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Uncertain Heart

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben :)

Lange nichts gehört (oder gelesen) von mir, da ich in letzter Zeit viel zu sehr mit meinem "Nestbautrieb" beschäftigt war :D Aber jetzt gehts endlich weiter und ich hoffe, ihr seid nach diesem Kapitel gespannt darauf, wie es weitergeht :O

Liebe Grüße <3 Komplett anzeigen

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Albträume

Ich verzog grimmig das Gesicht.

„Was? Darf man nicht mal einkaufen gehen?“, entgegnete Hayato schulterzuckend, als wäre es keine große Sache, dass wir uns in einem Supermarkt begegneten. Ausgerechnet in dem Supermarkt, wo ich immer meine Einkäufe erledigte.

„Hast du dafür nicht irgendwelche Angestellten, die du herumschubsen kannst?“, erwiderte ich schroff. Hayato antwortete nicht, sondern verzog seine Mundwinkel stattdessen zu einem leichten Grinsen, ehe er einen Blick auf Hope warf.

„Das ist sie also? Unsere Tochter?“

Ich hätte auf der Stelle brechen können und ich wusste nicht, ob das an seinen Worten oder an meiner ekelhaften Erkältung lag.

„Falsch. Das ist meine Tochter. Ich muss jetzt weiter.“

Ich drängelte mich an ihm vorbei, in Richtung Kasse. Ich wollte nur noch von hier weg. Tai war gerade mal seit ein paar Stunden fort und schon lief ich meinem schlimmsten Feind über den Weg. Wie viel Pech konnte man eigentlich haben?

„Du siehst nicht sonderlich gut aus“, hörte ich Hayatos Stimme immer noch hinter mir.

Ich grummelte. „Danke für das Kompliment. Verfolgst du mich eigentlich?“

Ich drängte mich an ein paar anderen Leuten vorbei als wäre ich auf der Flucht. Was ich ja auch irgendwie war. Warum rückte mir dieser Typ so sehr auf die Pelle? Ich hörte seine Schritte hinter mir, die mir weiterhin zu folgen schienen.

„Würde ich nein sagen, würdest du mir das glauben?“, entgegnete er trocken und ein bisschen arrogant auf meine Frage.

Okay. Das reichte.

Abrupt blieb ich stehen und wirbelte so schnell zu ihm herum, dass er fast gegen mich stieß.

„Jetzt hör mir mal zu“, forderte ich und sah ihm eindringlich in die Augen, während irgendetwas immer dumpfer gegen meine Stirn hämmerte. Oh, verdammte Erkältung.

„Hör endlich auf mir nachzulaufen und lass uns in Ruhe! Erst die Sache neulich vor dem Club und jetzt tauchst du rein zufällig in meinem Supermarkt auf? Erzähl das jemand anderem, aber nicht mir. Ich kenne dich Hayato – leider zu gut. Du tust nie etwas ohne Grund.“

Seine Lippen zuckten als hätte ich mitten ins Schwarze getroffen. Er nahm eine entspannte Haltung an, steckte die Hände in seine Hosentaschen und ließ die Schultern leicht hängen. Ansonsten zeigte sein Gesicht keinerlei Regung. Natürlich blieb er von meiner Ansage unbeeindruckt. Was hatte ich auch erwartet?

„Du hast recht“, sagte er plötzlich.

Überrascht blinzelte ich. „Wie bitte?“

„Du hast recht“, wiederholte er seelenruhig. „Ich bin nicht zufällig hier. Ich weiß seit Wochen schon, wo du wohnst. Ich wollte nur nicht so unverfroren sein und einfach vor deiner Tür stehen.“

Was? Er hatte mich beobachtet? Seit Wochen?

In mir kroch Wut hoch und ich ballte die Hände zu Fäusten, was meine Kopfschmerzen nur noch verschlimmerte. Wusste ich’s doch, dass das alles kein Zufall sein konnte.

„Ach, soll ich mich jetzt bei dir bedanken, dass du nicht einfach wie ein alter Freund bei mir geklingelt hast?“ Ich baute mich noch etwas weiter vor ihm auf. „Und jetzt lass uns in Ruhe. Oder ich rufe die Polizei.“

Ohne ihn weiter zu beachten, machte ich kehrt und wollte ihn hinter mir lassen, ein für alle Mal. Doch da hatte ich die Rechnung ohne ihn gemacht.

„Und was willst du denen sagen, mmh? Dass der Vater deines Kindes gerne seine Tochter sehen würde? Was für ein Verbrechen soll das sein?“

Erneut blieb ich stehen und presste die Lippen aufeinander. Seine Stimme strotzte nur so vor Arroganz.

Ich zwang mich, mich umzudrehen und zu ihm zurückzugehen.

„Tu gefälligst nicht so, als würde es hier um Hope gehen“, giftete ich zurück. Dann senkte ich meine Stimme etwas. „Falls du es vergessen haben solltest – ich habe den Vater nach der Geburt als unbekannt angegeben. Also wird dir niemand glauben.“

Dass er überhaupt die Dreistigkeit besaß, mir mit so einer Drohung zu kommen – absolut lächerlich. Er hatte schließlich damals von mir verlangt, dass ich seine Vaterschaft geheim hielt.

Ich wollte mich umdrehen und diese sinnlose Diskussion endlich beenden, doch Hayato griff plötzlich nach meiner Hand und hielt sie fest.

Unwillkürlich blickte ich auf seine Hand, die meine berührte und ein merkwürdiges Gefühl flutete meinen Körper.

„Und wenn es mir leidtut?“

Kurz musste ich die Worte sacken lassen, die er eben ausgesprochen hatte. Dann lachte ich ungläubig auf.

„Was?“

Sein Blick suchte meinen und während ich ihn mehr oder weniger fast schon belustigt ansah, wurden seine Augen weich. Weicher als ich sie je zuvor gesehen hatte. Als würden sie wahrhaftig Reue wiederspiegeln. Reue … ich wusste nicht einmal, dass er überhaupt zu so einem Gefühl fähig war. Oder war das auch nur wieder eine seiner zahllosen Masken?

„Das kann nicht dein Ernst sein“, sagte ich ungläubig.

„Aber so ist es. Es tut mir leid.“ Hayato schluckte und ließ meine Hand los. „Ich kann verstehen, dass du mir nicht glaubst. Aber bitte, gib mir die Chance, dich vom Gegenteil zu überzeugen. Gib uns eine Chance.“

Sämtliche Arroganz war aus seinem Gesicht verschwunden. Als wäre er plötzlich ein anderer.

Seine Augen huschten zu Hope, die eingeschlafen war und keinen Mucks von sich gab.

Dieser Blick …

Wie konnte er es wagen, sie mit diesem Blick anzusehen?

Uns? Es gab niemals ein „uns“, vor allem nicht, wenn er damit sich und Hope meinte.

Meine Augen verengten sich zu Schlitzen.

„Vergiss es“, zischte ich hinter zusammengepressten Zähnen und ließ ihn endgültig stehen.

Ich ging weiter zur Kasse und knallte voller Wut meine Einkäufe aufs Band.

Was bildete er sich ein?

Fast ein Jahr war vergangen und plötzlich, nach all den Monaten, dachte er ernsthaft, dass er so was wie eine Beziehung zu uns aufbauen könnte? Dass er Reue zeigen könnte?

Nein. Hayato war das Wort ‚Reue‘ genauso fremd wie seine eigene Tochter. Er hatte uns im Stich gelassen. Schlimmer noch – er wollte, dass ich mich für ihn und gegen Hope entscheiden sollte.

Allein der Gedanke daran, wo ich heute stehen würde, wenn ich es getan hätte … unvorstellbar. Sicher wäre ich wie ein normales Mädchen weiter zur Schule gegangen, hätte mein Leben ungestört weiterleben können. Vielleicht wären Hayato und ich sogar noch zusammen, weil ich viel zu geblendet von seiner Erscheinung war. Ich würde noch bei meinen Eltern wohnen. Ich hätte eine Familie.

Doch all das würde ich jederzeit wieder aufgeben, wenn ich dafür Hopes Mutter sein durfte. Und ganz sicher würde er nicht noch einmal die Gelegenheit bekommen, mir das kaputt zu machen.

Ich bezahlte meine Einkäufe und trat hinaus in die Kälte. Der Himmel verdunkelte sich langsam und es zog wohl ein Gewitter auf. Der Wind kitzelte in meiner eh schon gereizten Nase und brachte mich zum Niesen. Der Sommer neigte sich nun endgültig dem Ende entgegen und begrüßte mich mit einer saftigen Erkältung.

Ich fühlte mich schrecklich elend. Doch erst, als ich mir an die Stirn fasste, merkte ich, dass meine Kopfhaut bereits zu glühen begann. Ich hatte eindeutig Fieber. Etwas, dass ich nun gar nicht gebrauchen konnte. Vor allem nicht, weil morgen dieser wichtige Termin anstand.

Nur schwerfällig schleppte ich mich die Straßen entlang. Ich zog meine Jacke noch ein wenig enger und wollte nur noch ins Bett. Oh, wenn doch wenigstens Kari da gewesen wäre.

Als wäre das alles nicht schon schlimm genug gewesen, fing es gerade jetzt auch noch an zu regnen. Da ich nicht mal einen Schirm dabei hatte, musste ich mich nun wirklich beeilen nach Hause zu kommen.

Ich begann zu rennen, so schnell wie es die Einkäufe und Hope, die ich auf meinem Rücken trug, zuließen. Der Regen wurde immer heftiger und das Einzige, woran ich dachte war, dass nicht auch noch Hope eine Erkältung bekommen sollte. Es war unfassbar. Kaum war Tai aus der Stadt, schien alles einfach nur noch furchtbar schief zu laufen. Ich kam mir vor, als würde ich nicht mal einen einzigen Tag ohne seine Hilfe überstehen.

Nach ein paar Metern begann ich bereits zu keuchen, da das Fieber mir sämtliche Kräfte zu rauben schien. Ich schwitzte und fror gleichzeitig, während langsam aber sicher die Gegend vor meinen Augen verschwamm. Noch ehe ich reagieren konnte, rutschte ich in einer Pfütze aus und fiel der Länge nach hin. Meine Jacke wurde sofort von der Nässe durchdrängt. Alle Einkäufe fielen zu Boden und verteilten sich quer über die Straße.

Hope begann zu schreien. Ich richtete mich auf, um nach ihr zu sehen. Doch es ging ihr gut. Erleichtert atmete ich aus, obwohl ich am liebsten in Tränen ausgebrochen wäre.

Warum musste er ausgerechnet jetzt wieder meinen Weg kreuzen? Jetzt, wo ich endlich die Chance hatte mit Tai glücklich zu werden?

Eine leise Träne rollte mir über die Wange, während ich immer noch auf dem eiskalten, nassen Asphalt saß und versuchte, die weinende Hope zu beruhigen.

„Ist ja gut, meine Kleine. Wir sind bald zu Hause, es ist nicht mehr weit.“

Ich spürte, wie der Regen auf mein Gesicht fiel, spürte die Nässe. Doch im nächsten Moment war dieses Gefühl verschwunden.

Verwundert blickte ich nach oben und das Erste, was ich sah, war ein grauer Regenschirm, der sich direkt über unseren Köpfen befand. Dann sah ich Hayatos Gesicht.

Mein Herz zog sich zusammen, während ich Hope unwillkürlich enger an mich presste.

Ohne auch nur ein Wort zu sagen, beugte er sich zu mir hinunter und drückte mir den Schirm in die Hand. Dann begann er die Einkäufe, die sich um uns herum verteilt hatten, wieder einzusammeln. Dass er dabei selbst nass wurde, störte ihn anscheinend nicht.

Irritiert und mit hämmerndem Herzen beobachtete ich ihn dabei, bis er alles aufgesammelt hatte. Er kam zu uns zurück und hielt mir seine Hand hin.

Kurz dachte ich darüber nach, seine Hilfe einfach abzulehnen, doch dann ergriff ich seine Hand und ließ mir von ihm hochhelfen.

Ich wollte gerade den Mund öffnen, als er ernst mit dem Kopf schüttelte.

„Denk nicht mal daran.“

Er wandte sich von uns ab und ging mit meinen Einkaufstüten in der Hand einfach weiter, durch den strömenden Regen.

Immer noch seinen Schirm fest umklammert, sah ich ihm verblüfft hinterher. Ich biss mir auf die Unterlippe und verzog das Gesicht. Doch schließlich setzte auch ich mich in Bewegung und folgte ihm.

Da er ja bereits wusste, wo wir wohnten, fiel es ihm nicht schwer, den Weg zu finden. Meine Augen waren starr auf seinen Rücken gerichtet. Auch seine Jacke war inzwischen vom Regen durchdrängt, genau wie seine Haare.

Während ich mich immer noch fragte, was er eigentlich mit dieser Rettungsaktion im Schilde führte, bemerkte ich gar nicht, wie er vor unserem Wohnblock Halt machte.

Ich trat neben ihn, vermied es jedoch, ihm in die Augen zu blicken.

„Danke“, meinte ich knapp, gefolgt von einem Nieser und mächtigem Kopfschwirren. „Aber den Rest schaffe ich alleine.“

Ein kurzer Blick in seine Richtung verriet mir, dass er mir kein Wort glaubte. Konnte ich ihm nicht verdenken – ich nämlich auch nicht, wenn ich an die vielen Treppen dachte.

„Sei nicht albern“, antwortete er lediglich und rührte sich keinen Zentimeter von der Stelle. Ich seufzte.

Dann steckte ich den Schlüssel ins Schlüsselloch und öffnete die Tür. Wir sprachen kein einziges Wort, während ich voraus ging und er mir nach oben folgte. Ich gab mir alle Mühe, nicht zu schnaufen, doch mein brennender Hals schien sich immer weiter zuzuschnüren und mir sämtliche Luft zu rauben.

Endlich oben angekommen, ging ich geradewegs zu unserer Wohnung. Mir schwirrte der Kopf. Außerdem war mir speiübel, vom vielen Treppen steigen.

Ohne weiter darüber nachzudenken, dass Hayato mir immer noch folgte, stieß ich mit einem Ruck die Tür auf. Hope setzte ich schnell auf ihre Spieldecke ab, danach stürmte ich ins Badezimmer, um mich zu übergeben.

Es fühlte sich schrecklich an, genauso wie das Hämmern in meinem Kopf. Doch ich konnte es mir nicht leisten, lange vor der Toilette auf dem Boden zu hocken. Mit zittrigen Knien zwang ich mich dazu aufzustehen, spülte meinen Mund kurz mit etwas Wasser aus und ging zurück ins Wohnzimmer. Hayato stand in der Küche und war gerade dabei, die Einkäufe dort abzulegen.

Ich trat zu ihm. Mit einem fast schon sorgenvollen Blick musterte er mich.

„Du solltest definitiv ins Bett gehen.“

„Ich weiß“, sagte ich lediglich, wobei mir nicht entging, wie Hayato sich in meinem bescheidenem zu Hause umsah.

Als sein Blick erst an dem Chaos, den Hope und ich vorhin veranstaltet hatten und dann an den zahllosen Briefen, die immer noch auf der Küchentheke lagen hängenblieb, räusperte ich mich laut.

„Danke, dass du uns nach Hause gebracht hast. Du weißt, das hättest du nicht tun müssen.“

„Schon klar“, antwortete er und vergrub seine Hände in den Hosentaschen. „Und ich weiß auch, dass du mich nicht darum gebeten hast.“

Ich verkniff mir den Kommentar, der mir auf der Zunge lag und nickte stattdessen. Unter anderen Umständen hätte ich mich wahnsinnig darüber gefreut, wenn jemand so hilfsbereit gewesen wäre. Aber leider passte es nicht in das Bild, welches ich immer noch von Hayato hatte. Ob es nun vorgetäuschte Fürsorge war oder nicht – wir waren beide heil zu Hause angekommen und das war das Wichtigste – was mir dieses penetrante Stechen im Kopf nur allzu schmerzlich vor Augen führte.

Leicht fröstelnd rieb ich mir die Arme. Ich war immer noch klitschnass.

„Ich wäre dir dankbar, wenn du jetzt gehen würdest“, sagte ich knapp. Ohne ein Wort der Widerrede, machte Hayato kehrt und ging in Richtung Flur.

„Also, dann …“, sagte er und öffnete die Tür.

„Oh, warte“, entgegnete ich und griff nach dem Schirm, den ich eben aus lauter Eile einfach auf den Boden geschmissen hatte.

„Hier, dein Schirm.“

Er nahm ihn entgegen, wobei sich unsere Finger streiften und ein ungewolltes Kribbeln auf meiner Haut hinterließen. Genauso wie der Blick, mit dem er mich jetzt ansah. Als wollte er noch irgendetwas sagen.

Doch, was immer es auch war, er unterdrückte es und verließ stattdessen meine Wohnung. Als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, stieß ich erleichtert die Luft aus, die ich unbemerkt, die ganze Zeit angehalten hatte.

Was zum Teufel war hier gerade geschehen?

Ich verwarf die vielen Gedanken, die sich durch meinen Kopf fressen wollten, als ich Hopes Schrei hinter mir vernahm.

Sofort ging ich zu ihr, nahm sie mit ins Bad und befreite uns zwei aus den nassen Sachen. Ich ließ uns eine warme Wanne ein und als wir fertig waren, aßen wir gemeinsam und ich brachte sie ins Bett. Nach so einem aufregenden Tag war sie fix und fertig und schlief sofort ein, genau wie ich, als ich todmüde ins Bett fiel.

Doch dieser Blick, mit dem Hayato mich angesehen hatte und die Worte, von denen ich dachte, sie niemals aus seinem Mund zu hören, verfolgten mich bis in den Schlaf …

„Es tut mir leid.“
 

Als ich am nächsten Tag aufwachte, fühlte ich mich zwar schon etwas besser, doch mir brummte immer noch der Schädel. Murrend wälzte ich mich von der einen auf die andere Seite, als mir plötzlich eine Hand liebevoll das Haar aus dem Gesicht strich.

Ich erschrak so heftig, dass ich die Augen aufriss und mir das Herz beinahe aus der Brust sprang.

„Sssch, ich bin’s nur“, sagte eine vertraute Stimme, die mir sofort unter die Haut ging und mich mit Wärme erfüllte.

Verwundert blickte ich in Tais Augen, der am Rande meines Bettes saß. Der Geruch von frisch aufgebrühtem Kräutertee stieg mir in die Nase.

„Ist das ein Fiebertraum?“, fragte ich und griff mir unsicher an die Stirn, die jedoch zum Glück aufgehört hatte, zu glühen.

Tai schmunzelte und strich mir eine weitere Haarsträhne hinters Ohr. Gott, wie ich diese kleinen, liebevollen Gesten liebte.

„Nein“, sagte er leise. „Aber du hast geschlafen wie ein Stein. Ich wollte dich nicht aufwecken.“

„Was machst du denn schon hier?“, fragte ich stirnrunzelnd. „Es ist doch noch viel zu früh.“

„Ich bin schon seit Stunden hier. Habe einen Flieger eher genommen.“

Ich schielte auf den Wecker, der neben meinem Bett stand. Fast zehn Uhr. Erschrocken schlug ich mir die Hand vor den Mund.

„Oh nein, ich habe total verschlafen. Wieso hat dieser dämliche Wecker nicht geklingelt? Ich hatte ihn mir extra auf sieben Uhr gestellt.“, rief ich und wollte aufstehen, doch Tai drückte mich zurück in die Kissen.

„Bleib liegen. Ich habe Hope heute Morgen schon aus dem Bett geholt und mit ihr gefrühstückt. Du kannst dich ruhig noch etwas ausruhen.“

Erleichtert fiel ich zurück ins Bett. Tai erhob sich und griff nach einem braunen Fläschchen, welches neben mir auf dem Nachttisch stand.

„Mal ganz davon abgesehen, hättest du den Wecker sowieso nicht gehört. Hat dir nie jemand gesagt, dass man eine ganze Flasche Erkältungssaft nicht auf einmal trinkt?“

Mir fiel es wieder ein, als er mit der leeren Flasche vor meiner Nase rumwedelte.

Ach, ja. Ich hatte mir tatsächlich vor dem Zubettgehen ein paar Schmerztabletten und eine ganze Flasche Erkältungssaft eingeflößt. Oh, man. Kein Wunder, dass ich so merkwürdige Träume hatte.

„Tut mir leid“, sagte ich seufzend.

„Kann es auch, vor allem, weil du mir nicht mal bescheid gesagt hast, dass du krank bist“, tadelte Tai mich, doch ich zuckte mit den Schultern. „Ich wollte nicht, dass du meinetwegen zurückkommst.“

Tai verdrehte demonstrativ die Augen, doch auch ein leichtes Schmunzeln schlich sich auf seine Lippen.

„Dafür liebe ich dich“, sagte er und hauchte mir einen Kuss auf die Stirn. Mein Herz ging auf und am liebsten wäre ich ihm um den Hals gefallen. So mies dieser Tag auch gewesen sein mochte, alles Schlechte schien sich augenblicklich zu verflüchtigen, wenn Tai in meiner Nähe war.

„Wie war’s in Osaka? Hat es dir gefallen?“

„Darüber können wir später noch reden. Du solltest noch etwas schlafen.“

Gerade, als er das sagte, merkte ich, wie meine Augen erneut schwer wurden, deswegen protestierte ich gar nicht, sondern nickte stattdessen und drehte mich wieder rum.

Ich hörte noch, wie Tai das Zimmer verließ, während ich erneut abdriftete.
 

Als ich wieder aufwachte, waren noch mal zwei Stunden vergangen und ich fühlte mich nun deutlich besser. Das Fieber war eindeutig zurückgegangen und auch die Kopfschmerzen ließen nun nach.

Ich stieg aus dem Bett und ging ins Wohnzimmer, wo mir fast die Augen aus dem Kopf fielen.

Alles war pikobello aufgeräumt. Keine Spur mehr von dem Farbschlachtfeld, was ich mit Hope hinterlassen hatte.

„Wow“, sagte ich anerkennend an Tai gerichtet, der mit Hope auf dem Sofa saß und spielte. „Hast du eine Putzkolonne geordert oder kannst du neuerdings zaubern?“

Tai warf mir ein Grinsen zu. „Mach dich nur lustig! Dafür habe ich definitiv was gut bei dir. Oder besser gesagt, bei euch beiden. Keine Ahnung, wie ihr es geschafft habt, an einem Tag so viel Chaos anzurichten.“

Ich grinste breit und streckte ihm die Zunge raus. Dann ging ich ins Bad, um mich zu duschen und anzuziehen. Als ich fertig war, sah ich endlich wieder vorzeigefähig aus. Genau zum richtigen Zeitpunkt, denn jeden Moment müsste die Frau vom Jugendamt vor der Tür stehen.

Ich ging zu Tai und legte ihm beide Arme um den Hals.

„Danke, dass du wieder da bist“, säuselte ich und gab ihm einen Kuss. „Du glaubst gar nicht, wie sehr ich dich vermisst habe.“

Tai lachte leicht auf. „Dabei waren es doch nur ein paar Stunden.“

„Jaah“, meinte ich und dachte unwillkürlich an gestern. „Ein paar Stunden zu viel.“

Tai erwiderte meinen Kuss und gerne hätte ich unser Wiedersehen woanders fortgesetzt, wenn es nicht genau in diesem Moment an der Tür geklingelt hätte.

Ich warf Tai einen nervösen Blick zu.

„Keine Sorge, es wird alles gut. Du machst das toll“, sagte er aufmunternd und löste sich von mir.

Ich lächelte zuversichtlich. „Wir machen das toll.“

Er hatte recht. Es gab nichts, was uns jetzt noch im Weg stand.

Tai zwinkerte mir zu und ging zur Tür, um sie zu öffnen, während ich noch einmal tief durchatmete und meine Bluse richtete.

„Und Sie sind …?“, hörte ich Tais Stimme sagen und runzelte die Stirn. War heute etwa eine andere Betreuerin gekommen?

Ich ging in den Flur, um nachzusehen, blieb jedoch abrupt stehen, als ich erkannte, wer da eben geklingelt hatte.

In mir zog sich etwas zusammen.

Meine Hände begannen zu schwitzen und mein Herz machte einen Satz.

Hayato warf mir über Tais Schulter hinweg ein Grinsen zu, als er mich hinter ihm erblickte.

Nein. Nein. Nein!

Was zum Teufel machte er hier?

Gerade, als ich einen Schritt nach vorn tat, um ihn irgendwie von hier weg zu kriegen, erschien eine weitere Person im Türrahmen.

„Ah, Fräulein Tachikawa. Herr Yagami. Ich wollte gerade zu Ihnen.“ Das freundliche Lächeln der Betreuerin schlug uns entgegen und mir wie eine Faust ins Gesicht. Jegliches Blut schien aus meinem Gesicht zu weichen und meine Füße wurden betonschwer. Unfähig, auch nur irgendetwas zu erwidern, beobachtete ich wie in Trance, welcher Albtraum sich da gerade vor meinen Augen abspielte.

Tai warf mir einen verwirrten Blick über die Schulter zu, doch ich war außer Stande, darauf zu reagieren.

„Oh, na da komme ich ja gerade richtig“, hörte ich Hayato sagen und sah, wie er der offensichtlich irritierten Frau die Hand reichte.

„Entschuldigung? Gehören Sie auch zur Familie?“

Es war wie ein Film, in den ich nicht eingreifen konnte. Und doch wusste ich, was gleich geschehen würde, als Hayatos Mundwinkel sich zu einem Lächeln verzogen.

„Kann man so sagen“, antwortete er und sein Blick heftete sich an Tai. „Ich bin Hopes Vater.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Hallostern2014
2018-11-06T19:08:59+00:00 06.11.2018 20:08
Huhu❤

Ich kann dich sehr gut verstehen. Bei uns steht es nächsten Monat alles an. 🙈.

Das Kapitel ist echt wieder Spannend.

Der Typ wird ja zum Richtigen Stalker. Woher weiß er, wo Mimi wohnt. Von Sora? Oder ihre Eltern.
Was will er gerade jetzt auf einmal. Villeicht brauchen sie Hope ja für irgendwelche Geschäfte. Oder der angebliche Opa hat andere Pläne. Auf jedenfall ist es alles sehr komisch.

Das er ihr geholfen hat ist schön und gut. Dennoch sollte er sich von ihr Fern halten. Ich mag ihn nicht.🤣.

Tai ist einfach klasse. Ich würde ihn gerne eintauschen🤣. Er macht wirklich alles für seine Familie. Und hält seine Versprechen. Er ist früher los geflogen um ihr beizustehen und aufzuräumen😄

Jetzt wird es richtig Spannend wie wird Tai reagieren. Und die vom Amt. Aber eins kann man sagen als ,, Vater" kann er sich nicht bezeichnen. Eher als Erzeuger. Mehr ist er nicht..Ich hoffe das sieht die Betreuerin auch. Hope ist schließlich an Tai gewöhnt. Und wäre die Hölle wenn ihr Ex alles Kaputt macht. Beide haben sich erst vertragen.

Freue mich schon sehr aufs neue Kapitel.
Ganz liebe Grüße 😘❤🌷😍
Antwort von:  Khaleesi26
14.12.2018 14:22
Hi, Liebes :*

Tut mir leid, dass ich dir hier erst jetzt antworte. Aber da ich später noch das neue Kapitel hochladen wollte, wollte ich das auf jeden Fall noch nachholen :)

Stalker :D Ist wohl ein treffender Ausdruck. Das wird er ihr wohl nicht verraten, woher er das weiß, aber ... es ist Hayato. Da wundert es doch einen eigentlich nicht.
Was genau er will und warum er das will, erfahrt ihr noch. Andere Pläne sind schon mal das richtige Stichwort.

Jaaaa, Tai glänzt mal wieder als Ritter in der goldenen Rüstung :> Ohne ihn sähe Mimi manchmal ganz schön alt aus :D
Puh ja, kann man nur hoffen, dass Hayato jetzt nicht alles kaputt macht, was Mimi und Tai sich aufgebaut haben - wo doch endlich mal alles glatt zu laufen scheint. Aber ihr kennt mich ja... xD So unproblematisch kann ich das nicht stehen lassen :D

Ich hoffe, ihr seid erfolgreich gewesen im "Nest-aufbauen" ;) Für mich gehts so langsam an die Bürokratie... der eindeutig unangenehme Teil -.-

Bis bald & liebe Grüße <3
Von: abgemeldet
2018-11-06T18:30:47+00:00 06.11.2018 19:30
WOW, Buff , Schock , Wo ist die versteckte Kamera!
Antwort von:  Khaleesi26
06.11.2018 21:07
Das hab ich beim Schreiben am Ende des Kapitels auch gedacht 😅
Von:  Kleines-Engelschen
2018-11-04T17:34:41+00:00 04.11.2018 18:34
au weia.. Hayato muss sich auch echt überall einmischen.. ich bin gespannt wie es weitergeht"!

greetz
Antwort von:  Khaleesi26
06.11.2018 21:06
Das stimmt 🙈 so schnell wird er sich nicht abwimmeln lassen...
Liebe Grüße :)


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