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Secrets

von

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Depression

Es waren Tage vergangen. Nicht nur Tage, es mussten inzwischen schon fast zwei Wochen sein. Ich kann mich nicht erinnern. Ich wollte damals schon nicht über das reden, was passiert war, kein Stück. Fakt war, dass ich eines Tages endlich den Weg aus dem Felstunnel fand und von den Sonnenstrahlen beinahe geblendet wurde. Ich war am Ende meiner Kräfte, meine Haut völlig zerkratzt und aufgerissen, von oben bis unten mit Dreck besudelt. Ich erinnere mich noch, wie ich mich mit letzter Kraft an der Felswand festklammerte und versuchte, die Wärme auf meiner Haut zu genießen. Ich war völlig ausgehungert und fast am Verdursten. Meine Hände zitterten. Mein ganzer Körper bebte. Und schließlich konnte er mein Gewicht nicht mehr halten. Ich brach zusammen.

Es war einige Zeit einfach nur alles schwarz vor meinen Augen. Ich fragte mich für einen Moment sogar, ob das nun doch der Tod war, der mich einholte. Und wie ich überhaupt darüber nachdenken konnte…

Irgendwann spürte ich etwas, das meine Augen zu durchdringen schien. Ich öffnete sie, und wieder war es das Sonnenlicht, das mich blendete. Rasch hielt die Augen doch lieber geschlossen und versuchte, meine übrigen Sinne in Gang zu bringen. Ich spürte etwas. Ich lag auf etwas Weichem. Etwa ein Bett? Aber wo war ich?

War ich denn doch noch am Leben?

Wieso war ich nicht tot?

Ich öffnete erneut die Augen und spürte in dem Moment eine warme Hand, die sich auf meine legte. Gefolgt von der Stimme eines alten Mannes: "Bleib ganz ruhig liegen, mein Kind. Du bist schwer verletzt, deine Wunden müssen heilen."

"Was…" Ich war wie benebelt. Allmählich konnte ich meine Augen offenhalten. Ich sah in das Gesicht eines kahlköpfigen Mannes mit buschigen, weißen Augenbrauen. Er schenkte mir ein ermutigendes, wenn auch besorgtes Lächeln.

"Wie … wie lange habe ich geschlafen? …", brachte ich mit viel Mühe hervor. Zu sprechen, kostete mich unheimlich viel Kraft.

"Fast drei ganze Tage", antwortete der alte Mann. Schockiert richtete ich mich sofort auf. "Was?!"

"Leg dich wieder hin", sagte der Mann und schob mich wieder in die Kissen zurück. "Deine Wunden sind noch lange nicht verheilt. Du bist dem Tod nur knapp entkommen."

Erst jetzt bemerkte ich, dass jemand meine Wunden versorgt und verbunden hatte. Das musste dann wohl dieser Mann gewesen sein. Ich konnte mich kaum noch erinnern, was passiert war. Es war, als ob nur düstere Leere in meinem Kopf herrschte. Ich wusste weder wo ich war, noch wie ich hergekommen oder was passiert war. Ich wusste nichts.

"Wer sind Sie?…", fragte ich leise und bemühte mich, ruhig dazuliegen. "Und wo sind meine Pokémon? Was ist mit ihnen?"

"Denen geht es gut, keine Sorge. Sie sind alle wohlauf", antwortete der alte Mann. "Ich bin Mr. Fuji. Und du bist Rei, nicht wahr?"

"Woher kennen Sie meinen Namen?…"

Mr Fuji lachte auf. "Es war dir anzusehen. Du bist deinem Vater unheimlich ähnlich. Er hatte denselben entschlossenen Gesichtsausdruck wie du. Zudem bist du ihm wie aus dem Gesicht geschnitten. Und dann war da noch dieser Anhänger…"

Ich neigte den Kopf ein wenig, um zu sehen, was Mr. Fuji tat. Er nahm den Anhänger vom Tisch, den mir Ōkido gegeben hatte, und seufzte. "Leider ist die Kette gerissen. Aber es sollte möglich sein, eine neue dafür zu finden. Der Anhänger selbst ist nicht beschädigt. Du solltest gut darauf Acht geben."

Er hielt ihn mir entgegen. Ich hob eine zitternde Hand, und Mr Fuji ließ den Anhänger hineinfallen. Das Band war komplett durchgerissen. Ich schloss den Anhänger fest in meine Hand und legte sie auf meine Brust. Vielleicht war er doch so etwas wie ein Glücksbringer.

"Er hat mal deinem Vater gehört", erzählte Mr. Fuji plötzlich. Ich wandte ihm wieder das Gesicht zu. "Sie kannten ihn?"

"Oh ja." Mr. Fuji nickte eifrig. "Ich kannte ihn sogar nicht nur. Ich war sogar dabei, als er diesen Stein gefunden hat."

Mein Herz fühlte sich an, als wollte es gleich aus meinem Körper springen. Ich starrte ihn an. "Was haben Sie mit ihm zu tun?"

"Nun … das ist nicht so wichtig", sagte er abweisend und erhob sich. "Jedenfalls habe ich ihn einst mal auf eine kleine Expedition begleitet, bei der er diesen Stein gefunden hat. Er hat ihn in diesen Anhänger eingearbeitet und aufbewahrt, er wollte ihn dir überlassen, damit du eines Tages sein Geheimnis lüftest."

"Wissen Sie, was es damit auf sich hat."

"Nein", sagte er, und es klang ehrlich. "Ich war damals genauso fasziniert wie dein Vater. Ich hätte gerne herausgefunden, was es damit auf sich hat, aber ich bin ohnehin viel zu alt, um mich damit noch zu beschäftigen, und außerdem hat dein Vater ihn gefunden, also hatte er auch den Anspruch. Es war sicher eine kluge Entscheidung. So, nun ruh dich noch ein wenig aus…"

"Nein, warten Sie!", rief ich, warf die Decke beiseite und wollte aufstehen, doch ich bereute es sofort. Ich konnte nicht einmal sagen, welcher Schmerz der schlimmste war. Mir wurde schwindelig.

"Leg dich wieder hin", mahnte Mr. Fuji und sah mich ernst an. "Ich sagte doch, dass deine Wunden heilen müssen. Du wärst beinahe gestorben! Bleib, wo du bist, und ruh dich aus. Ich mache dir was zu essen."

"…geht es Fukano gut?", fragte ich vorsichtig und ließ mich langsam ins Kissen zurückfallen. "Ich meine … er hat einiges abbekommen …"

"Er ist bald wieder völlig gesund", sagte Mr. Fuji und schenkte mir ein Lächeln. "Wir haben uns natürlich auch gleich um deine Pokémon gekümmert. Was gar nicht so einfach war, muss ich dir sagen. Fukano hat mich erst an dich rangelassen, als er sicher war, dass ich niemandem was tun wollte. Er wollte dich um jeden Preis beschützen. Dein Bisaknosp und Garados haben sich auch helfen lassen, nur dein Machollo war noch etwas übellaunig…"

"Ich habe es im Felstunnel erst gefangen", erklärte ich und schloss die Augen. Mir war absolut nicht gut.

"Verstehe", hörte ich Mr. Fujis Stimme, gefolgt von seinen Schritten, die sich langsam entfernten. "Ich bin gleich wieder da. Ich schau einmal kurz nach den Pokémon und dann sorge ich dafür, dass du was zu dir nimmst."

Ich sagte nichts. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie ich auch nur irgendetwas zu mir nehmen sollte, egal was. Ich wollte überhaupt nichts sehen. Ich fühlte mich einfach nur elend. Wenn doch nur die Schmerzen aufhören würden, dann könnte ich wenigstens klar denken…

Ich war Mr. Fuji so unendlich dankbar. Ich konnte an diesem Tag und auch an den nächsten wirklich kaum etwas essen, eigentlich so ziemlich gar nichts, doch er gab nicht nach. Ich war die erste Zeit unfähig, mich überhaupt richtig aufzurichten, geschweige denn aufzustehen. Mein Körper war unheimlich geschwächt.

Tage vergingen, sogar Wochen. Eine lange Zeit, in der ich bezüglich meines Trainer-Daseins komplett ausfiel. Ich brauchte mehrere Tage, bis überhaupt alleine wieder stehen konnte. An Training war gar nicht erst zu denken. Auch wenn das deutlichen Rückstand für mein Team bedeutete, ich konnte es einfach nicht. Ich war schon mehr als dankbar, als Mr. Fuji mir endlich erlaubte, ihm wenigstens im Haus ein wenig zu helfen. Und selbst das war schwieriger als ich dachte.

Nach einiger Zeit verblassten die Schmerzen allmählich. Dabei hatte ich mich schon fast an sie gewöhnt. Ich war sogar inzwischen so weit, dass ich wieder alleine raus konnte, ohne dass jemand sich Sorgen um mich machen musste. Und mit der Zeit erfuhr ich auch ein wenig, was eigentlich passiert war.

Offenbar hatte Mr. Fuji mich bewusstlos am Eingang des Felstunnels gefunden und mit nach Lavandia gebracht. Ich war also zumindest an meinem Ziel angekommen, wenn auch anders als erwartet. Seitdem ließ Mr. Fuji mich auch bei sich wohnen, teils gegen meinen Willen, doch ich war im Augenblick immer noch nicht stark genug, um mich weiter durchzuschlagen. Dafür erfuhr ich aber eine Möglichkeit, wie ich mich zumindest ein wenig nützlich machen konnte.

Mr. Fuji hatte sein Haus mit der Zeit zu einem Waisenhaus für Pokémon gemacht. Offenbar wurden besonders in dieser Gegend häufig Pokémon verstoßen und ausgesetzt, oder lebten ohne ihre Eltern und wurden deshalb von Mr. Fuji in Obhut genommen. Er sorgte sich unheimlich liebevoll um sie, ich hatte noch nie jemanden so schnell Zugang zu fremden Pokémon finden sehen. Ich war mir sicher, dass er das schon mindestens sein halbes Leben getan haben musste.

So war er es auch, der mich einiges über Pokémon lehrte und mich ihnen näherbrachte. Ich verbrachte so viel zeit mit ihnen, dass ich sogar anfing, Red zu verstehen. Ich konnte nachvollziehen, warum Pokémon ihn so sehr faszinierten. Sie waren beeindruckende Geschöpfe, und sich in sie einzufühlen war manchmal gar nicht so einfach, wie einige vielleicht glauben mochten.

Das bekam ich deutlich an Machollo zu spüren. Natürlich, ich hatte es erst kürzlich gefangen und noch nicht einmal mit ihm trainiert. Aber es konnte mich offensichtlich überhaupt nicht leiden. Mit seiner Sturheit trieb es mich wahrlich an meine Grenzen, und das war definitiv gekonnt. Mich zur Weißglut zu treiben, schaffte man eigentlich nur, indem man gleich auf meinen wunden Punkt zielte. Machollo hatte das allerdings nicht nötig. Mr. Fuji musste mich echt zügeln, damit ich nachgab und allmählich Zugang zu ihm finden konnte. Und nach einigen Tagen harter Geduldspiele verstanden wir uns tatsächlich ein wenig.

Es ging langsam alles wieder aufwärts. Ich kam wieder zu Kräften und auch mein Team hatte sich erholt. Fukano hatte es wirklich am schwersten von ihnen getroffen. Doch er war so glücklich, dass ich wieder halbwegs auf den Beinen war, dass man ihm nicht einmal mehr anmerkte, dass auch er einige Verletzungen erlitten hatte.

"Hallo, Rei", grüßte mich Mr. Fuji eines Nachmittags, als er mit einer prallgefüllten Tüte voller Einkäufe nach Hause kam. Er kochte immer gern für alle, die sich im Waisenhaus um die Pokémon kümmerten und auch gerne blieben. Wenigstens bekam er, und somit auch ich, dadurch ein wenig Gesellschaft. Auch wenn ich jedes Mal froh war, wenn sie alle wieder gingen und wir wieder unsere Ruhe hatten.

"Hallo, Mr. Fuji", sagte ich und nahm die Blumen vom Tisch. Mr. Fuji stellte die Tüte in der Küche ab und wandte schließlich den Kopf. "Dir ist doch nicht etwa kalt, oder?"

"Nein." Ich zog die Jacke, die ich übergeworfen hatte, enger an meinen Körper. "Ich gehe nochmal raus."

"Auch draußen ist es warm."

Ich zögerte. Ich vermeid es, ihn anzusehen, mich überhaupt in seine Richtung zu drehen, und sagte bloß: "Ich will nicht, dass jemand Fragen stellt."

"Verstehe." Dem folgte ein kurzes Schweigen. Ich drehte mich immer noch nicht um, doch anhand seiner Schritte konnte ich hören, dass er direkt auf mich zukam. Es wäre wirklich unhöflich, ihn nicht einmal anzusehen. Zumal ich ihm so viel zu verdanken hatte. Also gab ich doch nach und wandte mich um.

Mr. Fuji sah mich an. Etwas Mahnendes lag in seinem Blick, doch er schien auch besorgt. "Rei, die meisten Wunden werden vielleicht heilen, doch es werden auch Narben zurückbleiben. Das weißt du."

Ich nickte und hielt seinem Blick stand.

"Und außerdem…" Er sah auf die Blumen in meiner Hand, "…solltest du nicht allzu oft an diesen Ort zurückkehren, Rei. Ich weiß, dass du lediglich dein Mitgefühl ausdrücken möchtest und seine Taten anerkennst und ihm Respekt erweist. Aber verweile nicht zu lange an diesem Ort. Der Gedanke an die Toten macht uns weniger lebendig, wenn wir nicht darauf achten, wie wir mit ihm umgehen."

Ich sagte nichts.

"Bist du zum Abendessen wieder zurück?"

"Ja. Ich werde nicht lange bleiben."

"Gut. Und denk an meine Worte, Rei", sagte Mr. Fuji und wandte sich ab, um die Tüte auszupacken. "Wir tun uns keinen Gefallen, wenn wir nur den Toten nachtrauern…"

Ich ging hinaus und schlenderte durch die kleine Stadt. Tatsächlich umgab die Stadt Lavandia eine ziemlich seltsame Aura. Etwas, das sich kaum beschreiben ließ. Es war ziemlich ruhig in der Stadt, doch teils auch unheimlich. Vielleicht lag es an dem Pokémon-Turm, in dem angeblich Geister gab. Offenbar versetzte diese Vorstellung einige Leute in Angst und Schrecken. Doch ich scherte mich nicht darum. Schließlich hatte ich einen Grund, weshalb ich jeden Tag, den ich nun in dieser Stadt verbrachte, an diesen einen Ort zurückkehrte…

Ich fiel auf die Knie und legte behutsam die Blumen vor das Grab. Es befand sich in einem Stockwerk des Pokémon-Turms. Wir hatten für unseren treuen Partner vor Jahren dort einen Grabstein aufstellen lassen. Und seitdem war ich schon nicht mehr dort gewesen, bis ich nach Lavandia zurückgekehrt war…

Ich fuhr mit der Hand sachte über die Inschrift des Grabsteins. Carnino, darunter zwei Jahreszahlen. Ich spürte die raue Kälte, als meine Finger die Gravur berührten, und schloss die Augen. Carnino … hättest du dich doch nur nicht eingemischt … du konntest sie nicht alle retten…

Ich erinnerte mich gern an ihn. Carnino war das Arkani meines Vaters gewesen, und damit auch der Vater meines Fukano. Er war nicht nur ein treuer Freund gewesen, sondern ein Partner. Ein Kamerad, dem man sein Leben hatte anvertrauen können. Wie mein Vater es getan hatte. Und er hatte es Tag für Tag getan, jedes Mal, wenn er im Einsatz gewesen war…

Fukano ließ traurig die Ohren hängen. Ja, ich hatte ihn raus gelassen. Eigentlich hätte ich ihm die Sache gerne erspart, doch es hätte absolut nichts geändert. Ich hätte es eher als eine Beleidigung an Carninos Andenken empfunden, hätte ich seinen Sohn nicht zu ihm gelassen.

"Ich weiß, Fukano", sagte ich und strich ihm über den Kopf, während mein Blick immer noch auf der Inschrift ruhte. "Ich trauere auch um ihn. Aber du musst immer daran denken: er hat sein Leben riskiert, um andere zu retten. Er hat gekämpft, bis zum bitteren Ende. Es war für ihn eine Ehre, sich für andere einzusetzen, für seine Kameraden. Er hat vielen das Leben gerettet, ohne an sich selbst zu denken, und ist in Ehre gestorben. Das darfst du niemals vergessen."

Fukano setzte eine Pfote auf den Grabstein und ließ den Kopf hängen. Ich wandte den Blick ab und stand auf. "Es wird Zeit, Fukano. Mr. Fuji hat Recht, wir sollten nicht zu lange an diesem Ort verweilen. Komm."

Er wandte den Kopf. Es war schwierig für mich, ihm in die Augen zu sehen und trotzdem stark zu bleiben. Also sah ich rasch weg und zog seinen Pokéball hervor. "Jetzt komm. Es ist besser so, Partner. Glaub mir."

Ich wollte ihn zurückholen, doch ich konnte es nicht. Meine Hand zitterte, als ich Fukano zurückrufen wollte. Es ging einfach nicht. Ich konnte nicht einmal in sein trauriges Gesicht sehen. "Gehen wir…"

Ich steckte den Pokéball wieder an, wandte mich ab und schloss für einen Moment die Augen. Ich versuchte bloß, meine Tränen zurückzuhalten. Warum hatte das alles überhaupt so kommen müssen? Warum hatten Vater und Carnino nicht einfach nach Hause kommen können? Warum?…

Ich öffnete die Augen und wandte mich ab, um den Turm wieder zu verlassen. Doch in dem Moment blieb mein Herz beinahe stehen, als ich jemanden nur einige Meter weiter stehen sah, den Blick starr auf die Gräber gerichtet. Jemanden, die ich hier absolut nicht erwartet hätte.

"Green!", sagte ich überrascht und schritt langsam auf ihn zu. Er hob den Kopf und starrte mich an. Seinem Blick nach schien er ebenfalls nicht damit gerechnet zu haben, jemanden hier anzutreffen.

"Rei, was machst du denn hier?" Er war wirklich überrascht. Sein Blick wanderte von mir hinab auf Fukano, der langsam auf und zu getrottet kam. "Deine Pokémon sehen nicht tot aus … nun, wie wär's, was hältst du von einem Kampf, wenn wir uns schon mal hier begegnen?"

"Hm, von mir aus", sagte ich achselzuckend und ließ den Blick über die Gräber schweifen. "Aber vielleicht nicht gerade hier. Sie verdienen doch alle Respekt…"

Green nickte. "Ja, du hast Recht. Lass uns lieber nach draußen gehen."

Mein Herz raste immer noch, während wir durch den Turm gingen und die Treppen hinabstiegen. Ich hoffte insgeheim, dass er nichts gesehen hatte. Ich wollte nicht, dass er irgendetwas mitbekam. Das ging ihn nichts an.

Wir sprachen beim Abstieg kein einziges Wort. Ich befürchtete, Green würde mir meine Anspannung anmerken, doch er sah mich nicht einmal an. Und ich mied es auch, ihn anzusehen. Es schien nichts mehr wie vorher. Als ob nach und nach alles zerbrochen wäre…

"Nun, da wären wir", sagte Green schließlich, als wir wieder hinaus ins Tageslicht traten und ging hinüber zu einer freien Stelle, an der sich genügend Platz zum Kämpfen bot. Doch auch an ihm war irgendetwas anders. Er war anders als sonst. Nicht so motiviert und überzeugt, dass er der Bessere von uns beiden war und diesen Kampf gewinnen würde. Nein, es fiel nicht ein Wort.

"Gut, dann mal los." Und er warf sein erstes Pokémon in den Kampf. Es war sein Tauboga. Vielleicht war dies eine gute Gelegenheit, um einmal die Stärke der Weiterentwicklung zu testen. Und so wählte ich mein Pokémon: Garados.

"Interessant. Du hast es also tatsächlich fertiggebracht, dieses Karpador zu entwickeln."

"Sieht so aus. Im nachhinein war es vielleicht doch seinen Preis wert." Mein Blick richtete sich bloß auf Garados. "Okay, Garados. Biss!"

"Windstoß, Tauboga!"

Tauboga erhob sich in die Luft und erzeugte einen Windstoß, der direkt auf seinen Gegner zusteuerte. Die Attacke traf Garados frontal, doch es zuckte nicht einmal, sondern griff Tauboga an. Innerlich dankte ich Garados dafür. Es hatte einen Volltreffer eingesteckt und setzte trotzdem gleich zum Gegenangriff an, ohne auch nur einen Moment zu zögern. Und das, obwohl wir noch nicht allzu lange Partner waren und es nie zuvor gekämpft hatte. Und auch, weil ich ihm nicht einmal eine Selbstsicherheit darbieten konnte, die für mich eigentlich selbstverständlich war…

"Wirbelwind!"

"Damit kommst du nicht weit", sagte ich und ballte die Hände zu Fäusten. Ich musste stark und selbstsicher bleiben, wie sollte mir ein Team vertrauen, wenn ich es selbst nicht konnte?

"Garados, noch einmal Biss!"

Garados stürmte dem Wind entgegen und schließlich durch ihn hindurch. Es biss zu und warf damit Tauboga auf den Boden.

"Tackle!"

"Windstoß!"

Doch Tauboga hatte keine Chance. Es wollte sich wieder aufrichten und angreifen, doch Garados zwang es gleich wieder zu Boden. Ich war erstaunt. Schließlich war das sein allererster, richtiger Kampf. Und dafür machte es seine Sache mehr als gut. Im Nachhinein war ich doch ganz froh, dass Red auf diesen Händler reingefallen war.

"Garados, zurück!", rief ich und streckte seinen Pokéball aus. Es kehrte zu mir zurück, genau wie Tauboga zu seinem Trainer, der mich verwirrt anstarrte. "Du kämpfst nicht weiter mit Garados?"

"Nein. Ich wollte es einmal antesten, jetzt, wo es sich entwickelt hat. Aber ich will jedem von ihnen eine Chance geben. Wir haben uns auch schließlich lange nicht gesehen."

"Ja, das stimmt allerdings. In der Zeit ist einiges passiert."

Ich nahm den vierten Pokéball und betrachtete ihn nachdenklich. Ist war vielleicht nicht klug, doch ich würde nie herausfinden, was es konnte, wenn ich es nie einsetzen würde.

"Ich habe bereits mein nächstes Pokémon ausgewählt", sagte Green und warf ihn hoch. "Was wirst du tun?"

Das Pokémon verließ seinen Ball und landete sicher auf allen Vieren. Es war ein Fukano. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie mein Partner zunächst den Kopf neigte und dann schließlich ansetzte, um loszulaufen, doch ich streckte die Hand aus. "Nein, Fukano. Das hier ist ein Kampf. Da ist keine Zeit, um sich näher kennenzulernen. Du musst dir ein bisschen mehr Disziplin aneignen. Gut, ich gehe das Risiko ein."

Fukano wollte tatsächlich schon loslaufen, doch ich entschied mich für unser neuestes Teammitglied. Es war das erste Mal, dass ich es überhaupt einsetzte. Und die Situation schien es auch ein wenig zu überfordern. Machollo stand und sah sich erst einmal um.

"Das wird unser erster Kampf, Machollo", sagte ich leise. "Ich erwarte keine Wunder. Aber ich muss wissen, auf welchem Stand du bist. Los, Karateschlag!"

"Glut, Fukano!"

Es geschah schließlich das, was ich befürchtet hatte. Machollo schlug auf seinen Gegner ein, doch wurde zeitgleich auch von der Glut getroffen. Und der Treffer schadete ihm deutlich. Machollo war anzusehen, dass es nicht lange durchhalten würde.

"Fußkick!"

"Noch einmal Glut!"

Machollo traf zwar, doch wie erwartet ging es schließlich durch die Glut zu Boden. Damit war klar, dass wir noch einen weiten Weg vor uns hatten. Ich würde mit Machollo noch sehr hart trainieren müssen.

"Hm, das ist also dein neuer Teampartner", sagte Green abschätzend. "Ein Pokémon vom Typ Kampf. Passt ja zu dir."

"Ja, das tut es", erwiderte ich und warf erneut Garados ein. "Und mit ein bisschen Training wird das schon. Garados, übernimm den Rest! Biss!"

"Brüller!"

Greens Fukano ließ sein Brüllen hören, doch es machte keinerlei Eindruck. Garados ignorierte es und biss zu.

"Setz auch Biss ein, Fukano!"

Und diesmal traf es Garados. Ich versuchte, die Fassung zu bewahren und nicht die Konzentration zu verlieren, doch in meinem Kopf war immer noch alles so wirr, dass ich meine Aufmerksamkeit nicht voll auf den Kampf richten konnte. "Noch einmal Biss, Garados!"

Ich hoffte, dass es funktionieren würde. Und glücklicherweise reichte es. Ein letzter Treffer, und Fukano lag am Boden. Garados wirkte auch ein wenig angeschlagen. Wieder holten wir beide unsere Pokémon zurück, doch diesmal war ich diejenige, die zuerst wählte. Ich entschied mich für meinen zweiten Partner.

"Bisaknosp also", sagte Green und wählte seins. "Dann versuchen wir es mal."

Er schickte Kadabra in den Kampf. Dann dürfte es wenigstens mehr Attacken draufhaben als Teleport. Und wenn es sogar eine Psycho-Attacke beherrschte, konnte es sogar gefährlich werden…

"Gut, Bisaknosp, Rasierblatt!"

"Aussetzer!"

Daran hatte ich nicht gedacht. Ich hätte es eigentlich wissen müssen, doch ich hatte keinen Gedanken daran verschwendet. Bisaknosp hatte zu seiner Attacke angesetzt, doch der Aussetzer blockierte sie. Damit war diese Attacke fürs Erste raus.

"Dann setz eben Tackle ein!"

"Konfusion!"

Da war sie also, wie erwartet. Doch Bisaknosp war inzwischen gut genug trainiert, um die Attacke einzustecken, und schließlich selbst anzugreifen.

"Noch einmal Konfusion!"

"Tackle!"

Ich brauchte eigentlich nicht abzuwarten, was passierte, um mir den Ausgang dieses Kampfes auszumalen. Das Ergebnis war vorhersehbar, und schließlich rief Green sein besiegtes Kadabra zurück. "Gut, dann zeig ich dir noch ein Neues."

Und er warf sein viertes Pokémon in dem Kampf. Ein Owei.

"Nun gut", sagte ich und holte Bisaknosp wieder zurück. Dann wandte ich mich an meinen Partner neben mir. "Du brennst ja fast darauf, dich wieder auszutoben. Also los."

Fukano bellte fröhlich und sprang vor, um sich seinem Gegner gegenüberzustellen. Er knurrte angriffslustig und machte sich bereit. Ich atmete in der Zeit tief durch. Ich war absolut nicht auf der Höhe. Auch wenn es gut für uns aussah, ich war nicht wirklich auf den Kampf konzentriert. "Okay, Fukano, Glut!"

"Stakkato!"

Fukanos Attacke traf zuerst und fügte Owei sichtlich Schaden zu. Doch auch Stakkato traf und bombardierte Fukano, der zurücksprang, um der Attacke auszuweichen, wenn auch vergeblich.

"Glut!"

Fukano gehrochte augenblicklich und griff erneut an. Und bevor Green noch etwas sagen konnte, war Owei besiegt. Fukano knurrte.

Ich wagte es für einen Moment, Green anzusehen. Er lächelte nicht. Nicht mal ein bisschen. Er zog seinen letzten Pokéball und warf ihn ohne ein einziges Wort. Es war sein Schillok. Ich wollte Fukano zurückholen, doch er bellte sofort, als meine Hand sich dem Ball näherte, und knurrte erneut.

"Hm, verstehe. Ein Kampf unter unseren ersten Partnern, was? na gut, wie du willst. Ich werde dich nicht aufhalten."

"Du wechselst also nicht?"

"Nein."

"In Ordnung. Dann Blubber, Schillok!"

"Biss, Fukano!"

Und wieder einmal stürmten die beiden aufeinander los. Fukano biss zu, und wurde schließlich von Blubber getroffen. Doch ich war mir sicher, er würde die Attacke einstecken. Und das tat er auch. Er sprang zurück und ging erneut in Angriffsposition.

"Greif weiter mit Biss an!"

"Aquaknarre!"

Der Wasserstrahl schoss direkt auf Fukano zu, während der erst noch losrannte. Er war langsamer als zuvor. offenbar hatte Schilloks Attacke zuvor seine Initiative gesenkt. Doch davon wollte ich mich nicht beeinflussen lassen. Beide Attacken trafen.

"Lass nicht nach, Fukano! Greif weiter mit Biss an!"

"Noch einmal Aquaknarre!"

Fukano nahm sich zusammen und stürzte sich erneut auf Schillok, biss zu, und warf es dabei auf den Boden. Schillok lag wehrlos da, ich wartete auf seine Aquaknarre, doch nichts geschah. Wir hatten es besiegt.

Doch aus irgendeinem Grund konnte ich mich kein bisschen darüber freuen. Ohne ein Wort holte ich Fukano zurück, verstaute den Pokéball neben den anderen an meinem Gürtel und steckte die Hände in die Jackentaschen. Auch Green rief sein Pokémon zurück. Er schritt langsam auf mich zu, bis er direkt vor zum Stehen kam. Er sah ebenfalls nicht glücklich aus. Ich wollte es nicht fragen, doch ich spürte, dass auch er etwas verbarg, über das er nicht reden wollte.

"Ich vermute, ihr habt den Orden noch gekriegt?", fragte ich schließlich, bevor er mich nach meinem befinden fragen konnte. Green nickte und sah woanders hin. "Ja, wir haben noch eine Weile gebraucht und dann doch das Rätsel gelöst, du hattest da ja scheinbar mehr Glück."

Ich wollte lächeln, doch ich konnte es nicht. "Ja, scheinbar. Wie auch immer, dann habt ihr beide ja wenigstens auch die Herausforderung bestanden."

"Wir hatten auch ganz schön zu kämpfen. Hätte ich Kadabra nicht gehabt, wär ich echt aufgeschmissen gewesen. Ich musste wirklich alle einsetzen, und es war verdammt knapp. Red hatte es da einfacher. Mit Glutexo war er echt im Vorteil, und stell dir vor, der ist ein verdammter Glückspilz. Er hat wohl in Azuria City ein Bisasam geschenkt bekommen, und nach dem Arenakampf sogar noch ein Schiggy!"

"Tatsächlich? Klingt echt, als wäre er ein Glückspilz. Meines Wissens sind diese Pokémon unheimlich selten. Tja, dann hat er jetzt ja alle Starter."

"Sieht so aus. Wie auch immer, jedenfalls haben wir beide den Orden gekriegt und haben dich gesucht, aber du warst ja ganz schnell weg." Er wandte mir das Gesicht zu. Und wie aus Reflex drehte ich mich zur Seite, ob ihm nicht in die Augen sehen zu müssen. "Ja. Ich hatte meine Gründe."

"Das müssen ja schwerwiegende Gründe gewesen sein."

Ich versetzte ihm einen kurzen, durchdringenden Seitenblick. "Wenn ich es dir hätte erzählen wollen, hätte ich es schon längst getan!"

"Schon gut. Ich dachte bloß, dass du vielleicht drüber reden willst."

"Nein!", sagte ich nachdrücklich und verschränkte die Arme. "Ich will über gar nichts reden."

Green nickte. "Schon in Ordnung. Es war bloß gutgemeint. Ich mach mich dann mal auf ins Pokémon-Center, mein Team muss sich auskurieren."

Mein Körper bebte wieder, als ob ich wieder in die ersten Tage in Lavandia zurückversetzt worden wäre. Green wandte sich ab und schritt davon, ohne mich noch einmal anzusehen. Und in dem Moment tat es mir leid. Er konnte schließlich nichts dafür…

"Green?"

"Ja?" Er wandte sich um. Ich zwang mich, ihm in die Augen zu sehen, doch das machte es nur noch schwieriger, meine Worte auszusprechen: "Seit ich hier bin, wohne ich bei Mr. Fuji. Vielleicht hast du schon von ihm gehört, er hat das Waisenhaus gegründet. Nun … er macht gleich Abendessen für uns alle. Vielleicht … magst du vielleicht auch kommen?"

Ich wartete. Ich wusste nicht, ob ich meine Frage bereuen sollte oder nicht. Ich fühlte mich elend. Ich wollte niemanden um Hilfe bitten. Doch mir wurde in diesem Moment bewusst, wie sehr ich mir eigentlich einen guten Freund an meiner Seite wünschte.

Green zögerte, dann sagte er: "Nein, ich denke nicht. Danke für die Einladung, aber ich bleibe erst mal im Center. Ich hab mich dort einquartiert, und solange mein Team nicht wieder fit ist, gehe ich nirgendwohin."

"Verstehe…"

"Also, wir sehen uns dann. Ich werd wohl noch ein paar Tage in der Stadt bleiben, wir werden uns also noch eine Weile sehen, Lavandia ist ja nicht gerade groß." Und damit ging er davon und wandte sich in Richtung Pokémon-Center. Ich sah ihm nach, mit gemischten Gefühlen. Wie gern wäre ich all das losgeworden … doch genauso wollte ich es am liebsten mit mir für immer begraben…



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