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Yu-Gi-Oh! The Last Asylum

von

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Turn 101 - Square The Circle

Turn 101 – Square The Circle

 

 

Man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Angekettet stand Anya da, gefangen in einem durch Kreide markierten Bannkreis und stand Kali gegenüber. Hinter ihr war Matt an einem Pfeiler im Sitzen festgebunden. Beiden entglitten nach und nach die Gesichtszüge. Vor Kalis Füßen lagen die Scherben ihrer zerbrochenen Porzellanmaske.

„Willkommen in der Hölle“, knurrte die selbsternannte Dämonengöttin, die abseits einer langen Narbe auf ihrem Gesicht genauso aussah wie Anya, „deiner ganz persönlichen Hölle.“

Fast schon nebensächlich waren da die weiße Mechaschwalbe, der schwarze Kauz, das 'Violettkehlchen' sowie der größere Metallstorch und der großschnabelige Albatros, die sich um Kali scharten.

 

Celestial Gear – Synthetic Armored Swallow [ATK/2500 DEF/2000 (8) PSC: <3/3>]

Celestial Gear – Synthetic Armored Strix [ATK/1000 DEF/1000 {4} OLU: 0 PSC: <9/9>]

Celestial Gear – Synthetic Armored Robin [ATK/0 DEF/2400 (8) PSC: <3/3>]

Celestial Gear – Synthetic Albatross [ATK/500 DEF/0 (4)]

Celestial Gear – Synthetic Armored Stork [ATK/1400 DEF/1500 (4)]

 

Als wäre sie dir aus dem Gesicht geschnitten! Was ist sie?

 

Levrier, der vor Anya in seiner [Gem-Knight Pearl]-Form ebenfalls auf dem Spielfeld verharrte, drehte sich zu dem schockierten Mädchen um. Die brauchte einen Moment, um überhaupt zu reagieren, ehe sie knurrte: „Sicherlich nicht ich!“

„Bestimmt nicht“, stimmt auch Kali ihr darin zu.

Vorsichtig begann Anya zu lachen. „Heh! Für einen Moment hattest du mich. Das ist wirklich originell, viel besser als deine Rachepläne!“

Aber ihre Widersacherin verzog keine Miene. „Nicht mehr lange und du bist für immer fort. Dann bekomme ich zurück, was du mir genommen hast.“

Tatsächlich spielte sie auf Anyas Lebenspunktestand an. Vor dem Mädchen, das zwei Karten in der Hand hielt, lag eine verdeckte Karte. Zudem strahlten neben beiden Mädchen links und rechts von ihnen hellblaue Lichtsäulen. In Anyas befanden sich der [Gem-Tiger] und [Gem-Knight Tiger's Eye], ein peitschenschwingener Ritter mit dreieckigem Helm, dessen Farbgebung an einen Tigerkopf erinnerte. Dagegen befanden sich in Kalis Lichtsäulen der goldene [Celestial Gear – Synthetic Saga Phoenix] mit roten Schwanzfedern und der silberne [Celestial Gear – Synthetic Saga Griffon], ein Greif mit grün-gestreiften Pranken.

 

<2> Anyas Pendelbereich <8>

 

[Anya: 1500LP / Kali: 4000LP]

 

<3> Kalis Pendelbereich <9>

 

„Und was zur Hölle habe ich dir genommen?“, fragte Anya wütend. „Rück' endlich mit der Sprache raus!“

Kali hob langsam die Hand. „Ist das nicht offensichtlich? Meine Identität. -Ich- bin Anya Bauer. Die echte! Und du? Du bist nichts weiter als eine Fälschung!“

Die Worte trafen das blonde Mädchen wie ein Schlag, besonders als die Kuttenträgerin ihren Zeigefinger auf sie richtete.

„Eine Fälschung? Die echte Anya Bauer!?“ Matt beugte sich vor. „Unmöglich! Sie ist Anya!“

Ihm einen leblosen Blick schenkend, zischte Kali leise vor sich hin. „Yeah. Natürlich denkst du das, Summers. Würde ich an deiner Stelle auch.“

„Haha! Du bist durchgeknallt!“, fauchte Anya und gestikulierte wild. „Sag nicht, du glaubst den Scheiß, den du da von dir gibst!? Ich bin keine Fälschung! Wenn überhaupt, dann du!“

„Vielleicht ist sie so etwas wie eine Marionette“, mutmaßte Matt, „die glaubt, sie sei das Original.“

„Wir sind hier nicht in einem Videospiel!“ Kali ballte beide Fäuste. „Egal was ich auch sage, es würde nichts ändern, Summers. Und das Schlimmste ist, dass ich selbst an allem Schuld bin.“

Sie sah Anya tief in die gleichen blauen Augen, die sie selbst besaß. „Weil ich das Miststück erschaffen habe!“

 

~-~-~

 

„Wie lange soll dieses Versteckspiel noch weitergehen?“, rief Zanthe angesäuert.

Er stand verlassenen mitten im Wald nahe San Augustino. Hier und da stand ein Baum oder Busch, das Moos unter seinen Füßen roch angenehm. Aber es konnte den Geruch von Falschheit nicht überdecken.

„Böser großer Bruder.“ Der Werwolf sah sich um, aber konnte niemanden entdecken. „Du hast mich weggelockt, ich hab's verstanden. Also zeig dich. Sonst hol' ich dich aus deinem Versteck hervor.“
 

Welches er möglicherweise gerade in der Ferne entdeckt hatte. Auf etwa hundert Meter konnte er eine braune Erhöhung zwischen mehreren Bäumen entdecken. Was auf den ersten Blick wie ein riesiger Haufen menschlicher Ausscheidungen aussah, war jedoch in Wirklichkeit ein von der Zeit vergessener Bunker. Rostig und oval geformt, stand er genauso verlassen im Wald wie Zanthe.

„Interessant“, murmelte der schwarzhaarige Kopftuchträger mit dem Pferdeschwanz und rannte auf den Bunker zu.

 

Als er dort ankam, stellte sich heraus, dass dieser in seinem Inneren hohl war. Eine massive Tür versperrte den Weg ins Innere, wie Zanthe schon aus der Ferne bemerkte.

„Willst du immer noch nicht mit mir spielen?“, fragte er und bückte sich dabei. Kaum hatte er einen Stein aufgelesen, wirbelte er um die eigene Achse und schleuderte ihn in eine der Baumkronen hinter ihm. Doch der Stein, der den blonden, großen Zachariah Bauer hätte treffen sollen, flog durch ihn hindurch.

„Das tue ich doch schon die ganze Zeit“, sprach jener, der plötzlich im Inneren des Bunkerinnenraums stand und die Arme verschränkte.

Seelenruhig drehte sich Zanthe grinsend um. „Schade. Ich wusste, dass du woanders bist, hatte aber trotzdem irgendwie gehofft, dir die Klöten wegzufegen.“

„Solltest du nicht woanders sein?“, fragte der junge Mann in weißem Hemd und darüber liegendem, gleichfarbigen Sakko provokativ. Eine protzige, goldene Kette hing um den Hals von Anya Bauers älterem Bruder.

Zanthe verschränkte die Arme hinter dem Kopf. „Schätze schon. Als ich wusste, wen ich da jage, hätte ich besser Anya vor euch warnen sollen. Aber um ehrlich zu sein mache ich mir keine Sorgen um sie. Oder Matt.“

„Und das ist ein Fehler“, entgegnete Zachariah mit süffisantem Grinsen, „stell dir vor, sie und der Dämonenjäger hatten einen heftigen Streit. Denkst du, Kali konnte da widerstehen?“

„Denkst du -ich- kann der Gelegenheit widerstehen, dich ein bisschen auszuquetschen?“
 

Tatsächlich bereute Zanthe seine Entscheidung längst. Er hatte zu lange gebraucht, um den Geruch zuordnen zu können. Und als es ihm gelang, war er schon mindestens eine Meile von Anya und Matt entfernt gewesen. Was ihm jetzt blieb war bloß, diesen Spinner zu fangen und das Beste aus der Situation zu machen. In dem Fall bedeutete dies für Zachariah unschöne Verhörmethoden, ausgestattet mit dem Anya Bauer-Gütesiegel. Die … ein wenig an seinen Geschmack angepasst waren, verstand sich.

Er wollte schon lange mal mit ihr die Rollen tauschen, dachte Zanthe insgeheim fasziniert.

 

Völlig ernst, um seine fragwürdigen Gedanken zu verbergen, fragte er: „Also, ist jetzt Schluss mit dem Wegrennen?“

Der Blonde nickte. „Leider ja. Ich habe alle Teleportationszauber aufgebracht, die Lady Gardenia mir gegeben hat.“

„Zu schade aber auch“, murmelte Zanthe verheißungsvoll und ließ die Fingerknöcheln knacken.

„Wem sagst du das? Ich wäre zu gern dabei, wie Kali mein 'Schwesterherz' auseinander nimmt“, lachte sein Gegenüber böse und breitete die Arme aus, „was genau -jetzt- passieren sollte.“

„War das alles geplant?“

„Ich bitte dich. Wir beobachten euch schon eine ganze Weile. Also wussten wir auch, dass ihr hierher kommen würdet.“ Zach drehte sich um, betrachtete die Bunkertür. „Da wir euch voraus waren, konnten wir ein bisschen rumschnüffeln. Und sind dabei auf dieses Baby gestoßen. Wahnsinnig cool.“

Er wandte sich wieder dem Werwolf zu. „Vier unterirdische Bunker, alle miteinander durch Gänge vernetzt. Hat so ein paranoider Reicher in den sechziger Jahren gebaut. 'Die Russen kommen'! Oder irgendwie so. Wir hatten keine Zeit, sprich keine Lust, uns mit der genauen Geschichte auseinander zu setzen.“

„Ist Anya da drin?“, fragte Zanthe angespannt und sah an ihm vorbei.

„Natürlich ist sie das. Immerhin will Kali diesen Ort zu ihrem Mausoleum machen“, lachte Zachariah finster, „aber du glaubst hoffentlich nicht, dass du auch nur ansatzweise in ihrer Nähe bist, oder? Im Gegenteil. Dieser Bunker ist am weitesten von ihrer Position entfernt.“

Aber der Werwolf grinste überlegen. „Macht nichts. Ich bin flink.“

„Oh. Und du glaubst hoffentlich auch nicht“, sprach Zach weiter und hob den Arm, an welchem seine Duel Disk ausfuhr, „dass ich dich hier durchlasse.“
 

Die beiden sahen sich schweigend an. Dann rollte Zanthe mit den Augen und aktivierte seinen Duellhandschuh, der sich von einem Armreif in besagten Apparat transformierte. „Oh man, das sagst du als schlechtester Türsteher überhaupt. Wie viele Züge hat Anya letztens gebraucht, um dich wegzuklatschen?“

Mit vollem Genuss sah er, wie sich die Augen des großen Blonden weiteten.

„Glaubst du da geht noch was? Du stehst auf der Liste der Versager nämlich noch über Matt Summers“, stichelte Zanthe weiter, „und das will was heißen.“
 

Diese Idioten, dachte er dabei an jenen und Anya. Er konnte sich schon denken, wie deren Streit zustande gekommen war. Nicht, dass es nicht unausweichlich gewesen wäre, aber trotzdem!

Er konnte Anyas Spur nicht wittern. Sie war also nicht hier gewesen. Aber ihr Bruder wäre auch schön dämlich, ihn genau an den Ort zu führen, wohin Anya verschleppt worden war.

Vielleicht waren er und Matt ja doch wenigstens auf einer Stufe …

 

„Was ist jetzt?“, fragte Zachariah herausfordernd und winkte den Werwolf mit einer Geste demonstrativ zu sich. „Willst du lieber quatschen oder wenigstens versuchen, das Mädchen zu retten?“

„Richtig …“

Angestachelt davon riefen beide schließlich: „Duell!“

 

~-~-~

 

„Erschaffen!?“, überschlug sich Anyas Stimme förmlich. „Du? Mich!? Bist du jetzt völlig übergeschnappt!?“

Die festgekettete Blonde drehte ihren Zeigefinger um die Schläfe.

Anders als Matt, der sich die Geschichte zumindest anhören wollte. „Du musst zugeben, dass das absurd klingt, Kali. Hast du irgendwelche Beweise dafür, dass du Anya Bauer bist?“

„Natürlich hat sie das nicht!“, fauchte diejenige, die bisher diesen Namen innehatte, außer sich über ihre Schulter an den angebundenen Dämonenjäger gerichtet. „Summers, auf wessen Seite stehst du eigentlich!?“

„Auf gar keiner“, kam es eisig zurück.

Anya zuckte erschrocken zusammen. Dann senkte sie den Kopf getroffen. „'kay …“

„Also?“, forderte Matt an die Kuttenträgerin gewandt.

„Ihr wollt Beweise? Natürlich könnte ich euch Fragen stellen lassen, aber das nicht besonders kreativ. Noch dazu wüsstest du gar nicht, ob ich die Wahrheit sage.“ Kali lachte bitter. „Denn -sie- würde es abstreiten, auch wenn die Antwort noch so detailliert wäre.“

„Hmpf!“

„Wie wäre es dann damit.“ Kali streckte die Hand nach vorne aus. „Ich werde ein Monster beschwören, dass nur Anya Bauer besitzt. Ich errichte das Overlay Network!“

Vor ihr öffnete sich ein Schwarzes Loch. „Aus meinen beiden Stufe 4-Monstern wird ein Rang 4-Monster!“

Sofort wurden ihre beiden größeren Vögel als gelbe Lichtstrahlen in den Wirbel gezogen.

 

Oh! Ich bin ja so gespannt! Was wird es wohl sein, Matthew Summers?

 

Thoras' Herumgealbere in seinem Schädel machte die Kopfschmerzen nur noch schlimmer, stellte Matt genervt fest. Das Overlay Network? Welches Xyz-Monster besaß nur Anya? Ihm fielen gleich drei ein, aber man musste kein Raketenwissenschaftler sein, um daraus das richtige zu bestimmen.

„Sag nicht …“

„Xyz Summon! Erscheine!“

Eine gewaltige Explosion erschütterte das Schwarze Loch. Aus diesem stieg langsam eine weiße Gestalt, bei dessen Anblick Anya fast die Augen aus den Höhlen kullerten. Kali schrie: „[Gem-Knight Pearl]!“

Als sich der Ritter vor ihr platziert hatte, umkreist von zwei Lichtsphären und sieben riesigen Perlen, prustete Anya los: „Wirklich!?“
 

Gem-Knight Pearl [ATK/2600 DEF/1900 {4} OLU: 2]

 

Zugegeben, das Ding sah exakt so aus wie Levrier, aber etwas Wichtiges unterschied es dann doch von dem Immateriellen. Nämlich dass es nur ein lebloses Hologramm war.

„Du hast echt Nerven“, knurrte Anya. Es stimmte, nur sie sollte diese Karte besitzen, wurde sie schließlich als einzige nicht in dem neuen Gem-Knight Structure Deck gedruckt. „Die Idee wäre ja fast gut, wenn du dir nicht jede x-beliebige Karte aus dem Arsch ziehen könntest! Oder dem deiner Mutti!“

„Warum würde ich Lady Gardenias Zeit damit verschwenden wollen, mir eine so wertlose Karte erschaffen zu lassen?“, kam es von Kali verächtlich. „Ich habe sie nur behalten, weil ich dir damit eine Lektion erteilen will. Und endlich ist die Zeit dazu gekommen. Tch! Ich hätte mich dir schon viel früher zeigen sollen.“

Anya zischte: „Yeah. Stattdessen hast du jedermanns Zeit verschwendet!“

„Oh, ich mache es wieder gut! Indem ich dich mit deinem eigenen Monster vernichte!“ Kali schwang den Arm aus. „[Gem-Knight Pearl], greife dein Spiegelbild an! Blessed Spheres of Purity!“

Jener machte es seiner Herrin nach und befahl mit dem Schwenk seiner Hand seinen sieben Perlen den Angriff. Anya ihrerseits runzelte die Stirn. „Doppelkill!?“

Doch sie irrte sich. Denn nicht nur der gegnerische Pearl hatte sich in Bewegung gesetzt. Plötzlich fegte auch die weiße Mechaschwalbe über das Spielfeld. Die grünen Streifen an ihrer Lackierung begannen grell zu leuchten und wurden transparent, sodass man das mechanische Innenleben erstmals wie bei anderen Vertretern der Celestial Gears sehen konnte.

„Wenn ich sage, ich vernichte dich mit deinem eigenen Monster, dann meine ich das auch so! Unterstützt wird mein Pearl, der -echte-, durch den Effekt von [Celestial Gear – Synthetic Armored Swallow]!“ Kali lachte laut auf. „Jedes meiner Pendelmonster verfügt über einen anderen Effekt, wenn sie als Pendelbeschwörung gerufen wurden. Swallow kann während der Battle Phase auf den eigenen Angriff vernichten, um eines deiner Monster bis zum Ende des Zuges um 2500 Punkte auf beiden Werten zu schwächen! Overgear Collision!“

Der riesige Vogel flog noch an den herannahenden Riesenperlen vorbei und krachte in Levrier, der gequält aufschrie. Aus der folgenden Explosion kam die Schwalbe unversehrt hervor und flog im hohen Bogen zu ihrer Herrin zurück, während Levrier sich den Bauch hielt.

 

Ugh! Das ist … nicht gut …

 

Gem-Knight Pearl [ATK/2600 → 100 DEF/1900 → 0 {4} OLU: 2]

 

Noch größenwahnsinniger als je zuvor lachte Kali: „Hahaha! Jetzt bist du gefundenes Fressen für meinen Pearl, Levrier! Fühlt sich so gut an, dich endgültig aus meinem Leben zu verbannen!“

Der Perlenschwarm näherte sich Levrier unaufhaltsam.

„Verbannt wird hier nur eins“, knurrte Anya mit Schweißperlen auf der Stirn, „und zwar [Gem-Knight Sapphire] von meinem Friedhof! Durch den Effekt von [Gem-Tiger]!“

Jener weiße, mit Diamanten am Rückgrat bespickte Tiger in der von Anya aus rechten Lichtsäule brüllte furchteinflößend. „Damit kann ich einmal pro Zug einen Angriff annullieren!“

Im letzten Moment vor dem Einschlag blieben die Geschosse mitten in der Luft stehen.

„Kch“, zischte Kali, „daran hatte ich nicht gedacht! Aber damit kannst du diesem Drecksstück die Schmerzen nicht ersparen, die es verdient hat!“

 

Wie bitte!?

 

„Du hörst richtig! Ohne dich wäre all das nie passiert!“ Als sie das sagte, funkelten Kalis blaue Augen voller Abscheu. „Der Tag, an dem du in mein Leben getreten bist, um Eden zu werden, hat erst hierzu geführt!“

Sie zeigte auf Anya. „Ich hasse sie! Und ich hasse dich, Levrier! Meine Rache wird erst vollendet sein, wenn ihr -beide- tot seid!“

 

Ich muss dich enttäuschen, aber du bist nicht Anya Bauer! Auch wenn du das glauben magst. Ich kann bestätigen, die Seite -dieses- Mädchens nie verlassen zu haben! Ich war stets bei ihr, selbst in der kurzen Zeit zwischen dem Untergang des Turms von Neo Babylon und dem Erwachen Urilas!

 

„Halt's Maul!“, fuhr ihn Kali jedoch mit weit aufgerissenen Augen an, zeigte mit dem Finger auf den Immateriellen. „Greif ihn an, [Celestial Gear – Synthetic Armored Strix]! Overgear Barrage!“

Der grüne Streifen um die Augen des schwarzen Mechakauzes begann zu strahlen und transparent zu werden. Dann spreizte er die Schwingen und feuerte zahllose, aus dem Nichts auftauchende Metallfedern auf Levrier ab. Welcher sich mit erhobenem Armen dagegen wehrte, doch die scharfen Klingen blieben in ihm stecken.
 

Argh!

 

Einige flogen an ihm vorbei oder durchbohrten ihn glatt, sodass auch Anya erfasst wurde. Die tat es ihrem Partner gleich und schütze sich, doch die Geschosse zerrissen ihre Hose und die schwarze Jeansjacke. Blut spritzte ihn alle Richtungen.

„Ugh!“ Gerade als die Blonde dachte, es wäre vorüber, wurde ihr durch die Kette an ihrem Bein ein heftiger Stromschlag verpasst. „Hyah!“

Keuchend kippte das blutende Mädchen nach vorne.

 

[Anya: 1500LP → 600LP / Kali: 4000LP]
 

„Anya! Levrier!“, schrie Matt erschrocken.

„Was!?“, fauchte Kali, lachte dann aber verbittert. „Oh! Du meintest sie. Mein Fehler …“

Alles war taub. Die gerufene Anya konnte sich geradeso mit den Händen vom kalten Beton abstützen und kniff die Augen ob der blutigen Schnittwunden an Armen und Beinen zusammen.

Es tat nicht weh! Fuck, es tat nicht weh! Und der Schmerz ließ nach …

 

Geht es dir gut?

 

„Y-yeah“, keuchte Anya, als sie sich aufrichtete. „Was ist mit dir? Du bist noch hier?“

„Natürlich ist er das. Von Swallows Effekt getroffene Monster können nicht durch Kämpfe zerstört werden. Und das ist auch gut so“, erklärte die junge Frau mit der Narbe auf der Stirn, die sich bis über ihre Nase zog, „so kann er noch ein wenig mehr leiden. Genau wie du, Fälschung!“

Darüber konnte Anya nur müde lachen. „Die Leier schon wieder? Du tust mir leid. Glaubst ernsthaft, dass du ich wärst.“

Matt musste bitterböse auflachen. „Sie ist wohl die Erste, die gerne in deiner Haut stecken will.“

„Was soll das heißen, Summers!?“, kam es tatsächlich gleich von beiden, sodass die sich giftig ansahen.

„N-nichts“, stotterte er heiser ob der Vorstellung, gleich zwei dieser Furien ausgesetzt zu sein.

Plötzlich streckte Kali die Hand aus. „Da ich dir Schaden zugefügt habe, setzt jetzt der Effekt von [Celestial Gear – Synthetic Armored Robin] ein, da es als Pendelbeschwörung aufs Feld kam! Ich darf eine Karte ziehen!“

Jenes 'Violettkehlchen' gab einen schrägen Singsang von sich, während Kali eine Karte vom Deck riss. „Und direkt danach aktiviere ich während meiner Main Phase 2 den Effekt von [Celestial Gear – Synthetic Armored Strix]! Da auch er als Pendelbeschwörung gerufen wurde, kann ich die oberste Karte meines Decks zu seiner Overlay Unit werden lassen!“

Aus der roten V-Duel Disk stieg eine Lichtkugel auf, die zu dem schwarzen Kauz flog und ihn zu umkreisen begann.

 

Celestial Gear – Synthetic Armored Strix [ATK/1000 DEF/1000 {4} OLU: 0 → 1 PSC: <9/9>]

 

„Das soll's fürs Erste gewesen sein“, meinte Kali zufrieden, „dein Zug, Fälschung!“

Anya knirschte mit den Zähnen ob der ständigen, falschen Behauptung, sie wäre nicht echt! Levrier wusste es schließlich besser als jeder andere, wie konnte sie das so frech ignorieren!? Außerdem, wenn sie -wirklich- nicht echt wäre, müsste der Immaterielle doch unter Kalis Fittchen stehen!

„Blöde Kuh!“, schimpfte die Blonde abschließend. Dabei betrachtete sie ihre schwarze Duel Disk, in der drei Stahlfedern steckten. Eine davon verschwand. Aber solange nur eine davon übrig war, konnte sie keine Monster der Stufe 7 oder höher spezialbeschwören. Und das schloss den [Gem-Eyes Value Dragon] auf ihrer Hand mit ein.

Gleichzeitig atmete Levrier auf.

 

Meine Stärke kehrt zurück!

 

Gem-Knight Pearl [ATK/100 → 2600 DEF/0 → 1900 {4} OLU: 2]

 

Indes verzog Matt vor Schmerz die Augen. Nicht nur sein Kopf dröhnte, noch dazu taten ihm Teile seines Körpers weh, von denen er nicht einmal wusste, dass er sie überhaupt besaß. Was Thoras sagte, war am Ende doch wahr gewesen: [Primalswarm Yggdrasil] brachte seinen Benutzer eines Tages um. Wenn er ihn noch einmal beschwor, würde das sein Schicksal sein.

 

Tja, wenn ich es nicht besser wüsste, könnten die beiden tatsächlich ein und dieselbe Person sein. Aber ich weiß es besser.

 

Wenn man vom Teufel sprach. Matt horchte auf. „Was?“
 

Ach komm schon, Loverboy! Merkst du es denn nicht? Die beiden Süßen – oder in diesem Fall wohl eher Salzigen sehen zwar aus wie dasselbe Modell 'geschrumpfte Mörderbarbie', aber wenn man mal kurz seine mentalen Fühler-
 

„Komm zum Punkt!“, brummte Matt genervt.

Wodurch der goldene Kakerlakenritter an seiner Seite mit ausgebreiteten Armen schulterzuckend erschien.

 

Sie geben eine ähnliche Aura ab, aber keine identische, Matschematt! Um genau zu sein ist die bei der Produktion beschädigte wesentlich schwächer als die, mit der wir uns herumschlagen müssen!

 

In dem Moment warf Kali dem Immateriellen einen eisigen Blick zu. „Gratulation, Einstein, du bist ja schnell darin, das Offensichtliche festzustellen. Die Fälschung da hat ihre Conqueror's Soul schließlich wesentlich intensiver genutzt als ich. Und sie hat bei unserem letzten Treffen einen Teil meiner Kraft gestohlen …“
 

Yieks!

 

Thoras wich mit erhobenen Armen zurück. Anya dagegen beschränkte sich auf: „Bahnhof! Was auch immer, mir egal! Draw!“

Voller Ehrgeiz zog sie ihre Karte und betrachtete sie einen Moment mit weit aufgerissenen Augen, ehe sie den Arm ausstreckte. „Los Levrier, greif' [Celestial Gear – Synthetic Armored Robin] an!“

„Idiot“, lachte Kali, „schon vergessen, dass Robin bei einem Angriff die Position wechseln kann!“

„Nein! Fuck you, Miststück! Schnellzauber [Forbidden Chalice]!“
 

Anya Bauer, nein! Du solltest dir diese Karte aufheben!

 

„Schnauze!“, fauchte Anya ihren Partner aufgeregt an. „Ich werde nicht zulassen, dass sie mich eine Fälschung nennt! [Forbidden Chalice] negiert den Effekt des Ziels und gibt ihm 400 Angriffspunkte!“

Kali reckte erschrocken den Kopf hoch, als über ihrem 'Violettkechlchen' ein goldener Kelch mit Wein erschien, der seinen Inhalt über den Mechavogel ergoss. Woraufhin dieser einen Kurzschloss bekam und überall um ihn herum Blitze schlugen.

 

Celestial Gear – Synthetic Armored Robin [ATK/0 → 400 DEF/2400 (8) PSC: <3/3>]

 

Lautstark schrie Anya: „Blessed Spheres of Purity! Halt nichts zurück, Levrier!“

Frustriert schnaufend schwang Levrier seinen Arm aus und feuerte seine sieben Riesenperlen auf den Vogel ab. Jene schlugen in ihm ein wie Bomben, lösten abschließend eine mächtige Explosion aus.

„Effekt meines verbannten Zaubers [Gear Synthesis]“, konnte Kali noch rufen, „sie verbannt mein zerstörtes Monster auf meinen Wunsch hin!“

Dann wurde sie von einer der fliegenden Perlen in den Bauch getroffen und mit voller Wucht gegen den hinter ihr befindlichen Stützpfeiler geschleudert. In welchem ob des Einschlags ein Krater um Kalis Körper herum entstand. Jene spie keuchend Blut aus.

 

[Anya: 600LP / Kali: 4000LP → 1800LP]

 

Wie ein nasser Sack plumpste sie anschließend vorne über auf den Boden.

Matt schrie: „Bist du verrückt geworden!?“

„Misch dich nicht ein, Summers!“, verteidigte sich Anya sofort aufgewühlt. „Sie foltert mich mit Elektroschocks, also habe ich das Recht mich zu wehren!“

„Trotzdem!“

„Wenn dir das nicht passt, hau einfach ab!“

Sich an ihre am Boden liegende Gegnerin wendend, knurrte die Blonde: „Ich setze eine Karte verdeckt. Zug beendet!“

Zischend materialisierte sich jene neben ihrer anderen, gesetzten Karte. Die vorletzte Eisenfeder verschwand dabei aus ihrer Duel Disk.

„Ha ha“, hustete Kali mehr als sie lachte. Mit einer Hand hielt sie sich den Magen, mit der anderen stützte sie sich vom Beton ab und erhob sich langsam. „Sie hat Recht, Summers. Ich verletze sie, sie verletzt mich. Alles bleibt fair.“

Der Dämonenjäger schüttelte den Kopf. „Das ist doch Unsinn!“
 

Hör bloß auf, diese Furien zu provozieren! Eine von beiden wird sicher überleben und dann geht’s uns an den Kragen!

 

Tatsächlich versteckte Thoras sich inzwischen hinter dem Pfeiler, an dem Matt festgebunden war und lugte ängstlich hervor.

„Soll ich dir sagen, was Unsinn ist?“ Kali, an deren Mundwinkeln Rinnsale von Blut hinunter tropften, grinste hässlich. „Wie diese Fälschung überhaupt entstanden ist.“

Anya knirschte mit den Zähnen. Ihre Augen drohten aus den Höhlen herauszufallen, als sie zischte: „Nenn' mich noch einmal so und ich hab' kein Problem damit, dich ins nächste Leben zu schießen, Miststück!“

Aber Kali beachtete sie gar nicht. Stattdessen fokussierte sie sich allein auf Summers. „Was soll ich sagen? Es gibt einen Grund, warum ich wollte, dass du ebenfalls hier anwesend bist. Versteh' mich nicht falsch, von allen Beteiligten trifft dich vermutlich am wenigsten Schuld. Aber dennoch …“

Der Schwarzhaarige sah in ihre blauen Augen. Für einen Moment glaubte er, Traurigkeit darin zu sehen. „Ich? Was habe ich mit der ganzen Sache zu tun?“

„Du hast die Wunderlampe angeschleppt“, sagte Kali, „ich habe mir damals von dem Jinn gewünscht, von Levrier getrennt zu werden.“

Sie hob langsam den Zeigefinger. „Und das wurde ich. Leider hätte ich genauer erklären sollen, was ich damit meine. Du weißt ja, Summers, Jinns sind gut darin, die an sie gerichteten Wünsche misszuverstehen.“

Das gesagt, ruhte der ausgestreckte Finger auf Anya. „Wie ich es wollte, wurden Levrier und ich getrennt. Indem an meiner Statt ein Sündenbock erschaffen wurde, ein perfektes Imitat, auf das Levrier übertragen wurde. Sie.“

Anya weitete die Augen. „Du lügst …!“

„Tu ich das? Dann beantworte mir Folgendes: Denkst du wirklich, dass dein gesundheitlicher Zustand mit dem Handel des Sammlers zu begründen ist?“, fragte Kali eiskalt und wischte sich mit dem Handrücken das Blut von den Mundwinkeln. „Mach die Augen auf. Er belügt dich. Schon die ganze Zeit. Er hat dir nie deine Lebenskraft genommen. Weil es gar nichts gibt, was er dir hätte nehmen können.“

„Nein … nein!“, widersprach Anya panisch. „Das ist eine Lüge.“

„Ist es nicht.“ Kali ballte ihre Fäuste zusammen, wurde zunehmend lauter. „Du bist nichts als eine instabile Fälschung, die mein Leben genommen hat! Schon bald solltest du verschwinden, ob ich dazu beitrage oder nicht!“

„Nein!“

„Doch! Aber ich will es sein, die dein Leben nimmt! Weil du meines genommen hast! Dafür will ich Rache! Rache für ein Jahr, das ich in den Schatten leben musste, wegen dir! Nochmal wird dich kein Wunder retten, dafür sorge ich!“

„Ich bin keine Fälschung!“

Kali übertönte sie mit all ihrer Kraft. „Du bist sogar noch schlimmer als das! Du bist ein Parasit, der vernichtet werden muss! Oder was sagst du, Summers?“

 

Matt, der die Szene erschrocken mitverfolgte, überschlug sich förmlich. „I-ich!? Haltet mich da raus!“

„Was ich sage ist die Wahrheit!“, beharrte Kali bitter. „Vielleicht glaubst du mir ja, wenn ich dir sage, was während der Begegnung mit dem Jinn passiert ist.“

Anya indes befahl aufgelöst: „Hör nicht hin!“

„Na, kriegst wohl langsam Panik, was?“ Die Kuttenträgerin schloss die Augen. „Nach dem Wunsch wurde mein Körper kopiert. Das war dieses flammende Ding, gegen das du dich duelliert hast und das der Jinn besessen hatte. Mein richtiger Körper wurde in der Zeit in der Wunderlampe eingesperrt.“

 

Unmöglich! Anya Bauer war zu diesem Zeitpunkt in ihrem Elysion eingeschlossen!

 

„Das war die Fälschung, Levrier“, erwiderte Kali emotionslos, „um dich zu täuschen, während du aus meinem Körper entfernt wurdest.“

Sie öffnete die Augen und sah Matt an. „Das Innere der Wunderlampe war das, was ich mir immer als Limbus vorgestellt habe. Eine Welt der Leere, aus der es kein Entkommen gab. Also mein Schicksal, wäre ich daran gescheitert Eden zu werden.“

„W-warte mal, was? Du warst -in- der Lampe?“, fragte Matt irritiert.

Anya fragte schrill: „Wieso glaubst du ihr den Scheiß, Summers!?“

Ihre Erzfeindin nickte. „Yeah. Aber ich war nicht allein. Da war noch jemand anderes. Und ich wette, wenn ich dir verrate, wer das war, wirst du mir endlich glauben. Und sie auch.“

„Warum?“, fragte Matt langsam.

„Weil das etwas ist, das nur jemand wissen kann, der die Wahrheit spricht. Dein Mentor Alector dürfte dir die Geschichte sicher irgendwann mal erzählt haben, nachdem das mit der Wunderlampe ein vermeintlicher Misserfolg war.“ Kali atmete tief durch. „Und dir hat er es auch erzählt, das weiß ich.“

Anya schlug beide Hände gegen ihre Brust. „Mir!?“

„Der Mann, der mit mir in der Wunderlampe eingesperrt war, war derjenige, der sie gefunden hat. Er war auf der Suche nach einem Weg, die Eltern seines Enkels zurück ins Leben zu wünschen. Aber stattdessen hat der Jinn ihn verschlungen.“

Matt weitete die Augen, keuchte. „Unmöglich. Nein … doch nicht …?“

„Doch. Er war es.“ Diesmal war es eindeutig Trauer, oder vielleicht Reue, die der Dämonenjäger in Kalis Augen zu sehen glaubte. „Atreus van Helsing. Alastairs Großvater.“

„Er war eines Tages verschwunden! Alector glaubte auch, dass-“, stammelte Matt.

„Hör auf zu lügen! Was beweist diese Behauptung denn!?“, überschlug sich Anyas Stimme förmlich, das Mädchen war hochrot im Gesicht. „Ich bin kein Nebenprodukt eines Wunsches! Ich kann mich an meine Kindheit erinnern, an alles, weil -ich- es erlebt habe! Hör verdammt nochmal auf, das für dich beanspruchen zu wollen!“

„Die Teile fügen sich langsam zusammen. Vielleicht habe ich übertrieben und es ist kein endgültiger Beweis.“ Kali sah sie hasserfüllt an. „Aber es ist der erste Schritt, dich zu entlarven.“

 

~-~-~

 

„Das ist die Wahrheit. So hat der Sammler es mir erklärt“, sagte David im dunklen Flur von Valerie Redfields Villa abschließend.

Jenes schwarzhaarige Mädchen, das nur in einem blau-weiß-gestreiften Bikini und mit einer Schrotflinte in der Hand da stand, brachte keinen Ton mehr heraus.

„Es tut mir leid, dass du es so erfährst“, murmelte der Schwarzhaarige mit dem blauen Pony beschämt.

 

Valerie rang mit ihrer Fassung. Vornehmlich, weil sie nicht einmal wusste, ob sie das Gehörte überhaupt glauben konnte. Einerseits hatte sie keinen Anlass, diesem Kerl zu misstrauen, da er ihr trotz ihrer Differenzen einen aufrichtigen Eindruck machte. Andererseits war er der Diener des Sammlers, des Feindes. Und der sah sicher nicht davor zurück, Lügen einzusetzen, um seine Pläne in die Tat umzusetzen. Sollten sie auch nur dazu da sein, Unruhe innerhalb ihrer Gruppe zu verursachen.

 

„Ich weiß nicht, ob ich das glauben kann“, sagte sie schließlich.

„Das solltest du. Bitte.“ David sah ihr in die Augen. „Der Meister hat Pläne mit eurer Anya, das ist wahr. Aber er … er will ebenso wenig, dass sie stirbt.“

Valerie schüttelte den Kopf. „Trotzdem werde ich nicht dabei helfen, indem ich Anya überrede, ihre Mission wieder aufzunehmen. Das … das kann nicht stimmen!“

„Möglicherweise hast du damit Recht. Ich kann das nicht beurteilen.“ David drehte sich von ihr weg und schritt langsam Richtung Haustür. „Aber ich glaube dem Sammler. Er ist kein Lügner. Die Artefakte verstärken verschiedene Attribute ihres Trägers. Das, was ihr [Angel Wing Dragon] nennt, erhöht Stärke, Schnelligkeit und Reflexe.“

„Was?“, wunderte sie sich leise und folgte ihm dabei.

„Das Monster Heavy T vermag sogar das Leben des Besitzers verlängern. Und die derzeitige Inkarnation der Zwillingsschwerter, Murciélago, verleiht ihrem Träger die Kraft, die eigene, reine Vorstellungskraft auf den Körper anzuwenden. In Form von Illusionen.“ Vor der verschlossenen Tür drehte er sich zu ihr um. „Und das sind nur drei von sieben Artefakten.“

„Aber selbst wenn das, was du sagst, wirklich der Wahrheit entspricht. Wie würde das Anya helfen?“

„Wer im Besitz von allen sieben ist, dürfte theoretisch unbesiegbar sein. Der Meister erhofft sich, dass durch die verschiedenen Kräfte Anyas Existenz stabilisiert wird.“ Der junge Mann im orangefarbenen T-Shirt seufzte. „Aber die, die sie schon hat, reichen dafür noch nicht aus, verstehst du?“

„Nein“, gestand Valerie leise, zog an ihm vorbei und öffnete die Tür. „Nein, ich verstehe nichts. Bitte geh' jetzt.“

Resignierend nickte der junge Mann und trat über die Schwelle. Aber nicht, bevor er sich noch ein letztes Mal zu ihr umdrehte. „Sie wird es bald herausfinden. Daher dachte ich, du solltest das wissen.“

Dann ging er weiter und ließ mitten im Garten der Redfields eines dieser schwarzen, ovalen Portale erscheinen. Im Weggehen winkte er Valerie zu und verschwand schließlich vor ihren Augen.

Und das Mädchen wusste weiß Gott nicht, was sie von diesem Besuch halten sollte. Hätte sie Marc doch bloß nicht weggeschickt …

 

~-~-~

 

Ich hätte es bemerkt, wenn sich etwas an meinem Pakt mit der echten Anya Bauer verändert hätte!
 

„Yeah! W-was sie sagt ist völlig unmöglich“, stammelte Anya, am ganzen Leib zitternd auf Levriers Einwurf hin und drehte sich zu Matt um. „Stimmt's, Summers?“

Der reagierte nicht.

„M-Matt!?“

In dem Moment senkte er sein Haupt. „Ist mir egal.“

„W-was!?“

„Ich sagte, es ist mir egal wer von euch jetzt die Echte ist!“, fuhr er sie schlagartig an. „Ich bin auf euch beide nicht sonderlich gut zu sprechen.“

Da erwiderte Kali gefühlskalt. „Yeah. Die Sache mit deinem Waisenhaus. Indirekt bin ich da wohl mitverantwortlich, immerhin habe ich dieses Miststück in die Welt gewünscht. Sorry.“

„Sorry!? Denkst du, eine Entschuldigung macht das alles wieder gut!?“, schnauzte er dementsprechend die Kuttenträgerin an.

„Nope. Aber mehr bekommst du nicht.“

 

Kali sah von ihm herüber zu einer völlig aufgewühlten Anya, die ihren Freund tief getroffenen ansah. Der mied die Blicke beider Mädchen. So sprach die selbsternannte Rachegöttin: „Was -dich- angeht, habe ich jedoch mehr als genug im Angebot!“

Schwungvoll riss sie eine Karte von ihrem Deck und streckte den Arm in die Höhe. „Schwinge bis in alle Ewigkeit, Pendulum! Höre den Ruf des Phönix! Aus meiner Verbannungszone: [Celestial Gear – Synthetic Armored Robin] und [Celestial Gear – Synthetic Woodpecker]! Pendulum Summon!“

Daraufhin stimmte der Mechaphönix einen schiefen, deprimierenden Singsang an. Eine einzelne Träne seinerseits benetzte den Beton vor Kali, wo sich im Anschluss das Pendelportal öffnete und zwei rote Lichtstrahlen abfeuerte.

Jene nahmen vor ihr die Form des Mecharotkehlchens sowie eines riesigen, schlanken Vogel, dessen spitzer Schnabel sowie der kleine Kamm von magentafarbenen Energiebarrieren umgeben waren, die die Zahnräder dahinter abschirmten.

 

Celestial Gear – Synthetic Armored Robin [ATK/0 DEF/2400 (8) PSC: <3/3>]

Celestial Gear – Synthetic Woodpecker [ATK/1800 DEF/1300 (4)]

 

„Summers, ich“, stammelte Anya jedoch völlig abwesend, „ich … bereue, dass dir so viel Leid widerfahren ist. Und ich weiß, dass-“

Aber der junge Mann erteilte ihr eine eisige Abfuhr. „Nicht jetzt. Konzentriere dich lieber.“
 

Er hat Recht. Wenn du jetzt einknickst, könnte sie dich besiegen.

 

Auf Levriers mahnende Worte hin wandte sich Anya wieder dem Duell zu.

„Du bist also trotz allem noch auf ihrer Seite?“ Kali lachte verbittert. „'kay, im Grunde genommen kennst du sie ja auch viel länger als mich. Auch wenn sie nur eine riesige Lüge ist.“

„Ich bin auf niemandes Seite“, stellte Matt nochmals klar.

Und die Kuttenträgerin nickte. „Gut so. Nun zu dir, Fälschung! Ich aktiviere den Effekt von [Celestial Gear – Synthetic Woodpecker]! Damit kann ich sofort eine Karte in meiner Hand zerstören!“

Anya erinnerte sich, das hatte sie auch schon während ihres letzten Duells getan. Mit diesem Effekt konnte sie Celestial Gear-Monster sofort als Rückbeschwörung rufen! Aber all ihre Monsterzonen waren voll …

„Ich zerstöre den Zauber [Card Of Last Resort]! Wird der durch einen Effekt vernichtet, darf ich zwei neue Karten ziehen!“ Was Kali auch sofort tat, womit sie nun drei Handkarten besaß.

Damit hatte Anya nicht gerechnet. „Kch!“

„Battle!“, rief ihre Feindin schließlich mit ausgestrecktem Zeigefinger aus. „Und nun der Effekt von [Celestial Gear – Synthetic Armored Swallow]! Leide, Levrier! Overgear Collision!“

Unmittelbar darauf schoss die weiße Mechaschwalbe auf den Ritter zu und krachte in ihn hinein, was eine Explosion auslöste, welcher sie durch eine Kehrwende elegant entkam. Der Immaterielle hingegen sackte auf den Boden hinab, kniete keuchend nieder.

 

Gem-Knight Pearl [ATK/2600 → 100 DEF/1900 → 0 {4} OLU: 2]

 

Warum hast du -diese- Karte nicht benutzt?

 

„Brauch' ich für später. Und ich brauch -dich- noch!“ Anya knirschte mit den Zähnen. „Du bist der Einzige, auf den ich mich im Moment verlassen kann.“

„Wie rührend. Aber kann er sich auch auf dich verlassen?“, fragte Kali gehässig. „Deine Lebenspunkte sind zu niedrig, um die ganze Wucht meiner Monster abzuwehren.“

„Komm doch, wenn du dich traust!“

„Und ob! Angriff, [Celestial Gear – Synthetic Armored Strix]! Overgear Barrage!“

Der schwarze Metallkauz über ihr ließ den grünen Streifen um seine Augen grell aufleuchten, ehe er mit den Flügeln schlug und eine Vielzahl von scharfen Metallfedern auf Levrier abfeuerte. Kali lachte dabei. „Dann wehr' den Angriff mal schön mit [Gem-Tigers] Effekt ab!“

„Brauch ich nicht! Ich hab zwei verdeckte Karten, du hohle Nuss! Falle, [Tri-And-Guess]!“ Jene sprang vor Anya auf. „Ich bestimme entweder Fusionsmonster, Synchromonster oder Xyz-Monster. Wer von uns beiden dann mehr davon in seinem Extradeck hat, erhält 3000 Lebenspunkte!“

„Langweilig …“

„Aber effektiv!“ Vor ihr und Kali erschienen jeweils in drei Reihen die verbliebenen Monster des jeweiligen Extradecks in holografischer Form. Während Kalis Auswahl recht ausgeglichen zwischen allen drei genannten Beschwörungstypen war, überwog bei Anya der lilafarbene Kartenrand deutlich. „Eine Anya Bauer würde niemals freiwillig etwas anderes als ein Gem-Knight-Deck spielen! Wenn hier eine 'ne verdammte Fälschung ist, dann du, Miststück!“

Anya streckte die Arme aus, als eine violette Aura um sie kurzzeitig aufflackerte.

 

[Anya: 600LP → 3600LP / Kali: 1800LP]

 

Erstaunlich trocken erwiderte Kali: „Zumindest bin ich nicht diejenige …“

In dem Moment wurde Levrier von den Geschossen gepeinigt, die auch zu Anya vordrangen und weitere Schnitte im Gesicht, an den Armen sowie an der Hüfte verursachten. Jene schrie zusätzlich schmerzerfüllt auf, als sie von der Kette an ihrem rechten Bein einen heftigen Stromschlag verpasst bekam. Aber sie hielt sich diesmal auf den Beinen.

„… die eins aufs Maul bekommt.“

 

[Anya: 3600LP → 2700LP / Kali: 1800LP]

 

Plötzlich begann das Violettkehlchen zu singen. „Da ich dir Schaden zugefügt habe, lässt mich [Celestial Gear – Synthetic Armored Robin] eine Karte ziehen.“

Bedacht zog Kali von ihrem Kartenstapel und streckte gleich darauf die Hand wieder aus. „Levrier wurde, da er von Swallows Effekt betroffen ist, nicht im Kampf zerstört. Jetzt ist [Celestial Gear – Synthetic Woodpecker] an der Reihe! Angriff!“

Jener stieß sich vom Boden ab und flog schnurstracks auf den knienden Pearl zu, verpasste ihm eins mit seinem langen Schnabel. Der weiße Ritter schmetterte rückwärts in Anya hinein, die es diesmal von den Füßen riss. Beide schrien auf, besonders die Blonde, die eine weitere Ladung durch den Körper gejagt bekam. Der harte Aufprall auf den Rücken brachte sie zum Keuchen.

 

[Anya: 2700LP → 1000LP / Kali: 1800LP]

 

Wieder sang Kalis Fusionsvogel. „Ich habe Schaden zugefügt, also ziehe ich.“

Fünf Karten hielt sie im Anschluss fest.

Gleichzeitig stieß die liegende Anya mit der flachen Hand gegen Levriers Helm. „Runter von mir!“

Der lag auf ihr drauf.

 

Verzeihung. Hier.

 

„Jämmerlicher Anblick“, kommentierte Kali dies giftig, als der Gem-Knight sich schwebend erhob, umdrehte und Anya aufhalf.

Matt sah zu Kali herüber, wie sie sich einzig auf die beiden Personen fixierte, die sie am meisten verachtete. Flüsterte: „Könnte es wahr sein? Könnte sie wirklich die Anya sein, die ich damals kennengelernt habe?“

 

Weiß nicht. Kenne mich mit Lampengeistern und solchem Kram nicht aus.

 

Der Immaterielle in der Form von [Evilswarm Exciton Knight] lugte hinter dem Pfeiler hervor.

Matt senkte sein Haupt. „Dachte ich mir. Alle, die mir diese Frage vielleicht beantworten können, sind tot.“

 

Ja. Das ist blöd.

 

Kaum hatte Anya es wieder dank Levriers Hilfe auf die Beine geschafft, da schwang Kali auch schon den Arm aus. „[Gem-Knight Pearl], Angriff! Blessed Spheres of Purity!“

Mit seiner Hand dirigierte der andere Ritter seine sieben Perlen, die nacheinander auf den Immateriellen zu schossen.

„Als ob ich dich lassen würde! [Gem-Tigers] Effekt! Ich verbanne [Gem-Knight Tourmaline] und annulliere den Angriff!“

Der weiße Edelsteintiger in der hellblauen Lichtsäule stieß ein majestätisches Gebrüll aus, dessen Schallwellen die Geschosse kurz vor dem Aufprall stoppten.

„Tch!“, machte Kali genervt. „Denk bloß nicht, dass du das ewig durchhältst. Ich aktiviere während der Main Phase 2 [Celestial Gear – Synthetic Armored Strix'] Effekt und mache die oberste Karte meines Decks zu seiner Overlay Unit!“

Aus ihrem Kartenstapel stieg eine Lichtkugel auf, die sich zu der anderen, um den schwarzen Kauz kreisenden gesellte.

 

Celestial Gear – Synthetic Armored Strix [ATK/1000 DEF/1000 {4} OLU: 1 → 2 PSC: <9/9>]

 

„Zug beendet!“

Damit verschwand auch die letzte Feder, die noch in Anyas Duel Disk steckte. Dazu atmete Levrier erleichtert auf.

 

Gem-Knight Pearl [ATK/100 → 2600 DEF/0 → 1900 {4} OLU: 2]

 

Warum sammelt sie all diese Overlay Units?

 

Nein, nein, nein, Levrier! Wieso sammelt sie so viele Handkarten, ohne sie auszuspielen?

 

„Klappe, du elende Kakerlake! Die bessere Frage ist, wieso sie mit diesem schwachen Vieh angreift, obwohl sie wusste, dass sie mich so einfach nicht klein kriegen würde“, knurrte Anya genervt auf Thoras' Einwurf hin, „angenommen, -sie- ist wirklich eine Kopie von mir. Dann weiß sie genau, wie ich denke und wozu ich fähig bin.“

Kali brach in schallendes Gelächter aus. „Du denkst, -ich- wäre die Fälschung? Süß! Ich sag dir was! Es gibt jemanden, der dir bestätigen wird, dass du dich irrst! Der Sammler!“

„Und ich gebe 'nen Scheiß auf das, was dieser Penner behauptet“, konterte Anya gallig.

„Also bist du ihm begegnet?“, fragte Matt neugierig.

„Nicht nur das, ich habe ihn sogar um Hilfe angefleht.“ Wieder ballte Kali eine Faust. „War'n Fehler. Aber das ist auch egal.“
 

„Sehe ich genauso! Je schneller du endlich aufhörst, diesen Bullshit zu verbreiten, desto eher kann ich mich um die wichtigen Dinge kümmern.“ Anya sah über ihre Schulter. „Nämlich Summers zu helfen, diesen Bastard Stoltz zur Rechenschaft zu ziehen!“

Der sah sie für einen Augenblick ziemlich überrascht an. Die Blonde aber wirbelte bereits zu ihrer Erzfeindin herum. „Mein Zug! Draw!“

Sie zog die Karte schwungvoll und betrachtete sie mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck. Dann spielte sie sie wortlos verdeckt aus, wo sie sich zu ihrer im vorigen Zug gesetzten Karte gesellte.

„Jetzt lernst du -ihn- kennen. Die sieben Züge sind vorbei!“ Anya streckte die Hand in die Höhe. „Schwinge bis in alle Ewigkeit, Pendulum!“

Zwischen ihren beiden Monstern in den Lichtsäulen bildete sich ein riesiges, buntes Loch, umgeben von zahlreichen Lichtellipsen. „Aus meiner Hand der Stufe 7-[Gem-Eyes Value Dragon]! Pendulum Summon!“

Aus dem Portal schoss ein roter Lichtstrahl und schlug vor ihr ein. Aus dem Rauch erhob sich ein eleganter Drache, geschützt durch eine goldene Rüstung. An seinem Rücken befanden sich zu jeder Seite drei Tragflächen. Besonders auffällig waren jedoch die in vier farbige, transparente Segmente geteilten Scheiben an seinem Helm – je zu einem Viertel rot, grün, gelb und blau.

 

Gem-Eyes Value Dragon [ATK/2400 DEF/2000 (7) PSC: <5/5>]

 

„Das Ding da hat ein Geheimnis und ich habe keinen Bock, es zu lüften“, meinte die Blonde mit einem Nicken zu dem Mechakauz. „Also los, Gem-Eyes! Sight Transition! Damit ändere ich seinen Typen entweder zu Pyro, Donner, Aqua oder Fels!“

Schon begannen sich die beiden Scheiben an seinem Helm zu drehen, bis sie von Anya das Kommando bekamen. „Donner!“

Sie stoppten bei den gelben Vierteln, die sich vor den Augen des Drachen zu einem Visor zusammenlegten. Dessen Herrin rief enthusiastisch: „Okay! Damit kann ich jetzt den Typ-spezifischen Effekt von Gem-Eyes nutzen! Der Donnereffekt nennt sich Topaz Jammer und annulliert den Effekt einer Karte auf dem Feld!“

Anya schwang den Zeigefinger aus und deutete auf den Kauz. „Seinen!“

Plötzlich begannen elektrische Entladungen um den Drachen zu schlagen. Dünne, gelbe Linien begannen in der gesamten Rüstung aufzuleuchten. Dann schleuderte das Monstrum zwei Blitze auf das ausgewählte Ziel. Und Kali lachte bitterböse. „Blöde Kuh! Genau das wollte ich! Strix ist ein Jäger! Wenn er angezielt wird, kann er eine Overlay Unit verwenden, um den Effekt zu negieren und den Auslöser zu zerstören! Los!“

Die mechanischen Augen des Kauzes leuchteten mit einem Mal rot. Geschickt wich er im Anflug auf Gem-Eyes dessen Blitzangriffen aus und streckte seinerseits die Greifkrallen aus. Mit welchen er dem Drachen anschließend den Visor von den Augen riss und ihn so zur Explosion brachte. Aus der Rauchwolke stieg ein roter Lichtblitz in das sich kurzzeitig öffnende Pendelportal auf.

 

Celestial Gear – Synthetic Armored Strix [ATK/1000 DEF/1000 {4} OLU: 2 → 1 PSC: <9/9>]

 

Anya aber verschränkte unbekümmert die Arme. „Geheimnis gelüftet, schätz' ich. Aber das macht es nur umso einfacher für mich! Levrier, räche Gem-Eyes! Blessed Spheres of Purity!“

Jener nickte knapp und streckte den Arm aus. Seine sieben Perlen schossen wie ein Schwarm Wespen auf den kleinsten der Mechavögel zu.

Ja, dachte Anya mit Blick auf ihre gesetzte Karte. Gleich war es vorbei!

„Du bist so dämlich“, lachte Kali da jedoch auf einmal überheblich. „Wenn ich anzielen meine, bedeutet das nicht nur Karteneffekte! Auch Angriffe zählen dazu!“

Die verbliebene Lichtkugel durch die Stirn absorbierend, woraufhin die Augen des Kauzes rot aufleuchteten, begann jener sich in Bewegung zu setzen. Meisterhaft wich er den Perlen aus, die nacheinander an ihm vorbei schossen.

 

Celestial Gear – Synthetic Armored Strix [ATK/1000 DEF/1000 {4} OLU: 1 → 0 PSC: <9/9>]
 

„Sag leb' wohl zu deinem geliebten Levrier!“ Kali stemmte hinterhältig grinsend eine Hand in die Hüfte.

Aber Anya zog lediglich die Stirn kraus, schimpfte. „Elende Mistmade! Wegen dir muss ich jetzt meinen Plan ändern! Verdeckter Schnellzauber, [Forbidden Dress]! Wer immer dieses Schmuckstück trägt, verliert für den Rest des Zuges 600 Angriffspunkte.“

Die Karte klappte vor Anya auf. Aus ihr schob sich das dort gehaltene, schulterfreie, weiße Kleid, ähnlich einer Tunika.

Das geschundene Mädchen erklärte grimmig: „Eigentlich wollte ich es deinem Vogel anziehen …“

„Wäre der Angriff durchgegangen, hättest du mich damit besiegt“, erkannte Kali.

„Yeah. Aber wie ich sagte, Planänderung! Levrier, Zeit für eine Karriere als Model! Damit ist er vor zielenden und zerstörenden Effekten geschützt!“

Die Robe verschwand und tauchte an [Gem-Knight Pearls] Körper wieder auf – ziemlich eng. Jener fasste sich sofort erschrocken in den Schritt.

 

Gem-Knight Pearl [ATK/2600 → 2000 DEF/1900 {4} OLU: 2]
 

Sieh' mich nicht an!

 

… jammerte Levrier beschämt – und vor allem schauspielernd – als er dem herannahenden Vogel beim Wegdrehen mit der rechten Hand eine saftige Ohrfeige verpasste. Die jenen geradewegs durch die Decke pfefferte, von wo er explodierte.

„Shit!“, fluchte Kali. „I-ich verbanne ihn durch den Effekt von [Gear Synthesis]!“
 

Und ich bestrafe dich für diese Demütigung!

 

Auf Levriers wütenden Aufschrei hin sah Kali nach links, von wo aus sich in einer scharfen Kurve eine seiner Riesenperlen näherte. Es war zu spät zum Ausweichen. Wie ein Faustschlag traf es sie. Die vermeintlich 'echte' Anya wurde umgeworfen rutschte über den Beton des magisch vergrößerten Raums. „Ugh!“

 

[Anya: 1000LP / Kali: 1800LP → 800LP]

 

Die angekettete Anya ballte eine Faust und stieß sie grinsend nach hinten. „Hell yeah! Nimm das, Pinocchio!“

Zu ihrem Entsetzen drehte sich Levrier auch zu ihr um. Mit zusammengekniffenen, blauen, pupillenlosen Augen. Augen, die voller Rachsucht funkelten.

„Z-Zug beendet“, murmelte Anya, die ahnte, was ihr blühte.

Das Kleid an Levriers Leib verschwand. Sein Durst nach Vergeltung nicht, als eine andere Perle Anya am Hinterkopf traf und sie nach vorne warf.

 

Gem-Knight Pearl [ATK/2000 → 2600 DEF/1900 {4} OLU: 2]

 

„Sag mal, spinnst du!?“, fauchte die sofort fuchsteufelswild und schlug nach dem vor ihr schwebenden Levrier, durch den ihre Faust jedoch hindurch glitt.

„Ahahahaha“, prustete Matt da los.
 

Wenigstens habt ihr euch jetzt wieder beruhigt.

 

Anyas und Matts Blicke trafen sich, doch beide drehten ihre Köpfe bewusst in die jeweils andere Richtung weg.

„Oh, wie süß.“ Kali erhob sich. Ihre Nase blutete, aber sie grinste trotzdem noch. „Wer hätte gedacht, dass du mehr kannst, als mich herumzukommandieren, Levrier?“

Der Immaterielle kreiste um die eigene Achse, wandte sich an sie.
 

Ich habe eine Frage. Wie ist es der Weißen Hexe gelungen, eine so perfekte Imitation von Anya Bauer zu erschaffen? Denn dafür halte ich dich – ein Werkzeug, das glaubt eigenständig zu agieren, aber letztlich nur dem Willen seiner Schöpferin unterliegt.

 

Da verfiel die Kuttenträgerin wieder einmal in schallendes Gelächter. „Ich? Ein Werkzeug? Pft!“

„Klingt logisch. Wenn der Sammler und diese Kuh Gardenia sich nicht grün sind, würde sie natürlich versuchen, mich zu killen“, sprach Anya zuversichtlich, „und wie ginge das besser als durch die eine Person, die mich am besten kennt? Mich selbst!“

Matt gab ein nachdenkliches Geräusch von sich.

„Nachahmung ist die höchste Form der Anerkennung.“ Das angekettete Mädchen zuckte mit den Schultern. „Ein Jammer nur, dass du so viel schlechter bist als ich.“

Kali stieß einen letzten Lacher aus. „Fast unheimlich. Ich wusste, dass du das an irgendeinem Punkt bringen würdest. Ich sag dir was: Ich habe mich in der Tat weiterentwickelt. Ich habe gelernt, die Dinge nicht mit Ignoranz zu sehen wie früher, sondern zu hinterfragen. Das ist eine Eigenschaft, die dir leider fehlt, Fälschung.“

„Wenn du dich da mal nicht täuscht. Nur weil ich den Scheiß, den du laberst, nicht glaube, heißt das noch lange nicht, dass ich mich nicht während des letzten Jahres verändert habe.“ Anya dachte an all ihre Freunde, die sie während dieser Zeit gewonnen hatte. „Es ist noch nicht lange her, da hätte ich auf das Leid von Leuten wie Summers geschissen. Auch wenn ich es selbst verursacht habe. Das tust du heute noch. Aber -ich- nicht. Ich werde das wiedergutmachen. Irgendwie. Und du? Du bist allein.“

Kali sah sie ausdruckslos an. Wischte sich dann mit dem Handrücken das Blut von der Nase. „Nicht ganz. Es gibt eine Person, die mir sofort geglaubt hat, obwohl sie von dem ganzen übernatürlichen Kram keine Ahnung hatte. Jemand, der mir geholfen hat, noch bevor ich Lady Gardenia begegnet bin.“

„Zachariah“, wusste Anya, „und der ist so hohl wie diese 1-Dollar-Weihnachtsmänner von Walmart.“

„Täusch' dich da mal nicht“, murmelte Kali leise.

 

~-~-~

 

„… als sie da weinend – und das musst du dir mal vorstellen – vor mir stand, wusste ich, dass etwas nicht stimmte.“ Der Blonde im Schutze des rostigen Bunkers lachte bissig. „Das Erste, was ich getan habe, nachdem sie mir ihre Geschichte erzählt hat, war sie auszulachen. Aber sie blieb stur und beharrte auf diesen Quatsch. Und so kreativ und simpel meine kleine Schwester auch ist, ist sie doch nicht so dumm, sich so etwas auszudenken und dann zu hoffen, ich würde ihr das abkaufen.“

Vor ihm stand ein brünetter Ritter, dessen silberne Rüstung durch hellblaue Lichtadern regelrecht strahlte. Ein roter Pelzumhang machte deutlich, dass dies kein gewöhnlicher Krieger, sondern der legendäre König Artus war.

An dessen Arm war ein silberner Schild befestigt, der Ausrüstungszauber [Noble Arms Of Destiny]. Dazu schwang er noch zwei Schwerter, ebenfalls Magiewaffen – [Noble Arms – Gallatin], ein schlichtes Einhandschwert mit leuchtender Klinge. Und Artus' eigene Waffe, ein Schwert mit goldener Parierstange, durch dessen Klinge zwei blaue Lichtadern strömten: [Noble Arms – Caliburn]. Zwei Lichtsphären umkreisten den König dabei.

 

Artorigus, King Of Noble Knights [ATK/3500 DEF/2000 {4} OLU: 2]

 

Ihm gegenüber stand der Werwolf, der sich an seinem Hinterkopf kratzte. „Wow, gutes Kombospiel. Da frage ich mich, wie Anya so einfach mit dir fertig geworden ist.“

Vor ihm befand sich ebenfalls ein Xyz-Monster, doch um dieses rotierte nur eine Overlay Unit. Es war ein Krieger in gold-weißer Rüstung, auf dessen Rücken sich eine rot-goldene Platte befand, an der zwei Kanonen befestigt waren. Dazu war er ebenso mit riesigen Panzerhandschuhen bewaffnet, an welche zu allem Überfluss noch orangefarbene, kurze Scheren angebracht waren.

„Selbst [Constellar Praesepe] hält da nicht mit“, murmelte der Kopftuchträger, der den Wald im Rücken hatte, leise. „So ein Mist …“

 

Constellar Praesepe [ATK/2400 DEF/800 {4} OLU: 1]

 

Zwar hatte Zanthe Lebenspunkte-technisch die Nase vorn, aber bereits genug von Zachariah gesehen, um zu wissen, dass man Anyas Bruder nicht unterschätzen durfte.

 

[Zanthe: 4000LP / Zachariah: 2900LP]

 

Aber das war es gar nicht, was ihm solches Kopfzerbrechen bereitete. Nicht mal ansatzweise. Es war das, was fast nebenbei fallen gelassen hatte.

Das war unmöglich, dachte Zanthe dabei mit weit aufgerissenen Augen. Anya war gar nicht echt? Sondern nur eine Kopie von Kali? Das konnte nicht stimmen! Dieser Typ verdrehte da wohl ein paar Tatsachen. Oder er log. Es gab keinen Grund, sich von dieser Geschichte verunsichern zu lassen. Er musste so schnell wie möglich zu Anya!

 

„Ich nutze den besonderen Effekt von König Artorigus! Für jede seiner Ausrüstungskarten kann ich eine deiner Zauber- oder Fallenkarten vernichten“, erklärte Zachariah und fuhr sich durch sein volles, blondes Haar und zog dann das Monster [Noble Knight – Medraut] unter der schwarzen Karte auf seiner Duel Disk hervor. „Los!“

Zanthe sah erschrocken auf die vor ihm verdeckt liegende Karte.

Schon absorbierte der Ritter mit Caliburn eine der um ihn kreisenden Overlay Units und schleuderte eine elektrische Schockwelle auf sein Ziel.

 

Artorigus, King Of Noble Knights [ATK/3500 DEF/2000 {4} OLU: 2 → 1]

 

Jene wurde von der Spannung regelrecht zerfetzt. Doch Zanthe grinste auf einmal neckisch. „Na sowas? Lernt man bei euch Bauers nicht, dass andere sich eure Strategien durchaus merken?“

„Pardon?“

Die Fragmente von Zanthes zerstörter Falle setzten sich langsam zu einer mechanischen Sphäre zusammen, in der eine riesige Linse eingebaut war.

„Du hast gerade [Security Orb] zerstört. Pech für dich, denn wenn du das tust, zerstört sie wiederum eine deiner Karten.“ Der Schwarzhaarige richtete den Zeigefinger auf den Edlen Ritter. „Schade, der heiße König hat leider nur einen Kurzauftritt …“

Da schoss die Sphäre schon einen gleißenden, roten Laserstrahl ab. Artorigus hob sofort seinen Schild, um sich zu schützen.

„Ich kann dir einfach nicht das Herz brechen. [Noble Arms Of Destiny] schützt seinen Träger einmal pro Zug vor dem Tod. Du kannst also getrost noch ein wenig Zeit mit Gaffen verbringen.“

Zanthe keuchte leise. Natürlich wusste er das längst. Obwohl der Druck groß war, konnte der Ritterkönig der Macht der Technologie widerstehen, bis die Kugel ausgepowert verschwand.

„'nen Versuch war's wert“, zuckte Zanthe mit den Schultern.

„Aber dabei bleibt es auch! Angriff, Artorigus!“

Der sagenhafte Ritter hob beide Schwerter an und schwang sie brüllend aus. Von beiden Klingen lösten sich blaue Lichtsicheln, die in hohem Tempo auf Zanthes Sternenkrieger zu rasten.

„Effekt von [Constellar Praesepe]“, rief der Werwolf noch und riss das Monster [Constellar Algiedi] unter Praesepes Karte aus seinem Duellhandschuh hervor, „für eine Overlay Unit erhält der kämpfende Sternenkundler 1000 Angriffspunkte!“

Jener absorbierte die Lichtkugel mit einer Faust.

 

Constellar Praesepe [ATK/2400 → 3400 DEF/800 {4} OLU: 1 → 0]

 

Doch es nützte nichts. Die Energieklingen trennten beide Arme des Kriegers ab und suchten ihr nächstes Ziel. Die erste verfehlte Zanthe knapp, da er den Kopf nach links neigte. Doch die zweite erwischte ihn dadurch an der Wange, wodurch er eine tiefe Wunde erlitt. Blut spritzte durch die Luft.

 

[Zanthe: 4000LP → 3900LP / Zachariah: 2900LP]

 

„Autsch“, sagte Zanthe unbekümmert, als er sein Haupt wieder geradeaus richtete, „wie hast du das gemacht? Zauber oder Technologie?“

„Ist es wirklich das, was du in diesem Moment fragen solltest?“, erwiderte der Blonde mit der Tolle und nahm eine Karte aus seinem Blatt. „Kein Sinn fürs Wesentliche. Ich setze eine Karte verdeckt. Zug beendet.“

Jene materialisierte sich liegend vor ihm.

 

„Oh?“, machte Zanthe gespielt überrascht. „Ach ich soll dich doch bestimmt ausquetschen, was es nun mit Kali und der falschen Anya auf sich hat. Bedaure – interessiert mich nicht.“

„Aber das sollte es.“ Zachs verspielter Ton wich einem ernsten. „Denn es ist keine Lüge. Anya … Kali wurde alles genommen. Wir wollen nur ihr altes Leben zurück erkämpfen, mehr nicht.“

„Ach wirklich? Und dafür greift ihr dann Unschuldige wie Nick Harper an?“ Zanthe gluckste. „Ich geb's zu, der war schlecht.“

Die Augen des jungen Mannes verzogen sich zu Schlitzen. „Der ist eine ganz andere Geschichte.“

„Mal rein hypothetisch: Angenommen Anya wurde wirklich dupliziert, woher willst du wissen, ob deine die echte ist? Und wieso hat sie sich nicht sofort darum gekümmert, die Konkurrenz auszuschalten?“ Zanthe verschränkte die Arme. Er sollte sich das zumindest mal anhören, hatte er entschieden. „Wer Anya kennt weiß, dass sie keine Götter neben sich duldet. Auch nicht, wenn sie genauso aussehen wie sie. Dann erst recht nicht.“

Ihr Bruder lachte. „Es ist alles nicht so einfach. Und Schuld daran ist Kali selbst. Weißt du, normalerweise hättest du Recht. Aber meine Schwester ist nun mal nicht besonders clever. Kannst du dir denken, was ihr erster Gedanke war, als sie begriff, was vor sich ging?“

Zanthe überlegte einen Moment. Dann stöhnte er. „Ich kenne die Geschichte dieses Turms nicht vollständig, aber er wäre ihr Ende gewesen. Sag nicht, sie wollte unsere Anya als Opfer vorschicken?“

„Genau so ist es. Natürlich wollte sie die Kopie im ersten Moment vernichten, aber als sie merkte, dass Levrier mit jener verbunden war, erkannte sie ihre Chance.“ Zachariah griff in die Innentasche seines Jacketts und holte eine Schachtel Zigaretten samt Feuerzeug heraus. Er zog einen Glimmstängel hervor, nahm ihn in den Mund und zündete sie an. Genüsslich zog er an ihm und stieß den Rauch lächelnd aus. „Diejenige, die Levrier an der Backe hatte, würde unweigerlich vergehen. Entweder würde sie geopfert und zum Tor Eden werden. Oder sie scheiterte an der Aufgabe und verlor ihre Seele an den Limbus. Sozusagen für Kali eine Win-Win-Situation.“

Zanthe, der den Zigarettengeruch überhaupt nicht ab konnte, verzog angewidert da Gesicht. „Den Rest kann ich mir denken. Sie hatte vor, Anyas Platz einzunehmen, nachdem sie im Turm umkam.“

„Aber das ist nie geschehen. Ganz zum Entsetzen meiner Schwester.“ Zachariah blickte an die Decke des Bunkers. „Schlimmer noch, war nicht nur Anya aus dem Turm von Neo Babylon zurückgekehrt. Kurze Zeit später fand sie heraus, dass Levrier auch noch lebte. Und wenn sie eines fürchtete, dann wieder ein Gefangener der Immateriellen zu werden.“

 

Klang plausibel, befand Zanthe ehrlicherweise. Solche Ideen traute er Anya durchaus zu – zu warten, bis die vermeintliche Kopie an ihrer Stelle ins Gras biss und dann in ihr Leben zurückzukehren. Vermutlich hatte sie sich nicht einmal ausreichend Gedanken gemacht, wie sie das gegenüber Abby und Nick erklären sollte. Er konnte es schon förmlich hören: 'Die würden mir schon irgendwie glauben'.

Trotzdem. Die Frage, wieso die beiden sich so sicher waren, dass Kali das Original war, hatte er einfach ignoriert.

 

„Was hat Anya in der Zeit gemacht?“

„Als der Turm noch erscheinen musste? Ich glaube, sie hat sich bei irgendeinem ihrer Klassenkameraden einquartiert. Ernie Winter. Größter Loser dieses Planeten, sag ich dir.“

Zanthe runzelte die Stirn. „Und danach? Als Anya aus dem Turm zurückkam?“

„Das war der Punkt, an dem sie sich an mich wandte.“ Er lachte. „Das muss sie einiges an Überwindung gekostet haben. Wir können uns nicht leiden.“

Da musste Zanthe grinsen. „Und trotzdem hilfst du ihr?“

„Sie ist meine Schwester“, erwiderte Zachariah gelassen, „natürlich helfe ich ihr.“

„Fragt sich nur, was du in diesem Moment für sie tun konntest. Immerhin hat es fast ein Jahr gedauert, ehe ihr euch Anya zum ersten Mal gezeigt habt.“

 

Zanthe hoffte insgeheim, etwas mehr über die Verbindung zwischen Kali, Zach und Gardenia herauszufinden. Vielleicht war das der Schlüssel zu dieser ganzen Geschichte. Und warum die beiden sich so sicher waren, dass Anya eine Fälschung war.

 

„Stimmt. Uns wurde eines recht schnell klar. Ohne Hilfe hätten wir genauso gut versuchen können, aus einem Kreis ein Viereck zu machen.“ Wieder nahm Zachariahs sonst so unbekümmerte Miene für einen Moment etwas Ernstes an. Er zog an seiner Zigarette. „Sie – die Fälschung – war einfach stärker. Aber auch wenn es um sie schlecht bestellt ist, wollen wir sichergehen, denselben Fehler von damals nicht zu wiederholen. Wir warten nicht darauf, dass noch ein Wunder sie rettet.“

Zanthe fasste sich ans Kinn, funkelte dabei aus den Augenwinkeln Anyas Bruder an. „So ist das also? Sie ist stärker? Natürlich … Durch die Conqueror's Soul. Anya hat in dieser Zeit einige starke Feinde bekämpft. Kali nicht.“

Zu seiner vollkommenen Überraschung zuckte Zachariah zusammen. „Was? Woher weißt du von der Conqueror's Soul?“

„Ich stelle hier die Fragen“, gab der Werwolf jedoch eindeutig zu verstehen.

Und sein Gegner meinte. „Das hier ist gerade wesentlich interessanter geworden …“

 

~-~-~

 

„Genug Rumgequatsche!“ Kali griff nach ihrem Deck. „Ich werde es jetzt beenden! Draw!“

Während sie zog, konterte Anya mit demselben Spruch, den Kali ihr eben erst entgegen geworfen hatte. „Täusch' dich da mal nicht.“

Anstatt sich davon tangieren zu lassen, betrachtete die Kuttenträgerin gebannt ihre gezogene Karte. Ihre Lippen formten langsam ein wahnsinniges, selbstgefälliges Grinsen. „Da ist es. Endlich.“

Ruckartig blickte sie auf und hob die Hand in die Höhe. „Schwinge bis in alle Ewigkeit, Pendulum!“

Wieder tropfte eine Träne des goldenen Mecha Phönix' vor ihr auf den Betonboden, von wo aus sich das Pendelportal öffnete. „Aus meiner Verbannungszone: [Celestial Gear – Synthetic Armored Strix]! Pendulum Summon!“

Ein roter Lichtblitz schoss aus dem bunten Loch empor und formte sich zu dem schwarzen Maschinenkauz.

 

Celestial Gear – Synthetic Armored Strix [ATK/1000 DEF/1000 {4} OLU: 0 PSC: <9/9>]

 

Anya verspürte mächtiges Unbehagen. Denn angenommen diese Spinnerin war wirklich wie sie, konnte dieser manische Gesichtsausdruck nur bedeuten, dass sie es -wirklich- beenden wollte. Aber so leicht würde sie es ihrer Erzfeindin nicht machen, dachte das Mädchen mit Blick auf ihrer gesetzten Karte.

Sofort im Anschluss streckte Kali die Hand aus. „Nur als Vorsichtsmaßnahme … ich aktiviere den Zauberkarteneffekt von [Celestial Gear – Synthetic Saga Griffon]! Er und Saga Phoenix werden verbannt!“

Die beiden blauen Lichtsäulen neben ihr begannen immer stärker zu flackern, ehe sie mitsamt der beiden Mechavögel verschwunden waren. Kali erklärte: „Während der End Phase erhalte ich die beiden jedoch zurück auf die Hand.“

„Was soll der Quatsch?“

„Reine Vorsichtsmaßnahme“, wiederholte Kali sich geheimnisvoll. „Nicht dass du das, was dich erwartet, noch in irgendeiner Form abwenden könntest.“

 

Das gefällt mir nicht. Sie wird uns alle töten!

 

Thoras kauerte hinter dem Pfeiler, an den Matt festgebunden war. „Hör' auf herumzualbern!“

Obwohl jener seinen Immateriellen kannte, wusste er inzwischen, dass sich hinter dessen Slapstick-Einlagen zumeist ernste Hintergründe verbargen. Drum entschied er sich, dass er lange genug gefesselt war. „Mach mich lieber frei!“

 

Ich dachte, du stehst auf Fesselspielchen, Matthew Summers? Oh, na gut.

 

Der Kakerlakenritter zog seinen Degen und löste die Seile mit ein paar schnellen Schlägen. Matt streifte die Fesseln ab und erhob sich. „Danke …“

„Guter Zeitpunkt“, meinte Kali, „ist wirklich besser, wenn du jetzt gehst, Summers.“

„Und du lässt das so einfach zu?“

Die selbsternannte Dämonengöttin nickte. „Wir sind gewissermaßen quitt. Du bist mitverantwortlich für -sie-, ich für … alles, was dir widerfahren ist.“

Matt kniff die Augen fest zusammen. Anya wirbelte zu ihm herum, sah ihn niedergeschlagen an, nickte aber. „Yeah. Hau besser ab. Keine Ahnung, was sie vorhat, aber ich schätze mal, dass es gefährlich ist. Sorry … für alles …“

„Soll das ein Abschied sein? Wir sind noch nicht fertig miteinander“, erinnerte Matt sie kurz angebunden, starrte dabei aber Kali an. „Und was dich angeht, solltest du eins wissen: Wir sind nicht quitt – unter der Annahme, dass du die Wahrheit über dich sagst.“

Seine Worte versetzten Anya einen Stich. Er schloss nicht aus, dass sie eine Fälschung ist. Er erwog die Option, dass dieses Miststück die Wahrheit sagte. „Kch.“

„Von mir aus …“

Auf die gleichgültige Reaktion der Kuttenträgerin sprach Matt abschließend: „Deswegen bleibe ich noch ein Weilchen. Ich will sehen, wie das hier ausgeht.“

„Und dich dann um diejenige kümmern, die überlebt?“ Kali lachte. „Heh. Gefällt mir. Also dann, macht euch auf was gefasst!“

Sie streckte eine Faust aus. „Eins …“

Schon war der Zeigefinger der Blonden aufgerichtet. Und plötzlich löste sich [Celestial Gear – Synthetic Woodpecker] auf. „Zwei …“

Kali hob auch ihren Mittelfinger. Da verschwand auch ihre weiße Mechaschwalbe. „Drei …“

„Was zur Hölle macht sie da!?“ Anya weitete die Augen, als auch der schwarze Kauz sich auflöste und Kali den Ringfinger abzählte.

„Vier“, machte diese aber unbekümmert weiter, wodurch auch ihr Violettkehlchen von unten nach oben transparent wurde, bis es einfach nicht mehr da war. Kali zeigte den kleinen Finger. „Fünf.“

Und hob im Anschluss den Daumen. Zu guter Letzt ereilte ihr [Gem-Knight Pearl] dasselbe Schicksal, sodass sie keinerlei Monster mehr kontrollierte.

Levrier schwebte ein Stück zurück, um auf einer Linie mit Anya zu stehen.

 

Das ist überhaupt nicht gut! Ich spüre eine gewaltige Kraft, die im Begriff ist, zu erwachen!

 

„Ach was, fünf Monster mit einem Mal wegzuopfern ist doch -total- normal“, keifte Anya aufgeregt. „Kannst du mir nicht etwas sagen, dass ich noch nicht weiß!?“

„Er nicht“, unterbrach Kali die beiden, „aber ich. Es bleibt nämlich nicht bei fünf.“

Sie zeigte mit der anderen Hand ihr Blatt vor. „Sechs …“

Die erste der sechs Karten löste sich auf. Die Erde begann für einen Sekundenbruchteil zu erzittern.

„Huh!?“, stotterte Anya.

Auch Matt weitete die Augen. „Was soll das werden?“

„Sieben!“ Die nächste Handkarte der Kuttenträgerin verschwand. Und die Erschütterung wurde stärker. „Acht!“

Und schon waren nur noch drei Karten in ihrem Blatt. Das drauf folgende Erdbeben war stark genug, Anya und Matt ganz schön ins Schwanken zu bringen. Nur Kali blieb unberührt stehen.

„Neun!“ Noch eine verschwand, inzwischen hörten die Erschütterungen gar nicht mehr auf.

Dafür erklang aus weiter Ferne dumpf ein unheimliches Knarren. Als würde Metall gebogen werden.

„Und zehn!“, rief Kali schließlich mit aufgerissenen Augen, woraufhin die vorletzte Karte in ihrer Hand sich auflöste. Dann nahm sie die letzte und knallte sie auf ihre V-Duel Disk. „Das ist das Ende!“

In dem Moment krachte etwas durch die Decke. Anya wandte sich vor Schreck ab, Matt schützte sich mit dem Arm vor der entstanden Staubwolke. Dann geschah es wieder. Kali sah dem stumm zu, bekam all den Schmutz ab. Und sie grinste. Noch ein Bein durchbrach die Decke.

Anya wandte sich mit offenem Mund der Zerstörung zu. Inzwischen war alles über ihnen so instabil, dass der Raum einzustürzen drohte. Doch das geschah nicht.

Im Gegenteil! Unvermittelt begann sich die Decke zu zersetzen und gab den Blick auf den blauen Himmel frei. Sofort stellte Anya fest, dass sie sich in einer unterirdischen Anlage befinden mussten, schwebte ebenso die dunkelbraune Erdschicht empor und löste sich vor ihrem Augen auf.

Sie wusste wieso. Sie sah es. War ja auch kaum zu übersehen. Dieses riesige Ding, eine vierbeinige Maschine mit einem endlos langen, sich windenden Schweif. Die beiden linken Beine waren schwarz mit weißem Zackenmuster, bei den anderen zwei war es genau umgekehrt.

„Was zur Hölle ist das!?“, schnappte Anya.

„Darf ich vorstellen: [Tierra, Source Of Destruction]!“

Mit weit aufgerissenen Augen sah Anya den schlanken Körper empor, von dessen Rücken sich insgesamt zehn gläserne, recht kurze Schwingen erstreckten. Zu klein, um den Koloss je in die Lüfte zu tragen. Und dann dieser Schädel! Eine Art Helm mit roten Hörnern, die meterlange Flammen abgaben – fast wie eine Haarpracht.

 

Tierra, Source Of Destruction [ATK/3400 DEF/3600 (11)]

 

„Dieses Ding ist es wert, dass man dafür zehn Karten verschiedenen Namens ins Deck zurückschickt“, meinte Kali genüsslich beim Anblick ihrer beiden geschockten 'Gäste'.

Matt, der den Kopf bis in den Nacken gelegt hatte, richtete sich entsetzt an sie: „Ins Deck? Du verzichtest dafür auf deine Pendelmonster!?“

„Die brauche ich jetzt nicht mehr!“

 

Anya Bauer! Kommt dir dieses Erscheinungsbild nicht vage bekannt vor?

 

„Ich weiß“, erwiderte die derweil auf Levriers Einwand, „dieses Ding! E-es ist fast so wie diese Riesenziege!“

„[Sophia, Goddess Of Rebirth]“, wusste Kali sie beim Namen zu nennen. „Yeah, die gibt es nicht mehr. Aber das habe ich dir schon erzählt.“

Anya stand der Schweiß ins Gesicht geschrieben.

Und ihre geschworene Feindin lachte leise. „He he. Aber das macht nichts, denn wie du siehst, habe ich mit Tierra jetzt einen passenden Ersatz. Denn eines solltest du wissen: Tierra verfügt über genauso viel Macht wie Sophia!“

Mit Schrecken erinnerte sich Anya an ihre Begegnung mit [Sophia, Goddes Of Rebirth] im Turm von Neo Babylon. Die groteske humanoid-animalische Gestalt Sophias, mit einer goldenen und einer violetten Lichtkugel über ihren Händen, wie diese Wellen aussendeten und all ihre Karten verbannten.

„Wie ich sehe, hat das ein paar Bilder der Vergangenheit wachgerufen.“ Kali grinste süffisant. „Oh ja, ich war damals ebenso geschockt, als ich das Ding in einem Deck voller Maschinenvögel gefunden habe. Eine Paktkarte noch dazu.“
 

Zwischen Isfanel und dem Tor Eden.

 

„Ja, Levrier“, nickte Kali, „und jetzt steht ihr etwas genauso Mächtigem gegenüber. Tierra, zeig es ihnen! Source Code Eraser!“

Nur einmal, für einen kurzen Augenblick, leuchtete am Helm der riesigen Kreatur ein rotes Licht auf. Dann geschah das Unglaubliche – die Schwerkraft setzte innerhalb des viereckigen Kreidekreises aus. Anya verlor den Halt und begann mit dem Rücken zum Boden zu schweben. Auch Kali löste sich vom Boden, doch sie schlug lediglich ein Bein über das andere und stand leicht nach hinten gebeugt da, als würde sie sich an etwas anlehnen.
 

Anya Bau-

 

Vor den Augen des Mädchens verzerrte das Hologramm ihres Partners sich immer mehr, bis er sich auflöste. Sie streckte die Hand nach ihm aus. „Levrier!“

Doch er war nicht der Einzige. Auch ihr gold-schwarzer Ritter und der weiße Tiger in den Lichtsäulen, sie beide flackerten unstet auf und verschwanden. „Shit!“

Und dann sah sie alarmiert nach unten, wo sich ihre verdeckte Karte befand. Auch jene wurde von der fehlenden Schwerkraft beeinflusst, drehte sich schräg um die eigene Achse – es war die Konterfalle [Negate Attack]. Dann flackerte sie auf und verschwand.

„Was ist das!?“, schnappte Anya aufgeregt.

„Der Effekt von Tierra, wenn sie beschworen wird, natürlich. Alle Karten auf dem Spielfeld, in unseren Händen und Friedhöfen werden in unsere Decks gemischt.“

Mit zunehmendem Schrecken stellte Anya fest, dass auch von ihrem Friedhof ein flimmerndes Licht ausging und dann verlosch. Derweil nahm Kali selbst die wenigen Karten ihres Ablagestapels hervor und schob sie auf ihr Deck, das automatisch gemischt wurde. „Oh, fast hätte ich es ja vergessen. Auch Pendelmonster im Extradeck sind davon betroffen!“

„Huh!?“ Anya weitete die Augen, als sie begriff. „Gem-Eyes!“

In dem Moment schoss ein kurzer, blauer Lichtstrahl aus dem Schlitz unterhalb ihrer Deckhaltung, der in der Luft einen Haken schlug und zu ihr zurückkehrte, genauer gesagt in ihren Kartenstapel.

„Das wäre dann alles“, meinte Kali. Schlagartig normalisierte sich die Schwerkraft wieder.

Und während Anya hart auf dem Rücken aufprallte, landete Kali geschickt auf einem Fuß, setzte dann den anderen dahinter.

„Unglaublich“, hauchte Matt fassungslos, der er von allem unberührt geblieben war, „solch ein mächtiger Effekt. Dann-!“

„Korrekt“, schnitt ihm Kali ins Wort, „dir ist nichts geblieben, Fälschung. Keine Hand, kein Feld, ja nicht einmal der Friedhof, der dich sonst immer gerettet hat. Nichts.“

Anya, die sich auf die Knie rollte, sah entgeistert über ihre Schulter zur selbsternannten Dämonengöttin, die vor ihren Augen eine Faust ballte. „Jetzt weißt du, wie es mir ging, als du erschaffen wurdest. Und noch eine kleine Info zum Abschluss: Anders als Sophia, die, wenn sie über eine Abkürzung via [Negative Gate] gerufen wird, nicht im selben Zug ihrer Beschwörung angreifen darf, kann Tierra genau das.“

Die Blonde schluckte. „Shit …“

 

 

Turn 102 – Only One

Selbst unter großen Bemühungen gelingt es Zanthe nicht, an Zachariahs Artorigus vorbei zu kommen. Während ihres Duells und einem Gespräch über die Conqueror's Soul lässt sein Widersacher unerwartet einen merkwürdigen Begriff fallen. Derweil sieht sich Anya Kalis mächtiger [Tierra, Source Of Destruction] entgegen, ohne Hoffnung, das Blatt noch einmal wenden zu können …



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  fubukiuchiha
2019-07-07T15:34:51+00:00 07.07.2019 17:34
Hey,

Heftiges Kapitel und ich weiß ehrlich gesagt nicht, was ich von der Story um Kali halten soll. Bei dem Jinn wäre das zu erwarten, aber ich weiß nicht was ich glauben soll ^-^''

Die Tatsache dass Kali Gem Knight Pearl hat sollte eigentlich ein Zeichen sein, aber das wäre einfach zu krass und auch Zach und Zanthe unterhalten sich über das Thema... woher weiß Zanthe das mit der Soul Fähigkeit? O.o warum packt Zach nicht einfach aus, was es mit Nick wirklich auf sich hat.

Matt steht da wirklich zwischen den Fronten... und ich bin nicht sicher, was da jetzt passieren wird, denn eigentlich kann Anya gegen das Monster Tierra ja nichts mehr unternehmen. Spannung pur 😱
Warum muss Levrier eigentlich immer bei dir leiden? Jetzt hast du ihn auch noch in ein Kleid gesteckt XD

Bin gespannt wie es weitergeht.

Lg fubuki
Antwort von:  -Aska-
21.07.2019 17:54
Hallo,

tja, ob die Geschichte um Kali und Anya wahr ist, kann ich dir natürlich nicht verraten.
Aber freut mich, dass du es als heftig empfindest. Woher Zanthe die Conqueror's Soul kennt (kannte er schon bei seinem Debut) wird recht bald aufgelöst werden.

Warum sollte Zachariah einem Fremden wie Zanthe Nicks Geheimnis anvertrauen?
Wäre ja langweilig, wenn Anya es über Zanthe erfahren würde - sofern sie noch dazu käme.

Warum Levrier leiden muss? Ausgleichendes Karma. Er disst Anya wann immer er kann, also muss er im Gegenzug auch mal einstecken. =D

Danke für dein Feedback.

LG,
-Aska-


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