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Kalendertage

Der Tag, an ...
von

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24 – Der Tag, an dem mein Hausstand umzog

Wir hatten nach unserem gemeinsamen Bade in dem unterirdischen Tunnelsystem nicht mehr den Weg an der Wohnung vorbei gefunden, sondern Kakashi hatte mich halb schlafend Huckepack wieder daheim abgeliefert. Erst wollte ich protestieren, doch es schien im nichts auszumachen, mich wieder einmal mehr nach Hause zu bringen, und mir selber fielen schon nach dem ersten Hüpfer querfeldein über die Zäune und Dächer die Augen zu. Wohlbehalten wurde ich auf meiner Matratze abgesetzt. Womit hatte ich eigentlich soviel Aufmerksamkeit, Zuneigung und Liebe verdient? Ich war doch nur klein und unbedeutend. Ich ließ mich plump nach hinten fallen und zog mir dabei die Bettdecke über den Kopf. Klamotten ausziehen könnte ich auch später noch.

„Musst du wirklich los?“, machte ich meinem Unmut Luft.

„Ja, leider..“, gab er mir zu verstehen.

Man sah ihm an, dass es ihm selber schwerfiel, gehen zu müssen Dass er in einer Zwickmühle saß, über die er aber nicht reden wollte. Da war ich ganz egozentrisch gepolt, wenn ich von mir selber sagte, seine regelmäßigen, tagelangen Abwesenheiten würde mich ziemlich nerven. Und irgendwie war ich mir auch sicher, dass es wenig mit seinem Beruf zu tun hatte. Ich mag jetzt nicht falsch verstanden werden, denn ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass er mich betrügen würde. Obgleich er gezwungener Maßen häufig im Mittelpunkt stehen musste, wahrte er doch stets eine große Distanz zu seinen Mitmenschen. Selbst zu Personen, die ihm näher standen, hielt er ein Art von Schutzabstand. Erstaunlich, dass ich seine Nähe mit ihm teilen durfte. Einige Puzzelteile in meine Kopf aber wollten sich dennoch nicht zu einer Einheit zusammensetzen lassen, um mir ein vollständiges Bild zu offenbaren. Eingeschnappt hatte ich mich diesem Umstand zu fügen, obwohl es mir gar nicht passte. Wobei ich mir einen Gedankengang später schwor, dem Ganzen auf den Grund zu gehen, sobald mein eigenes Leben wieder in ruhigeren Fahrwassern schiffen würde.

Ein kurzer Abschied und das Versprechen, mir den Mietvertrag rechtzeitig in verständliche Sprache zu übersetzen, verschwand er nebst Vertrag in die dunkle Nacht hinein. Schnell und lautlos. Ich war zu müde, um mich über meine frische Einsamkeit aufzuregen. Also tauschte ich meine Kleidung gegen mein Nachthemd und lauschte ich in die schlafende Wohnung hinein. Absolute Stille! Erstaunlicher Weise hatte es der kleine Mops zu Wege gebracht, Yuuki von der Flimmerkiste weg und dann ins Bett zu bringen. Pakkun sollte öfters zum Hütehund umsatteln. Mit diesen letzten Gedanken endete mein Tag.
 

Die nächsten Tage verbrachte ich damit, das Leben von Yuuki und meines in Kisten und Kartons zu verpacken. Und jedes Mal, wenn wieder ein Karton voll war mit Dingen, die man nicht tagtäglich brauchte, schleppte ich einen hinunter ins Erdgeschoss. Regale schraubte ich schon einmal umzugstauglich auseinander und sortierte Schrauben und Bolzen in beschriftete Plastiktüten, auf dass ich alle Möbeleinzelteile je wieder zusammengesetzt bekommen würde. Als gute Idee empfand ich, einige verzwickte Möbelkonstruktionen zu fotografieren, damit ich später auf den Bildern nachschauen könnte, wenn ich am Verzweifeln wäre. Ich hasste umziehen. Obwohl man alles aus der alten Wohnung herausschleppte, kam nie alles in der Neuen an. Man könnte auch sagen: Einmal umziehen war genauso, wie einmal abgebrannt. Wir hatten wirklich nicht viel angesammelt in den letzten Jahren, doch es war mehr, als ich erahnt hätte. Bei dem einen oder anderen Gegenstand überlegte ich mehrmals, ob man ihn in Zukunft noch brauchen würde. Vieles fand dann nicht seinen Weg in eine Umzugskiste, sondern in die Abfalltonne. Nach einer Sichtung meiner alten Wohnung versprach das Umzugsunternehmen, welches ich wegen seines guten Preises auserkoren hatte, man würde all den Hausrat schon mit der ersten Tour abtransportieren können. Das klang nach einer schnellen Aktion. Trotzdem stresste es mich.

Die Wohnung wurde immer ungemütlicher. Yuuki nervte, weil er ständig wieder verpackte Kartons aufriss und irgendetwas suchte: Spielzeug, Baseball-Handschuhe, Schulbücher und weiß der Kuckuck, was nicht noch alles. Mein Nervenkostüm wurde immer dünner und flatterte wie eine Fahne im Wind. Ich schaute schon gar nicht mehr auf den Kalender. Die Tatsache, dass es bis zum Jahresende nur noch gute vier Tage waren, bereitete mir Schnappatmungen, Herzrasen und Bluthochdruck. Beim besten Willen konnte ich mir nicht vorstellen, wie das alles zu schaffen wäre. Es lief doch grundsätzlich nie etwas glatt. Vier Tage. Dann musste ich hier die Bude besenrein übergeben haben. Dazu käme extra eine Bevollmächtigter aus dem Erd-Reich, der die Übergabe prüfte. Angeblich war das Haus schon verkauft worden. Der neue Besitzer scharrte bereits mit den Hufen, weil er große Umbaumaßnahmen durchführen und ein neues Geschäft eröffnen wollte.

Vier Tage und ich hatte nicht mal einen neuen Mietvertrag unterschrieben. Der Hausverwalter strapazierte mich und mein Nervenkostüm auf dem Anrufbeantworter über: Ich sollte mich in zwei Tagen entschieden haben, sonst wäre die Wohnung weg. Angeblich gäbe es genügend Interessenten. Also bestellte ich ihn vor Ort in die neue Wohnung, um den Vertrag unter Dach und Fach zu bringen, und schickte Kakashi eine explosive Nachricht mit Zeter und Mordio, dass er gefälligst sein Versprechen einhalten sollte. Die Krönung bildete jedoch noch am selben Tage ein Anruf meiner Umzugsspedition. Aus mir nicht nachvollziehbaren Gründen sagten sie den Auftrag ab.

Es war zum Heulen. Es wäre die falsche Wortwahl gewesen, wenn ich behauptet hätte, ich wäre aufgekratzt gewesen. Nein, ich rastete innerlich total aus und lief Amok. Aber bevor ich wahllos Menschen auf offener Straße abschlachtete, besann ich mich eines Besseren und schleppte lieber weiter einen Karton nach dem anderen hinunter ins Erdgeschoss. Mit meiner Sportlichkeit eines Mehlsackes gleich war meine auf Wut basierende Energie schon beim gefühlten zehnten Karton verraucht. Und so saß ich auf der untersten Treppenstufe, besah meinen winzigen Kartonhaufen in der ansonsten völlig leeren Empfangshalle und wollte gar nicht daran denken, was alle noch hinunter getragen werden müsste. Es war zum Verzweifeln. Und Kakashi? Der hatte sich noch nicht gemeldet. Noch nicht einmal meine Nachricht hatte er gelesen. Pff, Blödmann! Traurig schlang ich meine Arme um die angezogenen Knie, legte den Kopf darauf und tröstete mich selber. So in Gedanken versunken verpasste ich, dass das Handy piepte.
 

Übermorgen kam schneller als gewollt. Die Wohnung wurde gar nicht leerer, obwohl mein Sohn und ich schon so einiges aus der Wohnung nach unten befördert hatten. Entnervt gab ich auf. Wenigstens hatte ich einen handfesten Grund für die Unterbrechung meiner Aufräumaktion: Ich musste pünktlich in der neuen Wohnung sein, um mich mit dem Hausverwalter zu treffen. Ich machte mir nicht die Mühe, unter die Dusche zu springen, sondern trabte so los, wie ich war. Verschwitzt, übermüdet, zerzaust und ungepflegt. Ich musste einen sehr wilden Eindruck hinterlassen haben, als ich endlich dem Verwalter gegenüber stand. Er blickte zweimal zu mir, als hätte er mich gar nicht wiedererkannt, rümpfte dann unauffällig die Nase über meinen Auftritt und versteckte seine Meinung über mich aber hinter einem künstlichen Lächeln voller schleimender Höflichkeit.

„Ich sehe, Sie haben sich entschieden. Haben Sie noch Fragen?“ tropfte es da imaginär einschleimend aus den Mundwinkeln.

Öhm, ja. Einige Fragen. Viele Fragen. Immerhin hatte ich den Vertrag nur halb gelesen und ein Viertel davon verstanden. Doch wer machte sich schon komplett zum Clown und bat den Verhandlungspartner, ob er den Text für solch Kanji-Analphabeten wie mich einmal vorlesen könnte? Natürlich tat man das nicht. Also nahm ich Haltung an, lächelte eben so gespielt höflich zurück und hoffte, die Erde würde sich auftun und den Ekelbolzen auf der Stelle verschlucken. Natürlich erst, wenn ich die Wohnungsschlüssel in der Hand hielt. Tat sie aber leider nicht. Stattdessen begann der Typ nun auch noch mit dem Quatschen von Nonsenssätzen, die ich gar nicht hören wollte. Welch gute Wahl ich getroffen hätte, wie schön das Wohnviertel und wie sicher die Wohnung an sich wäre. Na, der hielt mich wohl für komplett blöde. Eine sichere Wohnung im einem Dorf voller Ninjas? Hm, wohl eher ein Käfig voller Narren. Nein, der hielt mich nicht für blöde, schoss es mir durch den Kopf. Der dachte, ich käme von weit her und wäre ganz neu in Konoha. Eine Ausländerin, die noch nie mit Shinobis etwas zu tun gehabt hätte. Ich war in seinen Augen wohl unerfahren und fremd. Da mochte man solche Geschichten noch auftischen können. Dass Lügen kurze Beine hatten, musste der Verwalter dann doch auf dem schnellsten Wege lernen:

„ … nun, ich denke, hier können Sie in der Nähe der herrlichen Parks ganz ruhige, ungestörte Nachtruhen erleben. Hier verirren sich nur selten Einbrecher her und steigen durch die Fenster. Und schon gar nicht in dieser hohen Etage...“

„Jo!“, hörte ich da nur vom Fenster her sagen.

Wie vom Blitz getroffen schnellten wir herum. Noch nie hatte ich gesehen, wie jemand von einer Sekunde auf die nächste seine Gesichtsfarbe verändert. Es wechselte von einem wütenden Knallrot zu einem erschrockenen Blassweiß. Dem Verwalter hatte es doch satt die Sprache verschlagen, dass ich schallend laut loslachen musste. Das war zwar in dem Moment total unpassend, aber es war einfach zu komisch, wie er Kakashi anstarrte, der wie von Geisterhand das Fenster geöffnet hatte und auf dem Gitter hockte. Die eine Hand zu einem kurzem Gruße erhoben, hielt er in der anderen den gerollten Vertrag. Dabei strahlte er mich so fröhlich an, als wollte er einen aufsteigenden Wutausbruch meinerseits schon im Vorfelde abblocken und sagen: „Guck', ich bin ganz pünktlich!“ Doch stattdessen schwang er sich an meine Seite, steckte die Hände samt Vertrag in die Hosentaschen und meinte nach einer kurzen Musterung der vier Wände:

„Hierher soll es dich verschlagen? Warum hast du diese Wohnung gewählt?“

In seiner Stimme schwang der Ton des Erstaunens mit.

„Naja, du weißt doch, das Budget....“ , winkte ich nervös ab. „Und mir gefällt die Gegend. Und die Zimmeraufteilung ist doch für mich und Yuuki auch ausreichend. Ist etwas nicht in Ordnung?“

Noch immer glotzte der Verwalter Kakashi an, als hätte er einen Geist gesehen. Er sah ihm auch noch lange hinterher, als dieser mit einem kurzen Blick durch die übrigen Zimmer wandelte. Die Tatsache, dass sein Stadtoberhaupt mich so familiär duzte und ich ihn ebenso, hatte ihn auf eine lauernde Habachtstellung positioniert. Kakashi wiederum tat so, als würde er gar keine Notiz von der dritten Person in der Wohnung nehmen. Also sprach er auch frei heraus.

„Nö, alles ok. Man sagt nur über dieses Wohnhaus, dass es im Sommer sehr stickig und heiß und dafür im Winter häufig sehr kalt wird. Und man hätte immer eine relative hohe Luftfeuchtigkeit in den Räumen. Ein Teamkollege hatte hier mal gewohnt und sich immer mal wieder ausgelassen, die Wäsche würde deshalb ewig und drei Tage lang trocknen. Zu dem Vertrag: Diese fünf Passagen hier...“, dabei rollte er den nun recht geknüddelten Vertrag vor meiner Nase auseinander. „... würde ich so nicht akzeptieren.“

Ich tat, als wäre ich ein Ass im Kanji-Lesen, nickte meinem Freund bejahend zu, verstand aber nur Bahnhof. Er verstand meinen Wink mit dem Zaunpfahl und wandte sich dann rednerisch so geschickt an den Vermieter, dass auch ich mitbekam, was Kakashi in dem Vertrag bemängelte. Da ging es irgendwie um zu lange Kündigungsfristen, viel zu hohe Kautionsraten und noch so Dinge, die ich auch mit Hilfe eines Wörterbuches niemals erlesen hätte. Danke, Kakashi! Ob die Vertragsänderungen nun gemacht wurden, weil Kakashi sich viel besser mit den örtlichen Gepflogenheiten auskannte, er einfach nur gut verhandeln konnte, oder ob er den Hokage-Bonus hatte, vermochte man nicht abzuschätzen. Jedenfalls zog der Verwalter zähneknirschend nach einer guten halben Stunde wieder ab, nachdem ich unterschrieben und er mir die Wohnungsschlüssel überreicht hatte. Zwar dankte er höflichst für das abgeschlossenen Geschäft, doch unter seiner Haut kochte es. Die Luft flimmerte förmlich. Kaum war er weg, sackte ich von meiner aufrechten Haltung in mich zusammen und stand dort nur noch wie ein Häufchen Elend.

„Wann wolltest du deine Sachen rüberholen? Oder stimmt mal wieder was nicht“

Ohje, ganz böses Thema. Zu meiner laxen Haltung kam nun auch noch ein hängender Kopf dazu.

„Nö, nö, alles gut...“, log ich so schlecht wie noch nie.

Eindringliche Blicke von ihm, die mich forsch durchbohrten.

„Du stehst da wie ein Schluck Wasser in der Kurve, liest seit zwei Tagen meine Nachrichten nicht und bist zickig. Also stimmt etwas nicht.“, fasste er seufzend zusammen.

Bedröppelt gab ich zu, dass die Möbelpacker nicht zum bestellten Termin auftauchen würden. Und übermorgen müsste alles erledigt sein. Und schon waren wir wieder beim alten Thema. Ich versuchte wieder alles alleine zu regeln ohne Hilfe anzunehmen. Ich war einfach nicht teamfähig.

Kakashis notorische Seelenruhe war beeindruckend. Da würde sich schon morgen eine Lösung finden, meinte er. Seine Worte in Gottes Ohr. Gemeinsam verließen wir die Wohnung, zogen aus einem nahen Automaten zwei Dosen Schwarztee und setzten uns an die Uferböschung des Flusses. Obgleich es kühl war, fror ich nicht, sondern sah auf die fließende Wasseroberfläche und verlor mich dann in der Umgebung. Es war schön hier. Der breite, ruhige Fluss. Die rote Holzbrücke mit den zwei Brückenbögen. Weiter hinten der Hokagefelsen und die Lichter der Altstadt. Hinter uns schon die schützende Stadtmauer und dazwischen viel Feld, Wiese und Wald. Kaum waren die Dosen geleerte, verabschiedeten wir uns. Kakashi meinte noch, es wäre wohl eine Ironie des Schicksals, dass es mich ausgerechnet hierher verschlagen hätte. Er wäre öfters hier, wenn er einmal seinen Kopf frei bekommen müsste. Dann säße er genauso wie wir beide hier an der Böschung und würde in die Wolken starren. Dann ging jeder seiner Wege. Der Tag senkte sich bereits dem Ende entgegen. Und endlich kam ich auch dazu, auf mein Handy zu schauen. Ich hatte es in den letzten zwei Tagen bewusste abgeschaltet, war ich doch am Boden zerstört gewesen und hatte keinen Nerv für weiter Tiefschläge. Es war nur eine Rückantwort von Kakashi vor zwei Tagen eingegangen:

„Alles wird gut! :-)“
 

Der nächsten Morgen startete schon weit vor dem Aufstehen, als es quengelig an die Tür klopfte. Verschlafen quälte ich mich aus dem Bett und schlürfte im Morgenmantel zur Tür. Anstelle eines „Guten Morgen!“ oder „Was machst du denn hier?“, brachte ich nur heraus:

„Wieso kommst du durch die Tür?“

Wenigstens sah Kakashi genauso müde aus wie ich. Wir hätten unser gegenseitiges Spiegelbild sein können: verschlafene Augen und Haarsträhnen in alle Richtungen. Erst jetzt sah ich, dass er mit Begleitung hier war. Im Gegensatz zu uns beiden machte Tenzô hingegen einen wacheren Eindruck.

„Siehst du, nun kannst du mal was Nützliches mit dem Holzjutsu anfangen.“, sprach Kakashi über die Schulter hinweg zu Tenzô.

„Was Nützliches anfangen...“, äffte er beleidigt nach. „Ich mache grundsätzlich nur nützliche Dinge, Sempai. Aber wenn du das nicht so siehst, kann ja zukünftig jemand Anderes meine Dauermission vor Orochimarus Behausung im Wald übernehmen. Oder die Einteilung der Anbus. Oder ...“

„Nein, nein, du machst das ganz großartig. Total super! Unersetzlich!“, fiel ihm Kakashi ins Wort und winkte das aufziehende Gemütsgwitter ab. „Lass das „Sempai“ weg!“

„Jawohl, Sempai!“, schossen Giftpfeile zurück.

Wow, Bombenstimmung! Was war denn bei den beiden kaputt? Da wollte ich mich lieber nicht einmischen. Also schmiss ich Yuuki aus dem Bett, dem die Ankunft der Gäste nicht entgangen war. In der Zwischenzeit überlegte ich, was mich nun wohl erwarten würde. Hätte ich mir sparen können. Kennt ihr das Märchen von der Zauberbohne, die austreibt und bis in den Himmel wächst? Leute, so was habt ihr noch nie gesehen.

„Alles?“, sicherte sich Tenzô noch einmal ab.

„Alles!“, wies Kakashi an.

Schnelle Fingerzeichen formten sich und ein Pflänzlein wuchs. Es wucherte mit rasender Geschwindigkeit, rankte lange Äste wie gierige Finger und entfaltete Zweige, die sich um alles krallten, was nicht niet- und nagelfest war. So schlängelte sich eine komplette Wohnungseinrichtung an mir vorbei durch die Räume, zur Tür hinaus und dann durchs Treppenhaus hinab in die Eingangshalle. Mit meinem Hausrat im festen Pflanzengriff kam alles sicher unten auf dem Fußboden an und stapelte sich vorbildlich. Yuuki und ich staunten stumm. Schon nach wenigen Minuten war der ganze Zauber komplett wieder vorbei.

„Der Rest wird nachher erledigt.“

Kakashi drückte mir ein Schriftrolle in die Hand. Ein Missionsauftrag? Ich hatte doch gar keine Mission beauftragt? Man kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Verdattert blickte ich hinterdrein, wie mir ein flüchtiger Abschiedskuss auf die Stirn gedrückt wurde und die beiden Gäste wieder verschwunden waren. Es ging so flink, dass ich Tenzô nicht einmal meinen Dank ausdrücken konnte. In Kombination mit meiner aufgesparten Rache an ihm, waren wir nun wohl quitt. Nun standen nur noch mein Kind und ich hier oben in einer völlig kahlen Wohnung. Wortlos, schwer beeindruckt und perplex. Mein Magen knurrte. Es hallte in dem leeren Flur lauter als sonst.

„Lass uns irgendwo etwas frühstücken gehen!“, schlug ich Yuuki vor.

Wir stiegen gemeinsam die Treppen hinab, suchten Waschzeug und machten uns ansehnlich zurecht, dass man draußen auf der Straße herumlaufen konnte. Mit warmen Jacken und Geldbörse bewaffnet zogen wir einige Minuten später los. Bei einem kräftigenden Mahl in einem Imbiss gute fünf Minuten Fußweg vom Kontor entfernt nahm ich mir endlich die Zeit und rollte die Schriftrolle auseinander. Es war die Auftragsbestätigung über eine D-Mission und beinhaltete, meine Hausrat von A nach B zu transportieren. Natürlich ohne Schaden und komplett heimlich und ungesehen. Mit Zeitlimit. Ich musste Augen so groß wie Kuchenteller haben, weil mir nicht klar war, dass Möbelpackerdienste ein Missionsziel sein konnten. Dann fiel mir ein, dass die Schüler der Akademie öfters mit irgendwelchen einfachen Missionen als Trainingseinheit durchs Dorf gejagt wurden. Bevor sie in einer richtigen Mission ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen sollten, ließ man sie zum Üben auf die heimische Bevölkerung los. Dazu gehörten solch Aufgaben wie Haustiere einfangen, Kleinkinder bewachen oder Nachrichten überbringen. Ich kicherte, denn die Idee, meinen Umzug auf diese Weise über die Bühne zu bringen, war clever. Andererseits grenzte das schon fast an Amtsmissbrauch, denn die Mission hatte schon einen „bezahlt“- Stempel in der oberen Ecke prangen und war auch ansonsten eine ziemliche Privatangelegenheit. Ein PostIt-Zettel bat mich, als Auftraggeberin die Mission noch zu unterschreiben. So, so. Ich freute mich wie Bolle, stellte dann aber erschrocken fest, dass laut Zeitangabe im Auftrag die Mission schon seit einer guten Viertelstunde gestartet wäre. Ich trieb Yuuki zur Eile an, er solle sein Essen mit höherem Tempo in den Magen befördern, dann rannten wir los zum Kontorhaus.

In meinem ganzen Leben war ich noch nie so schnell gerannt. Schon auf halbem Wege ging mir die Puste aus. Neidvoll starrte ich Yuuki hinterdrein, der voraussprintete und mir nur noch eine Staubwolke hinterließ. Gai wäre über diese Kraft der Jugend sicherlich begeistert. Für mich hätte er garantiert nur eine Dose voll Mitleid und eine Ansammlung blöder Lebensratschläge übrig. Mit hängender Zunge kam auch ich endlich am Kontor an und sah, dass ich nichts sah: Die Eingangshalle war wie ausgeraubt leergeplündert. Keine Einbruchspuren. Kein Hinweis auf ungeahnte Gäste. Und das in der kurzen Zeit. Später hörte ich, die Kinder hätten einen Wettstreit daraus gemacht, wer am Schnellsten am Ziel ankäme. Eine ganze Schulklasse war hier am Werk gewesen. Wie die Heinzelmännchen. Wahnsinn! Ungläubig stand ich wie angewurzelt in der Haustür und musste meine Gedanken sortieren. Mein Gehirn war mit so vielen mystischen Aktionen an einem Tag völlig überfordert. So fix, wie hier alles von statten ging, kam ich nicht hinterher. Ob schon alles drüben in der anderen Wohnung angekommen war? Bei dem Tempo bestand darin kein Zweifel. Ich beschloss, den Standort zu wechseln. Wenn wirklich schon alles drüben wäre, dann müsste man wenigstens schon einmal in unserem neuen Heim den Kühlschrank befüllen und die Betten aufbauen. Alles andere könnte man nach und nach einordnen und zurechtrücken.

Als ich die Kontortür abschloss überkam mich ein mulmiges Gefühl. Vermutlich würde ich diese Tür heute zum allerletzten Male abschließen. Eine Ära endete. Nach wie vor war das Kontorhaus ein prächtiges Gebäude, an welchem die Architektur des Erd-Reiches in all seinen Facetten abzulesen war. Es hatte mir fast ein ganzes Jahrzehnt Arbeit, Schutz und Sicherheit geboten. Im Vergleich zu vielen durchschnittlichen Wohnungen in Konoha konnte man die Dachterrassenwohnung schon als gehoben, fast luxuriös bezeichnen. Unser Status, anders zu sein, hatte uns den Platz auf dem Elfenbeinturm beschert. Niemals hätte ich geahnt, dass eines Tages hätte Schluss sein können. Ich hatte immer gedachte, es würde ewig so weitergehen.

Und nun zogen wir in ein Wohnloch. Zum zweiten Mal in meinem Leben fing ich bei Null an. Diesmal aber ohne Arbeit. Ohne Sicherheit. Mit ungewisser Zukunft. Wäre ich nicht so gespannt wie ein Flitzebogen gewesen, ob unser Hausrat tatsächlich komplett und wohlbehalten bei der neuen Adresse gelandet wäre, ich hätte vielleicht das große Heulen bekommen. Doch so war ich abgelenkt genug, den Abschiedsschmerz zu verdrängen und über eine weitere Weiche des Lebens einen neuen Weg einzuschlagen. Morgen würde ich mich nach der Übergabe von den Nachbarn verabschieden. Das hatte ich mir fest vorgenommen.
 

Mit zittrigen Finger drehte ich den Schlüssel zu unserem neuen Zuhause im Schloss herum. Es war alles da. Feinst säuberlich gestapelt strahlten mich unsere Umzugskartons und Möbeleinzelteile an und warteten nur darauf, aufgebaut und ausgeräumt zu werden. Ein neues Heim wollte gestaltet und eingerichtet werden. Es gab viel zu tun!



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