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Kalendertage

Der Tag, an ...
von

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23 - Der Tag, an dem ich Baden ging

Wenn man vom Teufel sprach, so suchte er einen sofort heim. In meinem Falle bemerkte ich ihn schon, als ich die Haustür aufschloss und es so herrlich duftend nach Essen roch. Das irritierte mich erst, konnte aber wiederum nur auf eine Person schließen lassen, die den Herd in meiner Küche anschmiss, weil eben jene den lieben langen Tag im Büro noch nicht viel zwischen die Zähne bekommen hatte und anstelle daheim lieber hier mit uns zusammen aß. Nachdem ich ihm in den letzten Tagen stets ausgewichen war, so war das nun ein äußerst cleverer Zug von ihm. Irgendwann musste ich ja mal nach Hause kommen. Unausweichlich. Man wurde rücksichtslos in den eigenen vier Wänden abgefangen und zur Strecke gebracht.

Yuuki und ich waren nachmittags von dem besichtigten Wohnklotz aus noch durch die Stadt geschlendert. Kinder wuchsen bekanntlich wie Hefekuchen. Also erstanden wir nach unzähligen Anproben und Geschmacksdiskussionen für meinen Herrn Sohn neue Turnschuhe für den Sportunterricht und einen Anorak für das kommende Frühjahr. Als wir uns dann auf den Heimweg machten, war es schon früher Abend und die Mägen hingen uns nach dem bescheidenen Mittagsmahl doch ziemlich durch. Daher hatte ich Yuuki extra versprochen, eine schnelle Mahlzeit zum Abendessen zuzubereiten, aber das hatte sich nun wohl zu unseren Gunsten erledigt.

Kakashi saß in seiner üblichen Relax-Lesehaltung mit lang ausgestreckten Beinen am Küchentisch, las auf dem Tablet seinen Lieblingsschund und beobachtete mit halbem Auge und Ohr das, was auch immer da im großen Topf auf dem Herd blubberte. Die benutzen Küchenutensilien wie Messer und Schneidebrett waren bereits auf der Spülablage gestapelt. Das war eine Eigenschaft von Kakashi, die ich sehr schätzte: Er war ordentlich. In meiner vorherigen Beziehung gab es immer den Streitpunkt, dass alles überall herumflog, bloß nicht den Weg zu seinem angestammten Platz fand. Da stand benutztes Geschirr vergessen im Wohnzimmer, dreckige Wäsche lag neben dem Wäschekorb, Apfelschalen vergammelten auf dem Küchentisch und so weiter und so fort.

Wenn ich Kakashi beim Lesen überraschte, gab ich häufig meine bissigen Kurzkommentare zum Bestehen, weil ich es mochte, wie er dann peinlich berührt krebsrot anlief. Jetzt aber fand ich es unangebracht, ihn zu ärgern, weshalb ich nur zum Türpfosten schlich. Als ich verlegen durch die Küchentür trat, wandelte sich sein übermüdeter Gesichtsausdruck zu einem vorwurfsvollen, welcher mir stumm gebot, mich ohne Widerworte ebenfalls an den Küchentisch zu setzen. Irre, wie viel Ausdruck man nur allein mit Körperhaltung darbieten und darüber hinaus Einfluss bei seinem Gegenüber erzielen konnte. Ich wünschte, ich könnte das auch. Kurze Pause zwischen uns. Ich schwieg allerdings nur kurz, um nach den richtigen Worten zu suchen.

„Ja, du hast recht. Ich hätte gleich zu Beginn etwas sagen sollen. Ich bin aber so was von überfordert mit allem. Ich wusste nicht wie. Und ich hatte Angst, du wärst vielleicht sauer.“, stammelte ich mir eine Entschuldigung zurecht.

Bei ihm bewirkte das keine große Reaktion. Das war pure Absicht. Immer noch guckte er mich wortlos an, als würde er noch auf den Rest meiner Minimalrede warten. Vermutlich eine Antwort auf „Warum?“ oder „Wieso?“ oder „Was läuft hier eigentlich?“. Bei mir löste diese Art der Verhörmethode Aggressionen aus. Das wusste er ganz genau. Und genau darum tat er es. An dieser persönlichen Art der Rache hatte er sichtlich Spaß.

„Es tut mir leid!“, blaffte ich nun.

Immer noch nichts. Außer, dass er nun wenigstens das Tablet auf den Tisch legte und provozierend die Hände in den Hosentaschen vergrub.

„Boah, ich habe gerade gesagt, dass du recht hast. Maaaann, was soll ich denn noch machen?“, verfiel ich schon fast ins Brüllen.

„Du kannst dich mal umdrehen und mit dem Kochlöffel den Eintopf umrühren, damit er nicht anbrennt.“, sagte er ruhig, hatte aber wieder dieses Grinsen auf den Lippen, dass ich ihm am liebsten sofort eine geklatscht hätte.

Es war pure Absicht, dass er das Thema nicht weiter vertiefte oder gar auf meine Entschuldigung einging. Er strafte mich mit Missachtung und Respektlosigkeit. Mit einer Energie wie Rumpelstilzchen und einem feuerroten Kopf der blinden Wut sprang ich auf, schluckte sämtliche Schimpftiraden und Hassbeleidigungen hinunter, die mir eingefallen waren, weil sie bei ihm sowieso abperlen würden wie Wasser auf Butter, und grabbelte nach dem Kochlöffel. Wieso hatte ich mir von den Hunderten von Shinobis, die hier im Dorf verweilten, eigentlich das arroganteste Arschloch von allen ausgesucht? Was hatte ich eigentlich irgendwann mal in meinem Leben verbrochen, dass mir ausgerechnet so einer zugeteilt worden war? Unaufmerksam verbrannte ich mich an dem heißen Topfdeckel, bekam dann auch noch den ebenso heißen Wasserdampf ins Gesicht und kämpfte gegen Tränen an, als ich den Topfinhalt begutachtete: Nikujaga. Das gab es im Erd-Reich auch. Ich liebte es.

Ich schluckte den dicken Kloß in meinem Hals runter, während ich Kartoffeln, Rindfleisch und Karotten in der Brühe unterhob. Das langsame Umrühren wirkte irgendwie beruhigend und vertrieb die Wut. Der dicke Kloß blieb. Und er wurde sogar noch größer, wie ich Kakashis Hand plötzlich auf meinem Rücken spürte und sie auf und nieder strich. Damit hatten wir uns wieder vertragen.

„Warum hast du immer noch so ein großes Misstrauen?“, fragte er ruhig.

„Ich weiß nicht...“, schüttelte ich den Kopf.

Misstrauen war vielleicht auch gar nicht der richtige Ausdruck. Ich war es gewohnt, alles selber zu regeln, auf eigenen Beinen zu stehen. Alles, was ich an Problemen zu stemmen hatte, stemmte ich schon immer allein und fand es befremdlich, wenn ich jemanden um Hilfe bitten musste. Daher kam ich auch nie auf die Idee, andere Menschen mit meinen Problemen zu belästigen. Immerhin hatte jeder schon seine eigenen Probleme zu meistern. Da brauchte man doch nun wirklich keine fremden Probleme noch zusätzlich oben drauf.

Ganz automatisch fiel mein Kopf zur Seite und wurde von Kakashis Schulter aufgefangen. Seine Hand hatte mittlerweile ihren Weg von meinem Rücken an meine Taille gefunden, wo sich mich hielt und mich an ihn zog. Er hatte recht. Ich sollte zukünftig meine Gedanken mehr teilen. Und als ich gerade in Begriff war, diesen Schritt zu gehen, platzte Yuuki durch die Tür und quengelte ungeduldig um Essen. Jenen hatte ich nämlich mit den Einkäufen in sein Zimmer geschickt, auf dass er die Etiketten entfernte und die Sachen in den Schrank unterbrächte.

Kakashi löste sich langsam von mir, kramte im Oberschrank nach den Suppenschüsseln und platzierte sie samt Gläsern und Essstäbchen auf dem Tisch. Das Essen verlief recht schweigend. Ein wenig Smalltalk. Mehr nicht. Und es war superlecker. Yuuki schlang gleich zwei Portionen runter, als hätte er noch nie in seinem Leben etwas zu essen bekommen. Er hatte es heute besonders eilig.

„Mama, darf ich noch Fernsehen gucken?“ bettelte er.

„Öhm, … ja, aber nicht so lange.“, gab ich als undefinierte Zeitrichtlinie an.

„Yuuki? Deine Mutter und ich sind noch mal kurz unterwegs. Ist das OK, wenn Pakkun bei dir bleibt?“, fragte Kakashi.

Hm? Was ging denn hier über meinen Kopf hinweg gerade ab? Wir wären nochmal weg? Mein Kind stand kurz wie angewurzelt in der Tür, sagte dann aber überschwänglich fröhlich zu. Vermutlich ging er davon aus, dass er mit Pakkun zusammen garantiert sehr lange Fernsehen gucken dürfte. Na, da kannte er Pakkuns Beharrlichkeit und Kieferknochen aber schlecht. Für einen kurzen Moment musste ich lächeln, dann räumte ich das Geschirr weg und sah Kakashi erwartungsvoll an. Der aber gab mir nur knapp und lächelnd zu verstehen, dass wir einen Ausflug machen würden. Das hätte er doch neulich schon vorgehabt. Erst jetzt fiel mir auf, dass er einen halbgefüllten Rucksack dabei hatte. Und schon waren wir unterwegs.

Es war dunkel in den Straßen Konohas, obwohl es noch nicht spät war. Der Himmel war bedeckt und stahl dem Mond seine Sicht auf die sich zur Ruhe setzende Stadt. Die milden Temperaturen wichen den kühlen der Nacht. Sie pendelten sich um den Gefrierpunkt ein. Immerhin hatten wir Dezember. Es war nicht zu vergleichen mit dem Klima des Erd-Reiches, wo schon seit gut sechs Wochen meine Heimatstadt unter einer Schneedecke versunken war. Meine Mutter hatten mir Fotos gemailt, wie Vater das Haus von den meterhohen Schneemassen befreite.

Dieses Mal ging es nicht fix im Ninja-Eiltempo über die Dächer, sondern gemäßigt nebeneinander her. Ich kannte unser Ziel noch immer nicht, doch diese Langsamkeit gefiel mir sehr. Es war nervenberuhigend. So locker wir schlenderten, so locker wurde auch meine Zunge.

„Dass das Kontor zumacht, weißt du ja. Und meine Firmenleitung hatte mir einen hohen Posten in der Hauptzentrale im Erd-Reich angeboten.“

Aus den Augenwinkeln schielte ich zu ihm herüber. Doch er sah nur gedankenverloren gerade aus. Alles nur Tarnung. Tatsächlich hörte aufmerksam zu und scannte jeden Millimeter von mir.

„Ich habe mich entschieden. Wir bleiben hier. Gestern habe ich meine Kündigung abgeschickt.“

Ja, nun war es heraus. Überrascht drehte er seinen Kopf zu mir, und ich blickte in weit aufgerissenen und erstaunte Augen.

„Yuuki gehört halt hierher. Und als wir vor ein paar Wochen im Erd-Reich waren, kam ich mir total fremd vor. Da ist nichts mehr so wie früher.“, erklärte ich mir mehr selbst als ihm. „Außerdem hab ich dich ja jetzt auch noch...“

Aus den weit aufgerissenen Augen wurden strahlende.

„Wie geht's nun weiter? Hast du dir schon was überlegt.“, bohrte er nun vorsichtig nach.

Dabei konnte ich ihm ansehen, dass er platzte vor Neugier. Also erzählte ich ihm von der verzweifelten Wohnungssuche, dass bei meinen Ersparnissen nur Wohnlöcher in Frage kämen und ich eventuell doch etwas gefunden hätte.

„Kannst du mir beim Mietvertrag helfen? Ich kapier die ganzen Kanji nicht.“, gab ich kleinlaut zu. „Und Bewerbungen muss ich auch schreiben...“

„Klar!“, stimmte er sofort zu, und mir fiel ein Stein vom Herzen, obwohl ich mir gar nicht hätte vorstellen können, er hätte mir die Bitte ausgeschlagen.

Er hakte nach, wo denn das Wohnobjekt der Begierde überhaupt läge. Ich konnte es ihm nur grob erklären, doch er kannte das Haus sofort. So einigten wir uns darauf, auf dem Rückweg noch einen Abstecher daran vorbei zu machen.

Apropos Rückweg: Wohin führte überhaupt unser Hinweg? Gedankenverloren hatte ich der Umgebung keines Blickes gewürdigt. Längst waren wir die Serpentinenstraße in den alten Ortskern hinab spaziert und hatten uns auf unscheinbaren Nebenwegen der landschaftsdominierenden Felsenwand mit den Hokage-Büsten genähert, die Konoha von Norden her schützte und die Altstadt vom Hochplateau trennte. Trotzdem begegneten wir auf diesen Schleichwegen Passanten, die Hokage-sama höflichst grüßten und dabei so taten, als würden sie mich an seiner Seite nicht sehen. Ihr Augen verrieten sehr wohl, wie neugierig sie mich doch alle von oben bis unten mit ihren Blicken abtasteten. Es war einfach unmöglich, mit Kakashi zusammen durchs Dorf zu gehen, ohne gegrüßt oder gar angesprochen zu werden. Privatsphäre gab es irgendwie nicht, und Kakashi füllte durch seinen Job die Rolle des bunten Hundes unausweichlich aus.

Es ging noch einige Meter weiter, bis ein hoher Bretterzaun den Weg versperrte. Er schottete einen kleinen Teil der Bergwand ab. Dahinter reckten sich einige Äste zum Himmel. Ich konnte mir keinen Reim darauf machen, was uns in den dunklen Abendstunden ausgerechnet hierher verschlagen hatte. Mein fragendes Gesicht sprach Bände wie ein offenes Buch.

„Sag mal, warst du hier schon mal in den heißen Quellen baden?“, fragte er mich.

Trotz der schwachen Straßenbeleuchtung war sah ich ihm an, wie ihm der Schalk im Nacken saß. Was auch immer in seinem Hirn gerade abging, es musste zu seiner Fünf-Minuten-Phase gehören, wo er nur Blödsinn im Kopf hatte. Natürlich hatte ich hier schon einige Male die heißen Quellen im Ort besucht, doch ich kam mit den hier hiesigen Baderitualen nicht zurecht. Zu Beginn hatte ich mir sehr viele Fauxpas geleistet, obwohl ich doch so bemüht bei den Onsenangestellten nachgefragt hatte. Es begann schon damit, dass man nicht im Stehen duschen durfte, sondern immer auf dem Hocker zu sitzen hatte. Dann reinigte man sich übermäßig gründlich mit Seife, ließ aber die Haare noch trocken. Mit einem Mini-Handtuch, welches ich daheim höchstens als Staubtuch interpretiert hätte, bedeckte man die Scham, bis man im viel zu heißen Wasser saß. In der Zwischenzeit parkte man das Tuch auf dem Kopf. Hinterher duschte man noch einmal kurz, weil man nun endlich die Haare waschen durfte. So sehr diese Art des Badens das Entspannen fördern sollte, so zog ich mein heimisches Schaumbad vor. Da gab es nicht so viele Regeln. Mit Schaudern erinnerte ich mich noch daran, wie ich zum ersten Mal meine Yukata anzog und natürlich sofort die Stoffbahnen falsch herum übereinander legte. Wenn man die Yukata vorne schloss, so kam von sich aus die rechte Stoffseite immer unter die linke Stoffseite. Andersherum macht man es nur bei Leichen. Ohje, was hatte ich mich da unmöglich gemacht.

„Hast du schon mal überlegt, woher das Wasser kommt?“, hörte ich ihn noch sagen und schon war er mit einem athletischen Sprung über den hohen Holzzaun hinweg verschwunden.

Ich stand da ziemlich bedröppelt nun allein auf dem Fußweg. Mitten im Dunkeln.

„Na los, komm mit!“

Komm mit? Boah Hatake, du wusstest genau, dass ich Sofakartoffel niemals über solch einen Zaun geklettert käme. Ich war ja sogar zu doof, einen Baum zu erklimmen, selbst wenn zwei Mann mir eine Räuberleiter anböten. Was wurde das hier überhaupt? Mein Gesicht verfinsterte sich wie ein Sommerhimmel, an dem ein heftiges Gewitter aufzog. Sekunden später klickte es einige Meter weiter und ein paar Latten des Zaunes verschwanden nach hinten. Eine dunkle Öffnung klaffte wie ein Wolfsmaul auf, aus welcher Kakashi plötzlich auftauchte. Der Zaun hatte eine Tür, die man auf den ersten Blick nicht wahrnahm, hatte sie doch zur Straßenseite hin keine Türklinke. Etwas grummelig beantwortete ich sein Grinsen und folgte ihm. Wir schlängelten uns einige Meter zwischen Bretterzaun und Felsenwand entlang. Verwildertes Buschwerk schlug mir unliebsam seine Äste ins Gesicht, als ich von Kakashi um einen Busch herumgezogen wurde und plötzlich in einem Höhleneingang stand. Höhle war wohl etwas übertrieben. Fleißige Handwerkerhände hatten hier einst einen Stollen in den Berg getrieben. Gerade mal etwas höher, als wir selber groß waren, und so schmal, dass man nicht zu zweit nebeneinander, sondern lediglich hintereinander gehen konnte. Als ich da im Eingang stand, die Kälte aus dem Berg auf meiner Haut spürte und in das schwarze Tunnelmaul sah, bekam ich Herzrasen und Schweißausbrüche. Ich habe keine Angst vor Dunkelheit, wohl aber vor Platzmangel. Allein schon der Gedanke, dass ich nun durch diesen Tunnel zu gehen hätte, versetzte mich in Panik. Reflexartig krallte ich mich in Kakashis Oberarm fest, dass meine Fingernägel sicherlich ohne Probleme seinen Knochen ertastet hätten.

„Hast du Platzangst?“

Ich nickte angsterfüllt und fühlte, wie die ersten Tränen meine Wangen hinabliefen.

„Das sind nicht mehr als zwanzig Schritte. Du schaffst das. Komm, wir zählen die Schritte zusammen.“

Er küsste meinen Tränen mit dem Stoff seiner Maske weg, nahm mich bei der Hand und schliff mich langsam, aber energisch hinterher. Jeden einzelnen Schritt zählten wir laut. Obwohl es nur zwanzig Zahlen waren, kamen mir in diesem Moment zwanzig Zahlen vor, als hätten wir bis zu einer Million hinauf gezählt. Es war nicht nur die Dunkelheit und die Enge, die ich fürchtete. In den Tiefen des Berges dröhnte es, und ich konnte mir die Ursache des Dröhnens nicht erklären. Mit jedem Meter, den wir immer weiter und weiter vordrangen, wurde es zu einem lauten Rauschen. Dann stoppte unser Gang. Kakashi musste eine weitere Tür geöffnet haben, die ich in der Finsternis nicht sah, doch mit einem Mal war das Rauschen ohrenbetäubend. Und stickig heiße Luft zog nun an uns vorbei und jagte nach außen.

Es schepperte metallisch. Dann entfachte sich eine Ölflamme in einer Sturmlaterne. Und was sie mit ihrem Licht erreichte, war echt beeindrucken. Es war eine unterirdische Höhle. Von einer etwas höheren Ebene, die in der Schwärze verschwand, stürzte ein kleiner Wasserfall herab in ein Wasserbassin. Von da zapften einige Wasserrohre unterschiedlichen Durchmessers das dampfend heiße Nass ab. Und dort, wo das Wasser über den Beckenrand überlief, sammelte es sich unterhalb in einer breiten Rinne, welche wohl aus dem Berg hinausführte.

Reden war absolut zwecklos bei diesem Krach. Es gab auch nichts zu reden. Wir entledigten uns unserer Kleidung, legten sie neben der Sturmlaterne und dem Rucksack auf einer klapprigen Holzbank ab und versanken in dem unruhigen Wasser. Es war wahnsinnig heiß. Ein Kribbeln von Tausend Nadeln auf der Haut. Und hätte mich Kakashi nicht im Arm gehalten, ich wäre sofort schreiend wieder herausgesprungen. Ein Hummer im siedenden Kopftopf müsste wohl ein ähnliches Gefühl haben, bevor er der Welt für immer Lebewohl sagte. So aber tauchten wir zwei kurz bis zum Hals unter. Es war unbeschreiblich. Die Hitze. Das Wasser. Die Dunkelheit. Unsere Körper nahe beieinander. Die Zeit stand still. Absolute Ruhe und Geborgenheit. Am liebsten wäre ich hier so ewig bei ihm geblieben.

Aber man schaffte es nicht, länger als eine großzügige Viertelstunde in dem heißen Wasser zu verweilen. Dann drängte einen der tiefenentspannte Kreislauf hinaus. Mir fielen fast die Augen zu vor Müdigkeit. Ich hatte Mühe, mich auf den Beinen zu halten. Nun bekam ich auch den Rucksackinhalt mit. Ein großes Handtuch rubbelte mir erst die nassen Haare trocken und umhüllte mich dann wie eine Toga. Jetzt erst merkte ich, wie der Stress von mir abfiel, den ich in den letzten Wochen hatte. Er hatte mich geschlaucht, gebeutelt und völlig ausgelaugt. Mein Kopf hing schon wieder an Kakashis Schulter. Mit meinen Fingern malten ich die dunkelroten Linien seines Tattoo nach. Es war gar nicht mehr gestochen scharf, sondern lief an den Rändern schon leicht aus. Auch das Dunkelrot und die schwarze, feine Umrandung verblasste. Stumm rollte mir eine Träne der Erschöpfung über die Wange. Die nächste perlte schon aus dem Augenwinkel. Warum kamen in solch herrlichen Momenten immer diese depressiven Selbstzweifel? Dass ich mit meiner Sprunghaftigkeit und Zickereien viel zu schlecht wäre für Kakashi. Kakashi, der jeden Wutausbruch von mir wegsteckte, als wäre da nichts gewesen. Der nie nachtragend war und über fast alles hinwegsah. Und erst diese Speckrollen um die Hüften, die strohige Lockenmähne und mein großrahmiges Erscheinungsbild. Ich mochte mich selber nicht im Spiegel anschauen. Was begehrte Kakashi eigentlich an so einer wie mir? Zwei Hände fassten meine Wangen und zogen mich zu einem Kuss heran. Lang und innig. Kakashi konnte gut küssen, und ich gab mich dem willenlos hin. Auch, als seine Küsse gieriger wurden und seine Hände plötzlich überall und nirgends waren. Sie strichen über meine Hand, als würden sie alle Selbstzweifel wegwischen.

Nein, ich wollte jetzt nicht nach Hause. Ich wollte hier an diesem geheimen Ort bleiben. Hier bei der Wärme und Geborgenheit. Hier, wo wir sein konnten, wie wir wollten. Hier bei Kakashi.



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