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Kalendertage

Der Tag, an ...
von

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26 – Der Tag, an dem ich eifersüchtig wurde

Mensch, was war das heute früh für eine helle Aufregung gewesen. Es war Ende Januar, der Schnee lag wie eine dicke Daunendecke über ganz Konoha, und wir froren uns in unserer Wohnung halb den Allerwertesten ab. Für Yuuki waren das aber alles keine Gründe, ruhig zu blieben oder gar Trübsal zu blasen, weil wir morgens immer die Eisblumen von den Fensterscheiben kratzen mussten. Die Fensterrahmen waren derart vereist, dass es selbst Kakashi zu lästig war, seine übliche Abkürzung durch das Fenster zunehmen, sondern stattdessen ausnahmsweise das Treppenhaus benutzte. Was hatte ich da baff geschaut, als es an die Tür geklopft hatte und er lässig an dem Türpfoten lehnte.

An diesem Tage war nun alles anders. Yuuki war schon lange vor mir aufgewacht und hüpfte wie ein Flummiball durch die Wohnung. Am Frühstückstisch rutschte er aufgeregt auf der Bank hin und her. Dabei kippt seine Tasse um, ergoss sich über meine frisch aus dem Briefkasten geholte Tageszeitung, schwappte sogar noch bis über den Tisch hinüber und tropfte bis auf Kakashis Platz. Ein Glück, dass der sich gerade erst aus dem Bett quälte und den heißen Tee nicht auf den Oberschenkeln übergebraten bekam. Ich weiß ehrlich gesagt nicht so genau, was mit dem eigentlich los war. Wenn er mal hier war, dann sah der aus wie gerädert und schlief schon im Gehen ein. Kopfschüttelnd nahm ich mit einem Anflug von Besorgnis seinen akuten Schlafmangel wahr.

Wortlos holte ich einen Wischlappen. Das Ermahnen hatte ich aufgeben. Es war nun einmal ein ganz besonderer Tag. Nicht nur Yuukis neunter Geburtstag sollte heute gefeiert werden, sondern es würde die Stunde der Wahrheit schlagen. Nachdem sich mein Sohn dazumal so tapfer in der Wettkampfarena bewiesen und er sich für den wichtigen Akademieaufnahmetest qualifiziert hatte, sollte nun eben dieser Prüfungstag genau mit seinem Geburtstag auf ein und dasselbe Datum fallen. Mit schuldhaften Blick angelte Yuukis Hand nun wiederholt zur Milch und goss einen viel zu großen Schwall davon über das Müsli. Es kleckerte weiße Tropfen. Ohne Worte. Kaum war das Müsli halbwegs schadlos im Kinde verschwunden, so starrte es auf den Sekundenzeiger der Küchenuhr und konnte es gar nicht aushalten.

„Na Großer, alles startklar?“, holte ihn Kakashi aus seinen Gedanken, der sich gerade völlig übermüdet zu uns gesellt.

Nur mit Mühe konnte ein herzhaftes Gähnen unterdrückt werden. Wie von der Tarantel gestochen sprang Yuuki auf und stand da wie Rakete zum Start.

„Ohje...“, meinte Kakashi grinsend zu mir gewandt, als ich den Lappen über der Spüle auswrang. „Dein Sohn fällt schon bei der offiziellen Begrüßungsansprache durch, weil er keine Nerven mehr hat.“

Kakashi meinte das als Witz, aber Yuuki bekam das komplett in den falschen Hals und hatte schon Panik in den Augen. Ich tadelte meinen Freund, denn Yuuki war kurz vor dem Nervenzusammenbruch.

„Na, flitz' los! Du schaffst das!“, versuchte er meinen Sohn aufzumuntern.

Es brauchte keine Sekunde, da hatte Yuuki schon all seine sieben Sachen gepackt und war in einer Staubwolke verschwunden. Wow, die weite Strecke in der kurzen Zeit … Nie hätte ich gedacht, dass es in dem Kinderkopf so aufgeregt war, dass er nicht einmal auch nur ein einziges Geburtstagsgeschenk ausgepackt hatte. Rumms, hörte man noch unten die Haustür ins Schloss fallen. Und dabei wohnten wir fast ganz oben.

Die Ruhe war wieder eingekehrt in meine vier Wände. Wir saßen uns an dem kleinen Tisch in der Nische gegenüber, tranken schweigend unseren Kaffee und löffelten unsere Reisschüssel mit gequirltem Ei und Sojasoße aus. Dann widmete ich mich wieder den Schlagzeilen der Zeitung, während Kakashi etwas gedankenverloren den Dampfschwaden seines Kaffees nachblickte.

„Hey, in zehn Tagen soll ein Wetterumschwung kommen. Es soll milder werden. Hoffentlich wird dann der Schnee weniger!“, platze ich in die Stille hinein.

„Ich dachte, dir ist Schnee und die Kälte nicht fremd?“

„Sind sie auch nicht. Im Erd-Reich gibt es tonnenweise, meterhoch und monatelang das weiße Zeug. Trotzdem mag ich es nicht sonderlich. Und hier ist es echt frisch. Trockene Kälte ist ja noch erträglich, aber dass es hier so feucht in der Wohnung ist, geht echt auf die Atemwege und die Knochen.“

Voller Hoffnung, das milde Wetter würde das Raumklima zum Positiven verändern, faltete ich die Zeitung zusammen und schaute noch etwas den Schneeflocken zu. Konnte das nicht mal aufhören mit diesem blöde Geschneie?

„Wieso hast du ihn so früh losgeschickt? Nun wird er da vor dem Klassenzimmer auf und abtigern wie ein Raubtier, das seit Wochen nichts mehr im Magen hatte.“

„Solange muss er gar nicht mehr warten. Und wenn er unterwegs ist, ist er in Bewegung und etwas abgelenkt.“, zuckte er nur mit den Schulter. „Ich muss auch langsam los. Soll ich dich begleiten?“

Ich nickte. Zusammen räumten wir den Tisch hab und stapelten alles in der Spüle. Später würden noch eine Handvoll Freunde von Yuuki aufschlagen. Es würde sein Lieblingsessen und einen großen Kuchen geben. Danach würden sie sich wohl in Yuukis Zimmer verziehen und daddeln. Na, wenn es sie glücklich machte … Für Topfschlagen waren sie nun mal allesamt definitiv zu alt, obgleich sie immer noch gerne jede alte Konservendose auf der Straße zum Kicken nutzen. Allerdings hatte man bei diesen Schneewehen dazu kaum eine Chance. Es war halt blöde, dass Yuuki Ende Januar Geburtstag hatte. Da hatten wir als Eltern gar nicht so drüber nachgedacht, dass im Frühling gezeugte Kinder dann im Winter zur Welt kämen, sondern waren einfach nur perplex gewesen, wie schnell das mit der Schwangerschaft überhaupt geklappt hatte.

Als wir beide losgingen, hatte es aufgehört zu schneien. Der Himmel riss sogar kurz auf. Ich hatte ganz vergessen, wie warm die Strahlen der Sonne sein konnten und das der Himmel blau war. Fast hatte ich gemeint, einen Hauch Frühlingsluft riechen zu können. Aber das war sicherlich nur eine dumme Einbildung. Trotzdem klammerte ich mich daran fest und genoss den Spaziergang am Fluss und durch den Park entlang bis wir die Innenstadt erreichten. Sehnsüchtig streckte ich mein Gesicht der Sonne entgegen und schloss genießerisch die Augen. Noch drei Straßen weiter und wir würden vor dem Delikatessenladen und meiner Arbeitsstelle stehen.

„Und hast du dich schon eingewöhnt?“

„Naja, den Umständen entsprechend.“, gab ich zu, konnte ich mir doch tausend bessere Jobs vorstellen.

Die Zutaten, die ich im Akkord schnippelte, wurden zu herrlich leckeren Beilagen verarbeitet. Viele Hausfrauen, die nebenbei noch einer Beschäftigung nachgingen, fehlte zum Abend die Zeit, ihren ausgehungerten Familien nach einem langen Schul- und Arbeitstag noch ein üppiges Mal aufzutischen. Also kochten sie nur Reis und Fisch oder Fleisch, holten aber sämtliche Beilagen aus einem Beilagenfeinkostgeschäft. Zu meinem Erstaunen war das gar nicht mal so teuer, wie ich es vermutet hätte. Doch die Masse machte wohl den Kohl fett: Im Schnitt kaufte eine Familie bis zu zehn verschiedenen Beilagen und Leckereien. Die Berge an Obst und Gemüse, die ich vormittags zerschnitten in riesige Behälter sortierte, waren bis zum Nachmittag vollständig aufgebraucht und abverkauft. Und es war wirklich sehr lecker. Ich hatte mir nach getaner Arbeit selbst einige Probierportionen mitgenommen. Die erste Woche hatte ich schon meine Schwierigkeiten, das Pensum zu schaffen. Ich war echt am Verzweifeln, klebte mir unzählige Pflaster auf Finger mit Schnittwunden, bekam aber viel gutes Zureden von der Chefin, die sehr geduldig war. Nun machte ich meinen Job schon gut einen Monat und es war kein Problem mehr, alles zur rechten Zeit zu absolvieren. Zugegeben, ich hatte gut beobachtet, wann welche Zutaten in der Küche verwendet wurden. Also hatte ich begonnen zu optimieren. Nämlich zuerst das Gemüse oder Obst zu schneiden, was auch zuerst gebraucht wurde. Das brachte mir einen kleinen Zeitvorsprung und weniger Stress. Allerdings war ich froh, dass ich damit nur gute zwei bis drei Stunden am Tag verbracht. Sonst würde ich wohl an Langeweile eingehen. Eine Küchenfee würde ich niemals werden, auch wenn mein Essen daheim zu verdauen war und von Mitessern sogar als schmackhaft bezeichnet wurde.

„Was ist mit dir? Musst du nicht ins Büro?“

„Später erst. Ich muss erst bei Asa vorbei. Die hatte ja vorgestern bei mir übernachtet und wieder die Hälfte von ihren Sachen vergessen.“

Asa? Who the fuck is Asa?, knallte es in meinem Kopf los. Ich musste einen Blick drauf gehabt haben, der hätte umbringen können, weil mich Kakashi erst so irritiert ansah. Und anstelle einer Erklärung setzte er noch freudestrahlend obendrauf:

„Du solltest sie heute Nachmittag kennenlernen. Ich versteht euch sicherlich gut.“

Gut verstehen? Ich kochte vor Eifersucht und Wut und malte mir üble Dinge in meinem Hirn auf. Ich verbarg meinen Tobsuchtanfall hinter einem gespielten Lächeln und verschwand ohne große Abschiedsworte fix im Laden.

Asa, Asa … Was war das für eine Schlampe, die da bei meinem Freund pennte? Wieso sagte der das überhaupt zu mir, als wäre es das Selbstverständlichste, eine Zweitfrau zu haben? Oder war ich sogar bloß die Zweitfrau? Wie viele andere gab es noch? Hatte der gar keinen Anstand, so eine billige Nutte bei sich zu beherbergen? Das war mein Platz! Und wie sah die aus? Bestimmt durchtrainiert und wunderschön und blutjung und erfolgreich. Wie lange lief das schon? Und warum? Fragen über Fragen.

Mein Gesicht musste knallrot sein. Tränen verschleierten mir die Sicht. Ich fühlte mich wie vor den Kopf geschlagen und verarscht. Und obgleich ich mittlerweile nicht mehr das Gemüse schnitt, sondern mit dem Messer wie mit einer Axt auf die Lebensmittel eindrosch, dass es auf dem Schneidebrettchen nur so schepperte und klapperte, traf ich nicht ein einziges Mal meine Finger. Ich glaubte, jede Person, die mich in diesem Zustand angesprochen hätte, wäre von einem Brüllorkan meinerseits weggeweht und in der Luft zerrissen worden.

Und während ich so weiter voller Hasstiraden auf einen Weißkohl einprügelte als wäre es Kakashi selbst, merkte ich gar nicht, dass sich eine weitere anwesende Küchenhilfe längst angefüllt mit Panik aus der Küche verzogen hatte. Zusammen mit der Köchin und meiner Chefin standen sie zu dritt hinter dem Vorratsregal und beäugten mich angstvoll, wie ich schon nach gut einer Stunde alles an Lebensmittel zu Kleinholz verarbeitet hatte, was es nur so in meiner greifbaren Nähe gab. Und als ich mich dann nach der letzten Mohrrübe auch noch mit beiden Händen auf der Tischplatte abstützte, dabei ein Hackebeil in der einen Faust hielt und mit blutunterlaufenen Augen die Küche nach weiteren Obstopfern absuchten, rannten sie schreiend davon. Vermutlich dachten sie, als nächstes bräuchte ich rohes Fleisch und splitternde Knochen zum Abreagieren. Ich musste wirklich zum Fürchten ausgesehen haben, denn Rote Beete musste heute auch gewürfelt werden. Durch den Saft war meine Schürze blutrot getränkt. Wie ein Schlachter im Schlachthaus.

Die drei Damen wussten sich wohl nicht zu helfen, was sie mit so einer liebeskranken Irren mit zerrissenem Herzen wie mir machen sollten. Es dauerte keine Sekunde, da stürmten zwei ANBUs die Küche, welche wohl eher zufällig die Straße patrouilliert hatten und nun um Hilfe gebeten worden waren. Aber Wut und Trauer setzen bekanntlich übernatürliche Kräfte frei. Es sollte letztendlich vier ANBUs von Nöten sein, eine wild gewordene Sherenina Jibek an Händen und Füßen zu packen, zu fesseln und zu knebeln. Vier Mann, vier Ecken. Trotzdem strampelte ich immer noch, obwohl das dünne Nylonseil gar keinen Spielraum mehr zuließ. Ich gab auf gar keinen Fall kampflos auf.

So bekam ich gar nicht mit, wohin die Reise ging. Sie war nur von kurzer Dauer und endete an einem dunklen Ort. Dort wurde ich mit Gewalt auf den Boden gedrückt, dass ich äußerst unbequem auf meinen eigenen Fersen saß. Das kannten meine Knie gar nicht, weshalb sie schon nach ein paar Minuten schmerzvoll um körperliche Gewichtsentlastung schrien. Das ging dann wieder nur, indem ich meinen Oberkörper weit nach vorne beugte und den Po leicht anhob. Da aber meine Arme hinten auf dem Rücken zusammengebunden waren, zerrte das nun wiederum an den Schultern. Metallisch knirschend wurde eine Gittertür zugeschoben. Ich war eingesperrt. In einer Zelle irgendwo in Konoha. Nur eine Fackel auf dem Gang beleuchtete mein neues Zuhause. Ein ANBU stand draußen vor meinem Gefängnis als Wachposten. Durch meine gezwungene Sitzhaltung konnte man mir tief in den Ausschnitt schauen, und auch wenn mein Aufpasser da draußen hinter seiner Holzmaske so tat, er würde nur ab und zu einen Blick zu mir werfen, um meine Verfassung zu prüfen, so spürte ich doch genau, wie er sich an meinem Busen ergötzte. Selbst die Schlitzlöcher und die diffuse Beleuchtung konnten die Augenbewegungen nicht vertuschen. Schwein!

„Guck' nich' so, du Sau!“, brüllte ich ihn an, dass es im Gang widerhallt wie tausend Donnerschläge.

Ich hatte in meiner misslichen Lage sämtlichen Anstand verloren. Der ANBU, schuldig oder nicht schuldig, war von der Lautstärke meiner keifenden Stimme und dem schrillen Echo dermaßen überrascht, dass er zitternd seine Maske zurechtrücken musste. Danach starrte er lieber Löcher in die Luft, anstelle in meinen Ausschnitt.

Dann wurde es leise. Irgendwo tropfte Wasser herab. Beständig und hell im Ton. Erst jetzt wich meine Wut und die pure Verzweiflung machte sich in mir breit. Stumm heulte ich. Heiße Tränen zogen salzige Spuren auf meinen Wangen und endeten irgendwo im Dreck der Zelle. Ich saß im Knast. Dabei war ich doch bloß wütend gewesen und hatte gar nichts gemacht außer Gemüse schnippeln. Ich war doch das Opfer. Und nicht die dusseligen ANBUs, die mich wegzerren wollten. Selber Schuld, wenn ich sie getroffen hatte. Ich hatte sie nicht in meine Küche eingeladen.

Erst jetzt in der Ruhe bemerkte ich, dass das Seilende von meinen Händen hinauf einmal wie eine Schlinge um meinen Hals führte und dann an einem Ring in der Wand verknotet war. Ich hätte nicht einmal aufstehen können, um meine Knochen zu schonen. Ob man hier mal aufs Klo durfte? Gab es das hier überhaupt? Ich glaubte nicht. Ninjas waren böse und grausam. Und ihre Verliese noch böser und grausamer. Da kam wieder der alte Ninja-Banden-Hass hoch. Hier konnte man von der Außenwelt vergessen werden und langsam verrotten, ohne auch nur ein Lebenszeichen von sich gegeben zu haben. Und dann wurde man garantiert im staubigen Sande außerhalb der Dorfmauern entsorgt. Es gab hier unten kein Tageslicht. Wie spät mochte es sein? Wie lange war ich schon hier eingesperrt. Was passierte nun mit mir? Da mir das Zeitgefühl abhanden kam, dauerte eine verstrichene Sekunde eine gefühlte Minute. Es kam mir alles so ewig lang vor. So trostlos und hoffnungslos. Yuuki würde sich bestimmt die Augen aus dem Kopf ausheulen, weil seine Mama plötzlich wie vom Erdboden verschluckt schien. Und das an seinem wichtigsten Tag im Leben. Ich würde noch nicht einmal mitbekommen, ob er seine Prüfung bestanden hätte.

Weit am Ende des Ganges hörte ich eine Metalltür knarren. Schritte kamen zielstrebig hierher. Der ANBU vor meiner Gittertür hingegen verzog sich. Nun gab es sicherlich richtig Ärger. Das war bestimmt das Exekutionskommando. Mindestens! Ich drückte meine Augenlider fest zusammen und wartete mit gesenktem Kopfe auf das, was da auch immer kommen würde. Es kam viel schlimmer!

„Drei gebrochene Rippen, eine verstauchte Hand und ein geprellter Unterkiefer! Nicht schlecht! Verschweigst du mir ein heimliches Taijutsu-Training?“

Wer den Schaden hatte, der brauchte für den Spott wahrlich nicht zu sorgen. Und Kakashi hatte jede Menge Spott und Schadenfreude für mich übrig, wie er da lässig vor meiner Zelle stand, auf einem Klemmbrett ein Formular überflog und mich dann überlegen ansah. Ja, spotte bloß über mich, du Arschloch. Du hast mir mein Herz 'rausgerissen und übelst darauf herumgetrampelt. Ich blickte so böse durch meine schwedischen Gardinen zu ihm hinauf, als könnte ich eine von diesen berühmten Augentechniken aktivieren, die ihn auf der Stelle töten würde. Aber so einen Blick kannte Kakashi wohl schon zur Genüge, denn er blieb völlig unberührt. Ganz im Gegenteil:

„Dass du unzufrieden mit deiner Wohnung bist, kann ich ja verstehen. Aber dass du gleich hier einziehst?“

Ich strafte ihn mit Schweigen. Mit so einem wollte ich nicht reden.

„Na schön. Wenn du nicht reden magst, dann kannst du ja hier noch ein bisschen warten. So, wie du da angebunden bist, gefällst du mir ganz gut. Dann machst du wenigstens keinen Blödsinn...“, sagte er mir als Abschiedsgruß und deutete eine Drehung zur Ausgangstür an.

Auch wenn die Fackel nur schwach loderte, so konnte ich doch deutlich das fröhliche Blitzen in seinen Augen sehen.

WAS?!?! Ich soll hier bleiben? Ich will nicht hierbleiben! Ich hab hier Angst! Der verarscht mich doch! Ganz von allein kam schnelle Bewegung in meinen Körper.

„Nimm mich mit!“, flehte ich, wollte hektisch aufstehen und vergaß dabei den Strick um meinen Hals.

Voller Dummheit strangulierte ich mich selbst, brachte nur ein Röcheln hervor und kippte um. Natürlich nahm mir der Strick das Übel, und ich verhedderte mich immer mehr, wodurch auch die Schlinge sich noch kleiner zog, als sie eh schon war. Bestimmt würde gleich mein Genick knacken oder mir die Atemluft ausbleiben. Elendiges Ersticken in einer dunklen Zelle. Meine Ohren nahmen eine rasches Aufschieben der Zellentür wahr. Nur aus den Augenwinkeln konnte ich einen blitzschnellen Schatten ausmachen, der sofort bei mir war und festhielt. Ein Kunai zertrennte in der nächsten Sekunde das todbringende Seil. Ich war frei! Heftig rang ich nach Atem und würgte. Mir wurde schwindelig, und ich fiel vorn über in Kakashis Arm, der meinen kleinen Sturz bremste.

„Das mit dem Blödsinn nehm' ich zurück. Kann ich dich denn keine Sekunde allein lassen?“

Doch kannst du. Ich kam die ganzen Jahrzehnte davor in meinem Leben auch prima ohne dich zurecht. Vielleicht sogar noch viel besser als jetzt. Ohne dich wäre ich nie so sauer geworden und im Knast gelandet. Ich maulte weiter vor mich her. Viel zu viel Unruhe und wirre Gedanken tobten durch meinen Kopf, dass ich gar nichts sagen oder auch nur ein einziges Gefühl dieser Situation beimessen konnte. Ich war fix und fertig.

Er zog mich auf meine wackeligen Füße hoch. Dann folgte ich willenlos und verstummt auf einem dunklen Weg in die Freiheit. Wir marschierten durch ziemlich viele unterirdische Gänge, wobei ich mir absolut sicher war, dass ich auf diesem Weg nicht hier herein gelangt waren. Unterwegs erklärte mir Kakashi, dass der halbe Hokagefelsen wie ein Käse durchlöchert wäre, und dass er zu den ganz wenigen letzten Überlebenden gehören würde, der wohl eine vollständige Katasterkarte aller Gänge im Kopfe hätte. Die Verhörräume wären in diesem Berge, ebenso die Unterkünfte der ANBU-Einheit, die Einzelhaftzellen und noch ganz viele andere Räume, Gänge und Schutzbunker. Wir aber erreichten irgendwann einen Ausgang, der in einer schmalen Häusernische wieder an die Oberwelt führte. Als wir aus der Nische heraustraten, wusste ich wieder, wo ich war. Es war der Platz nahe des Hokagebüros, wo Yuuki einst das Haus zerlegt hatte. Nur eine Querstraße weiter lag Kakashis Wohnung. Aber das konnte ich damals noch nicht wissen. Die Marktuhr gongte zur vollen Stunde. Zwölf Uhr. Hatte ich wirklich nur eine gute halbe Stunde in der Zelle verbracht? Mir war es vorgekommen wie ein halbes Leben. Ich bekam eine leise Ahnung davon, wie es wohl wäre, müsste man ein paar Jahre oder gar für immer dort sein Leben fristen. Es schauderte mich. Wortlos blickte ich den fallenden Schneeflocken nach.

„Meinen Job bin ich wohl los...“, grübelte ich laut vor mir her.

„Wohl wahr...“, meinte Kakashi und drehte sich dann in Richtung des Hauses, dass mir für immer in Erinnerung bleiben würde.

„Vor genau sieben Monaten und vier Tagen ist das Haus eingestürzt...“, sprach er leise.

Hellhörig lauschte ich auf.

… und darüber bin ich unendlich froh. Ich liebe dich.“

Ich war platt. Das hatte er noch nie zu mir gesagt. Weder so direkt, noch durch die Blume. Ich vergaß die Welt um mich herum. Sie rückte plötzlich aus meinem Bewusstsein. Selbst die Kälte und die Schneeflocken existierten nicht mehr. Da gab es nur noch mich und Kakashi, den ich sprachlos von der Seite anstarrte wie das achte Weltwunder. Und der? Der benahm sich wie immer. Hände in den Hosentaschen. Gedankenverlorener, müder Blick noch immer auf das Haus gerichtet. Als hätte er nur für sich allein nachgedacht und nicht gemerkt, dass er laut ausgesprochen hatte. Und als er auf einmal über seine Schulter zu mir herüberblickte, strahlte er wie ein Honigkuchenpferd.

Völlig unerwartet setzte er sich in Bewegung und ging an mir vorbei. Dabei hatte ich nicht mal irgendetwas antworten oder überhaupt auf diese Liebesgeständnis reagieren können. Vielleicht hatte er in diesem Moment noch nicht mal mit so etwas gerechnet.

„Na los, wir gehen uns aufwärmen. Sonst erfrierst du mir noch!“, forderte er mich auf, als wären davor keine anderen Sätze ausgesprochen worden.

Ich lief einige Schritte hinter ihm her, um ihn einzuholen.
 

Es war tatsächlich nicht weit bis zu seiner Wohnung. Dort gab es eine heiße, reinigende Dusche und einen Lebensgeister weckenden Pott Kaffee. Und dort stand auch ein kleiner gepackter Rucksack in lila Farbtönen im Eingangsbereich. Einen Kuscheltier guckte oben raus.

Auf dem Namensschild stand in krakeliger Kinderschrift: Asa.



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