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It's about to be legendary

Von Legenden und Helden
von
Koautor:  rotes_pluesch

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Ergriffen

Merthin

Er wachte nach einem unruhigen Schlaf schon sehr früh auf. Die Sonne schob sich erst langsam über den Horizont und Merthin schlich sich leise aus dem Zelt, um ihre Pferde soweit fertig zu machen, dass sie bald losgehen könnten. Als er in ihr Zelt zurückkehrte, stand Aaron fertig angezogen da und packte seinen Rucksack. „Gut“, kommentierte Merthin und ging zu seiner Kommode hinüber. „Die Pferde sind fertig“, sagte er und musste sich kurz räuspern. „Ich denke wir sollten schnell etwas essen und dann los…“ Er packte seine Sachen in den Rucksack und spürte die grässliche Stille, die so anders war, als gestern beim Haarschneiden. „Es tut mir leid, dass ich gestern so dreist gewesen bin!“, sagte er daher und blickte Aaron dabei nicht an. „Das war völlig falsch von mir und unprofessionell. Irgendwie hat mir meine Magie wohl die Sinne betäubt, anders kann ich mir das nicht erklären. Schon seltsam, dieses Gefühl, wenn wir uns berühren. Dieser Energiefluss fühlt sich gut an. Aber das darf man nicht mit Gefühlen oder so etwas gleichsetzen. Das ist es nicht. Entschuldige, dass ich dir zu nahegetreten bin und dich aus einer Laune heraus geküsst habe.“ Er sah den anderen über den Spiegel an, dann sah er wieder in den Rucksack, in dem er die letzten Sachen und auch das Buch von Marie verstaute. Irgendwie hatte er das Gefühl, als würden ihm die Eingeweide zerquetscht.
 

Aaron

Es hatte einige Zeit gedauert, bis Aaron in einen leichten, sehr unruhigen Schlaf gefallen war. Die Decke zog er im Schlaf unterbewusst noch enger als sonst um sich herum, hatte er doch das Gefühl zu frieren. Als der Prinz am nächsten Morgen recht früh wach wurde, fiel sein erster Blick wieder zu Merthins Bett herüber. Und wieder lag er nicht darin. Das wurde langsam zur Gewohnheit, dabei hatte Aaron es als sehr angenehm empfunden, mit Merthin zusammen aufzuwachen und sein Gesicht gleich als erstes sehen zu dürfen. Aber das war ihm bisher nicht sonderlich oft vergönnt gewesen. Wenigstens schien er darin geschlafen zu haben und war nicht die ganze Nacht über woanders gewesen. Seufzend erhob Aaron sich und biss sich bei dem Gedanken, dass Merthin jetzt wohl erst recht auf Abstand gehen würde, fest auf die Lippen. Eigentlich hätte eine solche Situation wie gestern mit dem krönenden Abschluß mit dem Kuss ihre Beziehung vertiefen können, doch es hatte sie weiter auseinandergezogen. Zu merken war das besonders gut, als Merthin schließlich wieder ins Zelt kam und die Stille zwischen ihnen drückend wurde. Merthins Nähe war bisher immer angenehm gewesen, nie hatte Aaron Stille zwischen ihnen schlimm gefunden. Sie hatten sich trotzdem verstanden und waren sich nahe gewesen. Jetzt fühlte es sich komisch an. So packte Aaron einfach weiter seinen Rucksack zusammen, horchte erst auf, als Merthin wieder das Thema mit dem gestrigen Erlebnis ansprach. Aaron stoppte in seinem Tun und blickte den Blonden an, der ihn nicht mal mehr direkt anschaute. "Aus einer 'Laune' heraus?", wiederholte Aaron erneut perplex. Bisher hatte Merthin wahrscheinlich immer nur aus 'einer Laune' heraus andere Leute geküsst, jetzt war es mehr gewesen und das war auch für den Blonden neu. Aaron versuchte das zu verstehen und damit Merthins Reaktion nachvollziehen zu können. Würde es helfen Merthin zu sagen, dass Aaron selbst auch mehr dahinter sah? "Nein, entschuldige mich. Sber in diesem Fall habe ich ja wohl deine 'Laune' geteilt. Was war also falsch?", sprach der Prinz nicht ganz so fest, wie er es hatte klingen lassen wollen. "Ich setze unsere Magie nicht mit diesen Gefühlen gleich. Das, was du mich gestern hast spüren lassen, war etwas Eigenständiges. Du sagst selbst, dass sich unsere Berührungen seltsam anfühlen. Konntest du dann nicht rausspüren, welches Gefühl die Magie verursachte und welches aus deinem Herzen kam?", fügte er noch flüsternd hinzu, hoffte dabei inständig, dass Merthin nochmal in sich gehen würde und ehrlich nachschauen würde, was seine Gefühle ihm sagten. Würde er dann immernoch der Meinung sein, dass er nur Magie fühlte und nichts vom Herzen, dann hätte sich Aaron wohl getäuscht und Merthin fühlte doch nicht dasselbe wie er. Aber das durfte einfach nicht der Fall sein...

Das Gespräch wurde unterbrochen als Merthins Freunde ins Zelt platzten. Sie hatten von ihrem Aufbruch gehört und waren davon überrumpelt worden. "Ihr wollt gehen?", fragte Kyle, während Jenna nahe an Merthin herantrat und den Blickkontakt zu diesem suchte. "Ich wollte noch eine Revanche! Könnt ihr nicht doch noch bleiben?", fragte sie bittend, ihr war die Zeit mit Merthin zu kurz gewesen. Monty war im Zelteingang stehen geblieben und merkte wohl als einziger der Hereingestürmten, dass zwischen Aaron und Merthin dicke Luft herrschte. Woher die kam, konnte er aber natürlich nicht wissen. "Wir haben Frühstück fertig. Wollen wir nicht beim Essen darüber reden?", schlug er vernünftig vor.
 

Beim Frühstück selbst blieb Aaron wieder sehr ruhig, er bekam den Kuss einfach nicht aus den Kopf. Wollte Merthin jetzt, dass er die Gefühle vergaß und so tat als wäre es nicht passiert? Das könnte Aaron vielleicht, müsste er als Prinz eigentlich sogar, wenn es denn nur eine 'Laune' gewesen wäre. Aber das war es nicht, es war leider mehr. Aaron hatte diesen Kuss gewollt, obwohl er dabei gegen so gut wie alle Anstandsregeln und sogar gegen ein Gesetz verstoßen hatte. Der Wunsch Merthin nochmal zu küssen war sehr präsent und das war Aaron Zeichen genug.

Als Aaron plötzlich sah, wie ihn alle anschauten, kam er aus seinen Gedanken und blickte verwirrt zurück. "Wir fragten, ob du schlecht geschlafen hast, Aaron", wiederholte Monty nun seine Frage, die Aaron gar nicht gehört hatte. Auch sein Frühstück hatte er noch gar nicht angefasst. Aber sein Hunger war eh nur mäßig. "Ehm...", murmelte er und fasste sich kurz an die Schläfe, um wieder ins Hier und Jetzt zurück zu finden. Es brachte ja nichts darüber nachzudenken, er würde nochmal mit Merthin deswegen reden müssen. Das konnte so nicht stehen bleiben, auch wenn Merthin das wohl gern so hätte. "Nein, alles gut. Bin nur noch etwas müde", antwortete er und spürte dann eine recht ruppige Hand, die durch sein nun struppeliges Haar wuschelte. "Wessen Haare über Nacht eine solche Veränderung durchmachen, der kann ja auch nicht viel geschlafen haben", ertönte dazu eine weibliche Stimme. Es war Jenna, welche hinter den Prinzen getreten war, um sich seine neue Frisur genauer anzuschauen. "Das war gewiss Merthin, richtig?", sie schaute den betreffenden an. "Gehört das zu eurem Auftrag oder war euch einfach die Laune danach?", fragte sie grinsend. Aaron antwortete zuerst nicht, eigentlich müsste er sagen, dass es eine Laune gewesen war, aber das konnte er nicht aussprechen, da er es mit Merthins Aussage nach dem Kuss assoziierte. "Es war keine Laune gewesen! Es war gewollt und ich bereue es nicht", antwortete Aaron schließlich energischer als geplant, auch wenn diese Worte eher an Merthins 'Laune' gerichtet war als an Jennas Frage. Solange Aaron noch den Mut hatte, selbst zu den Gefühlen zu stehen, was Merthin nicht konnte, wollte er ihm das auch klar machen. Aaron hatte Sorge, diesen Mut zu verlieren, wenn sich Merthin stur dagegen sperrte. Was könnte er denn dann auch tun, um sein Herz zu berühren?
 

Merthin

Dass Aaron genervt von seinen fadenscheinigen Ausreden war, merkte Merthin nur zu deutlich. Und er spürte ein enorm schlechtes Gewissen. Sicher, weil er sich so gehen hatte lassen. Er hätte sich nicht dazu hinreißen lassen dürfen, den anderen zu küssen. Das war falsch gewesen! Nun schien jener sauer zu sein – vermutlich zurecht. Er sollte dringend mal wieder ausgehen und ein wenig Dampf ablassen, damit er Aaron nicht weiterhin für deine Bedürfnisse missbrauchte… - so redete er sich das alles zumindest schön.

Als jener jedoch antwortete, schluckte er hart. Er wagte nicht, den anderen anzusehen. Denn dann würde all das, was er sich krampfhaft versuchte einzureden, nichtig werden. Und die Feststellung, was falsch daran war, diese ‚Laune‘ zu teilen, ließ ihn einen Moment in seiner regen Betriebsamkeit erstarren. Hatte es ihm gefallen? Hatte er es genauso gewollt wie er? Er hatte noch nicht gewagt, darüber nachzudenken… Aber offenbar war es so. Denn jetzt, wo er gezwungen wurde, diese Gedanken zuzulassen, spürte er wieder ganz deutlich, dass der andere sich in keiner Weise gewehrt hatte. Seine Lippen waren ihm entgegen gekommen, er hatte sich nicht gescheut, ihre Zungen ein sanftes Spiel spielen zu lassen. Er hatte mit seinem Haar gespielt, hatte sich an ihn geschmiegt. Wenn er ehrlich zu sich wäre, dann müsste er sich eigentlich klar darüber sein, dass das alles Aaron gefallen hatte, dass er vielleicht genauso empfand wie er, dass jener sich ihm gerne hingegeben hätte, wenn Merthin weitergemacht hätte… War auch er so von der Magie gefesselt, dass er diese Bedürfnisse nach Nähe spürte? Doch nun fuhr Aaron fort und Merthin lausche den Worten, erstaunt und mit einer seltsamen Furcht in seinem Bauch. Aaron verwendete ein Wort, das ihm Angst machte: Gefühle

Dieses Wort erschreckte ihn nur noch mehr, tief in ihm. Wie eine alte, unbekannte Angst. Das bedeutete doch zudem, dass Aaron unter Umständen tiefgehende Empfindungen hatte. Dass er sich nicht nur wegen der Magie zu ihm hingezogen fühlte. Dass er ihm auch so nahe sein wollte… Genauso, wie er es empfand - wenn er denn ehrlich zu sich wäre. Gefühle, die unabhängig von Magie waren – welche auch immer es waren… Aber er… Er durfte das nicht. Wie sollten sie… Es konnte doch nicht sein, dass… Merthins Gedanken wirbelten durcheinander und er blickte nun doch auf, um Aaron direkt anzusehen, als mit einem Mal seine Freunde ins Zelt stürmten. Und er wusste nicht, ob er sich darüber freuen sollte, oder nicht. Er schluckte, schüttelte leicht den Kopf, um die verwirrenden Gedanken zu vertreiben und atmete tief durch, den Rucksack verschließend und nun fertig für eine Abreise zu sein, die viel Ungewissheit bringen würde.

Er blickte Jenna an und lächelte, ergriff sie an der Hand und zog sie in eine Umarmung. „Wir müssen, meine Gute“, sagte er. „Deine Revanche bekommst du das nächste Mal, wenn wir uns wiedersehen. Ich hoffe, dass das bald sein wird.“ Er wusste, dass er sich gerade völlig danebenbenahm. Aber er konnte einfach nicht zulassen, dass aus einen Gefühlen sich mehr entwickelte, als sein durfte. Es ging nicht! Es würde sie verletzlich machen, angreifbar. Sie würden sich gegenseitig beschützen wollen und jeder Gegner, der sehen würde, was zwischen ihnen war, würde sich das zunutze machen. Und wenn dadurch Aaron zur Zielscheibe werden würde, würde er sich das niemals verzeihen können. Aaron war der Prinz und er würde irgendwann einmal dieses Volk in eine neue Zukunft führen können. Da war kein Platz für einen dahergelaufenen Straßenköter wie ihn, der ihn zu Dingen verführte, die in dieser Gesellschaft ohnehin nicht erlaubt waren. Ja, so war das! Er löste sich wieder etwas von Jenna und mied den Blick von Monty, der sie alle zum Frühstück diktierte. Dabei spürte er seinen bohrenden Blick. Der Kerl kannte ihn einfach zu gut! ‚Ich brauche neue Freunde, meine wissen zu viel von mir…‘, dachte Merthin und seufzte innerlich.
 

Er holte sich etwas Obst, Nüsse und Kekse und kaute appetitlos darauf herum. Monty ließ es sich nicht nehmen, sich neben ihn zu setzen, doch Merthin ignorierte ihn zunächst. Jenna diskutierte mit Kyle darüber, wie sie sie das nächste Mal fertig machen würden und Merthin hörte halbherzig nur zu, ohne zu kommentieren. „Was auch immer zwischen euch ist“, sagte Monty leise zu ihm. „Ihr solltet es dringend klären, denn ihr seht beide nicht so aus, als könntet ihr momentan gemeinsam irgendwas reißen…“ Merthin schluckte und nickte. „Ich weiß“, knurrte er. „Aber ich regle das schon…“ Monty hob die Augenbrauen und sah ihn zweifelnd an. „Das geht aber nur, wenn du auch ehrlich mit dir bist…“, fügte er an und Merthin stellte seine Schüssel etwas heftiger auf den Tisch, als es vermutlich nötig gewesen wäre. „Warum geht dich das was an?“, fauchte er ihn an. „Warum meint eigentlich jeder, dass er alles genau weiß und klarer sieht als ich? Könnt ihr mich nicht damit in Ruhe lassen?“ Bevor Monty noch etwas sagen konnte, blickte Merthin hinüber zu Jenna, die aufgestanden war, nachdem ihnen offenbar aufgefallen war, dass auch Aaron nicht wirklich bei der Sache war. Jenna hatte die Haare des anderen bemerkt und wie es typisch für sie war, konnte sie nicht die Finger davon lassen. Dabei spürte Merthin ganz deutlich das Gefühl in ihm, sie zurechtzuweisen, Aaron nicht anzufassen. Das durfte doch nur er!! Er war schließlich ein Prinz… Merthin war selbst überrascht von seinen dämlichen Gedanken, als er Jennas Frage hörte und Aaron recht patzig darauf reagierte. Eine Laune… Es waren seine Worte gewesen, seine Lüge. Und nun bekam er die Antwort darauf, die er eigentlich nicht hören wollte. "Es war keine Laune gewesen! Es war gewollt und ich bereue es nicht!“ Merthin schluckte und hatte das Gefühl, hier ganz schnell wegzuwollen. Doch er konnte sich nicht rühren und kurz begegneten sich ihre Blicke.

Dafür dass Aaron eigentlich so schüchtern war, schien jenem viel mehr bewusst zu sein, was er wollte, dass er den Kuss nicht als falsch empfand und es gewollt hatte. Und damit war jener vermutlich erwachsener, mutiger und sich selbst treuer, als Merthin es momentan sein konnte. Langsam senkte Merthin seinen Blick. Wieso verstand Aaron nicht, dass es falsch war, sich diesen Gefühlen hinzugeben?! Es ging nicht, so sehr er es auch wollen würde… erneut sah er die vom Feuer verschluckte Leiche vor seinen Augen.
 

Aaron

Merthin wirkte am Frühstückstisch gereizt, aber das konnte man auch von Aaron behaupten, welcher nicht weniger pampig auf Jennas Frage reagiert hatte, wie Merthin auf Montys Ratschlag. Die Stimmung zwischen ihnen war geladen, nur nicht mehr mit diesem gewissen Knistern wie gestern Abend. Aarons und Merthins Blick trafen sich kurz und der Prinz schaute etwas sehnsüchtig, während er in Merthins Blick Verwirrung sah. Drängte er Merthin zu sehr? Aber wenn Aaron jetzt nachließ, würde der Blonde ihm vielleicht entgleiten. Das wollte Aaron nicht, egal wie ungehobelt Merthin sich gerade benahm. Allein schon, dass er Jenna vorhin im Zelt so umarmt hatte und ihr gesagt hatte, dass er hoffte, bald wieder zu ihr zurückkehren zu können. Merthin wusste doch von Jennas Gefühlen für ihn und dennoch sagte er ihr sowas, vor Aaron auch noch, das war auch schon eine Zurückweisung von Aarons Gefühlen für den Blonden. Und seine eigenen schob Merthin damit auch noch beiseite. Aber vielleicht legte Merthin es auch deswegen darauf an, Aaron zu verletzen und deutlich zu machen, dass gar nichts zwischen ihnen war. Alle Gegenbeweise wurden ignoriert.
 

Marie und Falk traten nun recht unverhofft an ihren Tisch und Marie schaute ganz sorgenvoll drein. Sie hatte erst die Aurenlichter harmonisch zusammen fließen sehen und dann gewiss auch den Bruch bemerkt, was sie nun so sorgte. Dass etwas vorgefallen war, konnte man gewiss nicht nur Aaron anmerken. "Euer nächstes Ziel ist Dorstaal, wie ich gehört habe?", begann Falk dann zu sprechen und reichte einen versiegelten Briefumschlag an Merthin. "Sucht wenn ihr dort seid nach einem reisenden Händler namens Delvin, übergebt ihm diesen Brief. Er wird wissen, was zu tun ist", sprach Falk ein bisschen in Rätseln. Aaron hatte diesen Namen nie gehört, aber das war sicher auch kein Wunder. Der Mann reiste wie die Schausteller auch ununterbrochen durchs Land, sammelte Informationen über Unheil und Aktivitäten des Königs und er hatte kürzlich einen Brief geschickt, in dem er von Vorkommnissen berichtet hatte, wo gehäuft Kinder verschwanden. "Er wird euch übermorgen bei Sonnenaufgang am Tor zum Soldatenfriedhof von Dorstaal erwarten. Ihr erkennt ihn leicht, er reist stets zusammen mit einer Feuerfeder", fügte Falk noch hinzu und trat wieder einige Schritte zurück. Feuerfeder wurde ein seltener Vogel genannt, dessen Gefieder die Farbe des Feuers aufwies und wenn er flog, wirkte es wie lodernde Flammen. "Ihr solltet nun aufbrechen", fügte Marie schließlich noch leise gesprochen hinzu.
 

Merthin

Als Falk und Marie eintraten, blickte Merthin erstaunt auf. Dem Blick seiner Großmutter nach zu urteilten, wusste sie bereits, dass der Haussegen bei ihm und Aaron schief hing. Aber irgendwie verbesserte das nicht seine Laune – im Gegenteil! Trotzig hob er den Kopf und erwiderte starr ihren Blick, zumindest bis Falk zu ihm kam und ihm den Brief gab. Er nickte und lauschte den Ausführungen. Er kannte den Händler, sie hatten öfters mit ihm zu tun und Marie war sehr gut befreundet mit ihm. „Machen wir“, erklärte er mit etwas erschlagener Stimme, so dass er sich räusperte. „Danke!“ Er stand auf und war froh, dieser ganzen Situation hier entkommen zu können. „Das machen wir. Es ist höchste Zeit.“
 

Sie holten ihre Rucksäcke, Waffen und Umhänge und gingen zu den Pferden, wo sie sich der Reihe nach von allen verabschiedeten. Als Marie ihn umarmte, murmelte sie ihm ein „Hör auf dein Herz!“ zu und Merthin nickte. War ja klar, dass sie das so sagte. „Vergiss nicht, dass Worte mehrere Bedeutungen haben, als die erst einmal offensichtliche!“ Merthin runzelte die Stirn und sah sie einen Moment an. Er wollte fragen, worauf sie das bezog, ließ es aber bleiben. Vielleicht wollte er das lieber nicht hören… Sich von Monty zu verabschieden, fiel ihm schwer. Irgendwie hatte er das Gefühl, seinen besten Freund noch ein wenig brauchen zu können. Zumindest sagte Monty nichts mehr, sagte nur, dass er sich darauf freute, sie beide bald wieder zu sehen. Ja… sie beide.

Merthin wusste nicht so genau, was er denken und fühlen sollte, als er auf sein Pferd stieg – diesmal wirklich sein eigenes. Sie hatten eher kleine Pferde, gedrungener im Körperbau, aber unglaublich leistungsstark, wenn es um Ausdauer und Orientierung ging. Als er alle verabschiedet hatte, prüfte er noch einmal den Sattelgurt, dann stieg er behände auf das Pferd. Er blickte nun das erste Mal wieder zu Aaron. „Können wir?“, fragte er möglichst freundlich. Am liebsten wäre es ihm, wenn sie das alles vergaßen… Dann ritten sie los, von den beobachtenden Soldaten vermeintlich ungesehen über den hinteren Teil der Koppel in den Wald aufbrechend.
 

Aaron

Auch Aaron wurde von der Truppe verabschiedet, bekam sogar ganz unerwartet einen Drücker von Marie und auch von Monty. Jenna wünschte ihm auch nett eine gute Reise, auch wenn sie mehr auf Merthin konzentriert war. Natürlich, Aaron konnte nachvollziehen wie sie wohl empfand, dennoch könnte sie ruhig mal aufhören, Merthin zu erdrücken und überreden zu wollen, schnell wieder vorbei zu schauen. Marie hatte Aaron dasselbe zugeflüstert wie Merthin und ihn ermunternd angelächelt, was Aaron nur leicht hatte erwidern können. Er merkte, das er nicht nur etwas sauer war, dass Merthin alles leugnete und sich unhaltbare Ausreden ausdachte. Er war auch enttäuscht darüber. Merthin redete so locker von solchen Dingen und wenn es dann ernst wurde, konnte er damit nicht umgehen. Aber das war wahrscheinlich nichtmal Merthins Schuld. Wenn Aaron nicht diese Gefühle für Merthin entwickelt hätte, wäre es nicht soweit gekommen. Aber Schuldzuweisungen brachten genauso wenig wie das ewige darüber Nachdenken. Bei der nächsten Gelegenheit wollte Aaron mit Merthin erneut darüber sprechen, in Ruhe. Merthin hatte schließlich nicht nur grundlose Bedenken.

Aaron nickte zustimmend, als Merthin sich erkundigte, ob sie los könnten. "Bin bereit", sprach er es noch aus, winkte den Schaustellern und folgte Merthin dann auf einem der sehr süßen Pferde Richtung Wald.
 

Merthin

Ihr Schweigen war drückend, zumindest empfand es Merthin so, während sie schon einige Zeit durch den Wald geritten waren. Merthin vermied die offiziellen Wege und orientierte sich am Stand der Sonne. In einem Tag würden sie es nicht schaffen, Dorstaal zu erreichen. Sie würden unterwegs irgendwo einen Unterschlupf finden müssen. Morgen würden sie dann früh aufbrechen, um möglichst lange Zeit zu haben, die Stadt zu erkunden, um das Unheil abzuhalten. Merthin ging in Gedanken immer wieder die Worte durch, die sie hatten. Aber zu einer eindeutigen Lösung kam er nicht… Zumal seine Gedanken ohnehin ständig abdrifteten.

Ich bereue es nicht! Merthin begriff erst jetzt, dass sein Herz bei diesen Worten heftig geschlagen hatte und das Kribbeln in seinem Bauch wieder deutlich gewesen war. Jetzt war ihm hingegen eher schlecht, er fühlte sich erschöpft und müde. Die ganze Energie, die er am vergangenen Abend gespürt hatte, schien wie weggeblasen zu sein. War diese Energie wirklich so abhängig von Aaron? Aber was bedeutete das für sie?

Worte haben mehrere Bedeutungen!

Wie hatte Marie das gemeint? Irgendwie konnte er seine Gedanken nicht auf ein Thema fokussieren… Es war wie verhext.

Er hatte nichts mitbekommen, hatte nichts gemerkt – nicht die Unruhe der Pferde, nicht die Stille im Wald, nicht die Schnur, die sein Pferd zu fall brachte, und ihn genauso. Und als die beiden Soldaten über ihm waren, war es bereits zu spät. „Merthin Rosario!“, erklang eine Stimme. „Du bist wegen Hochverrat, Diebstahl, Entführung eines Mitglieds der königlichen Familie, Überfall einer königlichen Kutsche und Mord an Wachen Ihrer Majestät zum Tode durch Erhängen verurteilt!“ Merthin versuche sich zu wehren, aber der Griff der beiden Soldaten war unbarmherzig. Er roch den Waldboden, auf dem er lag, schmeckte Blut, das vermutlich von seiner aufgeplatzten Lippe herrührte. Und die Wut in sich über seine eigene Dummheit ließ seine Male aufflammen…. "Mein Prinz", hörte er den Offizier sagen,"ich bringe Euch nun sicher nach Hause. Euer werter Vater ist außer sich vor Sorge und wird glücklich sein, Euch wohlbehalten wiederzusehen." Mit einem Mal spürte Merthin, wie eine unbestimmte Panik in ihm hichkroch. Eine Angst, die er kaum fassen konnte. Und es war nicht die Sorge darum, verhaftet worden zu sein, sondern die Angst, Aaron könnte froh sein, zurück in seine gewohnte Umgebung kehren zu können, zu seiner Familie. Der Blonde versuchte den Kopf zu drehen, um Aaron anzusehen, aber er wurde nur noch mehr hinuntergedrückt.
 

Aaron

Aaron ließ Merthin voraus reiten und ließ sein Pferd hinter ihm her schreiten. Seine Gedanken waren ebenso abgelenkt wie die von Merthin, weshalb auch er nicht kommen sah, was plötzlich über sie herein brach. Wie aus heiterem Himmel stürzte das Pferd vor seinem, was natürlich auch dessen Reiter zu Boden beförderte. "Merthin!", rief Aaron reflexartig und besorgt, dass er sich beim Fallen verletzt haben könnte. Aarons Pferd scheute erschrocken, als dann noch die Soldaten aus ihren Verstecken sprangen und den am Boden liegenden Merthin sofort ergriffen. Aaron konnte nur zuschauen, wie sich zwei der wuchtigsten Soldaten Merthins bemächtigten und ihn unbarmherzig zu Boden drückten. Dabei hatten sie seine beiden Arme auf seinen Rücken gedreht, so hoch, dass es schmerzen dürfte. Einer der beiden Soldaten drückte zusätzlich sein Knie auf Merthins Wirbelsäule, um ihn an jeglicher Bewegung zu hindern. Der andere Soldat drückte mit der ganzen Handfläche auf Merthins Kopf, um diesen ebenso fest auf den Boden zu drücken. In dieser Lage könnte sich Merthin ohne Hilfe seiner Magie nicht befreien, aber gerade die sollte er jetzt nicht verwenden, denn sonst käme auf seine eh schon lange Verbrechensliste noch mit das schlimmste oben drauf; Magienutzung. Obwohl das bei der Liste schlimmster Verbrechen gegen die Krone kaum noch auffallen dürfte.

Aaron hatte es geschafft sein Pferd zu zügeln und es zu beruhigen, schnell sprang er vom Pferd und wurde auch gleich schon vom oberen Offizier dieser kleinen Einheit angesprochen. Aarons Blick lag bei Merthin, nicht bei dem Soldaten, der mit ihm sprach. Der Mann in Rüstung sprach angemessen und dennoch ärgerte Aaron es, wie dieser Mann sich ihm gegenüber gebar. Als ob dieser Offizier jetzt der Held der Stunde wäre, der sich haufenweise Gold vom König holen könnte dafür, dass er den Königssohn zurück gebracht und den Übeltäter gleichzeitig geschnappt hatte. Dieser Gedanke widerte den Prinzen gerade sowas von an, was man an seinem Gesichtsausdruck sicherlich sehen konnte. "Genug! Ich werde nicht nach Hause gehen", sprach Aaron als erstes. "Nicht jetzt", fügte er noch leiser hinzu und deutete dann auf die beiden Soldaten, die Merthin sehr grob gefangen hielten. "Ihr werdet Me...-", Aaron hätte fast Merthins Namen ausgesprochen, doch das wäre den Soldaten gewiss merkwürdig vorgekommen, daher versuchte er es schnell zu retten. "-... Meister Rosario unverzüglich volle Freiheit gewähren.", verlangte der Prinz und ignorierte den beinahe fassungslosen Ausdruck im Gesicht des Offiziers. "Aber, Eure königliche Hoheit..-", wollte der Mann widersprechen, aber Aaron fiel ihm ins Wort. "Ihr, ebenso wie mein mich liebender Vater - Aaron sagte dies sehr sarkastisch - seid diesem Mann zu Dank verpflichtet. Er rettete mich selbstlos und tapfer vor den waren Unholden und vor dem Tod." Das war nichtmal gelogen. Die beiden Soldaten, die Merthin festhielten, lockerten ihren Griff ein kleines bisschen, ließen aber dennoch nicht los. Irritiert glitt ihr Blick von ihrem Offizier zum Prinzen hin und her, als ob sie nicht wüssten, wessen Befehl sie eher Folge zu leisten hatten.

Der Offizier machte eine Handbewegung in Richtung der Soldaten, welche Merthin daraufhin an seinen auf den Rücken gedrehten Armen, an seinen Haaren und seiner Kleidung auf die Knie hoch zerrten und ihn zwangen auf den Knien hocken zu bleiben. Den Kopf drückten sie ihm auch in dieser Position hinab, waren stets darauf bedacht, dass Merthin speziell Aaron nicht anschauen konnte. Ein Prinz musste sich nicht von solchen Verbrechern anschauen lassen, daher unterbanden sie jeden Versuch des Blonden seinen Blick zu heben. Aaron stach es ins Herz zu sehen, wie Merthin behandelt wurde. Das musste aufhören, jetzt! Warum hörten die Soldaten nicht auf ihn? "Seine Majestät erwähnte bereits, dass Eure Sinne umnebelt worden sein könnten. Ihr wisst gar nicht mehr, was Euch angetan wird", sprach der Offizier und Aaron war einen kleinen Moment sprachlos. Scheinbar hatte König Corvo vorgesorgt und die Soldaten dazu gebracht, Aarons Wort nicht mehr zu trauen. Deswegen führten sie Aarons Befehl auch nicht aus. Gut, dann eben Plan B.

Diesem Mann schien es vorallem um die Anerkennung und das Gold zu gehen. Das konnte er haben. Merthin jedoch würde er garantiert nicht kriegen! Aaron entnahm einfach einen Federkiel und leeres Pergament der Hand des Schreibers der Armee, der immer zum Protokollieren dabei war. Besonders in einem solch 'glorreichen Moment' war ein solcher natürlich dabei. Ohne auf die verwirrten Gesichter der Soldaten zu achten, lehnte Aaron das Pergament gegen den Sattel eines Pferdes und schrieb mit dem Federkiel ein paar Worte auf die leere Seite. Worte, die an den König gerichtet waren und den Soldaten Gold und Ruhm versprachen. Aaron wollte ja auch nicht, dass diese pflichtbewussten Männer hängen mussten, weil sie so kurz davor waren, ihren Auftrag zu erfüllen und dann doch 'scheiterten'. Hoffentlich erkannte König Corvo die geschriebenen Worte auch an. Das Pergament reichte er dann dem Offizier, welcher mit erhobenen Augenbrauen las, was Aaron geschrieben hatte. Unterdessen schritt der Prinz auf die beiden Soldaten zu, die Merthin immernoch mehr als unsanft, fast schon brutal, festhielten. "Loslassen, jetzt!", sprach Aaron eindringlich und schaute die Soldaten fest an, die nach einem prüfenden Blick zu ihrem Offizier, der ein Nicken von sich gab, nun endlich gehorchten und Merthin aus ihrem unnachgiebigen Griff entließen. Sogleich fasste Aaron den Blonden stützend am Arm, half ihm wieder aufzustehen. "Mein Prinz, ich muss Euch wirklich dringend abraten!", sprach der Offizier nun noch, aber längst nicht mehr so eindringlich wie noch zuvor. Was der richtige Anreiz doch bewirken konnte! "Und ich rate Euch dringend ab, Merthin je nochmal zu nahe zu kommen", antwortete Aaron ruhig aber fest und machte eine Handbewegung zu den Soldaten, das sie endlich verschwinden sollten. Dass er diesmal doch 'Merthin' gesagt hatte, war Aaron gar nicht richtig aufgefallen. Zögerlich stiegen die Soldaten auf ihre Pferde, als ob sie noch auf eine Möglichkeit warteten und hofften, doch noch zugreifen zu können, aber zum Glück hatten sie doch noch Respekt vor Prinz Aaron, auch wenn sie ihn sicherlich noch nicht so entschlossen hatten sprechen hören, war er sonst eher höflich zurückhaltend. "Prinz Aaron, wir werden weiterhin versuchen Euch nach Hause zu holen. Ihr werdet gebraucht", sprach der Offizier schließlich mit ehrlicher Sorge. Viele Bedienstete des Königs fanden, dass Aaron auf den Thron gehörte, auch wenn es sich keiner wagte auszusprechen. Vielleicht war das auch ein Grund, dass die Soldaten besonders motiviert waren, Aaron zu retten, weil er im Gegensatz zu seinem Bruder und dem König herzensgut und gerecht war. Auch in dieser Situation hätte Aaron die Männer mit seinem Eis aufhalten können, hätte sie dem Zorn des Königs ohne sein Schreiben ausliefern können, aber das war nicht Aarons Art, solange es sich nicht vermeiden ließ.

Schließlich ritten die Soldaten davon, das sie König Corvo Bericht erstatten würden war klar und sie würden schnell weiterreisen müssen, nachdem sie das Unwetter besiegt und den Händler getroffen hatten, dem sie noch etwas aushändigen sollten. Aaron wandte sich besorgt Merthin zu. "Alles in Ordnung?", fragte er ihn und ließ seinen Blick über Merthins Körper schweifen, erblickte dabei einige blaue Flecken, Druckstellen des festen Griffs und sein Blick blieb schließlich an seiner aufgeplatzten Lippe hängen. Diese schönen, weichen Lippen, die er gestern noch kurz hatte küssen dürfen. Irgendwie kam dieses Thema immer wieder in seinen Kopf zurück. "Ist unser Nachtlager noch weit? Du solltest dich ausruhen", sprach er weiter besorgt und schaute zu Merthins Pferd, das sich bei dem Sturtz zum Glück nichts gebrochen zu haben schien.
 

Merthin

Merthins Sinne waren gespannt. Jede Chance, die sich ihm bieten würde, würde er ergreifen. Und egal, wofür Aaron sich entscheiden würde – ihn würden sie definitiv nicht bekommen! Und auch wenn er wusste, dass die Magie das letzte wäre, was er verwenden dürfte – er würde es tun, wenn es nötig war. Aber dann dürfte es halt keine Überlebenden geben… Und während er auf seine Chance wartete, hörte er sein Herz hart gegen seine Brust schlagen, das Blut durch seine Ohren rauschen, während er hoffte, über die Geräusche, die der andere machte, herauszufinden, wie jener dachte. Würde er die Gelegenheit ergreifen, ihn zu verlassen? Er könnte es ihm nach dem, wie er sich vorhin benommen hatte, nicht verdenken… Außerdem war es seine Familie zu der er zurückkehren könnte. Er wusste, dass Aaron sich sicher nicht einfach so gegen seine Familie wenden konnte. Auch wenn jener etwas anderes behauptete. Und die Furcht, die mit diesem Wissen einherging, befiel ihn erneut. Denn dieser Gedanke schmerzte so tief in ihm und machte ihm so große Angst, dass er gar nicht recht wusste, wie er damit umgehen sollte. Er schluckte, als Aaron zu sprechen begann und Merthin hörte den Ärger in seiner Stimme. Worüber ärgerte er sich? Über ihre Dummheit? Über seine Unbedarftheit? Über sein schändliches Benehmen? Oder doch über die Wachen? Wie auch immer – zumindest schloss der Prinz zunächst aus, den Soldaten zu folgen. Auch der Befehl an die Soldaten, ihn loszulassen, war eindeutig, auch wenn Aaron mit sich zu kämpfen schien. Offenbar schienen die Wachen seinem Wort aber nicht folgen zu wollen. Merthin versuchte sich aufzurichten, sich aus dem Griff zu befreien, doch vergebens. Das Knie in seinem Kreuz schien noch mehr zu drücken, die Schultern schmerzten nur noch mehr von der unangenehmen Haltung der Arme auf seinem Rücken. Und dann hörte er, wie Aaron ihn als eigentlichen Helden darstellte, dem sie zu Dank verpflichtet seien. Er runzelte irritiert die Stirn und spürte gleichzeitig Erleichterung und Freude in seiner Brust. Doch die gewünschte Reaktion hatte es immer noch nicht auf die Soldaten. Stattdessen wurde er ziemlich unsanft auf die Knie befördert und sein Gesicht immer noch so gehalten, dass er Aaron nicht einfach anschauen konnte. So war das also mit dem Volk und dem Prinzen… Hätte er sich damals im Wald auch so benehmen sollen? Auf die Knie gehen und den Blick nicht heben… Ob sie dann hier so wären? Vermutlich nicht.

Doch weiter darüber nachzudenken hatte Merthin keine Zeit. Denn nun hörte er etwas, das ihm Angst machte. Aarons Vater ließ seinen Sohn als unzurechnungsfähig hinstellen? Die Sinne benebelt? Ging der König davon aus, dass sein Sohn von der Magie verzaubert worden war? Wirklich? In diesem Moment fiel ihm auf, dass die Soldaten Wissen hatten, das so eigentlich nicht weitergetragen hätte werden können, wenn der König nicht über mehr Informationsquellen verfügte, als es augenscheinlich war… Woher sonst konnten die Soldaten wissen, dass er bei dem Überfall auf die Kutsche damals überhaupt zugegen war? Der Gedanke ließ ihn stutzen und in ihm kam wieder etwas herauf, was er schon einmal gedacht, aber verdrängt hatte: Der Überfall der Brüder sah letztlich viel zu gut geplant aus, als dass es wirklich der Plan der eher dummen Männer gewesen hätte sein können. Ob König Corvo seinen eigenen Sohn hatte gefangen nehmen lassen? Hatte jener provozieren wollen, dass Aaron seinen Gegenpart findet? Aber wie hat jener wissen können, dass sie sich dabei begegnen würden? Ob jener mehr von der Prophezeiung wusste? Ob jener ein Teil davon hatte? Merthin verschob den Gedanken erneut und lauschte nun lieber, was Aaron tun würde. Aber da er nichts sah, war es schwer. Denn er hörte nur Papier rascheln – sonst nichts. Was um alles in der Welt tat Aaron gerade? Merthin hörte wieder sein Herz schlagen und wartete… Nun, bis Aaron erneut befahl, dass man ihn loslassen solle. Und endlich lockerte sich der Griff und Merthin war froh, den Druck von seinen Schultern los zu sein. Er massierte sich kurz die Handgelenke und wollte aufstehen, als er schon Aaron an sich spürte, bevor er eine wirkliche Berührung wahrnehmen konnte. Sein Körper schien sich zu freuen, den anderen wieder so nah an sich zu haben, denn der Energiefluss, der sogleich einsetzte, wärmte ihn von innen heraus. ‚Blöder, hinterhältiger Körper!‘, knurrte er innerlich über sich selbst. Gestützt richtete sich Merthin zur vollen Größe auf und blickte die Soldaten, allen voran den Offizier zornig an, der noch einmal versuchte Aaron davon zu überzeugen, dass Merthin kein Umgang für den Prinzen war. Doch der Prinz fiel ihm ins Wort. Merthin sah das Pergament, das der Offizier in den Händen hielt, und runzelte die Stirn. Was jener wohl darauf geschrieben hatte?

Die Soldaten saßen auf, wendeten die Pferde und ritten los. Irgendwie war ihm gerade schleierhaft, was Aaron hatte schreiben können, was diese Männer dem Ruhm vorzogen, einen Schwerverbrecher dingfest zu machen und gleichzeitig den Prinzen nach Hause zu bringen… Doch es hatte funktioniert – vorerst.

Als Aaron neben ihm sprach, wendete er den Blick von den Soldaten ab und Aaron zu. Einen Moment reagierte er nicht weiter, hörte den folgenden Worten zu, ohne sich zu regen, dann senkte er den Blick, als Aaron seine Lippen ansah. Irgendwie war das komisch. So sehr er gerade den anderen umarmen wollte, um ihm zu danken und sich selbst zu beruhigen, so sehr saß ihm noch der gestrige Abend im Nacken. Oder war es das schlechte Gewissen? Er schluckte, dann räusperte er sich. „Danke für deine Hilfe“, sagte er leise, ohne auf irgendetwas anderes einzugehen, „obwohl ich mich vorhin so falsch benommen habe…“ Er blickte nach oben, war merklich unruhig und griff dann die Frage danach auf, ob sie bald beim Nachtquartier wären. „Es geht schon, ich bin fit“, erklärte er nur und wandte sich seinem Pferd zu, um die Fesseln zu untersuchen, die Brust, ob der Sturz dieses verletzt hatte. Aber er konnte nichts erkennen. „Ich führe ihn ein Stück“, erklärte er. „Wir sollten schauen, dass wir hier fortkommen. Nicht, dass sie es sich anders überlegt haben… Auch wenn das, was du da aufgeschrieben hast, einem Goldschatz gleichkommen muss…“ Er konnte nicht direkt danach fragen, aber indirekt musste er fragen, denn er war verdammt neugierig.
 

Aaron

Es wäre ein leichtes gewesen, diese Situation zu nutzen und nach Hause zurückzukehren. Es wäre Aaron vielleicht gar möglich gewesen, Merthin frei zu bekommen und dennoch heimzukehren. Aber davon hätte Aaron nichts. Deswegen wollte Aaron auch nicht heim. Hier fand das wahre Leben statt, hier lernte er wahre Weisheiten, hier hatte er eine sinnvolle Aufgabe. Hier war Merthin. Die Tatsache, dass dieser ihn nicht mehr so nahe an sich heranließ, änderte auch nichts daran, dass Aaron bei ihm sein wollte. Aus Rache gehen und Merthin im Stich lassen kam Aaron keine Sekunde in den Sinn. Er flüchtete nicht vor seiner Aufgabe, vor seiner Verantwortung, vor seinen Gefühlen. Pflichtbewusstsein war einem Mitglied der königlichen Familie angeboren, auch wenn Aaron inzwischen gelernt hatte, wann dies angebracht war und wann nicht. In diesem Fall war es aber nicht Aarons Pflichtbewusstsein, das ihn sich gegen seine Familie entscheiden ließ, sondern sein Wunsch nach Nähe zu Merthin, sein Wunsch ihn zu unterstützen, zu beschützen und ihn nicht alleine zu lassen. Deshalb blieb Aaron an Merthins Seite. Das hieß nicht, dass Aaron seiner Familie komplett den Rücken kehren konnte, irgendwann würde er sich ihnen stellen müssen, aber... Magie war dicker als Blut, seine Gefühle für Merthin stärker.

Es war das erste Mal nach dem Kuss, dass sie sich wieder berührten und Aaron spürte sogleich den Unterschied. Merthins feurige Wärme kroch in jeden Winkel von Aarons Körper und ließ ihn sich gut fühlen. Warum reichte dieses gute Gefühl für Merthin nicht, um die Nähe zuzulassen? Merthin bedankte sich für die Hilfe und Aaron lächelte erfreut, was sich wieder abschwächte, bei dem kleinen Nachtrag. 'Vorhin'...? Meinte Merthin den Kuss vorhin oder seine abweisende Art vorhin? "Immer wieder", antwortete Aaron leise nachdenklich. Darüber grübelnd schaute Aaron zu, wie Merthin sein Pferd untersuchte. Es wäre schlecht gewesen, wenn dieses verletzt wäre, nicht nur weil ihnen dann ein Reittier fehlte, sondern allgemein. Die Pferde der Schausteller waren alle so freundlich und liebenswert, keines verdiente es aufgrund eines Angriffs von Soldaten umzukommen, wofür die Tiere am allerwenigsten konnten.

Auch Aaron führte sein Pferd, während Merthin ihn indirekt fragte, was er dem Offizier aufgeschrieben habe. Es brachte das Grinsen wieder zurück auf seine Lippen, wenn auch nicht mehr tief aus dem Herzen kommend, denn das schmerzte zur Zeit. "Es muss nicht immer Gold sein, was einem Mann mehr wert ist, als der Triumph über einen Gegner", begann Aaron zu sagen. "Nein, sein Schatz ist mehr wert als Gold. Weißt du, Schulen in der Hauptstadt sind nur adligen Kindern zugänglich. Ein Empfehlungsschreiben aus dem Königshaus bildet Ausnahmen", umschrieb Aaron es, dass er genau ein solches Empfehlungsschreiben aufgesetzt hatte, damit die Kinder dieser Soldaten die Schule besuchen durften. Ansonsten wäre ihnen das unmöglich, Bildung und Wissen war einfach den Adligen vorbehalten und auch da nur im begrenzten Maße. Einzig Ausnahmetalente, die dem König bei seiner Machtgewinnung nützlich sein könnten, wurden gesondert unterrichtet. König Corvo wollte nicht, dass die Kinder, vorallem die der niederen Schicht, genug lernten, um sich am Ende noch gegen ihn erheben zu können.
 

Merthin

Vermutlich war es die Energie, die er eben durch ihren kurzen Kontakt erhalten hatte, die ihn etwas besser gelaunt weitergehen ließ. Vielleicht war es aber auch die Tatsache, dass Aaron sich ihm gerade als der offenbarte, der er im Volksmund war: der Gutherzige.

Zugegebenermaßen hatte sich Merthin nie wirklich um das Königshaus und seine Mitglieder geschert, hatte Aaron nie wirklich bewusst wahrgenommen – eben nur Gerüchte gehört. Nun aber, da er hörte, was jener getan hatte, bestätigte das die Gerüchte und Erzählungen… Und irgendwie war ihm deswegen ganz warm ums Herz, sehr warm ums Herz. Er hatte auch den Impuls gespürt, den anderen dafür zu umarmen, sich aber zurückgehalten. Sonst würde das Aaron wieder falsch verstehen… Dafür hatte er in der Bewegung innegehalten, obwohl er bereits hatte loslaufen wollen, und den anderen angesehen. „Kein Wunder, dass sie dich gerne auf dem Thron sehen wollen, Prinz Aaron“, hatte er geantwortet und ihn angelächelt. „Aber es passt zu dir, so wie ich dich kennengelernt habe…“, fügte er leiser hinzu. Dann war er mit einem Lächeln auf den Lippen weitermarschiert. Und das Gefühl, dass er sich glücklich schätzen konnte, dass es Aaron war, der an seiner Seite war, wurde ihm bewusst. Auch wenn gerade andere Dinge verhinderten, dass er dieses Glück einfach genießen konnte. Besonders die Flammen, das Inferno und die verkohlte Leiche, die er bei ihrem Kuss einen Moment gesehen hatte...
 

Aaron

Aaron hatte kurz gemerkt, dass Merthin sich ihm zugewandt hatte und sich dabei gefreut. Aaron hatte auf eine Umarmung gehofft, auf eine liebevolle Geste, die seine Worte und das schöne Lächeln Merthins untermalt hätte. Doch da hatte Aaron vergeblich gehofft. Dennoch lächelte er zurück bei Merthins lieben Worten. Es klang einerseits schön, wie Merthin seinen Titel verwendete, so liebevoll, wie es keiner sonst zu sagen vermochte. Aber auf der anderen Seite auch so ungewohnt, da Aaron in Merthins Nähe so schnell vergessen konnte, dass er ein Prinz war. Für einen Moment hatte Aaron das Gefühl, doch wieder auf einem guten Weg zu sein, sich Merthin wieder anzunähern, diese Barrikade zwischen ihnen zu überwinden. War Merthin denn auch der Meinung, das Aaron König werden sollte? Der Prinz wüsste das gerne, da er selbst noch geteilter Meinung war, aber dafür gäbe es gewiss eine Möglichkeit, um dieses Thema mal anzuschneiden.

Ebenfalls mit deutlich besserer Laune folgte Aaron Merthin weiter zu ihrem Nachtlager. Dass die Stimmung hier aber sehr drastisch kippen würde, ahnten sie beide noch nicht.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Im nächsten Kapitel wird sich für den Leser sicher einiges klären... für die zwei Jungs leider noch nicht.
Ich hoffe, ich schaffe es heute noch, es Korrektur zu lesen und hochzuladen ^^ Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Gralsfeuer
2017-08-03T19:51:29+00:00 03.08.2017 21:51
Also ich bin gestern auf diese FF gestoßen was mir doch tatsächlich eine verdammt kurze Nacht und einen extrem übermüdeten Arbeitstag eingebracht :D

Ich finde die Idee der Geschichte richtig gut. Die Charakter sind extrem gut ausgearbeitet und komplex. Da habt Ihre echt eine tolle Arbeit geliefert - und eigentlich mag ich auch den Blick aus zwei Seiten.

Jetzt kommt mein "aber" - Ich würde mir wünschen dass es etwas fließender wäre. Wie soll ich sagen die Idee ist gut nur zum einen kommt der Wechsel in einem Kapitel öfters und meist müssen daher Gespräche, Situationen etc. doppelt wiedergegeben werden. Vielleicht liegt es daran dass ihr die Geschichte zu zweit schriebt, ich weiß es nicht. Ich persönlich fände es schöner wenn ihr z. B. die Gespräche wirklich zusammenlegen würdet damit würde alles besser in den Fluß geraten. Somit hätte man eine durchgehende Konversation und hätte beim Sprung auf den anderen Part den Blick frei für die Gedanken und Gefühle.

Dies soll eure Geschichte nicht schlecht machen, war einfach ein Gedanke, denn allein eure Arbeit ein eigenes Geschichtenuniversum zu schaffen und eine wirklich interessante und spannende Story zu erschaffen und mit tollen Charakteren wird mich auf jeden Fall weiterlesen lassen.

LG
Antwort von:  -Amber-
03.08.2017 23:43
Hallo!!!!

Ich freu mich riesig, dass dir die Geschichte zusagt! :D
Ja, sie ist recht komplex und ich denke, dass sie uns noch einige Zeit beschäftigen wird. Wir freuen uns, dass sie anderen auch sobgut gefällt wie uns <3
Dein Lob spornt uns an! Und natürlich auch deine Kritik! :D
Ich kann dein Aber gut nachvollziehen! Ich werde sehen, ob ich Redundanzen in Zukunft etwas wegkürze. Das Problem ist nur, dass es eben eigentlich ein RPG ist.
Sollte es uns jemals überkommen, die Story als Buch zu veröffentlichen, werden wir das ändern! ;)

Danke für dein Feedback!!! Wie gesagt: es spornt sehr an ^^

Leider musst du dich etwas gedulden, bis es weiter geht, (wobei ich gerade noch ein Kapitel hochgeladen hab...) da ich jetzt erst einmal in den Urlaub fahre...
Hab noch andere Geschichten online, falls du dir die Zeit anderweitig vertreiben magst ;)

GlG! Amber
Antwort von:  Gralsfeuer
04.08.2017 05:55
Dann wünsche ich dir erst einmal einen erholsamen oder auch kreativen Urlaub ;) - dann kann ich meinen Schlaf nachholen bis es weiter geht :D

GLG Gralsfeuer


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