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Hiraeth

von

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Interlude - Evie

Seit zwei Monaten war die Welt schwarz.

Seit zwei Monaten verklebte eine Schicht aus Staub und Schmutz die Atmosphäre Skadis.

Seit zwei Monaten war Yadir ein Schauplatz der Grausamkeit des Universums.

 

Evie saß außerhalb der Tyralad Akademie auf den Trümmern einer eingestürzten Ziermauer und starrte in die Ferne. Sie wusste nicht, ob es Tag oder Nacht war.

Das schwache Licht der Lampe neben ihr erhellte zumindest einen kleinen Bereich um sie herum und ermöglichte es ihr, zumindest auf ihr InfoPad zuzugreifen. Ohne Licht wäre ihr Handgerät dank fehlender Hintergrundbeleuchtung nicht mehr als der graue Block aus Plastik und Aluminium, der er nun einmal war.

Nicht, dass es ihr einen Vorteil in diesem Ödland oder gegen die Kreaturen, die durch die entstandene Steppe zwischen der Akademie und seiner nächstliegenden Stadt Prima streiften, verschaffen würde.

Da sämtliche Netzwerke zusammengebrochen waren, konnte sie kaum mit der Außenwelt kommunizieren. Einzig ein lokales Netzwerk, das zwischen den Überlebenden und der Tyralad Akademie errichtet wurde, bestand, wenn auch nur für Informationen untereinander.

Doch Berichte anderer Überleben, die kurz nach der Katastrophe aus den umliegenden Städten zu ihnen gefunden hatten, ließen keinen Spielraum für Hoffnungen. Sämtliche Städte – Prima, Kara, Swafa, Herya und Ayr – waren bis auf die Grundfesten zerstört. Der Tag der Katastrophe hatte vielen Millionen Menschen das Leben gekostet, viel mehr kamen in den darauffolgenden Tagen hinzu. Verletzungen, Ascheregen und abrupt abfallende Temperaturen sowie unzulängliche medizinische Unterstützung brachten die Bevölkerung Yadirs zu ihrer allmählichen Auslöschung. Sämtliche Infrastruktur war zusammengebrochen, die Straßen übersät mit Asche und Leichen.

Evie ließ einen Seufzer aus und blickte wieder auf ihr InfoPad. Sie erwartete eine Nachricht von Fínn. Dieser zwar mit zwei weiteren Überlebenden in den eingestürzten Keller der Akademie vorgedrungen, um nach zusätzlichen Waffen und Rüstungen zu suchen. Evie saß draußen und wartete auf die drei. Zum einen, um sich um mögliche Verletzungen zu kümmern, Aber auch, um Wache zu halten. Nicht nur kleine Banden hatten sich zusammengetan, um Überlebende zu berauben – ihre kleine Gruppe hatte schon einige, eher halbherzige Angriffe abwehren müssen. Auch die fürchterlichen Monster aus Stahl und Kristall waren eine Gefahr.

Niemand wusste, was sie waren oder woher sie kamen. Einzig sicher war, dass sie auftauchten, als die Meteoriten den Himmel Skadis verdunkelten. Immer wieder attackierten sie nur eine Stadt, bis sämtliche Überlebenden verschwunden waren, dann verschwanden sie wieder auf unbestimmte Zeit – manchmal Tage, manchmal eine Woche – um die Stadt erneut anzugreifen. Immer wieder musste sie an ihre Familie und Freunde außerhalb der Akademie denken. Sie war sich sicher, dass diese tot waren. Wenn nicht durch den Tsunami, der die Küstenstadt Swafa, ihre Heimatstadt, heimgesucht hatte, dann durch die Attacken der Monster. Evie krallte ihre linke Hand um ihren rechten Oberarm. Sie wollte nicht weinen. Nicht, wenn sie ihre Umgebung im Auge behalten musste. Aber sie fühle sich schuldig. Schuldig, dass sie sich nach dem Unglück nicht nach ihren Eltern und Freunden erkundigt hatte, wann immer Einwohner aus Swafa die Akademie erreichten. Schuldig, dass sie nicht wusste, ob sie sie nach dem Tsunami eventuell hätte retten können.

Plötzlich hörte sie hinter sich ein leises Knacken. Sofort drehte sie sich um und richtete ihre Waffe in die Richtung der Geräusche. Sollten es Banditen sein, könnte sie diese eventuell aufhalten, bevor sie zu den anderen im Inneren der Akademie eindringen konnten. Wenn es eines der Monster war, nun … sie wollte wenigstens nicht kampflos sterben.

Gerade, als sie abdrücken wollte, taumelte ein ihr bekanntes Gesicht aus einem Treppenhaus hervor.

„Evie, nimm die Waffe aus meinem Gesicht!“

Fínn strich einige Strähnen von seiner von Staub bedeckten Stirn. Nach und nach kamen auch die anderen beiden, Rafael und Naomi, aus dem eingestürzten Treppenhaus. Naomi trug eine Umhängetasche mit den offensichtlich gefundenen Waffen. Rafael allerdings hielt sich den rechten Arm, dieser war in einem seltsamen Winkel gekrümmt.

„Die Gänge über den Klassenräumen können kein zusätzliches Gewicht mehr tragen“, beantwortete Fínn Evies fragenden Blicks, die seufzte und dann zu Rafael ging, um sich seinen Arm anzuschauen. Während Naomi zu Rafael ging, damit beide die Ausbeute begutachten konnte, untersuchte sie provisorisch Rafaels Arm.

„Rafael, was genau ist dort unten vorgefallen?“, fragte Evie, als sie den Arm nach links und rechts drehte um zu sehen, ob dieser gebrochen war. Doch sie hielt ihren Blick auf seinem Gesicht. Ihr war der Gesichtsausdruck, den er Fínn zugeworfen hatte, nicht entgangen. Unter Schmerzen biss sich der junge Mann mit den blonden Haaren auf die Lippe, dann deutete er mit seinem Kinn auf den anderen Mann.

„Fínn und Naomi. Sie haben mich losgeschickt, um den Tunnel über den Klassenräumen zu untersuchen. Ich glaube, sie wussten genau, dass er nicht halten würde …“

Evie ließ von Rafaels Arm ab und schüttelte ihren Kopf. Sie kannte Fínn kaum, allerdings hatte er kaum etwas unternommen, einen sympathischen Eindruck bei ihr zu hinterlassen. Er handelte stets egozentrisch oder war von anderen Menschen schnell genervt und zog sich zurück. Einzig mit Naomi, die er aus seinem Jahrgang kannte, schien er eine Bindung aufbauen zu wollen.

„Wir müssen zurück, ich muss mir die Verletzung noch einmal in richtigem Licht ansehen.“

Fínn gab die Tasche zurück an Naomi und drehte sich zu Evie um.

„Gut. Naomi und ich bleiben hier. Danach brauchen wir dich wieder hier.“

Evie ging ein paar Schritte auf den jungen Mann zu.

„Warum? Wofür?“

„Wir müssen zum Generator bei Ayr. Unsere Stromreserven sind fast verbraucht. Und ohne unnötiges … Gepäck können wir schneller wieder in der Akademie sein.“

Fínn schaute nicht einmal zu Rafael, dennoch war Evie bewusst, dass er den verletzen Mann meinte. Diesen stützend ging Evie zum Eingang der Akademie und ohne zurückzuschauen murmelte sie: „Ganz wie du meinst, Fínn.“



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