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It's about to be legendary

Von Legenden und Helden
von
Koautor:  rotes_pluesch

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Hauptsache zusammen

Merthin

Sie waren lange gelaufen, bevor sie das Tempo drosselten und nun doch etwas langsamer liefen. Sie hatten geschwiegen und Merthin war seinen Gedanken nachgegangen. Er wusste nicht, ob er nicht gerade zu weit ging. Letztlich hatte er für Aaron entschieden. Er hatte ihn mitgezogen und damit beschlossen, zu verhindern, dass er verheiratet wurde. Aber er hatte deswegen ja noch keine Antwort erhalten. Es stand noch immer zwischen ihnen. Der Blonde hatte vielleicht ein wenig Angst, dass Aaron sich gegen ihn entscheiden könnte. Obwohl er zumindest nicht protestierte, dass er ihn einfach hinter sich herzog. Es war eine blöde Situation und sie würden sie noch klären müssen...
 

Es war mittlerweile dunkel und Merthin blickte sich suchend um. Auf einer Anhöhe stießen sie auf die Ruine eines alten Bauernhofs. Merthin räumte etwas die Dachziegel des eingestürzten Eingangsbereichs zur Seite und legte den Rucksack ab. Dann suchte er Feuerholz und machte ein kleines Feuer. Müde setzte er sich und holte aus seinem Rucksack Brot und Käse, wovon er Aaron etwas reichte. Irgendwie hatte er keine Lust zu reden, aber es war wichtig, dass sie redeten... "Du kannst nachher die Decke haben", sagte er etwas patziger, als er wollte. Mittlerweile wusste er nicht mehr genau, was ihn vorhin so genervt hatte. Aber müsste er sich dafür entschuldigen? Aaron hätte ja nicht am Tag vor der Hochzeit kommen müssen? Was sollte das?
 

Aaron

Leichtfüßig und schnell entfernten sie sich vom Zeltplatz und liefen durch ödes Land, das sich rund um die Stadt ausgebreitet hatte. Bauernhöfe und Wassermühlen gab es hier kaum noch, die meisten waren verlassen, da der Boden nicht mehr genügend Pflanzen gedeihen ließ. Auch das Wasser in den Flüssen war zurückgegangen, aufgrund des steigenden Ungleichgewichtes der Magie um die Hauptstadt. Aaron und auch Merthin blieben während ihrer Flucht stumm. Der Blonde wirkte so entschlossen und auch überzeugt, dass Aaron ihn unterwegs bloß immer wieder anschauen - und ein bisschen bewundern - musste.

Sie liefen bis die Sonne sich komplett zurückgezogen hatte und die Dunkelheit Einzug gehalten hatte. Aaron überließ Merthin die Auswahl eines passenden Rastplatzes, denn er hatte mehr Ahnung davon, wo man geschützt ruhen konnte. Die Wahl fiel auf einen verlassenen Bauernhof, wo sich Aaron erstmal kurz umschaute, während Merthin für wärmendes Feuer sorgte. Es dürfte eine neue Erfahrung werden, so komplett unter offenem Himmel zu schlafen. Bei Merthin hatte er in einem Zelt übernachtet, hier hatten sie nichtmal das. Aber zumindest hatten sie etwas Nahrhaftes und eine Decke, die Merthin Aaron recht patzig anbot. Es war zu merken, dass ein Stück des Ärgers noch immer in Merthin steckte, und Aaron fragte sich, ob es mit der Hochzeit zu tun hatte. Denn erst, nachdem er diese erwähnt hatte, war Merthin derartig 'aus der Bahn geworfen'. Darüber mussten sie reden, damit die dicke Luft verschwinden würde, die sich zwischen ihnen ausgebreitet hatte.

Aaron nahm das Brot und den Käse entgegen, bedankte sich kurz und betrachtete das Stück. Selbst Brot aß man in seinen Kreisen mit Besteck, so war es etwas Neues direkt aus der Hand zu essen und nicht wenigstens ein Spießchen zu haben, an dem die bereits mundgerecht geschnittenen Brotstücke hingen. Langsam setzte er sich neben den Blonden auf den bloßen Boden, winkelte die Beine seitlich an, als würde er auf einem Stuhl ordnungsgemäß sitzen. Während Aaron ein bisschen von dem Brot und dem Käse aß, schaute er zu Merthin hin, welcher sehr still geworden war. "Ihr seid ungehalten, das habt Ihr deutlich gemacht", sprach Aaron in die Stille hinein und versuchte auf diesem Weg ein Gespräch anzufangen und sich dabei zu erklären. "Euer Schicksalsmal hat auf meine Hand reagiert, weil ich Teil Eures Schicksals bin, ebenso wie Ihr... des meinen. Aber Schicksal hat mehrere Facetten", versuchte Aaron sich eine weitere Erklärung dafür zu suchen, dass er der Blaue wäre. Tief in sich spürte er, dass es so sein musste, dass er das Glück und die Bürde inne hatte, eine Einheit mit Merthin zu werden. Es passte einfach zu gut. Zudem fühlte er sich wirklich zu Merthin hingezogen, magisch, wie auch persönlich. Aber konnte das nicht auch mehr auf Sympathie beruhen, nicht auf ihre magische Zusammengehörigkeit? Konnte es wirklich sein, dass ausgerechnet er von allen möglichen Menschen im Land derjenige sein könnte? Wenn Aaron diesen Gedanken zuließ und sich dann doch der richtige Partner für Merthin fand, wie sollte er dann in sein altes Leben zurückkehren können? Merthin würde dann doch seinen wahren blauen Krieger ihm vorziehen - natürlich. Ein irgendwie schmerzvoller Gedanke.

"Wie seid Ihr Euch so sicher?", griff er nun das im Zelt Gesagte auf. "Ihr mögt mich ja nun schon zum zweiten Mal davor bewahrt haben, zu meiner versprochenen Dame zu gelangen, aber das befreit mich nicht von dieser Pflicht. Daher spielt es keine Rolle, dass ich bei Euch bleiben möchte, Euch weiterhin unterstützen möchte oder dass ich meine Zukünftige gar nicht kenne." Noch hatte Aaron nicht wirklich erkannt, dass es gar nicht so schwer wäre, sich von den Ketten des Königs zu befreien, da er Merthins Hilfe hätte. Es war ihnen bestimmt, zusammen alle Widrigkeiten zu meistern, auch wenn es schwierig werden würde. Obwohl, den Schluß der Prophezeiung hatten sie noch gar nicht gelesen, keiner wusste, wie die Sache enden würde. "Meinem Vater ist die Sache dermaßen ernst, dass er mich Zuhause festgehalten hat. Ich versuchte fortzulaufen, doch es war mir erst heute gelungen", brachte Aaron auch eine Erklärung mit, warum er nicht schon früher Merthin aufgesucht hatte. "Ihr seht, das ist nicht so einfach, wie es ausschauen mag."
 

Merthin

Das Feuer knisterte und die Stille drückte auf Merthin. Er senkte den Blick, als er merkte, dass er den anderen überforderte. Zumindest dachte er, dass es so war. Er hatte sich aus eigenem Interesse dazu hinreißen lassen, für den anderen eine Entscheidung zu treffen. Er hatte ihn mitgenommen, um zu verhindern, dass sie wieder etwas trennen würde, etwas Großes, etwas Endgültiges, eine Hochzeit in ein anderes Land. Vielleicht sah man es ihm nicht an, vielleicht wirkte er auch nicht so, aber er war verunsichert. Er wusste nicht, was das alles bedeuten sollte, wohin es führte und was auf ihn - oder auf sie - zukommen würde. Und wieder eine Trennung von demjenigen, der ihm helfen konnte, damit zurecht zu kommen, könnte er gerade einfach nicht mehr ertragen. Aber es war selbstsüchtig gewesen, Aarons 'Schicksal' einfach an das seine binden zu wollen... und nun saß hier neben ihm jemand, der sich sichtlich unwohl fühlte und hier deplatziert war. Aaron war sicher noch nie des Nachts draußen in der Natur gewesen und hat die Nacht dort verbracht. Hatte er das Recht gehabt, das über den Kopf des anderen hinweg zu entscheiden? Nein, hatte er nicht.

Als Aaron ihn ansprach, schloss er einen Moment die Augen. Diese höfliche Form nervte ihn, ließ ihn innerlich glühen. Nicht, weil er sauer auf den anderen war, sondern weil es ihm vorführte, dass seine Gedanken völlig richtig gewesen waren: Aaron gehörte nicht hierher. Und wenn er es nicht einmal schaffte, ihn zu duzen, dann bestand bei weitem nicht so eine tiefe Verbundenheit wie er sich vormachte.

Merthin schwieg erst einmal und hörte dem anderen zu. Ja, er war ungehalten gewesen, weil alles so seltsam verworren war. Er atmete tief durch. Sie waren jeweils Teil ihres Schicksals? Mehrere Facetten? Wollte er es ihm ausreden, dass sie die Auserwählten waren? Vermutlich... Merthin lauschte in sich hinein, als er die entscheidende Frage hörte. Und natürlich merkte er, dass sich Aaron nebenbei erklärte. Und er sagte ihm, dass er diese Frau gar nicht kannte, dass er beim ersten Mal bereits auf dem Weg zu seiner Auserwählten gewesen war und dass er lieber mit ihm gehen würde. Aber er hatte eine Pflicht....

Merthin konnte das irgendwie verstehen. Aber das half kaum weiter, oder? Und abschließend erklärte er ihm noch indirekt, warum er so spät gekommen war. Es machte alles Sinn, ja. Aber doch auch wieder nicht...

"Ich bin leider überhaupt nicht sicher, Aaron!", begann er schließlich nach kurzem Schweigen. Er duzte ihn bewusst. "Das Schicksal mag Einfluss auf uns haben, es mag den Weg weisen. Aber dennoch glaube ich auch daran, dass wir unseres eigenen Glückes Schmied sind. Ich trage für mein Handeln die Verantwortung - unabhängig vom Schicksal. Ich kann ja auch nicht ein Verbrechen begehen und behaupten, es sei Schicksal gewesen... oder jemanden entführen, ohne ihn zu fragen, ob er das wirklich möchte..." Er schwieg einen Moment und hoffte, dass Aaron begriff, was er meinte... "Und ich bin mir mittlerweile auch nicht mehr sicher, ob diese Prophezeiung und alles, was damit zu tun hatte, richtig war.

Ich weiß nicht, ob wir füreinander bestimmt sind, ob wir uns im Kampf einen sollen und wir gemeinsam irgendetwas bewirken. Aber was ich weiß ist, dass hier in der Welt etwas schief läuft. Etwas gerät aus den Fugen. Der König ist von seinem Machthunger bessern und sieht darüber nicht, wie das Land in sich zusammenbricht. Die Wiesen und Wälder, durch die wir heute gelaufen sind - das waren blühende Landschaften voll Reichtum. Und jetzt? Ödnis und Leere, nichts gedeiht, die Menschen, die sich hier über Generationen ein Leben aufgebaut hatten, verdingen nun als Tagelöhner in der Stadt ihren Lebensunterhalt. Ich habe keine Ahnung, ob es mein Schicksal ist, ob diese Prophezeiung mich wirklich betrifft. Aber ich möchte es glauben. Ich möchte glauben, dass ich etwas bewegen kann, dass ich die Welt verbessern kann. Verstehst du?" Erst jetzt sah er vom Feuer, das er angestarrt hatte, auf und sah den anderen an. "Und es gibt noch etwas, das mich vorantreibt. Etwas, das nur mich betrifft. Denn im Gegensatz zu dir weiß ich nichts von meiner Herkunft. Ich weiß nicht, wer mein Vater war, wer meine Mutter war. Die Male machten mich besonders. Aber gaben mir auch nur Rätsel auf. Jetzt gerade merke ich, dass meine Suche nach Antworten voranschreitet. Ich habe die leise Hoffnung, in dieser Geschichte etwas zu finden, was mir hilft, das Rätsel meiner Lebensumstände zu lösen. Aber dafür scheine ich an dich gebunden zu sein. Und daher muss ich mehr über die Prophezeiung herausfinden. Und ja, vielleicht gibt es andere, die diese Krieger eigentlich sind. Aber noch habe ich nichts von Ihnen gehört und daher nehme ich die Herausforderung an, um meinen Teil zu was auch immer, beizutragen. Es ist das einzige, was mir sinnvoll erscheint." Er lächelte matt und steckte sich ein Stück Brot in den Mund. "Nichts ist einfach, Aaron. Gar nichts. Und doch kann auch manches ganz einfach sein - wenn man nicht alleine ist. Aber sei dir gewiss: Ich mache es mir nicht einfach und du sicher auch nicht. Du hast deine Last zu tragen - und ich auch. Und ich habe mindestens genauso viele Zweifel wie du. Und vermutlich muss jeder für sich entscheiden, was er bereit ist zu opfern. Jeder muss für sich allein entscheiden. Und doch dürfen wir den anderen nicht vergessen: denn wir sind nicht alleine - wir haben uns. Wir sind zusammen und passen aufeinander auf - egal was kommt. Das spüre ich. Lass uns eine Nacht darüber schlafen, was meinst du? Ich bringe dich morgen, wohin du willst. Versprochen!" Er lächelte den anderen an. "Und vielleicht können wir dieses 'zusammen' etwas festigen - egal, ob das hier schicksalshaft oder wegen meines Übereifers nur dumm ist." Er griff nach zwei Trinkschläuchen und reichte eine davon dem anderen. "Bitte, Aaron, bitte duze mich. Sonst glaube ich wirklich, dass die Kluft zwischen uns zu tief und unüberwindbar ist." Er öffnete den Schlauch. "Schnaps wäre passender, aber ein Schluck Wasser muss reichen. Bist du einverstanden?" Es gab ein Ritual, das man in einem solchen Moment durchführte. Man verhakte die Arme ineinander und trank einen Schluck. Dann küsste man sich auf die Wange. Vielleicht würde das Aarons Distanz ein wenig aufheben.
 

Aaron

Schon ein bisschen gebannt hörte Aaron den Worten von Merthin zu. Zuerst hatte er sich gewundert, da der Blonde geantwortet hatte, dass er sich auch nicht so sicher war, was ihre wahren Rollen in der Prophezeiung bedeuten würden. Er hatte so entschlossen gewirkt, aber wahrscheinlich stimmte beides. Merthin war entschlossen, aber nicht aufgrunddessen, dass er fest glaubte, Bestandteil der alten Sage zu sein. Nein, er wollte auf was anderes hinaus und je mehr Aaron zuhörte, desto mehr verstand er, was Merthin ihm zu sagen versuchte.

Ein kleines, etwas schiefes Grinsen schlich sich auf Aarons Gesichtszüge, als Merthin die 'Entführung' ansprach. Wenn man es so betrachtete, hatte er Aaron tatsächlich entführt, allerdings nicht in dem Sinne, wie es Außenstehende wohl verstehen würden. Merthin hatte Aaron in eine für ihn völlig neue Lebensweise entführt und ihm Sichtweisen gezeigt, die er so noch gar nicht bedacht hatte. Es war Merthins eigene Entscheidung gewesen Aaron mit sich zu nehmen und ihn nicht den Soldaten zu überlassen, die ihn gewiss nach Hause und am nächsten Tag ins Nachbarland gekarrt hätten. Er hatte die Wahl gehabt und Selbstbestimmt gehandelt und war nun auch bereit, dafür gerade zu stehen und das konnte er mit ganzem Herzen, da es seine Entscheidung gewesen war und er es nicht getan hatte, weil eine Prophezeiung es ihm gesagt hatte. Genau wie in diesem Moment. Merthin sprach davon, dass es egal war, ob sie die Bestimmten waren, ob sie auserwählt waren, der Prophezeiung zu folgen. Mit ihren vorhandenen Kräften konnten sie dennoch etwas tun, etwas zur Verbesserung der Welt beitragen, völlig unabhängig von irgendeiner Weissagung. Der Prinz merkte, dass er sich viel zu sehr auf die Worte der Legende versteift hatte, es war immernoch sein Leben und es waren seine Entscheidungen, die bestimmten, wie sein Schicksal verlief. Das war eine sehr wertvolle Erkenntnis, über die Aaron wirklich nachdenken wollte.

Offen sprach Merthin über seine unbekannte Herkunft und dass er auf der Suche danach war. Aaron hatte gedacht, dass der Schaustellertrupp seine wahre Familie war, da Merthin ihm die Leute auch dementsprechend vorgestellt hatte. Aber das erklärte sein Streben nach Wissen und allein das war es schon wert, diesen Weg einzuschlagen. Er bestärkte Aaron darin seine eigene Entscheidung zu treffen, selbst zu bestimmen, was er opfern wollte und was ihm wichtig zu behalten war. Bisher hatte immer König Corvo entschieden, was für Aaron das Beste wäre, einzig das Studium der alten Sprache war Aarons eigene Entscheidung gewesen. Vielleicht hatte sich der Prinz deshalb so sehr in das Lernen der Sprache hineingesteigert, weil er beweisen wollte, dass auch er gute Entscheidungen für sich selbst treffen konnte. Wieder eine Sichtweise, die Aaron so noch gar nicht bedacht hatte.

Außerdem... versicherte Merthin dem Braunhaarigen ihren Zusammenhalt, was den nötigen stabilen Untergrund schaffte, auf den Aaron aufbauen konnte. In der Luft zu schweben war zu unsicher, aber wenn Merthin ihn nicht mit den Folgen seiner Entscheidung alleine lassen würde und er ihn in seinem Rücken wusste, was sollte da noch schief gehen? Der Prinz musste ehrlich sagen, dass es sich gut anfühlte, die Dinge auf Merthins Weise zu sehen, und er spürte innerlich den Wunsch, Merthin als Freund bezeichnen zu können. Auch wenn es wahre Freunde unter Adligen nicht sonderlich häufig gab, schon gar nicht wenn man wie Aaron aus dem Königshaus stammte. Konnte Aaron sich denn als Prinz erlauben, seinen Pflichten zu entfliehen und für eine gute Sache zu kämpfen? Durfte er seinen sicheren Palast verlassen und auch tun, was er für das Richtige hielt? Zusammen mit einem übereifrigen und charmanten Mann? Einem Freund?

Aaron hatte still zugehört und sein Gesichtsausdruck entspannte sich zunehmend, entwickelte gar ein Lächeln. Dass Merthin so weise sprechen würde, hätte Aaron gar nicht gedacht, aber er hatte damit in Aaron etwas angeregt, einen neuen Denkanstoß gegeben, der den Prinzen seine eigene Denkweise neu überprüfen lassen würde. Auch bat er Aaron erneut, ihn persönlicher anzusprechen und das sehr eindringlich. Wenn sie Freunde waren, könnte der Prinz auf die respektvolle Distanz verzichten und mehr Nähe zulassen. Im Grunde hatte Merthin Recht, die Kluft ihres Standes in der Gesellschaft war eigentlich unüberwindbar breit, aber sie hatten angefangen, eine Brücke zu schlagen und Aaron war gewillt, diese zu überqueren.

Nun nahm Aaron den Trinkschlauch entgegen und blickte ein bisschen irritiert drein. Gern würde er auch das 'Zusammen' festigen, aber so ganz erschloss es sich dem Prinzen nicht, was Merthin da mit seinem Arm andeutete, während er fragte, ob Aaron einverstanden wäre. Ganz dunkel erinnerte sich der Prinz daran, mal gesehen zu haben, wie sich zwei Männer mit verhakten Armen gegenüber gesessen hatten und so gemeinsam getrunken hatten. Meinte Merthin das? Unter Adligen gab es solche Rituale nicht, da man die persönliche Grenze niemals überschritt, auch nicht unter Freunden oder Eheleuten und schon gar nicht öffentlich. Aber Aaron wollte Merthin beweisen, dass er gewillt war, eine Freundschaft aufzubauen und das auch derartig zu besiegeln. Schnell öffnete auch Aaron seinen Trinkschlauch und war erleichtert, dass es Wasser war und kein Schnaps. Nicht dass der Prinz einem guten Schluck abgeneigt wäre, aber dann mochte er doch lieber einen guten Wein. Aaron rückte wortlos ein Stückchen näher an Merthin heran und setzte sich aufrecht hin. Dann hakte er seinen Arm bei dem Blonden ein, so, wie er es bei den anderen Herrschaften gesehen hatte, und hoffte, dass er es richtig machte. "Ich bin einverstanden. Schicksal oder Dummheit, solange niemand alleine ist, ist beides gut", murmelte Aaron, ehe er sich sein Getränk an die Lippen führte und einen ordentlichen Schluck Wasser daraus trank. Ihre verhakten Arme störten beim Trinken weniger als gedacht und Merthin hatte auch Recht damit, dass es den Gemeinschaftssinn stärkte. Nach dem Schluck ließ Aaron seinen Arm wieder sinken und beugte sich zu Merthin vor. Einen Kuss auf die Wange gab es auch in seinen Kreisen, allerdings zurückhaltender. Anstatt einen richtigen Kuss auf die Wange des Blonden zu setzen, striffen seine Lippen dessen Haut mit leichtem Druck, dafür schmiegte er hinterher seine eigene Wange an die des anderen heran, schlang zusätzlich sachte beide Arme um seinen Nacken, um ihn in eine kleine Umarmung zu ziehen. Locker lehnte sich Aaron dabei mit dem Oberkörper an Merthin heran. Das magische Gefühl dabei fühlte sich diesmal besonders ausgeprägt an und Aaron genoß es unheimlich, weshalb er auch einen Moment die Augen schloß, während er in dieser Umarmung verharrte. "Dankeschön, Merthin", murmelte er recht leise in dessen Ohr. Dieses 'Danke' galt für so ziemlich alles, was Merthin bisher für und mit Aaron getan hatte. Ohne ihn läge der Prinz bald neben einer völlig fremden Frau im Ehebett und müsste seinen Ehepflichten nachkommen. So aber konnte er mit einem Freund zusammen unter freiem Himmel trinken und war freier in seinen Gedanken als je zuvor.

Auch wenn Aaron glatt in dieser Position schlafen könnte, löste er die kleine Umarmung bald, die sich jedesmal so angenehm mit Merthin anfühlte und erhob sich. Wahrscheinlich wäre es Merthin bald sehr unbequem geworden, wenn Aaron so eingeschlafen wäre. Die Decke hatte der Blonde bereits aus seinem Rucksack geräumt und Aaron nahm sich diese nun in dem Glauben, dass Merthin noch eine zweite für sich irgendwo hatte. Kurz breitete er diese auf dem Boden aus und legte sich auf die Hälfte, während er sich die andere Hälfe um seinen Körper wickelte und so schön eingekuschelt liegen konnte. Der Boden war hart und es fehlte ein Kopfkissen, aber Aaron war schon froh, dass er überhaupt eine Decke hatte. Die Wärme des Feuers trug zum wohlfühlen bei, ebenso der Gedanke, hier sicher zu sein. Allerdings kreisten in seinem Kopf nun eh andere Gedanken, als dass er sich um seine Sicherheit sorgen würde. Er war es eh nicht gewohnt, sich Sorgen beim Schlafen machen zu müssen. "Gute Nacht", kam es noch leise, dann schloss Aaron die Augen. Schlafen konnte er allerdings so schnell nicht, da ihr Gespräch von eben seinen Weg zurück in Aarons Gedanken fand. Viele Gedanken wälzte er im Kopf umher, wobei er irgendwann einschlief und ihn sein Gedankenkarussell bis in den Traum verfolgte. Hinzu mischte sich sein schlechtes Gewissen, da er Merthin noch immer nichts von seiner Herkunft erzählt hatte. Auch das wurde langsam wirklich Zeit, je mehr Zeit verging desto schlimmer würde es werden, sobald Merthin die Wahrheit erfahren würde. Da Aaron so vieles durch den Kopf ging, schlief er nicht besonders ruhig, bewegte sich viel und seufzte hin und wieder im Schlaf, da nicht alles was sein Kopf sich ausdachte positiv war.
 

Merthin

Es tat gut, sich all diese Gedanken von der Seele zu sprechen. Es tat gut, seine Sorgen und Hoffnungen zu teilen. Denn zuletzt hatte er das zwar mit Marie getan, aber sie hatte in ihm vor allem das Fatalistische gefestigt, das "es ist so bestimmt". Damit mag sie unter Umständen recht haben. Aber Merthin war ein Freigeist. Und das wurde ihm bei seinen Worten mehr und mehr bewusst. Mag sein, dass es eine Prophezeiung gab, mag sein, dass ihr Zusammentreffen kein Zufall gewesen war. Merthin wollte dennoch das Gefühl haben, für seine Taten allein verantwortlich zu sein. Sonst würde alles außer Kontrolle geraten. Und Merthin braucht die Kontrolle über sein Leben.

Und es tat gut zu sehen, dass Aaron ihm positiv gestimmt zuhörte. Er hörte ihm offen zu und nicht widerwillig. Er gab ihm die Chance, sich zu erklären, und nahm sie Denkanstöße an. Merthin hätte es ihm nicht verübeln können, wenn der andere hinsichtlich seines eigenmächtigen Handelns auf die Barrikaden gegangen wäre. So aber würden sie beide für sich nachdenken können, offen füreinander und ihre etwaige gemeinsame Zukunft. Und wenn jeder für sich eine Entscheidung treffen könnte, dann könnten sie ihren Weg entsprechend fortsetzen. Dann wäre alles richtig, was sie weiterhin tun würden.

Außerdem war es gut zu sehen, dass Aaron nun endlich gewillt war, die gesellschaftliche Distanz zu überwinden und das Du zu akzeptieren, das Merthin etwas dreist von Anfang an verwendet hatte. Auch wenn er das Ritual offenbar nicht unbedingt zu kennen schien, denn er blickte etwas verwirrt, begriff er es dann aber doch. Merthin drehte sich zum anderen, damit es einfacher ging. Sie hakten die Arme ineinander und Aarons Worte ließen ihn Lächeln. "Schicksal oder Dummheit - in jedem Fall zusammen!", bestätigte auch er und setze an, um zu trinken. Sie hatten sich in gewisser Weise vereint und nun besiegelten sie es noch mit einem sanften Kuss. Sacht küsste er den anderen auf die Wange, spürte die Lippen des anderen auf seiner Wange und war nun erstaunt, dass Aaron nicht sogleich zurückzog, sondern sich noch an ihn schmiegte. Aber es war nicht unangenehm. Der Blonde spürte dessen Bartstoppeln an den seinigen, die weiche Haut darunter. Merthin schloss die Augen und atmete tief ein, sog den ganz eigenen, angenehmen Geruch des anderen ein. Und dann überraschte ihn Aaron, als er die Hand in seinem Nacken spürte. Doch er zögerte nicht, und hob seine freie Hand und ließ sie in den Nacken des anderen gleiten und zog Aaron leicht zu sich. Sein Daumen streichelte sacht über das kurze Haar. Er spürte, wie sich Aaron anlehnte und es war schön. Ihre gemeinsame Umarmung ließ sie körperlich und hinsichtlich ihrer gemeinsamen Zukunft näher aneinander rutschen. Merthin spürte, dass das Feuer aufflackerte, und doch spürte er auch, wie sich in ihm eine Ruhe ausbreitete, die ihm gerade sehr gut tat und ihm Zuversicht gab. Die Nähe, die sie sich gerade spendeten, beruhigte in vielerlei Hinsicht. Und das angenehme Gefühl, das sich in ihm ausbreitete, wärmte ihn. Und die Magie des anderen, die unmittelbar in ihn strömte, beruhigte seine innere Unruhe, wirkte seinem Feuer vielleicht ein wenig entgegen, aber eben im positiven Sinne. Ihre Elemente hatten etwas Ausgleichendes. Während Merthin heute vielleicht etwas übereilt gehandelt hatte, bremste Aaron ihn mit Besonnenheit. Und egal, was sie verband - ob Schicksal, Prophezeiung oder einfach Zufall: hier mit dem anderen zu sitzen und sich zu umarmen tat gut.

Er hörte den Dank und nickte leicht, um ihm zu verstehen zu geben, dass er den Dank gerne annahm. Auch wenn es sich gerade anfühlte, als müsse er sich bedanken. Doch das würde er bei einer anderen Gelegenheit tun.

Als sich Aaron zu lösen begann, entließ er ihn aus der Umarmung und öffnete die Augen wieder. Sie sollten zusehen, so viel Schlaf wie möglich zu bekommen, besonders Aaron. Und offenbar sah das der andere auch so, denn er richtete sich die Decke her und legte sich hin. "Gute Nacht!", erwiderte er leise und stand auf, um noch etwas Holz nachzulegen und sich kurz zu strecken. Er räumte das Essen weg, packte den Rucksack für den Fall, dass sie schnell aufbrechen müssten. Er lehnte sich vor dem Bauernhaus an die Wand und beobachtete die Umgebung. Durch die erhöhte Position konnte er weit blicken. Doch vor allem dachte er nach, dachte über die Dinge nach, die Geschehen waren und die Geschehen könnten. Und er versuchte dabei möglichst objektiv zu urteilen, wohin er seinen Weg gehen sah... und egal wie er es drehte und wendete: er musste weitersuchen. Es würde ihn sonst nie zur Ruhe kommen lassen. Spät kehrte er zu Aaron zurück, der bereits schlief. Er legte noch einmal Holz nach, dann setzte er sich neben den Kopf des anderen bequem hin, lehnte sich an die Wand und breitete den Mantel über sich aus. Er hatte sein Schwert griffbereit und würde so hoffentlich nicht zu tief einschlafen. Als Aaron sich umdrehte und im Schlaf murmelte, drehte er sich zu ihm. "Was sagst du?", fragte er leise, erhielt aber keine Antwort. Offenbar schlief er unruhig, aufgewühlt und der Blonde wusste wieso. Er fühlte sich nicht anders. Vorsichtig legte Merthin ihm seine Hand auf die Schulter, damit sich jener beruhigte, damit sie sich beide beruhigten.



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