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Kalendertage

Der Tag, an ...
von

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35 - Der Tag, an dem Mama anrief

Ninjas können nicht nur klammheimlich Gegenstände aus einem geschlossenen Raum hinausschmuggeln, sondern auch ebenso hinein. So erwachte ich eines Morgens in meinem Bett und rieb mir erstaunt die Augen. Ein riesig großer Wildblumenstrauß stand auf meinem kleinen Nachttisch. Und wenn ich groß sagte, dann meinte ich groß. Er war so groß, dass er den Tisch unter sich verbarg und sich zur Zimmerwand hin die Seite plattdrückte. Dadurch bekam er eine leichte Schlagseite und fiel fast schon wieder auf der Gegenseite herunter. Der Strauß vereinte die unterschiedlichsten Blumen. Bunt und duftend. Nie war mir bewusst, dass es so viele Blumen gab, die zu ein und derselben Jahreszeit wuchsen. Mein ganzes Zimmer war erfüllt von einer angenehmen Duftnote. Wow, wie wunderschön und eine liebevolle Erinnerung an meine erste und einzige Mission überhaupt vor wenigen Tagen. Ich war wirklich überwältigt. Natürlich stand der Strauß nicht grundlos vor meiner Nase. Es war Ende Juni. Somit jährte es sich nun zum ersten Mal der Tag, als Yuuki das Haus zum Einsturz gebracht hatte. Die allererste Begegnung mit Kakashi.

Ich ergötze mich wahrlich an diesem Regenbogenstrauß und mochte meinen Blick kaum abwenden. Kakashi war im Grunde nicht der Typ, der einem Geschenke machte. Da war das hier etwas ganz Besonderes. Und weil der Strauß sogar noch einen persönlichen Bezug hatte, war er mir viel mehr wert, als eine Ladung voller Baccara-Rosen. Eigentlich könnte jeder Morgen so schön beginnen. Andererseits würde aus einer Besonderheit schnell Routine werden. Dann wäre es wiederum normal und langweilig. Es war gut so, wie es wahr.

Noch einmal streckte ich mich ausgiebig unter der warmen Bettdecke, dann hievte ich mich ungern aus den Federn hinaus. Dass mein Handy erbarmungslos lange klingelte, ignorierte ich während des Zähneputzens gekonnt. Es war keiner der Klingeltöne, die ich den Häuptern meiner Lieben zugeordnet hatte. Also wäre der Anrufer wohl ein Fremder. Da könnte man auch noch später zurückrufen. Oder besser: Sollte es derjenige oder diejenige doch einfach später nochmal probieren. Mich trieb an diesem Morgen nichts zur Eile an. Yuuki und Asa würden erst im Laufe des Tages von ihrem ersten Trainingscamp nach Konoha zurückkehren. Die Ruhe vor dem Sturm zu genießen, war nun oberstes Gebot. Ich musste mich in Bezug auf Geduld des Anrufers irren, denn schon wieder klingelte das Handy ausdauernd, fast schon anklagend. Hm, ich wollte nun aber nicht telefonieren, schlüpfte in frische Kleidung und stellte erst einmal die Kaffeemaschine an. Wer auch immer mich nerven und mir den Tag verderben wollte, mit einem Pott Kaffee ließ es sich bestimmt besser ertragen.

Ich war dumm genug, den Hörer abzunehmen OHNE auf das Display zu schauen. Aber die sofort los quakende Stimme bedurfte auch keiner weiteren Erklärung. Es war meine Mutter. Schreck lass nach!

Um meinen Schock besser verstehen zu können, muss ich etwas tiefer in meiner Familiengeschichte graben. Das hatte ich schon sehr lange nicht mehr getan, weil ich mich durch den Umzug nach Konohagakure indirekt von der Sippschaft getrennt hatte. Und bis heute bereute ich diesen Schritt keineswegs. Meine Familienkonstellation und deren Berufe und Berufungen lassen sich in wenigen Worten zusammenfassen. Mein Heimatort war und ist auch heute noch ein Dorf, in welchem sich zwei Handelsrouten wirtschaftlich günstig kreuzen. Mittlerweile ist aus diesem Dorf, wie auch Konoha, eine blühende Stadt geworden. Aus den einstigen Kleinhändlerläden und gewerbetreibenden Sippen hatten sich schon nach wenigen Jahren regelrechte Händlerdynastien entwickelt. Man wuchs in seiner Gilde auf, übernahm die Geschäfte und vererbte sie weiter. Mein Vater hatte durch kleingeistiges Geschick und viel Glück im Würfelspiel große Anteile an einer Eisenhütte nebst Stahlwerk gewonnen. Man könnte auch sagen, mein Vater „macht in Stahl“. Wie dem auch sei: In meinem ganzen Leben drehte sich alles nur um dieses Stahlwerk, streikende Belegschaften, Arbeitskämpfe und Aktienkurse. Meine Eltern mochten sicherlich im Herzen nette und aufrichtige Leute gewesen sein, doch als Kind und später als Teenager erlebte ich sie nur als völlig abgedrehtes Charity-Paar. Mein Vater lebte weit über unsere Verhältnisse, prahlte gern und gebar sich als Gottmodushändler schlecht hin. Meine Mutter spielte treu die Rolle der extremst strengen Hausvorsteherin, die das Führen der Haushaltskasse und die Erziehung der Kinder über alles stellte. Leider erfüllte sie zum Leidwesen des halben Familienclans nicht die Klischee-Rolle, einen Stammhalter zu gebären. Neben mir gab es nur noch meine jüngere Schwester und drei Fehlgeburten. Danach klappte es nicht mehr so recht mit dem Kinderkriegen. Meine Schwester ist das vollständige Gegenstück zu mir. Sie könnte glatt als Model arbeiten, wäre sie nicht so dumm wie Dosenbrot und würde sich um ihre Gage betrügen lassen. Das war keine Beleidigung, sondern ein Kompliment. Sie erfüllt obendrein ihre Rolle als Tochter aus reichem Haus vorzüglichst, konnte perfekt auf Partys und Empfängen als Dekoration abgestellt werden und taugte immer für inhaltslose Smalltalks. Da war es totale Nebensache, dass sie ihren Schulabschluss erst im dritten Anlauf mit viel Privatunterricht geschafft hatte und nur Bürotätigkeiten ohne wirtschaftliche Gewichtung abwickelte.

Ich hingegen war da wohl anders geraten und hatte recht schnell den Stempel „Schwarzes Schaf der Familie“ aufgedrückt bekommen. Weder an der Stahlindustrie, noch an der Firma meines Vaters zeigte ich Interesse. Auch weigerte ich mich, den nächstbesten Firmensohn zu heiraten, weil es unserer Firma sicherlich einen Bonus gebracht hätte. Sherenina, die Widerspenstige. Mein Schulabschluss war gar nicht mal so schlecht ausgefallen. Mathematisches Denken besaß ich auch, aber mein Steckenpferd war eher der kreative Bereich. Das war schon mal eine nicht akzeptable Kombination. Und als ich mir auch noch den Fauxpas erlaubte, mich unverheiratet von einem Ninja schwängern zu lassen, war der Familienofen aus. Es stellte den Familienfrieden nur in Ansätzen wieder her, als ich die Kontorleitung in Konoha annahm. Wenigstens ein kaufmännischer Beruf, wenn schon kein Eisen und Stahl. Für mich war der Umzug letztendlich eine Erlösung, konnte ich mich doch außerhalb der Fänge meiner Eltern frei entfalten und Yuuki nach meinen Werten aufwachsen lassen. Zwar besuchte ich anstandshalber die Heimat regelmäßig, aber ich beschränkte mich auf den knappen Informationsaustausch, dass bei mir immer alles Bestens wäre. Ich hatte weder erwähnt, dass ich arbeitslos war, noch das Yuuki zum Shinobi ausgebildet wurde. Letzteres wäre ein absolutes Desaster für das Ansehen meiner Familie. Mir war es egal, was sie über mich lästerten, solange sie mich in Ruhe ließen.

Nun aber kam ein Redeschwall durch den Telefonhörer gerauscht, der einem Monsun glich. Die knarzende und energische Stimme meiner Mutter ging durch Mark und Bein. Sie hatte eine Methode entwickelt, dass man ihre Gardinenpredigten weder durchbrechen, noch beenden konnte. Da halfen weder gute Argumente, noch Wahrheiten. Und persönliche Wünsche waren schon mal gar nicht angebracht. Und schon redete sie los ohne Punkt und Komma: Ob ich mich denn gar nicht mehr melden würde? Und warum müsste sie erst auf einer Empfangsgala bloßgestellt werden, dass ich gar nicht mehr für das Stoffkontor arbeiten würde? Wie würde es denn nun mit ihrem Enkelkind weitergehen? Ob er sehr unter meinem Egotrip leiden würde? Wie verantwortungslos wäre ich wohl? Was für eine miserable Mutter wäre ich obendrein! Es würde Zeit werden, dass man mir die Flausen aus dem Kopf treiben müsste. Und abschließend musste ich mir anhören:

„Sherenina, du solltest dringend nach Hause kommen! Hier in der Firma gibt es genug Arbeit. Du könntest einen Außenstelle leiten. Das ist ein unerträglicher Zustand, was ich da über Dritte hören muss und eine Schande für die ganze Familie. Hast du nicht schon Schande genug verbreitet? Ich werde den nächsten Zug nehmen und nach Konoha kommen!“

Dann wurde aufgelegt und ich hörte nur noch das Besetzt-Zeichen. Rumms, das hatte gesessen. Obgleich ich von meinen Eltern völlig unabhängig agierte, so war das ein Schlag durch die Telefonleitung. Natürlich war man volljährig. Da konnte man ganz getrost die Meinung der Eltern ignorieren. Doch so eine Eltern-Kind-Beziehung war etwas, was ein Leben lang hielt. Auch wenn sich die Beziehung veränderte und formte, so blieb diese Band und die Hierarchie bestehen. Es wäre wohl nur zu zerreißen, würde man sich im Streit trennen und nie wieder sehen.

Muss sie unbedingt hier vorbeikommen? Dann wäre sie ja schon heute Abend hier. Ob sie schon ein Hotelzimmer hätte? In meiner Miniwohnung könnte ich sie wohl kaum beherbergen. Da würde sie wohl eh der Schlag treffen, wenn sie meine Behausung zu Gesicht bekäme. Tausend Gedanken schossen mir durch den Kopf, wie mir die Tränen in die Augen schossen. Der Großteil der Diskussionen endeten zwischen uns meist in hitzigen Streitereien und verletzten Gefühlen. Es war noch nicht einmal neun Uhr in der Frühe, aber der Tag schien schon gelaufen. Aus dem Schrank griff ich die nächstbeste Flasche Rotwein, köpfte sie und trank sie binnen kürzester Zeit leer. Dann schleppte ich mich ins Schlafzimmer und warf mich wie ein eingeschnapptes Kind aufs Bett. Ich war fix und fertig. Was sollte ich nur tun? Da wurde ich sogar so gehässig zu wünschen, der Zug sollte einfach entgleisen. Aber Unkraut vergeht nicht. Und garantiert wäre meine Mutter als Wurzel des Bösen die einzige Überlebende.

Der Blumenstrauß! Kakashi! Ich wollte Trost. Und jemand, der mich ganz doll lieb hatte und trösten könnte. Jetzt! Sofort! Also rappelte ich mich wieder auf zur Essecke, um das Handy zu holen. Mir doch egal, ob Kakashi nun eben in einer Besprechung hockte oder nicht. Ich wählte seine Nummer, aber es ging nur der Anrufbeantworter ran. Maaannn! Also wählte ich mal eben ganz dreist die nächste Nummer, nämlich die Amtsdurchwahl fürs Hokagebüro. Mir ging's beschissen und das hier war ein absoluter Notfall! Zumindest aus meiner Sicht. Andere Sichten waren mir so was von egal. Es knackte kurz in der Leitung, dann ertönte das Freizeichen. Nur zweimal Tuten und Gai nahm ab. Ha, Gai! Welch perfektes Opfer für meinen Frust. Gai würde mich bestimmt verstehen und mich zu meinen Freund ins Büro durchstellen. Natürlich ging der Plan auf. Ich klang nicht nur total verheult, ich war es. Und als ich Gai auch noch was vom persönlichem Weltuntergang und vom Ende des jugendlichen Feuers berichtete, war der ganz auf meiner Seite. Da war es doch für eine Selbstverständlichkeit, dass hier ein totaler Notfall vorlag. Er stellte mich zwar nicht wie gewünscht durch, warf aber den Hörer auf die Gabel und machte sich sogleich selber auf den Weg, meinen Hilferuf persönlich zu überbringen. Ich konnte es mir sogar bildlich sehr gut vorstellen, wie Gai mit seinem Rollstuhl voran preschen und sein noch gesundes Bein als Rammbock gegen Kakashis Bürotür nehmen würde. Er würde wie eine glühende Supernova hereinplatzen, und mein Freund würde sich genervt mit der flachen Hand an den Kopf schlagen, wenn er den Grund des Auftritts erfahren würde. Allein diese Szenerie vor Augen zu haben, hob meine Stimmung. Ich musste schmunzeln. Dass Gais Büromission erfolgreich gewesen sein musste, verriet eine Viertelstunde später das Piepen meines Handys:

„War der Strauß nicht groß genug? ;-) Kannst du mich gegen Mittag bei Ichiraku einsammeln? Ich hab' nämlich noch so eine frustrierte Seele im Schlepptau! Ist das OK?“

Noch eine frustrierte Seele? Da fiel mir aus Kakashis Erzählungen eigentlich nur eine passende Person ein, die man ausgerechnet bei Ichiraku trösten konnte, und das machte mich schon wieder neugierig. Naruto war ich noch nie persönlich begegnet und es interessierte mich brennend, ob all das, was Tenzô und Kakashi in Nebensätzen über ihn vom Stapel gelassen hatten, auch wirklich so stimmen würde. Also stimmte ich dem ungeplanten Dinner-for-three zu.

Bis zur verabredeten Mittagessen hatte ich noch etwas Zeit. Meine Wohnung sah wirklich ordentlich aus. Dennoch räumte ich alles noch akribischer auf als sonst, putze und scheuerte jeden Winkel, dass es nur so blitzte, und sortierte noch meine Ablage an Briefen und Rechnungen in die passenden Ordner. Man würde weder ein Staubkorn, noch eine Hausstaubmilbe bei mir vorfinden. Falls Muttern wirklich noch hier aufkreuzen würde, was ich tunlichst vermeiden wollte, so wollte ich mir nicht nachsagen lassen, ich wäre eine Schlampe. Den Strauß stellte ich mitten auf den Küchentisch. Da kam er noch viel besser zur Geltung als neben meinem Bett. Passend zum elften Gongschlag der weithin hörbaren Stadtglocke hatte ich die Hausarbeit beendet und blickte zufrieden auf mein Werk.

Draußen herrschten hochsommerliche Temperaturen. Sobald die Sonne zum Nachmittag am Himmel weitergewandert wäre und die Welt auf Rekordgrade puschen würde, würde es auch hier drin so heiß werden. Also zog ich noch die Vorhänge zu, um die größte Hitze auszusperren. Ich wählte ein einfaches, langes Sommerkleid und einen Strohhut als Schattenspender. Gemütlich machte ich mich auf den Weg.

Es war schwer zu glauben, dass Kakashi und Naruto bereits so zeitig bei der Suppenbude am Tresen saßen. Während vor Kakashi nur eine einzige leere Schüssel stand, stapelten sich vor Narutos Nase schon vier solcher Schüsseln. Meine Güte, wo in seinem Körper hat der soviel Stauraum für soviel Nahrung? Die Fünfte wurde gerade in Beschlag genommen. Während er seine Nudeln in Rekordzeit lautstark schlürfte, hörte er aufmerksam den erklärenden Worten zu und nickte, als würde er alles verstehen. Aber seiner Mimik nach zu urteilen, kapierte er gar nichts, während Kakashi entnervt, aber ausdauernd, nochmal von vorn begann. Da herrschte dicke Luft. Ich gesellte mich still dazu, als würde ich nicht dazugehören oder gar die beiden kennen, grüßte kurz höflichst Teuchi und Ayame zu und gab meine Bestellung auf. Dabei erklomm ich den Hocker genau neben meinem Freund, weil er der einzige noch Freie war. Geschickt eingefädelt. Unauffällig aß ich mein Ramen und lauschte gespannt der Diskussion neben mir zu. Es ging irgendwie um Teameinteilungen und was man bei der Auswahl der Shinobi zu berücksichtigen hatte. Ziemlich komplex das Ganze. Und ja, es stimmt: Wenn man auf Tonkotsu Ramen stand, war man bei Ichiruka goldrichtig. Nirgends gab es eine vergleichbar gute Qualität mit allerbestem Geschmack. Es klapperte. Teuchi schob mittlerweile Portion Nummer Sieben über den Ladentisch, während Ayame die dreckigen Schüsseln spülte. Ob er es wohl bereute, Naruto zur Hochzeit eine kostenlose Ramen-Flatrate geschenkt zu haben? Es reichte, ein stummer Beobachter zu sein. Naruto war wirklich so, wie beschrieben. Ich konnte mir ein Lachen nur schwer verkneifen. Man musste ihn auf eine ganz besonderes Art und Weise einfach mögen.

Doch ich wollte nicht als lauschendes Mäuschen auffallen, zahlte meine Portion und rutschte wieder vom Hocker hinunter. Dabei streiften meine Finger unauffällig den Oberschenkel meines Freundes. Eines von unseren Zeichen, dass wir uns gleich treffen würden. Und schon war ich unter den Sonnenschutztüchern, die vor der Nudelbude hingen, durchgeschlüpft und setzte meinen Weg fort. Kakashi würde bald folgen. Unterwegs zog ich zwei Dosen Eiskaffee aus dem Automaten. Einmal schwarz und einmal mit allem. Ein Kaffee war in meinen Augen erst ein vollwertiges Nahrungsmittel, indem er Kohlenhydrate in Form von Zucker und Eiweiß mittels Milch beinhaltete.

Erbarmungslos brannte die Sonne und trieb aus jeder Hautpore den Schweiß. Ich erklomm eine Treppe. Obgleich sie nicht viele Stufen hatte, japste ich oberhalb auf der Brücke die stickige Luft ein. Es gab viele Hochwege für Fußgänger zwischen den Häusern. Einer dieser Wege zwängte sich eng in einer Häuserschlucht entlang und war nur deshalb so hübsch, weil er durch Stauden und hochstämmige Bäumchen begrünt war. Mit viel Liebe pflegten die hier Wohnenden ihren Gartenstreifen im öffentlichen Raum. Die steinernen Beeteinfassungen boten unzählige Sitzgelegenheiten. Man tat diesem grünen Kleinod unrecht, dass es kaum besucht wurde. Dabei war es gerade hier bei diesen hochsommerlichen Temperaturen sehr schattig und erfrischend. Neben einem Wasserspiel aus Bambusrohren nahm ich Platz, öffnete schon mal meine Dose und ließ meine Beine genauso baumeln wie meine Seele. Es knackte metallisch. Die zweite Dose wurde geöffnet. Kakashi war eingetroffen und saß von einer Sekunde auf die andere lautlos neben mir.

„Bist du sicher, dass Naruto irgendwann mal deine Nachfolge antreten wird? Das vorhin hab' ja sogar ich in Ansätzen verstanden“, schmunzelte ich.

„Warum nicht? Fürs geistig Anspruchsvolle hat er doch Shikamaru. Der regelt ja jetzt schon ganz viel allein“, spielte er den Ball zurück. „Und welche Laus ist dir über die Leber gelaufen?“

Das klang ziemlich gereizt. Es mussten heute wohl schon so einige ihren Frust bei ihm abgeladen haben. In Anbetracht, dass gerade ein halber Arbeitstag verstrichen war, schrie das förmlich nach einem übellaunigen Hokage-sama. Wenn er eines nicht mochte, dann dass man seine nicht vorhandene Arbeitsmotivation noch durch uneigene Problemchen schrumpfte und sich dadurch seine Schicht noch unnötig in die Länge zog. Und nun kam ich auch noch mit meinem Familienluxusproblem daher. Da nagte das schlechte Gewissen und am Liebsten hätte ich einfach behauptet, es wäre bereits alles wieder in Ordnung. Aber ich war eine extrem schlechte Lügnerin. Also fasst ich mich kurz:

„Meine Mutter hat angerufen, mir eine Tracht Prügel durchs Telefon verpasst und steht nachher auf der Matte.“

„Ich dachte, ihr habt kaum Kontakt? Was will sie denn?“

Kakashi blickte erstaunt herüber, hatte ich doch nie viel über meine Familie erzählt. In Kindheitstagen hatte ich meine Familie sehr gemocht und geliebt. Erst das liebe Geld brachte alles durcheinander und die Hasskappe wuchs.

„Keine Ahnung. In ihrer ach so tollen Welt kann es einfach nicht sein, dass ich aus dem Rahmen falle. Ich hatte ihr bis heute nichts von meiner Situation erzählt und auch nicht, dass Yuuki auf der Akademie ist. Das hat sie wohl ungünstiger Weise durch die Buschtrommel erfahren“, sprudelte ich los und ergänzte nach einer Pause leise. „Und sie will, dass ich zuhause mit in die Firma einsteige.“

„Und steigst du ein?“

Sein Blick durchbohrte mich, als würde er nur eine einzige Antwort akzeptieren können.

„Um Himmels Willen, NEIN!“, fuhr ich erschrocken hoch. „Natürlich wäre es rein vom Kopfgefühl eine gutes Angebot. Meine Geldprobleme wären passé. Aber ich will das nicht. Sonst hätte ich ja schon vor einem halben Jahr im Stoffkontor eine andere Position bekleiden können. Ich will hier bei dir bleiben.“

„Dann sag ihr das auch so. Vielleicht reist sie dann schneller wieder ab, als du denkst. Mir fällt eben auch nicht ein, wie ich dir helfen könnte, sie nicht zu treffen. Wenn ich sie draußen vor den Stadttoren stehen und sie nicht einreisen lasse, müsste ich mir da echt triftige Gründe ausdenken. Das wird nichts. Und einfach mal so eben den Zug aus der Kurve schmeißen, weil eine Schiene gebrochen ist, kommt auch nicht gut an. Zumindest nicht bei den restlichen Passagieren.“

Ich kicherte, weil ich die Vorstellung, wie meine Drachenmutter vor dem Stadttor Zeter und Mordio schreien würde, zum Schießen fand. Und ich wusste nur zu gut, dass Kakashi nur einen Witz gemacht hatte, um mich aufzumuntern. Im Inneren hatte ich mir schon solch verrückten Lösungsvorschläge ausgemalt. Schon toll, dass wir beide häufig dieselben blöden Ideen hatten.

Leider war Kakashis Freizeit heute recht knapp bemessen. Wir verabredeten, dass wir uns später noch einmal austauschen würden. Ich sollte bis dahin in Erfahrung bringen, wann mein Besuch einzutreffen pflegte. Meist würden sich daraus schon neue Pläne ergeben. Ich schätzte an dieser Stelle seinen fast grenzenlosen Optimismus. Kurz darauf war er ebenso schnell verschwunden, wie er aufgetaucht war.

Meine Hand tief in meiner kleinen Tasche vergraben, suchte ich nach meinem Handy und wählte die Nummer meiner Mutter.

Mochte der Drache einfliegen!



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