestellte knisternd die zusammengefalteten Papierschiffe herausstellten, mit einem Auge hing ich bei den zwei Mädchen. Während man Amy ihre Routine mit großen Menschenmassen ansah, sah man Sky ganz deutlich ihre Überforderung an. Sie lächelte und lachte ganz grässlich falsch, kalt und scharf und rieb sich ständig die Arme und den Hinterkopf, während sie ihre Antworten den verkorksten englischen Ladys und Gentlemen mehr als verhalten entgegen lachte und wirkte, als würde ihre Knie sie nur deswegen noch tragen, weil sie zu viel Scham hatte umzufallen. Irgendwann schlüpfte die schöne Brünette aus der Menge und eilte fast im Laufschritt dem Bach entlang. Es dauerte nicht lange und sie war aus dem Licht der Gartenlaternen und Feuerstellen verschwunden. Ich entschuldigte mich von Charlie und Ron und schlenderte ihr hinterher den Bach hinunter. Beiläufig griff ich mir eins der Papierschiffe und ein Teelicht und ließ beides in meinem Herrenrock verschwinden.
 

Die schöne Brünette fand ich wenig später mit angezogenen Beinen am Ufer des kleinen Baches sitzen. In diesem Teil des Gartens war es ruhig. Nur der kleine Wasserlauf plätscherte fast meditativ vor sich her.

Ich legte den Kopf schief, während mein Grinsen noch ein Stück breiter wurde. Das junge Ding hatte die Hände auf das Gesicht gedrückt und wedelte auf einmal leise quietschend mit den Füßen in der Luft herum. Irgendetwas schien sie sichtlich zu freuen oder etwas war ihr furchtbar peinlich. Durch das zugehaltene Gesicht konnte ich mich weder 100% für A, noch 100% für B entscheiden. Vielleicht war ihr gerade erst die Erkenntnis über ihren Erfolg gekommen. Oder sie ärgerte sich, dass sie sich in der Menschenmasse nicht sicherer angestellt hatte. Ihr könnte die Situation natürlich auch vom Ständchen bis zur Belagerung durch die anderen Gäste einfach durchgehend peinlich sein. Auf lautlosen Sohlen ging ich neben die junge Frau, welche gerade so gänzlich mit sich selbst beschäftigt war und setzte mich stumm direkt neben sie ins Gras. Ich legte meine Arme ausgestreckt auf meine halb angewinkelten Knie und beobachtete weiter schweigend, wie das Mädchen gerade mit unbeholfenem Zucken von wedelnden Füßen und Kopf ihren bisherigen Abend zu verarbeiten schien. Keine 10 Zentimeter von ihrer Schulter entfernt konnte ich aber das Geräusch was sie machte definitiv als Kichern identifizieren. Unsicher und irgendwie debil, aber immerhin ein Kichern. Ich grinste. Wahrscheinlich war es dreist sie einfach dabei zu bespannen, doch es war mindestens genau so dreist ungefragt Bilder von jemandem zu zeichnen. Dann brachte mich ein warmes Licht dazu meinen Kopf zu dem Bach zu drehen. Es muss 22 Uhr sein. Viele weiße Papierschiffe segelten sachte den ruhigen Bach entlang und brachten sein klares Wasser zum Glitzern. Ich mochte dieses Bild. Ich konnte jedes Gebet förmlich hören. Die vielen Gedanken, das viele Unausgesprochene was los geschickt wurde in der naiven Hoffnung es erreichte doch auch über die Grenze des Lebens sein Ziel. Ob es das tat. Wer weiß. Ich wusste es nicht.

Vor einigen Jahren hatte auch ich noch Schiffe losgeschickt. Es wurden irgendwann immer mehr... und mehr... und mehr... Doch nachdem Ciels Sohn gestorben und ich die dritte Generation der 'Aristokraten des Bösen' überlebt hatte, habe ich damit aufgehört. Ich gab meine ganzen vielen Gebete dem Wind auf die Schultern. Jeden Tag.

„Wow“, hörte ich leise neben mir. Sky hatte die Hände wieder heruntergenommen und schaute mit großen, blauen Augen auf die leuchtenden Schiffchen, die in einer vollkommenen Seelenruhe über den kleinen Bach glitten.

„Schön nicht?“, grinste ich und beschaute die kleinen Papierschiffe.

Schlagartig fuhr Skys Kopf herum und sie blinzelte mich ein paar Wimpernschläge nur an, als überlege sie ob ich wirklich da war oder nur eine Einbildung sei.

„Öhm... Hi?“, fragte sie schließlich mehr, als das sie mich begrüßte.

Nur ein kleines Stück drehte ich meinem Kopf zu ihr und ließ meine Augen zu ihr herüber wandern. Sie starrte mir ins Gesicht, vollends in irgendwelchen Gedanken verloren. Der Schein der kleinen Schiffe segelte durch ihre Augen wie durch ein großes himmelblaues Meer und erleuchtete jeden Gedanken darin. Doch trotzdem konnte ich sie nicht ganz lesen. Ich merkte nur, dass ihre Augen beständig auf meins starrten. Ich fragte mich, was Interessantes sie dort sah und was sie darüber wirklich dachte.

Irgendwann blinzelte sie: „Öhm... Was tust du hier?“

Ich grinste: „Hehe. Naja, ich hab gesehen wie sich unser kleiner Superstar davongeschlichen hat.“

Peinlich berührt wandte sie sich von mir ab: „Ach, ich bin doch kein Superstar...“

„War es von dir?“

Fragend wandte sie sich wieder zu mir: „Was?“

„Das Lied.“

Sie überlegte einen Augenblick. Wahrscheinlich wägte sie zwischen Wahrheit und Lüge ab: „Ja... war es.“

Ich lachte seicht, zufrieden, dass sie sich für die Wahrheit entschieden hatte: „Haha! Wie viele Talente du hast! Zeichnen, Gitarre spielen, Lieder schreiben, eine Mimik vom Feinsten!“, ich stemmte den Kopf in meine Hand und legte ihn schief: „Kenne ich sie jetzt alle oder hab ich noch etwas, worauf ich mich freuen kann?“

Skyler schlang die Arme um die Knie, als ihr Gesicht rot wurde und sie schräg zu Boden schaute: „Ich weiß nicht... Ich bin ja auch in dem was du aufgezählt hast nicht wirklich gut...“

„Natürlich und ich bin total humorlos“, ich musste zwar weiter lachen, aber mein Sarkasmus wird meine Meinung über ihre Aussage deutlich machen.

Skyler starrte mir stumm und ein bisschen von ihrer Sprache im Stich gelassen ein weiteres Mal in die Augen.

„Es war wunderbar“, ergriff ich wieder das Wort, als sie stumm blieb.

„Was? Das Lied?“

„Das Lied. Deine Stimme. Deine flinken Finger auf den Seiten und dein faszinierend passionierter Gesichtsausdruck.“

Die junge Frau drehte ihr Gesicht wieder nach unten, welches tatsächlich noch ein bisschen dunkler werden konnte: „Ach... du übertreibst...“

„Vergiss nicht: Ich lüge nie. Hehe!“

Sie druckste. In ihrem halb abgedrehten Gesicht sah ich wieder die Gedanken rasen. Sie dachte viel über meine Worte nach, doch ich war mir aufgrund der Sprechpause schon fast sicher, dass sie es nicht schaffen wird diese Gedanken auch in Worte zu packen.

„Willst du kein Schiffchen fahren lassen?“, wechselte sie ohne Übergang das Thema und bestätigte mich.

Doch bei dieser Frage pikste etwas in meiner Brust und ich schaute den kleinen Bach hinunter. Meine Augen hingen an den leuchtenden kleinen, eifrigen Seglern vollbeladen mit Wünschen, Gedanken, Gedenken und Erinnerungen. Ich stellte mir jedes Jahr dieselbe Frage. Jeder der Leute, die ich jetzt nur noch auf dem Friedhof besuchen konnte, hätte ein Schiffchen und einen Gedanken verdient: „So viele Schiffchen wie ich wollte, kann ich nicht fahren lassen.“

„Inwiefern?“, fragte Sky, irgendwo zwischen ratlos und neugierig.

Ich mag neugierige Wesen.

Sie vertrieben die Langeweile viel besser.

Ich musste lachen, als ich an all die alten Leute dachte. Auch sie waren alle so wunderbar neugierig, wissbegierig und voller Tatendrang gewesen: „Ich habe schon viele, viele Freunde verloren.“

„Oh...“, schaute mich die junge Dame mit großen Augen an. Mit dieser Aussage hatte sie nicht gerechnet. Warum und woher auch?

Sie kratzte sich unbeholfen und grübelnd an der Schläfe: „Es... tut mir leid... ich wollte nicht, dass du...“

Nur mit den Augen sah ich sie an und zog mein Lächeln für sie ein bisschen höher, als ich das schlechte Gewissen in ihrem Gesicht erblickte: „Alles gut. Das konntest du ja nicht wissen. Hehe.“

„Was ist denn mit deiner... deiner Familie?“, fragte sie trotz aller Scham und Schande in ihrem Gesicht.

Ich lachte auf: „Ich habe keine.“

Shinigami werden nicht geboren, folglich haben sie auch keine Familie. Genau wie Engel und Dämonen. Ein weiteres Mal musste ich daran denken, wie wissentlich die Menschen dieses Privileg eine Familie zu haben doch manchmal weg warfen. Die junge Sky war ein Paradeopfer für die Dummheit dieser Menschen und ich konnte mir nicht im geringsten vorstellen, dass sie es verdient hatte oder irgendwann verdient haben wird, so zu leben wie sie gelebt haben musste.

Doch gerade konnte das Mädchen es noch irgendwie verhindern, dass ihr Kiefer gänzlich aus allen Wolken fiel. Sie versuchte meine Aussage gerade in ihre naive Annahme zu verflechten ich sei ein Mensch, wodurch sie mir sicherlich eine viel tragischere Lebensgeschichte zusprach als ich wirklich hatte.

Dieser Gedanken ließ mich doch wieder wie gewohnt lachen und eher beiläufig klappte ich ihren schönen offenstehenden Mund zu: „Schau nicht so. Das musst du nicht.“

„Warum? Ich hab mich ja voll in die Nesseln gesetzt! Es tut mir leid! Ich wollte dich nicht an sowas erinnern!“

„Ich erinnere mich gerne an meine Freunde. An eine Familie kann ich mich nicht erinnern, weil ich nie eine hatte. Also, hehe: Keine Sorge.“

Grübelnd schaute sie zu dem kleinen Bach und wackelte nervös mit ihren Füßen.

Ich lachte wieder: „Hehe! Du hast jetzt nicht wirklich ein schlechtes Gewissen, oder?“

Sie wog kurz ihren Kopf hin und her ohne mich anzuschauen. In ihren abgewandten Augen huschten die vielen kleinen Flammen vorbei und das Rot, gemischt mit ihrem Himmelblau, erinnerte mich an einen Himmel in Abendröte.

„Doch... schon...“, sagte sie schließlich zögerlich.

Mit einem weiteren leisen Lachen drehte ich ihr Kinn zu mir, damit ihre abendroten Augen mich anschauen mussten: „Brauchst du aber nicht.“

Sie schauten mich an, als sie ihren Kopf auf meinem Finger schief legte: „Ja vielleicht, aber ich kann es nicht ändern...“, dann fing sie an zu lächeln, als ich einen spontanen Gedanken durch das Abendrot tanzen sah: „Du hast jetzt auf jeden Fall wieder einen gut bei mir!“

Ich lachte und die ganzen alten Leute verabschiedeten sich grinsend in meinem Kopf von mir, als sie mich wieder der Situation überließen: „Hahahaha! Doch nicht für so etwas. Das ist ja gemogelt!“

„Warum? Ich biete es dir doch an.“

„Dann lehne ich es halt ab.“

Verständnislos und fast empört schüttelte Skyler den Kopf: „Warum? Du magst es doch gar nicht ausgekitzelt zu werden.“

Ich giggelte wieder: „Ehehe! Tu ich auch nicht, aber wenn es dir Spaß macht ist es das wert.“

„Hö?“

Ich ließ meinen Finger auf ihrer Nasenspitze kreisen. Sie hatte mittlerweile aufgehört ihren Kopf vor meinen Fingern weg zu ziehen, es sei denn ich wollte an ihre Augenbraue. Die war tabu, wodurch ich es natürlich bei jeder Gelegenheit versuchte. Ein bisschen Spaß muss ja schließlich bleiben: „Thihihi! Naja, so wie du im Park gelacht hast und da du eben im Sarg meintest du dürftest nie deinen Spaß haben, folgere ich du hast Freude daran mich zu kitzeln.“

Sie grinste ertappt und schaute schräg nach oben: „Naja, ich hab Spaß daran wenn du quiekst und durch die Gegend hüpfst.“

Ich legte meine Hand wieder auf die Knie und lachte. Zu meiner Freude lachte die junge Sky mit mir und wir füllten die Luft um den kleinen Bach mit unserem spontanen freudigen Ausbruch.

Dann zog ich das Papierschiffchen heraus und hielt es dem jungen Ding hin.

Mittlerweile war ich mir sicher, dass ihr Medaillon ein Geschenk von jemand war, der Skyler mal sehr wichtig gewesen war. Deswegen trug sie es auch immer und ständig. Aber es war nicht von Amy. Es war älter. Jemand hatte ein altes Andenken verschenkt. Ich tippte auf eine familiäre Angelegenheit. Jemand, der für Sky die lieblosen Eltern ein Stück weit ersetzt hatte. Anders konnte ich mir nicht erklären, dass sie sich so gut entwickeln konnte. Der Aufenthalt im Weston College startete mit 13. Alles hätte er nicht retten können, wäre sie schon verkorkst gewesen. Doch sie redete nie über ihr Leben vor dem College. Ich tippte, dieser Mensch war auf irgendeine Art und Weise nicht mehr da. Ich hatte auch leider eine Ahnung auf welche. Deswegen konnte ich mir gut vorstellen, dass die junge Skyler auch Wünsche und Grüße für jemand auf der anderen Seite der Existenz hatte.

Sky nahm mir das Schiffchen aus der Hand und beschaute es etwas verwirrt: „Warum gibst du mir das?“

Ich lächelte ihr entgegen: „Ich wusste nicht, ob du jemanden hast dem du Gedenken und ein paar liebe Grüße schicken willst.“

Skyler schaute wieder auf das Bötchen und griff sich an den alten, silbernen Anhänger. Mein Verdacht war bestätigt.

„Doch schon...“, hauchte sie und sah unendlich traurig auf das Stück Papier. Damit bestätigte sich auch meine zweite Vermutung.

„Na dann“, hielt ich ihr Teelicht und Streichhölzer hin: „Tu es.“

Zögerlich nahm sie die beiden Teile aus meiner Hand und faltete mit gedankenschweren Fingern das Schiff auseinander. Sie zündete die Kerze an und konzentrierte sich das Teelicht in die kleine Halterung zu bringen. Doch ihre Hand zuckte plötzlich weg und sie wedelte damit: „Aui...“

Ich seufzte innerlich: 'Dieser kleine Unglücksrabe.'

Dann griff ich ihre wedelnde Hand aus der Luft und beschaute den kleinen Brandschaden. Es war nichts Dramatisches. Lediglich ein kleines Loch im fleischfarbenen Elasthan über ihrer wunderbar warmen Hand und eine kleine rote Stelle.

Mein Lachen kam vollkommen intuitiv und unüberlegt: „Du Schussel.“

Sie ließ das schöne Köpfchen hängen: „Und ich kann's noch nicht mal auf mein Karma schieben...“

Dann schauten wir uns an und ein weiterer kleiner Lachanfall überrollte uns aus dem Nichts. Ich wusste noch nicht einmal wieso wir lachten. Wir lachten einfach. Und es war herrlich!

Als wir uns wieder gefangen hatten, nahm ich ihre Hand hoch und hauchte einen kleinen Kuss auf die lädierte Stelle. Ich berührte ihre Hand nur knapp, doch die Kunstfaser fühlte sich trotz allem auf meinen Lippen komisch an. Ich fand es bedauerlich nicht ihre Haut zu fühlen. Doch die Wärme ihres schlanken Körpers kroch trotz allem durch das Elasthan auf meine Lippen.

„Besser?“, fragte ich, als ich den Kopf wieder hochgenommen hatte und schaute ihr in die ungläubigen Augen. In dem immer unterschwellig trüben Himmelblau stand deutlich die Frage, ob ich das gerade wirklich getan hatte.

'Tihi', lachte ich stumm: 'Ja, habe ich. Warum auch nicht?'

Sie nickte und irgendwie wurde ihr Gesicht blass statt dunkel.

„Geht es dir nicht gut?“, fragte ich doch ein bisschen irritiert, als das Knallrot ausblieb und sich so gänzlich ins Gegenteil drehte.

„D-d-doch!“, stammelte sie überfordert: „Bei mir ist... ist alles ok!“

„Dann“, ließ ich ihre Hand los: „Lass es fahren.“

Sie reagierte nicht sofort. Ein paar Sekunden musterte sie mich noch stumm und die Frage verblieben in den an mich gehefteten Augen.

Doch schließlich stand sie auf. Sie stand nur alles andere als stabil, weswegen auch ich mich auf die Füße stellte. So konnte ich sie fangen, sollten ihre wackeligen Knie und ihr Pech ungünstig miteinander korrespondieren und versuchen, sie im Bach zu ertränken.

Doch blieb ich eine Armlänge entfernt stehen, um ihr Freiraum in dem intimen Moment der Trauer und des Gedenkens zu geben.

„Für dich Oma“, flüsterte sie leise, für normale Menschen sicherlich auf die Entfernung nicht hörbar: „Ich hoffe es geht dir gut, da wo du bist. Mir... mir geht es gut.“

Dieser Satz löste in mir tatsächlich gemischte Gefühle aus: Einerseits wirkte er ehrlich, was mich endlos zu freuen begann. Andererseits klang es, als ginge es ihr erst mittlerweile gut und es schmerzte, als ich mir wieder bewusst wurde, dass das junge Ding schon einiges erlebt haben musste.

Ihre Melancholie ergriff mich und ich legte ihr meine Arme um die Schultern.

„Sie weiß das alles“, sagte ich als ich mein Kinn auf ihrem Kopf ablegte. Ein wenig belustigt stellte ich in meinen Gedanken fest, dass sie genau die richtige Höhe dafür hatte.

„Woher...?“, begann Skyler verwundert, doch ich unterbrach sie, als ich mit den Augen ebenfalls ihrem kleinen Schiffchen folgte, das mit den anderen Bötchen zu vielen leuchtenden Punkten am dunklen Horizont verschwommen war: „Intuition und Erfahrungswerte. Wenn ich mit atmenden Menschen zu tun habe sind es zu 95% trauernde Angehörige. Ich weiß wie sie schauen. Ahehehehe!“

Eher unfreiwillig löste ich meine Umarmung, denn Skyler drehte sich zu mir herum.

Ihr Gesicht lag ein Stück im Schatten, doch das Licht der Kerzen flackerte durch ein paar im sachten Wind wehenden Haarsträhnen.

Sie legte ihr Köpfchen schief, als sie mir tief in die Augen schaute. Wieder mit dem Blick einer Künstlerin. Ich erkannte, dass sie etwas in meinen Augen sah. Ich erkannte nur nicht was. Doch ihre Augen musterten meine unnachgiebig. Bis in kleinste Detail erfassten sie alles, was darin zu sehen war und nahmen sich dafür die Zeit, die sie brauchten. Dieser Blick war so wunderbar. Er war fast klar, das Trübe soweit in den Hintergrund gerückt, dass es nur noch ein ganz blasser Nebelschleier in dem strahlenden Hellblau war, welches aus ihrem schattierten Gesicht wie ein Nachthimmel zu mir aufschaute.

Unwillkürlich legte ich meine Hand an ihre Wange, während ich merkte wie sich meine Mundwinkel weiter nach oben zogen.

Jetzt spürte ich ihre Haut. Sie war weich. Sie war warm. Ganz anders als die Haut, die ich sonst berührte. Nicht so schlaff und nicht so kalt. Das Leben knisterte durch meine Finger, die sonst doch nur den Tot berührten.

Und ihre Augen waren so voller Gedanken, dass ich nicht aufhören konnte hinein zu schauen. Sie flogen vorbei, ein paar verweilten einen Moment und wurden dann von anderen hinfort geschubst, wie Wasserströme in einem kleinen Wirbel. Ich nahm ihre Hüfte mit dem anderen Arm und zog sie an mich ran. Sofort schickte ihre Körperwärme ein unvergleichbares Wohlgefühl durch die vielen Stellen an dem mein Körper ihren berührte. Ich spürte ihren Herzschlag gegen meinen Körper pochen. Kräftig, schnell und voller Leben. Dieses Gefühl vibrierte durch mein eigenes und ließ es ihren Rhythmus annehmen. Das schöne Ding legte mir eine Hand an die Schulter. Kurz wallte in mir die Befürchtung auf, sie würde versuchen mich wegzustoßen. Doch das tat sie nicht.

Im Gegenteil.

Zu meiner Verwunderung legte sie ihre andere Hand an meinen Hals und ließ sie meinen Nacken hochfahren. Eine Gänsehaut blieb an den Stellen zurück, die ihre Hand berührt hatte, bis sich ihre flinken Finger in meinen vielen Haaren verfingen. Sie hatte nicht einen Moment von meinen Augen weggeschaut und musterte sie immer noch bis ins letzte Detail. So wie ich ihre.

Ich ließ meinen Daumen über ihren Mund fahren, neugierig darauf wie sich solche Lippen anfühlten. Sie waren genau so warm und weich wie ihre Haut und ihre Haare.

Der Geruch von Lavendelseife stieg mir abermals in die Nase und ließ mein Lächeln weiter werden: „Ich hab es noch nie erlebt, dass jemand ein Lied über mich schreibt.“

„Wer sagt, dass es von dir handelt?“, lächelte sie neckisch.

Ich werde dieses Lächeln nie wieder vergessen. Es war unsagbar verspielt und so wunderschön.

Ich lachte, weil ich nun einmal so war: „Hehe! 'You're hilarious and crazy, odd like no one else'. Über wen denn sonst? Meinen weniger psychotischen Zwillingsbruder? Oh warte, hehehehe, ich hab ja keinen! Ehrlich, meine schöne Puppe. Ich bin blind, nicht taub. Selbst William hat es verstanden und der hat nun wirklich gar keinen Sinn für blumige Ausschmückungen.“

Spontan musste ich mir kurz vorstellen, dass Grell mich wahrscheinlich geschellt hätte in solch einer Situation zu scherzen.

Doch wie gesagt: Ich war nun einmal so. Jeder in meiner Umgebung wird damit leben müssen. Denn ändern wollte ich mich nicht und verstellen noch viel weniger. Wenn man den Anderen nicht akzeptieren konnte wie er war, war jede Beziehung, egal wie geartet, doch einfach nichts wert.

Ich hatte kein Problem damit die junge Skyler zu akzeptieren wie sie war. Diese bizarre Mischung aus Lebensgeist und unsagbar viel Schmerz. Diesem paradoxen Wanken zwischen Lügen und ungeschönter Ehrlichkeit. Mit all ihrer Verschämt- und Schüchternheit. Mit ihrem Sarkasmus und dem Humor, den man immer und immer wieder aus ihren schlechten Empfindungen ausgraben musste. Mit der ganzen unbegründeten Unsicherheit und der übersprudelnden kreativen Ader.

Sie lachte mich an: „Ansonsten sagst du immer, du seist sehschwach und nicht blind.“

„Ehehehehe stimmt, stimmt. Aber blind ist schneller gesagt als sehschwach.“

Sie schloss ihre großen Augen und lachte mir so wunderbar glockenhell und ehrlich entgegen. Mein Herz tat einen Satz zur Seite, als ich einstimmte, ebenfalls die Augen schloss und meine Stirn an ihre legte.

„Denkst du so über mich?“, fragte ich leise. Ich konnte immer noch nicht ganz glauben, dass sie von mir gesungen hatte. Das war mir noch nie passiert. Ich war zwar sehr lange in aller Munde gewesen, doch nie hatte jemand ein Lied über mich geschrieben. Und seit ich bei den Menschen lebte und mehr als nur seltsam geworden war, schon gar nicht.

„Ja“, sagte sie prompt und fest: „Tue ich.“

„Wenn du dich da mal nicht verschätzt.“

Ich wollte ihren Anforderungen so gerne gerecht werden, doch ich war mir nicht sicher, ob ich das wirklich konnte.

Im Endeffekt war alles was ich bin nur ein komischer, morbider, alter Kauz.

„Das glaube ich nicht“, rollten die Wörter in einem Schwall warmen Atem über mein kaltes Gesicht und ließ es knistern wie Kaminfeuer nach einem kalten Wintertag.

Dieses Gefühl ließ mich lachen ohne den Mund zu öffnen. Ich zog sie noch fester an mich, als ich meine Hand in ihren Haaren verschwinden ließ. Das Heben ihres Kopfes ließ mich meine Augen wieder öffnen und im selben Moment tippte meine Nasenspitze gegen ihre und diese herrlichen blauen Augen schauten mich von ganz nah an. Sie füllten mein ganzes Sichtfeld mit einem neuen, einem mehr scheinenden Glanz.

Ich schloss die Augen, als mein Herz urplötzlich in meiner Brust zu rasen anfing. Das Gefühl ließ meinen Atem stocken und meine Gedanken innehalten. Für ein paar erschrockene Sekunden war ich mit dieser Empfindung fast überfordert, doch dann schlich sich meine Neugier wieder von hinten an und rüttelte die Verwirrung aus meinen Gliedern und Gedanken. Es war wieder eher mein Unterbewusstsein, was genau wusste was jetzt zu tun war und mehr intuitiv als überlegt nahm ich meine Stirn von ihrer herrlich warmen Haut und legte mein Kopf zur Seite um sie... küssen zu können.

Ich war mir aus irgendeinem Grund so sicher, dass es nichts Richtigeres gab was ich in diesem Augenblick tun konnte, dass mein aktives Bewusstsein es endlich schaffte das in Worte zu fassen, was mein Unterbewusstsein mir schon lange entgegen schrie: Ich hatte mich verliebt. In ein wunderbares, junges Menschending. Ein paar blaue Augen hatten mir mein Herz gestohlen.

„Süßes oder Saures!“, rissen mich Kinderstimmen aus meinen Gedanken und meiner Aktion, bevor ich sie zu Ende bringen konnte. Mein Kopf sprang schon fast ertappt herum. Aus dem Augenwinkel sah ich Skylers Kopf dasselbe tun. Zum letzten Angriff blasend kam eine große Kindergruppe mit wehenden Süßigkeitenbeuteln auf uns zu gerannt.

Ich schnaubte, irgendwo zwischen frustriert und amüsiert.

Auch Skyler hatte mich losgelassen.

Irgendwie kam ich mir... verlassen vor, doch ich legte mein Grinsen auf die Lippen, als ich den kleinen Hang hoch ging und meine Kürbislaterne zur Hand nahm. Das junge Ding muss meine Gefühlslage nun wirklich nicht sehen. Skyler erschiene ohne Verzögerung neben mir und wir leerten unsere Körbe fast gänzlich in die Tüten der Kinder.

Kurz lenkten mich die kleinen Menschen mit ihrer übersprudelnden, reinen Freude, dem breiten Grinsen und Lachen tatsächlich ab. Ich mochte Kinder. Ich mochte es wie sie lachen konnten und wie leicht sie waren. Noch so vollkommen unangetastet von dem Ernst der Welt, gegen den ich nur noch lachend rebellieren konnte. Sie ignorierten ihn einfach. Für sie war er einfach nicht da.

„Tschö!“

„Bis zum nächsten Jahr!“

„Macht es gut!“, liefen die Kinder schließlich zurück zu ihrer Aufsicht. Für die Kleinen war es Zeit den Heimweg anzutreten.

Ich überlegte kurz ebenfalls den Heimweg anzutreten, doch ein Seufzen neben mir ließ mich meinen Plan sofort wieder über den Haufen werfen.

Als ich zur Seite schaute zog sich mein Herz ein Stück weit zusammen.

Die junge Skyler sah alles andere als glücklich aus, als sie ihren Kopf halb hängen ließ. Ich konnte ihre Augen zwar nicht sehen, aber ich konnte mir aufgrund des Seufzens vorstellen wie furchtbar schlammig sie aussehen müssen. Und es war meine Schuld. In der Ermangelung eines besseren Einfalls nahm ich einen der wenigen übriggebliebenen Lollies, packte ihn aus und hielt ihn dem traurigen Ding mit einem gewohnten Giggeln vor die zarte, kleine Nase: „Hehe. Lolly?“

Sie schaute mich an. Ihre Augen waren wirklich furchtbar fahl geworden, als sie noch einmal sanft durch die Nase seufzte. Doch dann kicherte sie. Verwundert sah ich den Schlamm ein wenig aus ihren Augen weichen, als sie die Süßigkeit am Stiel griff: „Hihi, danke.“

Doch sie hielt den Lutscher eine zeitlang fest und musterte weiter mit einem schweren Ausdruck den Boden. Diesen Ausdruck... vertrug ich nicht. Er schmerzte mir. Verursachte mir ein endloses schlechtes Gewissen, als ich den Weg zum Garten hinunter schaute und mir selbst eines der pinken Zuckerdinger in den Mund schob.

Als ich Skys Augen auf mir ruhen spürte, ließ ich mein Grinsen animiert von dem leckeren Zuckerding in meinem Mund wieder erscheinen. Ich schaute sie an, woraufhin sie sofort weg schaute und rot wurde. Ich kicherte weiter als endlich die Reaktion eintrat, auf die ich schon die ganze Zeit gewartet hatte.

Ich nahm ihr den Lutscher wieder aus der Hand und steckte ihn ihr in den Mund.

Ein wenig überfahren blinzelte sie mir mit einem komisch verzogenen Lollymund entgegen und ließ mich lachen, was aber von meinem eigenen Lutscher etwas erstickt wurde. Also nahm ich ihm zum Reden aus dem Mund: „Sollen wir zu den Anderen? Nicht, dass noch jemand nach dem Geburtstagskind sucht. Hehe!“

Auch sie lachte ein wenig erstickt durch die Süßigkeit und nahm ihn heraus: „Können wir. Ich weiß zwar nicht wer nach mir suchen würde, aber naja.“

Ich ging los. Amys Anwesenheit wird Skylers Gemütslage sicher etwas retten können: „Hehehehe! Machst du Witze! Amy, Fred, Ronald. Eigentlich alle! Da sie mich auch aus den Augen verloren haben, denken sie wahrscheinlich ich foltere dich gerade mit einem meiner Halloweenscherze zu Tode. Tihihihihihihi!“

Kurz in einen kleinen Laufschritt verfallen erschien Skyler wieder neben mir: „So schlimm können deine Scherze nicht sein.“

„Och“, lachte ich wieder vollkommen ehrlich: „Ehehe! Kommt drauf an, ob ich die Person mag die sie treffen.“

Wir lachten.

Denn eigentlich wollte ich doch nur, dass sie glücklich ist.
 

Als wir wieder am Ort des Geschehens angekommen waren, war der Garten schon halb leer gefegt. Die Kinder waren wieder Zuhause und auch viele der Gäste verschwanden, nachdem die Augen der Öffentlichkeit nicht mehr auf das Event der Phantomhives gerichtet waren. Jedes Jahr wurde von der Halloweenfeier in der 'Times' berichtet. Doch auch die Reporter folgten den Kindern meist auf dem Fuße.

Kaum waren wir wieder im Schein der Feuerstellen angekommen, liefen uns die Geschwister Phantomhive und Lee entgegen: „Sky?! Geht es dir gut?“

Das junge Ding nahm den Lutscher aus dem Mund und musterte ihre besten Freundin, samt Anhang ein wenig perplex: „Ja klar, warum sollte es mir nicht gut gehen?“

Langsam und vollkommen synchron richteten die Drei ihre Augen auf mich.

Ich lachte nur: „Ehehe! Ich habe nichts getan.“

Ihre Augen wanderten immer noch vollkommen synchron zurück zu Skyler.

Diese nickte immer noch etwas irritiert: „Er hat Recht.“

Dann atmeten die Drei durch.

Mit einem amüsierten Gesichtsausdruck musterte mich die junge Brünette: „Du bist an Halloween wirklich ein Albtraum, oder?“

Ich zuckte lachend mit den Schultern: „Ehehehehe! Ich hab ne Menge Spaß.“

„Das glaube ich“, Fred schüttelte den Kopf: „Weißt du, wie viele Gäste in deine Fallen getappt sind?“

„Hehehehe! Ich hoffe einige“, grinste ich dem, mir fast etwas zu ernsten, Noch-Teen entgegen.

„Ja!“, rief der ältere Phantomhive genervt.

Lee kicherte allerdings: „Und es war lustig.“

Amber stimmte dem Chinesen nickend zu: „Die haben blöd geschaut. Als der Einen das Skelett um die Ohren geflogen ist! Aber das ist auch eine blöde Schnalle! Hat sie voll verdient!“

„Oh oh“, Lee zeigte mit wackelnden Zeigefinger auf Amy: „Oder der steife Typ, der von der Riesenspinne assassiniert wurde!“

„Oder oder!“

Fred hob die Hände und unterbrach seine Schwester und seinem besten Freund: „Es reicht!“

„Aber es war lustig“, sagten Amy und Lee im Chor.

Ich musste wieder lachen: „Hihihi! Und ich hab's verpasst.“

„Wo warst du eigentlich?“, fragte mich Amy ein wenig irritiert: „Ich habe es noch nie erlebt, dass du es verpasst dir deinen Triumph abzuholen.“

„Ehihi! Ich hatte etwas Besseres zu tun.“

Skyler blinzelte mich an. Lee, Fred und Amy blinzelten Skyler an. Ich lachte und sah im Augenwinkel wie Skyler ihr Gesicht wegdrehte, welches schon wieder ein paar Farbtöne dunkler geworden war.

Begleitet wurde die ganze Szenerie von dem Klimpern von Geschirr. Der Butler hatte sich daran gemacht die Feier nach innen zu verlegen.

Amy lachte: „Es geht wohl jetzt drinnen weiter. Kommt!“

Wir gingen los, doch nach 3 Schritten knallte und schrie es hinter uns.

Ich erkannte den spitzen Schrei sofort. So schrie nur einer. Und der würde mächtig sauer auf mich sein. Ich versuchte mein Lachen in meiner Hand zu ersticken, als mir wohl bewusst wurde, dass ich mit meinem Scherz die EINE Person erwischt hatte... Die mich dafür wahrscheinlich wirklich töten würde.

„UNDERTAKER!“, schrie es wutentbrannt durch den ganzen Garten: „Wenn ich dich in die Finger bekomme bist du tot! Hast du gehört?! TOT!“

Ich drehte mich synchron mit Skyler herum. Als ich dann tatsächlich sah was ich schon ahnte, brachen alle Dämme und mein Lachanfall drohte mich vor meinem Opfer zu erlegen: „Ahihihihihihihhihi! Nein! Ausgerechnet du! Pahahahahahaahahahahahahahahaha! Das ist ja wie Weihnachten und Neujahr am selben Tag!“

Natürlich erkannte Grell mein Lachen sofort und natürlich stand auf dem blauem Glibber, der ihm aus dem Skelett entgegen gekracht war und nun von oben bis unten zuschmierte, auch nur allzu deutlich mein Name.

„DU!“, rief der rote Reaper außer sich: „RENN UM DEIN ERBÄRMLICHES DASEIN!“

Dann preschte Grell auch schon auf mich los. Ich hoffe, dass er sich wenigstens so weit im Griff behielt, dass er seine Death Scythe stecken ließe.

Ich schaute kurz zu Skyler und gluckste: „Äh... Ehehe! Ich muss kurz weg!“

Dann machte ich mich aus dem Staub.

Natürlich wusste ich, dass Grell zumindest schnell genug war, um mit mir mit zu halten. Mir stand auch nicht der Sinn danach wirklich zu entkommen. Eher war mir nach einem kleinen Fangenspiel. Nach einer kleinen Hasenjagd. So als Tribut auf alte Zeiten. Der Butler wich mir aus, als wir beide gleichzeitig auf die Idee kamen durch dieselbe Tür zu gehen.

„BLEIB STEHEN, DU AUSHILFSPAUSENCLOWN!“, schrie es hinter mir und mein Lachen wurde schriller, als es von den fast leeren Fluren hin und her geworfen wurde.

Schließlich endete ich im Ballsaal.
 

In dem großen Saal angekommen drehte sich ein Skelett mit blondem Pferdeschwanz zu mir um: „Hey Undertaker! Wer schreit denn da... WA!“

Ich tat einen großen Sprung über den blonden Mann hinweg, welcher sich intuitiv zusätzlich duckte: „Tut mir leid Charlie! Ich kann gerade nicht! Ehehehehehehehehehe!“

„Was ist denn bei euch los!“, fragte Alex relativ irritiert.

„Tihihihihihihihihihi! Später!“

„HALTET IHN! Haltet diesen miesen kleinen Verbrecher, damit ich ihm die Fresse polieren kann!“

In Franks Gesicht sah man, dass er seinen großen Moment kommen sah.

„Liebend gern!“, streckte er plötzlich den Fuß aus.

Ich konnte nicht mehr bremsen. Die Rache des Deutschen ließ mich stolpern und auf den Boden krachen.

Ich wälzte mich lachend über selbigen: „Pahahahahahahahahahaha! Seht ihr und so schnell kann man euch alle glücklich machen! Ehehehehehehehehe!“

„Was zum Henker ist denn hier los?“, hörte ich Ronalds Stimme über mir.

Dann klimperte etwas.

„Grell!“, hörte ich Sebastian: „Bist du denn jetzt vollkommen übergeschnappt?! Das ist eine Erdbeer-Rosen-Bowle mit 'Chateau Coutet '! Aufgegossen mit 'Dom Perignon'! Angemacht mit hauseigenen Rosenblüten, Rosenwasser und Erdbeeren aus dem Wintergarten! Du hältst über 1700 Pfund in deinen Händen!“

Ich schlug die Augen auf und sah, wovon der Butler sprach: Grell hatte die große 10 Liter Bowlenschüssel über den Kopf gehoben und es gab nur eine Sache, die er damit hätte tun können wollen.

Sie mir über den Kopf kippen.

„Meine Rache wird furchtbar sein! Hörst du! FURCHTBAR!“

Ich schlang die Arme um meinen Bauch und fing noch lauter an zu lachen: „Ja! Wahahahahahahahahaha! Furchtbar komisch! Fuhuhuhuhuhuhuhuhuhu!“

„Oh! Du! HEY!“, ich öffnete meine Augen wieder ein Stück und sah, dass mir Ron und William zu Hilfe geeilt waren.

„Grell, hör auf!“, rief Ronald, als er Grells Arm griff: „Das kann doch nicht dein Ernst sein!“

„Und wie es das ist! LASS MICH LOS!“

„Hörst du wohl auf damit!“, ächzte William und warf sich auf den anderen Arm: „Hör auf uns ständig zu blamieren!“

„Blamieren?! Ich euch blamieren?! HAST du dir mal ANGESCHAUT wie ich AUSSEHE?!“

Sebastian erschien bei der Szenerie und hielt von vorne gegen die Bowle: „Ich sage es zum letzten Mal: Lass die Schüssel runter!“

„Nahahahahahaha!“, japste ich auf den Boden: „Wie herrlich! Ihr solltet euch alle ein Mikrofon schnappen und Stand- up Comedians werden! Tahahahahahaha!“

Durch die Schreie der vier Männer und mein schrilles Lachen hörte ich weiteres Gekicher im Ballsaal.

„LASST MICH LOS! Das wird er mir büßen! Das war ein Designerstück! Hörst du?! EIN DESIGNERSTÜCK!“

„Sutcliff!“, rief William wieder: „Lass die Bowle sinken! Ich warne dich! Du bist eine Schande für die ganze Dispatch Association!“

„Grell!“, Ronald wollte seinen Arm zurück zehren: „Beruhige dich! Es ist doch nur Götterspeise! Das kann man waschen!“

„NIEMALS! Er wird leiden! Hört ihr?! LEIDEN!“, Grell versuchte sich nach vorne zu beugen, doch Ronald und William hielten ihn davon ab.

„Ich warne dich Grell!“, keifte Sebastian erbost: „Wage es dich und ich werde dein schlimmster Albtraum!“

Mein Lachkrampf wurde immer schlimmer. Von allen Streichen war dieser doch der mit Abstand Beste des Abends. Ach Quatsch! Der letzten Jahre!

Ich hörte drei weitere Lachen mit einstimmen. Sie klangen jünger als die Anderen. Als ich meinen lachenden Kopf zur Seite drehte und die Augen öffnete sah ich Sky, Amy und Lee heiter lachen. Fred stand daneben und hatte sich die Hand vor den Kopf geschlagen.

Die Situation wurde um Längen besser als ich das junge, brünette Ding sah. Wie sie sich amüsierte. In Mitten der drei anderen jungen Leute wirkte sie so natürlich und federleicht, als ihr glockenhelles Lachen zu mir herüber wehte.

Sebastian, William und Ron riefen nach Grell, doch der rote Reaper dachte nicht im Traum daran mich ungeschoren davon kommen zu lassen. Er war der Erste, der tatsächlich versuchte mich für einen Streich zu lynchen. Natürlich wusste Grell, dass ich ihm niemals ernsthaft schaden würde. Sollte er es schaffen mir meinen Streich zurück zu zahlen, dann war es so. Wahrscheinlich hatte er es sich dann sogar redlich verdient. Ich konnte damit mehr als gut leben, soviel wie ich in diesem Moment zu lachen hatte.

„Komm Runter Grell!“, hörte ich bald Freds Stimme, der sich wohl dazu berufen fühlte die Familienfeier zu retten. Ihm hätte auffallen können, dass es seinen Vater nicht im geringsten zu stören schien, denn den Earl Phantomhive hörte ich im Hintergrund mit seiner Frau und Charlie fleißig mitkichern.

„SAGT MIR NICHT WAS ICH TUN SOLL!“

Fred diskutierte mit Grell minutenlang. In der Zeit klang mein Lachanfall auf ein Kichern ab und ich schwang mich in den Schneidersitz. Mit schief gelegtem Kopf beschaute ich die, mittlerweile 5, heiß diskutierenden Männer. Ganz so schnell wollte ich die Situation doch nicht enden lassen.

Grell wünschte sich ein Bowlebad? Das konnte er haben.

Ein schelmisches Lachen flog aus meinem Mund, als ich mich entschied an meiner fixen Idee festzuhalten.

Also stellte ich die Hände hinter meinen Rücken und schwang mich auf die Füße. Im selben Atemzug sprang ich in einen Handstand. Neben den Händen des Butlers traf mein Absatz die große Schüssel. Sie geriet aus ihrer Balance und kippte nach hinten. Sebastian hatte mit solch einer Wendung nicht gerechnet und schaltete deswegen tatsächlich eine Sekunde zu spät. So kam es, dass sich die teure, teure Bowle über unseren lieben Grell ergoss und die Krempe seines großen Hutes nass über seine Augen klappen ließ. Der Dämon und die beiden Reaper konnten nur noch zusehen nicht ebenfalls gebadet zu werden. Ich landete lachend in der Hocke und sah noch, wie Fred die große Schüssel fing.

Der Dämon legte die Hand an die schüttelnde Stirn und seufzte: „Warum? Warum hast du das getan? 1700 Pfund... einen ganzen Vormittag Vorbereitung und nun ist es Parfüm für einen roten, begossenen Pudel...“

William seufzte ebenfalls und versteckte seine Augen vor dem, was kommen sollte: „Drama in...3...2...1...“

Grell ging bitterlich weinend in die Knie und versteckte das Gesicht in den Händen: „RUINIERT! Warum?! Oh warum ich?! Was, oh Welt, habe ich dir angetan?! Mein schönes Kleid! Oh mein schönes Kleid!“

Das Lachen im Ballsaal wurde lauter. Selbst Sebastian konnte sein Amüsement nicht verstecken, als er kopfschüttelnd Fred die Schüssel abnahm. Auch Ronald lachte seinen Kollegen ziemlich ungeniert aus. Nur William schüttelte mit verschränkten Armen den Kopf und seufzte.

'Alter Esel, tehe!', lachte ich in meinem Kopf über Williams Humorlosigkeit und ging auf Grell zu.

Wer den Schaden hatte, brauchte für den Spott ja bekanntlich nicht mehr zu sorgen und wer sich mit dem Meister anlegte sollte sich vorher reiflich überlegt haben, ob er ihm die Bowle reichen konnte.

„Hmmm Blaubeere mit Erdbeerbowle. Ahehehehehe. Köstlich“, schob ich mir ein Bröckchen Götterspeise in den Mund, das ich von Grells Schulter gehoben hatte.

Grell griff mich schüttelnd am Kragen: „Wie konntest du nur?! Wie konntest du nur?! Ich dachte wir sind Freunde und gehen durch dick und dünn!“

Natürlich brachte mich das nur wieder zum Lachen. Wie könnte ich denn nicht, bei so viel hilfloser Wut und Ärger?: „Tun wir. Ahehehehe! Durch dick, dünn und blaue Gelatine! Pahahahaha!“

„DU HAST MICH GAR NICHT GERN!“, flennte der rothaarige Sensenmann durch den großen Raum.

Ich musste nur immer weiter lachen, umso schriller Grell schrie und weinte: „Awahahahahaha! Natürlich habe ich dich gern! Hätte ich dich nicht gern, hätte ich blauen Tapetenkleister genommen! Tihihihihihi!“

„ICH HASSE DICH!“

William hatte offenbar genug von dem Theater, was wirklich schade war. Ich hätte noch Stunden weiter machen können! Und ich hätte auch Grell noch Stunden provoziert bekommen. William war sich dessen wohl ebenso bewusst, weshalb er dem Dämon die Schüssel entriss und Grell kurzer Hand damit einfach ausknockte: „Es reicht!“

Grell fiel um und blieb liegen.

William musterte mich verständnislos: „Tat das denn wirklich Not, Undertaker?“

„PAHUHUHUHUHUHUHU! Voll auf die 12! WAHAHAHAHAHA!“

Sichtlich weniger amüsiert als ich seufzte William, stellte die Schüssel wieder auf den Tisch, packte dann Grell am Kragen und zog ihn hinter sich her.

Mit einem vielsagend unbegeisterten Gesichtsausdruck deutete Sebastian einer Magd an die Pfütze aufzuwischen.

„Danke“, sagte er sarkastisch, als er an mir vorbei ging: „Aber du trittst meine Bemühungen ja nie mit Füßen.“

Ich giggelte: „Hihi! Nur, wenn es so viel versprechend lustig ist, Butler!“

Mit verdrehten Augen und einem genervten Seufzen verschwand der Dämon.

Auch ich machte mich auf dem Weg zu meinem üblichen Platz an der Wand, neben den Fenstern.

Doch meine Augen folgten dem Dämon. Er nahm den 4 Teens die Jacken ab.

Nun sah ich Skys Kostüm komplett. Ihre Handschuhe verschwanden in dem Schulterfreien Oberteil, verziert mit Schnallen und Nieten, und mogelten auch an den Ellbogen einige wunderbare Puppengelenke.

Ich konnte nur immer wieder betonen, wie unsagbar gut ihr diese Aufmachung stand.

Ich drehte halb lachend, halb seufzend mein Gesicht weg, bevor ich wieder vergaß es zu tun und die junge Frau wieder schamlos über Minuten musterte. Irgendwo hörte ich mein Karma leise lachen.

Dann ertönte moderne Musik. Die Mischung aus Rock, Pop und Electronic war wirklich nicht meine Welt.

Doch schnell erblickte ich Amy und Lee auf der Tanzfläche.

Da mein Musikgeschmack bei den normalen Gallen eigentlich immer gewann, gönnte ich der Jugend ihre komische Musik. Es war schön zu sehen wie die jungen Leute lebten, lachten und Spaß hatten.

Auch Ron und Fred erschienen irgendwann, ein junges Ding an der Hand auf der Fläche.

Nur eine sah ich nicht.

Als meine Augen durch den Saal wanderten fand ich Skyler dort stehen, wo Lee, Fred und Amy sie verlassen hatten.

Erst hatte sie den Kopf schief gelegt, dann kippte er vorne über. Die Leichtigkeit war verflogen. Ihre Schwere kroch auch in meine Brust, als ich das junge Ding musterte wie sie zu Boden starrte, die Hände hinter dem Rücken versteckt und so endlos einsam und verlassen.

Ein weiteres Seufzen. Ich konnte sie nicht so verwaist und beschwert dort stehen lassen. Ich konnte es einfach nicht.

„Willst du nicht tanzen?“, fragte ich, als mich meine Füße lautlos zu ihr getragen hatten.

Sie schaute mich an und dann sofort wieder zu Boden: „Öhm... Ich kann nicht gut tanzen.“

Ich lachte wie gewohnt, obwohl ich mich nicht wie gewohnt fühlte: „Ahehehehehe! Du bist im violetten Haus. Natürlich kannst du tanzen.“

Sie schüttelte nur kurz den hängenden Kopf: „Nein... Ich hab in Tanzen gerade mal eine Drei...“

„Noten sind nicht alles. Tihi!“

„Kannst du tanzen?“, fragte sie und nahm den Kopf ein Stück hoch und schief, als sie die Paare auf der Tanzfläche musterte.

„Machst du Witze?“, lachte ich. Ich hatte so verdammt viel Zeit gehabt, ich konnte vieles ziemlich gut. Einfach, weil ich es aus Langeweile und Interesse gelernt hatte. So auch tanzen. Damals, 1800, war es eine existenzielle Fähigkeit in höheren Kreisen gewesen: „Ich liebe es! Hehe! Und ich möchte einfach mal von mir selbst behaupten ich bin ziemlich gut darin!“

Sie legte den Kopf endgültig schief und schaute zu mir hoch: „Warum tanzt du dann nicht?“

Ich streckte ihr meine Hand entgegen: „Meine Tanzpartnerin hat noch nicht ja gesagt.“

Ihr Kopf ging ein Stück nach hinten und ihre Augen wanderten von meiner Hand in mein Gesicht: „Was meinst du?“

Bei der Aussicht mit ihr tanzen zu dürfen erschien ein Lächeln auf meinem Gesicht und das komische Gefühl in meiner Brust kippte von bedrückt in eine ungewohnte Art von Aufregung: „Darf ich um diesen Tanz bitten?“

Unschlüssig schaute sie mich an. So viele schwere Gedanken rasten viel zu schnell durch ihre blauen Augen und dieser trübe Schleier, er war wieder voll da. Ich konnte mir denken was sie aufhielt. Auch ich fühlte mich aufgrund der Situation, einige Momente vorher, irgendwie komisch. Doch wenn ich eins wusste, dann dass alles vielleicht nie wieder wie gewohnt und in Ordnung werden würde, vermittelte ich ihr jetzt nicht, dass alles wie gewohnt und in Ordnung war. Dass es nie mehr wie vorher wurde wollte ich nicht. Das wollte ich überhaupt nicht.

„Sky?“, weckte ich sie nach ein paar Minuten.

Sie blinzelte mich aus ihren Gedanken gerissen an: „Hm?“

„Ist irgendetwas?“

Doch sie zuckte nur mit den Schultern: „Ich... weiß nicht.“

„Willst du reden?“, fragte ich besorgt. Vielleicht sollten wir über die Situation sprechen. Vielleicht sollten wir sie tot schweigen. Ich konnte nicht sagen, was nun richtig war.

Doch sie schüttelte eh den Kopf und entschied so für uns beide: „Ich sag dir Bescheid wenn ich wirklich weiß was. Dann kann ich dir sagen ob.“

Ich wackelte mit dem Kopf. Die Fragen blieben also alle weiter im Raume stehen. Ich wusste selber nicht, wie viele ich davon hätte wirklich beantworten können. Also wechselte ich das Thema wieder: „Wie du möchtest. Nun? Was sagst du?“, hielt ich ihr immer noch meine Hand hin.

Mit einem schnellen Nicken legte sie ihre Finger mehr als nur unsicher in meine Hand. Ich griff sie fest. Ihre Wärme rieselte durch meine Nerven, als ich sie auf die Tanzfläche führen durfte und mich freute wie schon lange nicht mehr.

Auf der Tanzfläche angekommen wechselte die Musik zu Disko.

Ich seufzte innerlich.

Ich war sehr versiert in Standard und Latein. Selbst Rock 'N' Roll hatte ich gelernt! Doch Disko Fox hatte ich schon geschwänzt und das, was die jungen Leute heute so als 'tanzen' bezeichneten, wirkte selbst bei den erfahrenen Tänzern eher wie ein Zitteraal mit schweren epileptischen Anfällen.

Auf mein innerliches Seufzen folgte ein leises Lachen: Das Leben war halt ein Spiel und nun stand Improvisation auf meiner Aktionskarte. Zurück konnte ich eh nicht mehr.

Sky zauderte. Sie hob die Arme ein Stück und senkte sie wieder, als sie zu überlegen schien wie sie mich anfassen sollte und ob überhaupt. Eigentlich war sie mir gegenüber nicht mehr so schüchtern gewesen. Dass sie es jetzt wieder war, fachte ein komisches und unangenehmes Gefühl in mir an. Ich hoffte so inständig dieses Verhalten war nur temporär.

Ich nahm ihre Arme und legte sie mir um den Hals. Dann legte ich meine Hände an ihre Taille und drehte das viel zu leichte Ding im Rhythmus der Musik. Oder dem, was man so alles Rhythmus nennen wollte. Sky stellte sich bei weitem nicht so schlimm an, wie sie es hinstellen wollte. Zwar drohte sie hier und da mal auszubrechen, doch es war nichts, was ich nicht mit einer beherzten Voll- oder Halbdrehung retten oder kaschieren konnte.

Schnell war dieses komische Gefühl verflogen. Ich mochte es zu tanzen und heute fühlte es sich irgendwie noch besser an als sonst. Denn ich hatte eine liebreizende Partnerin!

Meine gute Laune schlug sich in einem heiteren Lachen nieder. Auch Sky sah ich lächeln, obwohl sie immer noch so angestrengt konzentriert ihre Füße sortierte.

Das Lied war ziemlich schnell. Für einen nicht ganz so geübten Tänzer war es also sicherlich schon eine kleine Herausforderung mir zu folgen. Doch selbst wenn sie mir auf die Füße treten oder stolpern sollte, es würde mich nicht interessieren. Auch, wenn wir für die Leute um uns herum vollkommen bescheuert aussehen würden, mir wäre es egal. Die Reaktionen würden sich wahrscheinlich auch nicht viel von denen unterscheiden, denen ich so alltäglich begegnete. Der jungen Sky war das alles nur ganz und gar nicht egal und das wusste ich. Also setzte ich alles daran ihr Vertrauen in ihre Tanzfertigkeiten Tanzschritt für Tanzschritt aufzubauen.

Und es funktionierte!

Nach dem ersten Lied war sie schon viel lockerer und entspannter. Sie konnte nun endlich damit beginnen an sich Selbst und der Situation Freude zu haben.

Lieder kamen, Lieder gingen, doch weder Sky noch ich machten Anstalten uns von der Tanzfläche zu bewegen.

Das junge Ding strahlte mittlerweile. Kicherte und lachte mit mir, wie vorher.

Erleichterung stellte sich ein und verscheuchte den schweren Dunst der dunklen Befürchtung endgültig aus meiner Magengegend.

Nach endlosen Minuten amüsierten Tanzens legte ich den Kopf schief und lächelte ihr in das feine Gesicht: „Hast du Spaß?“

Sie grinste so herrlich breit und ehrlich als sie mir zu nickte.

„Haha! Das freut mich!“, lachte ich ihr ehrlichst entgegen.

Sie wirkte wieder leicht wie eine Daunenfeder im Wind. Den Impuls meine Stirn an ihre zu legen versuchte ich gar nicht erst zu widerstehen. Ich hätte es eh nicht gekonnt. Mit einem breiten Lächeln schloss ich die Augen, als die Musik zu einer Ballade wechselte und wir langsam hin und her schunkelten.

Doch mit einem lauten Splittern sollte der schöne Teil des Abends endgültig vorbei sein.
 

Die Menschen um uns herum begannen zu schreien und zu kreischen.

Mein Kopf flog zu den gesplitterten Fenstern.

Es sickerte ein schweres, ungutes Grauen durch die zerschlagenen Fensterscheiben. Ein beklemmendes schweres Gefühl nicht von aus dieser Welt. Die Atmosphäre der Hölle.

Die Biester, die ich dadurch in den Raum springen sah, erkannte ich sofort: Teufelshunde.

Minder-intelligente, niedrige Bewohner der Hölle.

Ich war ein wenig verwundert, denn eigentlich agierten Teufelshunde nicht von selbst.

„Vorsicht!“, hörte ich Charlies Stimme durch den vollen Saal.

„Alle von den Fenstern weg!“, schrie Frank und die Aristokraten versuchten winkend so viele Menschen wie möglich aus dem Raum zu lotsen.

Menschen stürzten aus dem Raum, schubsten und drängelten um schnell aus den Türen zu kommen. Einige gingen zu Boden und wurden fast niedergetrampelt. So schafften es die Wenigsten aus dem großen Raum. Die Aristokraten hatten schon bald die Hoffnung verloren und brachten sich selbst in Sicherheit.

Von der verständlichen Panik abgesehen, stoß diese Szenerie bei mir auf höchste Missbilligung. Sollten diese ganzen selbstsüchtigen Gestalten hier sterben, waren sie nicht nur selber schuld. Sie hatten es verdient. Wer so wenig Respekt vor dem Leben Anderer und so wenig Kooperationsfähigkeit zum Erhalt Aller zeigte, brauchte wirklich kein Mitleid erwarten.

Neben mir sprang ebenfalls ein Fenster und ich hörte Skyler schreien.

Scharf flogen die Splitter durch die Luft. Ich hob einen Arm vor mein Gesicht und merkte wie sie sich in meinen Haaren und Kleidern verfingen.

Für Sky würde jetzt bald eine Welt untergehen, doch das konnte ich nicht mehr verhindern. Ich konnte aber wohl verhindern, dass ihr etwas passierte. Und das würde ich. Keiner dieser ekelhaften Dämonenviecher würde auch nur eine Strähne ihrer Haare erhaschen.

Auch nicht das große Vieh, was direkt durch das Fenster auf uns zu sprang.

Ich griff Skyler am Arm und zog sie hinter meinen Rücken. Im selben Moment erschien meine Death Scythe in der anderen Hand.

Ich konnte das Versprechen gegenüber den Phantomhives nicht länger halten. Ronald, Grell und William auch nicht. Griffen wir jetzt nicht ein, würde der ganze Ball in Blut und Leiden untergehen. Denn diese Teufelshunde waren so dermaßen rasend, von sich aus würden sie erst stoppen wenn jeder tot und gefressen war.

Also krachte der Kopf meiner Sense gegen den Kopf des Hundes und warf ihn zu Boden.

Er winselte kurz, rappelte sich aber sofort wieder auf und sprang erneut auf mich zu.

Ein dunkles Lachen kroch aus meiner Kehle und den geschlossenen Lippen.

Ich hatte schon lange nichts mehr zum Spielen gehabt.

Ein gewisses Entzücken konnte ich mir also in dieser Situation nicht absprechen. Diese Monster würden ihr blaues Wunder erleben und darauf freute ich mich diebisch.

Mit einem Streich meiner großen Sense schnitt ich dem Teufelshund die Kehle durch. Sein rotes Blut spritze durch die Luft und ließ mich lachen. Tot und geschlagen blieb das Höllentier liegen. Teufelshunde waren zwar gefährlich, doch kamen sie nicht an uns heran. Der Cinematic Record des Biestes wirbelte aus seiner Wunde und um mich und die junge Frau herum. Ich verbannte ihn schnell ins Nichts. Die Erinnerungen dieses Tieres interessierten mich nicht.

Ich wandte mich zu Skyler. Sie starrte mich mit weit aufgerissenen Augen an. Panik und tiefer Schock standen gepaart mit einer verängstigten Verwirrung in ihrem Himmelblau. Was sie wohl jetzt gerade von mir dachte? Wie würde sie wohl mit mir umgehen, wenn die Katze aus dem Sack war? Ich begrüßte, dass sie die Wahrheit wissen würde. Dass wir bald auf einer gänzlich ehrlichen Basis miteinander agieren könnten. Doch... würde sie überhaupt noch etwas mit mir zu tun haben wollen, wenn sie wusste, dass ich kein Mensch war? In ihren Augen stand die blanke Angst. Natürlich hatte sie Angst. Sie wird bis zu diesem Moment nicht im Traum daran gedacht haben, dass es solche Monster gibt... Und sie wird im Traum nicht daran gedacht haben, dass ich stärker war als sie. Und ich war viel stärker, viel älter und viel seltsamer als diese schnöden Monster.

Skyler öffnete den Mund, doch das Aufheulen von Grells Kettensäge stoppte sie bevor sie etwas sagte und sie riss den Kopf herum. Sie musterte Grell mit nicht weniger panischem Unglauben als mich. Dann flog ihr Kopf zu Ronald, anschließend zu William und zum Schluss zu Sebastian.

Ich hätte sie in dem Moment so gerne in den Arm genommen und ihr zu geflüstert, dass alles gut wird. Dass wir wohlgesonnene Wesen sind und dass diese Hunde niemanden in die Fänge bekommen werden, den wir mochten. Dass sie sich nicht zu fürchten brauchte.

Doch ein weiterer Teufelshund verlangte nach meiner Aufmerksamkeit. Ich streckte ihn mit einem Streich meiner Sense ebenfalls nieder. Skyler war noch viel zu nah am Gefahrenherd, als das ich es mir jetzt schon erlauben konnte zu spielen. Erst musste ich sie in Sicherheit bringen. Ich erhaschte einen Blick auf Alex und die Anderen. Sie hatten sich in einer Ecke versammelt und mit Ritualschwertern bewaffnet, die Sebastian und ich vor einigen Jahren in mühevoller Kleinarbeit gefertigt hatten. Diese Waffen waren nicht im Geringsten so effektiv wie unsere Death Scythes, doch mit ihnen konnten sich die Menschen im Fall der Fälle zumindest Zeit erkaufen. Dort war Skyler im Moment wesentlich besser aufgehoben.

Aber die Hunde gönnten mir keine wirkliche Pause. Drei weitere kamen auf uns zu geprescht. Erst einmal musste ich mir die Zeit erkaufen das junge Ding aus der Schusslinie zu bringen.

„Undertaker!“, kreischte sie hinter mir.

Dieser Aufschrei war getragen von so viel Angst... und er war voller Sorge. Sorge... um mich.

In Kontrast zu all diesen Menschen, die nur darauf bedacht waren sich selbst in Sicherheit zu bringen und damit kopflos ihr Schicksal besiegelten, hatte das junge Ding ohrenscheinlich mehr Sorge um mich als um sich selbst.

Irgendwie beflügelte mich diese Erkenntnis in einer ungekannten Art und Weise, als ich einem Hund mit meiner Sense den Bauch der Länge nach aufschlitzte. Den Anderen köpfte ich und versenkte mit beiden Händen meine Sense im Kopf des Dritten. Kurz und schmerzlos waren die drei Hunde tot zusammengebrochen.

Mit einem Sprung landete ich neben Skyler und nahm sie mit mir. Nun hatte ich um uns so viel Platz geschaffen das ich sie zu den anderen bringen konnte.

Ich landete bei den Menschen und stellte Sky neben Amy wieder auf ihre Füße: „Bleib hier!“

Ich drehte ich um und wollte wieder zu Grell und Co, doch vollkommen unerwartet griff mich etwas am Arm und hielt mich fest.

„Bist du verrückt?! Du kannst da nicht wieder hin! Hast du dir mal diese Monster angesehen?! Die sind riesig!“, hörte ich Skylers panisch besorgte Stimme hinter mir.

Ich drehte den Kopf zu ihr: „Ehehehehe! Ich weiß, aber ich muss den Anderen helfen.“

„Das ist Selbstmord!“, ich stockte, als ich das Zittern dieser jungen Hände an meinem Arm spürte und Skyler Träne um Träne die Wangen hinunter liefen: „Die bringen dich um! Die zerreißen dich! Ich will nicht, dass dir etwas passiert!“

Ich zog sie mit meiner freien Hand zu mir heran. Ihr weinendes Gesicht schmerzte mir immer wieder. Also wischte ich die Tränen mit meinen Daumen von ihren schreckensblassen Wangen. Ich war mir nicht sicher ob das Gesicht, was sie bei einem Weinen aus Angst machte, mir näher ging als das, welches sie beim Weinen aus Trauer machte. Sie war so furchtbar aufgeregt und verschreckt. Trotz allem machte sie sich Sorgen um mich. Das berührte mich tief.

Ich drückte ihr einen Kuss auf die Stirn um sie zu beruhigen: „Mir passiert nichts. Hehe! Es braucht schon etwas mehr als ein paar Straßenköter, um mich in einen Sarg zu bringen!“

Ich lächelte ihr entgegen und lachte stumm dabei.

„Aber!“, starrte sie mich an und ließ die Hände sinken.

„Bleib hier, damit ich mir keine Sorgen um dich machen muss. Fred! Lee! Frank! Charlie! Alex! Ich verlasse mich auf euch!“, ich nahm die Hand von ihrem Kopf und erhob mich.

In einem Wimpernschlag stand ich wieder vor einer Gruppe Teufelshunde und machte ihnen den Gar aus.

„Sebastian!“, schrie der Earl in traditioneller Phantomhivischer-Butler-herumkommandier-Manier: „Bereite dem ganzen Spektakel ein Ende! Das ist ein Befehl!“

Ebenso traditionell hallte das Lachen des Dämons zurück: „Ja, mein Lord!“

Das Auftauchen der Hunde nahm kein Ende.

Mein Spaß von daher auch nicht.

Zwar wollte ich die ganze Angelegenheit der kleinen verstörten Sky zuliebe nicht so furchtbar in die Länge ziehen, doch ein Teil von mir, der Shinigami, genoss es mal wieder seine Sense in der Hand zu haben und das zu tun, wofür er geboren wurde: Töten.

Ich hörte Ronald schreien und wandte dem Kopf zu ihm. Ein Hund hatte ihn getroffen und er war auf dem Rücken gelandet, doch Grell war sofort bei dem Jüngling und so wurde meine Wenigkeit dort nicht gebraucht.

Ich war außerdem eh gerade selbst ein wenig beschäftigt. Die drei Hunde auf Abstand zu halten war für mich nun wirklich kein Hexenwerk, aber gerade brauchte ich meine Koordination doch ein wenig für mich.

„Undertaker!“, hörte ich Grells Stimme.

„Ahehehehehehe! Mir geht es prächtig!“, lachte ich als Antwort.

Dann wurde die Welt orange und ziemlich warm, als mir die drei Hunde gleichzeitig ihren feurigen Atem entgegen spuckten.

„UNDERTAKER!“, hörte ich panisch und vollkommen hysterisch die Stimme der kleinen Skyler durch den Saal kreischen.

Ich seufzte. Sie muss sich aufgrund der Szenerie furchtbar erschreckt haben. Sie wusste schließlich noch nicht, dass es keinen Grund zur Panik gab.

Ich trat den Hund vor mir weg und sprang mit einem Satz aus der Feuersalve.

Nachdem ich auf der hässlichen Schnauze einer der Hunde gelandet war, entriss ich dem anderen meine Sense und schickte ihn Selbige in die Schläfe. Er brach tot zusammen. Mit einer Drehung schickte ich den zweiten Hund hinterher und landete auf dem Boden. Die Records der Hunde flogen durch die Luft.

Eher nebenbei wischte ich mir den Pony aus dem Gesicht und wartete lachend auf das dritte Monster, doch William nahm mir den ganzen Spaß, indem er ihm mit seiner Schere aufspießte.

Ich schaute zu dem humorlosen Reaper: „Hehe! Mach mein Spielzeug nicht kaputt!“

William schüttelte den Kopf: „Ich habe dir geholfen!“

„Was nicht nötig ist. Ehehehehe!“, lachte ich ihm entgegen.

„Du bist unverbesserlich!“, seufzte William.

Immer und immer mehr Records flogen durch den Saal, als William und ich neben unserem kleinen Geplänkel jeweils einen weiteren Hund erlegten. Mit einem synchronen Schnipsen barsten die Filmstreifen zu braunem Staub.

Ich drehte mich zu dem Fenster. Ein schwacher violetter Schein fiel durch die Fenster: „Ehehehe! Wie ich mir dachte!“

„Was?“, machte Will gereizt und wir töteten einen weiteren Hund.

„Ehehehehehe!“, lachte ich und William verdrehte die Augen: „Hey Butler! Hinter den Fenstern ist ein Portal!“

Sebastian stieß sich von der Decke ab und landete neben mir: „Wo genau?“

Ich deutete mit meiner Death Scythe auf das Schimmern des Höllenportals vor dem Fenster und giggelte amüsiert: „Hihi! Schließe es doch bitte. Mir wird langweilig. Diese armseligen Viecher sind keine adäquaten Gegner für uns.“

Des Weiteren hatten mir die Viecher meinen schönen Herrenrock ruiniert und ich wollte verhindern, dass die vollkommen unbedarfte Skyler noch länger der Szenerie ausgesetzt war.

Es reichte.

Sebastian machte sich auf den Weg zu dem Loch zwischen den Dimensionen.

Ein Portal öffnete man nicht einfach so. Nicht jeder war dazu in der Lage und niemand ohne weiteres. Irgendjemand muss hier sein, der dazu in der Lage war und er musste es geschafft haben einige Zeit von uns unentdeckt zu bleiben. Ich spürte jetzt immer noch niemanden, der stark und bewandert genug wäre ein solches Portal zu öffnen.

Doch manchmal war die Abwesenheit von etwas der größte Hinweis: 'Die Trancys... Claude oder Hannah.'

5 Hunde stoppten den dämonischen Butler auf seinem Weg das Tor zur Hölle wieder zu versiegeln. Auch ihm spuckten sie den für Teufelshunde typischen Feueratem ins Gesicht. Doch auch im Vergleich zu Sebastian waren diese Viecher ein nur mehr als schlechter Scherz.

So machte sich der Butler ebenfalls seine unmenschliche Natur zu nutzen, bündelte die Feuersäulen und schickte sie den Hunden selbst entgegen. Einen Hund verbrannte er ins Unkenntliche. Die restlichen 5 beförderten Grell, Ronald, William und meine Wenigkeit ebenfalls wieder aus dem Fenster. Der Butler verschwand hinter dem gesprungenen Glas und kurze Zeit später verschwand das unangenehme, bedrückende Gefühl der Anwesenheit der Hölle.

Im letzten Zug des Kampfes wurde Grell zwar noch am Arm verletzt, doch wir schickten die Teufelshunde allesamt zurück in die Hölle und das definitiv ohne ein Portal zu benutzten.

Nachdem der letzte Hund zu Grunde gegangen war, betrat der Butler durch das Fenster wieder den Raum: „So. Das müsste es gewesen sein. Herrje.... Was ein Chaos.“

Die Gäste, die den Raum nicht verlassen konnten und denen ihr Glück heute hold geblieben war, flohen schreiend aus Fenstern und Türen.

15 Menschen hatten ihr Glück wohl schon vorher gänzlich aufgebraucht. Sie lagen tot und verstümmelt am Boden. In den roten Lachen spiegelten sich träge die Lichter des Kronleuchters und der Wind fuhr durch den Raum und ließ Gardinen und das Fell der toten Hunde wehen.

William seufzte und schüttelte den Kopf: „Knox! Sutcliff!“

Die Drei zückten ihre Todeslisten. Sobald ihr Job getan war, konnte ich mit meinem beginnen.

Doch vorher zuckte mein Ohr. Ich hörte die Steinchen, die überall verstreut in der Wiese um den großen Brunnen im Vorgarten der Phantomhives lagen, unter Schuhsohlen knacken. Doch die Schritte waren nicht hetzend. Sie gehörten nicht zu den fliehenden Galagästen. Sie gingen ruhig und bestimmt vor dem Fenster her. Doch ich spürte keine Präsenz dazu.

„Ehehehehehehehe“, lachte ich leise zu mir selbst: „Du kleines Würmchen!“

Ich hob meinen Zeigefinger. Es dauerte nur ein paar Sekunden und der Staub der Hunde und der Records erhoben sich und sammelten sich um meine Fingerspitze.

Es wäre doch unhöflich dem Trancy Diener, welcher es jetzt auch war, die Überreste seiner fluffigen Freunde nicht wieder zu geben, oder?

Ich öffnete die Hand und der Staub ballte sich in meiner Handfläche zusammen. Meine Death Scythe entließ ich aus ihrem Dienst. Sie wurde nicht mehr gebraucht. Dem Dämon hinter dem Fenster würde gleich auf ganz andere Art und Weise die Ohren klingeln. Ich drehte mich, um dem Ball den nötigen Schwung mitzugeben. Dann pfiff er an Sebastian vorbei aus dem Fenster. Der Butler schaute kurz etwas irritiert, doch dann hörte er den erstickten Aufprall der Kugel hinter ihm. In den Funken des Staubballs sah ich ganz eindeutig eine männliche Gestalt aufflackern. Der Gedanke es könnte Hannah sein, konnte ich also verwerfen. Die Schritte entfernten sich nun schnell von dem Gebäude und waren kurz darauf verhallt.

Sebastian drehte sich wieder zu mir: „Claude?“

Ich nickte kichernd: „Ehehehe! Claude.“

„Das erklärt einiges. Du konntest ihn spüren?“, kam Sebastian auf mich zu. Claude war definitiv dazu in der Lage das Tor zu öffnen und den Teufelshunden Befehle aufzubürden.

„Nein“, giggelte ich vollkommen ehrlich: „Ich hab ihn gehört.“

Der Butler seufzte nur. Auch die anderen Shinigami kamen zu uns herüber und ließen Buch und Waffe in dem Nichts verschwinden, aus dem sie gekommen waren.

Ich lachte, als ich mich noch einmal umschaute: „Scheint, als habe ich ein bisschen Arbeit gewonnen. Ehehehe!“

William seufzte: „Wie auch immer. Unsere ist getan.“

Ich schaute Sebastian an: „Ich darf mir doch sicher euren Kühlraum leihen, oder? Hehe.“

Dieser nickte langsam: „Ja, darfst du. Ich habe keine Lust, dass sie anfangen uns die ganze Villa zu zu stinken. Dieser Geruch geht nie wieder aus den Textilien.“

„Dann geh mir doch bitte zur Hand. Ehehehehe!“

Der Butler assistierte mir bereitwillig und wir brachten Leiche um Leiche in den Kühlraum der Phantomhives.
 

Als wir durch die dunklen Flure gingen, um die nächste Fuhre meiner neuen Gäste abzuholen, legte Sebastian überlegend die Hand an das Kinn.

„Was grübelst du, Butler? Hehe.“

„Ich frage mich, warum Claude den Aufwand betrieb ein Höllentor zu öffnen. Er muss doch wissen, dass diese Hunde keine Gegner für uns sind.“

„Vielleicht... Wollte er uns nur die Party ein wenig“, ich lachte: „Interessanter gestalten. Hehehehehehe!“

Der Butler seufzte: „Wenn die Trancys uns nur ärgern wollten, gäbe es doch einfachere Mittel und Wege.“

Ich hob lachend die Hände: „Was willst du von mir hören, Sebastian? Immerhin besteht der Trancy Haushalt zu rund 80% aus Dämonen. Also sag du mir, was sie denken. Tihihihi!“

„Genaugenommen besteht der Trancy Haushalt zu 100% aus Verrückten. Also dachte ich, ich frage einen anderen Verrückten nach seiner Meinung“, konterte der Butler mit einem dunklen Lachen.

„Touché. Touché. Ehehe!“, lachte ich.

„Undertaker!“, rief es kurz vor der nächsten Ecke.

Amber und Skyler kamen uns geführt von Heather entgegen, doch die junge Brünette verließ die schützende Gesellschaft der zwei Ladys Phantomhive und rannte auf mich zu.

Kurz sackte mein Herz ein Stück ab. Die junge Frau war bleich wie die Wand und wirkte gestresst und verstört bis ins Letzte.

Doch sie bremste nicht und warf mir die Arme um die Taille.

Das junge Ding zitterte. Ich legte ihr einen Arm um die Schultern und strich ihr mit den Fingern meiner freien Hand durch das weiche Haar.

Etwas, was sich wie Erleichterung anfühlte, breitete sich in meiner Brust aus und vertrieb ein wenig die Befürchtung sie könnte sich nun vor uns Allen, und auch vor mir, zu Tode fürchten. Denn sie drückte mich so fest wie vorher noch nie.

Sky hob ihren Kopf und ihre blauen Augen schauten ganz verweint und so vollkommen voller Sorgen zu mir hoch: „Gott, hab ich mich erschreckt! Bist du denn vollkommen verrückt geworden?! Hast du endgültig den Verstand verloren?!“

Ich lachte und wollte ihr antworten, doch sie nahm die Arme von meiner Taille und schob meinen lädierten Herrenrock auseinander. Ihre Augen und eine Hand huschten über meinen Oberkörper und tasten ihn ab: „Geht es dir wirklich gut? Du bist doch nicht verletzt, oder?!“

Ich schob sie an den Schultern eine Armlänge weg und schaute ihr in das Gesicht, mit dem von Tränen zerstörten Make Up: „Es geht mir gut. Ich habe dir doch gesagt mir passiert nichts.“

Mein Blick wanderte auf ihren linken Arm. Das Blut darauf war schon verkrustet, doch eine tiefe Schnittwunde leuchtete mir entgegen. Sie hatte also doch etwas abbekommen, auch wenn es nichts Dramatisches war. Ich unterdrückte die hochkochende Wut. Das wird Claude mir bei der nächsten Begegnung definitiv büßen: „Im Gegensatz zu dir.“

„Oh“, schaute sie auf ihren Arm: „Das... Das ist nichts! Hätte Heather nichts gesagt, hätte ich es gar nicht bemerkt. Aber du... du... du...“, Skyler fing vollkommen überfordert an zu stottern und brach ab.

„Ich habe nicht einen Kratzer. Habe ich dir nicht gesagt, du musst dir keine Sorgen um mich machen? Hehe“, lachte ich ihr wie gewohnt entgegen und wollte damit eigentlich signalisieren, dass alles in Ordnung war. Doch stieß mein Lachen dieses Mal bei Skyler nicht gerade auf Beifall: „Hör auf zu lachen! Das das das das das... war alles einfach so ganz und gar nicht lustig! Dir hätte sonst was passieren können! Da waren Monster! Und Blut! Und T...To...Tot...Tote...“, ihre Stimme, die in einem aufgeregten Kreischen begonnen hatte, wurde mit jedem Wort etwas leiser bis sie schließlich stotternd verebbte.

Durch ihre Augen huschten so viele Gedanken und so viel Schreck.

Eher unüberlegt nahm ich sie in die Arme: „Es ist vorbei, meine schöne Puppe.“

Doch das junge Ding legte mir ebenfalls die Arme um den Hals und drückte mich zurück: „Erschrecke mich nie wieder so!“

„Das...“, stockte ich: „Könnte schwierig werden.“

„Nein! Nein, das ist überhaupt nicht schwierig! Tu so etwas nie, nie, nie, nie, nie wieder!“, versteckte sie ihr Gesicht in meiner Schulter.

Wenn sie erst einmal alles wusste, würde sie begreifen, dass es sehr wohl sehr schwierig werden könnte.

Die junge Frau zitterte und schluchzte in meinen Armen: „Was ist passiert?! Was war das?! Was zur Hölle war das?!“

Doch ich konnte ihr nichts erklären. Alexander hatte mir dazu noch kein grünes Licht geben können. Außerdem wollte der Earl diesen Part eigentlich immer selbst übernehmen.

Amy erschien an Skys Seite.

„Alles ok bei euch?“, flüsterte sie so leise, dass Skyler es nicht hören konnte.

Ich nickte grinsend. Sebastian nickte ebenfalls.

„Komm Sky“, legte Amy nach einem erleichterten Seufzen ihrer aufgewühlten Freundin die Hand auf die Schulter: „Evelyn hat ein Bad für uns vorbereitet. Das wird dir gut tun. Danach erklären wir dir alles. So kannst du eh nichts aufnehmen.“

Doch das Mädchen machte erst keine Anstalten sich zu bewegen. Also nahm ich sie an den Schultern, schob sie ein Stück weg und wischte ihr ein weiteres Mal die Tränen aus dem Gesicht: „Sie hat recht. Geh mit ihr.“

„Aber... aber du...!“

„Bist der Letzte, um denn du dir jetzt Sorgen machen musst“, sagte ich ihr eindringlich: „Geh mit Amy, damit ich mir keine mehr um dich machen muss, ok? In echter Freundschaft kann die Welt genesen. Auch nach so etwas. Amy wird auf dich aufpassen. Das weiß ich. Es gibt niemanden, dem ich dich mit besserem Gewissen mitgeben könnte. Wenn es dir besser geht komm zu uns und wir erzählen dir die Wahrheit.“

„Die Wahrheit? Worüber?!“, rief sie viel zu laut, als für sie gewöhnlich.

„Über uns“, antwortete ich ruhig: „Doch jetzt geh.“

Dann nahm Amy sie an der Hand und zog sie mit sich.

Ich stand auf und begab mich mit Sebastian wieder auf den Weg zu meinen anderen Gästen.

Der Butler lachte.

Meine Augen wanderten zu ihm, als unsere Schritte durch den stillen Flur hallten: „Was lachst du, Butler?“

Der Dämon lachte wieder: „Die junge Miss Rosewell scheint einen Narren an dir gefressen zu haben.“

Ich entgegnete ebenfalls lachend: „Tehehehe! Und das weißt du woher?“

„Es muss ziemlich offensichtlich sein, wenn es selbst einem Dämon auffällt. Meinst du nicht auch?“

„Ehihihi! Oder du bist schon so lange bei den Menschen, dass du sensibel wirst.“

Das Lachen des Dämons verebbte: „Beleidige mich nicht, Undertaker.“

„Oh“, machte ich ironisch: „Ich habe ganz vergessen wie zart besaitet ihr Dämonen manchmal seid.“
 

Nachdem wir alle Verblichenen in den Kühlraum getragen hatten, endeten wir mit den Anderen in dem Salon im Südflügel.

Die Kostüme hatten alle mittlerweile abgelegt. Selbst die Shinigami waren wieder in ihren üblichen Anzügen zu sehen.

Ronald, Fred, Lee, Charlie und Frank spielten gerade eine Runde Pool, während die 'Aristokraten des Bösen' und die Shinigami ihre Gedanken wälzten. Sie kamen auch nicht wirklich weiter. Keiner konnte sich so ganz erklären, was der Butler der Trancys damit bezwecken wollte.

Ich legte meinen vollkommen zerstörten Herrenrock über eine Sessellehne und Heather reichte mir ein Feuchttuch. Ich wischte mir die Schminke aus dem Gesicht, während die Anderen sprachen.

„Wahrscheinlich“, stieß Charlie die weiße Kugel an und sie rollte klackend gegen einige andere Kugeln: „Wollten sie euch nur in Misskredit bringen.“

„Aber warum so kompliziert?“, sprach William als Verfechter des Weges des geringsten Wiederstandes.

„Weil Oliver ein ganz mieser, kleiner, verrückter Scheißer ist“, fauchte Fred und wechselte mit Charlie den Platz: „Der kommt auf Ideen jenseits von Gut und Böse.“

„Wohl wahr“, seufzte Sebastian und war mit einem Tablett Getränke erschienen: „Aber eigentlich hält Claude ihn ganz gut auf dem Boden der Tatsachen.“

„Vor allem“, lachte ich und warf das Tuch in den Müll: „Ehehehehe! Wenn er sich selber so in die Waagschale werfen muss.“

„Das des weiteren“, pflichtete mir der Butler bei.

„Abgesehen davon“, wechselte Heather, Vollblutmutter wie sie war, das Thema: „Was machen wir jetzt mit dem Mädchen?“

Alex schüttelte den Kopf: „Fred hat schon recht. Wir müssen ihr alles erzählen. Es sei denn jemandem fällt jetzt die beste Lüge des Jahrhunderts ein.“

Ich kicherte laut: „Tihihihihihi! Damit bin ich raus.“

Auch Sebastian schüttelte den Kopf.

Ronald lachte auf: „Eine Lüge, die 4 Shinigamis und einen Dämon in Aktion weiter als Menschen erklärt? Derjenige der das schafft, dem geb' ich einen ganzen Abend lang Drinks aus.“

„Wie schade“, machte Lee: „Das Angebot hätte ich nur allzu gerne angenommen, doch auch ich bin vollkommen ratlos.“

Wenn Lee nicht mehr wusste wie man lügen sollte, gab es einfach keine Plausible mehr. Denn der junge Chinese war nicht nur ein anerkannter Drogen-, sondern auch ein mindestens genauso berüchtigter Lügenbaron.

„Dann“, seufzte Alexander: „Werden wir der guten Skyler einiges zu erklären haben.“

„Viel Spaß mein lieber Earl“, grinste ich ihm entgegen.

Alexander zog nur eine Augenbraue hoch.

Dann flog mein Kopf herum.

„Was willst du?!“, drang eine Stimme leise an mein Ohr. Sie musste sehr weit weg sein und schreien wie verrückt.

Ich zog die Augen zusammen, als ich genauer hinhörte: „Lass sie gehen!“

Ich kannte die Stimme.

„Hilfe!“

Ich riss die Augen auf: 'Sky!'

Mit einem Satz war ich aus der Salontür.

„Hey!“, hörte ich Grell: „Undertaker, was ist los?!“

Doch ich antwortete nicht. Ich stoppte auch nicht.

„Sebastian!“, hörte ich Alex Stimme hinter mir: „Folge ihm!“

Der Butler erschien in dem Moment neben mir: „Was ist in dich gefahren?“

„Sch!“, machte ich scharf.

Die Mädchen trugen ebenfalls Ketten, ich konnte sie also nicht aufspüren. Ich musste mich an ihren Rufen und ihren Geräuschen entlang hangeln. Irgendwo im Westflügel polterte es ganz komisch.

„Verschwinde!“, hörte ich wieder Skylers Stimme und schlug hart um die Ecke. Ich nahm die Kurve zu plötzlich und musste gegen die Wand springen um sie zu bekommen.

„Lass uns in Ruhe!“

Es wunderte mich, dass Skyler zwar immer schrie man solle 'uns in Ruhe lassen', doch ich Amy nicht hörte. Die Stimme der Phantomhive erhaschte ich weder laut noch leise.

„Was ist los?“, fragte Sebastian gereizt und mir auf dem Fuß folgend: „Wo willst du so eilig hin?“

„Jetzt halt doch den Mund!“, fauchte ich ebenso gereizt: „Ich höre sonst nichts!“

„Was hörst du denn?!“

„SCHT, verdammt!“

„Hil.... IRGS!“, erreichte ein Schmerzensschrei nun wesentlich lauter mein Ohr, als wir den Westflügel erreicht hatten.

Mein Herz schlug einen Schritt schneller, als ich Skylers schmerzverzerrte Stimme hörte.

Der Butler und ich kamen um die Ecke.

Wir erblickten Claude.

Der Butler der Trancys hatte die junge Phantomhive im Haltegriff und drückte ihr Mund und Nase zu. Deswegen hatte ich sie nicht gehört! Die Schwarzhaarige wehrte sich, doch langsam wurden ihre Bewegungen träger. Der Butler schien ihr langsam aber sicher die Luft abzuschnüren.

Vor den Füßen der Beiden rappelte sich Skyler auf die Ellbogen. Kleine Blutstropfen fielen auf den Läufer.

Ich merkte sehr wohl wie in meinem Kopf die Sicherung herausflog, doch ich hatte nicht den geringsten Antrieb es zu unterdrücken. Alles, was ich spürte, war eine sengende und brennende Wut. Auf Claude. Und die kleine Mistratte stand auch noch genau vor mir.

Meine Sense erschien wieder in meiner Hand, als ich hoch sprang und sie in der Schulter des dämonischen Butlers versenkte. Erst als ich ihn traf, schien Claude zu realisieren, dass wir angekommen waren. Überrumpelt ließ er Amy los und das Mädchen taumelte hustend zu Boden.

Faustus Cinematic Record erschien im selben Moment, in dem der Butler der Trancys den Fuß des Butlers der Phantomhives mit einer Menge Schwung genau auf die Nase bekam.

Er taumelte, wollte zurückweichen, doch meine in seine Schulter geharkte Sense hielt ihn davon ab.

Mit einem Ruck zog ich ihn wieder zu uns.

Synchron und in einer perfekten Harmonie schlugen der Butler und ich ihm unsere Fäuste ins Gesicht.

Der zweite Dämon flog durch den Flur und knallte bei der nächsten Biegung gegen die Wand.

„Was willst du hier?“, keifte Sebastian unangetan von dem wiederholten Auftauchen seines Erzfeindes.

„Diese dumme Göre, wie konnte sie nur!“, fauchte Claude leise.

Ich lachte durch die geschlossenen Lippen. Sebastian schaute mich kurz mit einem zwiegespaltenen Gesichtsausdruck an, als ich die Stimme erhob. Er wusste, dass auf diesen Tonfall nie etwas Gutes folgte: „Welche Göre konnte was, Dämon?“

Claude stellte sich wieder auf die Füße: „Eure Fragen werde ich ganz sicher nicht beantworten!“

„Gut“, machte ich und justierte meinen Griff an meiner Death Scythe: „Dann bist du zu nichts zu gebrauchen. Eigentlich ist was genau du vorhattest auch egal. Hehe!“

Mit einem Satz wollte ich dem zweiten Dämon weiter zusetzten. Auch Sebastian war wieder mit von der Partie. Doch ein weißer Schwall unterbrach uns aus heiterem Himmel.

Ich hatte das Gefühl tausend kleine Messer bohrten sich in meinen Körper und einer erwischte mich scharf am linken Wangenknochen.

Die unerwartete Wucht holte uns zwar aus der Luft, doch wir konnten sicher landen.

„Was zur...!“, fauchte ich mehr als nur gereizt und zupfte eins der kleinen Messer aus meinem Oberkörper. Ich hielt nur kein Messer in der Hand. Sondern eine reinweiße, mit meinem Blut besprenkelte Feder.

Ich schaute Sebastian an. Sebastian schaut mindestens ebenso verwirrt zurück zu mir: „Ist das...?“

Ich nickte verwundert: „In der Tat. Eine Engelsfeder.“

Wir schauten zurück zu der Wand, in der Claude gelandet war. Sie war eingedrückt, aber der andere Butler war verschwunden.

„Was zur Hölle tut ein Engel hier?“, fragte Sebastian was auch mir auf der Seele brannte: „Und warum rettet er einen Dämon?“

„Ehehehehe! Frage mich etwas Leichteres“, gab ich lachend zurück. Diese unerwartete und äußerst paradoxe Wendung versprach doch eine Menge Spaß und Aufregung für die Zukunft.

„Was auch immer du jetzt lustig findest, Undertaker“, gab Sebastian trocken zurück.

„Sky!“, hörte ich auf einmal Amys Stimme von hinter uns.

Die Verwunderung hatte mich für einen Moment vergessen lassen, warum ich hierher geeilt war.

Ich wirbelte herum und sah Amy ihre Freundin am Boden schütteln: „Wach doch auf!“

Ich verzog den Mund im Aufwallen eines weiteren Stoßes heißer Wut. Claude sollte sich gut vor dunklen Gassen in Acht nehmen. Jetzt und für den Rest seiner Tage. Denn abgegolten wird das, was er heute getan hat, nie sein.

Ein dünnes Blutrinnsal schlängelte sich von Skylers Schläfe in das zur Seite gekippte Gesicht und von einer Wunde unter ihrem Schlüsselbein über ihre Schulter. Unter ihrem Schlüsselbein steckte ein goldenes Messer.

Der Anblick ihres Blutes vertrieb die sengende Wut mit einer brennenden Sorge.

Ich lief zu den Mädchen und ging auf die Knie.

„Sky?“, hielt ich ihr meine Finger an den Hals. Ihr Puls klopfte regelmäßig und beständig gegen meine Fingerkuppen. Ihre Brust hob sich sachte unter ihren Atemzügen, doch sie antwortete nicht. Sie war wohl ohnmächtig.

„Amy?“, drückte ich zwei Finger neben das Messer auf Skylers Haut und zog es vorsichtig heraus: „Was ist passiert?“

„Ich... ich weiß nicht!“, begann die Phantomhive aufgeregt: „Wir kamen aus dem Bad und wollten zu euch. Sky hat sich... immer wieder umgedreht und meinte sie litt unter Paranoia! Irgendwann schubste sie mich gegen die Wand und Claude preschte an uns vorbei! Ich hatte keine Ahnung..., dass er da war! Er war nicht zu hören und nicht zu sehen! Doch... Sky wusste irgendwie..., dass er da war! Er packte mich und bewarf Sky mit diesem... Ding! Sie hat gerufen und geschrien, da hat er ihr gegen den Kopf getreten und in den Bauch! Ich hab versucht los zu kommen, aber ich hab es nicht geschafft!“, ein paar Tränen rollten über Amys Gesicht.

Ich legte ihr eine Hand auf die Schulter.

Was Amy erzählte war doch sehr interessant. Woher konnte Skyler gewusst haben, dass Claude da war? Er trug doch einen 'Fessless Stone' bei sich, der seine Präsenz verschluckte. Keiner von uns hätte sagen können, wo er war und wo nicht. Skyler war doch nur ein ganz normaler Mensch: '...Oder?'

„Ruhig Amy“, lächelte ich ihr entgegen: „Ist dir etwas passiert?“

Sie schüttelte hastig den Kopf: „Nein! Nein, mir geht es gut!“

Mittlerweile hatte sich Sebastian zu uns herunter gebeugt und einen erste Hilfe Kasten in der Hand: „Nur die Ruhe, Mylady. Hauptsache euch ist nichts passiert“, sagte er und beschaute kurz die Wunden der Brünetten.

Amys Stimme fuhr empört nach oben: „Bitte? Und was ist mit Sky?! Ist das total egal oder was?!“

„Euer leibliches Wohl hat für mich Vorrang, Mylady. Des Weiteren hat Claude bei eurer Freundin nichts angerichtet, was lebensgefährlich wäre“, konterte der Dämon: „Sie wird ein wenig Kopfschmerzen haben, doch bald wieder aufwachen.“

Der Dämon zog Nadel und Faden aus dem Kasten. Sein Gesicht wanderte zu mir: „Würdest du mir eine helfende Hand reichen?“

„Natürlich. Tehe!“

Amy schaute etwas verstört zu, wie ich die Haut an der Brustverletzung zusammenschob und Sebastian sie mit ein paar Stichen nähte. Dasselbe an ihrem Arm. Mit meinem Taschentuch rubbelte ich behutsam das Blut aus Skylers sauberen Gesicht und ihrer Schulterpartie.

Sebastian klebte ein Pflaster auf die Wunden: „Claude hätte sie leicht töten können. Warum hat er es nicht getan?“

Ich schüttelte nur den Kopf und nahm die ohnmächtige junge Frau auf den Arm: „Schrei es bitte nicht herbei, Butler. Thehehe. 15 Tote sind ein guter Schnitt für einen Tag, denkst du nicht?“

„Habt ihr Beiden sie noch alle?!“, fuhr Amy hoch: „Es kann doch nicht sein, dass jedes Mal wenn Skyler mich besuchen kommt, sie ohnmächtig im Krankenbett endet! Oh! Ich fahr noch eigenhändig zu der Villa Trancy und drehe Oliver sein erbärmliches Makkaronihälschen um! Dieser kleine, kranke Spinner! Diese verdammte, kleine Made! Dieser...!“

Sebastian hob die Hand: „Diese Gossensprache geziemt sich nicht für eine Dame, Mylady! Unterlasst es! Unverzüglich!“

Amys Unterlippe bebte vor Wut.

„Trotz allem hat sie Recht“, gab ich der jungen Phantomhive Schützenhilfe: „In zwei Monaten dreimal kalt erwischt zu werden und davon zweimal am selben Abend wird peinlich. Findest du nicht, Butler? Tehehehe!“

Sebastians Mund wurde zu einem schmalen Streifen.

„Ich werden den Earl unterrichten“, sagte der Butler und übersprang meine bissige Bemerkung: „Ich kann doch die junge Miss Rosewell guten Gewissens in deinen Händen lassen oder ist sie dafür noch nicht kalt genug?“

Ich lachte: „Ihihihihi! Achte auf deine spitze Zunge bevor sie dir einer abbeißt, Dämon. Achte darüber hinaus, dass es nicht du selber bist, wenn du ein weiteres Mal über Claudes Füße stolperst. Ehehehehehe!“

Der Dämon warf mir einen vernichtenden Blick zu.

„Kommt, Mylady. Ihr müsst euren Vater euer kleines Abenteuer erklären“, sprach er schließlich gezwungen ruhig. Amy schaute über die Schulter und sah mich leidend an, als sie sich gezwungenermaßen aufmachte Sebastian zu folgen.

Ich lächelte ihr zu: „Ich passe auf sie auf.“

Amy nickte, hauchte mir ein stummes: „Danke“ entgegen und verschwand mit dem Butler um die Ecke.

Ich brachte Sky in das Gästezimmer, welches sie schon letztes Mal zugeteilt bekommen hatte.

Nachdem ich ihr die Schuhe ausgezogen hatte, deckte ich das junge Ding zu.

„Es tut mir leid...“, seufzte ich geschlagen. Ich hätte besser auf sie achten müssen. Ich hätte dafür sorgen müssen, dass ihr so etwas nicht passierte. Das schlechte Gewissen entfachte ein schweres Bedauern in meinem Herzen, als ich der schlafenden Schönheit ein paar Strähnen aus dem Gesicht wischte.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  McTachi
2016-12-19T08:15:34+00:00 19.12.2016 09:15
Ich bin immer wieder erstaunt über die Länge der Kapitel :D
Naw fast ein Kuss :D hoffentlich klappt's beim nächsten Versuch und sie werden nicht wieder unterbrochen xD
Interessant das Sky sowohl die Records sehen als auch Claude spüren kann, was zur Hölle ist sie also? xD
Vielleicht hat Claude sie nicht getötet gerade weil sie ihn bemerkt hat.
Ich lass mich überraschen was als nächstes passiert und freue mich schon auf die nächsten Kapitel
GLG McTachi


Zurück