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It's about to be legendary

Von Legenden und Helden
von
Koautor:  rotes_pluesch

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Gedankenexperiment

Aaron

Als Merthin zurück kam, war der Prinz noch vertieft in seine Arbeit und bemerkte den Blonden zuerst nicht. "'Werden finden'... 'werden befreien'..", murmelte Aaron vor sich hin, während er versucht war, die exakt korrekte Bedeutung der Zeichen zu ermitteln. "'Werden Gefallen bringen und Gefallen ernten!'", rief er plötzlich etwas lauter und sprang dabei von seinem Platz auf, da er sich freute, anscheinend ein Stück enträtselt zu haben. Dabei hüpfte er beinahe gegen Merthin, der für Aaron sehr plötzlich dastand. Der Prinz erschrack etwas, merkte aber schon im nächsten Augenblick, dass es Merthin war. Sein Blick rutschte zu dessen nun offenen Haaren, so sahen sie viel länger aus als im Zopf. Ob Merthin sie sich selber schnitt? Und ob er das auch für Aaron machen würde, dessen Haare zwar noch nicht so lang waren, aber für seine Auffassung bereits anfingen aus der Form zu geraten?

"Das Buch, das du gekauft hast, hilft hervorragend, vielen Dank", sprach Aaron sogleich, als er sich vom ersten Schreck erholt hatte und blieb so nahe bei Merthin stehen, zeigte ihm seine Eintragungen, die er bisher reingeschrieben hatte. "Haben wir jetzt überhaupt noch Geld über? Wie funktioniert das überhaupt mit unseren Finanzen?", fragte Aaron nun bei dieser Gelegenheit nach. Der Prinz wusste nicht wieviel man als Schausteller verdiente und zu Merthins Familie gehen und sich mal eben neue Münzen holen, dürfte auch schwierig werden. Dabei brauchten sie immer mal wieder etwas Geld, um sich Nahrung und eben solche Dinge für die Reise leisten zu können. "Die Verwaltung der königliche Schatzkammer wird mir wohl nichts zusenden, wenn ich einen Brief schriebe...", murmelte Aaron. Immerhin galt der jüngste Prinz als entführt. Ein entsprechender Brief könnte als Erpressungsversuch der Täter an den König gedeutet werden. Aaron würde aber dennoch gern auch in dieser Hinsicht etwas beisteuern wollen.
 

Merthin

Der kurze Weg zurück zur Scheune half ihm noch einmal, sich ein wenig zu sammeln. Die Situation vorhin im Wasser war sicher ein gutes Ablenkungsmanöver gewesen, das Aaron helfen sollte, aus der ihm so unangenehmen Situation zu kommen. Doch sie hatte bei Merthin zur Folge gehabt, dass es ihn innerlich aufgewühlt hat, auch wenn man ihm das sicher nicht angesehen hatte. Zum Glück, denn es wäre seltsam gewesen, wenn die Male aufgetaucht wären…

Er hatte die Unsicherheit des anderen deutlich gespürt, hatte die Verlegenheit schier körperlich gefühlt, als er bei ihm gestanden hatte. Es hatte ihm leidgetan, dass der andere offenbar zu seinem Körper und zu Nacktheit so ein schlechtes Verhältnis zu haben schien. War er so erzogen worden? So… scheu, was das Thema Körper mit allem was dazu gehörte betraf? War das Absicht? Konnte nicht jemand, der seinen Körper liebte und ein gutes Gefühl zu ihm hatte – jemand, der stolz auf seinen Körper war und entsprechendes Selbstbewusstsein hatte - nicht viel eher ein „großer“ Mensch werden? Oder war es genau das, was König Corvo unter allen Umständen hatte verhindern wollen? Dass Aaron „groß“, selbstbewusst und damit mächtig wurde? Hatte er schon immer gespürt, dass Aaron magische Fähigkeiten hatte und damit versucht, ihn klein zu halten? Schüchternheit und ein so massives Schamgefühl waren zweierlei Dinge. Er erwartete nicht, dass Aaron sich die Kleider vom Leib riss und damit protzte, dass er einen schönen Körper hatte – denn den hatte er. Nein, er sollte nur nicht so verunsichert sein, so ängstlich, so beschämt. Er hatte die schützenden Arme gesehen, die der andere um seinen Körper gelegt hatten. Er hatte diese Angst in seinen Augen gesehen. Und das Verlangen, ihn zu umarmen und ihm zu versprechen, dass er ihn vor allem schützen würde, was ihm Übel wollte, war so groß in Merthin gewesen, dass es noch immer in ihm zu spüren war.

Unabhängig davon, dass diese Berührungen, die er sich einfach genommen hatte, ihn erschaudern hatten lassen. Er hatte es deutlich in sich gespürt, dieses Kribbeln und innerliche Erschaudern. Und als er vorhin aus dem Wasser gestiegen war, hatte er gesehen, dass die Berührungen dieses so reinen Körpers auch in seinen Lenden Wirkung gezeigt hatten… Auch das verwirrte ihn. Nicht, dass ihn ein Mann erregen konnte – das wusste er schon lange. Nein, dass dieses magische Gefühl, das zwischen ihnen herrschte und das wie eine Sucht zu werden drohte, auch solcherlei Spuren bei ihm hinterließ. Aaron war ein schöner Mann, keine Frage. Und unter anderen Umständen hätte er ihn versucht rumzukriegen. Aber er durfte nicht in das Gefühl einer Verbundenheit hinsichtlich der Prophezeiung, in dieses Kribbeln, in diese Energie, in diese Freundschaft etwas Anderes – gar ein körperliches Begehren oder gar Gefühle über das Gefühl des Zusammengehörens hinaus –hineininterpretieren… Es würde nur zerstören, was sie aufgebaut hatten – dieses zarte Band der Freundschaft. Alles andere würde das behindern, was ihr Ziel darstellen sollte…

Er hatte das blaue Licht gesehen, hatte gesehen, dass die Legende stimmte, die Königssöhne hätten ein Zeichen am Körper, das sie als Mitglied der Königsfamilie auszeichnete. Er hatte nicht näher hingesehen, hatte das Licht nur als Teil der Magie zugeordnet. Aber er würde irgendwann einmal fragen, ob er es sich genau ansehen durfte. Aber nicht jetzt gleich. Sicher war der andere noch immer beschämt – sofern er es nicht verdrängt hatte.

Als er bei seinem Rucksack ankam, zog er die Wäscheleine heraus und hängte die Wäsche daran auf. Er hatte gesehen, dass Aaron das Buch und die Griffel gefunden hatte. Ob er sich noch schnell rasieren sollte? Doch irgendwie hatte er das Bedürfnis zu sehen, wie es Aaron geht, ob er ihm böse war…

Und so ging er in die Scheune zu dem Lager, das sie heute Nacht beziehen würden. Und sah ihn, wie er da saß, das Bild auf dem Schoß und das Buch in der Hand, in das er malte, zeichnete, schrieb – Worte murmelnd und in seiner eigenen Welt versunken. Ein Lächeln legte sich auf seine Lippen. Das war seine, Aarons Welt – Bücher, Wissen, Nachdenken. Und in dieser Welt schien der andere vollkommen glücklich zu sein. War er es, weil es ihm anerzogen worden war, weil er von Natur aus so war, oder war er es, weil es ihm die einzige Möglichkeit war, seinem eigentlichen Leben zu entfliehen? Vielleicht eine Mischung aus allem…

Leise trat er näher heran, wollte wissen, was der andere da in dem Bild gefunden hatte. Als dieser mit einem Mal aufsprang und fast in ihn hineingesprungen war. „Sachte, sachte…“, sagte er leise und hob die Hände, um den anderen aufzufangen, sollte er fallen. Aber der andere fing sich sogleich wieder und sah zu ihn überrascht an. „Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken…“, sagte Merthin sogleich. Sie sahen sich einen Moment an. Er sah, dass Aaron seine Haare betrachtete… Aaron schien ihm das nicht übel zu nehmen. Nun bedankte sich der Prinz bei ihm mit einem Leuchten in den Augen, das Merthin schmunzeln ließ. Er beugte sich etwas vor und blickte in das Buch, den Worten und Deutungen folgend, während der andere erklärte. Er merkte, dass Aaron anders roch, dass er nach ihm roch… Aber war ja auch kein Wunder. Zumindest passte das Hemd einigermaßen, auch wenn es dem anderen etwas zu groß war. Irgendwann sollte sich der andere selbst nochmal einkleiden… Als hätte Aaron seinen Gedanken erraten, sprach er das Geld an. Mertin sah ihn verwirrt an. Unsere Finanzen? Wie das funktionierte? Er musste grinsen, als er ihn so daherreden hörte. „Wirklich nicht?“, sagte er gespielt erstaunt. „Jetzt dachte ich, du könntest deinem wehrten Vater einen netten Brief schreiben…“ Er grinste leicht. „Nein“, sagte er dann und sah Aaron lächelnd an. „Mach dir da keine Gedanken. Ich habe genug, bis wir wieder auf die anderen treffen. Sieh es als Geschenk an. Und wenn du das nicht möchtest, dann kannst du mir das ja irgendwann mal zurückzahlen… oder du zahlst in Naturalien…“ Merthin begriff zu spät, was sein Mund schon aussprach und kurz schwieg er und er sah den anderen unsicher an. „Entschuldige“, sagte er leise. „Ich rede manchmal schneller, als ich denke…“ Er biss sich auf die Unterlippe und blickte Aaron beständig an. Es fiel ihm nicht leicht, sich zu entschuldigen. Aber gerade war es angebracht. „Ich wollte mich auch für vorhin am Fluss entschuldigen. Ich weiß, dass du dich nicht wohl fühlst, wenn ich nichts anhabe… aber es schien mir die einfachste Möglichkeit zu sein… Ich versuche so etwas in Zukunft zu vermeiden, auch wenn ich nicht verstehe, wieso du dich für deinen Körper schämst. Es gibt keinen Grund dafür.“ Er sprach leise, vorsichtig. Er wollte nicht riskieren, dass Aaron sich wieder unwohl fühlte.
 

Aaron

Es brachte auch Aaron ein Lächeln auf die Lippen, als Merthin seine Späße über den Brief an König Corvos mit der Bitte um Geld machte. Natürlich war das keine sonderlich gute Idee, das bestätigte Merthin damit nur weiter, andererseits stand Aaron auch ein Teil des Geldes zu, aber wie so viele seiner eigentlichen Rechte würde wohl auch das nicht anerkannt werden. König Corvo teilte verdammt ungern, egal ob mit seinen eigenen Kindern oder mit seinem Volk. Außer er sah darin einen größeren Nutzen für sich und seine Macht selbst, aber das holte er sich meist über andere Wege. Dennoch war es beruhigend zu hören, dass anscheinend genügend Geld vorhanden war, auch wenn Merthin nichts Näheres dazu mitteilte. Allerdings schluckte Aaron seinen nächsten Kommentar dazu wieder runter, als Merthin etwas unbedacht vorschlug, er könne diese Schulden ja in Naturalien zurück zahlen. Aaron besaß momentan nur eine Art von Naturalien, nämlich sich selbst. Aaron suchte in seinem Kopf noch nach einer schlagfertigen Antwort, als sich Merthin auch schon dafür entschuldigte. Dass dies nicht Merthins Art war, hatte Aaron schon gemerkt. Umso bedeutungsvoller war diese Entschuldigung. Es gab dem Prinzen das Gefühl, dass Merthin ihn verstand, und das rechnete er dem Blonden hoch an.

Aarons Blick, welcher etwas beschämt zur Seite gerutscht war, wanderte zurück zu Merthin. Aaron wusste ja, dass Merthin eine lockere Mundart hatte und mit anderen Menschen konnte er gewiss auch so sprechen, ohne dass sie wie Aaron gleich aufgeschreckt waren. In Anbetracht dessen, dass er auf dieser Reise ein einfacher Suchender war und eben nicht 'Prinz Aaron', wäre es doch ungerecht, Merthin den Mund zu verbieten. Aaron wollte ja 'normal' sein, frei sein. Ein verschmitztes Lächeln zeigte sich auf Aarons Gesichtszüge, das einzige was neben der Unsicherheit blieb war diese Aussage so zu nehmen, wie sie höchstwahrscheinlich gemeint war: als Witz. "Würden meine sehr persönlichen Naturalien denn überhaupt als angemessener Ausgleich deines Aufwandes ausreichen?", entgegnete Aaron mit einer selbst nicht ernst gemeinten Frage, denn für Aaron selbst stand schon fest, dass er selbst kaum als Gegenleistung ausreichen dürfte. Aber Merthin entschuldigte sich für seine unbedachten Worte und sprach gleich genau dieses Thema wieder an, indem er die Situation am Fluss erwähnte und eine erneute Entschuldigung verlauten ließ. Die Situation am Fluss war beschämend gewesen. Jetzt nochmal offen darüber zu sprechen, brachte das Gefühl dieser Unsicherheit zurück. Meinte Merthin wirklich, dass er keinen Grund habe, sich zu schämen? Für Aaron gab es da sehr wohl Gründe, anerzogene Gründe, die einem von klein auf eingetrichtert worden waren. Schon als Kind wurde ihnen beigebracht, dass Nacktheit und Körperlichkeit etwas Obszönes war, etwas, das nur unzivilisierte Menschen betrieben. Dass das so nicht stimmte hatte Aaron schon erfahren, es schien mehr eine Normalität zu sein und das unabhängig irgendeines Zivilisationsgrades. Aaron hatte schon wieder das Bedürfnis seine Arme um sich zu schlingen, dabei gab es diesmal nun wirklich keinen Grund. "Nein, ich danke dir dafür, ohne deine.... 'Aktion' wäre ich da sicherlich nicht so schnell und gut rausgekommen", versuchte auch Aaron das Positive an der Sache zu sehen. Diese Unsicherheit war ihm lieber gewesen, als vor den Augen der Frauen komplett entblößt aus dem Wasser steigen zu müssen. Schließlich war nicht alles an Merthins Lösung unangenehm gewesen. "Dafür bin ich noch nicht dahinter gekommen, wie du dich so leicht zeigen kannst. Dein Körper ist doch einzig für dich und nicht zum Teilen bestimmt", wiederholte der Prinz die Worte seiner Mutter, die ihre Standardantwort auf alle Fragen in dieser Richtung gewesen war. Bestimmt hatte sie diese Lehre selbst von König Corvo erteilt bekommen - gewiss sogar noch etwas eindringlicher - damit andere sein Weib auch ja nicht begehrten. Dennoch waren Aaron und seine Geschwister ja auch irgendwie entstanden, aber darüber sprach man einfach nicht.

Aarons Blick blieb wieder bei Merthins Haaren hängen, welche ihm noch offen bis zur Schulter hingen. "Schneidest du deine Haare eigentlich selbst?", stellte Aaron ihm nun die Frage, die er vorhin schon im Kopf gehabt hatte. "Ich dachte, dass du in dem Fall vielleicht auch meine schneiden könntest. Gewiss würde es schwieriger werden, mich zu erkennen, wenn wir etwas an mir verändern würden", schlug der Prinz recht entschlossen vor. Je weiter sie sich von der Hauptstadt entfernen würden, desto weniger wahrscheinlich wurde es, dass man Aaron erkennen würde, mit einer anderen Haarlänge könnte man da vielleicht noch etwas mehr nachhelfen.
 

Merthin

Es hatte ihn beruhigt, dass Aaron seinen Vorschlag, ihm das Geld in Naturalien zurückzahlen zu können, nicht krumm genommen hatte, ja sogar darüber hatte schmunzeln können und eine passende Antwort parat hatte. Wobei der Inhalt dessen ihn kurz hatte unsicher grinsen lassen. Ob er ein angemessener Ausgleich wäre? Merthin hatte nicht gewusst, ob sich der andere selbst so gering wertschätzte, oder ob er daran zweifelte, dass man Geld für ein Heft und etwas zu Schreiben mit dem gleichsetzen könne, was ihm sein Körper zu bieten hätte... Er ließ es dahingestellt und war erst wieder darauf gekommen, als Aaron ihm nun deutlicher zeigte, dass sein Selbstwertgefühl verschwindend gering zu sein schien. In dem Moment, in dem er Worte herunterratterte, die sicher nicht seiner Geisteskraft entsprungen waren. Und diese Worte ließen Merthin perplex die Augenbrauen heben. Der Körper ist nur für einen selbst bestimmt? War das sein Ernst? Merthin war so erstaunt gewesen, dass er nur ein „Ich mag meinen Körper und es stört mich nicht, wenn andere ihn sehen. Es ist meiner, auch wenn andre ihn betrachten!“ darauf antwortete. Darüber würde sie noch einmal zu sprechen kommen müssen, wenn ein günstiger Zeitpunkt käme. Das nahm er sich fest vor! Denn in gewisser Weise spürte er Wut in sich hoch kriechen bei dem Gedanken daran, dass jemand mit diesen Worten erzogen wurde. Wobei er sich denken konnte, wozu das diente: Kontrolle durch emotionale Selbstverstümmelung und Distanz. Ob Aaron überhaupt sich schon mal auf einen anderen Menschen, auf eine Frau eingelassen hatte? Ob er jemals schon Sex gehabt hatte? Aaron war sicher nicht wesentlich jünger als er… Hatte er nicht … Bedürfnisse? Oder galt da auch: das war nur ihm selbst bestimmt. Oder noch schlimmer: das gab es gar nicht!

Seine Mutter hatte ihn gelehrt, mit sich und seinem Körper eins zu sein, alles daran zu akzeptieren und diesen zu lieben wie er war - trotz der Male, trotz der Ungewissheit, wer seine Eltern waren und weshalb er weggegeben worden war. Und sicher sollte man mit seinem Körper nicht hausieren gehen, aber ihn zu teilen, weil man jemanden liebte, begehrte oder auch einfach nur um Bedürfnisse zu befriedigen, war etwas völlig Normales. Es hatte ihn auch Zeit gekostet, sich so zu akzeptieren, wie er war – das machte jeder Teenie durch – aber mittlerweile war er sehr zufrieden mit sich und seinem Körper. Warum sollte er ihn also nicht zeigen?
 

Und eine Gelegenheit, dieses Thema noch einmal aufzugreifen, gab es direkt danach, als Aaron ihn nach seinen Haaren fragte. "Ich schneide sie selbst, manchmal macht das jemand anderes... ich bin da sehr pragmatisch. Sie machen eh, was sie wollen. Da brauche ich keinen perfekten Schnitt." Er grinste leicht. "Ich könnte sie dir schon kürzer schneiden, aber ich weiß nicht, ob ich dafür wirklich geeignet bin. Ich hab das bisher immer nur an mir gemacht, aber wenn du mir vertraust, würde ich es schon tun. Die Idee finde ich nämlich sehr gut! Vielleicht sollten wir die Haare auch färben, schwarz stünde dir sicher mehr als gut. Die Frauen werden dir zu Füßen liegen, wenn du schwarze Haare und so schöne blaue Augen hast…“ Er grinste leicht bei dem Gedanken, wurde dann wieder ernst. „Und weil du vorhin so brav die Erziehungsfloskeln deiner Mutter oder deines Vaters vorgebetet hast: wenn du wirklich daran festhalten möchtest, dass dein Körper nur dir selbst bestimmt ist, dann wirst du irgendwann einmal sehr sehr einsam sterben“, sagte er nachdenklich. Er wollte den anderen nicht verletzen, aber es beschäftigte ihn doch sehr. „Denn wie solltest du dich denn jemals auf einen anderen Menschen, auf eine Ehefrau, auf deine Kinder einlassen können, wenn du daran glaubst, dass dein Körper nur dir gehört? Wenn du deinen Körper nicht teilen kannst, wie kannst du dann jemals eine emotionale tiefe Beziehung eingehen? Ganz zu schweigen von Sex. Oder gehört das nicht in die Kategorie „den Körper teilen“? Wie machst du das, wenn du Sex hast? Und du musst darauf nicht antworten, wenn du nicht möchtest... Es verwirrt mich nur. Ich bin da anders erzogen worden…“ Er griff zu einer der Flaschen Bier, die er gekauft hatte, und öffnete sie. Er trank gerne Alkohol, würde sich aber sicher hier nicht betrinken. Aber ein Schluck Bier tat ihm gerade sehr gut…
 

Aaron

Die weitere Idee, das sie Aarons Haare auch schwarz färben könnten, damit er wirklich nicht mehr so leicht zu erkennen sein würde, ließ Aaron aufhorchen. Merthins Bemerkung, dadurch eine größere Beliebtheit bei den Damen zu erreichen, war nicht unbedingt Aarons Intention dahinter. Ihm wäre es eher unangenehm, wenn Frauen offensichtlich Interesse bekunden würden. "Ich vertraue dir", sprach Aaron als erstes, um zu bekräftigen, dass sich Aaron selbst sicher war, dass Merthin ihn nicht verunstalten würde. Außerdem waren es so gesehen nur Haare. Nur weil der Prinz seinem Stand gemäß adrett aussehen wollte, hieß das nicht, dass er nicht auch offen für Experimente wäre. Solange man ihn dafür nicht auslachen würde, hieß das. "Also, ja, bitte schneide auch meine Haare mitsamt einer Farbveränderung", bestätigte Aaron nochmals in einer Bitte, denn so machte man das. Dies war ein Gefallen von Merthin an Aaron, darum bat man höflich und genau das tat Aaron auch, in diesem Fall sehr gern.
 

Aarons Augen weiteten sich, als Merthin anmerkte, dass Aaron einsam sterben würde, wenn er an dieser Lehre des eigenen Körpers festhalten würde. Stimmte das? Führte sein Verhalten zu seiner eigenen Einsamkeit? Dieser Gedanke erschreckte Aaron schon. Er wollte nicht einsam sein müssen, wollte einen Menschen im Leben haben, mit dem er seinen Lebensweg zusammen bestreiten konnte und der auch an seiner Seite bleiben würde, wenn sein Leben mal weniger gut verlief. Es war Brauch einen solchen Menschen einfach durch arrangierte Ehen zu bekommen und auch obwohl der Prinz mit der Wahl seines Vaters nicht zufrieden war und sich lieber selbst den richtigen Menschen aussuchen wollte, so garantierte diese Methode einem doch ein Leben ohne Einsamkeit. Oder hatten sich seine Eltern auch in diesem Punkt geirrt? "Also... ist es letztlich egal, welchen Menschen man gewählt hat, solange man sich gegenseitig sperrt, nicht nur das Leben zu teilen, sondern auch Körperlichkeiten... man würde nie eine tiefere Beziehung erreichen, die allem standhalten könnte....?", murmelte Aaron seine Schlußfolgerung aus Merthins Aussage. 'Einsam' bedeutete in Merthins Zusammenhang nicht, dass man alleine wäre, sondern dass man auch zu zweit einsam sein konnte, weil die Distanz zu groß war, wenn man sich nicht aufeinander einließ. So viel glaubte Aaron verstanden zu haben. Aaron suchte in seinem Kopf nach einem Argument, nach einer Antwort seiner Eltern, die Merthins Worte entkräften könnten. Doch da war nichts... Hatte Merthin also Recht? Würde Aaron einsam bleiben und einsam sterben? Doch diese Vorstellung, irgendwann tatsächlich mal einsam zu sein, machte Aaron mehr Angst als die Gedanken, jemanden nahe an sich heran zu lassen. Was könnte er tun, um nicht einsam sein zu müssen? Aber mit Merthin war Aaron jedenfalls nicht einsam, das zählte doch auch...? Erschreckt von dieser Aussicht hob Aaron eine Hand und legte sich diese über den Mund, so hatte er tatsächlich noch gar nicht gedacht.

Merthin lenkte die Richtung des Gesprächs zum nächsten, unmittelbar daran geketteten Thema. Auch wenn Aaron nicht ganz verstand, wie der Blonde seine Frage nach dem 'Wie' meinte. 'Wie' das praktisch funktionierte, wusste Aaron nämlich sehr wohl, denn nur, weil man auch seinem Ehepartner seinen Körper schamvoll so wenig wie möglich zeigte, so musste man dennoch nicht enthaltsam sein. Enkelkinder waren nunmal ein Muss, gern viele, also konnte man nicht auf eine entsprechende Aufklärung verzichten. 'Wie' man das mit dem 'Körper nicht teilen' vereinbaren konnte, war hingegen eine einfach zu beantwortende Frage. Aarons Blick glitt hinab, er wollte darauf antworten. Wollte erklären, wie ihm genau das gelehrt worden war. "Gar nicht", antwortete Aaron also prompt. "Sex hat leise, schnell, ohne großes Entkleiden, ungesehen im dunklen Kämmerlein zu passieren. Und das auch nur dann, wenn man verheiratet ist", erläuterte er mit leiser Stimme das Ganze genauer. Romantisch und lustvoll war gewiss was anderes. Das sollte auch bereits die Frage nach Aarons eigenem Sexleben beantworten; er war nicht verheiratet, also stand es ihm auch nicht zu, sich einer Frau in diesem Sinne zu nähern. Einem Mann schon gar nicht. "Sex ist dafür da, um Nachwuchs zu bekommen, nicht um etwaige Bedürfnisse zu erfüllen, die eh verteufelt sind", sprach er leise aus und hielt kurz inne, bevor er weiter sprach. "Das heißt jedoch nicht, das ich selbst frei von derlei Bedürfnissen wäre", gestand er Merthin sehr leise. Merthin war gewiss der einzige Mensch, dem Aaron das so offen erzählen konnte. "Aber Leidenschaft, vielleicht sogar ein bisschen Wildheit, gehört ins adlige Leben nicht hinein. Es würde zu große Schande über die Familie bringen." Die as alles war nicht Aarons Meinung, sondern allgemeine, stumme Regelung. Wenn Aaron ganz ehrlich mit sich selbst war, so verstand er diese Regelung auch nicht vollständig. Dabei lief alles immer auf dasselbe hinaus: der König versuchte alle anderen, besonders Aaron klein zu halten, damit keiner seine Machtposition gefährden konnte. Ein beunruhigender Gedanke kam Aaron in diesem Moment. Was, wenn sein Vater irgendwie gespürt hatte, dass Aaron magische Fähigkeiten hatte und damit mehr Macht entwickeln könnte, als ein einfacher Krieger einzig mit dem Schwert? Wäre Aaron erzogen wie Merthin und damit selbstbestimmter, hätte er gewiss mehr rebelliert und hätte sich mehr aufgelehnt, was der König einfach nicht hatte zulassen können. Immerhin hatte auch Aaron derartige Bedürfnisse, hatte auch schon ein Gefühl der Erregung gespürt, wenn er eine hübsche Frau hatte tanzen sehen und sich später in aller Stille dem alleine hingegeben. Aber so, wie der Körper einem selbst gehörte, so gehörten auch Bedürfnisse und Lust einem selber und die Verantwortung dafür, diese für sich zu behalten oblag jedem selbst. Mal davon abgesehen, dass es zu jeder hübschen Frau auch einen Mann gab - sei es ihr Ehemann, ihr Bruder, ihr Vater oder alle drei - den man mit solchen Gefühlen der Frau gegenüber verärgern würde. War das alles erdacht, nur damit Corvos Macht unangefochten blieb.....? Ein Gefühl der Ungerechtigkeit beschlich Aaron, so hatte er das alles zuvor nie gesehen.

"Wie hast du das gelehrt bekommen? Wie machst du das, wenn du Sex hast?", stellte Aaron dieselbe Frage nun auch an Merthin. Dass dieser nicht wie Aaron auf eine Erlaubnis der Eltern und des Trauscheins wartete, war aus seinen Worten hervorgegangen. "Wie teilt man seinen Körper, ohne sich selbst aufzugeben?"
 

Merthin

Aaron schien erstaunt über seine Worte zu sein. „Ich hoffe, ich muss dir nicht sagen, dass ich die Worte deiner Erziehung für den größten Blödsinn halte, den ich je gehört habe…“, begann er ruhig und eindringlich. „Wie ich Sex gelehrt bekommen habe?“ Er schmunzelte. „Ich war 14, als wir in unser Winterquartier nahe einer größeren Stadt im Osten aufgeschlagen hatten. Ich habe drei Abende die Frauen vor den Bordellen beobachtet, bevor ich mir sicher war, welche mich entjungfern durfte. Ich bin oft zu ihr gegangen und sie hat es mir beigebracht. Sie war eine sanfte, weiche Frau gewesen, mit schönen Rundungen und dem richtigen Gespür, kleinen Jungs ihre Männlichkeit zu zeigen…“ Er lachte leicht bei dem Gedanken daran. Dass er eine Wette mit Monty laufen gehabt hatte, erwähnte er lieber nicht… „Und wie ich es mache, mich nicht zu verlieren, wenn ich Sex habe?“ Er hob fragend die Augenbrauen, ob er die Frage richtig verstanden hatte. Er zögerte kurz, dann stand er auf. „Steh auf, Aaron“, sagte er und reichte ihm die Hand. Als er sah, dass der andere zögerte, fügte er ein „Bitte!“ hinzu. Unsicher stand der andere nun vor ihm. Merthin ließ die Hand nicht los und stellte sich hinter ihn. „Tu mir den Gefallen, Aaron und schließe die Augen. Keine Angst, ich tue nichts, was du nicht willst und du sagst mir einfach, wenn ich aufhören soll. Aber ich glaube, du kannst sonst nicht verstehen, was ich dir sagen möchte…“ Er wartete, bis Aaron schließlich nickte. Er sah, dass er angespannt war. „Schließ die Augen, Aaron, und höre mir einfach zu“, begann er leise zu raunen. Es war ein Experiment und vielleicht würde es auch nichts bewirken. Sie würden es sehen… „Wenn man das Bedürfnis nach Sex hat, dann nimmt man sich nicht den erst besten, um in der Dunkelheit sich in aller Eile zu befriedigen“, begann er nun auf den anderen einzureden. „Wenn ich Sex haben möchte, dann gehe ich aus, mische mich unters Volk, gehe in eine Kneipe, in der gesungen und getanzt wird. Es riecht nach Bier, nach Schweiß und Lachen liegt in der Luft, neben hitzigen Gesprächen und lustigen Anekdoten. Ich lasse mich treiben, trinke ein Bier und blickte mich um. Man erkennt auf den ersten Blick, ob man jemanden attraktiv findet oder nicht. Und wenn es nur um Sex geht, spielt auch nur das eine Rolle… Man sieht sich also um und irgendwann fängt man einen Blick von jemanden auf. Erst denkt man, es war Zufall, denkt vielleicht darüber nach, ob der andere wirklich seinem Geschmack entspricht und wagt erneut einen Blick. Fängt man ihn ein, dann weiß man, dass auch der andere Interesse hat. Man flirtet mit den Augen, lächelt sich an und einer macht den ersten Schritt, und geht auf den anderen zu. Man wechselt ein paar Worte, flirtet miteinander und testet aus, inwiefern der andere in die selbe Richtung denkt wie man selbst… Frauen mögen es, wenn man ihnen indirekte Komplimente und unterschwellig Andeutungen macht, dass man sie attraktiv findet. Männer, die bereit sind, das Risiko einzugehen, erwischt zu werden, mögen es eher derber. Sie wollen hören, dass sie gut gebaut sind, dass sie heiß aussehen…“ Merthin stand hinter Aaron, erzählte leise neben seinem Ohr, ohne ihn zu berühren – außer an der rechten Hand, die er noch immer hielt. „Wenn man sich einig ist, dass beide nur das eine wollen, dann verschwindet man unauffällig in ein Hinterzimmer oder in eines der Gästezimmer des Wirtshauses. Dieser kurze Weg ist oft noch einmal eine Prüfung – möchte es der andere wirklich, aber auch: möchte man selbst es auch wirklich… Und wenn im Zimmer keine seltsame Stimmung aufkommt, dann kann man sich treiben lassen und genießen. Sex ist so viel mehr als ein Akt des Kinderzeugens. Es ist mehr als das reine Austauschen von Körperflüssigkeiten.“ Er nahm Aarons Hand und legte sie auf sein Mal für Hingabe. „Sex ist Hingabe - eine Mischung aus Leidenschaft und Gefühlen, wobei nicht zwangsläufig Liebe im Spiel sein muss.“ Merthin spürte, wie die Energie mit einem Mal durch seinen Körper rauschte, spürte, wie die Hand des anderen an dieser Stelle in seinem Inneren ein Beben auslöste. Oder waren es einfach die Worte, die er wählte? „Der erste Kuss, der zunächst zögernd ist, austestend, bevor er verlangender wird, gieriger… Das vorsichtige Berühren am Oberkörper.“ Merthin hob die freie Hand über die Seite, die Brust des anderen, ohne ihn wirklich zu berühren. „Schließlich wird man mutiger und auch gieriger, möchte Haut spüren, warme weiche Haut. Gleichzeitig sehnt man sich danach, gestreichelt zu werden, selbst das Gefühl zu bekommen, begehrenswert zu sein. Man entkleidet sich, und schätzt den Körper des anderen jeweils gegenseitig wert, verwöhnt ihn, berührt ihn voll Respekt und Ehrfurcht, auch wenn es hitziger wird. Man treibt das Verlangen nach Sex weiter an, bis man das Gefühl hat, es nicht mehr auszuhalten… Und wenn man dann sich vereint, wenn man eins wird und seinen Körper teilt… dann ist das Schönste, wenn man sich fallen lassen kann, wenn man dahin treibt auf einer Woge von Emotionen, von Leidenschaft und Wohlbehagen… So lange, bis die Welle bricht und einem die Sinne schwinden.“ Er verstummte, spürte, wie er selbst die Augen geschlossen hatte und das Bedürfnis nach Sex geweckt worden ist. Er atmete tief ein und langsam wieder aus. „Aaron“, raunte er leise. „Das schönste am Sex ist, wenn man sich einfach mal selbst aufgeben kann… Wenn man alles vergessen kann, was einen beschäftigt und fern ab von allen Sorgen und Gedanken einfach nur zufrieden sein kann… Und dieses Gefühl, alles einfach einmal zu vergessen, macht süchtig. Man muss aufpassen, dass man darüber nicht wichtige Dinge vergisst. Aber über die wichtigen Dinge darf man auch nicht vergessen, dass man sich hin und wieder eine Auszeit gönnen sollte.“ Er führte die Hand des anderen wieder von seinem Mal weg. Sein Hemd rutschte wieder hinunter und sehr langsam ließ er Aaron los. „Ich hoffe, dass dir jemand zeigen wird, was Sex bedeutet und wie unvergleichlich es sein kann, dies einfach nur genießen zu können. Es ist nichts Anrüchiges, nichts Teuflisches, nichts Animalisches… Es ist einfach nur schön.“ Mit diesen Worten distanzierte er sich wieder von Aaron und ließ ihm einen Moment, die Eindrücke, die er ihm hoffentlich vermitteln konnte, einzufangen. „Und es spielt keine Rolle, ob man mit einem Mann schläft oder einer Frau. Es kommt nur darauf an, was man begehrt. Und wenn man sich in jemanden verliebt, kommt es auch nicht darauf an, welches Geschlecht der andere hat. Denn man verliebt sich in die Seele eines Menschen, nicht in seinen Körper. Mit der Liebe kommt das Begehren ohnehin…“ Sollte er erwähnen, dass er das stets vermieden hatte? Wohl eher nicht…
 

Aaron

Aaron war sich nicht so sicher, was Merthin vorhatte. Natürlich wollte er dazu lernen, wollte glauben, dass Merthins Version ein glücklicheres Leben ermöglichte. Aber von jetzt auf gleich konnte er nicht umswitchen. Angespannt ließ Aaron einfach auf sich zukommen, was Merthin tun wollte, befolgte seine Anweisungen und ließ den Kopf sinken, während er stumm zuhörte. Einerseits klang alles so weit hergegriffen für den Prinzen, allein schon die Vorstellung sich in eine Kneipe zu setzen und Bier zu trinken war utopisch. Gleichzeitig bedeutete dies aber auch Freiheiten für Aaron, da er in seiner Vorstellung alles frei von Konsequenzen machen konnte. Daher bastelte sich Aaron Bilder im Kopf, als würde er das Gesagte direkt vor sich mit anschauen. Das alles... klang so einfach und doch wieder so schwer. Die Berührung ihrer Hände, dessen Druck Aaron unwillkürlich immer weiter verstärkte, je weiter Merthin sprach, gab ihm Halt und Sicherheit. Mit klopfenden Herzen nahm Aaron Merthins Worte in sich auf, ließ sich davon gedanklich mitreißen.

Recht plötzlich, als Aaron schon geglaubt hatte, dass das die Geschichte gewesen war, die Merthin ihm hatte beispielhaft erzählen wollen, fühlte er unter seiner Hand die fremde Haut von Merthin. Seine wohlbekannte Energie schwappte über, berührte Aarons eigenes Zeichen und brachte ein Prickeln im Bauch und Unterleib. Aarons Kopf war bei diesem Gefühl hochgeruckt, allerdings hielt er die Augen weiterhin geschlossen. Das war nicht mehr nur zuhören einer Geschichte, sondern regelrechtes Kopfkino. Aber Aaron hatte genug Vertrauen in Merthin, um sich darauf einzulassen - wenn auch nervös - während er Merthin nahe hinter sich wusste, spürte, hörte. Seine Stimme, so nahe bei seinem Ohr, gedämpft, geraunt, reizend. Fest drückte Aaron die Lippen aufeinander, denn allein schon die Erzählung vom Kuss kribbelte auf seinen Lippen, die Hand von Merthin, die nur nahe an seinem Körper vorbei geführt wurde, fühlte Aaron fast körperlich über sich streichen. Es war wie eine hauchzarte Brise, die über seine Haut wehte, eine ganz zarte Berührung, die nur in Aarons Vorstellungskraft existierte und die dennoch ein ungewohnt angenehmes Gefühl im ganzen Körper auslöste. Aaron bekam dolleres Herzklopfen, spürte einen Schauer über seinen Rücken laufen, der ihn ganz kurz erzittern ließ.

Den Rest gab Aaron eigentlich bloß noch die Tatsache, dass und wie Merthin schließlich nach der ziemlich erotischen Darstellung seinen Namen sprach. Diese direkte Ansprache nach den ganzen Gefühlen, die alleine Merthins Worte ohne wirkliche Berührung ausgelöst hatten, machten das persönlich und Aaron fühlte sich nicht mehr nur als Zuhörer. In diesem Moment öffnete Aaron seine Augen schnell wieder, versuchte sich zu sammeln und wieder in die Realität zurück zu finden. Die Bilder verschwanden, doch der innere Gefühlsmix blieb. Langsam legte der Prinz einen Arm um sich selbst, was schon ganz automatisch passierte. Die zweite Hand, die Merthin gerade losgelassen hatte, führte er hoch zu seinen Lippen, berührte diese leicht, als müsse er kontrollieren, nicht doch wirklich jemanden geküsst zu haben. Vorstellungskraft war gefährlich.

Aaron hatte einen ganz kleinen Einblick erleben dürfen, wie es sein könnte, wie sich das anfühlen könnte, was untersagt war. Aber das war rein seine Vorstellung gewesen. Wie war das in Echt? Prickelte das wirklich so...? Diese Fragen durfte er sich eigentlich gar nicht stellen, wenn das wirklich süchtig machen konnte, so konnte er es sich nicht leisten, diese Sucht zu entwickeln. Wer wusste schon, was König Corvo entscheiden würde, wenn er wüsste, welche Bilder sein Sohn gerade im Kopf gehabt hatte und dass er davon nichtmal abgeschreckt war, sondern eine gewisse Neugier entwickelt hatte? Im Stillen hoffte Aaron wirklich, einmal eine Person zu finden, die so tickte wie Merthin, und gewillt war, trotz Aarons Unsicherheiten eine solche Erfahrung zu teilen. Merthin sprach es selbst an; mit Liebe kam ein solches Begehren sowieso. Wenn es also eine Person gäbe, die ihn lieben könnte, wäre es dann Sünde mehr Leidenschaft zu empfinden und auszuleben? Dass Merthin wieder auf Abstand gegangen war, nutzte Aaron dazu, sich zu ihm herumzudrehen. "Wo ist denn da der Unterschied zu dem begehren, zu dem Sex, wenn man verliebt ist?", war das einzige was Aaron ihn fragen konnte. In seiner Stimme hörte man noch die Anspannung, die erlebte Intimität, die sich so neu anfühlte. Was da beim Erzählen überhaupt genau mit ihm passiert war, fragte Aaron lieber nicht, um nicht auf eine Gegenfrage antworten zu müssen. Merthins Erzählung basierte auf etwas Einmaliges, ohne emotionale Bindung, wie Merthin es selbst genannt hatte. Aber wie anders war es, wenn Liebe mit dabei war?
 

Merthin

Die Anspannung, die Nervosität, die Merthin deutlich gespürt und gesehen hatte, fiel mit jedem Wort mehr und mehr von Aaron ab, während er diesen auf eine Gedankenreise mitnahm. Und er spürte, dass das, was er ihm über das noch viel größere Thema „Sex“ versuchte beizubringen, den anderen berührte. Letztlich wollte er ihm nur die Hemmungen nehmen, sich diesem Thema zu stellen, wollte ihn neugierig machen. Und dass sich Aaron darauf eingelassen hatte und nicht unterbrach, als es anzüglicher und konkreter wurde, war ein gutes Zeichen. Dass er damit dem anderen vielleicht irgendwann Probleme bereiten könnte, ahnte er, aber er hoffte, dass durch ihre Reise Aaron sich von seinen Fesseln als Prinz befreien konnte und dann als ein eigenständiger Mann dem Volk ein König sein konnte. Und dazu gehörte Merthins Auffassung auch, dass man sich seines Körpers, seiner Sexualität bewusst war und nichts Animalisches und Niederes darin sah. Vielleicht lehnte er sich damit weit aus dem Fenster, Aaron in diese Richtung lenken zu wollen und so richtig wusste er auch nicht, warum ihm das so wichtig war. Er hätte ihn ja auch in diesem Unverstand lassen können… Aber irgendwie kam ihm der Gedanke, dass dieser schöne Mann sein Leben lang Hemmungen haben könnte, Sex zu genießen und sich treiben zu lassen, falsch vor.

Und sicher, er hätte das auch auf ganz andere Weise tun können, als mit einem Kopfkino, aber die Reaktionen des anderen zu beobachten, wie er Gänsehaut bekam, wie er seine Hand fest umklammert hielt, wie er leicht erzitterte, wie sein Puls ging… Wie schön Aaron wohl wäre, wenn er sich dem allen, vielleicht sogar ihm hingäbe? An wen er wohl gerade dachte? Merthin schluckte bei diesem Gedanken und versuchte diese Vorstellung wieder aus seinem Kopf zu bekommen, und ein wenig gelang es ihm, indem er wieder Distanz aufbaute und kurz selbst tief durchatmete, die Erregung in seiner Hose durchaus spürend, während auch Aaron damit beschäftigt war, sich wieder in das Hier und Jetzt zu begeben…

Als er dann jedoch eine Frage hörte, mit der er nicht gerechnet hatte, hob er den Kopf und sah Aaron einen Moment an, ohne zu antworten. Dann lächelte er matt. „Das kann ich dir nicht beantworten“, sagte er schulterzuckend und nachdenklich. „Ich vermeide es, mich auf jemanden tiefer einzulassen. Dafür habe ich keine Zeit, keine Nerven und außerdem ein paar Besonderheiten zu viel an meinem Körper.“ Er hatte tatsächlich immer Angst gehabt, dass jemand, mit dem er eine tiefere Beziehung einging, ihn irgendwann verraten könnte… Er hatte gesehen, was mit Menschen geschah, denen man Magie angedichtet hatte. Und allein der Gedanke daran, sich auf jemanden tiefgehend einzulassen, löste bei ihm auch einen Widerwillen aus, den er nicht genau zuordnen konnte. Es war, als ob er eine unbestimmte Angst in sich trug, von der er nicht wusste, woher sie kam.

Er blickte wieder zu Aaron und lächelte aufmunternd. „Aber sicher ist das noch viel intensiver, noch viel befreiender und in gewisser Weise ‚erfüllend‘… Aber das kannst du ja gerne einmal ausprobieren und es mir dann erzählen.“ Sein Lächeln wurde zu einem Grinsen. „Du bist genau dafür der Typ – eine feste Beziehung mit der Frau seines Lebens. Sicher wirst du glücklich sein, wenn du sie aus tiefstem Herzen liebst. Und dann wird der Sex mehr sein, als ich dir gerade versucht habe zu vermitteln…“ Und damit sollten sie das Thema jetzt sicher lieber belassen…
 

Aaron

Es überraschte Aaron von Merthin zu hören, dass er es nicht sagen könne, wo der Unterschied zu dem Ganzen mit Liebe wäre. Hieß das... er hatte selbst nie den Menschen geliebt, mit dem er geschlafen hatte? Hatte immer nur einmalige Erlebnisse gehabt und das war es gewesen? Merthin bestätigte diese Gedanken wenig später. "Es ist ein bisschen ironisch, dass du davon sprichst, dass ich einsam bleiben werde, wenn ich mich anderen nicht körperlich öffnen würde, aber auch du würdest einsam bleiben, wenn du dich einzig körperlich öffnest und nicht auch dein Herz", sprach Aaron seine Gedanken dazu aus. Klar hatte Merthin Recht, dass seine Male am Körper wohl viele abschrecken würden, und wahrscheinlich lief er auch Gefahr aufgrunddessen verletzt zu werden, da er verraten werden könnte. Aber wenn es wirklich Liebe wäre, auf beiden Seiten, könnte er diesem Menschen doch auch das anvertrauen. Und der Blonde sollte nur aufgrund seines Körpers, für den er sich eigentlich null schämte, nicht der Typ für eine Beziehung sein? Das glaubte Aaron nicht, weshalb er den Kopf etwas schief legte. Aaron wollte nicht, dass Merthin einsam wäre, da er den Gedanken für sich selbst auch fürchterlich fand. Aaron war sich aber nicht so sicher, ob er Merthin ebenso eindrucksvoll vermitteln könnte, dass man die Leute nicht emotional auf Abstand halten konnte und den Körper als einziges Mittel, um zumindest etwas in der Richtung zu bekommen, nutzen konnte. Wenn es wirklich erfüllender mit einer geliebten Person war, warum nicht die Augen nach einer solchen Person offen halten? Nun hatten sie aber schon so ausführlich darüber gesprochen, dass es sicher besser war, das zu vertagen. Vielleicht gab es noch Möglichkeiten, da später nochmal drauf einzugehen.
 

Merthin

Merthin atmete tief ein, als Aaron begriff, inwiefern seine Argumentation und das Gedankenexperiment sehr angreifbar waren. Und so berechtigt die Kritik war, so schmerzhaft war sie auch gerade für ihn. Eigentlich überging er solche Aussagen – Marie und seine Mutter sagten das auch gerne – aber er hatte seine Gründe dafür, vermutlich. Jetzt aber hatte er das Bedürfnis zu Antworten. „Da magst du recht haben, Aaron von Foron“, sagte er und seine sonst so hellen Augen waren dunkler als gewöhnlich. „Aber ich habe meine Gründe dafür. Aber ich schließe nicht aus, dass es irgendwann einmal anders sein könnte! Vielleicht habe ich ja nur noch nie jemanden getroffen, der mir genug unter die Haut geht, dass ich ihm mein Herz schenken möchte…“ Er stutze kurz. „Oder ihr“, fügte er noch pro Forma hinzu. Ihm lag noch eine spitze Bemerkung auf der Zunge, aber er schluckte sie lieber hinunter. Schließlich wollte er keinen Streit mit Aaron, sondern über die Entdeckung auf dem Bild mit ihm sprechen… Seine Augen wichen nun ab und er blickte auf das Buch, das der andere vorhin in seinen Händen gehalten hatte. Er hob die Hand, beugte sich über die Schulter des anderen und deutete auf ein Zeichen. „Das ist doch das Zeichen für Mut“, sagte er und runzelte die Stirn. „Nun, zumindest so ähnlich…“ Ob es dann „Unmut“ bedeutete? „Was hast du herausgefunden? Hat das Bild etwas damit zu tun? Erkläre es mir!“ Er löste sich wieder etwas vom anderen, brachte Distanz zwischen sie und strich sich die Haare nach hinten, um sie wieder mit einem Lederband zu verknoten. Tief atmete er durch. „Und lass uns dabei was essen, sonst kippe ich um…“ Damit ging er hinaus zu seinem Beutel, um ihr Essen auf den Tisch zu legen.

Es wurde Abend, die Sonne neigte sich bereits zum Horizont. Merthin möchte die Stimmung, die diese Stunde des Sonnenuntergangs mit sich brachte. Und so setzte er sich schließlich, nachdem er das Essen auf dem Tisch ausgebreitet hatte, und fühlte sich irgendwie wunderbar frei.
 

Aaron

Es war mehr als zu merken gewesen, dass das ein wunder Punkt bei Merthin gewesen war. Er sprach Aarons Nachnamen mit, seine Augen verdunkelten sich ein Stück und er wirkte recht kühl in seiner Gestik und Mimik. Mochte ja sein, dass er bisher noch niemanden getroffen hatte, dem er sein Herz schenken wollte, aber wenn er seine Gründe dafür hatte, war er gewiss auch gar nicht offen dafür. Vielleicht war ihm die Eine Person bereits über den Weg gelaufen und Merthin wusste es nichtmal, da er gar nicht genau mit dem Herzen hinschaute.

Auch Aaron stutzte bei der kleinen 'ihm', 'ihr' Verwirrung, also war es Merthin egal, welches Geschlecht der jeweils andere hatte? Man könnte meinen, dass diese Offenheit noch eher dazu führen könnte, dass Merthin einen Menschen zum verlieben finden konnte. Aber vielleicht war auch das das Schwierige an der Geschichte. Man hatte niemanden vom eigenen Geschlecht zu lieben, selbst auf platonische Weise geriet man schnell in Erklärungsnot, mögliche Interessenten wurden davon abgeschreckt. Aber Aaron merkte schon, dass das Thema langsam zu tief führte und Merthin nicht so tief in seinen eigenen Gefühlen graben wollte. So beließ es auch Aaron erstmal dabei.

Merthin verstand es ohnehin, Aaron wieder abzulenken und zwar mit erneuter Nähe und dem Thema, das Aaron wesentlich mehr lag. Kurz blickte Aaron seitlich zu Merthin hin, welcher sich so über seine Schulter gebeugt hatte. Die Nähe tat gut. Warum durfte das nicht auch im entkleideten Zustand so sein? Was könnte er gegen diese Unruhe in solchen Momenten tun? "Mut....?", wiederholte Aaron nun wie aus den Gedanken gerissen und schaute sich das betreffende Schriftzeichen genauer an. Merthin hatte Recht, es ähnelte dem Mut-Zeichen, allerdings war es... falsch herum? Sogleich wendete Aaron sein Buch herum und stellte das Schriftzeichen somit auf den Kopf. Seine Augen wurden vor Erkenntnis größer, Merthin hatte gar nicht so Unrecht mit seiner Vermutung. "Angst", laß Aaron das Schriftzeichen in alter Sprache und vernahm dabei die Nachfragen des Blonden. Gern wollte er ihm alles erklären, aber auch der Prinz hatte Hunger bekommen, weshalb er Merthin nach draußen folgte und sich direkt neben ihn an den Tisch setzte, auf den der andere bereits ihre Vorräte verteilt hatte. Es gab einfache Lebensmittel; Obst und Brot mit Wurst oder Käse. Auch wenn Aaron anderes gewohnt war, so merkte er gerade, das es gar nicht viel brauchte, um sich gut zu fühlen. Eine schöne Umgebung, ein leichter Wind der einem durch die Haare wehte, frische Wäsche auf frisch gebadeter Haut und gute Gesellschaft. Dass das Hemd ein Tick zu groß war, der Stoff auf der Haut rauer war als gewohnt und die Auswahl der Nahrungsmittel nicht annähernd so üppig war wie am Hofe, war da sehr leicht vergessen.

Kurzerhand griff Aaron nach einigen frischen Beeren, die Merthin von seinem Einkauf mitgebracht hatte und aß ein paar, während er das Buch offen auf den Tisch legte und dieses einigermaßen mittig platzierte, damit sie beide hineinschauen konnten. Merthins Interesse an seinen Ergebnissen freute Aaron sichtlich und er war mehr als bereit alles mit Merthin zu teilen. "Das Bild aus Schnörkeln beinhaltet Text aus alter Sprache! Wenn man sich einzelne Schnörkel genauer betrachtet, erkennt man bereits Ähnlichkeiten, wie du eben auch. Mut ist in diesem Fall aber falsch herum geschrieben und spiegelverkehrt, was gewiss die Bedeutung umkehrt. Also eben kein Mut, sondern... Angst.", erklärte Aaron seine Gedankengänge genauer und deutete auch auf den ersten Teil, dessen Bedeutung er entschlüsselt hatte, als Merthin gerade zurückgekommen war. "Erstarkt und bereit...", begann er, deutete dann auf eines der Zeichen, dessen Mechanismus zum entschlüsseln er noch nicht gefunden hatte. "Das löse ich später... dann folgt: 'werden Gefallen bringen und Gefallen ernten." Da das Mittelstück fehlte, ergab das noch wenig Sinn, aber das würde noch kommen. "'Gefallen' aber im Sinne von 'jemanden gefallen' und nicht ' einen Gefallen tun'", fügte er hinzu, um den Unterschied deutlicher zu machen, der ganz klar aus der Schreibweise hervor ging. Im nächsten Moment musste sich Aaron ein Gähnen verkneifen, war er doch noch immer recht erschöpft, durch die Aufregung am Nachmittag noch mehr. "Ähnelt alles bisher der Art und Weise der Prophezeiung, ich werde das weiter untersuchen. Das wäre eine riesen Entdeckung!", fügte Aaron noch fasziniert hinzu und aß noch ein paar Beeren. "Aber... wer ist eigentlich dieser Randolf?" Den Namen hatte Aaron Merthin noch sagen hören, als er zurück zur Scheune gelaufen war. Der Blonde hatte sich mit den Frauen über diesen Mann unterhalten, er musste eine bekannte Persönlichkeit in Puklan sein.
 

Merthin

Merthin spürte, dass seine Male reagierten, wann immer Aaron die alte Sprache sprach. Erstaunt hatte er jedoch festgestellt, dass sie auch auf Angst reagiert hatten - alle zugleich. So als wollten sie ihm Mut machen. Als Aaron ihm erklärte, dass das Bild alte Schriftzeichen enthielt, hatte er den Bilderrahmen genauer betrachtet, während Aaron erklärte, was er herausgefunden hatte. Er hörte aufmerksam zu und griff irgendwann zu dem Bild, um es anzuheben und schräg zu betrachten. Als er die Frage nach Randolf hörte, ließ er das Bild sinken und blickte Aaron einen Moment an. Sollte er ihm das wirklich sagen? Alles? Was würde er wohl dazu sagen? Er schluckte, blickte kurz zu Boden, dann sah er den anderen an. „Randolf ist hier in Puklan vermutlich der übelste Mensch, den es gibt“, begann er zögerlich, noch immer nicht wissend, wieviel er sagen wollte. „Er ist Händler und er handelt mit allem, was es gibt. Und wenn ich alles sage, dann meine ich das auch so. Alles – inklusive Menschen, Frauen, Kinder, Sklaven aus allen Herrenländern. Er ist ein mächtiger Mann hier, vermutlich der mächtigste. Aber allein der Gedanke, dass dieser Mensch anderen Menschen Dinge antut, die eines Menschen nicht würdig sind, die einfach menschenverachtend sind, macht mich wütend. Als ich ihn heute beobachtet habe, hatte ich einen Moment, an dem meine Male so sehr gebrannt haben, dass ich am liebsten direkt zu ihm gegangen wäre, um ihn für das bezahlen zu lassen, was er jeden Tag Menschen antut.“ Er atmete tief durch, spürte deutlich, wie seine Male zu brennen begannen. „Wie auch immer… Ich werde morgen zu dem Ort gehen, an dem er die Sklaven gefangen hält. Es ist eine Scheune vor den Toren Puklans. Ich werde die Menschen befreien und ihnen das zurückgeben, was ihnen zusteht: Freiheit.“ Er sah Aaron mittlerweile fest an. Niemand würde ihn davon abhalten können. Und daher wartete er auch keine Antwort ab, sondern hob wieder den Bilderrahmen. „Ist dir aufgefallen, dass in der Mitte ein Teil des Bildes etwas dicker ist, als der Rest? Von der Größe her könnte es so groß sein, wie die anderen Teile der Prophezeiung…“ Er reichte Aaron das Bilderrahmen, damit dieser auch einen Blick darauf werfen konnte.
 

Wie sich herausstellte war dieses Stück tatsächlich in das Bild eingelassen, um es vor unwissenden Augen zu schützen. Man konnte es vorsichtig herauslösen. Nun fuhren sie fort, darüber nachzudenken, was dort stand. Und als Aaron auch das letzte Rätsel geknackt hatte, musste er wieder an Randolf denken.

Erstarkt und bereit – gemeinsam auf dem Weg, die erste Prüfung gemeistert, dem nächsten Abenteuer entgegen, das Menschen Menschlichkeit gibt. Frauen werden Gefallen bringen und Gefallen ernten, und einen Hinweis geben auf den Ort der Dunkelheit und Angst. Möge das Eis die Fesseln sprengen, das Feuer wieder Hoffnung auf Selbstbestimmung geben!“, wiederholte Merthin nun den gesamten Text nachdenklich. Dann sah er Aaron an. „Manchmal ist das schon ziemlich unheimlich, wenn man darüber nachdenkt, dass das auch auf die Frauen am Fluss zutreffen konnte. So als sei es bestimmt gewesen, dass wir vorhin auf sie getroffen sind…“ Er schüttelte leicht den Kopf bei diesem Gedanken. Ja, es war schon ein seltsames Gefühl, wenn man Anzeichen hatte, dass alle Handlungen, alles Tun, alle Gedanken bereits vorausbestimmt sein könnten. Dieser Fatalismus schnürte ihm schier die Kehle zu, wenn er so darüber nachdachte… Er trank sein Bier aus und steckte sich sein letztes Stück Salami in den Mund. Die Öllampe, die sie gefunden hatten, leuchtete auf dem Tisch. Die Dunkelheit hatte ihren Mantel bereits über sie und die Scheune gelegt und sie hatten sich beide bereits die Mäntel umgehängt, damit sie es wärmer hatten. Lange würde er heute nicht mehr wach bleiben, denn auch seine Knochen waren müde. „Ich habe dir eine Decke und auch einen Rucksack besorgt, in dem du deine Sachen unterbekommst.“ Er deutete dorthin. „Vielleicht sollten wir unser Nachtlager beziehen. Ich möchte möglichst früh aufstehen…“ Damit stand er auf und begann ihr Essen zusammenzupacken, in einen Beutel zu stecken, um diesen dann so aufzuhängen, dass keine Tiere hineinkämen. Jetzt spürte er auch, wie müde er war…
 

Aaron

Was Merthin dann über diesen Randolf zu erzählen hatte, machte auch Aaron wütend. Es gab hier wirklich einen Händler, der derartig offen ein solches Geschäft betrieb und damit durch kam? Aaron biss sich auf die Lippen. Vielleicht war dieser Mann auch der Auftraggeber dieser rüpelhaften Männer, die seine Kutsche in dem Wald angegriffen hatten. Unschöne Erinnerungen kamen in Aaron wieder hoch, ebenso Gedanken daran, was hätte sein können. Wäre Aaron letztendlich auch im Laden dieses Mannes gelandet, wenn Merthin ihn da nicht gerettet hätte? Ein entsprechender Blick glitt in Merthins Augen. Man sah Merthin an, dass er aufgebracht war, dass er etwas gegen diese Umstände unternehmen wollte. Aaron war ebenso entschlossen, daher wunderte es ihn sehr, als Merthin nur davon sprach, das 'er' dort morgen hingehen würde und die Sklaven befreien würde. Warum denn nicht 'wir'? "Ich will dir dabei helfen!", sprach Aaron also fest. "Ich kann genauso wenig wie du zulassen, dass Menschen derartig behandelt werden. Wir sind doch ein Team, wir machen das gemeinsam", fügte Aaron noch hinzu, obwohl Merthin gar nicht mehr eine Antwort abgewartet hatte. Aber es war ihm wichtig, dem Blonden seine Unterstützung zuzusagen. Merthin sollte sich nicht einfallen lassen, da alleine hinzugehen. Was Merthin wütend machte, machte auch Aaron wütend und Menschen, die derartiges Übel auf die Welt brachten, musste Einhalt geboten werden. Dass Aaron auch Angst hatte, sprach er da lieber nicht aus.

Erst dann widmete sich Aaron auch wieder den Schriftzeichen, fand zusammen mit Merthin noch mehr über das Bild an sich und die Prophezeiung heraus, die darin versteckt war. Es war, als ob das Schicksal gewollt hätte, dass sie dieses Bild bekamen. Hätte der Bauer es ihnen nicht geschenkt, wären sie abgereist ohne davon Notiz zu nehmen. Der endgültige Text erstaunte aber auch Aaron. Es passte. Als ob sie jemand beobachten und aufschreiben würde, was ihnen passierte. "Eis sprengt die Fesseln, Feuer gibt Hoffnung auf Selbstbestimmung", wiederholte dann auch Aaron nachdenklich. Ob das wörtlich gemeint war? Oder sollte das einfach ihre Zusammenarbeit ausdrücken? Aber Aaron war zu müde, um jetzt intensiv darüber nachzudenken. "Die Bestimmung hat manchmal einen komischen Sinn für Humor", grinste Aaron leicht. Immerhin hatte das Treffen dieser Frauen ihn in eine unschöne Situation gebracht. Aber auch Aaron war nicht so wohl bei der Sache. Was wenn sie irgendwann etwas lesen würden, das nicht so positiv enden sollte? Wie sollten sie unbefangen diese Aufgabe meistern, wenn ihnen Schlechtes prophezeit war? Aaron wollte sich gar nicht vorstellen was wäre, wenn da irgendwann stehen würde, dass Merthin verletzt werden würde. Unbefangen bleiben ginge dann einfach nicht mehr.

Auch Aaron aß noch die letzten Beeren auf, die er sich auf die Hand genommen hatte und gähnte nun doch noch hinter vorgehaltener Hand. "Danke. Dann kann ich dir doch etwas deiner Last abnehmen", murmelte er müde und nahm sich die Decke, die für ihn bestimmt war. Sie war schön groß und kuschelig, darunter würde es gewiss nicht kalt werden, was die Hauptsache war. Gemeinsam mit Merthin marschierte Aaron in die schützende Scheune, zog mit ihm zusammen noch das Scheunentor zu und breitete seine Decke dann auf dem Stroh aus. Genauso wie schon in der letzten Nacht legte er sich auf die Hälfte, während er die andere Hälfte der Decke um sich wickelte und fest zuhielt. Das hübsche Buch hatte Aaron mit rein genommen und hatte es neben sich gelegt. Man sagte ja, das man im Schlaf nochmals alle Informationen vom Tag verarbeitete. Sollte er einen Geistesblitz haben, könnte er sofort im Büchlein blättern und etwas aufschreiben. "Gute Nacht!", wünschte Aaron ihm und schaute noch eine kleine Weile zu Merthin hin, bevor Aaron selbst das bemerkte und die Augen schloss. Sofort, als die Wärme der Decke zu ihm durchrang begann er sich zu entspannen. Erst in diesem Moment merkte Aaron, wie angespannt er gewesen war und wie dringend er diese Auszeit brauchte.
 

Merthin

Dass Aaron schier protestierte, als er ihm offenbarte, dass er alleine gehen wollte, damit hatte Merthin schon gerechnet. Merthin war sich sicher, dass die Eindrücke, die der andere bei einer solchen Aktion sammeln würde, sicher nicht unbedingt die Besten wären. Aber wie sollte er es ihm ausreden? Daher ließ er es und sprach lieber über das Pergament. Er würde noch entscheiden, was er tun würde… Er sagte einfach zunächst gar nichts darauf.

Als sie später die Prophezeiung entschlüsselt hatten, fügte sich diese sehr eindeutig mit Randolf zusammen. Sicher, auch mit anderen Dingen. Hatte er nicht gerade Aaron Hoffnung auf Selbstbestimmung gegeben, indem er ihm versucht hatte, klar zu machen, dass sein Körper für mehr bestimmt war, als dem König Enkel zu schenken? Er wusste es nicht. Aber dass das alles hier gerade sehr gut her passte, wusste er. Doch genauso wie es Aaron erging, war auch er mittlerweile ziemlich müde. „Da hast du recht, Aaron“, sage er und musste gähnen. „Ich denke, wir werden schon bald alles besser verstehen können, was da geschrieben steht. Aber es scheint, als sei uns dieser Teil der Prophezeiung direkt gegeben worden, weil wir der Bauersfamilie geholfen haben. Vielleicht führt uns dieser Zettel zur nächsten Aufgabe, aber wir durschauen ihn noch nicht komplett…“ Er lächelte den anderen an. "Lass uns schlafen gehen. Morgen wird wieder ein anstrengender Tag.“
 

Es war süß zuzusehen, wie Aaron sich sein Nest baute. Merthin hatte die Sachen noch alle soweit aufgeräumt, dass er morgen nur noch die Wäsche einpacken musste, damit sie loskonnten, bevor die Hähne krähten… Als er sich schließlich hinlegte, wünschte auch er dem anderen eine gute Nacht in die Dunkelheit hinein. Seine Gedanken waren bei dem Körper des anderen, der ihn nicht nur im Fluss, sondern vorhin auch bei der Erzählung wirklich berührt hatte. Er musste aufpassen, dass diese Gefühle, dieses… Begehren nicht zu viel wurden. Dass der andere begehrenswert war, stand außer Frage. Aber es wäre nicht gut, wenn er sich nicht unter Kontrolle hätte. Es würde alles nur noch komplizierter machen… Vielleicht sollte er sich in den nächsten Tagen einmal eine Auszeit nehmen, und sich anderweitig ablenken…



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  Fle
2017-07-18T11:22:31+00:00 18.07.2017 13:22
Hallo :3
Also mit dem Kapitel habe ich noch nicht begonnen. Aber ich habe es einfach nicht mehr ausgehalten und musste dir jetzt schon ein Kommentar dalassen :D
Ich finde, dass du dir wirklich richtig viel Mühe gibst. Auch deine schöne Wortwahl und das du so viel liebe in die Charakter steckst. Einfach klasse, schade das du so wenige Kommentare hast. Ich hoffe sehr das du weiter schreibst. Es ist auch total cool gemacht, dass man erst die eine Sicht liest und dann mit der zweiten plötzlich alles klar ist, dass macht so einen "ahaaaa" moment.
Ich wünsche mir ja heimlich ein bisschen mehr versautes...aber du baust super Spannung auf und ich wette wenns zur Sache geht pustet es mich aus den Socken, so wie du formulierst :D
Antwort von:  -Amber-
18.07.2017 14:19
^////^
Oh, ich freu mich, dass es dir so gut gefällt!!! <3
Merthin wächst auf meinem Mist, Aaron wird von rotes_pluesch zum Leben erweckt ;)
Daher auch der Perspektiven-Wechsel...

Fürs Versaute musst du noch etwas Geduld haben... aber es kommt ;)
Und das wird dich hoffentlich "aus den Socken" hauen ^^

Danke für den Kommi!!! Das motiviert :3
Wird jede Woche ein Kapitel geben :)
Liebe Grüße!!!! Und Danke!!!❤️ (Auch im Namen von Merthin und Aaron ;) )
Amber
PS: Und? Wie war das Kapitel jetzt? Ein kleiner Vorgeschmack? ;)
Antwort von:  Fle
18.07.2017 17:05
Ok ich habe es jetzt durch und muss sagen, dass war doch mal mein Kapitel man :D
Nein Spaß, es fing schon bei dem zuvor an :D
Ich finde übrigens auch das die Story ganz viel Potenzial hat und du das echt gut beschreibst. Ich hoffe die Geschichte geht noch eine Weile weiter, man vergisst wirklich kurz seinen Alltag, dass finde ich toll. Aber ich stehe auch einfach auf diese Mann, mann Konstellation. Schade das es nicht wirklich solche tollen Männer gibt 🤦🏻‍♀️ :D
Ich fände ich auch ziemlich cool würde man Aaron gefangen nehmen und zum Sklaven machen(hust du weist schon🙈) Ich weis nicht in wie fern das bei dir reinpasst. Aber was soll ich machen, ich steh einfach auf, naja anzügliches gemischt mit etwas gewallt. Vollkommen normal würde ich sagen :D
Antwort von:  Fle
18.07.2017 17:09
Ahhh dein Kommentar hat erst jetzt geladen, dann könnt ihr aber Mega gut zusammen schreiben :o
Antwort von:  Fle
18.07.2017 17:11
Uuuund ich bleibe euch auf jeden Fall als Leserin erhalten, wenn ihr noch andere tolle FF's habt oder anfangt bin ich sicher auch am Start :3
Und ich schreib euch immer ein Kommentar ihr süßen :3
Antwort von:  Fle
18.07.2017 17:18
Und so lang wie eure Kapitel immer sind und wie cool ich die Charakter finde, kann ich auf jeden Fall warten und diese kurzen anstößigen stellen, bauen wie gesagt auch Mega Spannung auf. Und ist Vorfreude nicht die schönste Freunde? :D
Nur habe ich die ganzen kapittel innerhalb von drei Tagen Gelsen und ärgere mich jetzt das ich sie mir nicht eingeteiltet habe 🤦🏻‍♀️
Ich versuche nicht noch ein Kommentar zu schreiben aber mir fällt immer noch was ein xD aber ich glaube ich habe jetzt alles 🤔
Und liebe Grüße zurück :3❤️
Antwort von:  -Amber-
18.07.2017 21:13
Ich freue mich, dass es dir gefällt :3
Da wird sicher noch die ein oder andere schöne Szene kommen... ;)
Das nächste Kapitel kommt gewiss... Was noch alles kommt, verrate ich natürlich nicht ;3

Ich habe noch andere FFs allerdings mit anderen Schreibern... Du kannst gerne mal reinlesen, ob es dir taugt ;)

Bis dahin! Amber


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