Zum Inhalt der Seite

Tears and Laughter

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Von Dämonen, Menschen und Sensenmännern


 

Sky
 

Es pochte.

Meine Schläfe pochte ganz furchtbar.

Nur langsam krochen so etwas wie Gedanken in die große Leere in meinem Kopf.

Wo auch immer ich war, es war warm und weich. Gemütlich. Wäre der klopfende Schmerz nicht, der durch meine Stirn knisterte. Ein leises Stöhnen fuhr aus meinen geschlossenen Lippen, als ich mit immer noch geschlossenen Augen die puckernde Stelle an meinem Kopf befühlte. Ich fühlte so etwas wie Stoff anstatt meiner Haut. Zögerlich fuhr ich mit den Fingern ein weiteres Mal darüber. Es war... ein Pflaster. Was machte es dort? Warum war es da? Wo... war ich?

Mit der ersten Regung meiner Kognition fiel ein schwacher, orangener Schein durch meine geschlossenen Lider. Vollkommen unvorbereitet schickte der Schein eine Erinnerungen durch meinen lädierten Kopf: 'UNDERTAKER!'

Ich sah den Totengräber vor meinem inneren Auge in einer Feuersalve untergehen und riss mit einem verkrampften Einatmen die Lider auf. Ich schnellte in den Sitz und atmete schwer, hart getroffen von meinen Erinnerungen. Denn sie kamen mit einem Mal alle wieder.

Ich keuchte.

Meine wirren, aufgewirbelten Gedanken schickten mir ein Knistern nach dem anderen die Wirbelsäule hinunter. Einem mit jeder so surrealen Erinnerung.

Große Hunde. Feuer. Schreie. Blut. Undertaker, Ronald, Grell, William und Sebastian... Sie hatten... gekämpft.... Und uns das Leben gerettet.

Ich hielt mir meinen pochenden und vollkommen überstrapazierten Kopf. Das war doch alles nicht wirklich passiert... Ich muss geträumt haben. Doch unwillkürlich fiel mein Blick auf meinen linken Arm und dem Pflaster darauf. Dem Pflaster auf dem Schnitt, den ich aus dem Ballsaal zurückbehalten hatte. Ich fuhr kurz mit meiner Handfläche darüber. Es knisterte unterschwellig schmerzhaft.

'War das alles wahr?... Wirklich passiert?... Aber...Wie?'

Mein Blick flog durch den Raum. Ich kannte ihn. Das letzte Mal, als ich die Phantomhives besuchte, war ich auch hier aufgewacht. Ich hoffte inständig, dass es nicht zur Tradition wurde. Von schräg hinter mir fiel mir weiter dieser orangene Schein ins Auge.

Ich drehte meinen Kopf zu ihm und stockte verwundert, als ich ein paar Mal blinzelte um sicher zu gehen, dass ich richtig sah. Der Schein gehörte zu einer großen Kerze auf einem filigranen, gusseisernen Ständer. Sie stand auf der dunklen Kommode neben dem dunklen Nachttisch. Neben der Kerze stand eine kleine, leere Teetasse mit blauem floralem Muster und einem einsamen, nassen Teebeutel auf der Untertasse. Vor der Kommode stand ein alter Ohrensessel aus braunem Leder.

Der große silberhaarige Mann darin hatte die Beine überschlagen und eine Hand lag locker in seinem Schoss. Darin ein aufgeschlagenes Buch. Die Seiten raschelten leise unter der sich sachte hebenden Brust. Den zerstörten Herrenrock hatte er abgelegt und trug ein schlichtes weißes Hemd. Sein Kopf lehnte gegen eine der Kopfstützen und auf seiner zweiten Hand, sodass der lange Pony seitlich aus seinem Gesicht fiel. Dunkle Schatten zeichneten seine geschlossenen Augen hinter der silbernen Brille und das blasse, vernarbte Gesicht wirkte unsagbar müde und unschuldig bis in den letzten glatten Zug. Über die Lehne des Sessels hing sein langer Mantel.

Schlafend wie er da saß, wirkte Undertaker unendlich erschöpft.

Ich hatte den ganzen Abend über gedacht, die dunklen Schatten unter seinen Augen wären Make up gewesen, doch nun war ich eines besseren belehrt. Denn der Totengräber hatte sich definitiv abgeschminkt. Trotz allem strahlte dieser Anblick eine gewisse Art von Frieden aus. So ruhig und entspannt wirkte er in seinem Sessel.

Ich schob die Decke zur Seite, schwang die Beine aus dem Bett und legte den Kopf schief, als ich weiter die schlafende Gestalt des Bestatters musterte.

Er saß da. Treu und geduldig wie ein Hund, der Wache hält. Hatte er die ganze Zeit dort gesessen? Hatte er vielleicht sogar Bettwache gehalten?

Aus irgendeinem Grund fühlte ich mich unendlich sicher in seiner Gegenwart. Immer wenn ich seine Hilfe brauchte war er zur Stelle, als würde er mich nie wirklich aus den strahlend grünen Augen lassen.

Doch... wer war er wirklich?

Er war mehr als der schräge Vogel für den ich ihn immer gehalten hatte. Er war charakterlich mehr als das und aufgrund der neusten Ereignisse, auch auf eine ganz andere Art und Weise, die ich mir nur nicht erklären konnte.

Mein Blick fiel auf einen Kratzer, der sich über seinen kompletten linken Wangenknochen zog. Wo kam der denn her? Ich erinnerte mich genau, dass er vollkommen unverletzt gewesen war, als ich ihn das letzte Mal gesehen hatte. Leise stand ich auf und legte meine Hand auf seine Wange. Ich strich mit dem Daumen sanft über die kleine Schramme, die so fehl am Platz aus seinem schönen Gesicht leuchtete.

„Dir ist also doch etwas passiert...“, seufzte ich schwer und leise, als ich ihm mit dem Daumen gedankenverloren über seine kalte Wange strich: „Ich wollte doch nicht, dass dir etwas passiert...“

Ich ließ die Hand hinunterfallen und den Kopf ein Stück hängen. Er muss sich die Schramme abgeholt haben, als er Amy und mich vor Claude gerettet hatte. Denn aus dem Ballsaal hatte er die Blessur nicht. Ich erinnerte mich des Weiteren genau, dass ich seine Haare gesehen hatte, bevor alles schwarz wurde. Sie waren unverwechselbar. Definitiv ein Markenzeichen. Das hieß auch, dass ich indirekt an der Wunde schuld war. Amy war zwar in der Bredouille gewesen, aber sie war im Gegensatz zu mir nicht ohnmächtig geworden. Wache Mädchen konnten wenigstens weg laufen. Ohnmächtige nicht. Ich wischte Undertaker behutsam ein paar der im Kerzenschein schimmernden Haarsträhnen aus dem Gesicht: „Es tut mir leid... Es tut mir so leid. Ich muss eine echte Plage sein...“

„Wie kommst du denn auf diesen vollkommen unsinnigen Gedanken?“, zog sich der eben noch entspannte Mund zu einem Grinsen. Doch seine Stimme kratzte verschlafen.

Ich zuckte erschrocken zusammen. Meine Hand und mein Oberkörper wollten zurück zucken, als der Bestatter die leuchtend grünen Augen aufschlug: „Du bist wach?“

Doch seine Hand schnappte mein Handgelenk, bevor ich meine Hand zurückziehen und mich aufrichten konnte. Er zog daran. Reichlich überrascht kippte ich nach vorne. Ich hörte das Rascheln von Papier, als mich etwas halb drehte und ich auf etwas Weichem zum Sitzen kam.

„Jetzt ja. Tehe“, streckte er mir seine Nase in Gesicht, als ich auf seinen Beinen gelandet war und grinste breit.

Ich blinzelte ihm ein paar Mal überrascht entgegen und merkte die Hitze meine Wagen hoch kriechen.

„Ich“, senkte ich den Kopf und wusste nicht so ganz wie ich mit der Situation umgehen sollte: „Wollte dich nicht wecken... tut mir leid...“

Er reckte seinen Rücken und die langen Arme ausgiebig. Es knackte mehrere Male ganz ungesund. Ich blinzelte zu ihm hoch. In der Linken hielt er das alte Buch, was in seinem Schoss gelegen hatte. Im seichten Kerzenlicht schimmerten die silbernen Lettern 'Krabat' auf dem Buchrücken auf. Dann fielen sie hinunter und das Buch landete in meinem Schoss, als der Totengräber seine Arme locker um meine Hüfte fallen ließ. Ich merkte zwar wie rot ich war und mein Herz hämmerte wieder förmlich gegen meine Rippen, doch ich... wollte nicht aufstehen. Ich fühlte mich wohl, da wo ich jetzt war. Auf seinem Schoss. In seinem Arm. Warum?

„Ach, wie wo“, grinste er mich weiter und noch nicht ganz wach an: „Geht es dir gut?“

Ich nickte eifrig mit meinem hängenden Kopf: „Ja, ja. Mir... ich hab nur ein bisschen Kopfschmerzen... Es tut mir leid...“

„Was denn?“, fragte der Totengräber immer noch mit schlafschwerer Stimme.

„Naja... dass ich... mal wieder... einfach... umgefallen bin...“, schaute ich kleinlaut weg.

Zwei Finger erschienen unter meinem Kinn und hoben meinen Kopf soweit an, dass ich dem Bestatter ins Gesicht schauen musste.

Seine geschwungenen Lippen und die unterränderten Augen lächelten mir warm entgegen: „Du bist aber schon ein bisschen bekloppt, oder? Dass du 'mal wieder einfach umgefallen' bist? Du hast eine Menge ausgehalten. Du bist der Grund warum Amy nichts passiert ist.“

„Ich bin... was?“

„Ich hab dich rufen hören“, lächelte der Bestatter mir entgegen, ohne die Finger von meinem Kinn zunehmen: „Ohne dich hätten wir nicht mitbekommen, dass Claude Amy gehascht hat.“

„Du hast... du hast mich rufen hören? Aber ihr wart doch im... im Südflügel.“

Der Bestatter lachte seicht, aber ein wenig heiser: „Ich könnte am anderen Ende der Welt sein. Ich würde dich immer rufen hören.“

Ein komisches warmes Gefühl flackerte in meiner Brust und ich konnte nicht verhindern, dass sich meine Lippen zu einem Lächeln verzogen. Anbei wischte es alle Gedanken aus meinem Kopf und ließ meine Wangen mal wieder heißer werden.

„Das ist... süß von dir“, sagte ich schließlich, als meinem blank geputzten Gehirn einfach nichts Besseres einfiel.

Das Lächeln des Totengräbers wurde kurz ein wenig weiter, dann fiel es ein größeres Stück zusammen: „Außerdem muss ich mich entschuldigen.“

„Wofür?“

Er nahm die Finger von meinem Kinn und fuhr mir an der unterschwellig immer noch pochenden Stelle an meinem Kopf durch die Haare. Mein Herz wurde noch schneller als es eh schon war und Schwindel zog in meinen angeschlagenen Kopf.

„Deswegen“, sprach er leise und irgendwie traurig: „Trotz allem war ich zu spät und du bist verletzt.“

„Hast du sie noch alle?“, entfuhr es mir in vollkommenem Unverständnis: „Du rettest mir am laufenden Band das Leben und entschuldigst dich?“

Nichts in mir zweifelte daran, dass Claude mich getötet hätte. Wahrscheinlich hatte Undertaker mal wieder das Schlimmste verhindert.

„Das hätte nicht passieren dürfen“, entgegnete er ernst und ohne zu lächeln: „Des Weiteren wurde dir deine Geburtstagsfeier gesprengt. Ich wollte eigentlich dafür sorgen, dass sie besser wird als die anderen.“

Dieser Ausdruck schickte ein komisches Surren durch mein Herz und meinen Magen und ich musste schlucken.

„Ach Quatsch! Es geht mir doch gut! Das wird schnell wieder verheilt sein und des Weiteren“, machte ich, als ich mich gefangen hatte: „War das nicht meine Geburtstagsfeier! Es war nur zufällig am selben Tag und deine Schuld war das ganz sicher nicht!“

Undertaker lachte, doch war es viel zu leise: „Du kennst Amy und denkst das wirklich?“

„Aber... Alex meinte...“

„Alex ist ein verdammt guter Lügner. Wie die ganze Bande. Sie wussten alle Bescheid. Wir wollten, dass du eine schöne Feier hast, doch leider... kam uns da etwas in die Quere...“, seufzte der Bestatter schon fast resigniert und schlug die Augen nieder. Ein kalter Schauer rieselte bei diesem Geräusch und dem dazu gehörigen Gesichtsausdruck durch meinen Rücken. Das sah so falsch aus...

„Trotz allem! War das die beste Geburtstagsfeier meines Lebens! Ich hatte so viel Spaß! Und das zum größten Teil dank dir!“, lachte ich und lächelte schief, als der Totengräber mir wieder ins Gesicht schaute: „Ich danke dir, Undertaker!“

Sein Lächeln kehrte wieder zurück und etwas flatterte und hüpfte durch meinen Magen, als dieses Lächeln einen Erfolgsmoment sondergleichen für mich einläutete: 'Yiepi! Njaaaaa! Er lacht wieder!'

Ich stockte aufgrund der Stimme in meinem Kopf. Doch Undertaker unterbrach mein Denken, bevor ich mich weiter hinterfragen konnte.

„Doch nicht dafür“, lächelte er breit und legte mir die Hand auf die Wange. Sanft strich sein kalter Daumen über meine viel zu warme Haut. Diese Berührung ließ mich kurz angenehm schaudern.

„Oh doch! Aber...“, ich legte den Kopf schief und zeigte auf sein Gesicht: „Was ist mit deiner Wange passiert?“

Er lachte und wackelte ein wenig mit dem Kopf: „Hehe. Denk nicht darüber nach. Das ist nun wirklich nichts Gravierendes.“

„Das war Claude, oder?“

„Nein“, schüttelte er den Kopf und seufzte: „Das war nicht Claude.“

„Bitte?“, ich blinzelte ihn mit großen Augen an: „Wer dann?“

Seine Hand fiel herunter. Undertaker seufzte wieder. Er seufzte fast nie, weshalb es mich ein wenig verstörte, dass er es nun zweimal hintereinander tat: „Das... ist nicht ganz einfach erklärt.“

Ich schüttelte den Kopf und schaute auf das Buch in meinem Schoss: „Weil du mir erst erklären müsstest was gestern im Ballsaal passiert ist, oder?“

„Ja“, antwortete er immer noch viel ernster als ich von ihm gewohnt war.

Ein Schaudern fuhr durch meine Glieder, als ich an das Ende des Abends dachte. Panik gluckerte in meinem Bauch auf, während mir die Gestalt dieser grausigen Hunde wieder in den Kopf stieg. Ich schlang unwillkürlich meine Arme um meinen rebellierenden Magen. Undertakers Hand ließ das Buch los. Dann drückte er mich fest an sich: „Es tut mir leid, meine schöne Puppe. Du hättest das nicht sehen sollen.“

Ich legte meinen Kopf gegen seine Schulter und schüttelte den Kopf: „Auch das war nicht deine Schuld. Wärst du nicht da gewesen, wäre ich jetzt nicht mehr da.“

„Das würde ich nie zulassen.“

Mir wurde bewusst, dass ich das schon wusste. Mir war unterschwellig immer klar gewesen, dass Undertaker auf mich aufpasste, seit ich ihm das erste Mal wirklich begegnet war und er mich aus dem Brunnen gehoben hatte. Des Weiteren wusste ich seitdem, dass dieser Angriff nur die Spitze des Eisbergs war. Die Trancys, oder wie auch immer die Familie um Claude noch mal hieß, fingen gerade erst an.

Undertaker fuhr mir durch die Haare: „Worüber denkst du nach?“

„Über Gestern“, seufzte ich: „Ich versteh das alles nicht. Aber ich habe das Gefühl... Es war erst der Anfang...“

Ich merkte wie Undertaker mit dem Kopf schüttelte: „Diese Fehde zieht sich schon über Generationen. Oliver fängt gerade erst an. Doch die Trancys, die versuchen schon seit Jahren die Phantomhives auszuschalten.“

Meine Füße wippten. Ich merkte wie ich unruhig wurde.

„Wirst du es mir erklären?“, fragte ich mit zittriger Stimme: „Alles? Über die Trancys und die Phantomhives? Über die Hunde? Über... über dich?“

Jetzt merkte ich wie er nickte: „Wenn du das wirklich wissen willst.“

Ich hob den Kopf und schaute ihm ins Gesicht: „Ja. Ich will das wissen.“

„Dann bleibt noch die Frage, ob du mir das alles auch glauben wirst.“

Ich lachte leise: „Undertaker. Ich wurde von riesigen, Feuer spuckenden Hunden angegriffen. Die haben dich nebenbei auch eigentlich geröstet und du müsstest tot und gut durch sein. Es gibt, glaube ich, nicht mehr viel was ich nicht glaube.“

„Nun gut“, Undertaker legte den Kopf schief und musterte mich: „Dann stell mir Fragen und ich antworte dir.“

„Warum so plötzlich?“, meine Füße wippten heftiger und die Unruhe in mir schlug in eine seichte Übelkeit um, jetzt wo ich der Wahrheit näher kam. Jetzt, wo die ganzen vielen Fragen von gestern Abend beantwortet werden sollten.

„Ich hab jetzt die Erlaubnis dazu.“

'Erlaubnis?', fragte ich mich stumm. Der Bestatter war nun wirklich niemand, der sich einfach so etwas vorschreiben ließ: „Von... wem?“

„Alexander.“

„Amys Vater?“, meine Verwirrung wurde nicht kleiner. Warum konnte Amys Vater ihm etwas vorschreiben?

„Genau.“

„Aber... aber...“, ich wedelte kurz mit den Händen, fuhr mir durch die Haare und stand dann doch auf. Meine Beine standen unter einer ganz komischen Anspannung, als die vielen Szenen, die vielen Hunde, das viele Blut, die vielen Toten in meinem Kopf auf und ab geisterten. Und auch die seltsamen Waffen, mit denen die 5 Männer unser liebes Leben verteidigt hatten.

„Ist... alles in Ordnung?“, fragte Undertaker fast zögerlich.

Ich schüttelte mit dem Kopf, als ich im Zimmer auf und ab wanderte: „Ich... Ich weiß nicht... Ich... versteh das alles einfach nicht und... bin nervös... unruhig... ich kann gerade einfach nicht sitzen.“

Undertaker stand auf, legte das Buch mit einem leisen Geräusch auf die Kommode und hielt mich an den Schultern fest.

„Frische Luft?“, lächelte er mich aufmunternd mit schief gelegtem Kopf an.

Ich nickte: „Das ist vielleicht... keine schlechte Idee...“

„Was hältst du von einem nachmitternächtlichen Spaziergang im Garten? Er hat viele schöne Ecken.“

Ich blinzelte zu ihm hoch: „Wie spät ist es?“

„Drei Uhr früh“, grinste er.

„Oh“, machte ich. Der Bestatter sah mit seinen Schatten unter den Augen immer noch reichlich müde aus: „Bist du... nicht müde?“

Er lachte auf: „Nehehehe! Ich brauche nicht so viel Schlaf.“

„Du siehst zumindest nicht so aus, als hättest du davon in letzter Zeit viel gehabt...“

„Das stimmt“, grinste er weiter: „Doch das ist gerade nicht wirklich wichtig, oder?“

„Für mich schon“, konterte ich: „Im Moment siehst du aus wie die Leute, um die du dich kümmerst.“

„Naja“, lachte er auf: „Wenn ich nach dem gehe, was ich sonst alles zu hören kriege, sehe ich ihnen generell recht ähnlich. Tihihihi.“

Meine Augenbraue wanderte nach oben. Sein Finger auch. Ich räusperte mich und er ließ den Finger mit einem enttäuschten Ausdruck wieder sinken.

„Warum?“, fragte ich schließlich. Warum der Totengräber so müde wirkte interessierte mich mindestens genauso sehr, wie die Geschichte hinter gestern Abend.

„Hehe. Interessiert dich das gerade wirklich?“, lachte er mir entgegen: „Ist das gerade wirklich, was du fragen möchtest?“

„Ja“, ich legte den Kopf schief, während ich ihm in das grinsende Gesicht schaute: „Habe ich nicht die Zeit beides zu fragen? Du läufst mir ja nicht weg...“, ich stockte, als eine Minipanikattacke mein Herz mit klammen Fingern griff. Schlagartig wurde mir bewusst, dass mir in meinem Leben ohne den morbiden Bestatter etwas fehlen würde. Egal was die Geschichte hinter gestern Abend war. Ich würde es unendlich vermissen bei ihm und Merkenau vorbei zu schauen. Mein Leben wäre wirklich einfach... langweilig und ich hätte viel weniger zu tun und vor allen Dingen zu lachen.

„...Oder?“, vollendete ich schließlich den Satz, nachdem mich die kalte Hand an meinem Herzen wieder atmen ließ.

Undertakers Lächeln wurde breiter und wärmer, als er mir ein weiteres Mal die kalten Hand an die Wange legte: „Natürlich hast du das! Und natürlich tue ich das nicht!“

Ich seufzte und schaute nach unten: „Naja... so natürlich ist das gar nicht.“

Schließlich waren schon viele Menschen in meinem Leben einfach weggegangen.

„Für mich schon“, antwortete der Totengräber und weckte mich so aus ein paar schlechten Erinnerungen.

Ich lächelte ihn dünner an, als ich wollte. Was er sagte wirkte ehrlich, doch meine Erinnerungen hallten in meinem Lächeln nach, dass sah ich an dem Blick mit dem mich der Bestatter musterte. Es war der Blick, den er immer aufsetzte, wenn mein Lächeln ihn nicht überzeugte. Er sagte nichts mehr dazu, aber ich sah ihm sein Missfallen immer deutlich an.

Seine Hand verschwand von meinem Gesicht und er bückte sich. Ich wollte gerade fragen, was er da tat, da hatte ich schon meine Schuhe vor meiner Nase baumeln: „Sollen wir?“

Ich nickte und bemühte mich um ein besseres Lächeln, als ich ihm meine Schuhe aus der Hand nahm. Er seufzte, woran ich erkannte, dass meine Bemühungen vergebens waren.

Ich schlüpfte in die unsäglich hohen Schuhe und Undertaker nahm seinen Mantel von der Stuhllehne.

Er hielt mir den Ellbogen hin. Mittlerweile verstand ich diesen Wink und harkte mich bei ihm ein.

Wir schlenderten durch die ruhigen Flure. Die Villa Phantomhive schlief noch.

„Also“, sagte ich leise, als Undertaker mich zum Garten führte. Alleine würde ich mich in der riesigen Villa vermutlich hoffnungslos verlaufen: „Warum bist du so müde?“

Er lachte: „Tihi. Ich bin nicht müde.“

Ich zog wieder die Augenbraue hoch: „Aha? Deshalb auch die Augenringe. Weil du nicht müde bist.“

Er lachte wieder: „Nur weil ich nicht so viel geschlafen habe, heißt es nicht ich sei müde.“

„Aber... warum hast du so wenig geschlafen?“

„Nun ja“, begann er immer noch grinsend und ohne mich anzuschauen: „Ich hatte die letzten Tage öfter Besuch, weswegen ich meine Arbeit zu etwas unüblicheren Zeiten vollrichten musste.“

Ich blieb stehen und blinzelte ihn an. Er drehte fragend den Kopf zu mir, als er ebenfalls einen Schritt nach mir stehen blieb.

„We... Wegen mir? Warum... hast du nichts gesagt?! Dann hätte ich dich in Ruhe gelassen!“

Ich wollte doch nicht, dass Undertaker sich wegen mir die Nächte um die Ohren schlug, weil er sonst seine Arbeit nicht fertig bekam.

Doch Undertaker lachte mich an: „Genau das hatte ich befürchtet und deswegen geschwiegen. Hehe.“

Meine Verwirrung wuchs wieder: „Wie... meinst du das?“

Er grinste mir zahnvoll entgegen. Mit diesem Grinsen wie es sonst nur Kinder hatten. Durch und durch ehrlich und so federleicht: „Ich habe dich gerne bei mir. Ich wollte nicht, dass du weg bleibst. Die letzten Tage waren mit die Besten des ganzen Jahres!“

Ich wurde wieder rot, als ich geschmeichelt lächeln musste: „Wirklich?“

Undertaker lachte leise und zog mich weiter durch die Flure: „Du weißt doch, ich lüge nicht. Auch nicht um jungen, schönen Mädchen ein Kompliment zu machen.“

Mein Rot wurde noch dunkler. Ich konnte mir irgendwie nicht vorstellen, dass mich der hochgewachsene Totengräber wirklich für schön hielt. Doch nachfragen konnte ich nicht. Etwas in mir wollte es glauben und hielt mich davon ab diese Illusion zu zerstören.

Undertaker öffnete eine große Glastür und kalter Wind schlug mir entgegen. Ich trug nur ein dünnes Kleid und fröstelte sofort als der Wind über meine nackten Arme strich.

„Ich muss noch mal zurück“, seufzte ich erkennend: „Ich habe meine Jacke vergessen...“

Doch der Leichengräber warf mir einfach seinen Mantel über die Schultern.

Ich schaute ihn an: „Und du?“

„Ich brauche ihn eigentlich gar nicht“, grinste er und wir taten den ersten Schritt in den Garten.

„Aber“, wollte ich rebellieren: „Du trägst doch nur ein Hemd! Frierst du nicht?“

„Nein“, lachte Undertaker: „Tihihihi! Und wenigstens ist es mehr als ein T-Shirt oder?“

Ich fühlte mich irgendwie ertappt und beschämt entschloss ich mich den Kampf aufzugeben. Mir flog unwillkürlich durch den Kopf, dass er vielleicht wirklich einfach nicht fror. Er zitterte nicht im Geringsten und wirkte von den Außentemperaturen vollkommen unbegeistert. Hatte das vielleicht mit gestern zu tun? Er war auf keinen Fall so ganz normal. Das war deutlich geworden. Also... noch deutlicher als vorher.

Ich seufzte, als mir der kalte Wind über das Gesicht strich.

„Nun“, machte Undertaker und wandte sein Grinsen zu mir: „Was willst du zuerst wissen?“

Ich wog den Kopf hin und her. Ich hatte so viele Fragen. Deswegen entschied ich mich mit dem Offensichtlichsten anzufangen: „Was waren das für Hunde... Viecher?“

„Teufelshunde“, antwortete er sofort: „Die Bewacher der Hölle.“

Ich blinzelte ihn an: „Hölle?“

Er nickte: „Ja, Hölle. Wird es jetzt schon schwer mir zu glauben? Tehehehe.“

Normalerweise hätte ich ja gesagt. Doch normalerweise spuckten Hunde auch kein Feuer: „Nein... Eigentlich noch nicht. Es klingt nur komisch. Doch... Wo kamen sie her?“

„Nun, aus der Hölle natürlich“, lachte Undertaker irgendwie schelmisch: „Aber um genauer zu sein: Claude hat ein Tor zur Hölle vor den Fenstern des Ballsaals geöffnet und uns die Viecher auf den Hals gehetzt.“

„Claude? Wie?“

„Teufelshunde tun eigentlich nur wenig aus eigenem Antrieb. Sie sind stark, aber nicht sonderlich schlau. Wesen die stärker sind als sie, gehorchen sie aufs Wort. So auch Claude.“

„Wie? Wesen?“

Undertaker lachte, aber irgendwie anders als gewohnt: „Ah, ahehehehehe! Hier wird die Sache für dich erst richtig spannend. Claude ist kein Mensch.“

Ich blieb sofort stehen: „Wie? Kein Mensch?“

„Claude ist ein Dämon“, Undertaker drehte sich halb zu mir, betrachtete aber an mir vorbei den wolkenleeren Sternenhimmel. Er war voller leuchtender Punkte und sah herrlich aus. Doch ich hatte da gerade kein Auge für übrig. Claude soll ein Dämon sein? Hält Undertaker mich eigentlich für blöd?

„Das ist nicht der Zeitpunkt mich zu verarschen, Undertaker. Ehrlich jetzt: Was ist mit Claude?“

Undertaker wandte nun das Gesicht zu mir und grinste breiter: „Wie ich schon sagte: Claude ist ein Dämon.“

„Natüüüürlich“, erwiderte ich und zog meinen Arm aus seiner Armbeuge. Ich stemmte beide in die Hüften: „Und ich der Papst. Echt jetzt: Warum konnte er diese Dinger befehligen? Ist er ein... Hexer oder so?“

Undertaker lachte schon wieder: „Ahehehehehe! Nein. Er ist ein Dämon.“

„Verarsch' mich nicht!“

„Tue ich nicht!“, er verschränkte die Arme.

Ich zog eine Augenbraue hoch: „Du glaubst was du mir da erzählst, oder?“

„Ich habe dich noch nie belogen, warum sollte ich jetzt damit anfangen?“, Undertaker verzog den Mund ganz komisch: „Ich sagte dir doch, dass es schwer zu glauben wird. Und das alles ist gerade mal die Spitze des Eisbergs. Aber das du mir unterstellst ich würde dich belügen enttäuscht mich, kleine Sky.“

Das schlechte Gewissen traf mich mitten ins Gesicht. Ich ließ Kopf und Arme hängen: „Ich... wollte dir nicht unterstellen, dass du lügst...“

„Sondern?“

„Ich“, mein Kopf zuckte hoch: „Das klingt so... abstrus! Claude soll ein Dämon sein? Das muss ich erst mal schlucken.“

„Du solltest vorher gut kauen“, grinste Undertaker und tippte mir auf die Nase: „Wie gesagt, es folgt noch Einiges. Es sei denn du willst es nicht mehr wissen.“

„Doch!“, rief ich aus ohne zu überlegen.

„Dann musst du mir auch glauben was ich sage.“

Ich nickte beschämt: „Tue ich... Verzeih mir...“

Undertaker wuschelte mir durch die offenen Haare: „Ihihihihihi! Es gibt nichts zu verzeihen. Ich kann mir vorstellen wie das klingen muss.“

Ein weiteres Mal hielt er mir seinen Ellbogen hin. Trotz allem. Obwohl ich ihm nicht glauben wollte. Ich hatte ihn enttäuscht. Diese Erkenntnis war so schwer und zog meinen Magen hinunter, als ich auf seinen Ellbogen starrte. Er nahm behutsam meine Hand und harkte mich bei ihm ein, als ich es nicht selber tat. Genau wie damals, an dem Tag wo ich den Brief vom Jugendamt bekommen hatte. Wir gingen weiter.

„Du musst nicht so schauen“, grinste Undertaker den Weg entlang.

Ich seufzte: „Ich... wollte dich nicht enttäuschen...“

„Ach wie wo“, lachte Undertaker aufbauend: „So schnell enttäuscht man mich auch nicht. Weißt du schon alles was du wissen willst?“

„Nein“, begann ich schließlich, als die Fragen wieder in mir brannten: „Was will ein Dämon von den Phantomhives?“

„Nun, in erster Linie ihren Dämon umbringen“, erklärte er mir giggelnd.

„Bitte was?! Es gibt noch mehr?!“

„Sicher“, erwiderte er und lachte weiter, als er seine Worte mit einer runden Geste seiner Hand unterstrich: „Nehehehehehe! Die Hölle ist voll davon! Doch wir sollten uns auf die beschränken, die wir vor der Nase haben.“

Mein Gesichtszüge entgleisten: 'Ich bin im falschen Film...'

Ich blinzelte dem Bestatter nur minder intelligent entgegen, als ich die nächste Frage nicht über die Lippen brachte.

Als Undertaker das Gesicht zu mir wandte musste er kichern: „Tihihihi! Sebastian.“

„Sebastian?!“, mir klappte der Mund auf: „Aber aber aber...“

„Du wolltest mir doch glauben. Hehe.“

„Ja schon...“, sagte ich kleinlaut: „Nur wie?“

„Erinnere dich einfach wieder an die Feuer spuckenden Hunde. Kam dir Sebastians Art und Weise sich ihrer anzunehmen nicht irgendwie komisch vor?“

„Also“, stockte ich, als ich mich an den Butler erinnerte, der tatsächlich zu schnell, zu agil und zu stark für einen Menschen gewesen war. Ich musste für mich selbst erschrocken feststellen, dass die Aussicht Sebastian sei ein Dämon einiges ziemlich gut erklärte: „... Schon...“

Allerdings wurde mir auch klar, dass nicht nur Sebastian sich zu gut geschlagen hatte.

„Um ehrlich zu sein“, fuhr Undertaker fort: „Von den 12 Leuten, die sich hier regelmäßig versammeln, sind nur 7 wirklich menschlich.“

Mein Herz sackte ein Stück ab, als ich in sein Gesicht schaute und sah, dass sein Grinsen fehlte. Er musterte mich ernst und irgendwie... traurig?

Undertaker nahm mich an den Schultern, als er merkte wie schockiert ich war: „Grell, Ronald, William und ich...“

Ich schüttelte den Kopf und meine Augen wurden weiter.

'Nein!', rief etwas in meinem Kopf: 'Nein! Bitte! Bitte sei ein Mensch! Ein ganz komischer und unendlich sonderbarer Mensch, aber sei ein Mensch! Bitte!'

Ich wusste nicht warum mir das so wichtig war. Doch ich wollte unbedingt, dass Undertaker nur ein Sonderling war. Ein menschlicher Sonderling!

„...Sind keine Menschen, Sky.“

Mein Herz blieb stehen. Es wurde von irgendetwas durchbohrt und war in dem Moment gestorben, indem der Totengräber seinen Satz beendet hatte.

Aus irgendeinem Grund stiegen mir Tränen in die Augen.

„Was?“, hauchte ich fast tonlos und ich merkte wie das Blut aus meinem Gesicht und Fingern verschwand.

Undertaker schlug die Augen nieder: „Wir sind keine Menschen, Sky.“

„Aber...“, meine Stimme verschwand und ich starrte dem Totengräber ins Gesicht: 'Warum? Warum du?'

Ich schüttelte wieder den Kopf, immer noch unfähig zu glauben, dass der Mann vor mir kein Mensch sein soll: „Bitte...“

Undertaker legte mit zusammen gezogenen Augenbrauen den Kopf schief: „Bitte was?“

„Bitte sag mir... dass das einer deiner Scherze ist...“

Doch er schüttelte nur den Kopf.

Das sich Sebastian und Claude als Dämonen entpuppten war ja schon schwer zu glauben gewesen. Doch Undertaker? Ich hatte die letzten Tage so viel mit ihm zu tun gehabt. Ich hatte so viel Zeit mit ihm verbracht. Er war seltsam, ja, sehr seltsam. Aber ich hätte nicht für eine Sekunde vermutet er sei... so... seltsam. Nie hätte ich gedacht, er sei kein Mensch.

Mein Herz sackte immer tiefer. Ich war gefangen zwischen dem puren Unglauben und einem fast schon lähmenden Schock.

„Was“, brachte ich abgehackt hervor: „Sollt ihr denn dann sein?“

Undertaker hob die Augen wieder in mein Gesicht und schaute mir irgendwie unsagbar schwer in meine. Behutsam wischte sein Daumen mir die Tränen aus den Augen: „Willst du das wirklich wissen?“

Ich nickte. Sprechen konnte ich nicht. Der Schock schnürte mir die Kehle zu und ließ mich zittern. Ich schickte Stoßgebete in den Himmel, dass meine Beine standhaft blieben.

Ist der Totengräber auch ein Dämon? Ein dämonischer Totengräber? Das klang ja doch eher wie ein schlechter Witz.

Ein schweres Lächeln erschien auf seinen sonst so leichten Lippen und ich spürte seinen Griff an meinen Schultern ein bisschen fester werden: „Wir sind Sensenmänner.“

Mein Gesicht entgleiste endgültig.

Der neue Schock vertrieb den Alten und ließ mich meine Gedanken ungebremst heraussprudeln: „Bitte was?! Sensenmänner?! Wie... wie der Sensenmann nur halt... mehrere?!“

Undertaker nickte: „Wir existieren nur, um die Seelen der Sterbenden zu richten und ins nächste Reich zu überführen.“

„Was?!“, meine Gedanken kollabierten, bauten sich neu auf und brachen wieder ein: „Du... Du bist Bestatter?! Und ein Sensenmann?! Ein Sensenmann, der als Bestatter arbeitet?! Also... Du erwartest nicht wirklich, dass ich dir das glaube, oder?!“

Das war ja nicht mal mehr ein schlechter Scherz! Das war blanker Hohn!

Das wäre ja wie ein Engel, der als Papst kandidiert! Zu passend um nicht vollkommen abstrus zu sein.

Undertakers Hände verschwanden von meinen Schultern. Erst antwortete der Bestatter nicht, sondern steckte seine Hände in die Hosentaschen, drehte sich ein Stück von mir weg und schaute wieder in die vielen leuchtenden Punkte. Ich sah wie bedrückt seine leuchtend grüne Pupille durch einen Spalt seiner Haare den Sternen entgegen schaute.

„Ich kann dich nicht zwingen mir zu glauben“, sagte er schließlich nach einigen Minuten ohne mich anzuschauen: „Ich war ehrlich zu dir. Bis ins Letzte. Ungeachtet aller Konsequenzen, die das haben könnte.“

Meine Augen hingen an seiner Iris und das schlechte Gewissen verpasste mir ein weiteres Mal einen rücksichtslosen Leberhaken.

Mein Gehirn rekapitulierte alles was ich mit dem Bestatter schon erlebt hatte:

Seine überwältigende Ausstrahlung, die gelinde gesagt nur als unirdisch zu beschreiben ist. Seine hypnotisierenden grellgrünen Augen, die im Dunkeln zu leuchten beginnen. Seine Angewohnheit immer dann aufzutauchen, wenn man ihn braucht. Ungefragt und ungerufen. Diese vollkommen verschrobene Weltsicht, in einer Weise so unvergleichbar einfach, auf der anderen Seite so bitter ernst. Diese riesige Sense und der routinierte Umgang damit, erweitert um die Tatsache, dass es eine ziemliche Aufgabe darzustellen schien den Totengräber ernsthaft etwas anzutun.

Ich glaubte ihm. Gepeinigt von meinem schlechten Gewissen stellte ich fest, dass der Totengräber nie vor mir versteckt hatte, dass er kein Mensch war. Ich wollte nur nicht, dass es wahr war.

Ich griff Undertaker am Hemdärmel: „Es tut mir leid“, begann ich und schaute zu Boden: „Ich... glaube dir. Ich... wollte es nur nicht.“

„Warum?“, hörte ich seine dunkle Stimme.

„Weil...“, ich stockte und seufzte: „Das weiß ich nicht... Ich wollte einfach, dass du ein Mensch bist.“

Ich spürte eine Hand auf meinem hängenden Kopf: „Schau nicht so.“

Ich blinzelte zu ihm hoch. Undertaker lächelte mir wieder so herrlich warm entgegen. Mein schlechtes Gewissen machte diese Abwesenheit von Wut nur viel viel schlimmer: „Wieso lächelst du mich an?“

Undertaker blinzelte verwundert: „Warum sollte ich nicht?“

„Ich... habe dich eigentlich schon wieder als Lügner beschimpft...“

Er schloss die Augen, als er leise lachte: „Ich werde zwar nicht gerne als Lügner betitelt, aber ich bin alles andere als verständnislos. Wie gesagt: Ich kann mir vorstellen wie das alles klingt und“, der Bestatter stockte. Ich schaute ihn eindringlich an. Das hatte er noch nie getan. Er schaute des Weiteren schräg zur Boden und hatte ein weiteres Mal an diesem Abend sein Lächeln verloren.

„Und?“, ging ich einen halben Schritt auf ihn zu und schaute ihm von unten ins Gesicht.

Seine unmenschlich leuchtenden Augen wanderten langsam zu mir: „Und ich kann verstehen, wenn du mir jetzt... anders gegenüber stehst.“

Meine Augen wurden schmal: „Inwiefern?“

Das schmale Lächeln, was in seinem Gesicht erschien, wirkte so als sei es nur so klein, weil es zu schwer war um größer zu sein: „Nun ja. Die meisten Menschen reagieren wohl mit Rückzug, wenn sein Gegenüber zugibt er sei kein Mensch.“

Sein Gesichtsausdruck war furchtbar schwer und ziepte mir fast schmerzhaft in der Brust, als ein ganz mieses Gefühl in meinem Bauch aufwallte. Ich wollte nicht, dass er so schaute. Er sollte fröhlich sein. Das Tolle an ihm war doch, dass er immer fröhlich war, doch gerade... wirkte er gar nicht fröhlich, oder glücklich, oder belustigt. Ich hatte fast nicht gedacht, dass er so... traurig schauen konnte. So unendlich sorgenschwer und belastet.

Es machte Klick in meinem Kopf. Ich konnte fast nicht glauben was mir aufging und diskutierte einige Momente stumm mit mir selbst, ob ich denn richtig dachte: „Und... du denkst da ich jetzt weiß, dass du kein Mensch bist, will ich nichts mehr mit dir zu tun haben?“

Undertaker musterte mich kurz und nickte dann schlicht.

Warum machte ihm diese Aussicht so zu schaffen? Ich war doch nur ein schnödes Menschending, an dem nichts besonders war.

Dann legte ich dem großen Mann meine Hand auf die Schulter und grinste breit. Er munterte mich immer auf, doch jetzt war es mein Job ihn aufzumuntern. Weil eine Hand bekanntlich die andere wäscht und ich einfach nicht wollte, dass ihm etwas auf der Seele lag.

Undertakers Blick wirkte etwas desillusioniert, als ich ihn angrinste. Er öffnete den Mund um etwas zu sagen, oder seinem Gesichtsausdruck nach eher zu fragen, doch ich schnitt ihn ab.

„Also wirklich!“, machte ich gespielt empört und stemmte meine Fäuste in die Hüfte: „Was denkst du von mir?“

Undertaker blinzelte und ihm entfuhr ein kleines Lachen. Nur klein, aber immerhin: „Hehe. Prinzipiell nur das Beste. Aber warum fragst du?“

Ich hob einen Zeigefinger: „Für wie oberflächlich hältst du mich?“

Undertaker blinzelte wieder und wirkte etwas aus der Reserve gelockt: „Bitte?“

Ich ging vor ihm auf und ab: „Du hast mich schon verstanden!“

Nein, ehrlich: Sein Gesicht sieht so dermaßen behämmert aus, wenn er etwas nicht versteht, aber verstehen will. Ich könnte davon ein Foto machen und es mir immer ansehen, wenn ich schlechte Laune hätte. Danach wäre mein Tag gerettet. Er zog immer eine Augenbraue nach oben und die andere nach unten, weswegen ein Auge ganz klein und das Andere ganz groß wirkte. Sein Mund klappte nicht auf, aber er stand immer einen Spalt offen und er spitze seine Lippen ein ganz kleines Stück nach vorne, während er einen Nasenflügel kraus zog. Es war ein Bild für die Götter.

Ich hielt meine Hand vor den Mund, als ich kichern musste. Seine Augenbraue wanderte höher.

„Nein ehrlich“, ich drehte mich zu ihm und verschränkte die Arme hinter meinem Rücken: „Ist denn was du bist so wichtig?“

Jetzt klappte ihm ein Stück der Mund auf. Er schien etwas sagen zu wollen, aber nicht richtig zu können.

„Ich meine“, fuhr ich mit einem Lachen und einem kleinen Triumph in der Stimme fort. Ich hatte es geschafft den morbiden Totengräber für einen Moment stumm zu schalten. Darauf konnte ich mir, glaube ich, etwas einbilden: „Ich mag dich, weil du so bist wie du bist. Nicht weil ich dachte du bist ein Mensch.“

Undertaker schien immer noch nicht so ganz zu wissen wie er das was er dachte verpacken sollte.

Ich kicherte seicht: „Ich mag wer du bist, nicht was du bist. Ändert, dass du kein Mensch bist deinen Charakter? Verhältst du dich jetzt mir gegenüber anders?“

Undertaker räusperte sich kurz. Dann erschien ein Lächeln auf seinen geschwungenen Lippen. Ein leichtes, ein erleichtertes, Lächeln: „Nein. Nein, das tut es nicht und nein, das tue ich nicht. Ich war, hehehehe, schon immer ein bisschen eigen. Das wird sich auch nie wieder ändern.“

„Dann muss ich mich auch nicht von dir zurückziehen“, ich ging einen Schritt auf ihn zu und lächelte ihn an: „Du bist ein verdammter Freak! Und das ist nicht schlimm, denn... ich mag den Freak.“

Ehe ich mich versah landete ich in seinen Armen: „Das bedeutet mir viel.“

Ich drückte ihn zurück: „Das heißt nicht, dass ich das alles nicht ziemlich verwirrend finde. Ich habe immer noch eine Menge Fragen an dich. Jetzt noch mehr als vorher.“

Seine Umarmung wurde ein bisschen lockerer und wir schauten einander an.

„Dann frage“, lächelte mir der Bestatter wieder wie gewohnt entgegen und meine schlechten Gefühle verschwanden wieder.

„Nun“, ich legte den Kopf schief: „Grell, William und Ronald sind dasselbe wie du? Ich meine... Eure Augen... Ich habe erst gedacht ihr seid verwandt, oder so...“

Der Bestatter lachte: „Fu fu fu. Wir können nicht verwandt sein. Der Tod kann kein Leben schaffen. Folglich können wir keine Familie haben. Shinigamis werden erschaffen und nicht geboren. Aber ja, wir alle haben dieselben Augen, sowohl von der Farbe“, er lachte breit grinsend: „Als auch von der Qualität.“

Das klang soweit logisch. Die Sache mit der Familie vertrieb zumindest das komische Gefühl gegenüber Undertakers Aussage am Bach. Ich hatte schon sonstiges gedacht. Dass er auch von seinen Eltern und allem anderen im Stich gelassen wurde. Ich gönnte ihm von Herzen, dass es nicht so war, sondern einfach eine Laune der Natur. Auch grellgrüne Augen als Rassenmerkmal klangen nachvollziehbar. Mit 'Qualität' meinte er sicher, dass alle Shinigamis ähnlich schlechte Augen hatten, wie er. Doch sie hatten nicht dieselben Augen. Seine Augen waren einzigartig. Weder Ronalds, noch Grells, noch Williams Augen kamen auch nur annähernd an Seine heran. Ich legte den Kopf schief, als ich seine Augen unbewusst musterte, während ich über sie nachdachte. Sie waren so schön. Atemberaubend schön. Auf jeden Fall stahlen sie mir die Gedanken direkt aus dem Kopf.

„Also kennst du Grell, Ronald und William von... wie soll ich sagen... eurem gemeinsamen... Zuhause?“

Undertaker lachte: „Hehe. Nein. Mein Zuhause ist mein kleiner Laden. Als Ronald seinen Dienst antrat, hatte ich den Dispatch schon lange verlassen. Grell und William könnten noch von meinem Ausstieg gehört haben, aber getroffen haben sie mich dort nie.“

„Den Dienst?“

Der Totengräber lachte: „Tehehe! Die Shinigamis sind furchtbar versteift. Sie sind organisiert in der 'Grim Reaper Dispatch Association'. Der Tod ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Geschäft und der Dispatch eine riesige Dienstleistungsgesellschaft. Jedes Land hat seine eigene Zweigstelle und jeder Schnitter hat sein Gebiet, in dem er Seelen einsammelt. Grell und Ronald, beispielsweise, den Großraum London.“

Jetzt machte es zumindest Sinn, warum Ronald sich darum gedrückt hatte mir zu sagen wo er arbeitete: „Und William?“

„William ist kein Schnitter, obwohl er mit das größte Talent dazu hat“, erklärt der Totengräber weiter ohne mich loszulassen und ohne die Augen aus meinem Gesicht zu nehmen: „Er ist Aufsichtsbeamter. Er achtet darauf, dass die Reaper der British Branch keinen Mist bauen. Er hat folglich öfter mit Grell zu tun.“

„Wie folglich?“

Undertaker lachte schrill auf: „Awuhuhuhuhuhuhu! Weil Grell ständig Mist baut!“

Ich stimmte in das Lachen mit ein. Ich konnte mir Grell als Sorgenkind wirklich bildlich vorstellen.

„Und“, begann ich fragend: „Du bist nicht mehr im Dienst?“

Er schüttelte lachend den Kopf: „Ich hatte auf den Verein keine Lust mehr. Ehehehehehe! Also bin ich ausgestiegen und in Frührente gegangen.“

„Sensenmänner gehen in Rente?“

Er lachte wieder: „Nun, fu fu fu fu, eigentlich nicht. Ich war wohl der Erste. Das könnte der Grund sein, warum mich William immer als 'Deserteur' bezeichnet.“

„Deserteur?“, fragte ich verwundert.

„Joa“, grinste der Bestatter, der eigentlich ein Sensenmann ist: „Eigentlich wird einem die 'Death Scythe' abgenommen, sollte man aussteigen. Ich habe meine Übrigens noch.“

„Eine... was?“

Der Totengräber hob die Hand vor den Mund als er giggelte: „Eine 'Death Scythe'.“

„Was soll denn das sein?“

Undertaker lachte laut und streckte die Hand aus. Urplötzlich und vollkommen auf dem Nichts erschien das riesige Ungetüm von Sense wieder in seiner Hand. Es war so lang, dass der kalte Stahl der Knochenzierde meinen Arm streifte und ich mit einem Quieken zu Seite hüpfte. Er zog mich mit seinem anderen Arm, der noch immer um meine Taille lag, an sich und ich starrte auf dieses Monstrum von Waffe.

„Das ist eine Death Scythe“, grinste er.

Ich widersprach nicht eine Sekunde. Dem silbernen Ding standen die Worte 'Tod' und 'Sense' nun wirklich unverkennbar auf den kalten Metallleib geschrieben. Ich merkte wie eins meiner Augen zuckte.

„Alles ok bei dir? Hehe“, fragte mich der Bestatter.

Ich schaute ihn an: „Klar. Erschrecke mich zu Tode. Passt schon“, ich schüttelte gestresst den Kopf: „Du bist nicht glücklich, wenn der Tag ohne einen dreifachen Herzklabaster meinerseits endet, oder?“

„Genau genommen haben wir halb vier Morgens und der Tag hat gerade erst angefangen. Tihihihi!“

Ich drehte den Kopf mit einem angenervten Gesichtsausdruck weg und knuffte dem kichernden Bestatter in die Seite.

Nach einem kleinen erstickten Laut lachte er weiter: „Nehehehehe! Du hast doch gefragt!“

„Du hättest es mir auch einfach erklären können!“, rief ich, als ich den Kopf zu ihm drehte: „Aber nein! Stattdessen packst du dieses Mörderteil von Sense aus und lässt mich denken mein letztes Stündlein hat geschlagen! Das Ding ist riesig und voll gruselig, man!“

Er lachte. Dann stellte er die Sense auf den Knauf und ließ sie mir vor die Nase kippen: „Tehehe. Ich liebe sie.“

Ich nickte, ein bisschen verstört, als ich der morbiden Totenfratze entgegen starrte, aus der das riesige Sensenblatt herausschaute, welches so groß war wie mein ganzer verdammter Torso!

„Glaub ich dir...“, blinzelte ich immer noch reichlich irritiert in die schwarzen Höhlen des dornengekrönten Totenschädels starrend: „Aufs Wort sogar. Ist es... nicht ein bisschen gefährlich jemanden so ein Ding direkt vor die Nase zu halten?“

Undertaker giggelte weiter: „Tihihi! Nur ein ausgemachter Trottel würde direkt in eine Schneide fassen. Bist du ein Trottel, Sky?“

Mein Kopf fuhr empört zu ihm herum: „Nein! Natürlich nicht!“

„Dann ist es auch nicht gefährlich. Nehehehe!“

Dann war die Sense so plötzlich wieder verschwunden wie sie aufgetaucht war und Undertaker legte die nun freie Hand über seinen Mund: „Tihi! Dein Gesicht!“

Ich knuffte ihm wieder in die Seite, diesmal fester. Leider konnte ich ihn nicht härter schlagen, weil ich mir ansonsten eher selbst die Finger brechen würde.

Doch der Sensenmann lachte: „Hey! Warum schlägst du mich eigentlich die ganze Zeit?“

„Weil du es verdient hast!“, tippte ich ihn vor die Brust und stellte mich auf die Zehenspitzen, um mir wenigstens nicht ganz so klein vorzukommen wie ich war und ein bisschen ernstzunehmender zu wirken: „Du hast Tage, da... nein eigentlich gehörst du immer von morgens bis abends geschlagen! Wirklich!“

Undertaker lachte laut und hielt sich mit einer Hand den Bauch: „Wahahahahahaha! Hast du mit Frank geredet?“

„...Nein. Wieso?“

„Der Spruch hätte von ihm kommen können. Wuhuhuhu.“

„Apropos Frank“, stiegen wieder Fragen in mir auf: „Wissen die Anderen über euch Bescheid?“

„Tehe, natürlich.“

Ich verzog den Mund: „Ich war also die Einzige, die keine Ahnung hatte?“

„Jup.“

„Wie nett von euch...“

Undertaker lachte wieder: „Sei ehrlich zu dir selbst, Sky. Hättest du uns geglaubt, wäre gestern Abend nicht gewesen?“

Ich stockte und blinzelte zu Boden: „Nein... Vermutlich nicht.“

Ein einzelner Finger hob mein Kinn wieder an: „Es gibt halt Dinge, die können erst zu einem gewissen Zeitpunkt erklärt werden. Des Weiteren ist Unwissenheit manchmal eher ein Geschenk, als eine Strafe.“

„Wie?“

„Unsere Welt ist gefährlich, Sky. Die Menschen, also Charlie, Frank, Lee, Alexander und ihre Familien, werden dazu erzogen sich in ihr behaupten zu können und ohne Sebastian würden sie das wahrscheinlich nicht schaffen. Amy hat dich nicht außen vor gelassen, weil sie dir nicht vertraut, sondern weil sie dich beschützen wollte. Du hast die Fehde zwischen den Phantomhives und den Trancys zweimal bei weitem näher miterlebt, als alle von uns wollten.“

Ich rieb mir lachend über das große Pflaster an meiner Schläfe: „Ach... Mir geht es gut“, dann strahlte ich dem Totengräber entgegen: „Dank dir!“

Undertaker lachte seicht und wuschelte mir durch die Haare: „Ich lasse sicherlich nicht zu, dass dir etwas Schwerwiegendes passiert, wobei schon diese kleinen Blessuren nicht hätten passieren dürfen.“

Mein Herz hüpfte. Ich verstand nicht warum. Es sprang hin und her und raste wie wild, als der Totengräber... Sensenmann... was auch immer!... mir so fest in die Augen schaute und die Worte mit einer Überzeugung sondergleichen aussprach, als habe er sie damit in Stein gemeißelt.

Ich legte lachend den Kopf schief: „Das ist doch halb so wild... doch... wo hast du deine Blessur eigentlich jetzt her?“

Der Sensenmann grinste zahnvoll: „Die ist aber auch halb so wild.“

„Jetzt sag!“

„Hehe. Das war ein Engel, nehe!“

Ich blinzelte, dann kicherte ich: „Wey. Ein Engel... Das schockt mich jetzt irgendwie auch nicht mehr.“

Kurz schauten der Bestatter und ich uns an. Er grinste mir entgegen. Wie vorher. Mein Herz ging auf und ich konnte mein eigenes Grinsen nicht im Zaum halten. Auch die Tatsache, dass er kein Mensch war und mit diesem Ungetüm von Sense ziemlich gut umgehen konnte, änderte dieses Grinsen nicht. Sie änderte auch diese Augen nicht. Er hatte nicht gelogen, denn er benahm sich nicht anders als zuvor. Ich hatte auch nicht gelogen, denn ich mochte den Freak, auch wenn er mehr Freak war als man dachte. Nach nur ein paar Sekunden begangen wir lautstark zu lachen.

Undertaker seufzte seicht, als unser Lachen abgeklungen war und schaute wieder nach oben.

„Woran denkst du?“, fragte ich und legte den Kopf schief.

Seine Augen wanderten zu mir: „Ich bin froh, dass die Katze aus dem Sack ist.“

„Warum?“

„Naja“, er schaute wieder in die Sterne: „Ich hatte immer Angst, dass ich dich irgendwann eigentlich belügen müsste.“

„Hättest du es getan?“

Er schüttelte den Kopf: „Nein.“

„Hättest du es mir spätestens dann erklärt?“

Er schüttelte wieder den Kopf.

Ich legte meinen Kopf schiefer und schaute ihm wieder von unten ins Gesicht: „Was hättest du denn dann getan?“

Er grinste mich an: „Ich hätte dir gesagt, dass ich es dir nicht sagen kann.“

„Aber... Warum konntest du es mir nicht sagen?“

Undertaker giggelte wieder: „Wir haben alle Alexander, wie jedem Earl davor auch, versprochen Außenstehende in dem Glauben zu lassen wir seien Menschen.“

„Also...“, ratterte mein Kopf kurz: „Haben die Earls euch zum Lügen gezwungen?“

Undertaker schüttelte grinsend den langen Schopf: „Nein. Das würden sie nie. Er hat uns lediglich gesagt wir sollen nicht erwähnen oder zeigen, dass wir anders sind. Ihr Menschen geht automatisch davon aus, dass wir Menschen sind. Da müssen wir nichts zu sagen. Denn es ist logisch, weil die Meisten vollkommen ahnungslos sind.“

Auch das machte Sinn: „Aber... du hast dir nie Mühe gegeben zu verstecken, dass du anders bist.“

„Warum denkst du das?“, grinste der Sensenmann.

„Nun ja“, begann ich: „Meinst du abgesehen von deinem ganz normalen vollkommen untypischen Verhalten?“

Undertaker lachte und hob eine Hand vor den Mund: „Ja, hehehe, abgesehen davon.“

Ich seufzte: „Du hast einfach immer etwas an dir, was nicht ganz von dieser Welt wirkt. Deine Weltsicht ist mehr als kurios und deine Augen leuchten im Dunkeln.“

„Tehehehe!“, lachte Undertaker: „Nun ja, ich tippe so ganz können wir uns nicht verstecken. Unser Naturell ist einfach anders.“

„Wahrscheinlich“, lächelte ich: „Aber warum kann der Earl euch Vorschriften machen?“

Undertaker lachte schrill auf: „Ehehehehehehe! Naja, mir kann er Vorschriften machen, weil ich ein 'Aristokrat des Bösen' bin. Die Anderen hat er einfach darum gebeten und sie haben zugestimmt.“

Ich musterte ihn überlegend: „Aristokrat des Bösen?“

„Der Earl Phantomhive“, erklärte Undertaker und machte eine ausschweifende Armbewegung: „Ist auch bekannt unter dem Spitznamen 'Wachhund der Königin'. Er dient der Queen und regiert in ihrem Sinne die Unterwelt. Die 'Aristokraten des Bösen' könnte man als seine Handlanger bezeichnen. Charlie ist einer, genau wie Frank, Lee und auch ich. Die anderen Sensenmänner sind einfach nur Freunde der Familie seit der Zeit von Ciel Phantomhive.“

„Ciel Phantomhive?“, in meinem Kopf klopfte etwas an: „Das war doch ein Name auf einem der freistehenden Särge im Mausoleum!“

„Exakt“, grinste der unmenschliche Bestatter: „Er war der erste Earl, der einen Pakt mit Sebastian geschlossen hatte. Er hat auch die Familie von Lee ins Boot geholt.“

„Kay“, machte ich: „Und Frank, Charlie und du? Seit wann seit ihr dabei?“

„Ihre Familien und ich? Seit Vincent“, antwortete der Bestatter und wirkte irgendwie komisch, als er den Namen aussprach. Ein schwerer Glanz erschien in den strahlenden Augen und machte sie kurz einen Ton dunkler.

„Was... hast du?“

„Was meinst du?“

„Du wirktest so... bedrückt als du den Namen ausgesprochen hast.“

Undertaker lachte. Das Lachen war nicht ganz so schwer, doch es hatte eine traurige Nuance: „Vincent war mein bester Freund.“

„Oh...“, machte ich. Dann stockte ich. Denn ich erinnerte mich an ein weiteres Detail aus dem Mausoleum. Die Daten, die auf den Sarkophagen der beiden benannten Männer standen:

»Earl Vincent Phantomhive 1851 - 1885«

»Earl Ciel Phantomhive 1875 - 1948«

Meine Gedanken kamen aus ihrem Stocken kaum heraus.

Ich blinzelte Undertaker an: „Vincent war …dein bester Freund? Undertaker, Vincent hat vor 130 Jahren gelebt!“

Undertaker lachte ein bisschen ertappt: „Äh ja. Hehehehehe! Hätte ich erwähnen sollen, dass Shinigami in der Theorie unsterblich sind?“

Meine Augen wurden so groß, ich hatte Angst sie fielen heraus: „Bitte was?!“

„Naja“, Undertaker machte eine fahrige Bewegung mit der Hand: „Wir sind die Personifikation des Todes und der Tod stirbt nicht. Hehehe! Eigentlich ganz einfach!“

Mir ging ein weiteres Licht auf: „Deswegen wolltest du mir nicht sagen wie alt du bist. Hättest du mir die Wahrheit gesagt hättest du dich als Nicht-Mensch enttarnt, weil du über 100 Jahre alt bist, oder?“

Undertaker lachte schriller. Den Witz verstand ich nicht, aber ich hatte mittlerweile aufgehört mich darüber zu wundern, oder zu ärgern, oder verwirrt zu sein.

„Ein bisschen älter“, grinste der Totengräber irgendwie vielsagend.

Dieses Grinsen verursachte in mir ein ganz blödes Gefühl: „Undertaker... Wie alt bist du?“

Er hob grinsend die Hände: „Um dir ehrlich zu antworten: Ich weiß es nicht mehr.“

„Wie?“, meine Gesichtszüge entgleisten ein weiteres Mal: „Du weißt es nicht mehr?!“

Er nickte lachend: „Hehe. Jup. Ich hab irgendwann aufgehört mitzuzählen.“

„Und...“, ich brachte es kaum aus meinen Lippen. Wenn er vergessen hatte wie alt er war musste er sehr alt sein: „So... ungefähr?“

Er wog den Kopf: „Wie alt ist die Menschheit? So ungefähr?“

'Was soll das denn jetzt?', fragte ich mich stumm und schaute dem Bestatter sicherlich in dem Moment mehr als nur dämlich entgegen. Zumindest fing er heiter an zu lachen, als er mein Gesicht sah.

Trotz allem wälzte ich kurz meine Erinnerungen an meine Geschichtsstunden: „Schätzungsweise um die 200.000 Jahre. Aber warum?“

„Gut“, grinste er und legte mit seinem unschuldigen, zahnvollen Grinsen den Kopf schief, als er die Arme verschränkte: „Dann bin ich schätzungsweise um die 200.000 Jahre alt. Minus ein paar Jahrzehnte. Tihi!“

Mein Herz blieb stehen, als mir die Lider und der Kiefer aufklappte: „Zur Hölle bitte was?! Willst du mich jetzt endgültig verarschen?!“

Der Totengräber lachte und rieb sich den Hinterkopf: „Ahehehehehe! Äh nein. Es ist so.“

„Was?! Wie?! Das ist unmöglich?! Dadadadadada das geht nicht!“

Der Bestatter wog mit dem Kopf: „Doch, tihi, das geht. Siehst du doch.“

„Du bist so alt wie die Menschheit selbst?!“

Er nickte: „Ja, hehehe! Minus ein paar Jahrzehnte halt. Ich bin der erste Sensenmann, der je entstanden ist.“

Mein Kiefer blieb einfach offen stehen. Das schlug dem Fass dann doch den Boden aus: „Der der der der der Erste?!“

Undertaker nickte wieder: „Um deiner Vermutung vorweg zu greifen. Ich lüge auch jetzt nicht. Hehe!“

„Aber“, machte ich reichlich hilflos: „Das klingt vollkommen unmöglich! Wie lange... Wie lange bist du denn schon ausgetreten und hier bei den Menschen?!“

Natürlich konnte ich mir denken irgendwas um die 130 Jahre, wenn er mit Vincent Phantomhive befreundet war.

Undertaker kniff ein Auge zusammen und schaute mit dem anderen nach oben, als er angestrengt zu überlegen schien: „Uff... Hehe! Lass mich kurz nachdenken! Das war kurz nachdem Ludwig XVI hingerichtet wurde. Die Revolution war im vollen Gange!“

Ich zog die Augenbrauen zusammen: „Ludwig XVI wurde Anfang 1793 hingerichtet!“

Undertaker lachte nur: „Tehehehehe! Nein, das muss dann doch ein bisschen später gewesen sein. Ende 1793 habe ich noch die Seele von Marie-Antoinette von Österreich-Lothringen geholt.“

Mein Kiefer klappte nur deswegen nicht weiter auf, weil es nicht mehr ging: „Führst du Buch über so was?!“

„Gezwungener Maßen. Nehehehe! Die Sensenmänner sind unglaubliche Bürokratiefanatiker! Das ich meine Atemzüge nicht dokumentieren musste war nett von ihnen!“, dann streckte er den Zeigefinger in die Luft: „Ha! 1795! Kurz nachdem die erste Koalition aus Großbritannien, Österreich, Preußen und Spanien während der Napoleonische Kriege auseinander brach! Hehehehehe!“

Ich schüttelte blinzelnd den Kopf: „Ehrlich?“

„Hehehe! Ja.“

„Sicher?“

„Haha! Jaha!“

„Ganz sicher?“

„Wolltest du mir nicht glauben, wenn ich dir antworte?“

„Da wolltest du mir noch nicht erzählen du seiest 200.000 Jahre alt und vor über 200 Jahren hier aufgeschlagen...“

Undertaker breitete wieder die Hände aus: „Das Leben hält eine Menge Überraschungen bereit! Tehe!“

„Und es spricht da sicher nicht die.... geistige Verwirrung aus dir?“

Ehrlich. Ich wollte ihn nicht beleidigen, aber das war die beste Erklärung die ich hatte und eine gewisse geistige Verwirrung konnte Undertaker sich wirklich nicht absprechen ohne sehr dreist lügen zu müssen.

Der Bestatter unterlag einem kleinen Lachanfall: „Fuhuhuhuuhuhuhuhuhu! Herrlich! Die Frage ist so naheliegend, ich kann noch nicht einmal beleidigt sein! Ehehehehehehe!“

Ich sah den hochgewachsenen Mann, der an seinem eigenen Lachen zu ersticken drohte, mit blinzelnden Augen an. Die ganze Geschichte wird immer kurioser und kurioser. Warum hatte ich nur gefragt?

Undertaker wischte sich derweilen die Lachtränen aus den Augen: „Deine Schätzung auf 32 fand ich übrigens sehr schmeichelhaft. Nihihihi!“

Ich nickte langsam und mehr als nur überfordert: „Jaaaaa... Du hast dich gut gehalten... für 200.000... Was für eine Antifaltencreme benutzt du?“

Ich wusste nicht warum, aber diesen dummen Scherz brauchte ich um meinen Verstand nicht endgültig zu verlieren. Zumindest das bisschen was davon noch übrig war.

Undertaker brach währenddessen wieder im schallenden Gelächter aus: „Pahahahahahahahaha! Antifaltencreme! Wuhuhuhuhuhuhuhu! Herrlich!“

Ich schüttelte angestrengt den Kopf und stellte eine weitere Frage, auch wenn ich diese wieder bereuen könnte: „Und... wie alt sind die anderen... Nicht-Menschen?“

Undertaker legte den Kopf schief: „Hehe. Sebastian und Claude müssten beide so um die 3000 Jahre alt sein. William und Grell sind um die Dreihundert und ich meine Ronald hat vor kurzem die 190 geknackt.“

„Altert ihr überhaupt?“

Undertaker lachte wieder: „Sebastian und Claude nehmen lediglich die Gestalt von Menschen an. Eigentlich sehen die Beiden ganz anders aus. Shinigami altern nicht so wie ihr Menschen es definiert.“

Ich schüttelte den Kopf: „Man sieht euch euer Alter zumindest nicht an...“

Undertaker lachte nur: „Hehe. Danke, danke für die Blumen. Sage das zu Grell und du bist sofort seine beste Freundin.“

Ich seufzte halb lachend. Dann wischte mir durch die Haare, als ich meinen Blick durch den Garten schweifen ließ. Das war alles so viel und so schwer zu glauben. Selbst als ich realisiert hatte, dass diese Hunde wirklich wahr gewesen waren, hatte ich nicht mit solchen Offenbarungen gerechnet. Natürlich war auch mir schon im Ballsaal klar gewesen, dass irgendetwas an den 5 Männern nicht normal war.

Doch das?

Ich weiß nicht womit ich gerechnet hatte, doch damit sicher nicht. Dämonen... Sensenmänner... Engel... Pakte... Der Wachhund der Königin und die 'Aristokraten des Bösen'... Das war doch alles total verrückt. Und die Tatsache, dass der Mann mit dem ich in letzter Zeit so viel Zeit verbracht hatte sich als ein 200.000 Jahre alter Schnitter herausstellte, macht das alles nicht leichter zu glauben. Doch irgendetwas in seiner Stimme und in seinem Auftreten sagte mir, dass er mir wirklich die Wahrheit gesagt hatte. Wie immer.

„Du siehst müde aus“, erreichte die Stimme des Inkognito-Sensenmannes mein Ohr.

Ich nickte und drehte meinen Kopf zu ihm. Ich war vor allen Dingen furchtbar überfordert: „Das ist alles nicht so leicht zu glauben...“

In Undertakers Gesicht stand ein komischer Ausdruck, obwohl er lächelte. So warm. So herrlich warm. Dieses Lächeln war einfach wunderbar: „Ich weiß.“

„Du hast irgendwas“, stellte ich bei dem komischen Ausdruck in seinen kristallklaren grünen Augen fest: „Was ist los, Undertaker?“

Er schüttelte den Kopf und lachte mir dann entgegen: „Ich hoffe nur, ich habe dich immer noch nicht verschreckt. Hehe.“

Ich kicherte auch ein bisschen: „Das ist alles?“

Undertaker zog die Augenbrauen hoch: „Das ist ziemlich viel.“

„Wa... Warum?“, ich verstand ihn nicht recht: „Selbst wenn du mich verschreckt hättest, was wäre daran so schlimm?“

Der Sensenmann legte mir ein weiteres Mal die lange Hand auf den Kopf: „Ich würde deine beschämte, wie verstörte Art vermissen. Tihihihi!“

Ich verschränkte die Arme und ein dumpfes schweres Gefühl waberte durch meinen Magen in mein Herz: „Du würdest also ein Opfer zum Erschrecken vermissen...“

Was auch sonst? Etwas anderes, für ihn interessantes, hatte ich ja nicht. Was hatte ich erwartet?

Deswegen traf es mich auch irgendwie hart und unerwartet, als der Bestatter den Kopf schüttelte: „Nein. Ich würde dich vermissen. Mit einfach allem Drum und Dran.“

Mein Herz sackte ein Stück ab und ich stand ein weiteres Mal schon wieder fast unter Schock. Ich merkte meinen Kiefer abermals aufklappen und konnte nichts dagegen tun.

Seine Hand wanderte von meinem Kopf zu meinem Kinn. Ich merkte wie seine langen Fingernägel über meine Schläfe und Wange schabten und ein komisches Kitzeln zurückließen, bevor die Fingerkuppe seines Zeigefingers mir den Mund zu klappte.

Meine Reaktion amüsierte den Totengräber sichtlich: „Tehehe! Warum schaust du denn so?“

Ich blinzelte: „Du würdest.... mich vermissen?... Aber... ich bin doch nur ein ganz normaler Mensch! Furchtbar langweilig und unglaublich ordinär! Und du... du bist...“

„In erster Linie ein Verrückter, der mit Toten spricht“, konterte er mich: „Du wolltest dich doch darauf konzentrieren wer ich bin und nicht was ich bin, oder? Ich begrüße diese Einstellung sehr, denn was ich bin ist mir vollkommen egal. Ich fühle mich den Sensenmännern in keinster Weise mehr verbunden. Wer ich bin, ist mir dagegen furchtbar wichtig. Natürlich, kleine Sky, bist du ein Mensch“, sein Lächeln wurde weiter und noch wärmer, als er meinen Kopf an meinem Kinn mit seinem Zeigefinger nach oben schob: „Doch das bedeutet weder, dass du 'langweilig' und 'ordinär' bist, genauso wenig steht es der Tatsache im Weg, dass ich dich mag. Tehehehe! Du bist ein ganz herzerquickendes junges Menschending und darüber hinaus sehr unterhaltsam.“

Wäre sein Finger nicht gewesen, wäre mein Mund ein weiteres Mal aufgeklappt: 'Herzerquickend? Unterhaltsam?'

Das Blut rauschte durch meine Wangen und in meine Ohren.

Ich wusste nicht was mich mehr verwunderte oder überrannte: Die Tatsache, dass ihn seine Abstammung so selten wenig zu interessieren schien oder die Tatsache, dass er mir gerade ein Kompliment gemacht hatte und in Worte gefasst hatte er würde mich mögen.

„Du... du magst mich?“, entschied ich mich für Zweiteres.

„Nein“, grinste er.

Mein Herz blieb stehen und ein ersticktes Glucksen entfuhr meiner Kehle, als mir innen drin furchtbar kalt wurde.

Doch Undertaker lachte: „Ich verbringe immer Zeit mit Leuten, die ich nicht leiden kann. Das ist ein Hobby von mir. Genau wie Akten katalogisieren oder Bingo spielen. Hehe.“

Ich blinzelte vollkommen überfordert von der Schockstarre in meiner Brust. Warum fühlte ich mich so?

„Du... spielst Bingo?“, bekam ich es schließlich heraus.

Undertaker zog eine Augenbraue hoch und schaute mich eine Minute reichlich verständnislos an. Dann prustete er und presste eine Hand vor den Mund und die andere vor den Bauch. Er schien, als ob er über meine Aussage nicht wirklich lachen wolle, es aber nicht verhindern konnte. Er brauchte seine üblichen 5 Minuten um sich zu beruhigen, in denen ich wie der letzte Trottel in der Gegend herumstand und keinen klaren Gedanken auf die Reihe bekam. Meine Hände waren furchtbar kalt. Meine Brust war ganz komisch zusammengeschnürt und machte das Atmen schwer. Mein Gesicht fühlte sich ganz komisch an und ich hatte das Gefühl das Blut in meinen Adern war im Nichts verschwunden. Meine, aus welchen Gründen auch immer, vollkommen starren Gedanken begriffen einfach nicht worüber der Bestatter jetzt lachte. Mag er mich? Erst ja, dann nein und warum ging es mir wegen dem Nein sofort so furchtbar schlecht? Warum... konnte ich mich nicht mehr bewegen? Warum war mir so kalt? Es knisterte in meiner Nase und ich merkte wie mir Tränen in die Augen stiegen.

Undertaker wedelte mit einer Hand vor seinem Gesicht und atmete tief durch, als er sich wieder zu mir drehte: „Du stehst ja vollkommen neben dir. Fuhuhuhuhuhu!“

Plötzlich stockte er und blinzelte mir ganz komisch entgegen. Er beschaute mein Gesicht ein paar Sekunden und nahm es anschließend in beide Hände. Die Berührung setzte meine Wangen sofort unter Strom und mein Herz endgültig außer Gefecht, während die Welt in keinster Form mehr zusammen passte.

„Was ist denn los mit dir? Sky! Das war Sarkasmus! Ehehehehehe! Ich quetsche mich doch nicht in meiner Freizeit in einen überfüllten Raum und warte darauf zufällig 5 Zahlen in einer Reihe zu bekommen! Genauso wenig wie ich Akten sortiere! Bei diesem langweiligen Bürokram bekomme ich Stresspusteln!“, er schüttelte amüsiert schnaubend den Kopf und wischte mir mit den Daumen die Tränen aus beiden Augen: „Ich wollte dir damit deutlich machen, dass ich dich natürlich mag! Da du dich selbst immer reichlich an Ironie und Sarkasmus bedienst, dachte ich eigentlich du erkennst den Wink.“

Die Knoten in meiner Brust bersteten, als mein Herz mit einem Krachen wieder zu schlagen anfing. Der kalte Schock wich einer heißen Peinlichkeit. Innerhalb einer Sekunde begann mein Gesicht wie Feuer zu brennen und meine Blut rauschte sirrend durch meine klammen Hände, als ich mein Gesicht aus den Fingern des Bestatters riss, mich wegdrehte und hinter meinen Eigenen versteckte: „Oh nein! Gott ist das peinlich!“

Zwei Hände bogen meine Eigenen von meinem Gesicht. Erst in dem festen Griff des Totengräbers fiel mir auf, dass meine Hände zitterten. Heftig sogar. Genau wie meine Knie.

Undertakers Gesicht lachte mir entgegen: „Hehehehehe! Nein, ist es nicht! Du bist müde und hast eine Menge Informationen, die du erst einmal verarbeiten musst. Du solltest dich hinlegen.“

Ich nickte langsam mit dem Kopf, der nur noch angefüllt war mit kaum greifbaren Gedanken. Der Rest sauste und raste hin und her, entschwand meinem Griff und schrie wild durcheinander. Ich hatte furchtbare Kopfschmerzen und das nicht nur, weil Claude mir seine Schuhspitze ins Gesicht gerammt hatte. Ich schaute zu Boden und atmete ein paar Mal tief durch. Während ich kontrolliert vor mich heratmete, fing ich einen letzten Gedanken doch noch ein: „Wahrscheinlich hast du recht, doch... eine Frage habe ich noch.“

Undertakers Gesicht erschien vor meinem hängenden Kopf: „Denkst du das ist eine gute Idee? Hehe.“

Mein Kopf zuckte hoch und blinzelnd sah ich, dass Undertaker sich ganz komisch verbogen hatte, um mir ins zu Boden gerichtete Gesicht schauen zu können. Als ich meinen Kopf gehoben hatte, entdrehte Undertaker seine Wirbelsäule und stellte sich wieder auf. Er ließ meine Handgelenke los, doch nur um in derselben Bewegung meine Hände fassen zu können. Seine Hände fühlten sich ganz warm an und diese Wärme knisterte durch meine starren Finger, während sie das Zittern erstickten.

„Warum“, legte ich den Kopf schief, verwirrt davon, dass seine Hände so warm waren. Denn eigentlich hatte der Bestatter die kältesten Hände die ich kenne: „Fragst du?“

„Nun ja“, grinste er: „Hehe. Du bist weiß wie die Wand, zitterst, scheinst nicht mehr so wirklich geradeaus denken zu können und deine Hände sind kälter als meine. Ich glaube du hast deinen Zenit schon lange überschritten. Was verständlich ist. Gestern und heute ist eine Menge passiert und du hast mental, wie körperlich eine Menge wegstecken müssen.“

Ich wusste nicht, ob ich mit dem Kopf schütteln oder nicken sollte. Ja, ich war müde. Furchtbar müde sogar. Ich spürte meine schweren Lider, die sich nur mühsam offen hielten. Meine Hände und Füße waren mit Blei gefüllt und die Kälte stieg von ihnen in meine Arme und Beine. Doch ich schaute Undertaker so fest ich konnte in die leuchtenden, grünen Augen: „Diese Antwort brauche ich noch. Ansonsten würde ich wach liegen und stundenlang versuchen sie selbst zu finden.“

Das Lächeln auf Undertakers Gesicht wirkte von meiner Aussage mehr als angetan: „Ahhhh der Fluch der Neugierigen und Wissensdurstigen. Hehehehehe. Wenn dem so ist. Frag.“

„Warum“, ich legte den Kopf schief: „Bekriegen sich die Phantomhives und die Trancys?“

Es ging hier schließlich um die Familie meiner besten Freundin, welche von Claude angegriffen worden ist. Wenn Amy etwas passierte würde ich meines Lebens nie wieder froh werden. Doch ich musste den Zwist verstehen, um Amy zur Seite stehen zu können. Mit Rat und mit Tat.

„Die Trancys“, begann Undertaker und wirkte irgendwie wieder unsagbar amüsiert: „Hatten damals als die Spinne der Queen eine ähnliche Stellung wie der Wachhund, doch fielen sie in Ungnade und verloren ihre Position. Ehehehehehehehe! Die Trancys neiden den Phantomhives ihr Ansehen bei der Queen und ihr breites Netzwerk. Jeder Aristokrat hat selbst eine Menge Leute die für ihn arbeiten, also indirekt auch für den Earl. Oliver bat vor 2 Jahren um Amys Hand. Er wollte in die Familie einheiraten. Sollte Alexander und Fred etwas zustoßen, wäre Amy die rechtmäßige Erbin des Titels 'Wachhund der Königin'. Wir sind uns sicher, dass Oliver nach der Hochzeit Alex und Fred umbringen wollte. Nach alten Traditionen fällt dem Mann der Titel zu, auch wenn die Frau die Erbin wäre. Somit hätte er alles was er den Phantomhives so bitter neidet.“

Mehr und mehr Fragen huschten durch meinen Kopf: „Was für ein Netzwerk?“

Undertaker lachte: „Fu fu fu fu! Jeder Aristokrat hat eine Funktion und seine Finger tief in schmutzigen Angelegenheiten. Lee, beispielsweise, ist der Kopf fast aller Drogengeschäfte in London. Man nennt ihn auch den 'König des East Ends'.“

Damit konnte ich etwas anfangen. Der 'König des East Ends' war ein gefürchteter Mann. Jeder Gauner, von klein bis groß, des Stadtteils in dem ich geboren wurde und lange gelebt hatte fürchtete ihn. Und es sollte Lee sein? Ein 20 Jähriger junger Mann mit einer so sympathischen und fröhlichen Aura? Er sollte einer der größten Drogenbarone Englands sein?

Undertaker giggelte, als ich blinzeln musste. Er klemmte meinen Arm wieder unter seinen und machte sich auf den Weg zurück Richtung Villa, als er weiter sprach: „Tihihihihi! Schwer zu glauben, aber so ist es. Ich für meinen Teil, ehehehehehe! Bin ein Bestatter mit Ruf, könnte man sagen. Ich bin auch im Untergrund als Dreh- und Angelpunkt für Informationen bekannt und bekomme fast alles zu Ohren, was in den Eingeweiden der Londoner Unterwelt rumort. Wenn man einen Verstorbenen hat, den die Polizei niemals finden soll, kommt man zu mir. Charlie und Frank halten im Ausland ihre Augen und Ohren offen. Wenn man es so sehen möchte sind sie Spione der Queen in Mitteleuropa. Ronald, Grell und William sind tatsächlich einfach nur unsere Freunde. Hehe. Doch wie das mit guten Freunden so ist helfen sie uns, wenn wir sie brauchen. So wie gestern Abend. Wir schätzen diese Freundschaft sehr.“

„Und die Trancys wollen all das haben?“, fragte ich, als wir durch den nächtlichen Garten schlendern.

Undertaker nickte grinsend: „In der Tat. Der Earl Oliver Pascal Trancy und sein Butler Claude Faustus. Die beiden haben dich an Amys Geburtstag überfallen.“

„Der Blonde, der mich ertränken wollte, ist auch ein Earl?!“

„Und ein niederträchtiger, kleiner Bastard“, grinste der Bestatter: „Mache dir keine Gedanken mehr um sie. Die Beiden haben in der letzten Zeit ausreichend mit ihrem jungen Leben gespielt, um eine Retourkutsche zu verdienen.“

Die Glastür fiel hinter uns ins Schloss und das Echo unserer Schritte begleitete uns durch die Flure: „Retourkutsche? Inwiefern?“

„Tehehe. Das müssen wir noch besprechen. Doch sowohl Alex, wie auch Sebastian, die Shinigami und auch ich haben mittlerweile die Nase gestrichen voll von diesem überheblichen, kleinen Idioten. Allerdings kommen wir nicht so einfach an ihn heran.“

„Wegen Claude?“

„Ehehehe! Unter anderem. Oliver hat 5 Dämonen unter sich, doch Claude ist mit der stärkste von ihnen.“

Mein Kopf flog zu Undertaker: „5?!“

Dieser nickte: „Oh ja, oh ja. Er muss ja irgendwie seine fehlenden Kontakte kompensieren. Hehe. Und wie es scheint hat er seinen Kreis von übernatürlichen Handlangern erweitert.“

Ich blinzelte: „Wie meinst du das?“

„Sebastian und ich wollten Claude eine Lektion erteilen, nachdem er dich und Amy angegriffen hatte, doch ein Engel hat ihm die Haut gerettet.“

„Warte!“, meine Gedanken stockten: „Ein Engel? Ich verstehe wahrscheinlich noch nicht ansatzweise so viel wie ich müsste um wirklich mitreden zu können, aber nachdem was ich weiß sind Dämonen und Engel nicht gerade best Friends! Wenn Claude also ein Dämon ist, warum sollte ein Engel ihm helfen?“

„Du denkst ganz recht, hehe. Das gilt es zu klären, bevor wir es mit Oliver und seiner Bande aufnehmen können.“

Vor meiner Zimmertüre blieb der Bestatter stehen und drehte den Kopf zu mir: „Doch das ist unser Problem, nicht Deines und“, seine Stimme wurde eindringlicher, als sich seine strahlenden Augen mit eine dunklen besorgten Schatten in Meine bohrten: „Mache es nicht dazu, ja?“

„Aber... Amy ist...“

„Genauso außen vor wie du“, beendet der Bestatter meinen Satz in seinem Sinne: „Wir regeln das. Nicht Amy, nicht du. Bitte“, nahm er mein Gesicht in seine lange Hand und fuhr mir mit dem Daumen über die Wange: „Versprich mir dich daraus zu halten. Du wärst hoffnungslos verloren. Was soll ich denn tun, wenn dir etwas wirklich Schlimmes passiert?“

Mein Herz hüpfte auf und ab und schlug so hart in meiner Brust, dass mir der Atem stockte, während der Totengräber mich mit seinen unirdischen, gerade so unfassbar sorgenschweren Augen fesselte. Ich konnte nicht blinzeln, nicht wegsehen. Diese Augen raubten mir Sinn und Verstand. Immer und immer wieder. Ich verstand jetzt wieso. Es waren nicht die Augen eines Menschen, doch sie waren trotz allem so rein und ehrlich wie ich es noch nie gesehen habe.

Ich nickte in Ermangelung aller Worte. Die Hand verschwand aus meinem Gesicht und zwei Arme zogen mich in eine feste Umarmung. Silberne Haare kitzelten mein Gesicht und der Geruch von Zucker, Gras und Zedernholz ließen meine schweren Augenlider zufallen.

„Gute Nacht, meine schöne Puppe. Träume trotz allem gut und ruh' dich aus. Alle anderen Fragen haben bis später Zeit.“

Dann entließ er mich und wollte an mir vorbei gehen. Reflexartig griff ich seine Hand und stoppte ihn. Sein Kopf drehte sich langsam zu mir und legte sich schief: „Bedrückt dich noch etwas?“

Ich kam in die unangenehme Position erst jetzt zu realisieren, was ich getan hatte. Ich wusste auch nicht warum ich es getan hatte. Ich wälzte meine Gedanken krampfhaft nach einer Frage oder einem Anliegen, während mein Gesicht immer heißer wurde, damit meine Aktion nicht noch peinlicher wurde als sie eh schon war: „Äh... Warum hast du an meinem Bett gesessen?“

Undertaker lachte: „Ahehehehehe! Ich wollte sicher gehen, dass du in Ordnung bist. Ich weiß wie gut der Schuh eines Dämons im Gesicht tut, glaube mir. Hehe!“

Ein warmer Funken spornte mein Herz abermals zu Höchstleistungen an, doch zog er auch meinen Mund zu einem Lächeln, als ich die Augen schloss: „Danke.“

„Wofür?“

Ich öffnete die Augen wieder und schaute ein weiteres Mal in seine überwältigenden Augen: „Für alles. Für die viele Hilfe. Für jeden gut gemeinten Rat. Für deine Zeit. Deine Geduld. Dein offenes Ohr. Fürs Leben retten und das du meine ganzen Fragen so gewissenhaft beantwortet hast.“

Undertaker legte den Kopf mit einem Lächeln schief: „Nein. Ich muss dir danken.“

Ich blinzelte: „Wofür denn?“

Er schenkte mir dieses unbeschreibliche, breite Grinsen bei dem man alle Zähne sah. Dieses riesige Kinderlächeln: „Das du da bist.“

Bevor ich antworten konnte oder realisierte was überhaupt geschah, spürte ich ein Paar kalter Lippen an meiner Stirn. Mein Herz übersprang einen Schlag und meine Augen weiteten sich ohne mein Zutun. Ich hatte das Gefühl die Zeit blieb kurz stehen. Meine Hand fiel von Undertakers Handgelenk und meine Knie wurden weicher als mir je lieb sein könnte.

Dann verschwanden die Lippen nach einer gefühlten Ewigkeit, die eigentlich nur diesen einen ausgelassenen Herzschlag lang gewesen war und der Totengräber lächelte mir zum Abschied entgegen: „Gute Nacht.“

Mein Herz hämmerte das Blut brachial durch meine Adern und mein ganzer Körper begann zu surren: „Gut... Gute Nacht.“

Dann verschwand der Totengräber im Schwarz der dunklen Flure. Lediglich seine Schritte halten noch nach und ich blieb, die Hand an der Klinke, noch solange vor meiner Türe stehen, bis sie verschwunden waren.
 

Eine Hand weckte mich aus einem unruhigen Schlaf.

Sofort sprangen mir die Augen auf, ich fuhr hoch und griff den Eindringling am Handgelenk, als ich aus einem Traum aufgerüttelt würde, den ich jetzt gar nicht mehr benennen könnte: „Was....?!“

Es hatte gedauert bis ich eingeschlafen war.

Zu oft ließen meine Gedanken alles Revue passieren, was passiert und gesagt worden war. Ich war aus meiner ganz normalen Welt zu der Villa Phantomhive gefahren und innerhalb von ein paar Stunden war auf einmal alles anders.

'Nein... Eigentlich ist schon seit ein paar Wochen alles anders.'

Zumindest fühlte sich meine Welt schon seit ein paar Wochen anders an. Irgendwie ein Stück heiler als vorher. Warum? Das weiß ich nicht. Ich wusste nur, dass es gut tat, öfter mal die Schule zu verlassen und Jemanden besuchen gehen zu können, ein paar Stunden heiter zu lachen und den Stress des Unterrichts zu vergessen. Auch wenn es ein lachender Weirdo in einem staubigen Bestattungsunternehmen war. Doch wenn ich ganz ehrlich zu mir war, war ich froh, dass es dieser lachende Weirdo in diesem staubigen Bestattungsunternehmen war.

Sebastian lächelte mich höflich an: „Guten Morgen, Miss Rosewell.“

Ich blinzelte. Ein komisches Gefühl beschlich mich bei dem Anblick des Butlers: 'Er ist kein Mensch. Er ist ein Dämon...'

Sah man sich seine rostroten Augen einmal genau an, wusste man es. Denn der Butler schaute einem trotz seines Lächelns so eisig kalt entgegen, dass die Sonne selbst Gefahr lief einzufrieren. Diese Augen waren das genau Gegenteil von denen des Bestatters: Nicht warm, sondern furchtbar kalt. Nicht ehrlich, sondern um keine Lüge verlegen. Nicht verständnisvoll, sondern unsagbar desinteressiert. Doch irgendwie waren diese Augen nicht so dämonisch, wie ich sie mir für einen Dämon vorgestellt hätte.

Claudes Augen waren schlimmer. Denn in Claudes goldenen Augen stand, dass er sich eigentlich an nichts und niemand gebunden fühlte. In Claudes Augen stand die blanke Zerstörungssehnsucht. Der Drang Leid und Schmerzen in die Welt zu bringen. Dieser höllische Schimmer fehlte Sebastian. Und Claude fehlte die Loyalität zu seinem Herren, die man Sebastian deutlich ansah.

Ein dünnes Lächeln erschien auf meinen Lippen: „Guten Morgen, Sebastian.“

„Habt ihr euch gut erholt?“

Ich nickte knapp: „Es geht mir gut. Danke.“

Der Butler legte einen Stapel Kleider auf den Sessel, in dem noch vor ein paar Stunden der Bestatter gesessen hatte. Dann streckte er die Hand zu meiner Schläfe aus: „Lasst mich nach euren Wunden sehen.“

Mein Kopf zuckte weg. Ich hielt meinen Arm vor mein Gesicht: „Nein!“

Sebastian legte den Kopf schief: „Miss Rosewell, ich...“

„Nein!“, ich nahm den Arm herunter: „Da... Danke Sebastian, aber... ich möchte nicht... dass... mein Gesicht... angefasst wird.“

Es lag nicht an Sebastian selbst. Es lag auch nicht daran, dass ein verdammter Dämon neben meinem Bett stand.

Komischerweise.

Es lag daran, dass... Hände mein Gesicht meistens mit zu viel Schwung getroffen hatten. Ich wollte einfach nicht, dass mein Gesicht angefasst wurde.

Amy durfte es. Lange Zeit als Einzige. Dann traf ich Undertaker, der sich das seltene Recht, wortlos, mit der ersten Berührung einfach erschlichen hatte.

Doch Sebastian... er sollte es in Ruhe lassen.

„Es wird schon ok sein“, setzte ich schließlich noch hinzu und schwang die Beine aus dem Bett. Durch den Spalt der dicken, dunklen Vorhänge sickerten ein paar Sonnenstrahlen in das Zimmer und erhellten es matt.

Der Butler nahm seine Hand zurück: „Wie ihr wünscht, Miss Rosewell“, dann zeigte er auf den Stoffstapel auf dem alten Ledersessel: „Ich war so frei ihnen ein kleines Assemble an frischer Kleidung vorbei zu bringen. Des Weiteren ist das Frühstück bald angerichtet. Die junge Lady und die anderen möchten anbei mit eigenen Augen sehen, dass es ihnen gut geht und... Der Lord fühlt sich ihnen zu Erklärungen verpflichtet.“

„Du kannst Alexander sagen, dass er mir nichts mehr zu erklären braucht“, ein vielsagendes Grinsen erschien in meinem Gesicht, als ich mich schon ein bisschen diebisch auf das Gesicht des wohl noch unwissenden Butlers freute: „Dämon.“

Sebastian blinzelte wie von mir erhofft irritiert: „Bitte?“

„Dämon“, wiederholte ich fast kichernd: „Du bist ein Dämon, Sebastian.“

Der Butler lachte kalt: „Lasst mich raten: Undertaker hatte seinen Mund nicht im Griff.“

„Undertaker meinte er durfte.“

„Naja, es macht wohl schlicht keinen Unterschied. Aber es spart meinen Meister Zeit, wenn ihr schon informiert seid“, machte der Dämon und legte die rechte Hand aufs Herz. Keine Ahnung ob dort wirklich eins war. Der dämonische Butler verbeugte sich: „Dann empfehle ich mich, vorausgesetzt sie benötigen nichts mehr von mir.“

Ich schüttelte den Kopf: „Nein. Umziehen kann ich mich alleine. Danke.“

Sebastian lachte, es war tatsächlich amüsiert, doch trotz allem kühl: „Das hört man gerne.“

Dann wandte sich der Butler zur Tür.

Ich hüpfte vom Bett, als mir siedend heiß etwas einfiel: „Warte! Sebastian! Wo muss ich hin?!“

Die Villa war riesig. Ich glaubte fast ohne Karte und Kompass würde ich hier keinen einzigen Raum finden. Bei meinem letzten Aufenthalt hatte ich das Badezimmer nur gefunden, weil es direkt gegenüber meines Zimmers war.

Sebastian lachte und ein kleines, aber ganz komisches Grinsen lag auf seinen schmalen Lippen, als er sich halb zu mir drehte: „Keine Sorge, Miss Rosewell. Klopft einfach rechter Hand nebenan.“

Dann verschwand der Butler durch die Tür.

Ich legte den Kopf schief und blinzelte auf die Türe durch die der Butler gerade verschwunden war: 'Nebenan?'

Kopfschüttelnd entschloss ich mich die Frage für den Moment ruhen zu lassen. Ich schaute auf den Stoffstapel auf dem Sessel. Es war eine schlichte graue, Röhrenjeans, knielange, schwarze Wollstulpen und ellbogenlange Pulswärmer selber Art. Dazu ein langes, dunkelviolettes, mit schwarzer Spitze überzogenes Oberteil und ein schwarzer, knielanger Wollcardigan.

Der Butler hatte Geschmack oder konnte zumindest die Geschmäcker anderer gut einschätzen. Meinen hatte er auf jeden Fall voll getroffen.

Zügig schlüpfte ich in die Kleider und setzte mich vor die kleine Kommode mit Spiegel, nachdem ich meine Schminktasche und meine schwarzen Chucks aus meiner Gitarrentasche geklaubt hatte, um nicht die ganze Zeit mit den hohen Pumps herumzulaufen.

Ich konnte mir das Grinsen nicht verkneifen, als mir das Kalligraphie Set noch einmal in die Hände fiel, das Undertaker für mich gemacht hatte. Er hatte es selbst gemacht! Mein Herz hüpfte hin und her und es wurde ganz warm in meiner Brust, als ich das kleine Kästchen noch mal aufklappte und seinen Inhalt beschaute. Die Rabenfeder warf mich einige Stunden zurück. Zurück zum Bach: 'Was... Was war da passiert... oder eben nicht...? Was ist 'was'?... Worüber denke ich da nach! Arg!'

Doch ich bekam meine Gedanken nicht weg. Sie wanderten zu dem Handkuss, von dort zu dem Kuss auf die Stirn im Ballsaal und zu guter Letzt zu dem vor meiner Zimmertüre.

Das Kribbeln wurde stärker und surrte bis hoch in mein Gesicht, wo meine Wangen schon wieder heiß wurden. Ich fasste mir selbst ins Gesicht: 'Warum...?'

Mit einem Seufzen fiel ich rückwärts mit ausgebreiteten Armen auf das Bett und starrte auf den dunklen Stoff, der zwischen die vier langen Pfosten gespannt war: 'Was ist das...?'

Etwas in meinem Kopf schrie mir entgegen, doch ich konnte weder sagen was es war, noch was es rief.

Was ich von diesem Zwischenfall am Bach halten sollte, wusste ich immer noch nicht. Ich wusste nur, dass es definitiv schlechtere Orte gab, als die Arme des Totengräbers.

Ob Mensch, oder nicht, es war mir wirklich egal.

Was mir nicht egal war, war dieses furchtbare Knistern und Knastern in meiner Brust und meinem Magen. Wie eine Horde wild umher huschender Bienen: Rauf, runter. Links, rechts. Kreuz, quer.

Und dieses Grinsen!

Ich schlug die Hände vor mein brennendes Gesicht.

Dieses breite, unschuldige Grinsen was er immer aufsetzte, wenn er sich gerade ehrlich über oder auf etwas freute oder genau wusste, dass er Mist verzapft hatte. Es lief übrigens meistens auf Zweiteres hinaus. Ich hasste es! Denn man kann doch keinem Honigkuchenpferd böse sein! Das ist voll unfair!

Mit einem weiteren Seufzer setzte ich mich auf, klappte das Kästchen zu und verstaute es mit einem leisen Lachen wieder in der Gitarrentasche.

Dann schaute ich in den großen Spiegel. Meine Gedanken versuchten immer noch herauszufinden, was mein eigener Kopf mir zurufen will, als ich meinen Lidstrich zog und meine Wimpern tuschte. Bei meinen Haaren verfiel ich fast in Raserei. Es hielt nichts. Jeder Dutt zerfranselte, mein Pony fiel heraus und ohne ein Kilo Haarspray war ich mir irgendwann sicher, würde nichts funktionieren: 'Ich benutze nie mehr Amys Shampoo! Nie, nie wieder!'

'Was hast du eigentlich für Probleme?', antwortete ich mir selber in meinem Kopf: 'Du hängst hier in einer Villa voller Sensenmänner und Dämonen rum und machst dir nur Sorgen um deine Frisur? Gönn' dir. Aber beschwer' dich nicht, wenn's mächtig nach hinten los gegangen ist.'

Ich seufzte: 'Könntest du bitte die Klappe halten?'

'Ich bin du. Sag's dir selbst'.

Ich schaute mir im Spiegel selbst ins Gesicht und warf mir einen verständnislosen Blick zu: 'Hab ich. Warum redest du also weiter?'

'Ich bin du. Sag du's mir.'

„AH!“, fiel mein Kopf mit einem Krachen auf die Kommode: „Das kann doch nicht wahr sein!“

Nach ein paar Minuten hob ich wieder den Kopf und schaute mir ein weiteres Mal im Spiegel selbst ins Gesicht: „Ich bin vollkommen Loco...“

Ich band mein Haargummi ums Handgelenk und ließ meine Haare einfach offen, als ich mich auf dem Weg zur Türe machte.

Als ich die Klinke herunter drückte, legte ich noch mal den Kopf schief: 'Wer ist wohl nebenan? Vielleicht ist es Amys Zimmer. Ich hoffe ihr geht es gut...'

Schließlich wusste ich nicht genau wie das Intermezzo mit Claude geendet hatte.

Doch ich war mir sicher sowohl Sebastian, als auch Undertaker, wären nicht so gelassen gewesen, wäre Amy ernsthaft verletzt worden.

Wie vom Butler instruiert klopfte ich an die Türe rechts neben meiner.

Nichts.

Nach einer kleinen Weile klopfte ich wieder.

Dieses Mal ging nach ein paar Sekunden die Türe auf.

Das Zimmer gehörte nicht zu Amy... Welch Wunder...

Denn mir fiel als aller erstes ein Schwall silberner Haare entgegen.

Ein paar grüne Augen blinzelten mich reichlich verschlafen an und die langen Haare waren mehr als nur verwuschelt. Sein schwarzes Hemd war zerknuffelt und hing halb aus der schlicht schwarzen Hose heraus, während er halb auf der Türklinke hing um sich mit dem rechten seiner nackten Füße die linke Wade zu kratzten. Mit der rechten Hand rieb er sich gähnend über die nur halb geöffneten grell-grünen Augen.

„Oh. Ehehehe! Guten Morgen“, grinsten mir zwei altbekannte Lippen entgegen.

Ich blinzelte und musste grinsen. Ich hatte den Bestatter noch nie mit einer so konfusen Frisur gesehen! Ok, abgesehen von Merkenaus Nestbauaktion vor ein paar Tagen. Aber das waren es nur ein paar Haare am Hinterkopf gewesen. Gerade allerdings wirkte seine lange Mähne eher wie ein Wollknäuel, an dem sich eine hyperaktive Katze gütig getan hatte. In den Särgen, in denen er ansonsten zu schlafen pflegte und generell für meinen Geschmack viel zu viel Zeit verbrachte, war wohl nicht genug Platz um sich hin und her zu drehen und so die Frisur zu versauen. Vor allem da die Särge in denen er unterkam nicht zwingend lagen. Wie er im stehen schlafen konnte, war mir ja nach wie vor vollkommen schleierhaft.

Meine Hand wanderte zu meinem Mund und drückte auf meine Lippen, als ich anfangen musste zu kichern.

Undertaker legte den aus der Tür luckenden Kopf schief und seine Stimme kratzte schon wieder schlafschwer: „Worüber lachst du? Hehe.“

Ich zeigte auf ihn: „Du siehst aus, als hätte man dich mit dem Hammer gebürstet!“

Er lachte. Zum ersten Mal realisierte ich, dass er dabei einen Nasenwinkel in Falten zog: 'Oh... mein... Gott... ist... das... s-s-s-s-s-süß...!'

Die zweite Stimme in meinem Kopf hob den Zeigefinger und holte Luft.

„Pssst!“, fauchte ich sie an.

Sie ließ den Zeigefinger sinken. Danach schüttelte sie vielsagend den Kopf.

„Hö? Was hast du? Hehe.“

Mein Kopf flog wieder zu Undertaker, da ich ihn nach schräg unten gedrehte hatte um mich selber an zu fauchen. Mit großen Augen realisierte ich, dass ich mich im Übrigen laut und nicht in Gedanken angefaucht hatte. Ich verstand das Kopfschütteln meines Ich-diskutiere-mit-mir-selber-Ichs schlagartig. Es traf mich auf jeden Fall wie ein Schlag: 'Fuck! Fuck! Fu~uck!!'

„Nichts...“, piepste ich und merkte prompt die Schamesröte in meinem Gesicht.

Undertaker stützte sich auf die Klinke und streckte mir seine Nase ins Gesicht: „Sicher? Hehe“, fragte er gedehnt und wie üblich, wenn ich über mich selbst stolperte, reichlich belustigt.

Ich nickte hastig: „Ja! Ähähähä! Alles bestens! Hähä...“

Sein Kopf kippte zur Seite und mit zweimal blinzeln signalisierte mir der Bestatter, dass mein debiles Lachen definitiv nicht überzeugend gewesen war: „Ehehe! Wenn du es sagst. Was möchtest du hier? Ich meine, es gibt definitiv schlimmeres als von einem hübschen, jungen Ding geweckt zu werden, aber ich tippe ganz so uneigennützig ist dein Auftauchen nicht.“

Ich blinzelte immer noch knallrot im Gesicht: „Sebastian hat dich nicht geweckt?“

Ich hatte irgendwie das Gefühl, dass der Butler immer seine morgendliche Runde durch alle Zimmer drehte und alle persönlich aus den Federn warf.

„Oh doch“, Undertaker lachte. Er dachte des Weiteren nicht daran seine Nase aus meinem Gesicht zu nehmen: „Tihihihihi! Schon vor einer ganzen Weile.“

„Aber?“, fragte ich gedehnt, bemüht von meiner peinlichen Aktion abzulenken und aufgrund von Undertakers fesselnd grünen Augen nicht zu stottern. Ehrlich... diese Augen machten mich fertig. Jedes verdammte Mal!

Undertaker lachte wieder: „Ich habe mich danach noch einmal hingelegt. Hehe!“

„Pragmatisch. Das ist wie lange her?“

Der Bestatter zog den Kopf zurück, beugte sich ein ganzes Stück nach hinten und schaute an der Türe vorbei in sein Zimmer. Er reckte seinen Kopf nach vorne und ich sah durch sein Chaos von Pony, dass er die Augen zusammenzog: „Ööööhm... Ehehehehe! Ich würde es dir sagen, könnte ich die Uhr erkennen!“

Ich seufzte. Dann kicherte ich und schob den Kopf ein Stück in sein Zimmer: „09:13 Uhr.“

Wir schauten gleichzeitig dem anderen wieder ins Gesicht.

Ich hatte gar nicht gemerkt wie nah ich seiner Nase gekommen war.

Meine Wangen wurden immer wärmer, während mir der Totengräber, wenn auch reichlich verpennt, entgegen grinste.

„Tehehehe! Vor 3 Stunden“, lachte Undertaker schließlich.

Ich versuchte angestrengt meine Augen von seiner grellen Iris wegzubekommen, vergeblich übrigens, und mich auf das wesentliche zu konzentrieren: „Vor 3 Stunden?... Dann... bist du noch nicht lange auf dem Zimmer, oder?“

Lachend zuckte Undertaker mit den Kopf: „Ehehehe! Nein. Knappe 2 Stunden.“

Ich zog meinen Kopf wieder aus dem Zimmer: „Oh...“

Der Bestatter giggelte weiter und unterbrach so meine Entschuldigung, die eigentlich noch folgen sollte: „Tihihihi! Doch nun sag. Was möchtest du von mir?“

„Ähm...“, begann ich wieder außerordentlich intelligent... nicht: „Sebastian meinte ich soll hier klopfen, wenn ich zum Frühstück finden will...“

Undertaker lachte: „Hehehe! Wenn es sonst nichts ist. Ich mache mich nur kurz ausgehtauglich. Halte noch ein bisschen durch, du bist sicher hungrig.“

„Ach“, lachte ich und kratzte mich am Hinterkopf: „Nicht wirklich, lass dir Zeit.“

Die Wahrheit war, ich hatte furchtbaren Hunger. Das Letzte was ich gegessen hatte war der Geburtstagskuchen, den mir Amy gebacken hatte und das war mittlerweile 24 Stunden und eine Weltsicht her.

Ich hasste mein Leben im selben Moment.

Nicht das es genug wäre, dass ich mich generell in der Gegenwart des Totengräbers wie der letzte Trottel benahm. Nein. Jetzt meinte auch noch mein Magen Sabotage betreiben zu müssen und knurrte einmal quer durch den langen Flur. Das Echo, was die Wände zurück warfen, lachte mich mindestens genau so herzlich und ungeniert aus wie besagter Bestatter vor dem ich mich gerade mal wieder, mit Bravour, zum Affen gemacht hatte. Meine Schamesröte blühte und gedieh, als ich mehr als nur beschämt zur Boden schaute und die Hände vor mein heißes Gesicht schlug. Ich hatte mir noch nie so sehr ein Loch-to-Go gewünscht, welches ich jetzt einfach aus der Tasche auf den Boden werfen und rein springen konnte.

Undertaker hatte mittlerweile eine Augenbraue hochgezogen und schien nur reichlich angestrengt seines Lachens Herr zu bleiben: „Ehehehehehe! Ich muss nichts sagen, oder?“

Ich schüttelte vom Schicksal gepeinigt den Kopf: „Nein... bitte nicht.“

„Gut“, grinste er mir entgegen, nachdem mein Magen meine Lüge selbst enttarnt hatte: „Dann bis gleich.“

Ich winkte nur mit einer Hand und der Bestatter schloss seine Zimmertüre.

Es dauerte vielleicht 10 Minuten, da kam der silberhaarige Mann auch schon auf den Flur.

Er trug die Hose und die langen Stiefel die man von ihm gewohnt war, dazu ein schlichtes, jetzt knitterfreies, reinweißes Hemd, welches nur wenig heller war als seine viel zu blasse Haut. Am Kragen des Hemdes hing seine silberne Brille. Diese seltsamen Anhänger glänzten an seiner Hüfte und er hatte seine Haare wieder unter Kontrolle gebracht und an einer Seite zu 3 dicken Crownrows geflochten, sodass wenigstens ein Auge sichtbar war.

Ich bewahrte meinen Kiefer gerade so vorm aufklappen. Doch ich konnte es nicht unterdrücken ihn reichlich erstaunt anzublinzeln.

Ich war mittlerweile wirklich der Meinung, dass Undertaker einer der attraktivsten Männer war die ich kannte. Schon alleine weil er so ungewöhnlich aussah. Seine Narben störten sein Erscheinungsbild nicht im Geringsten, was mich immer wieder verwunderte und seine schmalen Augen hatten, abgesehen von der Farbe, etwas an sich was ich einfach nicht beschreiben konnte. Ich hatte sie schon so oft (unbewusst!) angestarrt, doch ich war noch nicht dahinter gestiegen was es war. Des Weiteren hatte er eine ganz komische Art sich zurecht zu machen. Es wirkte wie eine komische Mischung aus totalem Desinteresse in sein äußeres Erscheinungsbild und wohl überlegten Akzenten. Immer mal wieder bewies der Mann zumindest, dass er sehr wohl wusste etwas aus sich zu machen. Wie jetzt gerade. Diese Frisur brachte mich total aus dem Konzept, was in einem so hohen Maße ungewohnt wie dämlich war, dass ich schon fast Angst davor bekam. Meine Wangen wurden aus mir vollkommen undefinierbaren Gründen wieder warm und mein Herz machte einen Satz, bevor es zu hämmern begann.

„Alles ok?“, legte Undertaker grinsend den Kopf schief.

Ich nickte: „Ääähm... klar!“, dann schaute ich zur Seite und gab mir einen kleinen Ruck: „Das... Die Frisur steht dir... und so...“

Ich wusste nicht warum es mir so schwer fiel dem Leichengräber ein Kompliment zu machen.

A) Machte er mir ständig welche.

B) Mochte ich ihn doch.

Ich kam in letzter Zeit irgendwie öfter in die Bredouille mein eigenes Problem nicht zu verstehen, was mehr als nur befremdlich war.

„Ehehe. Und so?“

Meine Augen wanderten unruhig durch den Raum und überall dorthin wo der Bestatter nicht stand: „Ja... Das könntest du öfter... so machen.“

Ein gewohnt schrilles Lachen flog kurz durch den düsteren Flur und war dreimal lauter, weil es von den Wänden hin und her geworfen wurde: „Ehehehehe! Danke! Ein Kompliment aus deinem Mund ist viel wert.“

Mein Kopf flog mit einer erhobenen Augenbraue zu dem Totengräber: 'Wus?!'

Doch er stand schon nicht mehr dort. Ich schaute mich hastig um und sah den hochgewachsenen Mann den Flur hinunter gehen. Mich irritierte allerdings die totale Abwesenheit von Schritten. Die Lackstiefel des Leichengräbers hatten für einen Mann erstaunlich hohe Absätze und müssten auf dem Boden klickern. Aber das taten sie nicht. Er wirkte eher wie ein Geist, als er lautlos und so unsagbar blass den Flur hinunter lief.

Ich schloss laufend zu ihm auf. Meine flachen Sohlen machten in Vergleich zu Undertakers stummen Absätzen einen fürchterlichen Krach.

Als ich an seiner Seite angekommen war, ging ich wieder normal: „Verschwinde doch nicht einfach so!“

Er kicherte: „Hihihi. Ich bin doch nicht verschwunden.“

„Du bist einfach abgehauen! Wortlos!“

„Ich wollte mich beeilen. Du bist es schließlich, die so furchtbar Hunger hat. Hehe.“

Ich verschränkte im Gehen die Arme und schaute provokant vom Bestatter weg: „So schlimm ist es auch nicht...“

Undertaker räusperte sich nur und ich warf ergebend die Arme in die Luft: „Ok, ok! Ich habe Hunger! Zufrieden?! Aber das legitimiert nicht geräuschlos abzuziehen und mich in der Gegend stehen zu lassen!“

„Ich habe dich weder 'stehen lassen', noch bin ich 'geräuschlos abgezogen'. Ich gehe doch hier, oder? Hätte ich gewollt, dass du mich nicht findest, würdest du mich jetzt immer noch suchen. Hehehehe!“

„Natürlich. Was bist du? Ein Geist? Also ehr...“, machte ich und drehte den Kopf zu ihm, nur um im selben Moment meinen Augen nicht mehr zu trauen, mich irritiert umzuschauen und stehen zubleiben: „...Undertaker?“

'Das gibt es doch nicht!!', ich suchte mit den Augen den ganzen dunklen Flur ab: „Undertaker, wo bist du?“

Er war verschwunden! Einfach so! Ich sah und hörte ihn nicht. Er war puff und weg, nur eben ohne puff!

„Das ist voll nicht komisch!“, rief ich und lief schnellen Schrittes auf den helleren Teil des Flures zu: „Ich hab keinen Ahnung wo ich bin, geschweige denn wo ich hin soll! Wo bist du?! Undertaker?!“

Ich verließ den Teil der Flure, der auf beiden Seiten von Türen gesäumt war und betrat einen freundlichen, durch einige große Fenster erleuchteten Gang. Vor einer Treppe blieb ich stehen und beugte mich über das Geländer um zu überprüfen, ob der Bestatter vielleicht am Fuß der Treppe war. War er nicht.

„Mach keinen Mist!“, rief ich mit hängendem Kopf: „Es ist gut, ich ergebe mich! Du hast gewonnen! Du kannst einfach verschwinden! Jetzt komm zurück, Houdini! Oder werf' mir wenigstens Karte und Kompass gegen den Kopf!“

Nichts.

„Undertaker! Es tut mir leid! Jetzt hör schon auf damit!“

Nichts.

„Undertaker! Komm schon! Bitte!“

Nichts.

Ich ließ die Schultern hängen. Im selben Moment knurrte mein Magen wieder und ich legte eine Hand darauf: „Dann muss ich wohl selber irgendwie zurecht kommen...“

Ich drehte mich um. Meine Nase tippte gegen eine andere: „Buh!“

Mit einem spitzen Schrei hüpfte ich zwei Schritte nach hinten. Doofe Idee. Dort war nämlich das Geländer.

Mit wedelnden Armen kämpfte ich dagegen das Gleichgewicht zu verlieren. Meine Hände griffen wahllos in die Luft und bekamen tatsächlich etwas zu fassen: Die goldene Kette mit den Anhängern um Undertakers Hüfte. Doch ich war zu schwer. Der Verschluss quittierte den Dienst und ich rasselte, die Kette in der rechten Hand, rücklings über das Geländer.

Ich konnte noch nicht mal schreien, denn es ging alles viel zu schnell und ich war noch viel zu erschrocken. Ich wusste nur, dass der Fall nicht das Schlimmste an der Sache sein würde. Sondern eher sein Ende: 'Das wird furchtbar weh tun! Scheiße!'

Ich kniff die Augen zusammen und krampfte meine Hand so fest um die Kette des Totengräbers, dass meine Knöchel weiß wurden. Ich war auf den nahenden Schmerz vorbeireitet, doch... er blieb aus.

Mein Fall stoppte ganz sanft und als ich die Augen öffnete fand ich mich in den Armen des einzigartigen Totengräbers wieder.

Er grinste mir entgegen: „Du bist viel zu schreckhaft. Ehehehe!“

Ich blinzelte ihn an als sowohl die Erkenntnis, dass ich noch lebe, als auch die Erkenntnis, dass er mich auf dem Arm hatte und seine Nasenspitze nur Millimeter von meiner entfernt war, durch meine Gehirnwindungen krochen. Mein Herz wankte irgendwo zwischen Höchstleistung und Infarkt und ich spürte wie die Hitze mir von unten ins Gesicht stieg, als ich den Bestatter vollkommen apathisch in die herrlich grünen Augen starrte. Mal wieder.

„Du... Du Esel!“, rief ich aus und strampelte wütend mit Armen und Beinen. Ich war ihm nicht dankbar mich aufgefangen zu haben! Nicht annähernd! Denn ohne ihn hätte ich gar nicht erst den Abgang gemacht: „Hast du eigentlich noch alle Latten am Zaun?! Schindeln am Dach?! Tassen im Schrank?! Piepmätze im Käfig?! Ich glaub es hackt bei dir!“

Doch Undertaker lachte mich nur an: „Ahahahahahahaha! Nein, wahrscheinlich nicht. Aber wie du mit den Armen wedelst ist zu herrlich!“

Ohne darüber nachzudenken griff ich zwei dicke Strähnen seiner Haare und legte sie ihm um den Hals. Dann zog ich: „Was ist bei dir eigentlich schief gegangen?! Du bist auch auf dem Weg zur Erleuchtung falsch abgebogen und bei der geistigen Umnachtung gestrandet, oder?! Wenn du denkst du bist jetzt für mich ein glänzender Held hast du dich mächtig geschnitten, klar?! Ich fass' es nicht!“

Undertaker lachte weiter, ungeachtet der Tatsache, dass ich gerade versuchte ihn mit seinen eigenen Haaren zu erdrosseln: „Das war eine Lektion. Ehehehehehehe!“

Ich ließ seine Haare los und warf verständnislos die Hände nach vorne: „Mich das Geländer runter zu befördern war eine Lektion?! Für was denn bitte?!“

„Du hast mich angelogen“, Undertakers Grinsen wurde kleiner, was mein Herz schmerzhaft stocken ließ und meinen Ärger durch ein anderes viel unangenehmeres und viel undefinierbareres Gefühl ersetzte. Es war fast wie Schock, nur... anders. Es setzte mir einen riesigen Kloß in den Hals und ich verfiel in ein geschocktes Glotzen und Starren.

„Wiederholt“, setzte Undertaker hinterher, während ich ihn mit weiten Augen musterte.

Meine Augen wanderten weg von ihm, als dieses Gefühl schlimmer wurde und sich mit Scham und schlechten Gewissens mischte: „Es... tut mir leid, ich... wollte... “

„Jaaa?“

„Ich“, ich stockte und hob unwillkürlich die Hand vor die Brust, die noch immer die Kette hielt: „Ich wollte dich nicht hetzen....“

Der Bestatter lachte wieder wie gewohnt, was den großen Knoten in meiner Brust nicht platzen ließ, aber etwas lockerte. Ich wollte nicht, dass er sauer auf mich war,... oder von mir enttäuscht.

„Zwischen 'Nicht trödeln'“, lächelte er mir aufmunternd entgegen: „Und 'hetzen' besteht ein kleiner aber feiner Unterschied, meine schöne Puppe.“

„Du wirktest noch so müde und...“, ich hob beide Zeigefinger und deutete damit immer wieder durch die Luft, um die Kausalkette in meiner Erklärung zu unterstreichen. Die es nicht gab. Deswegen liefen meine Hände genauso Gefahr sich zu verknoten, wie meine wirren Erklärungen: „Ich hab dich geweckt obwohl ich wusste, dass du wegen mir die letzten Wochen schon so wenig geschlafen hast und ich will nicht, dass du so wenig schläfst... und.. und ich glaube du schläfst generell schon zu wenig und dann komm ich und wecke dich, obwohl du schon im Sitzen einschläfst und.. und... gestern Nacht hast du dir auch wegen mir um die Ohren gehauen... Das war nicht nötig!... Das war ultra nett von dir und so und versteh mich nicht falsch, aber du hättest nur sagen müssen, dass du müde bist und dann... hätten wir halt erst heute geredet... und... und das du so kaputt bist, das...“, ich verschränkte meine beiden Zeigefinger, als mir das Wirr Warr selbst mehr als nur überdeutlich bewusst geworden war: „Das will ich nicht.“

Undertaker musterte mich mit blinzelnden Augen und einem mehr als nur belustigten Lächeln auf dem Gesicht, als er es tatsächlich geschafft zu haben schien mir zu folgen. Das hatte ich selber nicht geschafft.

„Mach dir um mich keine Sorgen“, grinste der Bestatter: „Wenn irgendetwas nicht in Ordnung ist, werde ich mich melden. Wusstest du überhaupt, dass es mein Zimmer war?“

Ich schüttelte den Kopf: „Nein... Sebastian meinte ich solle da klopfen und verschwand.“

Undertaker lachte: „Dieses gewiefte kleine Schlitzohr von Dämon.“

„Gewieft? Warum?“, drehte ich mein Kopf wieder zum Bestatter.

Undertaker giggelte: „Hihi. Ach, nicht wichtig. Wenn du nicht wusstest, dass ich in dem Zimmer schlafe, warum in drei Gottesnamen hast du dann ein schlechtes Gewissen? Sebastian hat dich benutzt um mich aus dem Bett zu werfen. Das ist wenn seine Schuld und nicht deine“, dann zog der Totengräber wieder dieses unfair süße, zahnvolle Grinsen auf: „Und genau genommen ist es meine, weil ich beim ersten Mal ein wenig zickig war, als ich geweckt worden bin. Hehe!“

„Es ist nur“, ratterte es in meinem Kopf, als dieses Grinsen mal wieder meine Gedanken über den Haufen warf: „Also... ich meine... ich.“

„Sky?“, kicherte der Bestatter.

„Hm?“

„Wenn dir nichts einfällt, sag auch einfach nichts. Ehehehe!“

„Du hast Recht...“

„Und noch etwas. Ich stelle heute auch eine Regel auf. Ehehehe!“

Mir schwante mehr als nur viel Übles. Das klang ungut. Für mich, nicht für ihn. Ich zog in der Erwartung aller Dinge eine Augenbraue hoch: „Regel?“

„Hehehe. Ja“, grinste Undertaker weiter: „So wie du mich kitzeln darfst, wenn ich dich erschrecke, wird dir ab sofort immer irgendetwas sehr Unerwartetes passieren solltest du mich belügen. Ehehe.“

Ich zog die Augenbrauen zusammen und ließ den Kopf hängen: „Und ich tippe du hast dafür eine Mannigfaltigkeit an Möglichkeiten, richtig?“

„Oh ja. Hehehe!“

„Ich bin geliefert...“

Mein Blick fiel auf die Anhänger. Dann fiel mir auf, dass Undertaker mich immer noch auf den Arm hatte: „Und... du... kannst mich ruhig runter lassen...“

Der Bestatter lachte und stellte mich auf die Füße. Ich beschaute die Kette. Der Verschluss war total auseinander gebogen.

Ich seufzte: „Es tut mir Leid... Ich hab deine Kette kaputt gemacht...“

Doch der Totengräber lächelte warm und nahm sie mir behutsam aus der Hand. Er musterte sie eine Zeitlang. Ich sprach nicht, denn Undertaker wirkte nicht so als würde er mich hören. Ich musterte sein Gesicht, was wieder irgendwie furchtbar schwer und traurig wirkte. Diesen Ausdruck trug er nicht oft, aber wenn piekste er mir ganz unangenehm ins Herz. Denn dieser Ausdruck wirkte immer irgendwie gepeinigt und unterschwellig schmerzerfüllt. Was schmerzt einem Wesen wie ihm? Und was hat das mit dieser Kette zu tun?

„Hehehehe!“, lachte er irgendwann und grinste mir entgegen: „Ach quatsch. Das krieg ich wieder hin, ist nicht das erste Mal.“

„Wie...?“

„Äh“, machte er, legte sich die Kette über die Schulter und lachte irgendwie komisch. Es wirkte als wolle er überspielen, dass ich ihn mit irgendetwas kalt erwischt hatte: „Ähehehe! Nicht so wichtig.“

Ich zog die Augen zusammen und schaute ihn eindringlich an: „Okay...“

Dann hallte ein weiteres lautes Knurren durch die Eingangshalle in der ich gelandet war.

Ich schlang die Arme um meinen Bauch und schaute peinlich berührt zu Boden.

„Wir haben es gleich geschafft“, lachte der Totengräber gewohnt amüsiert.

Schweigend ging ich neben dem großen Mann her und fühlte mich gelinde gesagt immer noch wie der letzte Trottel. In jeder Hinsicht.

Irgendwie nervös wie ich war, fing ich wieder an an meinen Haaren herumzuwerkeln. Im Gehen versuchte ich einen geflochtenen Zopf hinzubekommen. Nicht, dass diese Bemühung von Erfolg gekrönt gewesen wäre. Es war auch mehr zur Prävention weiterer peinlicher Situationen gedacht.

Mit einem frustrierte Seufzen wuschelte ich mir irgendwann durch die Haare: „NA! Diese blöden Dinger!“, ich pustete resigniert ein paar der mir wild im Gesicht hängenden Haare von meinem Mund: „Ich schneid' sie mir ab!“

„Was?!“, mein Kopf fuhr zu dem Totengräber, der gerade so geschockt ausgerufen hatte: „Bist du vollkommen verrückt geworden?!“

Ich blinzelte ihn durch meine Haare an, zu perplex um sie mir aus dem Gesicht zu wischen: „Weißt du... wenn du das fragst klingt das irgendwie... komisch... aber abgesehen davon... warum fragst du?“

„Die sind wunderschön!“, rief der Bestatter aus und ich glotzte ihn noch viel dämlicher an. Jetzt wollte ich meine Haare gar nicht aus dem Gesicht wischen, weil sie meine Purpurröte versteckten.

Ich schaffte es mein Gesicht weg zu drehen: „Die machen nie was ich will... und sehen dadurch immer voll furchtbar aus...“

„Hast du eine Meise?“, lachte der Bestatter.

Ich schaute ihn mit erhobener Augenbraue wieder an: „Ich bin immer noch der Meinung, dass du so etwas nicht fragen solltest...“

„Hehehe. Warum?“

Ich zog beide Augenbrauen hoch: „Weil du definitiv eine Meise hast. Nen ganzen Schwarm sogar.“

Undertaker lachte durch den ganzen Flur: „Ich habe nichts um dem zu widersprechen! Pahahahaha!“, dann grinste er mich an: „Aber was dich angeht hab ich eine Idee.“

Ich blieb stehen und legte den Kopf schief: „Hast du?“

Undertaker nickte einmal: „Oh ja.“

Dann streckte er seine langen Hände auf und fuhr damit wie mit einer Bürste durch meine Haarsträhnen. Der griff seiner Finger war erstaunlich sanft, auch wenn es ziepte, hier und da, da ich mir mit dem Wuscheln einige Haare verknotet hatte. Nach einer kleinen Weil hatte Undertaker meine Haare mit seinen langen Fingern zurecht gelegt.

„Perfekt!“, grinste er zufrieden und zog seine Hände zurück.

„Aber“, ich legte meinen Kopf schon wieder schief: „Du hast sie nur entwuschelt und gelegt. Sie sind einfach nur offen.“

„Hehehe. Exakt“, wandte sich der Totengräber wieder zum Gehen und schaute über seine Schulter: „So sehen sie halt am Besten aus.“

Ich schaute weg und legte kurz nervös meinen Finger an die Lippen, als ich schüchtern kichern musste. Ich ignorierte meine eigene Frage, warum ich das tun musste, denn Undertaker hatte schon wieder einige Schritte Vorsprung.

Also verschränkte ich meine Hände hinter dem Rücken und lief ihm hinterher.

Schweigend gingen wir noch 2 Minuten durch einen Flur, dann öffnete Undertaker eine große Flügeltür mit großen Milchglasscheiben, in denen fein einige Eisblumen eingeätzt wurden waren.

Der Raum hinter der Tür stellte sich als Wintergarten heraus. Er war groß, viele grüne Pflanzen fanden darin Platz und Kieswege führten durch die Artenvielfalt des herrlichen Grüns.

Ich blinzelte: „Wow...“

Undertaker lachte: „Ja ja, die Earls Phantomhive verstehen etwas vom guten Leben.“

Dann ging der hochgewachsenen Mann weiter. Auch auf dem Kiesbett hörte man nicht einen Schritt. Das war schon fast gruselig. Andererseits hatte der Totengräber definitiv grusligere Eigenschaften.

Ich seufzte stumm und ging ihm hinterher. Aus meinen Schritten resultierte ein mahlendes Knurren und Knirschen, so laut, dass ich mich fühlte wie ein Elefant.

Ich hörte Stimmen. Viele Stimmen die sich amüsiert unterhielten. Lachen flog durch das von der goldenen Herbstsonne erhellte Gewächshaus und sickerte in mein Herz. Das unterschwellig beklemmende Gefühl, was die letzten 24 Stunden in mein Herz gepflanzt hatten, verschwand nun ein weiteres Stück. Doch ganz verschwinden tat es nicht.

Dämonen... Sensenmänner... Und das Schicksal meiner besten Freundin war von ihrer Geburt an damit verstrickt gewesen und ich... ich hatte nicht den Hauch einer Ahnung gehabt. Ich war ja eine ganz tolle Freundin... nicht.

Ein nun deutlich hörbares Seufzen entfuhr meinen Lippen.

„Oh weh“, machte es halb lachend neben mir: „Hehehe. Warum dieses lange Gesicht?“

Ich legte den Kopf schief: „Ich... hätte etwas merken müssen...“

„Hehehe. Weshalb?“, lachte Undertaker: „Falls es bei dir nicht richtig angekommen ist: Wir haben es versteckt gehalten. Es verheimlicht. Niemand sollte dahinter kommen.“

„Aber“, ich ließ Kopf und Schultern hängen: „Es geht um Amy... Ich habe mich ihre beste Freundin geschimpft und nichts davon gemerkt...“

„Was hat das denn damit zu tun, dass Amy deine beste Freundin ist? Auch Amy war immer angehalten ihre ungewöhnlichen Lebensumstände zu verstecken. Weißt du warum die Phantomhivekinder auf ein Internat gehen, obwohl die Familie sich hunderte der besten Privatlehrer leisten könnte?“

Ich schaute Undertaker an: „Nein... weiß ich nicht. Ich weiß so vieles nicht.“

Er tippte mir lachend auf die Nase: „Hehehe! Und das ist auch gar nicht schlimm, meine schöne Puppe. Die Phantomhives schicken ihre Kinder auf das Internat, um ihnen die Chance zu geben sich wie ganz normale junge Menschen zu fühlen. Glaube mir, das ist auch den Kindern eine Menge wert. Sie haben ganz normale Freunde, den ganz normalen Schulstress. Sie schwärmen für Schüler der anderen Schule, streiten sich mit den Lehrern herum und haben in den Ferien eine Menge zu erzählen, während ihr dämonischer Butler ihnen Tee serviert. Menschen wie du sind wichtig für die Phantomhives.“

„Ich“, ich schlug die Augen nieder: „... und wichtig?“

Eine Hand zog mich in eine halbe Umarmung, die mich hoch blinzeln ließ.

„Natürlich“, lächelte mich der Bestatter an: „Amy wollte gar nicht von deiner Seite weichen. Sebastian hatte seine liebe Mühe sie ins Bett zu stecken.“

„... Wirklich?“

„Hehehe! Aber ja doch! Ich war doch die ganze Zeit da und habe es persönlich mitbekommen.“

„Du...“, ich blinzelte: „Hast tatsächlich die ganze Zeit an meinem Bett gesessen?“

Undertaker nickte grinsend: „Natürlich.“

„Aber... warum?“

Sein Lächeln wurde viel wärmer, als seine grünen Augen in meine schauten: „Weil du auch für mich wichtig bist und ich auch sichergehen wollte, dass du in Ordnung bist.“

Mit roten Wangen schaute ich weg.

„Sky!“, ließ mich eine bekannte Stimme aufschauen.

Vor mir erstreckte sich in Mitten der hohen Pflanzen eine kleine Tafel unter einem weißen Tischtuch. An den Seiten standen 12 Stühle. Einer vor Kopf. Dort saß Alexander und lächelte mir väterlich entgegen. Zu seiner Rechten saß seine Frau, die mich ebenso mütterlich erleichtert musterte. Zu seiner linken Fred und daneben Amy. Die zwei Plätze neben Amy waren Leer, dann saß dort Lee und ein weiterer freier Platz.

Auf der anderen Seite saß neben Heather Frank, daneben Charlie, Grell, Ronald und William. Sebastian saß nicht. Er stand treu zu der Rechten seines Meisters. Seine rostroten Augen funkelten uns kalt entgegen.

Amy war aufgehüpft und auf mich zugelaufen: „Es geht dir gut!“

Undertakers Arm um meine Schultern verschwand und ich breitete meine Arme aus, um meine so erleichtert wirkende bessere Hälfte in Empfang zu nehmen: „Aber natürlich. Kein Grund zur Sorge!“

„Kein Grund zur Sorge?!“, rief Amy und brachte eine Armlänge Abstand zwischen uns, doch ohne mich loszulassen: „Ich hab noch nicht den Absatz eines Dämons im Gesicht hängen gehabt und ich kann auch getrost darauf verzichten!“

Dann starrte Amy mich an. In ihren Augen kroch die Erkenntnis ihres Fehlers: „Ich meine...“, stammelte sie: „Also Claude.. er...“

„Ist ein Dämon“, lachte ich ihr entgegen: „Genau wie Sebastian!“

Amy klappte der Mund auf: „Du...?“

„Grell, Ronald, William und Undertaker sind Sensenmänner und die Familien von Lee, Charlie und Frank sind schon seit Generationen 'Aristokraten des Bösen'.“

Amy blinzelte.

Ich lachte: „Wie mache ich mich?“

Alexander klatschte lachend in die Hände: „Vorzüglich!“

„Du erhältst 300 Gummipunkte“, kichert Lee.

„Aber sei vorsichtig“, grinste Charlie und Franks Augen wanderten in Erwartung von irgendetwas unerfreulichen zu ihm: „Bei 500 gewinnst du eine Waschmaschine.“

Frank verdrehte seufzend die Augen, als er die Arme verschränkte.

Ich musste kichern. Amys Kopf flog zwischen mir und ihrem Vater hin und her: „Aber woher...?“

Ich kicherte lauter und zeigte mit einer Hand auf Undertaker. Dieser winkte Amy zu, als sie zu ihm schaute.

Amy seufzte fast resigniert: „Ich hätt's mir denken können. Und ich dachte schon ich hab mich verquatscht.“

Ich holte gerade Luft um etwas einzuwerfen, da unterbrach mein Magen mich wieder reichlich unelegant. Das laute Knurren füllte den ganzen Wintergarten und es brach eine unendlich peinlich, abrupte Stille über die gesamte Gruppe ein. Ich ließ den Kopf hängen. Dann hörte ich verschiedene Stimmen kichern.

Amy nahm mich bei der Hand: „Das klingt ja akut. Komm! Zeit, dass du was zwischen die Zähne bekommst!“

Ich hielt mir mit einer Hand den ziependen Bauch, als ich Amy schon fast hinterher flog. Ich hatte zwar unglaublichen Hunger, doch nach Essen war mir irgendwie mal wieder ganz und gar nicht. Ich hätte von mir aus tatsächlich gerade nichts gegessen. Die Anwesenheit dieser ganzen Leute band mir den Magen zu. Die Anwesenheit dieser ganzen Wesen machte mich unruhig.

Amy setzte mich auf den Platz neben sich. Lee winkte mir kurz zu. Ich winkte zurück und kurz darauf hatte sich auch schon Undertaker neben mir niedergelassen.

Eigentlich saß ich zwischen meinen zwei Lieblingsmenschen... Wesen... Was auch immer... aber ich hatte irgendwie das Gefühl, dass die beiden ein albtraumhaft gutes Duo abgeben können. Addierte man dazu noch mein Karma, kam unterm Strich nur eine Sache heraus: Ich sollte wieder ins Bett gehen...

Charlie, der mir gegenüber saß, lächelte mich aufmunternd an und hielt mir eine silberne Palette hin. Darauf lag ein großer Haufen Rührei. Ich habe selten ein so simples Gericht so gut riechend erlebt. Aber mein Magen zog sich abrupt zusammen. Es zwickte ganz furchtbar und ich legte leise ächzend meine Hand auf meinen leeren Bauch.

Ich hatte zu Essen ein komisches Verhältnis.

Es gab Tage, da konnte ich ohne Pause essen, nichts war vor mir sicher und mein Magen ein Fass ohne Boden. Doch immer öfter gab es Tage wo ich morgens begann an einer Erdbeere herum zu knabbern, es über Stunden hinaus zog und abends das Gefühl habe, ich hatte mich furchtbar überfressen. Der heutige Tag gehörte definitiv zur zweiten Kategorie. Amy hasste sie. Sie bekam immer einen halben Anfall, wenn ich von jetzt auf gleich mit dem Essen aufhörte. Aber ich konnte nichts dagegen tun! Ich konnte manchmal einfach nicht essen! Doch die Phantomhive akzeptierte das nicht. So auch heute. Als ich nichts sagte griff sie das Tablett und schaufelte den Teller vor mir voll mit Rührei: „Guten Appetit!“

Ich bekam fast einen Herzanfall: „Amy! Stopp! Gott! Wer soll das denn alles essen!“

„Na“, lachte es neben mir: „Hehehe! Du!“

Ich schaute Undertaker an: „Das schaff ich nicht alles!“

„Deswegen knurrt dein Magen auch wie ein wütendes Wildschwein!“, lachte Ronald und biss grinsend in ein dick belegtes Brötchen.

Ich schaute ihn böse an: „Wie charmant!“

„Hach ja“, Grell streckte sich melodramatisch: „Essen ist wichtig! Ansonsten schwindet deine Kraft. Mit deiner Kraft schwindet deine Schönheit“, er zwinkerte mir mit diesem scharfzahnigen Lächeln zu: „Es wäre doch eine Schande, wenn unsere Schönheit für nichts und wieder nichts vor die Hunde ginge.“

Mir klappte ein Stück der Mund auf: „Ja... genau.“

„Es ist vielleicht etwas überspitzt“, nippte William an einer Tasse und hob die Augen nicht aus der Sonntagszeitung, die er mit überschlagenen Beinen las: „Aber in Grunde hat Sutcliff schon recht.“

Das Ironische an seiner Aussage war das unberührte Käsebrötchen auf Williams Teller.

„Du“, sprach ich meinen Gedanken aus: „Isst doch selber nicht.“

„Ich habe schon zwei Brötchen gegessen“, erwiderte William trocken und seine Augen flitzten unter seiner silbernen Brille weiter über die Zeitung.

Ich seufzte: „Verdammt...“

Heather lachte: „Hier sind alle sehr gute Esser, Sky. Außer Undertaker.“

Ich drehte mich zu dem Bestatter. Dieser lachte Heather nur entgegen: „Ehehehe! Ich bin doch kein schlechter Esser! Ich esse nur andere Sachen!“

„Sehr komische Sachen“, grinste Fred leicht und bis in sein Marmeladencroissant.

„Und wie komisch!“, wedelte Lee mit seinem auf der Gabel erstochenen Rührei durch die Luft.

Ich legte den Kopf schief: „Meint ihr die Kekse?“

Frank schnaubte in seine Tasse: „Wenn es nur die Kekse wären...“

Ich zog eine Augenbraue hoch. Dann wanderte eine langfingrige Hand an mir vorbei über den Tisch und griffen ein dunkelbraunes, bauchiges Glas mit gelben Deckel und Etikette. 'Marmite' stand darauf.

Lachend schraubte Undertaker es auf. Ich konnte das Zeug ja nicht leiden. Die Farbnuance ging eher in Richtung Teer, sah schon echt nicht essbar aus und ich würde das Zeug ja eher als Mörtel oder zum Spachteln benutzten, anstatt es zu essen. Es schmeckte auch ganz furchtbar bitter und salzig. Dass das Zeug bis aufs letzte gesund sein sollte, machte diese Farbe echt nicht weg. Ich wartete eigentlich immer darauf, dass es anfing zu blubbern und eine kleine Totenkopfwolke aus einer der geplatzten schwelenden Blasen empor stieg, oder sich zwei tote Augen daraus hervor rollten. Undertaker nahm allerdings einen Löffel zur Hand und ich hob meine Augenbraue höher. Sicherlich war es einfacher das zähe Zeug mit einem Löffel auf sein Brot zu befördern. Warum auch immer man das wollte. Der Bestatter nahm also besagten Löffel und steckte es in diese 250ml Hefeabfallprodukt, was einige Menschen fälschlicherweise als Lebensmittel bezeichneten. Dann zog der Totengräber einen dick gehäuften Teelöffel dieser gustatorischen Schandtat heraus. Ich wartete darauf, dass er sich ein Brötchen oder eine Scheibe Brot griff, doch er drehte seine Hand und öffnete den Mund. Meine Augen sprangen auf: „Du willst doch nicht etwa... Oh mein Gott!“

Ich schlug die andere Hand vor die Lippen, als der Totengräber seinen Mund um den Löffel schloss und selig grinste.

„Was denn?“, drehte er seinen Kopf, immer noch den Löffel aus seinem grinsenden Mund hängend, zu mir und schaute mich verständnislos an: „Das Zeug ist super!“

Ich war sicherlich grün im Gesicht. Denn jetzt war mir so richtig schlecht: „Das... das ist...“

Undertaker zog den Löffel aus dem Mund, steckte ihn wieder in das Glas und streckte ihn dann mir entgegen: „Auch was?“

„Oh mein Gott! Nein!“, rief ich aus: „Das Zeug ist so salzig! Das ist ja pervers! Wie... wie kriegst du das herunter?! Pur?! “

„Na ganz einfach!“, lachte der Bestatter: „Löffel in den Mund nehmen und schlucken! Hehe. Hier probier es aus!“, drehte er den Löffel vor meiner Nase: „Geht ganz leicht!“

Ich nahm Amy an den Schultern. Sie schaute kurz verwirrt, schaltete aber zu spät um sich zu wehren. Ich zog sie quer über meinen Schoss und brachte sie so zwischen mir und diese braun/schwarze Abscheulichkeit: „Himmel! Geh weg damit!“

Undertaker grinste Amy an, die relativ unbeholfen zurück grinste. Er drehte den Löffel zu ihr nach unten: „Du?“

Sie schüttelte den Kopf: „Ähm, nein danke. Ich passe.“

Undertaker zuckte verständnislos mit den Schulter: „Mehr für mich“, schob er sich den Löffel in den Mund.

Ein Schaudern zog durch meinen ganzen Körper und ich ließ meinen Kopf auf Amys Rücken fallen: „Gott... wie pfui...“

„Willkommen bei den Phantomhives!“, lachte Amy unter mir.

Ich hob wieder den Kopf: „Nimm du mein Rührei...“

Amy richtete sich auf: „Du isst was!“

„Mein Appetit hat sich gerade neben meiner Weltsicht aufgehangen...“, stöhnte ich.

Während ich mit Amy diskutierte klimperte etwas neben mir. Ein paar lange Finger drehten meinen Kopf am Kinn herum. Ich erkannte die kalte Berührung sofort.

Undertaker hielt mir eine Gabel mit einem Stück Rührei vor die Nase: „Mach Ahhh. Hehe!“

„Was?!“, rief ich aus: „Du musst mich sicherlich nicht füt... Hmpf!“

Ich hätte vielleicht beim rebellieren den Mund nicht so weit aufreißen sollen, denn Undertaker steckte mir einfach die Gabel hinein. Ich blinzelte ihn mit großen Augen an und merkte die Hitze aus meinem Kragen steigen. Dieser Mann war das lebende Beispiel für die alte Weisheit 'Dreistigkeit siegt'.

Er zog die Gabel wieder auf meinen Lippen und piekste ein weiteres Stück auf, was er mir vor die Nase hielt: „Ich kann es dir auch vorkauen, wenn du vergessen hast wie das geht. Hehe!“

Aus Schreck schluckte ich das Rührei herunter ohne zu kauen: „Nein!“

Undertaker lachte: „Hehe. Am Stück schlucken geht natürlich auch.“

Ich schloss die Augen als ich merkte wie sich Schames- mit Zornesröte mischte: „Hör auf dami... Hmpf!“

Wiederholte der Totengräber das Spiel und meine Augen sprangen auf: „Du solltest dieses mal kauen, das Stück ist größer. Hehe!“

Ich starrte ihn, immer noch die Gabel die er in der Hand hielt im Mund, an und konnte einfach nicht fassen was gerade passierte. Ich bezweifle, dass Undertaker mich vorführen wollte, doch genau das machte er gerade. Das... war... so... furchtbar... PEINLICH! Wo war mein Loch-to-go, verdammt?!

Ich riss ihn die Gabel aus der Hand, kaute zweimal und schluckte hinunter. Dann haute ich ihm die Gabel ein paar Mal vor die Stirn: „Tickst du nicht mehr richtig?! Ich bin doch kein Baby!“

Undertaker griff lachend mein Handgelenk und steckte mir wieder die Nase ins Gesicht: „Hehehe. Bist du nicht. Richtig. Aber ich lasse ganz sicher nicht zu, dass du mir aus den Latschen kippst, nur weil du aus irgendwelchen mir vollkommen unerfindlichen Gründen nichts essen kannst.“

Sein Atem rollte über mein Gesicht. Er roch eigentlich immer nach Früchtetee, Minze und Zucker, hin und wieder auch nach Hundekeksen, was schon schlimm genug war, doch gerade stank er so fatal nach Hefe und Salz, dass ich mit den Augen rollte und dachte ich fiele gleich in Ohnmacht: „Das Einzige, was mich aus den Latschen kippen lässt, ist dein Marmitemundgeruch!“

Ich wurde mir spontan bewusst, dass alle am Tisch zu kichern angefangen hatte. Selbst die Zeitung, die William komplett vor sein Gesicht gehoben hatte, zitterte sanft.

Ich drückte mit einem Zeigefinger das Gesicht des Totengräbers weg und verschränkte die Arme: „Du bist ganz, ganz furchtbar!“

Neben mir knallte es. Mein Kopf flog herum. Ich erblickte Amy, deren Kopf neben ihrem Teller gelandet war und die wie von Sinnen zu lachen angefangen hatte.

„Alles ok bei dir?“, fragte ich mit hochgezogener Augenbraue, doch Amy hob nur lachend eine Hand und winkte ab.

Wieder erschien eine Gabel mit Rührei vor meiner Nase. Ich zuckte herum und hielt Undertaker meine Gabel unter seine Nase: „Lass die Gabel sinken oder du wirst es bereuen!“

Doch der Totengräber lachte nur: „Pahahahaha! Inwiefern?“

„Ich steckt dir diese Gabel irgendwo hin, wo du sie ganz sicher nicht haben willst!“

„Aha“, stützte er sein Gesicht lachend auf den anderen Arm: „Da gibt es nicht viele Stellen, aber sprich ruhig weiter. Hehe!“

Ich stockte mit großen Augen: „Wa-wa-wa-wa-was?!“

„Oh oh“, lachte Ronald: „Jetzt kommen die 'dirty details' auf den Tisch!“

Ein lautes Ratschen fuhr durch den Raum. William hatte seine Zeitung zerrissen und knallte sie mit hochrotem Kopf auf den Tisch: „Doch nicht am Esstisch!“

Ronald zuckte mit den Schultern: „Warum denn nicht? Also ich für meinen Teil... WA!“

William war aufgesprungen und hatte Ronalds Gesicht, mit seinem Fuß, in sein Brötchen auf seinen Teller befördert: „Nicht am Esstisch!“

Neben mir hörte ich Amy lachend sterbend. Ich hasste sie!

„Aber Willi!“, machte Grell: „Nicht so brutal!“

William griff sich, immer noch einen Fuß auf Ronalds Hinterkopf, ein Buttermesser und hielt es Grell ins Gesicht: „Nenne mich nicht Willi und das sind Themen über die ich einfach NICHTS hören will!“

Grell hob die Hände: „Ich ergebe mich!“, dann wackelte er mit den Augenbrauen: „Mach mit mir was du willst.“

William schüttelte empört den Kopf, nahm den Fuß von Ronalds Oberstübchen und tat einen Satz nach vorne. Grells Stuhl krachte nach hinten, als er begann kreischend vor dem, mit einem Buttermesser bewaffneten, William zu fliehen: „Doch nicht das! Nicht ins Gesicht!“

Die Beiden verschwanden und ich ließ perplex meine Gabel fallen.

Fred hatte angefangen Amy auf den Rücken zu klopfen und ein Glas Wasser für sie in der Hand: „Atmen Amy. Du musst atmen...“

„Ich...“, japste Amy lachend und immer noch mit dem Kopf auf dem Tischtuch: „Ich kann nicht!“

Fred seufzte.

Auch Alexander und Heather kicherten, während sie vielsagende Blicke tauschten.

Das Rührei erschien wieder kreisend vor meinen zuckenden Augen. Ich riss Undertaker die Gabel aus der Hand: „Lass das!“

Dann sah ich wie Lee ihm lachend eine weitere Gabel reichte.

„Hey!“, machte ich: „Hör auf mich zu sabotieren!“

„Das geht nicht!“, schüttelte Lee lachend den Kopf: „Ihr seid zu knuffig!“

„Knu-knu-knuffig?!“, ich riss Undertaker wieder die Gabel aus der Hand, bevor sie das Rührei erreichte: „Mein Gott! Dein Auge! Ich stecke sie dir ins Auge! Und in die Nase!“

Undertaker lachte: „Versuch es. Tehehehehehehe!“

Resigniert ließ ich die Gabeln sinken. Wahrscheinlich würde sich eine so geartete Aktion nur zu meinen Ungunsten wenden: „Hör doch einfach auf... Bitte!“

Undertaker zeigte auf meinen Teller: „Dann iss und zwar auf. Hehe!“

Ich seufzte: „Ja ja...“

Ronald hatte seinen Kopf erhoben und sortierte Käse, Wurst und Butter von seiner schwarzen Brille: „Ja ja heißt...“

„Halt dich geschlossen“, fauchte ich ihn an.

Ronald hob die Hände: „Ist ja gut! Ich bin brav!“

William erschien wieder am Tisch, schob seine Brille hoch und nahm Platz.

„Wo“, piekste ich ein Stück Rührei auf: „Ist Grell?“

William schnaubte: „Er kommt wieder sobald er sich befreit hat.“

Ich drehte den Kopf: „Okaaaaay...“

Amy hatte den Kopf wieder erhoben und kippte das Glas Wasser hinunter. Sie wischte sich durch das tränennasse Gesicht.

„Geht es?“, fragte ich sie nur halbherzig besorgt.

Sie gluckste einmal: „Ja, ja, bei mir ist alles bestens.“

„Nun“, verschränkte Alexander die Hände und lächelte mich an: „Du hast ja schon eine Menge erfahren wie ich hörte. Hast du noch irgendwelche Fragen?“

Ich seufzte und kaute kurz auf dem Stück Rührei herum.

In dem Moment kam Grell wieder. Er setzte sich stumm auf seinen Platz und hatte Laub in den verwuschelten Haaren.

Ich blinzelte ihn kurz an und drehte mich dann zu Alexander. Während meinem unruhigen Gedankenwalzen, was meinen Schlaf zum größten Teil ersetzt hatte, war mir tatsächlich noch eine brennende Frage aufgekommen: „Ja... eine habe ich noch.“

Alex fuhr mit der Hand durch die Luft und schloss freundlich lächelnd die Augen: „Tue dir keinen Zwang an. Frag.“

Ich seufzte: „Was waren diese komischen Filme?“

Stille.

Mit einem Mal war es gespenstisch ruhig am Tisch. Nicht mal mehr Atmen war zu hören.

Ich schaute mich um. Aufgerissene Augen starten mich aus jedem Gesicht an.

Grells Auge zuckte. Ronald blinzelte reichlich irritiert und hatte im Brilleputzen inne gehalten. William war einfach der Mund aufgeklappt. Ich hätte nicht gedacht, dass der strenge Schwarzhaarige zu so einer Mimik fähig war.

Mein Blick wanderte zu Undertaker. Er war mit seinem Löffel im Mund eingefroren und sein freigelegtes Auge musterte mich aufgerissen als wäre ich ein Geist.

Man hätte eine Stecknadel fallen hören, denn selbst der dämonische Butler musterte mich mit einer vollkommen ratlosen Verständnislosigkeit.

„Hab ich“, stammelte ich irgendwann: „etwas Falsches gesagt?“

Grells Augen flatterten, als er mit dem Kopf schüttelte: „Über was für Filme redest du?“

„Na“, sagte ich: „Diese alten Kinofilme, die überall herumgeflogen sind! Die waren doch echt nicht zu übersehen!“

Sie waren überall gewesen. Selbst wenn Grim Reaper so schlechte Augen hatte, die mussten sie gesehen haben. Sie haben doch sogar mit ihnen interagiert.

„Du“, Ronald zog seine Brille auf: „Hast die Filme gesehen?“

„Natürlich“, schüttelte ich verständnislos den Kopf: „Wie hätte ich sie denn nicht sehen können?“

William stand abrupt auf. Alle Augen flogen von mir auf ihn. Er ging um den Tisch herum: „Sutcliff! Knox! Undertaker! Auf ein Wort!“

Die Reaper erhoben sich. Grell und Ronald beschauten mich noch einmal sorgenvoll, bevor sie William folgten.

Angst gluckerte aufgrund der komischen Reaktionen in mir auf. Ich griff Undertaker am Handgelenk, der sein komisches 'Frühstück' weggestellt und sich ebenfalls erhoben hatte: „Was... Was ist los?!“

Undertaker schüttelte mit einem bitter ernsten Gesichtsausdruck den Kopf. Mein Missbehagen würde um etliches viel kälter und größer, als ich diesen Ausdruck sah: „Wohin geht ihr?“

Er legte mir die Hand auf der Schulter und lächelte ungewohnt dünn: „Wir müssen kurz etwas besprechen.“

„Aber.. was denn?!“

„Mach dir keine Sorgen“, lächelte er ein bisschen weiter: „Ich regele das.“

Dann folgte er den anderen Dreien aus der Tür.

Ich drehte mich zu den übrig gebliebenen: „Was in denn los?! Warum redet niemand mit mir?!“

Amy legte mir die Hände auf die Schultern: „Die Sache ist gerade sehr kompliziert geworden...“

„Warum denn?!“

„Weil“, begann Alexander und mein Kopf flog zu ihm: „Menschen diese Filme überhaupt nicht sehen können.“

„Aber!“, machte ich: „Sie waren da! Überall!“

„Das wissen wir“, nickte Frank: „Aber nur weil wir darüber Bescheid wissen, dass sie existieren. Keiner hier kann sie sehen. Das ist Reaper Matière.“

„Aber“, die Beklommenheit in mir wurde immer klammer: „Warum...?“

„Das Besprechen unsere Freunde wohl gerade“, Lee hob die Arme: „Welch eine unerwartete und des weiteren unmögliche Wendung. Haha!“

Charlie schüttelte mitleidig den Kopf: „Hier kann dir das keiner erklären.“

„William wirkte nicht begeistert“, warf Frank ein.

„Undertaker auch nicht“, ergänzte Alexander und verschränkte die Hände vor der Nase.

„Das ist ungut“, goss der Butler dem Earl noch etwas Tee nach: „Wenn Undertaker etwas aufstößt muss es sehr sehr sauer sein.“

„Oder sehr sehr neu“, ergänzte Fred: „Ansonsten hätte er es wahrscheinlich schon einmal gesehen.“

Frank schnaubte ein weiteres Mal in seine Tasse: „Wenn er sich daran erinnert es schon mal gesehen zu haben. Was eine Scheiße.“

„Wie gewählt“, lachte Lee.

„Aber passend“, pflichtete Charlie Frank bei.

„Dem habe ich nie widersprochen“, schob Lee seine Hände in die weiten Ärmel seiner bunten, chinesischen Tracht.

Die Diskussion ging ähnlich düster noch ein bisschen weiter und ich sackte langsam aber sicher in meinem Stuhl zusammen.

Amy umarmte mich am Hals und drückte ihre Wange gegen meine, wie sie es immer tat wenn es mir nicht gut ging: „Alles wird gut, Sky. Es gibt für alles Komische eine Erklärung. Vor allem in unserer Welt.“

„Ich hab das Gefühl ich bin irgendein komischer Mutant oder so...“, seufzte ich entkräftet. Ich dachte meinen Kopf heiß. Doch ich verstand nicht warum ich etwas können sollte, was für Menschen wohl vollkommen unmöglich war.

„Das wäre eine davon“, lachte Lee.

„Nicht hilfreich“, schüttelte Frank den Kopf.

„Die Diskussion ist beendet, William!“, krachte auf einmal eine wütende Stimme durch den Wintergarten. Ich erkannte sie sofort. Ich hatte diesen Tonfall an ihr zwar noch nie gehört, aber es war Undertakers. Der Ärger in seiner Stimme krachte einem durch Mark und Bein: „Das werdet ihr nicht tun!“

„Es ist das einzig Logische! Der Sache muss auf den Grund gegangen werden!“, kam Williams Stimme diskutierend näher.

„Ich habe Nein gesagt!“, flog Undertakers Stimme laut zurück. William muss ihn mit irgendetwas mächtig verärgert haben. Sebastian und Alexander wechselten einen besorgten Blick und der Butler entfernte sich von seiner Seite. Er stellte sich vor den Tisch, wo die vier Reaper gerade ankamen und lächelte so breit und freundlich wie der Dämon es hinbekam: „Meine Herren! Warum so missgelaunt?“

„Halt deine Nase daraus, Dämon!“, fauchten William und Undertaker synchron. Sebastian hob mit großen Augen die Hände. Dann wandte sich William zu dem Totengräber: „Ich habe nicht viel Spielraum. Ich muss darauf bestehen!“

„Den Spielraum wirst du dir verschaffen müssen!“, Undertaker bohrte ihm den Zeigefinger in die Brust: „Ich kümmere mich darum. Ich warne dich, weil du mein Freund bist. Schlage sie in den Wind und ich verschaffe dir Spielraum, klar?“

Grell stellte sich zwischen die Beiden und schob sie mit beiden Armen auseinander: „Um Himmelswillen! Beruhigt euch! Ihr müsst euch deswegen nicht an die Gurgel gehen! Ihr würde nichts passieren!“

„Halt die Klappe, Grell!“, fauchten die Beiden dieses Mal synchron den roten Reaper an. Dieser trat zwei Schritte zurück: „Ist ja gut! Ihr macht mir Angst!“

„Undertaker“, schüttelte William den Kopf: „Sei einmal in deinem Leben vernünftig“, seine grünen Augen bohrten sich bedeutungsschwer in seine: „Um Ihretwillen.“

Undertakers Hand sank und es sah aus, als würde er kurz zaudern. Zumindest war seine Stimme ein wenig ruhiger, als er sie wieder hob: „Ich bin dieser Idee spinnefeind! Mehr als das!“

Ronald lachte und bewegte beschwichtigend die erhobenen Hände: „Lasst uns das in Ruhe ausdiskutieren. Es nutzt niemandem, wenn ihr euch ein paar auf die Nase gebt.“

Undertaker verschränkte missgelaunt die Arme: „Ihr Shinigamis habt keine Mittel, die ich nicht auch habe.“

„Ja zum Teufel“, fauchte William: „Weil du ein Shinigami bist! Du bist DER Shinigami, zur Himmel und Hölle noch mal! Betone es nicht immer so, als seinen wir etwas Grundverschiedenes.“

'Der Shinigami?' hob ich die Augenbraue hoch. Was meinte William damit?

„Wir sind grundverschieden, William. Du und ich auf alle Fälle.“

„Aber wir sind beides Todesgötter und da kannst du zetern und meckern wie du möchtest! Und Fakt ist, dass nur Todesgötter Records sehen können. Menschen nicht! Wenn ein Mensch auf einmal Records sehen kann, muss das offiziell untersucht werden!“

Undertaker schüttelte den Kopf: „Das wird es auch werden, aber ihr müsst sie dafür nicht mitnehmen.“

Ich blinzelte. Mir war endgültig klar, dass die beiden Männer gerade versuchten eine Sache die mich direkt betraf über meinen Kopf hinweg zu entscheiden und so unterschiedlicher Meinung waren, dass sie sich fast die Köpfe einschlugen.

Wut vertrieb die Verwirrung.

Wenn es um und/oder über meine Person irgendwas zu entscheiden gab, hatten die Beiden mich deswegen zu fragen und nicht ihren persönlichen Hahnenkampf darüber auszutragen! Ich stand schwungvoll auf. Mein Stuhl krachte nach hinten: „Was fällt euch beiden eigentlich ein?!“

Die beiden Reaper unterbrachen ihren Streit und schauten mich an.

Eine kurze geschockte Stille zog über die Frühstückstafel und ich merkte die Augen aller Anwesenden auf mir. Doch ich war so wütend, dass mir das egal war. Ich war lange genug außen vor gelassen wurden. Mir war schon mulmig genug, weil ich teilweise keine Antworten hatte und mich in Teilen selber nicht verstand und jetzt das!

Ich ging an Lee und Sebastian vorbei und stellte mich mit verschränkten Armen vor die beiden Männer, die beide so viel größer waren als ich: „Wenn es irgendwelche Entscheidungen gibt, die MICH betreffen, dann unterbreitet sie doch bitte MIR, damit ICH darüber entscheiden kann!“

Die beiden Männer ergingen sich ein paar Minuten in einem peinlich berührten und irgendwie geschockten Schweigen.

Undertaker seufzte schließlich: „Sky... Du verstehst noch nicht genug, um das entscheiden zu können.“

Ich stemmte die Hände in die Hüften und tippte mit einem Fuß: „Dann erkläre es mir, bevor du dir die unglaubliche Dreistigkeit erlaubst Entscheidungen für mich zu treffen!“

„Sky, ich...“

„Nichts Sky!“, fauchte ich: „Mein ganzes Leben meinten Leute für mich bestimmen zu müssen! Ich hab es satt, verdammt! Ich bin 18! Über MICH entscheide nur noch ICH! Du bist mein Freund, Undertaker! Freunde sollten einem beratend, mit bestem Wissen und Gewissen, zur Seite stehen, aber nicht für den anderen entscheiden wollen und ihn im Unklaren lassen! Was denkst du dir?! Ich bin das kleine, naive, blöde Mädchen, was das alles eh nicht versteht und von dir begluckt werden muss?!“

Undertaker musterte mich mit einem weiten Auge. Erst sagte er nichts. Dann legte er mir die Hände auf die Schultern und schüttelte irgendwie demütig den Kopf: „Du hast Recht... Verzeih mir...“

Ich legte meine Hände auf seine Schultern: „Vergeben und Vergessen. Doch nun sag mir weswegen ihr euch hier fast gegenseitig anfallt.“

Undertaker seufzte: „Diese Filme nennt man 'Cinematic Records'.“

„Ja und nur Reaper sollten sie sehen können. So weit bin ich schon, aber warum sehe ich sie auch?“

Undertaker schüttelt den Kopf: „Die Frage des Tages. Ich weiß es nicht.“

„Die Records“, hob Ronald einen Zeigefinger, jetzt wo er keine Angst mehr hatte von William und Undertaker zerfleischt zu werden, wenn er auch nur atmete: „Beinhalten alle Erinnerungen eines Sterbenden. Ob Mensch, Engel, oder Dämonen. Selbst Reaper haben einen Record.“

„Je nachdem“, übernahm Grell mit verschränkten Armen die Erklärung: „Was sie uns zeigen entscheiden wir, ob die Person wirklich stirbt oder weiter leben soll.“

„Vorausgesetzt“, schob William seine Brille hoch: „Der Körper ist weiter lebensfähig und kann gerettet werden. Das sind dann die berühmten Nahtoderfahrungen. Die Tatsache, dass jeder Sterbende sein Leben im Moment des Todes Revue passieren lässt, liegt an dem Todesgott, der gerade seinen Record durchschaut. Seelen, die nicht mitgenommen werden und deren Körper sterben, werden zu Geistern. Die aufzuspüren ist mühsam. Wir finden sie meist erst, wenn sie verrückt geworden sind und beginnen zu wüten. Es passiert immer irgendwann“, Williams Blick wanderte mit einem komischen Ausdruck zu Undertaker: „Denn Nichts ist für die Ewigkeit gemacht.“

„Auf dem Record liegen aber auch die Zukunftswünsche eines Sterbenden“, ergänzte Undertaker und erwidert Williams Blick nur kurz: „Er macht einen großen Teil der Seele aus, weil sowohl unsere Erinnerungen, wie auch unsere Wünsche uns zu einem großen Teil prägen und definieren.“

„Und... Worüber streitet ihr nun?“

„William will dich zur Untersuchung mit in das Reich der Sensenmänner nehmen. Zu Othello“, sagte Undertaker sichtlich unbegeistert von der Idee.

„Othello?“, ich legte den Kopf schief: „Wer ist das?“

„Ein Forscher der forensischen Abteilung“, grinste Grell: „ Ein weiterer herzerquickender Sonderling. Er ist ein bisschen eigen, aber ganz liebenswert. Er wird gut zu dir sein.“

„Und du...“, blinzelte ich Undertaker an: „Willst das nicht? Magst du Othello nicht?“

„Oh doch, doch. Othello ist mir alles andere als unsympathisch, doch ein Mensch gehört einfach nicht in das Reich der Reaper“, sagte er: „Alles was Othello kann, kann ich auch.“

„Wir müssen es dokumentieren lassen, Undertaker“, debattierte William: „Wir müssen wissen was sie mit den Records alles tun kann. Wir sind einmal mit Angela und ihren Fähigkeiten daran herum zuschneiden fast ganz böse auf die Nase gefallen. Erinnere dich!“

Undertaker schüttelte den Kopf: „Ich erinnere mich! Ich bin nicht dement!“

„Aber mittlerweile anscheinend senil!“, stritt William: „Wir wollen sie ja nicht exekutieren! Mitnichten Undertaker! Wir töten keine Menschen, die nicht auf der Liste stehen! Unter keinen Umständen, dass ist gegen die Regeln! Du kennst sie! Das weißt du alles! Sei nicht so kindisch!“

Undertaker Hände verschwanden von meinen Schultern und er wirbelte zu William: „Halt deine Zunge im Zaum, du Wurm!“

„Erst, wenn du wieder zu denken beginnst!“

Ich schüttelte genervt den Kopf und schaute stöhnend nach oben: „Wie im Kindergarten...“

Ich ging zu Tisch, nahm mir zwei leere Metalltablette und ging zu den beiden streitenden Vögeln. Neben den Ohren der Beiden schlug ich sie krachend aneinander: „Hallo! Habt ihr's bald?!“

Die beiden Sensenmänner traten zuckend einen Schritt zur Seite. Nicht damit rechnend so unterbrochen zu werden, rieben sie sich das empfindliche Ohr.

„Ich gehe mit ihnen“, sagte ich beiläufig und gab einem erstaunten Sebastian die Tabletts.

Die Köpfe der Beiden flogen zu mir.

„Sky!“, machte Undertaker.

Doch ich verschränkte nur die Arme: „Komm doch einfach mit. Wenn Grell, Ronald und William sagen mir passiert nichts, glaube ich ihnen und wenn es für sie so wichtig ist, dass dieser Othello mich mal unter die Lupe nimmt, dann soll er.“

Undertaker seufzte: „Bist du dir sicher?“

Ich lächelte: „Ich tippe Menschen haben nicht oft die Chance sich deine alte Heimat mal anzuschauen, oder?“

„Meine... alte Heimat...?“, blinzelte er mich fragend an.

Ich nickte lächelnd: „Du bist auch ein Sensenmann. Du hast mir doch selbst erzählt, du hast mal dort gelebt.“

Der Bestatter nickte langsam: „Ja, in der Tat, aber was hat das mit deiner Entscheidung zu tun?“

Ich breitete lächelnd die Hände aus: „Ich bin neugierig und will alles mitnehmen, was ich sehen kann!“

Ich hörte Undertaker kurz durch die Nase lachen, als wieder ein Lächeln auf seine geschwungenen Lippen flog. Er wuschelte mir, die andere Hand in der Hosentasche, durch die Haare: „Du bist unglaublich.“

„Sagt der Richtige“, grinste ich.

Undertaker lachte: „Da hast du schon wieder Recht. Du bist eine imposante, junge Frau, Skyler Rosewell. Respekt.“

Ich verschränkte die Hände hinter dem Rücken und legte geschmeichelt mein leicht rosanes Gesicht schief: „Ach. Ich hatte einen guten Lehrer im Vorlaut sein.“

Undertaker lachte schriller: „Tehehehehehe! Ich weiß gar nicht wen du meinen könntest!“

Ich lächelte William an: „Also. Wann geht’s los, Mr. Spears?“

Dieser verschränkte die Arme: „Von uns aus sofort.“

„Dann los!“, nahm ich Undertaker bei der Hand, der immer noch nicht so ganz glücklich mit meiner Entscheidung zu sein schien und machte mich mit den Reapern auf den Weg in eine ganz neue Welt.
 

Undertaker
 

» Jeden Freitag verwandelt der Meister die zwölf Müllerburschen in Raben. Husch, auf die Stange!...«

„Sie wird wieder, oder?“

„Hehe. Ja, doch...“, » ...Einige Wörter haben auch Platz darauf genommen. Sind sie an die richtige Stelle geflattert?... «

„Ganz sicher? Ich meine... sie wacht bald wieder auf, oder?“

„Hehe. Ja, doch...“,» ...Und nun war er selber in eine von diesen Hüften geraten, die zwar als Zeit galt;... «

„Und ganz gesund wird sie auch, oder?“

„Hehe. Ja, doch...“,» ...doch es schien sich, zumindest im näheren Tisch, herumgesprochen zu haben, dass hier nicht alles mit rechten Dingen zuging:... «

„Und...?“

„Amy“, ich klappte das Buch zu, welches ich seit nun mehr als 1 Stunde zu lesen versuchte und legte es auf meine überschlagenen Beine: „Beruhige dich und gehe endlich ins Bett.“

„Wie kannst du so ruhig bleiben?!“, fragte die jüngste Phantomhive empört: „Sie ist K.O.!... Mal wieder... Das kann doch nicht angehen!“

„Sie braucht Zeit, Amy“, legte ich der wilden Schwarzhaarigen meine Hand auf die Schulter. Sie saß auf der Bettkante ihrer besten Freundin und hibbelte nervös hin und her, während sie mir ein Ohr abkaute.

Fakt war, dass ich ruhiger wirkte als ich war, was mein auf und ab wackelnder Fuß eigentlich verriet. Ich wusste nicht, ob es wirklich nur Amys ständige Unterbrechungen waren oder die allgemeine Unruhe in mir selbst, die mich vom Lesen abhielt. Ich stützte eine Wange auf meine Hand und gleichzeitig gegen eine der Kopfstützen, als ich ein Gähnen unterdrückte.

„Du siehst müde aus“, stellte Amy fest: „Du solltest dich hinlegen.“

Ich schüttelte den Kopf: „Ich brauche nicht so viel Schlaf.“

„Aber du brauchst ihn.“

„Hehe. Kleine aufgewühlte Adelstöchter brauchen ihn viel dringender.“

„Ich könnte doch eh nicht schlafen!“, warf Amy ihre Arme hoch: „Was ist, wenn sie eine Gehirnerschütterung hat?! Oder eine Haarrissfraktur! Oder Gehirnblutungen! Oder...!“

Ich nahm Amys Gesicht in die Hände: „Oder, oder, oder. Seit wann vertraust du Sebastians Urteil nicht mehr Amy?“

„Es... es geht um Sky...“

„Und sie wird wieder.“

„Warum... Woher weißt du das?!“

„Weil Sebastian sie unter die Lupe genommen hat und sich sicher ist, dass ihr nichts passiert ist. Außerdem ist sie so stur wie du. Sie wird schon allein aus dem Grund wieder aufwachen, weil sie Claude den Triumph nicht gönnt. Hehehe.“

Amy lachte leise. Ich tat es ihr gleich und ließ meine Hände sinken.

Die Tür ging auf: „Junge Lady?“

„Sebastian“, machte Amy.

Der Butler kam im 10 Minuten Takt durch diese Türe, weil er ebenso verzweifelt wie ich versuchte die junge Phantomhive in ihr Bett zu bekommen. Er öffnete sie jetzt übrigens zum 7ten mal. Meine Nervosität machte das ständige Auf und Zu dieser Tür allerdings nicht besser.

„Junge Lady. Wir haben halb 2 Uhr morgens. Ihr solltet wirklich zu Bett gehen.“

„Aber...“

„Amy“, ich schnaubte einmal kurz: „Wir müssen uns, zum ersten, nicht beide die Nacht hier um die Ohren schlagen und, zum zweiten, wäre Skyler gar nicht begeistert zu hören, dass du dir hier die Nacht um die Ohren schlägst. Hehe.“

„Sie wäre auch nicht begeistert, dass du dir hier die Nacht um die Ohren schlägst!“

„Hehe. Gehe mit Sebastian“, ging ich auf ihre Bemerkung nicht ein, weil sie wahr war: „Trink einen Tee und lege dich bitte endlich schlafen.“

„Warum wollt ihr so unbedingt, dass ich Sky alleine lasse?!“

„Ehehe. Du wackelst herum, redest ohne Punkt und Komma und malst ohne Pause schwarze Bilder“, ich schüttelte den Kopf: „Du bist mein Lieblingsnervenbündel liebste Amber, hehe, aber gerade gehst du mir einfach furchtbar auf den Keks.“

Amy schaute mich böse an: „Ey!“

Ich lachte: „Ehehe. Es ist wie es ist. Zwinge mich nicht dich hinter Sebastian her zu tragen.“

Amber seufzte: „Ich habe keine Wahl mehr, oder?“

Der Butler schüttelte gespielt, milde lächelnd den Kopf: „Nein, junge Lady, es sieht nicht so aus.“

Die kleine Phantomhive erhob sich seufzend und mehr als nur widerstrebend, doch sich ergebend: „Du... bleibst hier und passt auf?“

Ich nickte: „Schlaf gut, kleines Nervenbündel. Hehe.“

„Schlaf du auch gut, großer Verrückter“, konterte die Phantomhive und verließ das Zimmer.

Sebastian wandte sich zwar um, blieb aber kurz neben mir stehen: „Du liest nicht Poe?“

Ich lachte: „Ehehehehe! 'Says the raven nevermore'! Kann ich schon auswendig aufsagen. Vorwärts, Rückwärts und diagonal.“

Eine Augenbraue des Butlers wandert nach oben: „Krabat ist ein Jugendbuch.“

„Tehehehehe! Na und? Würdest du mich nicht als jugendlich genug bezeichnen um ein Jugendbuch zu lesen?“

Die Augenbraue des Butlers wandert noch höher: „'Jugendlich' wäre nun wirklich kein Adjektiv was ich auf dich verwenden würde, auch wenn es teilweise scheint deine Pubertät endet nie.“

„Die kleine Privatfehde zwischen dir und Claude könnte man aber auch wunderbar als 'Zickenkrieg' bezeichnen, findest du nicht auch. Ehehehe!“, klappte ich das Buch wieder auf.

Sebastian seufzte und schien nicht annähernd auf meinen Kommentar eingehen zu wollen: „Es ist eh nur Beschäftigungstherapie, richtig?“

„Wer weiß wann unser Dornröschen wieder aufwacht, nehehe!“

„Kann ich dir irgendetwas bringen?“, fragte der Butler, weil es seine Pflicht war sich um die Gäste seines Meisters zu kümmern. Auch wenn ich es war.

„Einen Tee, wenn du so überaus liebenswürdig wärst. Hehehe.“

„... Könntest du normal fragen?“, schauderte der Butler.

„Ehehe! Bin ich normal?“, senkte ich meine Augen in das Buch.

Halb seufzend, halb lachend entschwand der Dämon.

» ...Was sonst hätte wohl... ZZzz... die Gedanken vom... ZZzz... Koraktor ferngehalten? ...ZZzz... Dem Jungen blieb keine Mühle, ...ZZzz... sich darüber ...ZZzz... Leute zu machen... ZZzz... Der Abschnitt... ZZzz... hatte sich wieder hinter den Umkreis gesetzt... ZZzz... und fing an,... «, das Herabfallen meines Kopfes weckte mich. Schon fast genervt schob ich meine Brille nach oben und rieb mir gähnend durch die brennenden Augen. Auf die Kontaktlinsen konnte ich es dieses Mal nicht schieben. Denn die kleinen Dinger hatte ich schon vor über einer Stunde auf Grells Anraten herausgenommen. Genau wie ich das Hemd mit den vielen kleinen verräterischen Blutflecken ausgetauscht hatte.

Ich war einfach mittlerweile müde. Shinigami brauchen weniger Schlaf als Menschen (es sei denn sie hören auf den Namen William), doch sie brauchten ihn und so langsam schwant mir ich hatte davon in der letzten Zeit definitiv zu wenig abbekommen. Dieser Umstand rächte sich nun. Jetzt, wo ich es wirklich nicht gebrauchen konnte.

„Bitte“, erschien eine blau-weiße Teetasse vor meiner Nase: „13 Stücke Zucker.“

Der Geruch von Darjeeling stieg mir in selbige und ich blinzelte, als ich meinen Kopf hob, da ich die Türe nicht gehört hatte. Ich nahm die Tasse an der Untertasse und nahm einen Schluck: „Hehe. Danke.“

„Warum schlägst du dir die Nacht um die Ohren, Undertaker?“

„Weil ich es will, Sebastian.“

„Und“, lachte der Butler: „Wieso?“

„Aus Gründen, Dämon.“

Sebastian lachte lauter und schaute mich vielsagend an: „Wie du meinst“, er wandte sich ab: „Es scheint mir als wäre unsere junge Miss Rosewell nicht die Einzige, die sich an jemandem einen Narren gefressen hat.“

Ich lachte: „Ehehehehe! Ich mag es einfach nicht, wenn böse Dämonen kleinen Mädchen an die Gurgel gehen.“

„Wenn du es sagst“, legte der Butler die Hand an die Türklinke: „ Ich wünsche eine ruhige Nacht.“

„Ehehehe! Träum süß.“

Ich hörte den Butler aufstöhnen bevor die Türe klickend ins Schloss fiel.

Ich trank meinen Tee und schaute der jungen Skyler in das schlafende Gesicht. Ich wusste, dass auf Sebastians Einschätzung verlass war, aber etwas hinten in meinem Kopf zitierte Amy: 'Was ist, wenn sie eine Gehirnerschütterung hat?! Oder eine Haarrissfraktur! Oder Gehirnblutungen!'

'Ja', seufzte ich in meinen Gedanken: 'Was ist wenn?'

Ich würde die Art und Weise wie ich Claude umbringe noch einmal überdenken. Ich würde auch noch einmal darüber philosophieren, wie ich ihm seinen Meister hinterher schicke.

Wut flackerte ein weiteres Mal heiß durch meine Eingeweide. Mit spitzen Fingern legte ich den Teebeutel auf die Untertasse und trank einen Schluck von dem wirklich ausgezeichneten Darjeeling. Es war Kaffeeersatz. Dem Butler war nicht entgangen wie schläfrig ich war und es war das Nächstbeste, da ich der schwarzen Bohnenbrühe nun wirklich nichts abgewinnen konnte. Doch ich hatte gerade keinen Sinn dafür übrig wie gut der Tee schmeckte. Ich war zu sehr damit beschäftigt in meinen Gedanken Claudes Innerstes nach außen zu kehren: 'Irgendwann mein dämonischer Freund.'

Die Tasse war schnell leer und ich stellte sie auf die Kommode rechter Hand.

Nachdem ich mich gestreckt hatte, legte ich nach einem langen Seufzer meine Augen wieder in mein Buch: » ...einen Meister aus dem Koselbruch vorzulesen:... «

Mein Blick fiel ein weiteres Mal in Skylers Gesicht. Es war still in dem Raum, der lediglich von einer kleinen Kerze erhellt wurde die auf der Kommode stand. Nur das leise Atmen der schönen Brünetten brach die Stille sanft und gleichmäßig.

'Was ist, wenn sie eine Gehirnerschütterung hat?! Oder eine Haarrissfraktur! Oder Gehirnblutungen!', hallte wieder Amy durch meinen Kopf. Es war Blödsinn. Das junge Ding hatte eine kleine Platzwunde. Nicht mehr: 'Wieso? Wieso hat Claude sie nicht getötet? Ihr mit einem Tritt das Genick zu brechen wäre kein Problem gewesen.'

Es nützte nichts. Diese Antworten bekam ich nicht. Ich konnte nur froh sein, dass es so glimpflich ausgegangen war, wie es ausgegangen war.

» ...langsam, ...ZZzz... in singendem Tonfall, wobei ...ZZzz... er sich steif in den Schulen ...ZZzz... vor und zurück wiegte, ...ZZzz... vor und zurück ...ZZZZzzzzzz...«, immer und immer wieder fielen meine Augen zu. Der Tee hatte nichts genutzt. Irgendwann blieben sie einfach geschlossen und der orangene Schein der Kerze verschwand.
 

Eine Hand erschien auf meinem Gesicht.

Ich war mir erst nicht sicher, ob ich träumte. Ich stellte nur verwundert fest, dass ich noch halb am schlafen war. Die Hand war so herrlich warm wie das orangene Licht, welches langsam aber sicher wieder durch meine Lider in meinen Verstand kroch, unterbrochen von einem schlanken Schatten. Das Gewicht des Buches erschien wieder in meiner Hand und meine Finger zuckten einmal unter meinem wiederkehrenden Bewusstsein. Die sanfte Berührung der warmen Hand schickte einen unterschwelligen Schmerz durch meine Wange. Eine Stimme holte meine Gedanken endgültig zurück, auch wenn sie teerzäh waren: „Dir ist also doch etwas passiert...“

Diese Stimme erkannte ich wohl. Sofort. Doch meine Lider fühlten sich zum Öffnen einfach zu schwer an: '...Sky?'

„Ich wollte doch nicht, dass dir etwas passiert...“, sprach sie traurig weiter.

'...Bitte?... Meint sie... etwa den kleinen Kratzer?'

Ich hatte mich der Existenz der kleinen Blessur gerade erst erinnert. Sie war wirklich klein und eigentlich nicht der Rede wert, doch für das brünette Ding schien sie schon zu viel. Gut, dass sie die vielen kleinen Löcher in meinem Oberkörper nicht sah, die ich durch die vielen Federn zurückbehalten hatte.

So zartbesaitet stand dem jungen Ding in dieser Villa einiges bevor.

Es war nie gesagt ob uns, Mensch, Sensenmann oder Dämon nicht doch irgendwann irgendetwas passierte. Etwas was schlimmer war, als ein Kratzer im Gesicht. Die Natur war unberechenbar, das Schicksal launisch und unser Karma nicht zwingend gut ausbalanciert.

Die Hand verschwand. Wieder herrschte Stille. Nur der Schatten in dem orangenen Schein verriet mir, dass Skyler wohl immer noch vor mir stand.

„Es tut mir leid...“, ertönt es irgendwann und ich merkte Bewegung in meinem Pony. Strähnen wischten kitzelnd über meine Haut und hüpften dann ins Nirgendwo.

'...Bitte?...'

„Es tut mir so leid. Ich muss eine echte Plage sein...“

'...Plage? Natürlich!', zog ich meinen Mund zu einem Grinsen: „Wie kommst du denn auf diesen vollkommen unsinnigen Gedanken?“

Was denkt sich das junge Ding denn?

Als ich meine Augen endlich aufschlagen konnte, fühlte ich die Augenringe darunter nur überdeutlich.

„Du bist wach?“, zuckte die Brünette zurück.

Jetzt, wo ich sie sah, wallte mir die Erleichterung warm durch Magen und Herz: 'Wach! Sie ist wach...'

Und es geht ihr augenscheinlich gut.

Eine Horde Steine rollte mein Herz hinunter und rissen den kleinen ängstlichen Gedanken, der immerzu Amy zitterte, mit in die Tiefe wo er in dem großen See aus warmer Freude ertrank.

Ich schnappte sie mit meiner Rechten am Handgelenk und zog sie auf meinen Schoss. Impulskontrolle war noch nie meine Meisterdisziplin gewesen und das Unterdrücken spontaner Eingebungen noch viel weniger. Doch ich bereute diese mehr unüberlegte Aktion nicht im Geringsten: „Jetzt ja. Tehe.“

Skyler blinzelte mir irgendwo zwischen geschockt, verwirrt und überfordert entgegen, als ich ihr meine Nase ins Gesicht gereckt hatte. Ihr gerade etwas blasseres Gesicht blühte auf einmal in einem satten Zinnoberrot.

„Ich“, senkte sie den Kopf: „Wollte dich nicht wecken... tut mir leid...“

Doch zu meiner Überraschung und großen Freude sprang das junge Ding nicht gleich wieder auf. Beschämt und hemmungslos überfordert blieb sie sitzen. Aber sie blieb sitzen. Ein wohliges Gefühl mischte sich in das Warm meiner Erleichterung und ich reckte Arme und Rücken, um den Schlaf endgültig aus meinem Körper zu vertreiben. Mein Rücken knackte an drei Stellen schmerzhaft, doch verschluckte das Wohlgefühl diese kleine Negativempfindung sofort. Ich ließ meine Arme fallen, die nun locker um das junge Ding lagen. Langsam wurde ich der Müdigkeit gänzlich Herr und dieses Mal widerstand ich der spontanen Eingebung meine Stirn in Skylers Halsbeuge zulegen und die Augen zu schließen. Ich glaube dann hätte mich niemand mehr geweckt.

„Ach, wie wo“, grinste ich stattdessen: „Geht es dir gut?“

Sie nickte eifrig ohne den Kopf hochzunehmen: „Ja, ja. Mir... ich hab nur ein bisschen Kopfschmerzen... Es tut mir leid...“

„Was denn?“, kratzte meine Stimme durch den Raum.

„Naja... dass ich... mal wieder... einfach... umgefallen bin...“

Ich zog eine Augenbraue nach oben. Keiner hier hätte erwartet, dass sie Claude etwas entgegensetzen könnte. Sie hatte die Situation mit den Mitteln gerettet, die sie hatte. Doch das schien ihr gar nicht bewusst zu sein. Sie schien nur zu denken ein zusätzlicher Ballast in einer unschönen Situation gewesen zu sein. Was Blödsinn war.

Ich drehte ihren Kopf am Kinn zu mir, wie ich es immer tat wenn sie meinem Blick ausweichen wollte. Denn jede Sekunde, die ich diese Augen nicht sah, fühlte sich verschwendet an.

„Du bist aber schon ein bisschen bekloppt, oder?“, zogen sich meine Mundwinkel zu einem Lächeln: „Das du 'mal wieder einfach umgefallen' bist? Du hast eine Menge ausgehalten. Du bist der Grund warum Amy nichts passiert ist.“

„Ich bin... was?“, blinzelte sie mir irritiert mit ihren großen, himmelblauen Augen entgegen.

„Ich hab dich rufen hören. Ohne dich hätten wir nicht mitbekommen, dass Claude Amy gehascht hat.“

„Du hast.... du hast mich rufen hören? Aber ihr wart doch im... im Südflügel.“

Ein kleines Lachen stahl sich mit meinem ersten Gedanken aus meiner kratzenden Kehle: „Ich könnte am anderen Ende der Welt sein. Ich würde dich immer rufen hören.“

Sie lächelte verhalten: „Das ist... süß von dir.“

Die Wärme in meinem Herzen wurde kurz noch wärmer, wurde aber dann von einem spitzen kalten Stechen rapide abgekühlt: „Außerdem muss ich mich entschuldigen.“

„Wofür?“

Ich fuhr ihr behutsam über das weiße Pflaster an ihrer Schläfe und durch die so herrlich weichen Haare.

„Deswegen“, wurde das Gefühl in mir kälter und etwas drückte in meiner Brust: „Trotz allem war ich zu spät und du bist verletzt.“

„Hast du sie noch alle?“, fuhr sie mich an, was mich blinzeln ließ: „Du rettest mir am laufenden Band das Leben und entschuldigst dich?“

„Das hätte nicht passieren dürfen“, entgegnete ich ihr: „Des Weiteren wurde dir deine Geburtstagsfeier gesprengt. Ich wollte eigentlich dafür sorgen, dass sie besser wird als die anderen.“

Sie machte große Augen und schluckte.

„Ach Quatsch!“, machte sie schließlich: „Es geht mir doch gut! Das wird schnell wieder verheilt sein und des Weiteren war das nicht meine Geburtstagsfeier! Es war nur zufällig am selben Tag und deine Schuld war das ganz sicher nicht!“

Ein leises Lachen entfuhr mir aufgrund dieser erquickend naiven Annahme: „Du kennst Amy und denkst das wirklich?“

„Aber... Alex meinte...“

„Alex ist ein verdammt guter Lügner. Wie die ganze Bande. Sie wussten alle Bescheid. Wir wollten, dass du eine schöne Feier hast, doch leider... kam uns da etwas in die Quere...“, ich schlug die Augen nieder, als ich mir meines Versagens erst in vollem Umfang bewusst wurde.

Ich hätte Claude hören müssen bevor er uns die Hunde auf den Hals hetzen konnte. Doch ich war zu abgelenkt gewesen. Ich hätte kontrollieren müssen, ob er wirklich verschwunden war. Doch ich war mir zu sicher gewesen, dass er es nicht zweimal hintereinander versuchen würde. Zwei Fehler, die ich mir nicht hatte leisten können. Claude hatte uns besser eingeschätzt als wir ihn und die vermeintliche Ruhe nach dem Sturm genutzt. Die Hunde waren nur dafür da gewesen uns mit unserem Sieg in Sicherheit zu wiegen und erneut zu schlagen. Fast erfolgreich. Doch Skyler hatte die Situation kippen können.

„Trotz allem!“, lachte Skyler auf meinem Schoss und ich hob die Augen in ihr Gesicht. Sie strahlte mir mit einem atemberaubend schiefen Lächeln entgegen: „War das die beste Geburtstagsfeier meines Lebens! Ich hatte so viel Spaß! Und das zum größten Teil dank dir! Ich danke dir, Undertaker!“

Ihr Lächeln und ihre Worte zündeten die Wärme in meinem Herzen wieder an und brachten mein Lächeln zurück. Ich strich ihr über die Wange, als ich meine Augen nicht von diesem Lächeln abwenden konnte: „Doch nicht dafür.“

„Oh doch! Aber...“, sie deutete mit schief gelegten Kopf in mein Gesicht: „Was ist mit deiner Wange passiert?“

Lachend wackelte ich mit dem Kopf. Ich hatte auf diese Frage fast gewartet. Das machte die Antwort nur leider nicht einfacher.

„Hehe. Denk nicht darüber nach. Das ist nun wirklich nichts Gravierendes“, versuchte ich mich aus der Affäre zu ziehen.

„Das war Claude, oder?“

„Nein“, schüttelte ich seufzend und ein wenig in Erklärungsnot den Kopf: „Das war nicht Claude.“

„Bitte? Wer dann?“

Meine Hand rutschte aus ihrem Haar: „Das... ist nichts ganz einfach erklärt.“

Mit einem Kopfschütteln richtete sie ihren Blick nach unten: „Weil du mir erst erklären müsstest was gestern im Ballsaal passiert ist, oder?“

„Ja.“

Ich wusste, ich hatte ihr Antworten versprochen. Und ich hielt meine Versprechen. Immer. Auch dieses. Doch ich merkte eine unterschwellig schwelende Nervosität, als ich anfing ein weiteres Mal in meinem Hinterkopf darüber nach zu denken wie sie die Wahrheit verkraften würde. Leugnen konnte ich nichts mehr. Ich wollte es auch ehrlich nicht. Ich wollte die Karten auf den Tisch legen, wie sie waren. Sie hatte es verdient und ich konnte es mit meinem Gewissen nicht vereinbaren eine Freundschaft zu diesem bezaubernden Ding zu halten, welche auf dem Auslassen meiner wahren Natur basierte. Dieses Gerüst wäre wackelig und zum Einstürzen verurteilt. Wenn das geschah ging sie auf jeden Fall. Die Wahrheit wärt halt immer noch am längsten. Ich wollte nicht, dass sie ging und der Gedanke es vielleicht nicht verhindern zu können war fast lähmend.

Ich drückte sie an mich bei dem quälenden Gedanken, sie könne mir weg laufen: „Es tut mir leid, meine schöne Puppe. Du hättest das nicht sehen sollen.“

Doch anstatt zu laufen legte sie ihren Kopf schüttelnd an meine Schulter: „Auch das war nicht deine Schuld. Wärst du nicht da gewesen, wäre ich jetzt nicht mehr da.“

„Das würde ich nie zulassen.“

Skyler schwieg. Von schräg oben sah ich ganz viele Gedanken in ihren Augen. So unendlich viele Fragen. Natürlich hatte sie Fragen. Natürlich hatte sie gemerkt, dass in dieser Villa die Welt anders war.

Ich fuhr ihr ein weiteres Mal durch das weiche Haar: „Worüber denkst du nach?“

Sie seufzte seicht: „Über Gestern... Ich versteh das alles nicht. Aber ich habe das Gefühl... Es war erst der Anfang...“

Nun schüttelte ich den Kopf: „Diese Fehde zieht sich schon über Generationen. Oliver fängt gerade erst an. Doch die Trancys, die versuchen schon seit Jahren die Phantomhives auszuschalten.“

Skylers Füße begangen unruhig zu wippen: „Wirst du es mir erklären? Alles? Über die Trancys und die Phantomhives? Über die Hunde? Über... über dich?“

Ich nickte in Anbetracht des Zitterns in ihrer Stimme: „Wenn du das wirklich wissen willst.“

„Ja. Ich will das wissen“, schaute sie mir ins Gesicht.

„Dann bleibt noch die Frage, ob du mir das alles auch glauben wirst.“

Das war nämlich die erste Hürde. Ich war nun wirklich nicht die Person, die jeder sofort mit dem Wort 'Zurechnungsfähig' beschreiben würde. Ich wollte es so. Doch es war zu gleichen Teilen gut wie schlecht. Wenn jemand wie ich einem etwas über dämonische Butler und seelensammelnde Sonderlinge erzählte, könnte man auch auf schlichte Geisteskrankheit plädieren. Vollkommen zu Recht.

Doch die kleine Sky lachte leise: „Undertaker. Ich wurde von riesigen, Feuer spuckenden Hunden angegriffen. Die haben dich nebenbei auch eigentlich geröstet und du müsstest tot und gut durch sein. Es gibt, glaube ich, nicht mehr viel was ich nicht glaube.“

„Nun gut“, legte ich den Kopf schief und musterte das junge Ding von oben bis unten. Ich vergewisserte mich kurz, ob sie überhaupt in der Lage war die Wahrheit zu verkraften oder ich es auf später verlegen sollte. Doch Skyler wirkte fitter als ich: „Dann stell mir Fragen und ich antworte dir.“

„Warum so plötzlich?“, wippten ihre Füße heftiger.

Mir ging auf, dass ich es gar nicht mehr hätte verschieben konnte. Ruhe würde sie in diesem Ungleichgewicht aus Gesehenen und Gewusstem nicht finden: „Ich hab jetzt die Erlaubnis dazu.“

Alexander hatte es zwar nicht direkt gesagt, doch da er Skyler eh unterrichten wollte war es wohl eigentlich egal wer es letzten Endes wirklich tat.

„Von... wem?“, fragte Skyler grübelnd.

„Alexander.“

„Amys Vater?“, erschienen noch mehr Fragen in ihrem feinen Gesicht.

„Genau.“

„Aber... aber...“, sie wedelte mit den Armen und rutschte doch von meinen Beinen. Sie ging vor mir auf und ab.

„Ist... alles in Ordnung?“, fragte ich mit einer hochgezogenen Augenbraue. Sie stand vollkommen unter Strom. Ihre Anspannung war spürbar.

Sie schüttelte den braunen Schopf: „Ich... Ich weiß nicht... Ich... versteh das alles einfach nicht und... bin nervös... unruhig... ich kann gerade einfach nicht sitzen.“

Ich stand auf und packte Skyler an den Schultern, nachdem ich mein Buch neben meine Teetasse gelegt hatte.

„Frische Luft?“, legte ich lächelnd den Kopf schief, in der Hoffnung ihr damit etwas Sicherheit wiederzugeben, die sie durch das Erlebte verloren zu haben schien. In einer Welt die man nicht versteht fühlte man sich natürlich nicht sicher.

„Das ist vielleicht... keine schlechte Idee...“, murmelte sie dem Boden entgegen.

Ich warf einen Seitenblick auf die Uhr: „Was hältst du von einem nachmitternächtlichen Spaziergang im Garten? Er hat viele schöne Ecken.“

Die Schülerin hob blinzelnd ihren Kopf: „Wie spät ist es?“

„Drei Uhr früh“, grinste ich.

„Oh. Bist du... nicht müde?“

„Nehehehe! Ich brauche nicht so viel Schlaf“, drückte ich mich um ein ehrliches Ja.

„Du siehst zumindest nicht so aus, als hättest du davon in letzter Zeit viel gehabt...“, sprach die Brünette nicht gerade von meinen Worten überzeugt.

„Das stimmt“, grinste ich wahrheitsgemäß: „Doch das ist gerade nicht wirklich wichtig, oder?“

„Für mich schon. Im Moment siehst du aus, wie die Leute um die du dich kümmerst.“

Ich musste aufgrund dieses Vergleiches wieder lachen: „Naja. Wenn ich nach dem gehe, was ich sonst alles zu hören kriege, sehe ich ihnen generell recht ähnlich. Tihihihi.“

Skyler hob ihre Augenbraue. Ich hob meinen Zeigefinger in der Hoffnung ihre Gedanken von meinem gepeinigten Schlafrhythmus weg zu bekommen. Doch sie räusperte sich nur und ich musste feststellen, dass sie es mir so leicht dieses Mal doch nicht machte.

„Warum?“, fragte sie ein weiteres Mal nach.

„Hehe. Interessiert dich das gerade wirklich? Ist das gerade wirklich, was du fragen möchtest?“

„Ja“, legte sie unbeeindruckt von all meinen Bemühungen den Kopf schief: „Habe ich nicht die Zeit Beides zu fragen? Du läufst mir ja nicht weg...“

Sie brach ab. Ich kam selbst ins Stocken, als sie ihren Satz nicht beendete. Ein Teil fehlte. Ein wichtiger Teil. Ein Teil, der dem jungen Ding irgendwie übel zuzusetzen schien.

„...Oder?“, komplettierte sie ihren Satz.

Die Erkenntnis sprang mir ins Gesicht. Dieses Wort erklärte ihr stocken und zaudern. Sie hatte Angst ich könnte verschwinden, so wie ich Angst hatte sie könnte verschwinden. Der Gedanke, dass wir uns diese Angst zu teilen schien, schmeckte komisch. Nur nicht zwingend schlecht. Natürlich wollte ich nicht, dass sie vor Irgendetwas Angst hatte, doch jemand der Angst hatte etwas zu verlieren lief in der Regel nicht freiwillig davor weg. In der Regel sagte das Etwas aber auch nicht: 'Ach übrigens: Ich bin gar kein Mensch.'

Inwieweit dies die Karten wirklich noch einmal mischte war also dahingestellt.

Doch ich lächelte ihr entgegen. Angst, dass ich weglaufe, musste sie nun wirklich nicht haben. Ich brachte nur nicht über die Lippen ihr zu sagen, warum ich nie weglaufen würde. Ich konnte ihr nicht sagen, dass ich Angst hatte, dass sie mir wegläuft. Mein Kopf schrie es, doch mein Mund bekam nur ein Grinsen und Wörter zustande, die meine Gefühle nicht annähernd gänzlich beschrieben: „Natürlich hast du das! Und natürlich tue ich das nicht!“

Doch anstatt erleichtert zu wirken, schaute sie seufzend nach unten: „Naja... so natürlich ist das gar nicht.“

Ich hatte das starke Gefühl, dass sie wieder Erfahrungswerte quälten. Das war so tragisch. Ihr zerstörtes Vertrauen in alles und jeden war so unendlich tragisch.

„Für mich schon“, wollte ich ihr mit meinen Daumen die schlechten Erinnerungen vom Gesicht streicheln.

Ihr dünnes, falsches Lächeln blitzte mir so eisig und scharf entgegen. Ich wusste sie tat es nicht mit Absicht, aber ich hasste diesen Gesichtsausdruck. Er war immer noch das Schlimmste was ich je gesehen hatte. Und ich hatte jeden Krieg der Menschheitsgeschichte hautnah miterlebt. Aus der Sicht derer, die ihn verloren hatten.

Ich ging in die Knie und hielt der jungen Frau ihre Schuhe vor die Nase. Ich wusste bei diesem Ausdruck kämpfte ich auf verlorenem Posten. Er hatte sich in das Mädchen eingebrannt: „Sollen wir?“

Skyler nickte und verzog ihr Lächeln weiter. Sie wollte mir damit ein gutes Gefühl vermitteln. Das es so gar nicht funktionierte, sondern das totale Gegenteil bewirkte war schon irgendwie dramatisch. Ich seufzte in der Hoffnung die Tortur zu beenden, die dieses Lächeln für beide Seiten darstellte: Die Tortur es halten und die Tortur es sehen zu müssen.

Während die junge Frau ihre Schuhe anzog, nahm ich meinen Mantel von der Stuhllehne. Es war kalt draußen. In ihrem Kleid würde sie frieren. Sie fror eh eigentlich immer.

Sie harkte sich sofort in meinen Arm, als ich ihn ihr hinhielt.

Die Flure lagen dunkel und still vor uns.

„Also. Warum bist du so müde?“, ließ sich Skyler einfach nicht von dem Thema abbringen, über das ich eigentlich nicht sprechen wollte. Es würde in einem schlechten Gewissen ihrerseits enden. Das war für mich so sicher wie das Amen in der Kirche.

„Tihi. Ich bin nicht müde“, versuchte ich weiter meine vorherige Schläfrigkeit tot zu schweigen. Die Wahrheit war, dass ich mittlerweile wirklich nicht mehr müde war. Die Nervosität ihr Rede und Antwort zu stehen hatte mich gänzlich wachgerüttelt.

Doch sie zog nur ihre Augenbraue hoch: „Aha? Deshalb auch die Augenringe. Weil du nicht müde bist.“

Ich lachte wieder: „Nur weil ich nicht so viel geschlafen habe, heißt es nicht ich sei müde.“

Ich kam tatsächlich immer sehr gut durch den Tag, war ich erst einmal wach. Nicht selten schlug ich mir ganz freiwillig die Nächte um die Ohren.

„Aber... warum hast du so wenig geschlafen?“

„Nun ja“, grinste ich und ließ den Flur nicht aus den Augen. Das Claude noch einmal auftauchte, war wirklich unwahrscheinlich, doch ich kam aus einer grundlegenden Alarmbereitschaft nicht mehr so ganz heraus: „Ich hatte die letzten Tage öfter Besuch, weswegen ich meine Arbeit zu etwas unüblicheren Zeiten vollrichten musste.“

Sky blieb so abrupt stehen, dass ich es ihr erst einen Schritt später gleichtun konnte: „We... Wegen mir? Warum... hast du nichts gesagt?! Dann hätte ich dich in Ruhe gelassen!“

'Wie erwartet', lachte ich in Gedanken wie äußerlich: „Genau das hatte ich befürchtet und deswegen geschwiegen. Hehe.“

„Wie... meinst du das?“

Ich zog meinen ganzen Mund zu einem Zähne zeigenden Grinsen: „Ich habe dich gerne bei mir. Ich wollte nicht, dass du weg bleibst. Die letzten Tage waren mit die Besten des ganzen Jahres!“

Ein rotes und geschmeicheltes Lächeln erschien auf ihren Gesicht, als ihre Augen davon wanderten: „Wirklich?“

Mit einem leisen Lachen ging ich weiter: „Du weißt doch, ich lüge nicht. Auch nicht um jungen, schönen Mädchen ein Kompliment zu machen.“

Ich stieß die Türe zum Garten auf. Kalter Wind schlug uns entgegen und wehte mir die Haare aus dem Gesicht. Skyler schüttelte sich und seufzte: „Ich muss noch mal zurück... Ich habe meine Jacke vergessen...“

Ich musste ein weiteres Mal grinsen, als es so kam wie ich es stumm prophezeit hatte und warf ihr meinen Mantel über.

Sie schaute mich an: „Und du?“

„Ich brauche ihn eigentlich gar nicht“, ging ich grinsend durch die Türe.

„Aber... Du trägst doch nur ein Hemd! Frierst du nicht?“

„Nein“, lachte ich neckisch: „Tihihihi! Und wenigstens ist es mehr als ein T-Shirt oder?“

Shinigami froren wirklich nicht allzu schnell. Unsere Körpertemperatur war viel niedriger als die der Menschen und wir waren viel robuster.

Der kalte Wind tat wirklich gut. Ein bisschen linderte er die schwelende Nervosität.

„Nun“, drehte ich mein Grinsen zu ihr: „Was willst du zuerst wissen?“

Sie wog kurz den Kopf: „Was waren das für Hunde... Viecher?“

„Teufelshunde. Die Bewacher der Hölle.“

„Hölle?“

„Ja, Hölle“, ich konnte trotz allem mein Kichern nicht unterdrücken: „Wird es jetzt schon schwer mir zu glauben? Tehehehe.“

„Nein... Eigentlich noch nicht“, antwortete sie gedehnt. Das war auch wirklich noch die verträglichste Antwort von allen: „Es klingt nur komisch. Doch... Wo kamen sie her?“

„Nun, aus der Hölle natürlich“, lachte ich ein weiteres Mal. Selbst über die Nervosität hinweg belustigte mich Skylers Betragen. Das liebte ich an ihr, unter anderem: „Aber um genauer zu sein: Claude hat ein Tor zur Hölle vor den Fenstern des Ballsaals geöffnet und uns die Viecher auf den Hals gehetzt.“

„Claude?“, wuchs ihre Verwirrung anstatt sich zu legen: „Wie?“

„Teufelshunde tun eigentlich nur wenig aus eigenem Antrieb“, erklärte ich im Plauderton. Das war Trivialwissen: „Sie sind stark, aber nicht sonderlich schlau. Wesen die stärker sind als sie, gehorchen sie aufs Wort. So auch Claude.“

„Wie? Wesen?“

Wieder ließ mich die Tatsache lachen, dass Antworten erst zu Verwirrung und erst viel später zur erwünschten Erleuchtung führten. Doch konnte ich nicht verstecken, dass das Gespräch langsam spezifischer wurde. Nervosität sickerte in meine Belustigung: „Ah, ahehehehehe! Hier wird die Sache für dich erst richtig spannend. Claude ist kein Mensch.“

Sky stoppte abrupt: „Wie? Kein Mensch?“

„Claude ist ein Dämon“, drehte ich mich zu ihr und musterte die Sterne, ihr Gesicht aber stetig im Rande meines Sichtfeldes. Ich ertappte mich selbst dabei ein kleines Stoßgebet zu senden: 'Bitte lass das gut gehen...'

„Das ist nicht der Zeitpunkt mich zu verarschen, Undertaker. Ehrlich jetzt: Was ist mit Claude?“

Ich wusste nicht, ob mich ihre Wortwahl belustigen oder ihr offenkundiges Unverständnis beschweren sollte. Ich entschied mich für ersteres und verzog ein breites Grinsen. Die Reaktion von Menschen auf die Wahrheit war doch immer sehr interessant und nur selten konnte ich sie bewundern. Denn nur selten wurde sie ausgesprochen: „Wie ich schon sagte: Claude ist ein Dämon.“

„Natüüüürlich“, entzog sie mir ihren Arm und stemmte die Hände in die Hüfte: „Und ich der Papst. Echt jetzt: Warum konnte er diese Dinger befehligen? Ist er ein... Hexer oder so?“

Ich lachte schon wieder: „Ahehehehehe! Nein. Er ist ein Dämon.“

„Verarsch' mich nicht!“

„Tue ich nicht!“, jetzt verschränkte ich die Arme: 'Ich hatte dich gewarnt...'

Sky zog eine Augenbraue hoch: „Du glaubst was du mir da erzählst, oder?“

Eine meiner Augenbrauen zuckte. Da war es: Das Plädoyer auf Geisteskrankheit. Irgendwie piekste es in meiner Brust: „Ich habe dich noch nie belogen, warum sollte ich jetzt damit anfangen? Ich sagte dir doch, dass es schwer zu glauben wird. Und das alles ist gerade mal die Spitze des Eisbergs. Aber dass du mir unterstellst ich würde dich belügen, enttäuscht mich kleine Sky.“

Kurz starrte sie mich an. Durch den unerwarteten Stich in meiner Brust waren die Wörter schärfer gewesen als gewollt. Sie ließ Kopf und Arme hängen: „Ich... wollte dir nicht unterstellen, dass du lügst...“

„Sondern?“, gluckerte in mir ein mehr als schlechtes Gewissen auf. Sie wusste wie abgrundtief ich es hasste als Lügner hingestellt zu werden. Sie wusste es doch. Doch anderseits konnte ich wirklich nicht erwarten, dass sie mir alles sofort und ohne zu hinterfragen glaubte. Hinterfragen war doch so wichtig.

'Nicht das sie hinterfragt stört dich', sprach eine bittere Erkenntnis stumm zu mir: 'Der Gedanke, dass sie dich vielleicht doch für verrückt, für nicht zurechnungsfähig hält, der stört dich.'

„Ich“, zuckte Skylers Kopf zu mir hoch: „Das klingt so... abstrus! Claude soll ein Dämon sein? Das muss ich erst mal schlucken.“

„Du solltest vorher gut kauen“, grinste ich und tippte ihr auf die Nase. Eine spielerische Geste, die die Schwere der Situation nur leider nicht vertrieb: „Wie gesagt, es folgt noch Einiges. Es sei denn du willst es nicht mehr wissen.“

„Doch!“, rief sie zu meiner Verwunderung sofort.

„Dann musst du mir auch glauben was ich sage“, erwiderte ich.

Skyler nickte so furchtbar gestraft und beschämt: „Tue ich... Verzeih mir...“

Sie für ihre Verwirrung zu schallen war wirklich das Allerletzte gewesen. Also wuschelte ich ihr giggelnd durch die Haare und hielt ihr anschließend wieder meinen Arm hin: „Ihihihihihi! Es gibt nichts zu verzeihen. Ich kann mir vorstellen wie das klingen muss.“

Doch Sky schaute ihn nur an. Ich stellte ein weiteres Mal fest, dass ich in Bezug auf zwischenmenschlichen Umgang nur allzu oft wirklich keine gute Figur hinlegte. Eigentlich war mir das so egal wie die Fliege an der Wand, doch in Bezug auf Skyler... ganz und gar nicht.

Ich klemmte ihren Arm unter meinen.

„Du musst nicht so schauen“, grinste ich und musterte den Weg vor uns. Kein Claude oder ähnliches irgendwo.

Sie seufzte: „Ich... wollte dich nicht enttäuschen...“

„Ach wie wo“, lachte ich und lenkte vom Thema ab: „So schnell enttäuscht man mich auch nicht. Weißt du schon alles was du wissen willst?“

„Nein“, fuhr sie fort: „Was will ein Dämon von den Phantomhives?“

„Nun in erster Linie ihren Dämon umbringen“, erklärte ich giggelnd. Ich freute mich doch auf die Reaktion. Sie wird herrlich sein.

„Bitte was?!“, rief Skyler vollkommen erschrocken und sprang fast aus der eigenen Haut: „Es gibt noch mehr?!“

„Sicher“, erwiderte und lachte, als die Reaktion so ausfiel wie von mir vorgestellt. Ich unterstrich meine Aussage mit einer ausschweifenden Geste. Es war wichtig das sie verstand, dass sich die Ungewöhnlichkeiten mitnichten nur auf das Manor Phantomhive bezog: „Nehehehehehe! Die Hölle ist voll davon! Doch wir sollten uns auf die beschränken, die wir vor der Nase haben.“

Sie starrte mich an, entgeistert. Schließlich blinzelte sie und ich sah die Frage, die sie nicht aussprechen konnte, rot leuchtend über ihren Kopf: „Tihihihi! Sebastian.“

„Sebastian?!“, ihr Mund klappte auf: „Aber aber aber...“

„Du wolltest mir doch glauben. Hehe“, wenn sie nur nicht so possierliche Gesichter machen würde!

„Ja schon...“, sagte sie kleinlaut: „Nur wie?“

„Erinnere dich einfach wieder an die Feuer spuckenden Hunde. Kam dir Sebastians Art und Weise sich ihrer anzunehmen nicht irgendwie komisch vor?“, legte ich den Kopf schief. Die Nervosität klopfte wieder an. Natürlich implizierten meine Worte mehr als nur Sebastian.

„Also“, stammelte sie: „... Schon...“

Dann sah ich in ihren Augen, dass meine versteckte Botschaft sie erreicht hatte.

„Um ehrlich zu sein“, fuhr ich fort und konnte mein Lächeln nicht mehr halten. Es musste irgendwann raus. Noch länger drum herum zu reden würde auch nichts ändern. Nichts würde mehr etwas ändern. Doch so direkt wie ich wollte, bekam ich es doch nicht aus mir heraus: „Von den 12 Leuten, die sich hier regelmäßig versammeln, sind nur 7 wirklich menschlich.“

Mein Magen drehte sich auf links. Was ist, wenn sie wirklich ging? Einfach weg lief und nie wieder kam?: 'Was ist wenn...?'

Ich nahm die junge Frau an den Schultern. Um sie fest zu halten. Um sie hier zu halten... bei mir: „Grell, Ronald, William und ich...“

Ich sah Skyler ins Gesicht, das immer blasser wurde. Die Augen, die mich so weit anstarrten und die Gedanken die mir entgegen schrien, dass sie es wusste und ich trotzdem nicht weiter sprechen sollte. Doch nichts konnte sie und mich mehr retten. Die Wahrheit lag schon zwischen uns: „...Sind keine Menschen, Sky...“

Das wunderschöne Ding fror unter meinen Fingern ein. Ihre Augen begannen zu glänzen.

'Oh bitte nicht', stöhnte ich in mich hinein, als sich mein Herz zusammen zog: 'Nicht weinen...'

Ich wusste nicht wie ich sie hätte trösten sollen. Wie ich sie hätte trösten dürfen.

„Was?“, flog es mir so leise entgegen, dass selbst ich es fast nicht hören konnte.

Ich schlug die Augen nieder, unfähig ihre feuchten Augen weiter anzusehen: „Wir sind keine Menschen, Sky.“

„Aber...“, verschwand ihre Stimme. Minutenlang.

Mein Herz blieb stehen und wummerte doch gleichzeitig so hart gegen meine Rippen.

„Bitte...“, kroch sie mir schließlich wieder ins Ohr und ich legte den Kopf schief als ich sie noch nicht einmal mustern konnte, immer noch total ratlos gegenüber ihren nassen Augen: „Bitte was?“

„Bitte sag mir... dass das einer deiner Scherze ist...“

Ich schloss die Augen, als ich stumm mit dem Kopf schüttelte.

Mein Herz begann zu hämmern. Brachial: 'Was ist wenn...?'

„Was... sollt ihr denn dann sein?“

Ich schaute ihr wieder in die Augen. Doch die Anwesenheit ihrer Tränen ertrug ich nicht. Ich rieb sie ihr zögerlich mit den Daumen aus den Augen. Sie wehrte sich nicht. Ich wusste nur leider nicht, ob sie zu erschrocken war um sich zu wehren, oder es sie immer noch nicht störte: „Willst du das wirklich wissen?“

Sie nickte und schaute mir unnachgiebig ins Gesicht. Trotz allem.

Ich lächelte schwerer und griff ihre Schultern fester: 'Was ist wenn...?'

„Wir sind Sensenmänner“, brachte ich die eigentliche Bombe erst zum Platzen.

Ein Sensenmann als Bestatter. Ich wusste selber wie das klang.

Ihre Augen flatterten: „Bitte was?! Sensenmänner?! Wie... wie der Sensenmann nur halt... mehrere?!“

Ich nickte: „Wir existieren nur, um die Seelen der Sterbenden zu richten und ins nächste Reich zu überführen.“

„Was?!“, rief sie vollkommen außer sich: „Du... Du bist Bestatter?! Und ein Sensenmann?! Ein Sensenmann, der als Bestatter arbeitet?! Also... Du erwartest nicht wirklich, dass ich dir das glaube, oder?!“

Irgendwie traf mich ihr letzter Ausruf. Wann hatte ich ihr denn Grund gegeben mir nicht zu glauben? Ich hatte damit gerechnet, dass sie mir unterstellte meine Abstammung falsch verstanden zu haben. Oder mich anschrie ich solle mich bitte einweisen lassen. Doch... sie glaubte mir einfach nicht.

Ich ließ sie los. Ich konnte sie ja doch nicht aufhalten...

Resignierend steckte ich die Hände in die Taschen und schaute zurück in den Himmel: 'Ich bin einfach nicht gut in so etwas...'

„Ich kann dich nicht zwingen mir zu glauben“, sagte ich, als ich mich meinem Schicksal ergeben hatte. Dem Schicksal wohl alleine bleiben zu müssen: „Ich war ehrlich zu dir. Bis ins Letzte. Ungeachtet aller Konsequenzen, die das haben könnte.“

Eine Böe wog sacht die letzten Blätter der Bäume im Wind und zog an meinen Haaren. Sie zupfte ein paar tote Blätter von den Ästen und ließ sie in die Weite fliegen. Ansonsten brach nur das Huhen eines Käuzchens diese furchtbar schwere Stille.

Als ich schon überlegte mich wohl endgültig zu verabschieden, griff eine Hand meinen Ärmel: „Es tut mir leid... ich... glaube dir. Ich... wollte es nur nicht.“

Mein Kopf fuhr herum. Skyler schaute zu Boden, während sie mich am Ärmel hielt: „Warum?“

„Weil...“, sie stockte und seufzte: „Das weiß ich nicht... Ich wollte einfach, dass du ein Mensch bist.“

Ich legte ihr eine Hand auf den Kopf: „Schau nicht so.“

Sie hielt mich fest.

Ich realisierte es nur stockend.

Sie hielt mich fest.

Ein Lächeln erschien auf meinen Lippen.

Sie blinzelte mich irritiert an: „Wieso lächelst du mich an?“

Ich blinzelte zurück: „Warum sollte ich nicht?“

„Ich...“, stockte das junge Ding schon wieder, als habe sie etwas falsch gemacht: „Habe dich eigentlich schon wieder als Lügner beschimpft...“

Ich schloss die Augen und lachte leise, etwas lädiert von den letzten Minuten: „Ich werde zwar nicht gerne als Lügner betitelt, aber ich bin alles andere als verständnislos. Wie gesagt: Ich kann mir vorstellen wie das alles klingt und“, ich stockte noch einmal. Hatte sie es überhaupt schon komplett verstanden? Vielleicht war sie auch einfach nur viel zu lieb um mich wissen zu lassen, dass sie eigentlich am liebsten schreiend Reißaus nehmen würde. Das sie sich irgendwie gezwungen sah zu bleiben, war ja nun auch nicht der Vater des Gedanken. Das sie mir jetzt am Ärmel zupfte, hatte nicht zwingend etwas zu bedeuten. Vielleicht veränderte sich unser Umgang trotzdem... Irgendwie...

„Und?“, ging sie auf mich zu und schaute mir von unten ins Gesicht.

Beschwert schaute ich ihr mit hängenden Mundwinkeln in das schöne Gesicht: „Und ich kann verstehen, wenn du mir jetzt... anders gegenüber stehst.“

Sie musterte mich irgendwie skeptisch: „Inwiefern?“

Ich lächelte dünn, mir im Klaren darüber, was das Gesagte für uns Beide alles bedeutete: „Nun ja. Die meisten Menschen reagieren wohl mit Rückzug, wenn sein Gegenüber zugibt er sei kein Mensch.“

Sie schaute mich mit einem komischen Ausdruck an. Es war der Ausdruck, den sie immer aufsetzte wenn sie mich fragte, ob ich nicht fror: „Und... du denkst, da ich jetzt weiß, dass du kein Mensch bist, will ich nichts mehr mit dir zu tun haben?“

Nach einer Weile nickte ich. Meine Worte waren erstickt durch diesen unsteten Wechsel von Warm und Kalt. Erleichterung und Sorge. Ich war entweder das eine, oder das andere. Bis jetzt. Jetzt war alles in mir einfach nur konfus.

Wortlos harte ich aus, während mich Skyler überlegend musterte.

Dann legte sie mir ihre schlanke Hand auf die Schulter und grinste breit. Mein Herz tat einen komischen Hüpfer, der schon annähernd schmerzhaft war und ich konnte meine Verwirrung einfach nicht mehr aus meinem Blick verbannen. Sie war zu groß geworden. Ich stand nicht nur aus irgendwelchen Gründen vollkommen machtlos meinen unlogischen und wechselhaften Empfindungen gegenüber. Nein. Ich stand total neben mir und der Welt. Ich hatte das Gefühl, der einzige der seine Welt gerade nicht verstand, war ich.

Ich holte Luft, doch Skyler war schneller als ich und stemmte die Hände in die Hüfte: „Also wirklich! Was denkst du von mir?“

'Was?' der zweite Gedanken fiel über die Füße des Ersten und ich lachte eher aus Verwirrung als aus Pläsier: „Hehe. Prinzipiell nur das Beste. Aber warum fragst du?“

Sky hob ihren Zeigefinger: „Für wie oberflächlich hältst du mich?“

'Oberflächlich? Was? Wieso?', ich blinzelte reichlich überfahren: „Bitte?“

Die Brünette ging vor mir auf und ab: „Du hast mich schon verstanden!“

Eine Augenbraue oben, die andere unten, schürzte ich ein bisschen die Lippen nach vorne, als ich meinen Nasenflügel kraus zog. Ich konnte mich gerade so davon abhalten meiner Verwirrung mit einem geistlosen: 'Hö?' auch noch auditiv Ausdruck zu verleihen.

Doch Skyler hielt ihre Hände vor den hell kichernden Mund, was meine Augenbraue höher wandern ließ: 'Lacht sie... Lacht sie mich gerade aus?'

„Nein ehrlich“, sie lächelte mich an, als sie ihre Arme hinter den Rücken verschränkte: „Ist denn was du bist so wichtig?“

Mein Kiefer fiel aus seinen Angeln und Verwunderung ließ mich meine, sonst so spitze und vorlaute, Zunge verschlucken. Ich war von meinen Worten verlassen. Das war sehr, sehr selten.

„Ich meine“, lachte das süße Ding und ich hörte den Triumph darin. Sie hatte ihn sich redlich verdient: „Ich mag dich, weil du so bist wie du bist. Nicht weil ich dachte du bist ein Mensch.“

Mein Gedankenknäul drückte stärker gegen den Kloß, doch er blieb stecken.

Skyler kicherte ihr helles Kichern: „Ich mag wer du bist, nicht was du bist. Ändert, dass du kein Mensch bist deinen Charakter? Verhältst du dich jetzt mir gegenüber anders?“

Ich räusperte den Kloß aus meinem Hals. Mein Mund lächelte wieder, als ich mir erlaubte zu verstehen: „Nein. Nein, das tut es nicht und nein, das tue ich nicht. Ich war, hehehehe, schon immer ein bisschen eigen. Das wird sich auch nie wieder ändern.“

„Dann muss ich mich auch nicht von dir zurückziehen“, sie kam lächelnd einen Schritt auf mich zu: „Du bist ein verdammter Freak! Und das ist nicht schlimm, denn... ich mag den Freak.“

Auf einmal hatte ich das hübsche Ding im Arm und wusste selber nicht so ganz wie sie dort hingekommen war. Es war eigentlich auch egal. Ich umarmte sie fest. Sie, die nicht weg gelaufen war. Dann war ich halt ein Freak. Aus ihrem Mund klang es wie ein Kompliment: „Das bedeutet mir viel.“

Sie drückte mich zurück, was mein Lächeln noch weiter werden ließ. Anstatt weg zu laufen hielt sie mich fest. Mein Herz hüpfte albern in meiner Brust herum, als meine Gedanken die Situation noch einmal in Worte fassten: 'Sie hält mich fest...'

Die Katze war aus dem Sack. Die Karten liegen auf dem Tisch... und sie hält mich fest.

„Das heißt nicht, dass ich das alles nicht ziemlich verwirrend finde. Ich habe immer noch eine Menge Fragen an dich. Jetzt noch mehr als vorher“, unterbrach sie die kleine Stille.

Ich lockerte die Umarmung und schaute ihr mit einem Grinsen entgegen, das sich wieder wie gewohnt anfühlte. Das Käuzchen flog flügelschlagend davon und nahm diese drückende Schwere mit sich mit: „Dann frage.“

„Nun“, Sky legte den Kopf schief: „Grell, William und Ronald sind dasselbe wie du? Ich meine... Eure Augen... Ich habe erst gedacht ihr seid verwandt, oder so...“

Ich lachte so leicht wie ich mich wieder fühlte, denn das was mich nervös gemacht hatte war überstanden: „Fu fu fu. Wir können nicht verwandt sein. Der Tod kann kein Leben schaffen. Folglich können wir keine Familie haben. Shinigamis werden erschaffen und nicht geboren. Aber ja, wir alle haben dieselben Augen, sowohl von der Farbe“, ich lachte breit grinsend: „Als auch von der Qualität.“

Sie musterte mich eine kleine Weile: „Also kennst du Grell, Ronald und William von... wie soll ich sagen... eurem gemeinsamen... Zuhause?“

Ich lachte wieder: „Hehe. Nein. Mein Zuhause ist mein kleiner Laden. Als Ronald seinen Dienst antrat, hatte ich den Dispatch schon lange verlassen. Grell und William könnten noch von meinem Ausstieg gehört haben, aber getroffen haben sie mich dort nie.“

„Den Dienst?“

Und ich lachte schon wieder. Denn ich könnte gerade nur noch lachen. Jetzt konnte ich meine Welt mit ihr teilen. Nun durfte sie endlich alles verstehen und anscheinend wollte sie es sogar: „Tehehe! Die Shinigamis sind furchtbar versteift. Sie sind organisiert in der 'Grim Reaper Dispatch Association'. Der Tod ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Geschäft und der Dispatch eine riesige Dienstleistungsgesellschaft. Jedes Land hat seine eigene Zweigstelle und jeder Schnitter hat sein Gebiet, in dem er Seelen einsammelt. Grell und Ronald, beispielsweise, den Großraum London.“

„Und William?“, harkte sie nach.

„William ist kein Schnitter, obwohl er mit das größte Talent dazu hat. Er ist Aufsichtsbeamter. Er achtet darauf, dass die Reaper der British Branch keinen Mist bauen. Er hat folglich öfter mit Grell zu tun.“

„Wie folglich?“

Ich lachte schrill auf: „Awuhuhuhuhuhuhu! Weil Grell ständig Mist baut!“

Sie lachte mit mir.

„Und du bist nicht mehr im Dienst?“, fragte sie im Anschluss.

Ich schüttelte lachend den Kopf: „Ich hatte auf den Verein keine Lust mehr. Ehehehehehe! Also bin ich ausgestiegen und in Frührente gegangen.“

„Sensenmänner gehen in Rente?“, kam es wieder ein bisschen ungläubig aus ihrem Mund. Doch es wirkte nicht so vollkommen verständnislos wie vorher. Ich schob es eher auf eine mangelnde Vorstellung: „Nun, fu fu fu fu, eigentlich nicht. Ich war wohl der Erste. Das könnte der Grund sein, warum mich William immer als 'Deserteur' bezeichnet.“

„Deserteur?“

„Joa“, grinste ich irgendwo schon schuldbewusst, als ich an meinen Austritt dachte und mich der paar Sensenmänner erinnerte, die mir damals meine Death Scythe abnehmen wollten: „Eigentlich wird einem die 'Death Scythe' abgenommen, sollte man aussteigen. Ich habe meine Übrigens noch.“

„Eine... was?“, blinzelte das junge Ding.

Ich legte eine Hand über mein schelmisches Giggeln: „Eine 'Death Scythe'.“

„Was soll denn das sein?“

Ich streckte meine Hand aus. Im nächsten Moment griffen meine Finger den Griff meiner Sense. Skyler quiekte und hüpfte zur Seite. Ich zog sie lachend in eine halbe Umarmung: „Das ist eine Death Scythe.“

Sie starrte mit einem zuckenden Auge auf mein liebstes Accessoire.

„Alles ok bei dir? Hehe.“

Sie schaute mich mit gestresst schüttelnden Kopf an: „Klar. Erschrecke mich zu Tode. Passt schon... Du bist nicht glücklich, wenn der Tag ohne einen dreifachen Herzklabaster meinerseits endet, oder?“

„Genau genommen haben wir halb vier Morgens und der Tag hat gerade erst angefangen. Tihihihi!“

Skylers Augenbrauen zuckten genervt, bevor sie sich abwandte und mir ihre Faust in die Seite knuffte.

Es kitzelte eher, als das es schmerze und ich lachte ein bisschen erstickt von dem Armeisenhaufen in meiner Seite: „Nehehehehe! Du hast doch gefragt!“

„Du hättest es mir auch einfach erklären können!“, rief Sky, als ihr Kopf wieder zu mir flog: „Aber nein! Stattdessen packst du dieses Mörderteil von Sense aus und lässt mich denken mein letztes Stündlein hat geschlagen! Das Ding ist riesig und voll gruselig, man!“

'Ehehehehe! Herrlich!', ich kippte ihr den Schädel meiner Sense vor die Nase: „Tehehe. Ich liebe sie.“

Sie nickte entgeistert, als sie meinem Skelett entgegen blinzelte: „Glaub ich dir... Aufs Wort sogar. Ist es... nicht ein bisschen gefährlich jemanden so ein Ding direkt vor die Nase zu halten?“

Ich giggelte weiter, höchst amüsiert von ihrem Gesichtsausdruck: „Tihihi! Nur ein ausgemachter Trottel würde direkt in eine Schneide fassen. Bist du ein Trottel, Sky?“

Ihr Kopf fuhr empört zu mir herum: „Nein! Natürlich nicht!“

„Dann ist es auch nicht gefährlich. Nehehehe!“

Dann entließ ich meine Sense wieder und legte die nun freie Hand über meinen Mund: „Tihihi! Dein Gesicht!“

Sie schlug mir wieder in die Seite und ein weiterer Ameisenschwarm huschte durch meine Nerven auf und ab.

Ich lachte sie an: „Hey! Warum schlägst du mich eigentlich die ganze Zeit?“

Die Frage war rhetorisch. Eine Antwort bekam ich trotzdem. Und zwar eine, die ich nicht zwingend erwartet hätte, die mich aber in keiner Weise enttäuschte. Im Gegenteil: „Weil du es verdient hast!“

Sky stellte sich in meinem Arm auf die Zehenspitzen und tippte mir vor die Brust: „Du hast Tage, da... nein eigentlich gehörst du immer von Morgens bis Abends geschlagen! Wirklich!“

Ich musste so laut lachen, dass ich eine Hand auf meinen Bauch legte: „Wahahahahahaha! Hast du mit Frank geredet?“

„...Nein. Wieso?“, wirkte sie wieder reichlich verwirrt. Würde sie ihn nur schon besser kennen. Es wäre ihr sofort klar gewesen. Der humorlose Deutsche war nicht gerade zimperlich in der Anwendung körperlicher, nennen wir es, Stilmittel: „Der Spruch hätte von ihm kommen können. Wuhuhuhu.“

„Apropos Frank“, begann die hübsche Brünette: „Wissen die Anderen über euch Bescheid?“

„Tehe, natürlich.“

Sie verzog den schönen Mund: „Ich war also die Einzige, die keine Ahnung hatte?“

„Jup“, kicherte ich in Anbetracht ihrer Mimik.

„Wie nett von euch...“

Ein weiteres Lachen: „Sei ehrlich zu dir selbst, Sky. Hättest du uns geglaubt, wäre gestern Abend nicht gewesen?“

Sky stockte und blinzelte zu Boden: „Nein... Vermutlich nicht.“

Mit einem einzelnen Finger hob ich ihr Kinn wieder an. Ich musste einfach ihre Augen sehen. Jetzt irgendwie dringlicher als vorher: „Es gibt halt Dinge, die können erst zu einem gewissen Zeitpunkt erklärt werden. Des Weiteren ist Unwissenheit manchmal eher ein Geschenk, als eine Strafe.“

„Wie?“, blinzelte sie.

„Unsere Welt ist gefährlich, Sky“, sagte ich eindringlich. Sie war für einen Mensch sicherlich auf irgendeine Art und Weise fantastisch, doch eigentlich viel zu steinig: „Die Menschen, also Charlie, Frank, Lee, Alexander und ihre Familien werden dazu erzogen sich in ihr behaupten zu können und ohne Sebastian würden sie das wahrscheinlich nicht schaffen. Amy hat dich nicht außen vor gelassen, weil sie dir nicht vertraut, sondern weil sie dich beschützen wollte. Du hast die Fehde zwischen den Phantomhives und den Trancys zweimal bei weitem näher miterlebt, als alle von uns wollten.“

Sie rieb sich lachend über das große Pflaster an ihrer Schläfe, als sie mir entgegen strahlte: „Ach... Mir geht es gut. Dank dir!“

Ich lachte seicht, obwohl ich ihre Wunden natürlich alles andere als lustig fand. Doch ihr Lächeln ließ mich nicht anders. Ich wuschelte ihr liebevoll durch die Haare: „Ich lasse sicherlich nicht zu, dass dir etwas Schwerwiegendes passiert, wobei schon diese kleinen Blessuren nicht hätten passieren dürfen.“

Sie legte kurz lachend denn Kopf schief: „Das ist doch halb so wild... doch... wo hast du deine Blessur eigentlich jetzt her?“

Ich grinste mit allen Zähnen: „Die ist aber auch halb so wild.“

„Jetzt sag!“

Es war mir zwar schleierhaft, warum sie sich so an diesem Kratzer aufhing, aber ich ergab mich: „Hehe. Das war ein Engel, nehe!“

Sie blinzelte und kicherte im Anschluss: „Wey. Ein Engel... Das schockt mich jetzt irgendwie auch nicht mehr.“

Sie schaute mir entgegen, mit ihrem Sinne raubenden schiefen Lächeln. Ich merkte wie mein Eigenes ohne mein Zutun weiter wurde. Nach ein paar stummen Blicken in das Himmelblau ihrer Augen begannen wir synchron zu lachen. Ohne Sinn. Ohne Verstand. Und vor allem: Unverändert.

Als ich wieder atmete entfuhr mir ein ermattetes, doch erleichtertes Seufzen. Meine Anspannung war verschwunden. Es war alles gut gegangen. Die Müdigkeit klopfte wieder an.

„Woran denkst du?“, hörte ich Skylers Stimme neben mir.

Meine Augen wanderten zu ihr: „Ich bin froh, dass die Katze aus dem Sack ist.“

„Warum?“

„Naja“, ich schaute wieder in die Sterne, denen ich definitiv etwas schuldig war: „Ich hatte immer Angst, dass ich dich irgendwann eigentlich belügen müsste.“

„Hättest du es getan?“

Ich schüttelte den Kopf, immer noch die Augen in den Sternen: „Nein.“

„Hättest du es mir spätestens dann erklärt?“

Ich schüttelte wieder den Kopf.

Dann schaute ich sie wieder an. Ihr Kopf lag schief: „Was hättest du denn dann getan?“

Ich grinste, als die Antwort so einfach war: „Ich hätte dir gesagt, dass ich es dir nicht sagen kann.“

„Aber... Warum konntest du es mir nicht sagen?“

„Fuhuhu. Wir haben alle Alexander, wie jedem Earl davor auch, versprochen Außenstehende in dem Glauben zu lassen wir seien Menschen.“

„Also...“, faste Sky ihre Gedanken dazu zusammen: „Haben die Earls euch zum Lügen gezwungen?“

„Nein. Das würden sie nie“, schüttelte ich den Kopf und erklärte, dass die Dinge etwas anders lagen: „Er hat uns lediglich gesagt wir sollen nicht erwähnen oder zeigen, dass wir anders sind. Ihr Menschen geht automatisch davon aus, dass wir Menschen sind. Da müssen wir nichts zu sagen. Denn es ist logisch, weil die Meisten vollkommen ahnungslos sind.“

„Aber... du hast dir nie Mühe gegeben zu verstecken, dass du anders bist.“

„Warum denkst du das?“, grinste ich. Ich hatte mich tatsächlich das ein oder andere Mal sehr am Riemen reißen müssen, um zu wirken wie ein... menschlicher... Verrückter.

„Nun ja“, lächelte sie verschmitzt: „Meinst du abgesehen von deinem ganz normalen vollkommen untypischen Verhalten?“

Ich lachte gespannt hinter meiner Hand: „Ja, hehehe, abgesehen davon.“

Sie seufzte seicht und müde: „Du hast einfach immer etwas an dir, was nicht ganz von dieser Welt wirkt. Deine Weltsicht ist mehr als kurios und deine Augen leuchten im Dunkeln.“

„Tehehehe! Nun ja, ich tippe so ganz können wir uns nicht verstecken. Unser Naturell ist einfach anders.“

„Wahrscheinlich“, lächelte sie: „Aber warum kann der Earl euch Vorschriften machen?“

Ich lachte schriller auf, als Antworten wieder zu Fragen führten: „Ehehehehehehe! Naja, mir kann er Vorschriften machen, weil ich ein 'Aristokrat des Bösen' bin. Die Anderen hat er einfach darum gebeten und sie haben zugestimmt.“

Ein weiteres Fragezeichen leuchtete über ihren Kopf: „Aristokrat des Bösen?“

„Der Earl Phantomhive“, erklärte ich mit einer ausladenden Bewegung meines Armes, die den ganzen Garten und das Manor einfasste: „Ist auch bekannt unter dem Spitznamen 'Wachhund der Königin'. Er dient der Queen und regiert in ihrem Sinne die Unterwelt. Die 'Aristokraten des Bösen' könnte man als seine Handlanger bezeichnen. Charlie ist einer, genau wie Frank, Lee und auch ich. Die anderen Sensenmänner sind einfach nur Freunde der Familie seit der Zeit von Ciel Phantomhive.“

„Ciel Phantomhive?“, wurde das Frage- zum Ausrufezeichen: „Das war doch ein Name auf einem der freistehenden Särge im Mausoleum!“

„Exakt“, grinste ich dem aufmerksamen Ding entgegen: „Er war der erste Earl, der einen Pakt mit Sebastian geschlossen hatte. Er hat auch die Familie von Lee ins Boot geholt.“

„Kay... Und Frank, Charlie und du? Seit wann seit ihr dabei?“

„Ihre Familien und ich? Seit Vincent“, antwortete ich und erinnerte mich unwillkürlich an Vincents lachendes Gesicht: 'Ruhe in Frieden, alter Freund...'

„Was... hast du?“

„Was meinst du?“, ich wachte aus meinen schönen Erinnerungen, deren Alter mir einen scharfen Schmerz die Wirbelsäule runter schickten.

„Du wirktest so... bedrückt, als du den Namen ausgesprochen hast.“

Ich lachte und wurde das Gesicht des alten Earls nicht ganz los: „Vincent war mein bester Freund.“

„Oh...“, machte Skyler erst mitfühlend. Dann hielt sie inne. Hinter ihren Augen ratterte es, bis sie blinzelte: „Vincent war …dein bester Freund? Undertaker, Vincent hat vor 130 Jahren gelebt!“

Ich lachte ein bisschen ertappt. Die nächste Information hielt auch einen kleinen, oder größeren, Schock bereit und ich hatte eigentlich gehofft wenigstens um dieses Thema herum zu kommen: „Äh ja. Hehehehehe! Hätte ich erwähnen sollen, dass Shinigami in der Theorie unsterblich sind?“

Skylers Augen wurden riesig. So riesig, dass ich nicht anders konnte als mich zu amüsieren.

„Bitte was?!“, rief sie aus.

„Naja“, ich machte eine wegwischende Handbewegung, als wäre diese Information gar nicht so wichtig: „Wir sind die Personifikation des Todes und der Tod stirbt nicht. Hehehe! Eigentlich ganz einfach!“

Jetzt leuchteten viele Ausrufezeichen über ihrem Kopf. Es war erstaunlich zu sehen, wie sie nach und nach alles zusammenfügte, was sie vorher nicht verstand: „Deswegen wolltest du mir nicht sagen wie alt du bist. Hättest du mir die Wahrheit gesagt, hättest du dich als Nicht-Mensch enttarnt, weil du über 100 Jahre alt bist, oder?“

Ich lachte schriller. Über 100 Jahre traf den Kern nicht so ganz, war aber im Groben richtig: „Ehehehehehehe! Ein bisschen älter.“

„Undertaker...“, musterte mich Skyler in Erwartung dessen was da kommen möge: „Wie alt bist du?“

Ich hob grinsend die Hände: „Um dir ehrlich zu antworten: Ich weiß es nicht mehr.“

„Wie?“, verlor sie abermals die Kontrolle über ihr süßes Gesicht: „Du weißt es nicht mehr?!“

Ich nickte lachend, als ich Grund auf ehrlich zu ihr war: „Hehe. Jup. Ich hab irgendwann aufgehört mitzuzählen.“

„Und...“, sie zögerte gefangen zwischen Neugier und dem offensichtlichen Gedanken, es irgendwie auch nicht wissen zu wollen: „So... ungefähr?“

Ich wog den Kopf, als sie sich für Neugier entschied, was ich eigentlich immer begrüßte. Nur dieses Mal wäre mir Zweiteres vielleicht doch lieber gewesen: „Wie alt ist die Menschheit? So ungefähr?“

Stille. Skyler schaute mich mit blinzelnden und vollkommen verdutzten Augen an, was mich lachen ließ. „Schätzungsweise um die 200.000 Jahre“, sagte sie schließlich zögerlich: „Aber warum?“

„Gut“, grinste ich so breit wie ich konnte und verschränkte meine Arme, als ich es beiläufig klingen lassen wollte: „Dann bin ich schätzungsweise um die 200.000 Jahre alt. Minus ein paar Jahrzehnte. Tihi!“

Sie riss die Augen auf und ihr Mund klappte auf: „Zur Hölle bitte was?! Willst du mich jetzt endgültig verarschen?!“

Es klang wohl nicht so beiläufig wie ich wollte.

Ich lachte und rieb mir den Hinterkopf. Ihre Reaktion war trotz allem ziemlich amüsant: „Ahehehehehe! Äh nein. Es ist so.“

„Was?! Wie?! Das ist unmöglich?! Dadadadadada das geht nicht!“

Ich wog grinsend den Kopf hin und her: „Doch, tihi, das geht. Siehst du doch.“

„Du bist so alt wie die Menschheit selbst?!“

Ich nickte: „Ja, hehehe! Minus ein paar Jahrzehnte halt. Ich bin der erste Sensenmann, der je entstanden ist.“

Sie bekam den Mund nicht mehr zu: „Der der der der der Erste?!“

Ich nickte wieder: „Um deiner Vermutung vorweg zu greifen. Ich lüge auch jetzt nicht. Hehe!“

„Aber“, wirkte sie irgendwie ratlos: „Das klingt vollkommen unmöglich! Wie lange... Wie lange bist du denn schon ausgetreten und hier bei den Menschen?!“

Ich kniff ein Auge zusammen und schaute mit dem anderen von Stern zu Stern, als meine Gedanken ratterten. Hätte ich meine Jahresplaner zur Hand gehabt, hätte ich sie einfach durchzählen können: „Uff... Hehe! Lass mich kurz nachdenken! Das war kurz nachdem Ludwig XVI hingerichtet wurde. Die Revolution war im vollen Gange.“

Sky zog die Augenbrauen zusammen: „Ludwig XVI wurde Anfang 1793 hingerichtet!“

„Tehehehehe!“, machte ich: „Nein, das muss dann doch ein bisschen später gewesen sein. Ende 1793 habe ich noch die Seele von Marie-Antoinette von Österreich-Lothringen geholt.“

„Führst du Buch über so was?!“

„Gezwungener Maßen. Nehehehe! Die Sensenmänner sind unglaubliche Bürokratiefanatiker! Das ich meine Atemzüge nicht dokumentieren musste war nett von ihnen!“, mein Finger fuhr in die Luft, als es in meinem Kopf klickte: „Ha! 1795! Kurz nachdem die erste Koalition aus Großbritannien, Österreich, Preußen und Spanien während der Napoleonische Kriege auseinander brach! Hehehehehe!“

Sky schüttelte blinzelnd den Kopf: „Ehrlich?“

„Hehehe! Ja.“

„Sicher?“

„Haha! Jaha!“

„Ganz sicher?“

„Wolltest du mir nicht glauben, wenn ich dir antworte?“

„Da wolltest du mir noch nicht erzählen du seiest 200.000 Jahre alt und vor über 200 Jahren hier aufgeschlagen...“

Ich breitete wieder die Hände aus: „Das Leben hält eine Menge Überraschungen bereit! Tehe!“

„Und es spricht da sicher nicht die.... geistige Verwirrung aus dir?“

Trotz allem: Diese untragbare Schwere blieb aus. Obwohl Skyler die Informationen noch nicht ganz verkraftet hatte, spürte ich, dass sie mir eigentlich glaubte.

Ich unterlag sogar einem kleinen Lachanfall, als das junge Ding so herzerquickend ehrlich zu mir war: „Fuhuhuhuuhuhuhuhuhu! Herrlich! Die Frage ist so naheliegend, ich kann noch nicht einmal beleidigt sein! Ehehehehehehe!“, ich wischte mir die Lachtränen aus den Augen: „Deine Schätzung auf 32 fand ich übrigens sehr schmeichelhaft. Nihihihi!“

Sky nickte langsam und mehr als nur überfordert: „Jaaaaa... Du hast dich gut gehalten... für 200.000... Was für eine Antifaltencreme benutzt du?“

Das pure Gelächter brach mir aus Hals und Kehle. Es surrte mir durch Magen, Ohren und Rachen: „Pahahahahahahahaha! Antifaltencreme! Wuhuhuhuhuhuhuhu! Herrlich!“

„Und... wie alt sind die anderen... Nicht-Menschen?“, fragte Sky, als ich nicht mehr so laut lachte.

Ich legte den Kopf schief, als ich kurz überlegen musste. So hundertprozentig wusste ich es gar nicht, aber ungefähr: „Hehe. Sebastian und Claude müssten beide so um die 3000 Jahre alt sein. William und Grell sind um die dreihundert und ich meine Ronald hat vor kurzem die 190 geknackt.“

„Altert ihr überhaupt?“

Ich lachte wieder: „Sebastian und Claude nehmen lediglich die Gestalt von Menschen an. Eigentlich sehen die Beiden ganz anders aus. Shinigami altern nicht so wie ihr Menschen es definiert.“

Sky schüttelte den Kopf: „Man sieht euch euer Alter zumindest nicht an...“

Ich lachte nur: „Hehe. Danke, danke für die Blumen. Sage das zu Grell und du bist sofort seine beste Freundin.“

Eine kurze Stille fiel zwischen uns. Langsam sah ich ihr an, dass sie ihren Grenzen näher kam, als ihr gedankenschwerer Blick durch den Garten flog: „Du siehst müde aus.“

Sie nickte als sie mir den Kopf zudrehte: „Das ist alles nicht so leicht zu glauben...“

Ich konnte sie wirklich verstehen. In allen Punkten. Auch ich war irgendwie müde und ein bisschen überfordert. Ich konnte noch nicht ganz glauben, dass sie meine Unmenschlichkeit einfach so akzeptieren konnte: „Ich weiß.“

„Du hast irgendwas“, schaute sie mich an: „Was ist los, Undertaker?“

Ich schüttelte lachend den Kopf: „Ich hoffe nur, ich habe dich immer noch nicht verschreckt. Hehe.“

Sie kicherte mit mir: „Das ist alles?“

Daraufhin zog ich eine Augenbrauen hoch: „Das ist ziemlich viel.“

„Wa... Warum? Selbst wenn du mich verschreckt hättest, was wäre daran so schlimm?“

Ich legte meine Hand auf ihren Kopf, als mir klar wurde, dass der jungen Frau gar nicht bewusst war wie viel sie mir bedeutete: „Ich würde deine beschämte, wie verstörte Art vermissen. Tihihihi!“

Sie verschränkte die Arme und ihr schwerer Gesichtsausdruck ließ mich zaudern: „Du würdest also ein Opfer zum Erschrecken vermissen...“

Bestimmt schüttelte ich den Kopf: „Nein. Ich würde dich vermissen. Mit einfach allem Drum und Dran.“

Ihr Mund klappte wieder auf. Ich fuhr ihr leise lachend mit den Fingern über ihre weiche Haut. Sie war kalt vom frischen Wind. Dann klappte ich ihren Mund zu: „Tehehe! Warum schaust du denn so?“

Sie blinzelte: „Du würdest.... mich vermissen?... Aber... ich bin doch nur ein ganz normaler Mensch! Furchtbar langweilig und unglaublich ordinär! Und du... du bist...“

„In erster Linie ein Verrückter, der mit Toten spricht“, erwiderte ich: „Du wolltest dich doch darauf konzentrieren wer ich bin und nicht was ich bin, oder? Ich begrüße diese Einstellung sehr, denn was ich bin ist mir vollkommen egal. Ich fühle mich den Sensenmännern in keinster Weise mehr verbunden. Wer ich bin, ist mir dagegen furchtbar wichtig. Natürlich, kleine Sky, bist du ein Mensch“, ich schob ihr Gesicht näher zu meinem: „Doch das bedeutet weder das du 'langweilig' und 'ordinär' bist, genauso wenig steht es der Tatsache im Weg, dass ich dich mag. Tehehehe! Du bist ein ganz herzerquickendes junges Menschending und darüber hinaus sehr unterhaltsam.“

„Du... du magst mich?“, fragte sie nach einer komischen Pause.

„Nein“, machte ich sarkastisch, als es sich mir wirklich nicht erschloss warum sie noch einmal nachfragen musste: „Ich verbringe immer Zeit mit Leuten, die ich nicht leiden kann. Das ist ein Hobby von mir. Genau wie Akten katalogisieren oder Bingo spielen. Hehe.“

Skyler blinzelte mich vollkommen perplex an.

„Du... spielst Bingo?“, stammelte sie.

Ich zog eine Augenbraue hoch. Dann presste ich die Hände vor Mund und Bauch, als ich nicht glauben konnte was gerade passierte. Diese riesigen Augen! 5 Minuten dauerte der Lachanfall, den ich vergeblich zu verhindern versucht hatte. Ich fächelte mir selber Luft zu: „Du stehst ja vollkommen neben dir. Fuhuhuhuhuhu!“

Als ich mein Gesicht zu Skyler drehte, bekam ich einen Tritt in die Magengrube. Sie stand da, weiß wie die Wand. Zitternd wie Espenlaub. Tränen in den Augen. Ich verstand die Welt nicht mehr. Sky hatte schon mehr als einmal bewiesen, dass sie Ironie und Sarkasmus sehr wohl erkennen und anwenden konnte, doch gerade wirkte sie als nähme sie meine Worte bitter ernst.

„Was ist denn los mit dir? Sky! Das war Sarkasmus! Ehehehehehe! Ich quetsche mich doch nicht in meiner Freizeit in einen überfüllten Raum und warte darauf zufällig 5 Zahlen in einer Reihe zu bekommen! Genauso wenig wie ich Akten sortiere! Bei diesem langweiligen Bürokram bekomme ich Stresspusteln!“, ich schüttelte amüsiert schnaubend den Kopf, um deutlich zu machen, dass ich das nicht ernst gemeint hatte und wischte ihr mit den Daumen die Tränen aus beiden Augen: „Ich wollte dir damit deutlich machen, dass ich dich natürlich mag! Da du dich selbst immer reichlich an Ironie und Sarkasmus bedienst, dachte ich eigentlich du erkennst den Wink.“

Die Erkenntnis schien sie hart und siedend heiß zu treffen.

Sie versteckte ihr Gesicht unten den Händen: „Oh nein! Gott ist das peinlich!“

Ich zog ihre zittrigen Hände von ihrem Gesicht. Das junge Ding war am Ultimo angekommen.

Ich lachte ihr aufbauend entgegen: „Hehehehehe! Nein, ist es nicht! Du bist müde und hast eine Menge Informationen, die du erst einmal verarbeiten musst. Du solltest dich hinlegen.“

Sie nickte sehr langsam mit dem hängendem Kopf und atmete ein paar Mal konzentriert ein und aus: „Wahrscheinlich hast du Recht, doch... eine Frage habe ich noch.“

Ich verbog meinen Rücken um ihr ins niedergestreckte Gesicht schauen zu können: „Denkst du das ist eine gute Idee? Hehe.“

Sie warf den Kopf nach oben. Ich streckte den Rücken wieder, der abermals knackte. Dann griff ich um. Entließ ihre Handgelenke und fasste ihre Hände. Sie waren eiskalt. Wenn sich ihre Hände für mich so kalt anfühlten hatten sie die Grenze von 'Bedenklich' schon überschritten, was mir Sorgen machte.

„Warum“, legte sie den Kopf schief: „Fragst du?“

„Nun ja“, grinste ich: „Hehe. Du bist weiß wie die Wand, zitterst, scheinst nicht mehr so wirklich gerade aus denken zu können und deine Hände sind kälter als meine. Ich glaube du hast deinen Zenit schon lange überschritten. Was verständlich ist. Gestern und heute ist eine Menge passiert und du hast mental, wie körperlich eine Menge wegstecken müssen.“

Doch sie erwiderte meinen Blick fest und bestimmt. Hinreißend: „Diese Antwort brauche ich noch. Ansonsten würde ich wach liegen und stundenlang versuchen sie selbst zu finden.“

Ich lächelte mehr als nur angetan von dieser erfrischenden Neugier: „Ahhhh, der Fluch der Neugierigen und Wissensdurstigen. Hehehehehe. Wenn dem so ist. Frag.“

„Warum bekriegen sich die Phantomhives und die Trancys?“

„Die Trancys“, begann ich, als ich mich der uralten Geschichte und dem ganzen Hin und Her mit Alois erinnerte. Ciel gegen Alois. Das war etwas gewesen: „Hatten damals als die Spinne der Queen eine ähnliche Stellung wie der Wachhund, doch fielen sie in Ungnade und verloren ihre Position. Ehehehehehehehe! Die Trancys neiden den Phantomhives ihr Ansehen bei der Queen und ihr breites Netzwerk. Jeder Aristokrat hat selbst eine Menge Leute, die für ihn arbeiten, also indirekt auch für den Earl. Oliver bat vor 2 Jahren um Amys Hand. Er wollte in die Familie einheiraten. Sollten Alexander und Fred etwas zustoßen, wäre Amy die rechtmäßige Erbin des Titels 'Wachhund der Königin'. Wir sind uns sicher, dass Oliver nach der Hochzeit Alex und Fred umbringen wollte. Nach alten Traditionen fällt dem Mann der Titel zu, auch wenn die Frau die Erbin wäre. Somit hätte er alles was er den Phantomhives so bitter neidet.“

Aus einer Frage wurden wieder viele: „Was für ein Netzwerk?“

So kam sie nie ins Bett, doch ich konnte ein weiteres zufriedenes Lachen nicht unterdrücken. Also gab ich ihr noch etwas Trivialwissen, als Gutenachtgeschichte und klemmte ihren Arm unter meinen, als ich sie während ich sprach zur Villa zurückführte: „Fu fu fu fu! Jeder Aristokrat hat eine Funktion und seine Finger tief in schmutzigen Angelegenheiten. Lee, beispielsweise, ist der Kopf fast aller Drogengeschäfte in London. Man nennt ihn auch den 'König des East Ends'.“

Skyler blinzelte als sie ihre Welt sortieren wollte. 'König des East Ends' war ihr als eigentlicher Bewohner selbiges sicher ein Begriff. Das Lee nicht zum knallharten Drogenbaron passte lag ebenso auf der Hand: „Tihihihihi! Schwer zu glauben, aber so ist es. Ich für meinen Teil, ehehehehehe! Bin ein Bestatter mit Ruf, könnte man sagen. Ich bin auch im Untergrund als Dreh- und Angelpunkt für Informationen bekannt und bekomme fast alles zu Ohren, was in den Eigenweiden der Londoner Unterwelt rumort. Wenn man einen Verstorbenen hat, den die Polizei niemals finden soll, kommt man zu mir. Charlie und Frank halten im Ausland ihre Augen und Ohren offen. Wenn man es so sehen möchte sind sie Spione der Queen in Mitteleuropa. Ronald, Grell und William sind tatsächlich einfach nur unsere Freunde. Hehe. Doch wie das mit guten Freunden so ist helfen sie uns, wenn wir sie brauchen. So wie gestern Abend. Wir schätzen diese Freundschaft sehr.“

„Und die Trancys wollen all das haben?“, fragte sie und schaute durch den Garten.

Ich nickte ein weiteres Mal grinsend: „In der Tat. Der Earl Oliver Pascal Trancy und sein Butler Claude Faustus. Die beiden haben dich an Amys Geburtstag überfallen.“

„Der Blonde der mich ertränken wollte ist auch ein Earl?!“, fuhr ihr Kopf zurück zu mir.

„Und ein niederträchtiger, kleiner Bastard“, grinste ich und führte sie durch die Gartentür, die geräuschvoll zu schlug: „Mache dir keine Gedanken mehr um sie. Die Beiden haben in der letzten Zeit ausreichend mit ihrem jungen Leben gespielt, um eine Retourkutsche zu verdienen.“

„Retourkutsche?“, fragte Sky irritiert: „Inwiefern?“

„Tehehe. Das müssen wir noch besprechen. Doch sowohl Alex, die Aristokraten, wie auch Sebastian, die Shinigami und auch ich haben mittlerweile die Nase gestrichen voll von diesem überheblichen, kleinen Idioten. Allerdings kommen wir nicht so einfach an ihn heran.“

„Wegen Claude?“

„Ehehehe! Unter anderem. Oliver hat 5 Dämonen unter sich, doch Claude ist mit der stärkste von ihnen.“

„5?!“, rief die Hübsche aus.

Ich nickte wieder: „Oh ja, oh ja. Er muss ja irgendwie seine fehlenden Kontakte kompensieren. Hehe. Und wie es scheint hat er seinen Kreis von übernatürlichen Handlangern erweitert.“

„Wie meinst du das?“

„Sebastian und ich wollten Claude eine Lektion erteilen, nachdem er dich und Amy angegriffen hatte, doch ein Engel hat ihm die Haut gerettet.“

„Warte!“, rief sie: „Ein Engel? Ich verstehe wahrscheinlich noch nicht ansatzweise so viel wie ich müsste um wirklich mit reden zu können, aber nachdem was ich weiß sind Dämonen und Engel nicht gerade best Friends! Wenn Claude also ein Dämon ist, warum sollte ein Engel ihm helfen?“

„Du denkst ganz recht, hehe. Das gilt es zu klären, bevor wir es mit Oliver und seiner Bande aufnehmen können.“

Vor ihrem Zimmer drehte ich ihr den Kopf zu und musterte sie so eindringlich wie ich konnte: „Doch das ist unser Problem, nicht Deines und mache es nicht dazu, ja?“

„Aber... Amy ist...“, wollte sie protestieren.

„Genauso außen vor wie du“, beendete ich diese Diskussion, bevor sie richtig beginnen konnte. Denn über ihre Sicherheit diskutierte ich nicht. Auch nicht mit ihr: „Wir regeln das. Nicht Amy, nicht du. Bitte“, ich nahm ihr Gesicht in die Hand und strich ihr über ihre kalte Wange. Sie musste ganz dringend ins Bett, sich aufwärmen und schlafen: „Versprich mir dich daraus zu halten. Du wärst hoffnungslos verloren. Was soll ich denn tun, wenn dir etwas wirklich Schlimmes passiert?“

Ich schaute ihr in das unendliche Himmelblau. Sie schaute zurück. Wie lange wir stumm dort standen konnte ich nicht genau sagen.

Irgendwann nickte sie stumm.

Ich zog sie ein weiteres Mal an mich. Ich konnte immer noch nicht fassen wie froh ich war, dass ich das noch tun konnte: 'Denn... was wäre gewesen, wenn...?'

„Gute Nacht, meine schöne Puppe“, flüsterte ich ihr ins Ohr: „Träume trotz allem gut und ruh' dich aus. Alle anderen Fragen haben bis später Zeit.“

Mit einem Lächeln ließ ich sie los und ging an ihr vorbei. Einen Schritt brauchte es, da griff mich eine Hand. Das schöne Ding, was nicht weg gelaufen war, hielt mich fest: „Bedrückt dich noch etwas?“

Gedanken rasten hinter den müden Augen: „Äh... Warum hast du an meinem Bett gesessen?“

Ich lachte: „Ahehehehehe! Ich wollte sicher gehen, dass du in Ordnung bist. Ich weiß wie gut der Schuh eines Dämons im Gesicht tut, glaube mir. Hehe!“

Sie musterte mich kurz. Dann blühte ein Lächeln auf ihren Lippen auf, als sie die Augen schloss: „Danke.“

„Wofür?“, fragte ich ehrlich verwundert.

Sie öffnete ihre Augen und schaute mir wieder in Meine. Das Ticken der Zeit wurde langsamer: „Für alles. Für die viele Hilfe. Für jeden gut gemeinten Rat. Für deine Zeit. Deine Geduld. Dein offenes Ohr. Fürs Leben retten und dass du meine ganzen Fragen so gewissenhaft beantwortet hast.“

Ich legte gerührt den Kopf mit einem Lächeln schief: „Nein. Ich muss dir danken.“

Sie blinzelte in Unverständnis: „Wofür denn?“

Alle meine Zähne erschienen, als ein selbst für mich untypisch weites Lächeln in meinem Gesicht erschien: „Das du da bist.“

Ich zog seicht an der Hand, die mein Handgelenk fest hielt und stoppte das kleine Stolpern der hübschen Skyler mit meinen Lippen an ihrer Stirn.

Ihre Hand fiel von meinem Handgelenk.

Das Ticken der Zeit hörte kurz auf.

„Gute Nacht“, lächelte ich, als ich es geschafft hatte meinen Mund von ihrer Stirn zu nehmen und mich des Schwindels erwehrt hatte, der in meinen Kopf gestiegen war.

„Gut...“, setzte sie an: „Gute Nacht.“

Schnell verschwand ich den Flur herunter Richtung Küche, damit uns nicht noch irgendetwas anderes aufhielt. Ich brauchte allerdings einen Tee, bevor ich meinen Posten im Zimmer neben ihrem beziehen konnte. Auf dem Flur konnte ich sie alleine lassen.

Denn sie war nicht alleine.

Die restlichen Zimmer waren belegt durch Lee, Charlie, Frank, Grell, Ronald und William und Sebastian schlich wie ein treuer Wachhund durch die Flure des Manors, Augen und Ohren überall. So blöd, sich mit allen gleichzeitig anzulegen, sollten selbst die Trancys nicht sein.
 

„Guten Morgen“, rüttelte es an meiner Schulter.

Ich schlug die Augen auf, sah aber erst nichts. Erst als ich mir die Haare aus dem Gesicht strich sah ich den dämonischen Butler, wie er mir auf seine offensichtlich falsche Art entgegen lächelte.

Ich stöhnte: „Dinge, die ich am Morgen nicht brauche: Dein falsches Grinsen, Butler.“

„Dinge, die ich den ganzen Tag nicht brauche“, grinste der Dämon und schloss die rostroten Augen: „Dich.“

Ich lachte.

Auch wenn Sebastian immer bemüht war so unangetan und desinteressiert wie möglich zu wirken, wusste ich, dass ihm sein Leben eigentlich gefiel, wie es war: Bei der Verteidigung gegen Grells Avancen konnte er sich ein bisschen austoben, Ronald konnte er wunderbar für Blöd verkaufen und in den Wortgefechten mit William und mir konnte er alle sich angestauten Widerlichkeiten ungebremst zum Besten geben. Den Menschen konnte er immer überlegen sein. Ich war mir sehr sicher, dem Butler würde ohne uns etwas fehlen.

Ich setzte mich auf. Meine Wirbelsäule schmerzte. Ich hasste Betten.

Ich gähnte und strecke mich, während ich mich am Kopf kratze. Ich spürte die vielen kleinen Knoten in meinen Haaren: 'Na wunderbar...'

Ich hasste Betten.

Anbei muss ich aussehen wie ein Australian Sheppard, der an einem Starkstromkabel herum gekaut hatte.

„Wie spät ist es?“, angelte ich verschlafen nach meiner Brille. Es schien noch nicht die Sonne durch die schweren Gardinen.

„6 Uhr“, grinste der Butler: „Müde?“

Ich warf die Beine aus dem Bett, als ich die Brille auf die Nase setzte: „Ein bisschen. Hehe.“

Viel geschlafen hatte ich nicht, denn ich war erst vor 2 Stunden endgültig ins Bett gekommen.

Ich klaubte ein Haargummi aus meiner Tasche und legte meine oberen Haare ein bisschen zurecht, bevor ich mir einen Zopf band: „Was möchte der Earl von mir, Butler?“

„Der Meister wünscht gestern Abend zu besprechen“, antwortet der Dämon: „Solange die Mädchen noch schlafen.“

Ich schlüpfte in meine Schuhe: „Ist es weise sie außen vor zu lassen? Hehehe.“

„Der Earl sieht noch keine Notwendigkeit die junge Lady und Miss Rosewell in die Diskussionen einzubinden, solange wir vor mehr Rätseln als Antworten stehen.“

„Und Fred?“, fragte ich, als ich mit dem höllischen Butler die Flure zum Salon im Südflügel hinunter ging.

„Er ist anwesend.“

Ich nickte und lachte. Dann beschritten wir den Rest des Weges schweigend.

Im Salon spielten alle gerade eine Runde Pool. Es war ein gewohntes Bild. Alexander reichte mir einen Queue: „Guten Morgen.“

Ich nahm den Queue grinsend entgegen: „Hehe. Guten Morgen, werter Earl.“

„Ach du meine Güte“, lachte Lee und schlug eine Kugel gegen die Bande: „Der wandelnde Tod hat das Zimmer betreten!“

Ich zog lachend eine Augenbraue hoch: „Ehehehehehe! Meine Güte, Lee! Der war wirklich ziemlich schlecht.“

Grell zeigte mir ins Gesicht: „Ich glaube er bezieht sich eher auf deine unglaublich gesund wirkende Optik, Herzchen. Ich hab Make up in der Tasche. Vielleicht siehst du dann nicht mehr aus wie eine deiner Dolls.“

„Ehehehehe! Danke, liebster Grell. Ich verzichte. Ich werde die Optik meiner bezaubernden Dolls mit Stolz und Würde tragen.“

Sebastian kam mit einem Tablett dampfender Tassen in den Salon und verteilte sie. Zum größten Teil handelte es sich um frischen Kaffee, doch ich bekam meine übliche Tasse schwarzen Tee.

„Was auch immer daran so erstrebenswert ist“, trank Ronald einen Schluck seines Kaffees und zeigte mit seinem Queue auf den Tisch: „Du bist dran.“

Lachend stellte ich meine Tasse ab und ging zu dem Tisch: „Worauf spiele ich? Hehe.“

„Ungerade“, nuschelte Frank und zündete sich eine Zigarette an.

Eher nebenbei versenkte ich zwei ungerade Kugeln im selben Loch und nahm meinen Tee wieder.

„Da nun alle da sind“, sprach Alexander aus seinem Sessel: „Wir haben einiges zu besprechen. Amys Schilderungen machen mir Sorgen.“

„Uns allen!“, sprach Lee mit einer ausschweifenden Geste: „Fragen über Fragen. Rätsel über Rätsel! Unser illustrer, blonder Freund hat keine Mühen gescheut uns etwas zum Grübeln zu überlassen.“

„Was denn alles?“, fragte Ronald, der halb auf einer Kommode saß.

„Das wüsstest du, wärst du gestern nicht auf deinem Stuhl eingeschlafen“, grummelte William reichlich genervt.

„Hehe. Wie hast du den denn aus dem Bett bekommen“, fragte ich Sebastian amüsiert.

Der Butler lächelte: „Ich habe meine Mittel und Wege.“

Ich giggelte als mir klar war, dass keiner davon William gefallen würde.

„Ehehehe! Die Jugend muss sich ihren Schlaf gönnen, William! Ich würde auch gerne unterrichtet werden.“

„Du warst doch dabei“, aschte Frank seine Zigarette ab.

„Weißt du, liebster Frank. Ich habe nur das Ende von dem gesehen was passierte, doch ich bin mir sicher Amy hat es euch ausführlicher erklärt als mir. Tehehehe.“

„Das kann ich bestätigen“, bekam ich die seltene Unterstützung des schwarzhaarigen Dämons: „Die Erklärungen der jungen Lady auf dem Flur waren arg diffus.“

Charlie lachte: „Amy brauchte gestern definitiv etwas bis sie sich beruhigt hatte. Verständlich. Mich würde es auch erschrecken, wenn Claude auf einmal hinter mir steht.“

„Das steht außer Frage“, schüttelte Heather den Kopf. Dann stand sie auf und nahm eine meiner Hände, während sie mir entgegen strahlte: „Ich danke dir, Undertaker. Den Mädchen wäre Sonstiges passiert, hättest du es nicht bemerkt.“

„Danke Skyler, nicht mir“, lachte ich.

„Wieso?“, wirkte die Countess etwas verwundert.

„Hätte Skyler sich nicht ihre hübsche Kehle aus dem Hals geschrien, hätte ich gar nichts bemerkt. Hehe.“

„Wo wir beim ersten Knackpunkt sind“, warf Fred ein, der seinem Kaffee sehr verbunden wirkte und alles andere als putzmunter schien: „So wie es sich anhörte hatte Skyler die ganze Zeit das Gefühl verfolgt zu werden. Etwas, was dank der 'Fessless Stones' ja unmöglich sein sollte. Wie, in aller Herren Länder, hat sie Claude also bemerkt?“

Heather ließ meine Hand los und schaute in die Runde: „Eine sehr gute Frage.“

Ich giggelte, obwohl mich eine Antwort mindestens genauso brennend interessierte wie alle hier im Raum: „Tihihihi. Es gibt Menschen, die Übernatürlichen gegenüber einfach affine sind.“

„Das wissen wir“, trank Fred einen weiteren Schluck Kaffee: „Die Phantomhives sind schon so lange in Sebastians Nähe, dass wir selber affine geworden sind.“

„Falsch“, kicherte ich: „Nihihi! Ciel war schon affine, deswegen konnte er Sebastian auch so einfach beschwören. Opfer ist ungleich Opfer.“

Der Dämon nickte: „Undertaker hat Recht, aber das ist eine andere Geschichte.“

„Gut, trotz allem“, Fred schüttelte den Kopf und begab sich an den Billardtisch: „Wir können Claude und Co. KG definitiv nicht mehr spüren. Wir haben nicht die leiseste Ahnung, wann er da ist und wann nicht.“

Der Erbe der Phantomhives versenkte stöhnend eine falsche Kugel: „Ach Mist! Naja, wie auch immer. Ich habe immer gedacht wir seien schon das höchste aller Gefühle, wenn wir über 'Affinitäten zu Übernatürlichen' sprechen.“

„Ehehehe. Augenscheinlich“, lachte ich wieder und trank einen Schluck Tee: „Hat die kleine Sky euch den Titel abgejagt.“

„Das soll alles sein?“, erhob sich William und drehte die blaue Kreide auf der Spitze seines Queues: „Sie ist einfach nur affiner als wir anderen?“

„Affiner als Todesgötter?“, warf Grell ein.

Ich hob lachend die Hand: „Hehehe! Eine bessere Erklärung habe ich nicht.“

„Dann müssen wir eine finden“, streckte der rote Reaper seine Hüfte zur Seite heraus und legte die Hände darauf ab: „Bloße Affinität finde ich zu dünn als Erklärung.“

„Hihi. Nun ja“, begann ich ein weiteres Mal: „Vor einigen Tagen gab es ein kleines Zusammentreffen mit Claude, Hannah und Sebastian. Da konnten die Steine ihre Anwesenheit nicht mehr verstecken.“

„Du meinst“, überschlug Charlie auf dem Rand des Pooltisches die Beine: „Skyler könnte Claude bemerkt haben, weil er seine dämonischen Kräfte benutzte?“

„Aber“, warf Ronald ein, der einmal quer über dem Billardtisch hing: „Hätten dann nicht auch wir Wind davon bekommen müssen?“

„Eigentlich schon, oder?“, pflichtete Grell über das Klacken der Kugeln hinweg Ronald bei.

„Ich denke auch“, grummelte William und tauschte die Plätze mit Ronald: „Und wie du selbst sagtest, Undertaker, hast du Skylers Rufe gehört und nicht Claudes Anwesenheit bemerkt. Also, woher kann sie das?“

Lachend schaute ich durch die Runde: „Es schmeichelte mir, dass ihr denkt ich hätte sofort auf alles eine Antwort, aber das Leben schafft es selbst mich hin und wieder einfach zu überraschen. Ehehehe. So auch jetzt. Die allumfassende Erklärung, die ihr euch von mir so dringlich zu wünschen scheint, die habe ich nicht.“

Lee breitete die Hände aus: „Ich bin der Meinung wir sollten Duvall einladen.“

„Duvall?“, schaute ich über meine Tasse zu dem jungen Asiaten und bekam mehr als nur große Ohren: „Hehe. Warum denkst du das?“

„Nun“, er hob die Hände: „Sky ist ganz klar ein Mensch. Das steht außer Frage. Duvall kennt sich mit sonderbaren Menschen am besten aus.“

„Ich glaube Duvall hätte schon etwas bemerkt und Alarm geschlagen“, warf Charlie ein.

„Nun“, machte Heather: „Ich halte viel auf sie, aber auch Duvall ist nur ein Mensch und hat wirklich viel zu tun.“

„Unterstelle ihr, dass sie einen abnormalen Mensch vor ihrer Nase nicht sieht und Duvall zerreißt dich, Liebling“, trank Alexander amüsiert einen Schluck Kaffee.

„Ihr Stolz ist mir persönlich ziemlich egal“, gab Frank seine Meinung zum Besten: „Wir sollten ihr schreiben und sagen sie soll ein Auge auf Skyler halten. Wozu ist sie eine Aristokratin, wenn sie uns nicht hilft?“

Alexander zückte seufzend ein Handy: „Ich bin dieser Idee nicht abgeneigt. Duvall hält uns die helfende Hand eigentlich gerne hin. Begeistern wird sie das indirekte Infragestellen ihrer Kompetenzen nicht, aber abschlagen wird sie die Anweisung auch nicht.“

Ich giggelte wieder, amüsiert wohl nicht der Einzige mit einer Theorie um Skylers Andersartigkeit zu sein: „Hihihihi! Duvall wird sich dahinter klemmen, schon alleine weil sie etwas verpasst hat. Ihr Stolz ist ihre Achillesferse.“

Nachdem er ein wenig darauf herum getippt hatte, steckte der Earl sein Telefon wieder weg.

„Ist es nicht ein bisschen früh ihr schon zu schreiben?“, warf Charlie ein.

„Duvall schläft doch nicht!“, lachte Lee.

„Die Alte ist bekloppt“, grummelt Frank.

„Selbst sollte sie schlafen, dann liest sie es halte später“, lacht der Earl. Doch da erklang schon sein Klingelton in Form einer hellen Glocke: „Aber sie schläft nicht.“

Der Earl las Duvalls Antwort und lachte dann: „Wie erwartet. Ein bisschen biestig, aber sie nimmt sich der Sache an. Ich soll euch aber allen ausrichten das sie 'Nichts übersieht, ihr vorlauten Naseweise' und 'ein paar herzliche Grüße, auch an Kind und Kegel im Ausland'.“

Ich lachte schrill: „Ja, ja. Ehehehehe! Das ist Duvall.“

„Gut“, steckte der Earl nach einer schnellen Antwort sein Handy nun endgültig in die Tasche: „Dass Skyler definitiv affine ist steht außer Frage, nehme ich an. Also zum Nächsten: Warum hat Claude die Hunde gerufen?“

„Ahh! Hehehe! Meine Theorie dazu“, sprach ich ungefragt, bevor die Anderen auch nur Luft holen konnten: „In dem Glanz unseres sicheren Sieges, haben wir da tatsächlich gedacht, wir treffen ihn ein zweites Mal?“

„Einleuchtend“, machte William knapp: „Die Viecher waren Kanonenfutter. Wir dachten die Schlacht sei damit aber schon vorbei und waren unvorsichtig.“

„Und Peng!“, machte Ronald: „Hatten die Mädels die Kacke am dampfen.“

„Knox!“

„Was?!“

William schüttelte den Kopf: „Was für ein Jargon!“

„Erschreck' mich nicht so!“, machte Ronald: „Ich dachte schon ich habe was falsch gemacht!“

William seufzte genervt: „Du hast etwas falsch gemacht!“

„Och Will“, schüttelte Grell den Kopf: „Nicht jetzt, ok?“

William verschränkt kopfschüttelnd die Arme.

„Feiner Jargon oder nicht“, grinste Charlie: „Ronald hat den Nagel auf den Kopf getroffen. Warum die Mädchen?“

Lee nickte mit den Kopf vor und zurück: „Zwei junge Mädchen. Alleine. Getrennt von den Anderen. Schutzlos und als Geiseln Gold wert.“

Heathers Kopf flog zu ihm: „Du meinst er wollte die Mädchen entführen?!“

„Amy, zumindest“, antwortete ich: „Nehehehe. So wie er sie im Haltegriff hatte.“

„Niemals!“, sprang Alexander auf: „Dieser kleine dämonische Sohn einer räudigen Hündin soll seine dreckigen Finger von meiner Tochter lassen!“

William seufzte. Ich lachte.

Frank seufzte auch: „Amy ist des Weiteren nicht immer Zuhause.“

„Oh mein Gott!“, machte Heather und schlug die Hände vor den Mund: „Sagt mir nicht, Claude könnte Amy in der Schule überfallen?!“

„Das kann er probieren“, sagte Lee: „Doch in der Schule ist Duvall.“

„Stimmt“, pflichtete ich Lee bei: „Wenn Duvall die Mädchen im Blick hat, kann sie Bescheid geben und dann kann Claude mit Jemandem diskutieren, der schlagfertigere Argumente hat. Ehehehehehe! Ich tippe in Zurückhaltung muss ich mich nicht mehr üben.“

Duvall würde sowohl die Phantomhives, als auch mich unterrichten. Die Phantomhives, weil der Earl halt der Wachhund ist und mich, weil ich am nächsten an der Schule wohnte.

Alex drehte sich zu mir: „Wenn du ihn in deine kalten Finger kriegst, Undertaker in aller Gottes Namen, bring ihn um. Für mich mit.“

Ich merkte wie fies und vorfreudig das Grinsen in meinem Gesicht war: „Zu Befehl, mein Earl. Ehehehehehehe!“

„Gut“, fasste Fred zusammen: „Um Sky und die Sicherheit der Mädchen in der Schule kümmert sich Duvall, in einem Abwasch sozusagen. Oliver will Amy entführen, wahrscheinlich um uns zu erpressen. Wie emsig er an diesem Plan hängt, können wir nur leider nicht sagen.“

„Nehehe!“, machte ich: „Der Plan ist nicht so dumm. Hätte er Amy, hätte er uns alle in der Hand. Wenn er schlau ist verfolgt er diesen Plan weiter.“

„Aber Oliver ist nicht schlau“, grinste Lee.

„Aber Claude“, seufzte Sebastian: „Und der tragischste Unterschied zwischen Oliver und seinen Ahnen, zum Beispiel Alois, ist dass er auf Claude hört. Er ist genau so impulsiv und unüberlegt, aber er hört bei weitem mehr auf Claude und Hannah und vielleicht auch auf seinen neusten Verbündeten.“

Ich lachte, als ich die Anspielung des Dämons verstand: „Ehehehehehe! Der Engel.“

Sebastian nickte.

„Engel, die Dämonen helfen“, Grell wandte sich mit einem flirtenden Grinsen zu Sebastian: „Ich kann ihm nachfühlen, wenn ihr euch immer so schneidige Verkleidungen aussucht.“

„Sutcliff“, grummelte William.

„Noah!“, machte Grell: „Keine Sorge, Willi Bärchen! Du bist genauso schneidig!“

Mit einem Zwinkern schwebte ein kleines rosa Herzchen zu William herüber. Er ließ es mit seiner Queue platzen, bevor er selbigen Grell über den Kopf zog: „Willi Wie bitte?! Ich glaube bei dir läuft oben nicht mehr alles ganz rund, Sutcliff!“

„Aua...“, rieb sich Grell niedergeschlagen die pochende Stelle: „Das tut doch weh...“

Diese Szenerie warf mich in einen kleinen Lachanfall: „Ehehehehehehehehehehehehehehehe!“

„Wenn ihr beiden fertig seid“, machte Sebastian: „Daran, dass wir so 'schneidig' sind, liegt es sicher nicht.“

„Aber“, klimperte Charlie mit den Augen: „Was dann?“

„Gute Frage“, machte der dämonische Butler: „Das habe ich wirklich noch nie erlebt.“

Auch die drei Reaper schüttelten den Kopf.

„Neuland“, sagt William kurz abgebunden.

„Das glaubt mir keiner, wenn ich das Zuhause erzähle“, kicherte Grell.

„Ich habe nie gedacht, dass mir sowas mal passiert“, lachte Ronald.

„Für mich“, hob ich die Arme: „Hat so ein Duo ebenfalls Premiere. Ehehehe!“

„Wir müssen den Engel zu fassen kriegen“, sagte Frank: „Oder einen der Trancys. Nicht zu wissen wer der Engel ist, was er kann und warum er ihnen hilft, bringt uns abermals in eine schlechte Position.“

Ich nickte: „Ich bin ganz bei dir, lieber Frank. Hehehe. Es war immer eine Patt-Situation. Der Trancy und der Phantomhive Haushalt waren mit unseren drei Schnittern dort immer gleich stark. Wir konnten sogar die Menschen heraushalten. Ehehehe. Das könnte sich mit dem Engel geändert haben.“

„Unterhalten Engel Sekten?“, fragte Lee relativ kontextlos.

Ich blinzelte: „Kam hier und da mal vor. Hehehe. Sie haben auch das Christentum etabliert. Fast jeder Apostel hatte seinen eigenen Engel zur Hand. Ehehe. Warum fragst du?“

„Hast du es noch nicht mitbekommen?“, fragte Lee verwundert: „Im East End ist eine neue 'Freikirche' aufgetaucht. Der 'Orden des Tau'.“

Ich schüttelte den Kopf: „Hehehehehe. Freikirchen sind nie gut. Mit 'Orden' im Namen noch viel weniger. Aber nein, ich habe noch nicht davon gehört. Wie neu?“

„Die erste große Einladung war vorgestern. Wahrscheinlich kommt es noch zu dir durch. Aber ich finde es erstaunlich, dass zur selben Zeit ein Engel und eine neue Freikirche auftauchen, oder?“

Zustimmendes Gemurmel und Kopfnicken.

„Definitiv“, grinste ich: „Nihi. 'Orden des Tau'? Metaphorisch oder von dem Buchstaben abgeleitet?“

Lee wackelte mit dem Kopf: „Ihr Zeichen ist der Buchstabe.“

„Das Tauzeichen“, erklärte ich lachend: „Ehehehe. Steht im weitesten Sinne für 'schützenswertes Leben'. Es agiert gegen den Tod. Es hält ihn fern. Ezechiel oder Hesekiel zeichnete es all derer auf die Stirn, die den Fall Jerusalems überleben sollten und haben. Ein bedeutungsschweres Symbol. Hat uns damals die Arbeit reichlich schwer gemacht. Menschen mit diesem Zeichen waren für uns schwer zu fassen. Es ist fast vergessen, da es irgendwann im traditionellen Kreuz verschwand.“

Ronald deutete mit der Hand auf mich: „Wozu ein Lexikon, wir haben ja dich.“

Charlie verschränkte die Arme: „Hab ich noch nie von gehört...“

Ich lachte: „Na, na. Da hat aber jemand die Bibel nicht aufmerksam gelesen. Ehehehehe!“

Charlie schüttelte den Kopf: „Als ob du die Bibel gelesen hättest!“

„Ehehehehe! > Und der Herr sprach zu ihm: Geh mitten durch die Stadt, mitten durch Jerusalem und mache ein Zeichen auf die Stirn der Leute, die seufzen und jammern über all die Greuel, die in ihrer Mitte verübt werden! Zu den anderen aber sprach er vor meinen Ohren: Geht hinter ihm her durch die Stadt und erwürgt; euer Auge soll nicht verschonen, und ihr dürft euch nicht erbarmen. < Hesekiel 9,4 und 9,5. Hehehehehehe!“

Charlie machte große Augen: „Das zitierst du einfach so?“

Ich hob nur grinsend eine Hand: „Wie du siehst. Hehehe. Kenne deine Feinde, sage ich. Das Tauzeichen, oder Antoniuskreuz, ist in Vergessenheit geraten und durch das traditionelle Kreuz weites gehend ersetzt worden, aber ein Engel könnte sich Seiner wohl erinnern.“

„Und Menschen mit diesem Zeichen können wir nicht einfach holen?“, fragte Grell skeptisch.

Doch ich nickte: „Nicht einfach so, nein. Wenn derjenige, der es zeichnet, einen Pakt mit einem Engel hat der stark genug ist, rennst du zwei-, dreimal vor eine beachtlich dicke Wand. Hehehe. Aber irgendwas muss das Leben ja interessanter machen, oder? Ehehehehe!“

William wirkte noch genervter als vorher und sonst: „Sowas kann ich wirklich nicht gebrauchen...“

„Ein bisschen Abenteuerlust, lieber William. Hehehehe!“

„Ach!“, machte der Aufsichtsbeamte abwertend: „Bleib mir weg mit deiner Abenteuerlust! Das sind nur viele unbezahlte Überstunden! Sonst nichts!“

Ich giggelte weiter: „Nihihihi! Du hast Probleme! Herrje, herrje.“

Alexander seufzte: „Das klingt aber auch für mich nicht gerade wie ein Zufall. Behalte diese Sekte im Auge Lee.“

Lee senkte den Kopf: „Wie ihr wünscht, mein Earl.“

Ronald gähnte und kratze sich durch die Frisur: „Manno man. Immer kommt alles auf einmal.“

Auch Fred streckte sich: „Sind wir durch, Dad? Ich würde mich gerne noch etwas hinlegen.“

Lee lachte: „Zu lange mit Josefina telefoniert, mein Freund?“

Fred musterte seinen besten Freund mit Missfallen: „Wenigstens habe ich eine Freundin mit der ich telefonieren kann.“

„Du bist so grausam“, lachte Lee kopfschüttelnd.

„Lenk' sie nicht vom lernen ab!“, keifte Frank: „Josi hat bald Klausurphase.“

Josefina von Steinen war eine adrette, junge Dame, Franks Tochter und Frederics Verlobte.

Fred schüttelte genervt den Kopf: „Ich weiß! Sind wir fertig?“

Alexander nickte: „Ja sind wir. Sebastian? Frühstück heute erst um halb 10“, lachend schaute der Earl sich um: „Hier können augenscheinlich einige noch ein paar Stunden Schlaf vertragen.“

Eigentlich sah selbst der Earl noch nicht ganz ausgeschlafen aus. Von Ronald und unserem Siebenschläfer William ganz zu schweigen. Aber auch ich war in dieser Aussage impliziert, das war mir wohl bewusst.

So entließ uns der Earl Phantomhive aus der kleinen Krisensitzung, die leider nur bedingt erhellend gewesen war. Oliver und Claude hatten uns einige Brocken entgegen geworfen und auch diese neue Freikirche klang nicht gerade vertrauensselig. Auch die kleine Sky blieb ein mittelgroßes Rätsel.

In meinem Bett wollte ich eigentlich noch ein paar Gedanken wälzen, doch ich kam nicht dazu. Viel zu schnell war ich noch einmal eingeschlafen.
 

Klopf, klopf!

'Hm...? Waaaaaas...?'

Ich hob den Kopf und blinzelte durch mein Zimmer.

Mittlerweile sickerte die Morgensonne durch das große Fenster. Ich war der Meinung etwas gehört zu haben, doch es war auch nicht unmöglich, dass mir meine Ohren im Traum einen Streich gespielt hatten. Ich gähnte.

Klopf, klopf!

Mein Kopf fuhr zur Türe. Ich hatte wohl doch nicht geträumt. Der Butler wäre nach dem ersten Mal Anstandsklopfen herein gekommen. Aber ansonsten würde mir niemand einfallen, der freiwillig an meine Tür klopfen würde. Dafür fielen mir Hunderte ein, die auf spitzen Zehen daran vorbei schleichen und den Atem anhalten würden, damit ich sie auch bloß nicht hörte. Als ob das etwas nützen würde.

Von meiner Neugier ergriffen erhob ich mich aus diesem unsäglichen Bett, streckte meinen schmerzenden Rücken und fuhr mir durch meine total verknoteten Haare. Ich lachte verschlafen auf und stapfte immer noch im Zwist mit meinem Schlafrhythmus gähnenderweise zur Türe.

Ich war allerdings doch überrascht, als mir zwei himmelblaue Augen entgegen blinzelten, nachdem ich die Nase durch den Türrahmen gesteckt hatte. Diese zwei himmelblauen Augen sahen allerdings ähnlich verwirrt zurück in mein Gesicht.

„Oh. Ehehehe! Guten Morgen“, grinste ich, als mich das schöne Gesicht der jungen Frau auf einmal so belustigt musterte. Dieser Ausdruck war wunderbar. Sie beschaute mich irgendwo zwischen amüsiert und schüchtern, bis ihre Hand über ihren Mund wanderte und sie zu kichern anfing. Ihr Kichern war Musik in meinen Ohren.

„Worüber lachst du? Hehe“, legte ich den Kopf schief, als ich das Geräusch dieses Kicherns genoss.

Sie zeigte auf mich: „Du siehst aus, als hätte man dich mit dem Hammer gebürstet!“

Ich schloss die Augen, als mich diese Ehrlichkeit zum Lachen brachte. Wahrscheinlich hatte sie Recht und ich tatsächlich gerade eine große Ähnlichkeit mit Rumpelstilzchen oder Pumuckl.

„Pssst!“, drehte sie auf einmal ihren Kopf von mir weg und fauchte durch den dunklen Flur.

„Hö? Was hast du? Hehe“, blinzelte ich sie verwirrt an. Ich war sicher, so halb aus dem Bett gefallen wie ich dort stand, nicht gerade das aufnahmefähigste Wesen in der großen Villa, aber ich war mir doch sehr sicher ich würde es mitkriegen, wenn sie mit mir redete.

Ihr Kopf flog zu mir zurück und ich schaute sie in Erwartung einer Erklärung an. Lange. Doch sie starrte nur vollkommen rot im Gesicht zurück und bekam mit weit aufgerissenen Augen keinen Ton heraus.

Meine Augen wurden schmaler, als mein gerade aufwachender Verstand nach einer Lösung suchte, aber keine fand.

„Nichts...“, fiepte sie schließlich irgendwann.

Ihr Gesichtsausdruck war herrlich! Rot wie ein chinesischer Lampion und die Augen auch ungefähr genau so groß! Ich lehnte mich auf die Klinke, um der so putzig rot angelaufenen Skyler meine Nase in Gesicht zu strecken: „Sicher? Hehe.“

„Ja! Ähähähä! Alles bestens! Hähä...“, nickte sie und lachte, als ob ihr der Leibhaftige ein Messer in den Rücken hielt. Mein Kopf kippte zur Seite als ich überlegte, ob sie an diesem Lachen ersticken könne und wen sie da angefaucht hatte. Doch ich hatte das Gefühl sollte ich nachfragen, würde sie an ihrer Scham sterben: „Ehehe! Wenn du es sagst. Was möchtest du hier? Ich meine, es gibt definitiv Schlimmeres als von einem hübschen, jungen Ding geweckt zu werden, aber ich tippe ganz so uneigennützig ist dein Auftauchen nicht.“

Sie blinzelte mich an: „Sebastian hat dich nicht geweckt?“

„Oh doch“, lachte ich und schaute ihr weiter von nahen in diese blauen Augen: „Tihihihihi! Schon vor einer ganzen Weile.“

„Aber?“, fragte sie langgezogen und irgendwie stockend. Vielleicht war auch sie noch nicht ganz wach

„Ich habe mich danach noch einmal hingelegt. Hehe!“

„Pragmatisch. Das ist wie lange her?“

Ich nahm den Kopf nach hinten und kniff die Augen zusammen. Doch die Uhr dachte nicht daran mehr als ein verschwommener Fleck zu sein. Selbst wo die Zeiger waren konnte ich noch nicht einmal erahnen: „Ööööhm... Ehehehehe! Ich würde es dir sagen, könnte ich die Uhr erkennen!“

Nach einem Seufzen steckte mir die junge Schönheit ihren Kopf entgegen. Ich musste blinzeln, als mir auf einmal der Geruch ihres Shampoos entgegen schlug und ihr Gesicht so knapp vor meinem stoppte.

„09:13 Uhr“, lachte sie und wandte ihr Gesicht zu meinem.

Ihre Nase blieb nur Zentimeter vor meiner stehen, doch schien das nicht geplant gewesen zu sein. Ihre leicht vorstehenden und schön definierten Wangenknochen wurden einen Rotton dunkler und ihr schüchternes Lächeln provozierte ein Grinsen meinerseits.

„Tehehehe! Vor 3 Stunden“, lachte ich, nachdem ich das schlanke und schön geschnittene Gesicht der jungen Dame eingehend gemustert hatte.

Auch sie schaute mir immer noch ohne zu blinzeln in die Augen: „Vor 3 Stunden?... Dann... bist du noch nicht lange auf dem Zimmer, oder?“

Ich zuckte einmal kurz mit dem Kopf nachdem ich aufgelacht hatte: „Ehehehe! Nein. Knappe 2 Stunden.“

Dann zog das junge Ding bedauerlicher Weise ihren Kopf wieder aus meinem Gesicht und Zimmer: „Oh...“

Ich kicherte. Schnell ergriff ich das Wort, bevor Skyler sich wieder für etwas entschuldigte, wofür sie sich nicht entschuldigen musste: „Tihihihi! Doch nun sag. Was möchtest du von mir?“

„Ähm...“, schaute sie zögerlich zu Seite: „Sebastian meinte ich soll hier klopfen, wenn ich zum Frühstück finden will...“

'Dieser Schlingel!', lachte ich in meinem Kopf. Sebastian hatte das schöne, junge und vollkommen ahnungslose Mädchen also vorgeschickt, um mich nicht ein zweites Mal nach dem Aufwachen erleben und ertragen zu müssen. Des Weiteren wollte er wohl so sichergehen, dass ich wirklich aufstand.

Ich lachte: „Hehehe! Wenn es sonst nichts ist. Ich mache mich nur kurz ausgehtauglich. Halte noch ein bisschen durch, du bist sicher hungrig.“

Ich hatte Sky gestern Abend auf der Feier nicht einmal etwas Essen sehen. Also war sie seit mindesten 14 Stunden nüchtern unterwegs. Wenn man jetzt noch bedachte wie dünn das schöne Mädchen war, kam man unschwer auf den Gedanken, dass sie nicht 14 Stunden hungern sollte. Wenn sie das nicht öfter schon tat. Zum ersten Mal musterte ich die Figur der jungen Lady so eindringlich, dass sie mir Sorgen machte.

„Ach“, lachte Skyler mich aus meinen Gedanken und rieb sich am Hinterkopf: „Nicht wirklich, lass dir Zeit.“

Dieses Mal nahm mir das Schicksal meinen üblichen Vortrag über Lüge und Wahrheit ab, denn erzählen ihr Magen sei mittlerweile nicht gänzlich leer konnte sie mir wirklich nicht. Es war ein Seitenwink des Karmas, der sie hart traf und mir zeigte, dass es wert gewesen war vor ein paar Minuten aus dem Bett gefallen zu sein. Kaum hatte sie behauptet nicht hungrig zu sein knurrte, nein, brüllte ihr Magen durch den ganzen Flur, dass dies nicht im Ansatz stimmte. Nicht das es mich verwunderte, dass diese Aussage eine offenkundige Lüge war, doch ich kam nicht drum herum dem Schicksal für diesen äußerst humorvollen Zwischenfall dankbar zu sein: „Ehehehehehe! Ich muss nichts sagen, oder?“

Skyler stand vor meiner Tür mit einem Gesichtsausdruck, dass sie weder glauben könne, noch wollte was gerade geschehen war. Schließlich schüttelte sie den Kopf: „Nein... bitte nicht.“

„Gut“, grinste ich. Nachdem das Karma es mir abgenommen hatte, musste ich sie nicht weiter quälen. Ich kann immer noch still vor mir her lachen: „Dann bis gleich.“

Nach einem Winken verschwand sie hinter dem Holz meiner Zimmertür.

Ich schaute in den Spiegel und legte lachend eine Hand über mein halbes Gesicht. Mein unordentliches Hemd hing halb aus dem Hosenbund. Meine Haare waren nur noch als verunglückter Flokatie zu bezeichnen und meine Augen standen auf Halbmast. Ich sah gelinde gesagt furchtbar aus.

Lachend und kopfschüttelnd entfernte ich mich von meinem furchtbaren Spiegelbild und schob die dicken Vorhänge zur Seite.

„♪ Tom, he was a piper's son...♫”, flog es mir spontan durch den Kopf und leise über die Lippen, als ich im Garten die Angestellten hin und her wuseln sah, die die Reste der Halloweenparty verschwinden ließen: „♪ He learnt to play when he was young...♫“

Ich sah einen Teil des ramponierten Ballsaals. Wir mussten ganz schön gewütet haben. Doch die Sonne lachte mir entgegen und prophezeite gutes Wetter für diesen 1.11.

„♪ And all the tune that he could play...♫”, warf ich leise vor mich hin singend mein vollkommen zerknittertes Hemd, in dem ich genächtigt hatte, auf dieses mit Matratzen belegte Scheusal von Möbelstück und zog ein frisches weißes über, welches auf der Kommode gelegen hatte: „♪ 'Was 'over the hills and far away';...♫”

Ich wusste mittlerweile auswendig wo Sebastian die Kleiderstapel ablegte. Wenn der Butler etwas nicht ertragen konnte waren es grobe Verstoße gegen sein Augenlicht, in Form von Falten oder Flecken, weswegen er immer frische Kleidung zu den Gästen brachte die selbst keine dabei hatten. So auch bei mir. Wenn man jetzt dem Anschein unterlag, unser höllisch guter Butler litt unter einen leichten Ordnungs- und Reinigungszwang, könnte man damit Recht haben. Die Kleidung stammt auch eigentlich immer aus den heimischen Kleiderschränken besagter Gäste, weswegen mich die Anwesenheit meiner Lackstiefel und meiner goldenen Medaillons nicht weiter verwunderte, ich die Schuhe einfach überzog und mir meine Anhänger um die Hüften legte. Nur die Kleider die er der jungen Sky brachte, die waren immer nagelneu. Wahrscheinlich weil der Earl es so wollte. Für die Freunde seiner kleinen Prinzessin nur das Beste, auch wenn er damit 'den Prinzen und den Bettelknaben' nachspielte.

'Wenigsten ist es eine schöne Geschichte...', blieb ich abermals kurz vor dem Fenster stehen: 'Eine der wenigen Geschichten mit einem Happy End für alle Seiten.'

Ich beschaute unwillkürlich die Anhänger an meiner Hüfte und erinnerte mich der Menschen, denen sie gewidmet waren: „♪ Over the hills and a great way off...♫”

Es waren mal 6 Anhänger gewesen. Mittlerweile waren es 12: „♪ The wind shall blow my top-knot off...♫”

Schließlich stellte ich mich der Aufgabe meine Haare zu retten: „♪ Tom with his pipe made such a noise...♫”

Es dauerte ein bisschen und mit Samthandschuhen kam ich bei den ganzen Knoten auch nicht sonderlich weit, aber nachdem ich zwei Hände voll abgerissenen Haarlängen aus der Bürste sortiert und weggeworfen hatte (Grell wäre wahrscheinlich ohnmächtig geworden, hätte er das gesehen), sah ich wieder aus wie ein Mensch.

„♪ That he pleased both the girls and boys...♫”, wog ich den Kopf hin und her, als ich so vor mich her in den Spiegel starrte. Ich wusste nicht warum, aber ich band mir einen Teil meiner Haare mit ein paar Crownrows zurück. Mir war einfach danach: „♪ They all stopped to hear him play...♫“

Ich seufzte lachend als mir klar wurde, dass ich jetzt für den Rest des Tages einen Ohrwurm von 'Tom he was a piper's son' haben würde und nichts dagegen tun könnte: „♪ 'Over the hills and far away'...♫“

Ich besann mich, dass man junge Damen nicht warten ließ und hing meine Brille an mein Hemd als ich zur Tür ging.

Kaum hatte ich sie geöffnet und die junge Skyler angelächelt, schaute sie ganz komisch. Ich hatte erst kurz überlegt zum Spiegel zurückzugehen und nachzuschauen ob ich etwas im Gesicht hatte, aber dann ließ mich die Verwirrung auf der Stelle stehen bleiben. Die Verwirrung darüber, dass dem jungen Ding der Kiefer aufgeklappt war. Sie stand nur da und blinzelte mir mit leicht geöffnetem Mund entgegen.

Verwundert, aber auch über ihren Gesichtsausdruck gut amüsiert, legte ich den Kopf schief: „Alles ok?“

Sie nickte langsam: „Ääähm... klar!“, dann schaute sie zur Seite und zauderte merklich bevor sie weiter sprach und dabei wieder ein hauch Rosa auf ihren wohlgeformten Wangenknochen erschien: „Das... Die Frisur steht dir... und so...“

„Ehehe. Und so?“, fragte ich belustigt und geschmeichelt aufgrund dieses unbeholfenen Komplimentes.

Unruhig wanderten ihre Augen in dem rosanen Gesicht durch den Flur und vermieden meinen Blick tunlichst: „Ja... Das könntest du öfter... so machen.“

Mein Lachen war durch das Echo des langen Flures merklich lauter, als ich mich schon einmal zum Gehen wandte: „Ehehehehe! Danke! Ein Kompliment aus deinem Mund ist viel wert.“

Es dauerte nicht lange da kamen schnelle Schritte hinter mir her und die junge Brünette erschien zu meiner Rechten: „Verschwinde doch nicht einfach so!“

Ich kicherte: „Hihihi. Ich bin doch nicht verschwunden.“

„Du bist einfach abgehauen! Wortlos!“, brüskierte sie sich weiter.

„Ich wollte mich beeilen. Du bist es schließlich, die so furchtbar Hunger hat. Hehe“, ließ ich es mir nicht nehmen sie ein bisschen aufzuziehen.

Auf meine Provokation hin verschränkte sie beleidigt die Arme und schaute weg: „So schlimm ist es auch nicht...“

Ich schaffte es gerade so mein Lachen in ein Räuspern zu verwandeln und das schöne Ding warf die Arme in die Luft: „Ok, ok! Ich habe Hunger! Zufrieden?! Aber das legitimiert nicht geräuschlos abzuziehen und mich in der Gegend stehen zu lassen!“

Mir wurde wieder klar warum ich mich so gerne mit Skyler unterhielt. War ihr Betragen nicht einfach wundervoll?

Doch ein weiterer Gedanke ging mir auf: 'Sie hat nicht bemerkt, dass ich mich entfernt habe.'

Mein Oberstübchen ratterte kurz. Sie war offensichtlich in der Lage gewesen Claude zu bemerken, aber sie schien nicht bemerkt zu haben wie ich einfach los gegangen war. Es könnte natürlich zu wenig räumliche Distanz zwischen uns gewesen sein, doch mir fiel ein, dass sie mich auch auf der Straße hinter ihr,oder in meinem Sarg versteckt nie bemerkt hatte. Und das zu einer Zeit, wo wir die Steinamulette noch nicht trugen. Damals, als mir ihre Affinität noch nicht bewusst war, hatte ich all dem keinen Stellenwert zugemessen, aber nun? Es war Zeit für ein kleines Experiment: „Ich habe dich weder 'stehen lassen', noch bin ich 'geräuschlos abgezogen'. Ich gehe doch hier, oder? Hätte ich gewollt, dass du mich nicht findest, würdest du mich jetzt immer noch suchen. Hehehehe!“

„Natürlich. Was bist du? Ein Geist? Also ehr...“, tat Skyler genau das, was ich mir erhofft hatte: Sie zweifelte meine Aussage an und gab mir den perfekten Vorwand lautlos von ihrer Seite zu verschwinden. Natürlich war ich nicht allzu weit weg. Ich bezog Posten auf einer der riesigen Kronleuchter, die über der Einganghalle hingen, zog meine Brille auf um sie im Blick zu behalten und setzte mich gemütlich auf einen der dicken Arme. Eine der Weisheit die ich gelernt hatte: Die Leute schauten nie nach oben. Ich konnte das junge Ding immer noch in dem Flur sehen, der in die Galerie schräg unter mir endete von der eine Wendeltreppe in die ausgeleuchtete Einganghalle führte.

„...Undertaker?“, hörte ich ihre verwunderte Stimme.

Ihre Augen suchten mich verzweifelt: „Undertaker, wo bist du?“

Ich kniff die Augen ein bisschen zusammen. Skyler hatte sichtlich keine Idee wohin ich verschwunden war. Dann nahm ich mein Steinamulette ab. Mit einer fahrigen Bewegung schmiss ich es zur Seite und es blieb an dem Kronleuchter neben mir hängen.

„Das ist voll nicht komisch!“, rief sie und lief auf die Galerie zu: „Ich hab keinen Ahnung wo ich bin, geschweige denn wo ich hin soll! Wo bist du?! Undertaker?!“

Selbst als sie auf der Galerie angekommen war verriet mir die Tatsache, dass sie nach unten und nicht nach oben schaute, dass sie mich nicht bemerkt hatte.

'Claude spürt sie, trotzt Steinamulette', zogen sich meine Augen hinter meiner schweren Brille enger, als ich das junge Ding beim Suchen betrachtete: 'Aber sie hat keine Ahnung wo ich bin, trotz fehlendem Amulette. Hm. Interessant.'

Ich erstellte in meinem Kopf die Theorie, dass sich die Affinität der schönen Brünetten auf Dämonen beschränkte. Mit einem Grinsen beschloss ich mir bei Zeiten Sebastian als Versuchskaninchen zu mieten.

„Mach keinen Mist!“, rief sie resigniert und ich sprang geräuschlos auf den anderen Kronleuchter, um mein Amulette wieder um den Hals zu hängen: „Es ist gut, ich ergebe mich! Du hast gewonnen! Du kannst einfach verschwinden! Jetzt komm zurück, Houdini! Oder werf' mir wenigstens Karte und Kompass gegen den Kopf!“

Das Kichern zu unterdrücken war schwer: 'Kompass gegen den Kopf werfen! Tihihihihihihihi!'

Die Verzweiflung der jungen Schönen war schon mehr als nur unterhaltsam.

Ich zog meine Brille wieder ab und klemmte sie an meinen Kragen.

„Undertaker! Es tut mir leid! Jetzt hör schon auf damit!“

Leichtfüßig sprang ich von dem Kronleuchter auf das Geländer der Galerie, aber Skyler bemerkte mich immer noch nicht.

„Undertaker! Komm schon! Bitte!“

Ohne große Eile positionierte ich mich hinter der ahnungslosen Schönheit.

Sie ließ die Schultern hängen, als ihr Magen wieder einmal lautstark Aufmerksamkeit einforderte, ich noch zwei lautlose Schritte auf sie zuging und mein Gesicht für sie auf Kopfhöhe hinunter beugte: „Dann muss ich wohl selber irgendwie zurecht kommen...“

Seufzend drehte sie sich um und ihre Nase stupste seitlich gegen meine.

„Buh!“, machte ich lachend und stellte ein weiteres Mal fest, dass das junge Ding viel zu schreckhaft war.

Sie schrie auf, wich zurück und stieß gegen das Geländer. Mit wedelnden Armen griff sie nach etwas um sich festzuhalten. Ich wollte gerade grinsend meine Hand zu ihr ausstrecken, da spürte ich ein Ziehen an meiner Hüfte. Ihre schlanken Finger hatten meine Anhänger gegriffen. Das Ziehen verschwand, als der Verschluss meiner Kette nachgab und den Fall von Skyler doch nicht bremste. Ich stockte in der Bewegung, als ich sie mit meinen Anhängern in der Hand über das Geländer fallen sah.

Ein Déjà Vu traf mich unvorhergesehen, als ich auf einmal nicht mehr in dem Manor Phantomhive stand, sondern in dem großen Saal der Campania. Es fiel auch nicht Skyler über das Geländer, sondern der junge Ciel und sah mich entgeistert mit den königsblauen Augen seiner Mutter an. Entrüstet über meinen Verrat. Ich streckte die Hand aus, wie damals. Dann kniff ich die Augen zu: 'Ich war nie ein Verräter!'

Als ich sie wieder aufschlug war Ciel verschwunden. Ich war wieder zurück in der Villa der Phantomhives.

Ich sah noch eine von Skylers Händen hinter dem Boden der Galerie verschwinden: 'Nein!'

Mir fiel siedend heiß auf, dass ihr keine Zeit mehr blieb. Dass mir keine Zeit mehr blieb ihr einen sehr unsanften Aufprall zu ersparen.

Doch wem auch immer ich dafür danken musste: Ich war kein Mensch. Wäre ich einer gewesen, hätte der Streich, der mir mein Kopf gespielt hatte, sehr böse Folgen gehabt. Aber ich fing die schöne Brünette rechtzeitig unten in der Einganghalle auf und bewahrte sie vor sehr schmerzhaften Erfahrungen.

„Du bist viel zu schreckhaft. Ehehehe!“, grinste ich ihr entgegen und versteckte so mein fast panisch wild klopfendes Herz. Das war viel zu knapp gewesen.

Sie blinzelte erschrocken und verwirrt in mein Gesicht, als sie noch verarbeitete was gerade passiert war.

„Du... Du Esel!“, schrie sie mich schließlich an und war vollkommen zu Recht ein wenig sauer auf mich: „Hast du eigentlich noch alle Latten am Zaun?! Schindeln am Dach?! Tassen im Schrank?! Piepmätze im Käfig?! Ich glaub es hackt bei dir!“

Obwohl mein schlechtes Gewissen mit verschränkten Armen mit dem Fuß tippte, musste ich aufgrund ihrer farbenfrohen Ausführungen lachen: „Ahahahahahahaha! Nein, wahrscheinlich nicht. Aber wie du mit den Armen wedelst ist zu herrlich!“

Plötzlich griff sie meine Haare und begann mich damit zu würgen: „Was ist bei dir eigentlich schief gegangen?! Du bist auch auf dem Weg zur Erleuchtung falsch abgebogen und bei der geistigen Umnachtung gestrandet, oder?! Wenn du denkst du bist jetzt für mich ein glänzender Held hast du dich mächtig geschnitten, klar?! Ich fass' es nicht!“

Mein Lachen wurde lauter, obwohl sie mir zu einem Teil die Luft abschnürte: 'Wie kommt man denn auf so eine Idee?!'

„Das war eine Lektion. Ehehehehehehe!“, grinste ich, als mir ein fixer Gedanke durch den Geist tanzte.

Mit einer verständnislosen Handbewegung ließ sie meine Haare los: „Mich das Geländer runter zu befördern war eine Lektion?! Für was denn bitte?!“

„Du hast mich angelogen“, stellte ich wieder fest und bekam davon eine kleinen Stich: „Wiederholt.“

Sie wandte beschämt ihre Augen von mir ab und ihr fast leidend verzogener Mund sprach nicht sofort: „Es... tut mir leid, ich... wollte... “

„Jaaa?“, fragte ich gedehnt, obwohl mir ihr Gesichtsausdruck ein enges Gefühl um die Brust legte.

„Ich“, hob sie mit einem Zögern die Kette mit meinen Anhängern vor ihre Brust: „Ich wollte dich nicht hetzen....“

'Nein! Wie süß sie ist!', zauberte mir ihre vollkommen übertriebene Bescheidenheit ein Lächeln auf die Lippen und das Gefühl verschwand, als ich lachen musste: „Zwischen 'Nicht trödeln' und 'hetzen' besteht ein kleiner aber feiner Unterschied, meine schöne Puppe.“

„Du wirktest noch so müde und...“, sie hob ihre Zeigefinger und bewegte sie durch die Luft, als wolle sie damit auf etwas zeigen. Es war nur leider ein vollkommen wirres Zeigen und Deuten. Ihre Finger liefen Gefahr sich zu verknoten und ich blinzelte mit den Augen, als ein Wasserfall diffuser Erklärungen aus den schönen Lippen schwappte, dem ich angestrengt zu folgen versuchte: „Ich hab dich geweckt, obwohl ich wusste, dass du wegen mir die letzten Wochen schon so wenig geschlafen hast und ich will nicht, dass du so wenig schläfst... und.. und ich glaube du schläfst generell schon zu wenig und dann komm ich und wecke dich, obwohl du schon im Sitzen einschläfst und.. und... gestern Nacht hast du dir auch wegen mir um die Ohren gehauen... Das war nicht nötig!... Das war ultra nett von dir und so und versteh mich nicht falsch, aber du hättest nur sagen müssen, dass du müde bist und dann... hätten wir halt erst heute geredet... und... und das du so kaputt bist, das...“, sie verschränkte ihre rastlosen Zeigefinger, die nichts deutlich gemacht hatten. Eher im Gegenteil: „Das will ich nicht.“

Ich verstand sie trotzdem und mein Lächeln würde ein weiteres Mal weiter aufgrund ihrer Unbeholfenheit: „Mach dir um mich keine Sorgen. Wenn irgendetwas nicht in Ordnung ist, werde ich mich melden. Wusstest du überhaupt, dass es mein Zimmer war?“

Das war ja die erste interessante Frage. Hatte sie keine Ahnung wer das Zimmer belegte, konnte man ihr ja keine Schuld für irgendwas anlasten.

Sie schüttelte wie von mir vermutet den Kopf: „Nein... Sebastian meinte ich solle da klopfen und verschwand.“

Ich lachte in Erkenntnis den Butler ein weiteres Mal richtig eingeschätzt zu haben: „Dieses gewiefte kleine Schlitzohr von Dämon.“

„Gewieft? Warum?“, schaute mich Skyler ein wenig irritiert an, was mich kichern ließ: „Hihi. Ach, nicht wichtig. Wenn du nicht wusstest, dass ich in dem Zimmer schlafe, warum in drei Gottesnamen hast du dann ein schlechtes Gewissen? Sebastian hat dich benutzt um mich aus dem Bett zu werfen. Das ist wenn seine Schuld und nicht deine“, dann grinste ich ihr so unschuldig und breit entgegen wie ich konnte: „Und genau genommen ist es meine, weil ich beim ersten Mal ein wenig zickig war, als ich geweckt worden bin. Hehe!“

„Es ist nur“, stockte und haderte sie ohne mir ersichtlichen Grund: „Also... ich meine... ich.“

„Sky?“, kicherte ich belustigt über ihr grundloses Stammeln und Stocken.

„Hm?“

„Wenn dir nichts einfällt, sag auch einfach nichts. Ehehehe!“

„Du hast Recht...“

„Und noch etwas“, grinste ich unter einem weiteren Geistesblitz: „Ich stelle heute auch eine Regel auf. Ehehehe!“

Skyler zog eine Augenbraue hoch und musterte mich skeptisch: „Regel?“

„Hehehe. Ja“, grinste ich. Ich hatte keine Lust mehr belogen zu werden und gerade streifte mich die Idee dem Herr zu werden: „So wie du mich kitzeln darfst, wenn ich dich erschrecke, wird dir ab sofort immer irgendetwas sehr Unerwartetes passieren solltest du mich belügen. Ehehe.“

Sky zog die Augenbrauen zusammen und ließ den Kopf hängen: „Und ich tippe du hast dafür eine Mannigfaltigkeit an Möglichkeiten, richtig?“

„Oh ja. Hehehe!“, pflichtete ich ihr lachend bei.

„Ich bin geliefert...“, seufzte sie: „Und... du... kannst mich ruhig runter lassen...“

Lachend stellte ich das federleichte Mädchen auf den Boden, welches seufzend meine Anhänger betrachtete: „Es tut mir leid... Ich hab deine Kette kaputt gemacht...“

Mit einem Lachen nahm ich ihr die Kette aus der Hand und driftete ganz kurz noch mal zurück auf die Campania: 'Earl. Ich werde dir das für eine Weile anvertrauen. Bitte kümmere dich gut darum. Sie ist mein Schatz.'

Als ich wieder aufschaute, musterte mich Skyler irgendwie furchtbar sorgenvoll. Ich habe wohl in meinem kleinen Anfall Nostalgie nicht auf mein Gesicht geachtet.

„Hehehehe!“, lachte ich dann um ihr zu zeigen, dass sie sich um mich nicht sorgen brauchte. Wenn nur dieser kleine Stich nicht wäre, dass diese Menschen mittlerweile... alle tot sind...: „Ach Quatsch. Das krieg ich wieder hin, ist nicht das erste Mal.“

„Wie...?“

„Äh“, entfuhr es mir, als ich die Kette über meine Schulter legte. Ich empfand es für besser die Erklärung außen vor zu lassen. Ich müsste ihr im Zuge dessen unweigerlich erklären, was meine 'Bizarre Dolls' waren. Irgendwie wusste ich begeistern würde sie das Thema nicht. Zumindest nicht im Moment: „Ähehehe! Nicht so wichtig.“

Sie zog die Augen zusammen und schaute mich mit einem Blick an das sie genau wusste, dass ich ihr etwas verheimlichte: „Okay...“

'Helles, kluges Mädchen. Tehehehe!', lachte ich in mich hinein. Ihr machte selbst ich nicht immer etwas vor. Ist sie nicht hinreißend?

Plötzlich schlang sie die Arme um ihren abermals knurrenden Magen und schaute mit hochrotem Kopf zu Boden.

„Wir haben es gleich geschafft“, lachte ich über das Rettungsseil, welches mir das Schicksal gerade zu warf und auch ein bisschen belustigt über ihr schüchternes Verhalten, als ich sie von nun an schweigend weiter mit zum Wintergarten nahm. Der jetzige Earl Phantomhive speiste immer im Wintergarten, wenn er so viele Gäste hatte. Er fand es atmosphärisch, was wohl auch stimmte. Pflanzen waren etwas Tolles. Grün, saftig und lebendig. Ab und an ist auch mir etwas Leben ganz lieb. Kontraste waren wichtig im Leben, vor allem wenn es so unsäglich lang war.

Skyler fing an an ihren Haaren herum zu zupfen und einen Zopf zu flechten. Ich beschaute sie mit halbem Auge, als sie dabei verzweifelte.

Plötzlich wuschelte sie sich durch die Haare und nun hatte sie eine gewisse Ähnlichkeit mit Rumpelstilzchen oder Pumuckl: „NA! Diese blöden Dinger!“, sie pustet sich ein paar Haare aus dem Mund: „Ich scheid' sie mir ab!“

„Was?!“, entfuhr es mir vollkommen unüberlegt und mit einer riesigen Portion Unverständnis. Lange Haare waren wunderbar! Anstatt sie abzuschneiden, sollte sie sie eher noch weiter wachsen lassen: „Bist du vollkommen verrückt geworden?!“

Sie blinzelte mir etwas überrumpelt durch ihren Wust aus braunem Haar entgegen: „Weißt du... wenn du das fragst klingt das irgendwie... komisch... aber abgesehen davon... warum fragst du?“

„Die sind wunderschön!“, antwortete ich vollkommen wahrheitsgetreu und ein wenig lauter als ich wollte. Doch ich fasste es einfach nicht! Warum will man solche Haare abschneiden?!

„Die machen nie was ich will...“, drehte Skyler ihren Kopf weg: „Und sehen dadurch immer voll furchtbar aus...“

„Hast du eine Meise?“, lachte ich. Gerade, dass ihr immer ein paar Strähnen aus der Frisur fielen sah wunderbar natürlich und entspannt aus.

Sie drehte eine erhobene Braue zu mir: „Ich bin immer noch der Meinung, dass du so etwas nicht fragen solltest...“, wich sie meiner Frage aus. Ihr Einwand war aber zugegebenermaßen nicht ganz unberechtigt: „Hehehe. Warum?“

Sie zog die zweite Augenbraue hinterher: „Weil du definitiv eine Meise hast. Nen ganzen Schwarm sogar.“

Mein Lachanfall krachte durch den Flur vor uns. Ich hörte in einem Raum neben uns Teller zu Bruch gehen: „Ich habe nichts um dem zu widersprechen! Pahahahaha!“, mein Lachen stoppte abrupter als gewohnt und ich grinste dem schönen Ding entgegen: „Aber was dich angeht hab ich eine Idee.“

Sie stoppte und legte den Kopf schief: „Hast du?“

„Oh ja“, grinste ich und entwirrte ihre Haare wieder. Da sie so weich waren liefen sie ohne großen Widerstand durch meine Finger. Ich legte sie so, wie es ihr meiner Meinung nach am Besten stand. Offen, ohne viel Tam Tam. Als ich fertig war zog ich zufrieden mit meinem kleinen lichten Moment die Hände zurück: „Perfekt!“

„Aber du hast sie nur entwuschelt und gelegt. Sie sind einfach nur offen.“

„Hehehe. Exakt“, ging ich weiter und schaute sie über meine Schulter an: „So sehen sie halt am Besten aus.“

Als sie ihren Finger auf die abgewandten Lippen legte und schüchtern kicherte, entfuhr auch mir ein kleines Kichern. Zucker konnte nicht süßer sein.

Sie erschien mit verschränkten Händen wieder neben mir und wir gingen durch bis zum Wintergarten der Villa.
 

„Wow...“, machte Skyler, als wir den großen gläsernen Raum betraten. Der Esstisch mit den Anderen lag noch ein paar Ecken entfernt, aber die Stimmen und das Lachen wehte schon zu uns herüber und brachte eine gewisse Idylle mit sich mit.

„Ja ja, die Earls Phantomhive verstehen etwas vom guten Leben“, lachte ich und ging weiter auf dem Kiesweg zwischen den vielen grünen Pflanzen und bunten Blumen. Die Luft war etwas stickig und ziemlich feucht, doch das störte mich nicht.

Nach ein paar Metern seufzte Skyler auf einmal resigniert.

„Oh weh“, lachte ich halb und musterte sie, als mir aufging, dass sie wohl über etwas nachgegrübelt hatte. Ich konnte mir denken was es war: „Hehehe. Warum dieses lange Gesicht?“

Sie legte den Kopf schief: „Ich... hätte etwas merken müssen...“

„Hehehe. Weshalb?“, lachte ich und schüttelte sanft den Kopf: „Falls es bei dir nicht richtig angekommen ist: Wir haben es versteckt gehalten. Es verheimlicht. Niemand sollte dahinter kommen.“

„Aber“, die Schöne ließ Kopf und Schultern hängen: „Es geht um Amy... Ich habe mich ihre beste Freundin geschimpft und nichts davon gemerkt...“

Ich blinzelte. Damit hatte ich nun nicht gerechnet. Das war eine Aussage, dessen Zusammenhang einfach nicht richtig stimmig war. Er war viel zu hart. Zu ihr selbst: „Was hat das denn damit zu tun, dass Amy deine beste Freundin ist? Auch Amy war immer angehalten ihre ungewöhnlichen Lebensumstände zu verstecken. Weißt du warum die Phantomhivekinder auf ein Internat gehen, obwohl die Familie sich hunderte der besten Privatlehrer leisten könnte?“

Skyler schaute mich immer noch reichlich betrübt an: „Nein... weiß ich nicht. Ich weiß so vieles nicht.“

Ich tippte ihr lachend auf die Nase: „Hehehe! Und das ist auch gar nicht schlimm, meine schöne Puppe. Die Phantomhives schicken ihre Kinder auf das Internat, um ihnen die Chance zu geben sich wie ganz normale junge Menschen zu fühlen. Glaube mir, das ist auch den Kindern eine Menge wert. Sie haben ganz normale Freunde, den ganz normalen Schulstress. Sie schwärmen für Schüler der anderen Schule, streiten sich mit den Lehrern herum und haben in den Ferien eine Menge zu erzählen, während ihr dämonischer Butler ihnen Tee serviert. Menschen wie du sind wichtig für die Phantomhives.“

„Ich“, Skyler schlug die Augen nieder: „... und wichtig?“

Ich zog sie mit einem Arm zu mir und lächelte sie an, als sie zu mir hoch blinzelte: „Natürlich. Amy wollte gar nicht von deiner Seite weichen. Sebastian hatte seine liebe Mühe sie ins Bett zu stecken.“

„... Wirklich?“, fragte sie zögerlich und nicht ganz überzeugt.

„Hehehe! Aber ja doch!“, erwiderte ich so vehement wie ich konnte: „Ich war doch die ganze Zeit da und habe es persönlich mitbekommen.“

Skyler blinzelte kurz und schien ihre Gedanken schnell sortieren zu müssen: „Du... Hast tatsächlich die ganze Zeit an meinem Bett gesessen?“

Ich nickte grinsend: „Natürlich.“

„Aber... warum?“

Ich schaute ihr lächelnd in die himmelblauen Augen, als ich das in Worte fasste, von dem ich eigentlich dachte, es so oft schon gezeigt zu haben: „Weil du auch für mich wichtig bist und ich auch sichergehen wollte, dass du in Ordnung bist.“

Ihre Wangen wurden rot, als Skyler zur Seite schaute und wir um die letzte Ecke bogen.

Amy sah ihre beste Freundin sofort und sprang auf: „Sky! Es geht dir gut!“

Ich entließ das hübsche Ding irgendwie schweren Herzens, damit sie ihre beste Freundin in Empfang nehmen konnte: „Aber natürlich. Kein Grund zur Sorge!“

„Kein Grund zur Sorge?!“, rief Amy und beschaute ihre Freundin sorgenvoll: „Ich hab noch nicht den Absatz eines Dämons im Gesicht hängen gehabt und ich kann auch getrost darauf verzichten!“

Dann starrte die Phantomhive perplex in Anbracht ihres eigenen Ausrutschers: „Ich meine... Also Claude.. er...“

„Ist ein Dämon“, lachte Syke und bremste Amy vollends aus: „Genau wie Sebastian!“

Der jüngsten Phantomhive klappte der Mund auf: „Du...?“

„Grell, Ronald, William und Undertaker sind Sensenmänner und die Familien von Lee, Charlie und Frank sind schon seit Generationen 'Aristokraten des Bösen'“, repetierte Skyler fein säuberlich was ich ihr erklärt hatte.

Amy blinzelte.

Sky lachte darauf hin: „Wie mache ich mich?“

Alexander klatschte lachend in die Hände: „Vorzüglich!“

„Du erhältst 300 Gummipunkte“, kichert der Asiate.

„Aber sei vorsichtig“, grinste Charlie und Frank musterte ihn, als wolle er ihn mit irgendetwas bewerfen, wenn er tat was Frank befürchtete: „Bei 500 gewinnst du eine Waschmaschine.“

Das Augenrollen, als Frank die Arme verschränkte zeigte, dass es kam wie er nicht wollte.

Skyler kicherte, während Amys Kopf zwischen ihrer besten Freundin und ihrem Vater hin und her wanderte, was auch mich zum giggeln brachte: „Aber woher...?“

Skyler kicherte lauter und zeigte mit einer Hand auf mich. Ich winkte der kleinen Phantomhive und mein Giggeln wurde durch Skys helles Kichern ein bisschen lauter.

Amy seufzte, wirkte doch nicht sonderlich überrascht: „Ich hätt's mir denken können. Und ich dachte schon ich hab mich verquatscht.“

Ein weiteres lautes Knurren von Skylers Magen ließ den Kopf der jungen Frau hinunter fallen und alle Anwesenden kichern. Außer Frank und William. Was auch sonst.

Amy nahm ihre Freundin bei der Hand, die ihre eigene auf ihren Bauch legte: „Das klingt ja akut. Komm! Zeit, dass du was zwischen die Zähne bekommst!“

Diese Geste gefiel mir nicht und ich zog kurz die Augen zusammen. Sky hatte wieder ihr Bauchschmerzgesicht aufgelegt. Ich mochte dieses Gesicht nicht. Sie musste etwas essen, doch gerade hatte ich die Befürchtung sie wird sich darum drücken wollen.

Amy setzte Skyler neben sich. Lee winkte ihr kurz zu. Ich entschloss kurz, dass die schöne Brünette heute auf jeden Fall etwas essen wird und setzte mich dann zwischen Skyler und Lee.

Charlie hielt Skyler mit einem einladenden Lächeln ein Tablett mit Rührei hin. Natürlich waren alle Gerichte auf diesem Tisch Marke Sebastian und viele wunderbare Gerüche zogen durch die schwere Luft des Wintergartens. Als Skyler dem Tablett nur grübelnd entgegen starrte, griff Amy es sich und lud Skylers Teller voll: „Guten Appetit!“

„Amy! Stopp!“, rief die Brünette der Schwarzhaarigen zu: „Gott! Wer soll das denn alles essen!“

„Na“, lachte ich ihr zu: „Hehehe! Du!“

Sky wandte sich zu mir: „Das schaff ich nicht alles!“

„Deswegen knurrt dein Magen auch wie ein wütendes Wildschwein!“, lachte Ronald, während er brav sein Brötchen verputzte.

„Wie charmant!“, rief Skyler ihm böse entgegen.

„Hach ja“, lud sich Grell ungefragt, mit einem Strecken und einem Zwinkern, selbst in die Konversation ein: „Essen ist wichtig! Ansonsten schwindet deine Kraft. Mit deiner Kraft schwindet deine Schönheit. Es wäre doch eine Schande, wenn unsere Schönheit für nichts und wieder nichts vor die Hunde ginge.“

Skyler wirkte etwas irritiert aufgrund der überzogenen Dramatik des roten Reapers: „Ja... genau.“

„Es ist vielleicht etwas überspitzt“, las Mister Humorfrei die Sonntagsausgabe der 'London Times': „Aber in Grunde hat Sutcliff schon recht.“

„Du“, sagte Skyler nach einem Blick auf das Brötchen auf Williams Teller: „Isst doch selber nicht.“

„Ich habe schon zwei Brötchen gegessen“, erwiderte William mit einem Nippen an seiner Kaffeetasse.

'Schade...', seufzte ich innerlich. Was hätte ich es Skyler und allen Anwesenden gegönnt, hätte sie William dran gekriegt.

Auch Sky seufzte: „Verdammt...“

Heather lachte: „Hier sind alle sehr gute Esser, Sky. Außer Undertaker.“

Ich merkte wie sich Skyler zu mir drehte, als ich Heather angrinste: „Ehehehe! Ich bin doch kein schlechter Esser! Ich esse nur andere Sachen!“

„Sehr komische Sachen“, warf der Erbe der Phantomhives durch sein Croissant ein.

„Und wie komisch!“, unterstrich Lee die Aussage seines besten Freundes mit wedelndem Rührei.

„Meint ihr die Kekse?“, fragte Sky mit schiefem Kopf.

„Wenn es nur die Kekse wären...“, seufzte Frank in seine Kaffeetasse.

Da gerade eh mein absonderliches Essverhalten angesprochen wurde, langte ich an der Brünetten vorbei und packte das Glas 'Marmite', welches eh einzig und alleine für mich auf dem Tisch stand. Ich aß davon eins am Tag. Es war nahrhaft und lecker. Ich zückte einen Löffel. Aus dem Augenwinkel sah ich die Augen der jungen Skyler, die unnachgiebig an meinen Händen und dem Marmiteglas hafteten. Sie sah mehr als skeptisch aus, auch ein bisschen angewidert. Ich wusste, dass viele Marmite nicht mochten, doch ich hatte es nach dem ersten Löffel geliebt. Folglich schraubte ich es auf. Ich sah Skylers Augenbraue nach oben wandern. Schon fast mit einer diebischen Form von Vorfreude steckte ich meinen Löffel in die zähe, braune Pampe. Skylers Augen folgten meinem Löffel. Ich zog den Löffel heraus. Skylers Augen folgten ihm immer noch. Ihre Augen weiteten sich in Erkenntnis, als ich meine Hand mit dem Marmite Richtung Mund drehte: „Du willst doch nicht etwa...“

Ich steckte mir grinsend den Löffel in den Mund.

„Oh mein Gott!“, hielt sie eine Hand vor den Mund, als sie aussah als müsse sie gleich brechen.

„Was denn?“, schaute ich sie, den Löffel noch im Mund, an: „Das Zeug ist super!“

„Das... das ist...“, stammelte sie gequält.

Ich zog den Löffel aus dem Mund, füllte ihn ein zweites Mal und hielt ihn zu Skyler: „Auch was?“

„Oh mein Gott! Nein!“, rief sie aus, als wolle ich sie mit Uran füttern: „Das Zeug ist so salzig! Das ist ja pervers! Wie... wie kriegst du das herunter?! Pur?! “

„Na ganz einfach!“, lachte ich, sehr wohl verstehend was sie meinte und drehte den Löffel vor ihrem Gesicht: „Löffel in den Mund nehmen und schlucken! Hehe. Hier probier es aus! Geht ganz leicht!“

Skyler griff ihre beste Freundin an den Schultern und warf sie wie ein Schutzschild über ihren Schoss: „Himmel! Geh weg damit!“

Ich grinste der etwas überfahrend wirkenden Amy entgegen und hielt ihr den Löffel hin: „Du?“

Sie schüttelte den Kopf: „Ähm, nein danke. Ich passe.“

Lachend zuckte ich die Schultern und schob mir den Löffel in den Mund, den die beiden Mädchen so schamlos verschmähen: „Mehr für mich.“

Sky schauderte und legte den Kopf auf Amys Rücken: „Gott... wie pfui...“

„Willkommen bei den Phantomhives!“, lachte die wilde Schwarzhaarige und schaute mich belustigt, wie kopfschüttelnd an, während ich an meinem dritten Löffel vorbei zurück grinste.

Sky hob wieder den Kopf: „Nimm du mein Rührei...“

Amy fuhr in die Aufrechte: „Du isst was!“

„Mein Appetit hat sich gerade neben meiner Weltsicht aufgehangen...“, stöhnte die Brünette.

Dieser Satz hätte mich eigentlich gnadenlos amüsiert,... nur aus Skylers Mund fand ich ihn gar nicht komisch.

Ich griff mir also ihre Gabel und erstach ein Stück ihres Rühreis. Dann drehte ich ihren Kopf am Kinn zu mir und hielt ihr das Rührei vor den Mund: „Mach Ahhh. Hehe!“

„Was?! Du musst mich sicherlich nicht füt...!“, rief mir Skyler empört entgegen und ich steckte die Gabel in ihren protestierenden Mund, um mich um die Grundsatzdiskussion zu drücken, die nach Skyler folgen sollte. Ich hatte mir vorgenommen sie zum essen zu bringen und wenn der Ochse nicht zum Berg kommt, muss halt der Berg zum Ochsen kommen. Und für das junge Ding würde ich Berge versetzen. Sofort.

Ich zog ihr die Gabel aus dem Mund und hielt ihr ein weiteres Stück hin, als sie mich nur anschaute wie ein Geist, das erste Stück Rührei immer noch im Mund: „Ich kann es dir auch vorkauen, wenn du vergessen hast wie das geht. Hehe!“

Ohne nur einmal drauf zu beißen schluckte sie das Ei herunter und wurde etwas blasser um die Nase, aber rosa auf den Wangen: „Nein!“

Ich musste lacheb aufgrund dieses Farbenspiels: „Hehe. Am Stück schlucken geht natürlich auch.“

„Hör auf dami...!“, schloss sie wütend rufend die Augen. Ich steckte ihr aber nur wieder die Gabel zwischen die Zähne: „Du solltest dieses mal kauen, das Stück ist größer. Hehe!“

Skyler starrte mich an. Ich grinste zurück und ein paar Sekunden bewegte sich keiner von uns. Ich, weil ich innerlich an einem Lachkrampf starb und sie, weil sie noch nicht realisiert hatte, dass ich das alles wirklich getan hatte.

Sie riss mir die Gabel aus der Hand, kaute zweimal und schluckte hinunter. Dann schlug sie mir die Gabel immer wieder vor den Kopf: „Tickst du nicht mehr richtig?! Ich bin doch kein Baby!“

Ich griff sie lachend am Handgelenk und brachte mein Gesicht näher zu ihrem: „Hehehe. Bist du nicht. Richtig. Aber ich lasse ganz sicher nicht zu, dass du mir aus den Latschen kippst, nur weil du aus irgendwelchen mir vollkommen unerfindlichen Gründen nichts essen kannst.“

Skyler rollte mit den Augen und ihr Kopf kippte ein Stück nach hinten: „Das Einzige, was mich aus den Latschen kippen lässt, ist dein Marmitemundgeruch!“

Wir hatten mittlerweile jeden am Tisch zum lachen gebracht. Zumindest tat auch Frank so etwas wie grinsen. William hatte seinen Kopf hinter der Zeitung versteckt, die aber verräterisch wackelte.

Sky drückte mit dem Zeigefinger meinen Kopf nach hinten und verschränkte ihre Arme: „Du bist ganz, ganz furchtbar!“

Amys Kopf knallte lachend auf den Tisch. Ich zog anerkennend eine Augenbraue hoch und hoffte, dass das keine Kopfschmerzen gab.

„Alles ok bei dir?“, fragte Skyler und Amy winkte erstickend ab.

Lee reichte mir leise kichernd eine Gabel und deutete auf Skylers Teller. Ich grinste verschwörerisch zurück und piekste ein Stück Rührei auf. Langsam und meine Vorfreude genießend schob ich die Gabel in Skylers Sichtfeld. Sie flog herum und hielt mir die erste Gabel unter die Nase: „Lass die Gabel sinken oder du wirst es bereuen!“

'Respekt. Das ist mutig. Ehehehe!', ich lachte, als ich ein wunderbares Wortgefecht nahen sah. Denn um mir weh zu tun war die Brünette viel zu lieb: „Pahahahaha! Inwiefern?“

„Ich steckt dir diese Gabel irgendwo hin, wo du sie ganz sicher nicht haben willst!“, keifte sie mich an und meine Hoffnung auf einen unterhaltsamen Wortwechsel erfüllten sich.

„Aha“, stützte ich mein Gesicht in eine Hand: „Da gibt es nicht viele Stellen, aber sprich ruhig weiter. Hehe!“

Sky riss die Augen auf und es hörte sich an als würde in ihrem Kopf eine Platte springen: „Wa-wa-wa-wa-was?!“

Ronald, der wie alle eigentlich die ganze Zeit schweigend genossen hatte, konnte sein anstößiges Schandmaul nicht mehr bremsen: „Oh oh. Jetzt kommen die 'dirty details' auf den Tisch!“

William zerriss vollkommen außer sich die Zeitung und fuhr mit roten Kopf nach oben: „Doch nicht am Esstisch!“

Der blonde Jüngling zuckte mit den Schultern: „Warum denn nicht? Also ich für meinen Teil... WA!“

William beendete alles was er nicht hören wollte, indem er Ronalds Gesicht mit seinem Fuß in das Frühstück verfrachtete: „Nicht am Esstisch!“

Ausnahmsweise war nicht ich es, der an seinem Lachanfall in die ewigen Jagdgründe einging, sondern die jüngste Phantomhive.

„Aber Willi!“, machte Grell: „Nicht so brutal!“

Der Aufsichtsbeamte bewaffnete sich mit einem Buttermesser und drohte Grell damit. Ich kniff mir jegliche Kommentare darüber, dass er Sebastian gerade nur allzu ähnlich war, da ich sonst Wills Intermezzo mit Grell und meins mit Skyler unterbrochen hätte: „Nenne mich nicht Willi und das sind Themen über die ich einfach NICHTS hören will!“

Grell hob erst sich ergebend die Hände: „Ich ergebe mich!“, dann wackelte er mit beiden Augenbrauen und toppte alles was ich je sagen könnte: „Mach mit mir was du willst.“

Keine 3 Sekunden später jagte William Grell hinterher und sie verschwanden: „Doch nicht das! Nicht ins Gesicht!“

Fred versuchte derweilen, mit einem Glas Wasser bewaffnet, seine Schwester zu retten: „Atmen Amy. Du musst atmen...“

„Ich...“, japste Amy lachend und kaum hörbar: „Ich kann nicht!“

Frederic seufzte, während seine Eltern lachten.

Ich hob der abgelenkten Skyler wieder das Rührei ins Gesicht. Wenn ich eines war, dann geduldig.

„Lass das!“, riss sie mir auch die zweite Gabel aus der Hand.

Lee reichte mir eine Dritte.

„Hey!“, rief Sky, als sie Lees Verrat gesehen hatte: „Hör auf mich zu sabotieren!“

„Das geht nicht!“, kam auch der Asiate aus seinem Lachen nicht mehr heraus: „Ihr seid zu knuffig!“

„Knu-knu-knuffig?!“, Skyler entriss mir die Gabel aus der Hand, als sie auf dem Weg zum Rührei war: „Mein Gott! Dein Auge! Ich stecke sie dir ins Auge! Und in die Nase!“

Ich lachte weiter: „Versuch es. Tehehehehehehe!“

Sky ließ sich ergebend die Gabeln sinken: „Hör doch einfach auf... Bitte!“

„Dann iss und zwar auf. Hehe!“, offerierte ich ihr die einzige Möglichkeit sich zu retten.

Sie seufzte geschlagen: „Ja ja...“

Ronald sortierte sich derweilen sein Essen von der Brille: „Ja ja heißt...“

„Halt dich geschlossen“, fuhr ihm Skyler harsch übers Maul.

Gerade ist sie doch einfach nur zum Niederknien.

„Ist ja gut! Ich bin brav!“, verteidigte Ron sein junges Leben vor dem braunhaarigen Mädchen, was langsam aber sicher in der Gruppe aufzutauen schien.

William kam an den Tisch zurück und setzte sich, als er seine Brille justiert hatte. Sky schaute von ihrem Rührei auf, welches sie endlich zu essen begonnen hatte: „Wo ist Grell?“

„Er kommt wieder sobald er sich befreit hat.“

Was auch immer William getan hatte, es war nichts was Grell sich gewünscht oder vorgestellt hatte.

Skyler drehte verwundert den Kopf im Kreis: „Okaaaaay...“

Amber hatte mittlerweile aufgehört zu lachen, ihr Wasser getrunken und das Gesicht trocken gewischt.

„Geht es?“, klang Skyler nicht wirklich besorgt um ihre beste Freundin. Eher klang sie als gönne sie es ihr.

„Ja ja, bei mir ist alles bestens“, klang Amy noch etwas mitgenommen von ihrem Lachanfall.

„Nun“, fühlte der Earl sich dazu berufen die Atmosphäre mit trockenen und ernsten Themen zu zerstören. Ich seufzte stumm und begann mein Marmite weiter zu löffeln: „Du hast ja schon eine Menge erfahren wie ich hörte. Hast du noch irgendwelche Fragen?“

Skyler überlegte als Grell mit einem eher untypischen, aber sehr naturbelassenen, Kopfschmuck zurück an den Tisch fand. Ich wusste genau warum Ronald zwischen Grell und William saß und jeder wusste, wie sehr der Blonde darunter zu leiden hatte.

„Ja...“, antwortete Skyler schließlich: „Eine habe ich noch.“

Der Earl lächelte ihr mit einer Handgeste entgegen: „Tue dir keinen Zwang an. Frag.“

Sky seufzte: „Was waren diese komischen Filme?“

Ihre Worte trafen mich wie ein Schlag.

Ich fror meinen Löffel im Mund ein, als meine Gedanken sofort zu rasen anfingen.

'Das!', stammelte ich in meinem Kopf: 'Das ist unmöglich! Das geht nicht!'

Ich starrte sie an als sei sie ein Geist: 'Sie kann keine Records sehen!'

Sky musterte sehr unangenehm berührt alle Leute am Tisch, die synchron das Atmen eingestellt hatten.

Dann schaute die Brünette zu mir. Ihr Blick flehte mich um Hilfe an: „Hab ich etwas Falsches gesagt?“

'Nein', dachte ich, war aber noch zu perplex um meinen Löffel aus dem Mund zu nehmen und Worte über die Lippen zu bekommen: 'Nur etwas Unmögliches!'

Grell schüttelte entgeistert den Kopf: „Über was für Filme redest du?“, fragte er in der naiven Hoffnung Skyler sprach nicht darüber, worüber sie ganz offensichtlich sprach.

„Na, diese alten Kinofilme die überall herumgeflogen sind!“, ein weiterer Schlag in meine Magengrube, doch Skyler fuhr erbarmungslos fort: „ Die waren doch echt nicht zu übersehen!“

'Das ist unmöglich! Für einen Menschen ist das absolut unmöglich!', wiederholten meine gestressten Gedanken ein weiteres Mal.

„Du“, Ronald zog seine Brille auf und wirkte trotzdem als sehe er nicht richtig: „Hast die Filme gesehen?“

„Natürlich“, schüttelte Sky verständnislos den Kopf: „ Wie hätte ich sie denn nicht sehen können?“

William schnellte in die Höhe und winkte uns mit sich, als er um den Tisch herum stürmte: „Sutcliff! Knox! Undertaker! Auf ein Wort!“

Er hatte Recht. Sowohl Grell, als auch Ronald und auch ich standen protestlos auf und wollten ihm folgen, doch Skyler hielt mich mit ihren großen, um Hilfe schreienden, Augen am Handgelenk: „Was... Was ist los?!“

Doch mehr als ein Kopfschütteln bekam ich atok nicht zustande, was Skyler noch mehr verunsicherte: „Wohin geht ihr?“

Um sie wenigstens ein wenig in Sicherheit zu wiegen legte ich meine Hand auf ihre dünne Schulter und lächelte sie so gut an wie ich konnte. Ich glaubte nur jetzt kam ich in die Situation, dass mein Lächeln nicht glaubhaft war: „Wir müssen kurz etwas besprechen.“

„Aber.. was denn?!“, rief Skyler und hielt mein Handgelenk fester.

„Mach dir keine Sorgen“, versuchte ich sie zu beruhigen: „Ich regele das.“

Dann ging ich mit den anderen 3 Reapern vor die Tür.
 

„Wie?!“, entfuhr es Grell sofort: „Das ist unmöglich!“

„Es sollte unmöglich sein!“, stimmte Ronald mit ein.

William hatte die Arme verschränkt und dachte angestrengt. Dann schaute er mich an: „Undertaker?“

Ich schüttelte den Kopf: „Keine Ahnung“, erwiderte ich arg unterkühlt: „Mal wieder.“

„Was ist das für ein Mädchen?!“, fragte Grell eine Frage, die ich mir schon länger stellte: „Sie ist wirklich nur ein Mensch?“

„Nur ein Mensch ist immer eine gefährliche Aussage“, erwiderte ich ohne ein Grinsen, Lächeln oder Lachen: „Die menschliche Seele ist die Grundlage aller. Dämon, Engel, Sensenmänner. Es sind alles mal Menschen gewesen. Folglich ist die menschliche Seele sehr flexibel.“

„Aber es muss einen Grund geben, warum eine Seele sich in eine Richtung bewegt“, führte William weiter aus: „Sie kann Dämonen spüren, die ihre Existenzen verstecken. Sie sieht Records. Was kann sie noch?“

„Uns spürt sie nicht“, warf ich meine Erkenntnisse von vorher in die Waagschale: „Wie für einen Menschen typisch.“

„Claude ~“, trällerte Grell: „Das ist sicherlich nicht für Menschen typisch.“

„Nein“, schüttelte ich schon fast widerwillig den Kopf: „Sicher nicht.“

„Einen Dämon zu spüren ist das Eine. Das können Menschen in gewissem Maße“, machte William in etwas, was für seine Verhältnisse sicher als Aufregung zu bezeichnen wäre: „Und feinere Sensoren zu haben, um es durch die Fessless Stones zu können. Doch Records zu sehen ist etwas anderes! Das ist ein Rassenmerkmal! Das können Menschen einfach nicht! Was zur Hölle ist hier los, Undertaker?!“

„Was erwartest du von mir, Spears?“, fauchte ich den Aufsichtsbeamten an: „Ich habe keine Ahnung. Ich habe auch vor ein paar Stunden schon einmal gesagt ihr solltet euch nicht ewig darauf verlassen, dass ich alles schon mal gesehen oder erlebt habe. Die Welt ist im Fluss! Altes geht, Neues kommt. Wer stehen bleibt ist atmend tot. Das heißt auch, dass ich Dinge, die sich neu entwickeln, erst selber lernen muss. Betone es nicht so, als hätte ich etwas damit zu tun!“

„Vielleicht hast du das“, warf William die Arme nach vorne während er sich in Rage redete: „Grell und Ronald erzählten das Mädchen ist öfter bei dir zu Besuch und auf einmal kann sie Records sehen? Zufall? Bei dir? Unwahrscheinlich! Wenn das wieder einer deiner dummen Experimente ist verpfeife ich dich bei der Chefetage und dann kriegst du Besuch in deinem verdammten Rattenloch! Haben wir uns verstanden?! Wir haben die Füße still gehalten und dir den Rücken freigehalten, trotz der ganzen Scheiße mit deinen blöden Zombiepuppen und das ist dein Dank?! Hm?!“

Ich glaubte meinen Ohren nicht. Grell sah in mein Gesicht und war selbst für einen Sensenmann erstaunlich blass geworden. Er griff William am Ärmel: „Du Will... ich glaube du solltest mal ganz kurz durchatmen und...“

„Was willst du mir unterstellen, William?“, erwiderte ich vollkommen ruhig und unterbrach Grell. Mein Herz raste. Natürlich hatte ich Williams Vorwurf verstanden. Ich gab ihm aber die Möglichkeit seine Worte noch mal zu überdenken.

Ronald schluckte. In Grells Gesicht stand ein Gebet.

„Dass Skyler eins deiner verrückten Experimente ist“, gab William trocken zurück und hielt meinem Blick fest stand. Seinen Mann stehen tat der schwarzhaarige Reaper immer, das musste ich ihm auch in dieser Situation einfach lassen.

Grell sah trotz allem aus, als würde er gleich einfach zusammen klappen und auch Ronald hatte alles verloren, was an ihm sonst so leicht und lässig war.

Mein Herz wurde mit einem Mal langsamer. Ein Lachen kroch über meine Lippen, als ich ein paar Schritte durch den Flur ging: „Ehehehehehehehe! William! Oh ehrlicher, ehrlicher William.“

Bei dem Klang meines Lachens ließen Grell und Ronald die angespannten Schultern mit einem leisen Seufzen hängen.

Dann krachte es laut, als ich William mit meinem Unterarm an der Kehle mit Wucht gegen die Wand drückte. Sie drückte sich ein Stück unter dem Körper des Aufsichtsbeamten ein.

„Willst du mich eigentlich zum Narren halten?!“, schrie ich ihm meine Wut ins Gesicht: „Ich kann wahrlich mit vielen Unterstellungen leben und nicht alles was ich getan habe war von Erfolg gekrönt, oder von euch anerkannt! Aber damit und dafür braucht es einiges mein vorlauter Freund, schlägst du selbst bei mir dem Fass den Boden aus! Wie kannst du es dich erdreisten mir so etwas zu unterstellen?!“

Grell wedelte erschrocken mit den Händen und schrie kurz auf, als es schepperte. Ronald war mit einem Satz hinter seinem rothaarigen Kollegen verschwunden.

„Wie wohl?“, zischte William in Atemnot durch die gebleckten Zähne: „Du bist nur dir selbst der Nächste! Lass mich los!“

„Oh nein nein nein“, lachte ich ihm kalt entgegen: „Tue ich nicht, William.“

„Nimm deine Hände von mir!“

Ich beugte meinen Kopf zu seinem Ohr: „Hör mir mal gut zu, Grimm Reaper. Es ist beachtlich, dass du den Mut findest mir so etwas ins Gesicht zu sagen. Wirklich. Ich lobe mir solche Wesen. Das ist besser als ätzendes Gerede hinter dem Rücken, dass eh jeder mitkriegt aber“, sprach ich aus, was ich auch meinte. Ich lachte danach auf, nur fand ich Williams Anschuldigungen nicht ansatzweise lustig: „Ehehehe! Aber wenn du mir noch einmal unterstellst, ich hätte diesem Mädchen auch nur ein Haar gekrümmt, kommst du nicht mehr bis zu Chefetage, haben wir uns verstanden, Will?“

Ich spürte eine Hand an meiner Schulter: „Undertaker!“

Ich schaute über die Schulter. Grell schluckte zwar bei meinem Blick, nahm aber seine Hand nicht hinunter: „Das hast du nicht! Hör zu! Wir wissen das! Lass ihn los! Bitte!“

Ich schaute Grell weiter an. Die Erzürnung pulsierte in meinen Adern.

„Bitte!“, machte Grell noch einmal: „Undertaker! Wir sind doch alle Freunde! Er kriegt keine Luft!“

Ich atmete einmal kurz durch. Als ich das Rauschen meines Blutes kurz ignorieren konnte, hörte ich Williams leises Röcheln. Er versuchte es zu verstecken, aber sein Gesicht war gefährlich fahl geworden.

„Undertaker! Bitte!“, beschwor mich Grell ein weiteres Mal: „Will war dumm! Und vorlaut! Aber deswegen musst du ihn nicht umbringen!“

„Sagt der Richtige!“, zischte William erbost.

Grell schaute ihn an: „Kannst du einmal deine Klappe halten, wenn ich versuche dir dein Leben zu retten, William?!“

Der Aufsichtsbeamte ächzte genervt unter meinem Arm.

Ich atmete noch einmal durch. Dann nahm ich meinen Arm von Williams Kehle. Dieser rutschte an der Wand hinunter und rieb sich den Hals. Ronald packte ihn unter der Achsel und hielt ihn so auf den Füßen.

„Du warst das nicht“, sagte Grell, drehte sich frontal zu mir und legte auch seine zweite Hand auf meine Schulter: „Wir machen uns doch auch nur Sorgen. Lasst uns an einem Strang ziehen und herausfinden was los ist. Dich interessiert es doch auch, hm? Du bist immer auf alles neugierig.“

Ich nickte: „Natürlich interessiert mich das.“

„Dann“, grinste Grell mit seinen spitzen Zähnen und verschränkte die Arme: „Lasst uns alle durchatmen und herausfinden, was an unserer kleinen, neuen Freundin warum so besonders ist, hm?“

Ich nickte. Ronald auch. William hatte sich wieder aufgerichtet, schob die Brille die Nase hoch und justierte seine Krawatte: „Wir müssen sie mitnehmen.“

Mein Kopf flog herum. Sofort hatte ich Grell am Arm: „Atmen! Undertaker, erst atmen!“

„Wohin?“, zog ich einen Mundwinkel hoch und Nasenflügel kraus.

„In die Branch. Zu Othello. Er muss sie sich ansehen und es für die Shinigamis dokumentieren.“

„Sicher nicht!“, grollte es aus meiner Kehle.

Ronald streckte eine Hand aus: „Hey! Wir passen auf sie auf und bringen sie heil nach Hause. Othello ist kein Metzgerdoktor! Du kennst ihn!“

Ich riss meinen Arm aus Grells Umklammerung und rauschte durch die Türe zurück in den Wintergarten, als ich Gefahr lief mich ein zweites Mal zu vergessen. Die Reaper allerdings liefen mir hinter her.

„Undertaker!“, rief William: „Es muss sein!“

„Die Diskussion ist beendet, William!“, entgegnete ich lauter als ich wollte: „Das werdet ihr nicht tun!“

„Es ist das einzig Logische! Der Sache muss auf den Grund gegangen werden!“, diskutierte William sich um sein junges Leben.

„Ich habe Nein gesagt!“, keifte ich zurück.

Als ich um die letzte Ecke bog lächelte der dämonische Butler, schützend vor der Speisetafel stehend, uns entgegen: „Meine Herren! Warum so missgelaunt?“

„Halt deine Nase daraus, Dämon!“, fuhren William und ich dem Butler gleichzeitig über das flach grinsende Maul.

„Ich habe nicht viel Spielraum“, meinte William und wirkte tatsächlich fast so, als widerstrebe auch ihm die Idee: „Ich muss darauf bestehen!“

„Den Spielraum wirst du dir verschaffen müssen!“, ich bohrte William einen Finger in die Brust: „Ich kümmere mich darum. Ich warne dich, weil du mein Freund bist. Schlage sie in den Wind und ich verschaffe dir Spielraum, klar?“

Grell schob uns auseinander: „Um Himmelswillen! Beruhigt euch! Ihr müsst euch deswegen nicht an die Gurgel gehen! Ihr würde nichts passieren!“

„Halt die Klappe Grell!“, fuhren wir jetzt synchron den roten Sensenmann an, der zwei Schritte zurück trat: „Ist ja gut! Ihr macht mir Angst!“

„Undertaker“, schüttelte William bedeutungsschwer den Kopf und fixierte meine Augen: „Sei einmal in deinem Leben vernünftig. Um Ihretwillen.“

Ich ließ meine Hand sinken, als ich anfing darüber zu sinnieren was für Skyler vielleicht das Beste war. War es vielleicht das Beste sie den Dreien mitzugeben?

„Ich bin dieser Idee spinnefeind! Mehr als das!“

Ronald bewegte beschwichtigend ein weiteres mal die Hände: „Lasst uns das in Ruhe ausdiskutieren. Es nutzt niemandem, wenn ihr euch ein paar auf die Nase gebt.“

Ich verschränkte die Arme, um meine Hände unter Kontrolle zu haben: „Ihr Shinigamis habt keine Mittel, die ich nicht auch habe.“

„Ja zum Teufel“, fauchte William erneut erzürnt: „Weil du ein Shinigami bist! Du bist DER Shinigami, zur Himmel und Hölle noch mal! Betone es nicht immer so als seinen wir etwas Grundverschiedenes.“

„Wir sind grundverschieden, William“, konterte ich ihn sofort: „Du und ich auf alle Fälle.“

„Aber wir sind beides Todesgötter und da kannst du zetern und meckern wie du möchtest! Und Fakt ist, dass nur Todesgötter Records sehen können. Menschen nicht! Wenn ein Mensch auf einmal Records sehen kann, muss das offiziell untersucht werden!“

Ich schüttelte den Kopf: „Das wird es auch werden, aber ihr müsst sie dafür nicht mitnehmen.“

„Was fällt euch beiden eigentlich ein?!“, schallte es nach einem Stuhlpoltern von hinten.

Für eine überraschte Weile starrten wir alle nur Skyler an. Sie schüttelte den Kopf und kam mit in die Hüfte gestemmten Händen zu uns: „Wenn es irgendwelche Entscheidungen gibt, die MICH betreffen, dann unterbreitet sie doch bitte MIR, damit ICH darüber entscheiden kann!“

Wir schwiegen. Nur das Tippen von Skylers Fuß war zu hören. Fast schweren Herzens musste ich zugeben, dass Skyler Recht hatte, doch was war wenn die Shinigami sie als gefährlich einstufen und wegsperrten? Das würde ich nicht zu lassen, doch ich konnte nicht einschätzen wie ausdauernd die Reaper hinter ihr her sein würden. Auch Ronald, Grell und William konnten da wenig machen, außer verschwiegen sein, doch dann musste auch Othello mit schweigen. Die Sache war für Skyler potenziell gefährlich. Natürlich lag das nicht an Ronald, Grell, William und Othello, aber ich erinnere mich der Chefetage doch gut genug. Das sich dort etwas geändert hatte bezweifelte ich.

„Sky...“, begann ich: „Du verstehst noch nicht genug, um das entscheiden zu können.“

Doch Sky stemmte die Hände in die Hüften und tippte mit einem Fuß: „Dann erkläre es mir, bevor du dir die unglaubliche Dreistigkeit erlaubst Entscheidungen für mich zu treffen!“

„Sky, ich...“, setzte ich ein weiteres Mal an, doch die junge Frau fuhr mir einfach übers Maul: „Nichts Sky! Mein ganzes Leben meinten Leute für mich bestimmen zu müssen! Ich hab es satt, verdammt! Ich bin 18! Über MICH entscheide nur noch ICH! Du bist mein Freund, Undertaker! Freunde sollten einem beratend, mit bestem Wissen und Gewissen, zur Seite stehen, aber nicht für den anderen entscheiden wollen und ihn im Unklaren lassen! Was denkst du dir?! Ich bin das kleine, naive, blöde Mädchen, was das alles eh nicht versteht und von dir begluckt werden muss?!“

Ich merkte wie sich meine Augen weiteten. Der Zorn wich Scham und einem schlechten Gewissen, während ich Skyler anstarrte. Warum ich so wütend geworden war, war mir fast wieder selbst ein Rätsel, doch Williams Unterstellung ich hätte Skyler etwas getan hatte mich rasend gemacht. Darüber hinaus hatte ich einfach nicht mehr klar gedacht. Ich legte ihr meine Hände auf die Schultern und senkte meinen Kopf: „Du hast Recht... Verzeih mir...“

Auch sie legte mir ihre Hände auf die Schultern: „Vergeben und Vergessen. Doch nun sag mir weswegen ihr euch hier fast gegenseitig anfallt.“

Ich seufzte. Sie hatte Recht. In erster Linie war sie ein junges Ding was Antworten brauchte, um sich und die Welt wieder verstehen zu können: „Diese Filme nennt man 'Cinematic Records'“, erklärte ich.

„Ja und nur Reaper sollten sie sehen können“, antwortete sie und musterte mich eindringlich: „So weit bin ich schon, aber warum sehe ich sie auch?

„Die Frage des Tages“, schüttelte ich den Kopf: „Ich weiß es nicht.“

„Die Records“, hob Ronald einen Zeigefinger: „Beinhalten alle Erinnerungen eines Sterbenden. Ob Mensch, Engel oder Dämonen. Selbst Reaper haben einen Record.“

„Je nachdem“, erklärte Grell weiter: „Was sie uns zeigen entscheiden wir, ob die Person wirklich stirbt oder weiter leben soll.“

„Vorausgesetzt“, schob William seine Brille mehr auf die Nase: „Der Körper ist weiter lebensfähig und kann gerettet werden. Das sind dann die berühmten Nahtoderfahrungen. Die Tatsache, dass jeder Sterbende sein Leben im Moment des Todes Revue passieren lässt, liegt an dem Todesgott, der gerade seinen Record durchschaut. Seelen, die nicht mitgenommen werden und deren Körper sterben, werden zu Geistern. Die aufzuspüren ist mühsam. Wir finden sie meist erst, wenn sie verrückt geworden sind und beginnen zu wüten. Es passiert immer irgendwann“, William schaute mich an: „Denn Nichts ist für die Ewigkeit gemacht.“

Auch den Wink erkannte ich. William war der Meinung ich sei schon viel zu alt. Wahrscheinlich hatte er Recht damit.

„Auf dem Record liegen aber auch die Zukunftswünsche eines Sterbenden“, fuhr ich fort, da ich mich mit Records nun wirklich außerordentlich gut auskannte: „Er macht einen großen Teil der Seele aus, weil sowohl unsere Erinnerungen, wie auch unsere Wünsche uns zu einem großen Teil prägen und definieren.“

„Und... Worüber streitet ihr nun?“, fragte Sky immer noch ein bisschen verständnislos.

„William will dich zur Untersuchung mit in das Reich der Sensenmänner nehmen. Zu Othello“, antwortete ich ihr.

„Othello?“, sie legte den Kopf schief: „Wer ist das?“

„Ein Forscher der forensischen Abteilung“, grinste Grell, als er an seinen alten Bekannten dachte: „Ein weiterer herzerquickender Sonderling. Er ist ein bisschen eigen, aber ganz liebenswert. Er wird gut zu dir sein.“

„Und du...“, blinzelte mir Sky entgegen: „Willst das nicht? Magst du Othello nicht?“

„Oh doch, doch. Othello ist mir alles andere als unsympathisch“, gab ich offen zu: „Doch ein Mensch gehört einfach nicht in das Reich der Reaper. Alles was Othello kann, kann ich auch.“

„Wir müssen es dokumentieren lassen, Undertaker“, fing William schon wieder an: „Wir müssen wissen was sie mit den Records alles tun kann. Wir sind einmal mit Angela und ihren Fähigkeiten daran herum zuschneiden fast ganz böse auf die Nase gefallen. Erinnere dich!“

Ich schüttelte den Kopf, als die Wut wieder anklopfte. Ich wusste das alles: „Ich erinnere mich! Ich bin nicht dement!“

„Aber mittlerweile anscheinend senil!“, machte William weiter: „Wir wollen sie ja nicht exekutieren! Mitnichten, Undertaker! Wir töten keine Menschen, die nicht auf der Liste stehen! Unter keinen Umständen, das ist gegen die Regeln! Du kennst sie! Das weißt du alles! Sei nicht so kindisch!“

Ich fuhr zu William herum.

„Halt deine Zunge im Zaum, du Wurm!“, spuckte ich ihm wütend entgegen.

„Erst, wenn du wieder zu denken beginnst!“, konterte mich der Sensenmann mit einer Aussage, die wahrer war als ich wollte.

Auf einmal schepperte es neben uns. William und ich torkelten einen Schritt zur Seite, als das laute Geräusch in unseren empfindlichen Ohren vibrierte: „Hallo! Habt ihr's bald?!“

Wir schauten unsere Ohren reibend Skyler an, die sich als erstaunlich kreativ bewies uns ihren Standpunkt klar zu machen.

„Ich gehe mit ihnen“, sagte sie und gab Sebastian zwei metallene Frühstückstabletts wieder. Wäre die Situation nicht so durchgehen bescheiden, hätte ich den Butler für seinen Gesichtsausdruck ziemlich ungeniert ausgelacht.

„Sky!“, rief ich aus, als mein Kopf zu ihr flog.

Doch sie verschränkte nur die Arme: „Komm doch einfach mit. Wenn Grell, Ronald und William sagen mir passiert nichts, glaube ich ihnen und wenn es für sie so wichtig ist, dass dieser Othello mich mal unter die Lupe nimmt, dann soll er.“

Ich seufzte fast geschlagen: „Bist du dir sicher?“

Doch Sky lächelte. Selbstsicher. Von ihr überzeugt. Zum Niederknien: „Ich tippe Menschen haben nicht oft die Chance sich deine alte Heimat mal anzuschauen, oder?“

„Meine... alte Heimat...?“

Sie nickte und lächelte weiter: „Du bist auch ein Sensenmann. Du hast mir doch selbst erzählt, du hast mal dort gelebt.“

Ich nickte ebenfalls nur viel langsamer: „Ja, in der Tat, aber was hat das mit deiner Entscheidung zu tun?“

Das hübsche Ding breitete lachend die Hände aus: „Ich bin neugierig und will alles mitnehmen, was ich sehen kann!“

Ich konnte weder Lachen noch Lächeln mehr verstecken. Es war nur leiser und dünner als gewohnt. Skylers Neugier lobte ich mir. So sehr, dass ich sogar ein bisschen stolz auf sie war, als ich ihr durch die Haare wuschelte: „Du bist unglaublich.“

„Sagt der Richtige“, konterte sie grinsend.

Ich lachte diesmal wieder lauter: „Da hast du schon wieder Recht. Du bist eine imposante, junge Frau, Skyler Rosewell. Respekt.“

Die imposante, junge Frau verschränkte die Hände hinter dem Rücken und legte geschmeichelt ihr entzückendes, leicht rosanes Gesicht schief: „Ach. Ich hatte einen guten Lehrer im Vorlaut sein.“

Nun kam das Lachen wieder gewohnt schrill aus meinem Mund. Ich hörte Grell erleichtert seufzen: „Tehehehehehe! Ich weiß gar nicht wen du meinen könntest!“

Dann wandte sich Skyler lächelnd zu William: „Also. Wann geht’s los, Mr. Spears?“

Dieser verschränkte die Arme, immer noch etwas angefressen von der Behandlung die er aushalten musste, die mir aber in keinster Weise leid tat: „Von uns aus sofort.“

„Dann los!“, griff mich Skyler am Handgelenk und zog mich hinter sich her.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück