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Secrets

von

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The Lieutenant

Ich hatte die anderen beiden an diesem Abend nicht mehr gesehen. Wo auch immer sie waren, vermutlich im Pokémon-Center, ich hatte jedenfalls keine Lust mehr, nach ihnen zu suchen. Also suchte ich mir einen ruhigen Ort, um mein Lager aufzuschlagen. Und ehrlich gesagt, war es mir auch lieber, dass die beiden nicht dabei waren. Ich brauchte wohl etwas Zeit für mich…

Ich saß da und streichelte Fukano, während ich an das dachte, was ich bisher wusste. Ich musste in die Arena. Unbedingt. Ich musste mit diesem Major Bob sprechen. Ich musste…

Fukano auf meinem Schoß war völlig ruhig. Ich beugte mich über ihn, um sein Gesicht zu sehen. Er war bereits eingeschlafen. Ich jedoch würde in dieser Nacht wohl kaum schlafen können. Zu viele Fragen sammelten sich in meinem Kopf, zu viel, das ich unbedingt verstehen wollte. Zu viel, das ich über Vater wissen wollte…

Es war eine furchtbare Nacht. Ich befürchtete schon, Fukano aufzuwecken, doch entweder hatten er wirklich einen festen Schlaf, oder er tat einfach nur so, jedenfalls schreckte er nicht ein einziges Mal auf. In meinen Träumen taten sich schattenhafte Gestalten auf. Sie suchten mich. Ich musste mich verstecken. Ich winkte Fukano zu mir und wir suchten Schutz hinter einem riesigen Felsen. Hier mussten wir für eine Weile sicher sein.

Ich konnte mein Herz so laut schlagen hören, dass ich befürchtete, es würde unsere Position verraten. Langsam versuchte ich, ruhiger zu atmen und nicht auf die Aufregung und Anspannung zu denken, die mich durchzog.

Stille.

Lange Minuten vergingen, die mir wie Stunden vorkamen.

Dann -

"Da sind sie!"

Ich schreckte auf. Wie hatten sie mich finden können?!

Fukano ging in Angriffsposition. Und schon waren wir umzingelt. Sie bildeten einen Kreis um mich und meinen Partner, die Waffen auf uns gerichtet. Es gab nur eine Möglichkeit. Wir mussten kämpfen. Um unser Leben.

Einige lachten. Ich sah von einem zum anderen, doch ich konnte sie einfach nicht alle gleichzeitig im Blick behalten. Doch wenn wir nicht aufpassten, dann würden sie uns auf der Stelle töten, ohne dass wir überhaupt irgendetwas tun konnten.

"Mit wem fangen wir an?", sagte einer von ihnen und sah uns abschätzend an. Fukano knurrte und bellte und stellte sich genau zwischen uns. Die Gestalt lächelte, und lachte schließlich, laut und kalt, sodass ich eine Gänsehaut bekam.

"Na gut, fangen wir mit dir an", sagte die Gestalt und richtete seine Waffe auf Fukano. Mein Herz blieb beinahe stehen, doch seine Stimme festigte sich nur noch. "Treuer Kamerad, am Ende erwartet dich doch das gleiche Schicksal wie alle anderen! Sieh dem Tod ins Auge!"

"NEIN!"

Ich schreckte auf. Ich hatte das Gefühl, meine Herz wäre gerade dabei, aus meinem Körper zu springen, als ich mich hastig umsah. Fukano lag nicht weit von mir entfernt und schlief seelenruhig. Ich atmete auf. Nur ein Traum. Nur ein verdammter Alptraum…

Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn und stand auf. Es war bereits Morgen. Da ich nun schon einmal wach war und wusste, dass es Fukano gutging, brauchte ich mich nicht noch einmal hinzulegen. Diese Bilder hatten für die Nacht gereicht. Und es brauchte eine ganze Weile, bis ich diese zumindest etwas verarbeitet hatte, sodass ich sie für kurze Momente ganz aus meinem Kopf verbannen konnte.

Fukano schien ganz genau zu wissen, dass etwas nicht stimmte. Er hüpfte noch freudiger als sonst um mich herum, wohl in der Hoffnung, ich würde zumindest lachen. Doch ich tat es nicht. Jetzt war nicht die Zeit für Späße. Ich musste etwas wissen.

"Gehen wir", sagte ich und zog los, Fukano folgte mir. "Ich will schleunigst in diese Arena. Ich muss dort etwas erledigen."

Also machten wir uns auf den Weg in Richtung Hafen. Es waren inzwischen schon einige Leute auf den Beinen, doch ich konnte im Augenblick keinen von ihnen ansehen. Mein Blick war stur in Richtung Arena gerichtet, auf die wir allmählich zusteuerten, und die, wie ich nun sah, von einem großen Baum versperrt wurde.

"Hm. Also war es doch gut, dass wir erst auf diese Party gegangen sind uns den Zerschneider besorgt haben. Sonst hätten wir nun ein riesiges Problem gehabt. Gut, Bisaknosp, erledige das."

Ich ließ Bisaknosp kurz aus dem Pokéball, um den Baum zu zerschneiden und uns den Weg damit freizumachen. "Bestens. Komm du auch erst mal zurück, Fukano."

Und so stand ich schließlich in der Arena. Ich befand mich in einem länglichen Raum, an dessen Ende sich eine Tür befand. Ich blinzelte. Das war eine ziemlich eigenartige Arena. In dem Raum befanden sich neben den Trainern nur gut fünfzehn Mülleimer, ordentlich aufgestellt, als ob sie eine tiefere Bedeutung hätten. Und dann fiel mein Blick auf zwei Jungen, die nach und nach in diese Eimer hineinblickten, und schließlich weiter zum nächsten gingen.

Ich verschränkte die Arme und sah den beiden amüsiert zu. "Na, haben wir was verloren?"

Die beiden sahen auf.

"Aha, die gute Rei ist also doch noch dazugestoßen. Wir haben uns schon gefragt, wo du abgeblieben bist. Red hatte gemeint, dass du wenigstens noch mal kurz ins Pokémon-Center gehst, aber da bist du nicht aufgetaucht."

"Ich hatte keine Lust mehr auf Menschen", sagte ich knapp. "Außerdem … wart ihr doch weg, als ich vom Kapitän zurückkam, oder nicht?"

Green kratzte sich am Kopf und warf mir einen vielsagenden Blick zu. "Na ja, vielleicht haben wir es gestern ein bisschen übertrieben. Rattikarl hat einiges abbekommen, da hielten wir es für besser, den Kampf zu beenden und es ins Pokémon-Center zu bringen."

Ich warf einen Blick auf Red. Doch der reagierte nicht und schien immer noch etwas in den Mülleimern zu suchen. Ich hatte ein wenig den Eindruck, dass er sich an diesem Gespräch absichtlich nicht beteiligte.

"Und, wie geht's Rattikarl?", erkundigte ich mich bei Green.

"Es ist was angeschlagen, aber das wird schon wieder. Ich hab ihn im Pokémon-Center gelassen, die Arena muss ich auch ohne ihn schaffen. Wenn wir denn wenigstens zum Leiter kommen würden…" Er ließ den Blick über die Mülleimer schweifen. Ich hob skeptisch die Brauen. "Nun, was wird das hier? Scheint so eine Art Rätsel zu sein?"

"Du hast ja keine Vorstellung", sagte Green düster. "Es ist echt widerlich. Die ganze Zeit müssen wir den Müll hier durchsuchen. Dieser Major Bob hat überall Schalter anbringen lassen, und wir müssen beide finden, um die Tür zu öffnen. Leider müssen beide direkt hintereinander gedrückt werden. Wenn man also den falschen erwischt, müssen wir wieder von vorne anfangen. Die verändern jedes Mal ihre Position."

Ich konnte nicht verbergen, dass ich amüsiert war. Green sah mich finster an. "Das ist nicht lustig! Ich bin definitiv nicht scharf darauf, im Müll herumzuwühlen!"

"Hey, ich hab einen!", rief Red plötzlich und eilte mit weit aufgerissenen Augen zum nächsten Mülleimer und steckte die Hand hinein. "Mist! Das war der falsche…"

"Schon wieder?", sagte Green genervt und ging zur anderen Seite. "Gut, dann fangen wir nochmal neu an. Wenigstens wissen wir, dass der zweite Schalter direkt neben dem ersten sein muss. Das schränkt die Möglichkeiten ja schon mal ziemlich ein."

Ich sah zu, wie Green an der einen Seite entlang ging und höchst widerwillig in den Mülleimern nach dem ersten Schalter suchte. Red schien auf seiner Seite keinen Erfolg zu haben und kam zu ihm herüber, als Green plötzlich ausrief: "Hier ist Nummer eins! Es muss also einer der beiden hier sein!"

Red hastete los und sah sofort in einem der Mülleimer nach - doch es war wieder der falsche. Green schien einem, Wutausbruch nahe. "Die Chance lag bei fünfzig Prozent, wieso hast du nicht den anderen genommen!"

"Tut mir leid", entschuldigte sich Red sofort. "Ich dachte, ich würde Glück haben…"

"Ja, offenbar nicht!"

"Sind wir etwas aggressiv heute?", fragte ich an Green gewandt und hob die Brauen. "Mir scheint, als bist du nicht gerade der geduldige Typ."

"Weißt du, wie lange wir schon hier sind?", fragte Green gereizt und ohne mich anzusehen, und machte sich wieder an den nächsten Mülleimern zu schaffen, weiterhin höchst widerwillig. "Wir sind sicher schon fast eine Stunde mit diesem Müll hier beschäftigt! Gut, wir haben die drei Trainer hier auch noch besiegt. Und trotzdem. Ich krieg langsam echt die Krise, wieso um alles in der Welt denkt jemand sich so einen Schrott aus?!"

Er richtete sich wieder auf und versetzte Red einen Blick, der ihm sagte, dass er wieder den ersten gefunden hatte und Red jetzt bloß keinen Fehler machen sollte. Ein wenig eingeschüchtert musterte Red die nächsten Mülleimer, entschied sich für einen und steckte die Hand hinein. Ich konnte an seinem Gesicht sehen, dass er am liebsten ganz abgetaucht und gar nicht erst wieder aufgetaucht wäre.

"Das darf doch nicht wahr sein!", legte Green nun los und schien mehr als verärgert. "Wie oft lagst du jetzt schon daneben?! Zwanzig Mal? Dreißig Mal?"

"Hey, jetzt beruhig dich doch mal", sagte ich und warf einen kurzen Blick hinüber zu Red, der offensichtlich mit der Situation so gar nicht umgehen konnte. "Er gibt sich wenigstens Mühe. Ich glaube eher, dass du hier einfach eine Menge Glück brauchst, da kann er aber nichts für."

Doch Green hörte mir nicht zu. "Weißt du was, lass am besten die Finger davon! Du bist sowas von ungeschickt, ehrlich! Ich mach das lieber allein!"

"Bitte…", sagte Red bloß und machte ein paar Schritte rückwärts. "Ich hab's doch nur gut gemeint…"

"Du kannst es aber scheinbar nicht!"

"Tut mir leid…"

Während Green, der mich jetzt offensichtlich ganz ignorierte, weiter giftete und Red unheimlich traurig an der Wand stand und zu Boden sah, entschied ich mich, dem Ganzen ein Ende zu setzen. Ich ging an den Mülleimern vorbei und durchwühlte ihn, fand schließlich einen Schalter und drückte ihn. Dann ging ich zum nächstgelegenen - und drückte den zweiten. Die Tür öffnete sich.

Alle beide wirbelten herum und starrten mich entsetzt an.

"Das ist nicht dein Ernst!", sagte Green fassungslos, doch jetzt ignorierte ich ihn und schritt geradewegs auf den zweiten Raum zu, der sich nun offenbarte.

"Rei, was tust du?!"

"Ich mach jetzt die Tür zu", sagte ich bloß, betrat den Raum und schob die Tür zu.

"Das ist doch nicht -", konnte ich ihn noch rufen hören, dann wurde es still. Sein Fluchen war nun nicht mehr zu hören.

Ich wandte mich um. Ich stand unter Beobachtung.

Das war er also, Major Bob. Der Arenaleiter von Orania City.

Ich zeigte keinerlei Unsicherheit, trat ihm entschlossen gegenüber und salutierte, wie aus Reflex. Und er tat es mir gleich. "Rei Katagiri. Ich habe auf den Tag gewartet, an dem du mir gegenüberstehst."

Ich konnte meine Überraschung nicht verbergen. "Sie - Sie wissen bereits, wer ich bin?"

"Du bist deinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten", sagte er. "Und du hast genau den gleichen Blick wie er."

Ich konnte das Gefühl nicht beschreiben, das ich verspürte. Doch eine gewisse Aufregung zeigte sich deutlich, als er diese Worte ausgesprochen hatte. Meine Hoffnungen waren erfüllt. Major Bob hatte also meinen Vater gekannt.

"Ja, ich habe deinen Vater gekannt", erzählte er und machte ein paar Schritte auf mich zu. "Wir haben zusammen gedient. Er war ein großartiger Mann. Es ist wirklich schrecklich, wie die Sache ausgegangen ist…"

"Sie wissen also, dass er verschwunden ist?", fragte ich leise. Ich hatte für einen Moment kaum Kraft, um meine Stimme zu erheben. Ich war beinahe wie gelähmt.

Major Bob nickte, und etwas Trauriges lag in seinen Augen. "Ich begreife nicht, wie das passieren konnte … bis heute nicht. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass er freiwillig untergetaucht ist!"

"Hätte er denn einen Grund dazu gehabt?", fragte ich und spürte dabei, wie meine Stimme nun unheimlich kühl wurde. Ich wollte ihn nicht sehen lassen, wie sehr mich der Gedanke schmerzte. Ich wollte es niemanden sehen lassen.

Major Bob sah mich eine Weile an. Dann nahm er einen von ein paar weiteren Mülleimern, die in einer Ecke standen, drehte ihn um setzte sich. Er wies einladen auf die übrigen, um mir wohl auch einen anzubieten, während er weitersprach: "Ich nehme an, dein Vater hat dir nicht viel über unseren Einsatz erzählt?"

"Er kam nicht mehr dazu", antwortete ich knapp und nahm mir ebenfalls einen Eimer, um mich zu setzen. "An dem Tag, an dem er zu seinem letzten Einsatz aufbrach … da sah ich ihn das letzte Mal. Und bis dahin war ich noch zu klein, um das alles zu verstehen…"

"Gut. Wo fange ich am besten an … ich sollte vielleicht erst einmal deine Frage beantworten. Ob er einen Grund gehabt hätte, unterzutauchen? Ich wüsste nicht, welchen. Lieutenant Katagiri war einer unserer treuesten und besten Männer. Ich verdanke ihm mein Leben."

Ich starrte ihn an. "Wie darf ich das verstehen?"

"So, wie ich es sagte." Ein ziemlicher Nachdruck lag in Major Bobs Stimme, als er sprach. "Offiziell heißt es immer, dass meine Pokémon mir im Krieg das Leben gerettet haben, aber … das ist nicht ganz die Wahrheit. Eigentlich war ich zunächst Pilot, meine Elektro-Pokémon haben mir immer schön für den Antrieb gesorgt. Doch dann kam dieser spezielle Einsatz, für den ich eigentlich gar nicht geeignet war, und dennoch forderte man ausgerechnet mich an. Es wurden gezielt Leute ausgewählt. Wie ich, und wie Lieutenant Katagiri. Das war das einzige Mal, dass wir zusammen dienten. Aber ich war dankbar, dass ausgerechnet er dabei war."

"Was war das für ein Einsatz?", wollte ich wissen, doch Major Bob schüttelte den Kopf. "Ich kann dir leider nicht alles anvertrauen. Aber das ist auch nicht wichtig. Das Wesentliche war, dass wir zusammen in diesem Einsatz waren. Irgendwann wurde ich verletzt, ziemlich schwer. Ich konnte mich kaum noch rühren, meine Pokémon haben alles gegeben, um mich vor weiterem Schaden zu bewahren. Doch es war Lieutenant Katagiri, der mich letztendlich rettete. Er und sein Arkani haben mich sicher von dort weggebracht, sodass ich in Sicherheit war und Hilfe bekam. Wären die beiden nicht gewesen, dann wäre ich an Ort und Stelle mit der Zeit verblutet. Ich verdanke diesem Mann mein Leben. Und ich habe ihm nicht einmal dafür danken können."

Ich schwieg. Seine Erzählungen drangen in meinen Kopf ein und wandelten sich dort in Bilder. Ich konnte es mir deutlich vor Augen führen. Ich hatte Vaters Arkani schließlich auch gekannt, und ich wusste genau, dass er der treueste Freund und Kamerad gewesen war, den man sich jemals hätte vorstellen können. Er wäre sogar gestorben, nur um jemand anderen zu retten. Und letztendlich…

"Lieutenant Katagiri hat vielen Kameraden geholfen", fuhr Major Bob fort und riss mich so aus meinen Gedanken. "Er war uns allen ein treuer Kamerad. Leider wurde auch er am Ende schwer verletzt, kurz bevor unser Einsatz beendet war. Er wurde weitestgehend versorgt, doch wir alle machten uns Gedanken um ihn. Und dann plötzlich war er verschwunden. Ich begreife immer noch nicht, wie das passieren konnte … und vor allem, warum."

"Das würde ich auch gerne wissen…", gestand ich und sah nachdenklich zur Decke. "Ich habe die Vermutung, dass es etwas mit seinen Forschungen zu tun haben könnte."

"Du meinst, weil er sich auch an einigen Projekten beteiligt hat, dass in einem vielleicht etwas schiefgelaufen ist und er in was rein geraten ist?"

"Möglich."

Doch Major Bob war nicht überzeugt. "Ich weiß nicht. Natürlich, er hat sich der Forschung gewidmet und hauptsächlich legendäre Pokémon untersucht. Aber er war nie der Typ Mensch, der sich in krumme Sachen verwickeln ließ."

Ich hoffte insgeheim, dass dem wirklich nicht so war…

"Rei, hör mir zu", sagte Major Bob plötzlich und beugte sich vor, um mich mit scharfem Blick zu fixieren, dem ich unmöglich entkommen konnte. "Egal, was passiert ist. Sagen wir mal, du hättest Recht, und es hat wirklich was mit seinen Forschungen zu tun. Dann ist er zweifellos unwillentlich da rein geraten. Lieutenant Katagiri ist ein guter Mann! Ich würde ihm jederzeit wieder mein Leben anvertrauen! Er würde nie etwas tun, das sein Ehrgefühl verletzt oder ihn in krumme Sachen verwickelt. Niemals."

Er stand wieder auf und schob mit dem Fuß den Mülleimer beiseite. Ich starrte auf seinen Rücken, während sich immer mehr Fragen in meinem Kopf sammelten, und ich platzte gleich mit der wichtigsten los: "Wissen Sie, woran mein Vater gearbeitet hat?"

Ich wartete, hoffnungsvoll, doch Major Bob seufzte tief und warf mir einen beinahe mitleidigen Blick zu. "Ich kann verstehen, dass du das gerne wissen würdest, Rei. Aber auch ich bin nicht in alles eingeweiht. Ich weiß nur, dass er an mehreren, kleineren Projekten beteiligt war, die mit der Evolution und Fossilien zusammenhingen, und er sich auch dem legendären Vogel-Trio widmete. Und ich weiß, dass er an etwas ganz Großem dran war. Aber er hat nie davon gesprochen, was es war. Es musste etwas streng Geheimes sein, denn nur sehr wenige waren eingeweiht, und in unserer Einheit war Lieutenant Katagiri der einzige, der an dieser geheimen Forschung beteiligt war. Ich kann es dir beim besten Willen nicht sagen, ich war in diese Sache nicht eingeweiht."

Ich verstand, und nickte. "Und was ist mit meiner Mutter? Haben Sie über sie etwas gehört, oder wissen Sie irgendwas?"

"Auch da muss ich dich enttäuschen. Ich hab sie nie persönlich gekannt. Dein Vater hat ab und zu von ihr gesprochen, er hatte sie ja durch seine Arbeit kennengelernt, da sie bereits schon Jahre zuvor eine sehr ehrgeizige und anerkannte Forscherin war. Sie beschäftigte sich meines Wissens viel mit Genetik, das war ihr Fachgebiet. Ich glaube, sie lernten sich sogar durch dieses Evolutionsprojekt kennen. Er hat nur einmal kurz darüber gesprochen, es war nie groß Thema. Wir hatten schließlich auch einen Auftrag, den wir erledigen mussten. Da war keine Zeit für Familiengeschichten. Aber ich war genauso schockiert, als ich von ihrem Verschwinden hörte. Ich halte es durchaus für möglich, dass das kein Zufall ist. Nein, eigentlich glaube ich nicht an einen Zufall. Ein Forscher-Paar, das plötzlich ohne jeglichen Grund verschwindet? Nein. Da steckt mehr dahinter."

Ich stand nun ebenfalls auf und schob meinen Mülleimer beiseite, mied jedoch Major Bobs Blick. "Ich glaube auch nicht, dass es ein Zufall ist. Ich bin mir fast sicher, dass es irgendetwas mit ihrer Arbeit zu tun hat. Und ich will wissen, was. Ich muss herausfinden, woran sie gearbeitet haben."

"Übernimm dich nicht, Rei", sagte er scharf und wandte sich nun wieder ganz mir zu. "Ich sehe dir an, dass du die gleiche Entschlossenheit und den Ehrgeiz deines Vaters hast. Aber das bedeutet nicht, dass du dieser Herausforderung auch gewachsen bist!"

Ich hielt seinem Blick stand, blinzelte nicht einmal, und zog den ersten Pokéball. "Ich bin nicht nur hier, um etwas über meinen Vater zu erfahren. Sondern auch, um mich Herausforderungen zu stellen! Wenn ich weiterkommen will, dann brauche ich ein starkes Team, das mich unterstützt!"

"Du bist zweifellos wie dein Vater", sagte Major Bob und klang dabei ein wenig belustigt. "Nur war er nicht ganz so ernst wie du."

"Wundert Sie, dass ich so bin wie ich bin?", fragte ich beinahe provokant. Er schüttelte den Kopf. "Nein. Es wundert mich nicht im Geringsten. Ich nehme deine Herausforderung an. Aber erwarte nicht, dass ich es dir allzu leicht mache! Ich werde dich, wenn nötig, bis an deine Grenzen treiben!"

"Ich würde es mir gar nicht anders wünschen."

Ein leichtes Grinsen huschte über unsere beiden Gesichter. Womöglich konnten wir beide die Energie spüren, die uns nun umgab. So nahmen wir unsere Plätze in der Arena ein und eröffneten schließlich den Kampf.

Ich hatte mich schon festgelegt, wen ich ins Rennen schickte. Und so warf ich meinen Pokéball, und Fukano nahm seinen Platz ein. Major Bob, der sich für Voltobal entschied, musterte ihn ziemlich beeindruckt. "Erstaunlich. Ein Fukano, wie dein Vater eines hatte. Das ist doch nicht etwa - ?"

"Doch, ganz genau", bestätigte ich und grinste noch breiter. "Der Vater dieses Fukano war das Arkani meines Vaters. Deshalb ist es auch ein ganz besonderes, es ist völlig anders trainiert als normale Fukano und kann um einiges mehr einstecken. Fast seine ganze Familie war beim Militär, sie sind alle damit aufgewachsen und wurden für die Einsätze trainiert. Noch ist Fukano recht jung, aber allmählich wird es immer stärker und wird schließlich in der Lage sein, in die Fußstapfen seiner Eltern zu treten! Er wird immer mein Partner sein, egal, wie weit ich gehen werde. Los, Fukano, Glut!"

Während Fukano zu seiner Attacke ansetzte, zog Major Bob etwas aus seiner Tasche und gab es Voltobal. Ich konnte es erkennen, dass es ein X-Tempo war. Offenbar wollte er damit Voltobals Initiative erhöhen, doch durch so ein Item wollte ich mich sicher nicht beirren lassen. Da Voltobal in diesem Moment nicht angreifen konnte, traf Glut und schadete ihm.

"Jetzt, Voltobal, Tackle!", befahl Major Bob entschlossen.

"Noch einmal Glut!"

Es war eine ganz anderes Atmosphäre als in anderen Kämpfen. Gewöhnliche Trainer gaben ihren Pokémon einfach Anweisungen und spornten sie an, doch es war nun das erste Mal, dass ich gegen jemanden kämpfte, der wirkliche Befehle erteilte, so wie ich es tat. Es veränderte die ganze Atmosphäre, als ob wir nicht in einer Arena, sondern auf einem Schlachtfeld kämpfen würden. Doch es trieb meinen Ehrgeiz und meine Sicherheit nur weiter an. Als ob ich genau hierhingehörte.

Voltobal landete einen Volltreffer, doch Fukano kümmerte es nicht und er griff an. Knurrend kehrte er zurück in seine Angriffsposition,, den Blick fest auf seinen Gegner gerichtet, der jetzt deutlich geschwächt war und zudem noch durch die Glut eine Verbrennung erlitten hatte. Ich würde Major Bob keine Chance lassen, dafür war mir diese Herausforderung zu wichtig.

"Jetzt Biss!"

"Kreideschrei!"

Doch diesmal schlug ich mir nicht die Hände vor die Ohren, wie ich es in Rockos Arena getan hatte. Ich ließ den Schrei auch über mich ergehen, um genauso zu fühlen wie Fukano. Er hielt einen Moment inne, während Voltobal zusammenzuckte und wohl durch die Verbrennung Schaden nahm, dann stürmte er los und biss zu. Es war nicht unbedingt schön anzusehen, doch damit war der erste Gegner ausgeschaltet.

"Voltobal, zurück!" Major Bob holte es zurück und richtete den Blick auf Fukano. "Ich sehe schon, was du meinst. Allein der Blick in seinen Augen ist nicht gleich dem eines gewöhnlichen Fukanos seinem Trainer gegenüber. Er ist nicht einfach dein Freund, er ist dein Partner, dein treuer Kamerad. Du kannst dich glücklich schätzen, Rei. Trotzdem werde ich so leicht nicht aufgeben, hier kommt mein Nächstes!"

Und er schickte ein Pikachu in den Kampf. Ich blieb bei meiner bisherigen Strategie. "Fukano, Glut!"

Fukano war definitiv schneller. Es attackierte Pikachu, doch genau in diesem Moment gab Major Bob seinen Befehl: "Donnerwelle!"

Ich hätte mich in diesem Moment am liebsten selbst geschlagen. Daran hatte ich keine Sekunde gedacht. Ich war bloß fokussiert darauf, anzugreifen, dass ich an diese Möglichkeit keinen Gedanken verschwendet hatte. Und jetzt war Fukano paralysiert. Er jaulte auf und zog sich zurück.

Meine Hände ballten sich zu Fäusten. Verdammt, so durfte es nicht enden. Zuerst mussten wir dieses Pikachu aus dem Weg räumen, das würde Fukano zweifellos schaffen, denn bloß die eine Attacke hatte ihm bereits ordentlich zugesetzt. Noch eine, und Gegner Nummer zwei wäre beseitigt.

"Lass dich davon nicht unterkriegen, Fukano! Noch einmal Glut!"

"Donnerschock!"

Pikachu sprang auf seinen Gegner zu und versetzte ihm einen Donnerschock. Fukano jaulte erneut auf, konnte sich jedoch nicht rühren. Ich bekam eine Gänsehaut. ja, so manche Pokémon-Kämpfe waren einfach brutal. Aber so lange ich einschätzen konnte, wann der Punkt erreicht war, um ihn zu beenden, sah ich auch keinen Grund, bis dahin nicht alles zu geben. Meine Befehle waren klar. "Glut!"

"Donnerschock!"

Wieder griff Pikachu zuerst an. Doch Fukano ertrug die Attacke und schaffte es zu seinem Angriff, der Pikachu traf und es über das halbe Feld schleuderte. Gegner Nummer zwei wurde besiegt.

Major Bob schien nur noch beeindruckter. "Mir scheint auch, dass du Fukano deutlich trainiert hast. Es ist viel stärker, als ich annahm. Dann wird es wohl Zeit, dass er sich an mir die Zähne ausbeißt. Hier kommt mein letztes Pokémon! Los, Raichu!"

Ich hatte mir schon gedacht, dass er noch ein stärkeres Pokémon im Team haben würde. Und sein Raichu strotzte nur so vor Energie. Angriffslustig baute es sich vor uns auf, zund Fukano knurrte bedrohlich. Es würde nicht einfach werden, das war mir klar. Doch aufgeben kam für mich nicht in Frage. Und natürlich, ich hatte notfalls noch Bisaknosp, das ich einsetzen konnte. Doch ich wollte diesen Kampf unbedingt mit Fukano gewinnen.

"Glut!", befahl ich, während Major Bob sich erneut bückte und diesmal Raichu ein X-Tempo gab. Trotz der Paralyse wollte er mich also unbedingt deutlich überholen. Anscheinend war ihm wirklich aufgefallen, dass Fukano schon ein paar Level über dem seiner Pokémon lag.

Glut traf, doch Raichu schien kaum Schaden zu nehmen. Doch das verschreckte Fukano nicht im Mindesten. Er schien die gleiche Energie zu spüren wie ich. Er wandte kurz den Kopf und sah mir entschlossen in die Augen. Ich erwiderte seinen Blick und nickte. Es war das erste Mal, dass ich nichts sagen musste.

"Setz Heuler ein, Raichu! Wir müssen den Gegner abschwächen!"

Raichu befolgte den Befehl, und kurz darauf setzte Fukano erneut zur Glut an, doch mitten im Laufen hielt er plötzlich inne. Die Paralyse lähmte ihn, und er konnte die Attacke nicht ausführen.

Er durfte sich nicht unterkriegen lassen. Niemals. Erneut suchte er meinen Blick und meine Augen verengten sich. Er durfte nicht aufgeben. Wir konnten diesen Kampf gewinnen.

"Noch einmal Heuler!"

Fukano biss zu, während Raichu erneut seinen Ruf verlauten ließ. Eigentlich war Biss eine ziemlich gute Attacke für Fukano, doch allmählich würde sie nichts mehr bringen, wir mussten also zwangsweise bei unserer vorherigen Strategie bleiben.

"Konzentrier dich lieber auf Glut, Fukano! Dafür brauchst du deinen Angriff nicht!"

"Donnerschock, Raichu!"

Die Attacke traf mit voller Wucht, und die Paralyse lähmte ihn weiterhin. Wenn wir jetzt nicht angreifen konnten, dann würden wir verlieren. Zumindest Fukano. Und das wollte ich nicht.

"Donnerschock!"

"Glut!"

Beide griffen an, und die Attacken prallten aufeinander und verteilten sich im ganzen Raum. Ich ging in Deckung, um keinen der Funken abzubekommen, und sah anschließend wieder auf. Fukano war deutlich angeschlagen, Raichu hatte auch einiges abbekommen. Jetzt oder nie.

"Ich zähl auf dich, Fukano", dachte ich und entschloss mich ein letztes Mal: "Glut! Und gib alles, was du kannst!"

"Setz ihm ein Ende, Raichu! Noch einmal Donnerschock!"

Natürlich war Raichu immer noch schneller. Fukano wurde getroffen, ertrug die Attacke jedoch und griff ebenfalls an. Es war ein Volltreffer.

Major Bob und ich standen völlig angespannt da und beobachteten die erschöpften Pokémon. Beide standen. Beide vollkommen angeschlagen und kurz vor dem Zusammenbruch. Sekunden evrgingen. Sekunden, die mir so ewig lang vorkamen. Und dann krachte einer von ihnen zusammen. Ein lautes Rumms erfüllte die Arena, als Raichu zu Boden fiel. Es war entschieden.

Ich ließ mich zu Boden fallen und schloss Fukano in die Arme. "Du bist echt mehr als klasse, Partner. Ich danke dir. Du hast keine Vorstellung, wie viel mir das bedeutet."

"Raichu, zurück mit dir, ruh dich etwas aus", sagte Major Bob und holte sein Pokémon zurück. Dann schritt er auf mich zu und hielt mir die Hand hin, um mir wieder aufzuhelfen. "Du hast eine sehr starke Verbindung zu diesem Fukano. Ich hab gesehen, was du versucht hast, und für einen Moment hat es sogar funktioniert. Damit ein Pokémon die Befehle seines Trainers auch ohne Worte versteht, bedarf es einer sehr engen Bindung. Nicht viele sind dazu in der Lage. Aber ich denke, dass du und Fukano ein solches Potenzial habt, um eine solche Verbindung aufzubauen. Arbeitet hart an euch, und ihr werdet auch diese Herausforderung meistern."

"Ich danke Ihnen, Major", sagte ich ehrlich und hielt Fukano weiter fest ihm Arm, während ich den Pokéball vom Gürtel nahm. "Ich werde dafür sorgen, dass wir immer hart an uns arbeiten. Ich werde nicht aufgeben."

Ich holte Fukano zurück in den Pokéball und sah Major Bob entschlossen ins Gesicht. Er lächelte zufrieden, dann zog er etwas aus der Tasche und reichte es mir. "Hier. Das ist der Donnerorden. Er erhöht die Initiative deiner Pokémon, außerdem kannst du damit jederzeit Fliegen einsetzen. Und das hier möchte ich dir auch noch mitgeben. Das ist die TM 24, sie enthält Donnerblitz. Vielleicht wirst du dafür noch Verwendung haben."

Ich nahm den Orden und die Tm entgegen. Major Bob nickte mir ermutigend zu. "Du bist wirklich besonders, Rei. Es war mir eine Ehre, dass ich dich, die Tochter von Lieutenant Katagiri, einmal persönlich kennenlernen und sogar gegen dich antreten durfte."

"Es war mir ebenso eine Ehre, Major", erwiderte ich. "Ich werde diesen Kampf als Erinnerung in Ehren halten. Ich werde mich jetzt wohl auf den Weg machen und hoffen, dass ich noch mehr herausfinden kann. Ich bin nachwievor entschlossen, der Wahrheit auf den Grund zu gehen."

Major Bob nickte. "Dann schlage diesen Weg ein. Ich kann dir an dieser Stelle nur noch eine einzige Kleinigkeit verraten, die dich eventuell weiterbringen könnte."

"Die wäre?", fragte ich sofort. Er holte tief Luft und sah zur Decke. "Mir kam eben der Gedanke, dass Lieutenant Katagiri mal mit einem älteren Mann zusammengearbeitet hat, der in Lavandia leben soll. Ich weiß nicht, ob dich das wirklich weiterbringt, ich kenne nicht mal seinen Namen. Doch diese Stadt ist nicht sonderlich groß, und die Wahrscheinlichkeit, dass es dort viele Menschen gibt, die mit geheimnen Forschungen betraut waren, ist sehr gering. Vielleicht solltest du dich dort zumindest einmal umhören."

Lavandia … ja, in dieser Stadt war ich auch schon mal gewesen. Nur ein einziges Mal. Damals, als…

"Dann wünsche ich dir viel Glück auf deinem Weg, Rei", sagte Major Bob. Ich nickte. "Danke. Ich werde mich auf die Suche nach diesem Mann machen. Und erhalte dann vielleicht endlich die Antworten, die ich brauche."

Ich wandte mich ab und ging zur Tür. Doch ich hielt noch einen Moment inne und drehte mich ein letztes Mal kurz um. "Ich bin wohl tatsächlich etwas anders aufgewachsen als andere Kinder. Mein Vater würde mich jetzt zurechtweisen, würde ich vergessen zu sagen: semper fi."

Und damit ging ich. Ich schob die Tür auf und trat wieder in den ersten Raum, in dem Green und Red sich inzwischen offenbar richtig gestritten hatten, und sofort damit aufhörten, als sie mich hörten. Es herrschte Stille, in denen ich spüren konnte, dass sie mich anstarrten. Doch ich würdigte sie keines Blickes. Ich wollte nicht, dass sie mein Gesicht sehen konnten. Und so lief ich einfach an ihnen vorbei und verließ die Arena, ohne auch nur ein einziges Mal zurückzublicken.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  JustLikeHi
2017-09-08T17:55:10+00:00 08.09.2017 19:55
Ich bin so spät aber das kapitel ist gut.
Endlich erfahren wir mehr über die vergangenheit von Rei. Ich hab schon eine theorie über ihren Vater^^
Antwort von:  Lenya_C_Sharizardon
11.09.2017 08:57
Auf dieses Kapitel hab ich mich auch schon lange gefreut ^^
Hmm, Theorien sind immer gut ;)


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