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Pretty Boy

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Teil 19- Déjà-vu

Pretty Boy

 

Teil 19- Déjà-vu

 

„Können wir reden?“ Mit verschränkten Armen lehnt sich Shiba gegen den Türrahmen zur Küche und versperrt mir den Weg. Haruno und Miyu sitzen bereits nebeneinander und blödeln herum. Mom merkte, dass mit mir gestern was nicht stimmte als ich nach Hause kam aber weil ich nicht reden wollte hat sie Pancakes für uns zum Frühstück gemacht, um mich aufzuheitern. Diese kleinen Dinger habe ich in Amerika lieben gelernt. Kurz taten sie es sogar, doch dann Klingelte die Tür und ich wäre am liebsten zum Garten raus.

Unsicher fahre ich mit der Hand über meinen Nacken. „Ähm... Vielleicht später. Es ist schon ziemlich spät, nicht das wir noch zu spät kommen.“

Shiba sieht ruhig auf seine Armbanduhr und ich kann den Sarkasmus aus seiner Stimme geradezu triefen hören. „Stimmt, eine Stunde für einen fünfzehn Minuten weg, wie sollen wir das bloß schaffen? Ich denke aber die Zeit reicht mir.“

Nervös schaue ich an Shiba vorbei zu Haruno, der mir lediglich einen mitleidigen Blick schenkt. Keine Hilfe. Unruhig vergrabe ich meine Finger in den Rock der Uniform und gehe langsam die Treppen hoch zu meinem Zimmer.

Sobald wir im Kinderzimmer stehen schließt er die Tür hinter uns. Ich wage es nicht mich zu ihm umzudrehen. Meine Augen suchen verzweifelt nach einem Punkt im Raum, der meine angespannten nerven besänftigen könnte und entscheide mich für die mit Häschen bedruckten Gardinen.

„Ich nehme an, die hast du gestern gesucht“, höre ich Shibas grollende Stimme dicht hinter mir, als er meine Schultasche neben meinen Füßen fallen lässt. Bei dem Geräusch des Aufpralls zucke ich zusammen. Die Häschen wirken nicht.

Tief atme ich durch bevor ich mich langsam zu ihm drehe. Mein Herz droht jeden Augenblick vor mir die Flucht zu ergreifen. Meine Finger verkrampfen sich in meinem Rock, als ich in seine wütenden Augen sehe. Ich öffne meinen Mund, aber es kommt nichts raus. Hab mich geirrt, meine Stimme ist noch vor mir und meinem Herzen getürmt.

„Was hast du gehört?“ Er spricht ruhig, aber jeder seiner Muskeln steht unter Spannung.

Hart schlucke ich und senke den Blick. „Ich denke... genug...“, kalt brodelt es in meinem Magen bei den nächsten Worten. „Genug um zu wissen... das dein Ex ein... ein Riesenarschloch war.“

Es klingt als würde er ein Knurren von sich geben. „Was fällt dir ein uns zu belauschen?! Warum bist du so scharf darauf etwas über meine Vergangenheit zu erfahren? Ich will nicht darüber reden, weil ich es vergessen will!“

Abwehrend hebe ich die Arme zwischen uns und schüttle hektisch meinen Kopf. „Es war aus versehen!“, rechtfertige ich mich. „Ich wollte nur meine Tasche holen. Wirklich.“

„Klar“, ist alles was ich bekomme, bevor er sich abwendet und das Zimmer verlässt ohne zurück zu sehen.

„Du wolltest das ich ehrlich zu dir bin. Das war ich“, rufe ich hinterher ,nicht sicher ob er es gehört hat. Das schreckliche Gefühl in meinem Magen hat sich aufgebauscht. Übelkeit überkommt mich. Ich musste ihn nicht mal abweisen, damit er wütend auf mich wird. Nicht wie damals. Hoffentlich wird sich nicht noch mehr wiederholen. Ich setzte mich auf die Bettkante, als ein Gefühl des Schwindels mich überkommt, bei dem Gedanken, er könnte noch heute meine Scharade auffliegen lassen. Wäre ihm das zuzutrauen? Keine Ahnung. Ich kenne ihn doch gar nicht wirklich. Die Übelkeit in mir steigt hoch und mühselig würge ich sie hinunter.

 

Als ich mich wieder einigermaßen im Griff habe, schleiche ich die Treppen hinunter. Nervös sehe ich mich um und erschrecke fürchterlich, als Mom mich aus dem Nichts anspricht. „Schatz du musst noch essen, bevor ihr los geht.“

Unruhig zupfe ich an der Uniform, während ich vorsichtig um die Ecke sehe. Ich sehe Mom am Herd, Haruno neben Miyu, aber kein Shiba. „Wo... wo ist denn... ähm... Shiba?“

Wieder sieht Haruno mitleidig zu mir. „Der ist schon zur Schule.“

Und verbreitet die Wahrheit über mich.

Ich klammere mich an den Türrahmen, als alle Gefühle wieder über mich einbrechen, die ich eben noch mühselig hinunter drängte. „Hat... hat er... irgendwas gesagt?“

„Nein. Ist ohne ein Wort an uns vorbei.“ Er steht auf und kommt langsam auf mich zu. „Misaki, geht es dir nicht gut? Hat er was getan?“

Nein... Ja... Noch nicht jedenfalls.

Vorsichtig legt Haruno mir einen Arm um den Rücken, augenblicklich spannen sich alle Muskeln in mir an. Er führt mich zum Esstisch und sorgt dafür das ich mich sicher setze. Mom kommt zu mir und Mustert mich intensiv. Tastet meine Stirn und Hals ab. „Du hast gestern schon einen kränklichen Eindruck gemacht. Möchtest du heute lieber zu Hause bleiben?“

„Ich möchte auch zu Hause bleiben“, meldet sich Miyu.

Mom prustet. „Dir fehlt doch nichts. Du willst nur den Test heute nicht schreiben.“

„Er hat doch immer irgendwas“, regt sich meine liebreizende kleine Schwester auf.

„Ich geh zur Schule“, platzt es aus mir, bevor sie sich auch noch wegen mir streiten.

„Bist du dir sicher?“, fragt Mom, nicht begeistert von dieser Idee.

Ich muss es mit eigenen Augen sehen. Vielleicht kann ich das schlimmste diesmal verhindern.

Ich nicke nur und behalte meine Gedanken für mich. Haruno streichelt liebevoll meinen Rücken. „Ich verspreche, ich werde den Tag nicht von deiner Seite weichen und auf dich aufpassen.“

„Awwww“, kommt es von Mom. Mit Sicherheit geht sie gerade wieder gedanklich jeden Teil unserer Hochzeit durch.

 

 

Je näher wir der Schule kamen, desto elender fühle ich mich. Haruno hat versucht mich in ein Gespräch zu verwickeln und die Ablenkung hätte mir sicher gut getan, aber ich hab ihm überhaupt nicht zu hören können und lediglich mit zustimmenden Brummlauten geantwortet, als es so schien, dass er auf eine Antwort wartete.

Bereits vor der Schule sehe ich Mädchen die sich zuflüstern. Unauffällig deuten sie auf uns, nur nicht unauffällig genug. Es werden mit jedem Schritt mehr. Jungs, die in Grüppchen zusammen stehen, stoßen sich gegenseitig an um auf uns aufmerksam zu machen.

Es geht schon los. Shiba hat ganze Arbeit geleistet.

Die selbsternannte Anführerin von Harunos Fanclub kommt auf uns zu gestürmt, gefolgt von ihren Verbündeten. Meine erste Begegnung ist ihr ist mir noch gut im Gedächtnis geblieben. Ich befürchte nur, diesmal wird keine Schwert schwingende Kriegerin kommen um meine Ehre zu verteidigen. Wer würde schon einem Lügner wie mir beistehen?

„Haruno!“, ruft sie ihm aufgebracht zu. „Ist es wahr das du schwul bist? Wir alle haben das Foto gesehen.“

Nervös lacht das Igelchen und zieht mit einem Finger an seinem Kragen. „Na das ging aber schnell herum.“

„Ist es wahr?“, fragt sie energischer.

Ich interessiere sie gar nicht. Ein winziger Brocken meiner Anspannung fällt ab und mit einer neuen Möglichkeit des offensichtlichen beginne ich erneut die tuschelnden Schüler zu betrachten. Sie sehen überhaupt nicht mich an. Alle haben nur Interesse an Haruno. Meine angehaltene Luft entweicht und ich wage es mit einem kleinen Funken der Erleichterung zum Igelchen auf zu sehen.

Er kratzt sich durch die kurzen Haare am Hinterkopf und lässt seinen Blick ebenfalls wandern. Alle Blicke ruhen auf ihn und warten auf eine Antwort. Sein Prinzenlächeln bröckelt. „Er ist Bi“, höre ich mich reden, bevor mir klar wird, dass ich mich einmische.

„Was? Wer hat dich gefragt?“, pampt sie mich an.

„Aber es ist wahr“, haspelt Haruno. „Ich bin nicht schwul.“

Aus schmalen Augen betrachtet sie Haruno. „Dann bist du mit ihnen beiden zusammen? Mit dem Typen vom Foto und-“, sie deutet auf mich, „der da?“

„Nein!“, platzt es aus mir und augenblicklich schießt mir mein Blut in die Wangen.

Haruno knufft mich in die Seite. Das war selbst ihm ein wenig zu schnell geantwortet. Mit einem unterdrückten Grinsen sieht er zu mir herunter, wendet sich aber wieder an seine Verehrerinnen. „Misaki hat nur unser Spielchen durchschaut und ist eine verbündete in unserem Geheimnis. Ja, meine Damen, ich bin mit “dem Typen vom Foto“ zusammen.“

„Wer ist der Typ?“, will eine andere wissen. Shiba scheint nie irgendwem aufgefallen zu sein, solange er sich hinter seinem Zottelpony versteckt hat.

Verlegen kratzt er sich an der Nase. „Mein Sandkastenfreund.“ Als Reaktion bekommt er tatsächlich ein paar awwww´s von einigen Mädels. Die Schulglocke erklingt und rettet uns vor weiteren Verhören. Noch während wir weiter gehen, wollen sie aber mehr wissen. Haruno aber winkt ab und beeilt sich mit mir ins Klassenzimmer zu kommen. In Zukunft werden ihm vielleicht nicht mehr so viele der Mädchen hinterher jagen, jetzt wo er “vergeben“ ist.

Ich stoppe abrupt in der Tür, als ich Shiba auf seinem Platz sehe. Ein Funken Schuldgefühl überkommt mich, wird aber weiter von meinem Misstrauen erdrückt. Dieses mal haben sie Haruno überrannt, nächstes mal vielleicht mich. Im Gegensatz zu Haruno wird Shiba in Ruhe gelassen. Keiner tummelt sich um ihn, er ist der unsichtbare.

Vorsichtig, wie ein scheues Reh, nähere ich mich meinem Platz und lasse Shiba nicht aus den Augen. Der sieht nicht mal von seinen Zetteln vor sich auf und lässt mich wie den größten Obertrottel vorkommen.

 

In den Pausen blieb ich bei Haruno. Ich rechtfertige mich vor mir selbst damit, dass er heute nicht von meiner Seite weichen wollte um auf mich aufzupassen. Nur aus dem Klassenzimmer kommen wir nicht. Die Horde die ihm sonst hinterher lief, belagerte diesmal unser Klassenzimmer. So oft wie er die Geschichte von seiner Sexualität mittlerweile rauf und runter erzählen musste, geht er mittlerweile ganz cool damit um und überraschenderweise ein Großteil der Mädchen auch. Er beharrt noch immer auf der Geschichte, die er vorher sich in aller Not ausdenken musste. Erfindet nicht zu viele Details um sich selbst nicht zu widersprechen und interessanter weise wird er dennoch mit vielen Vermutungen und bereits gesäten Gerüchten konfrontiert. Während ich dem treiben eher passiv lauschte, aß ich alleine von meiner üppig gefüllten Bento Box. Haruno kam überhaupt nicht zum essen, weil er die ganze Zeit Fragen beantworten musste und Shiba war weg. Wohin hat er nicht gesagt, aber ich vermute aufs Dach. Zu unserem Platz, wenn ich das denn noch so sagen darf.

Erst zum Schulschluss treten wir gemeinsam aus dem Gebäude. Haruno, der zwischen uns läuft, schüttelt verständnislos den Kopf. „Ich dachte die Sache hat sich für dich erledigt. Wann willst du denn noch lernen oder schlafen?“

„Hör endlich auf mich zu bemuttern. Es ist nur Kendo“, brummt Shiba und schlägt den Weg Richtung Trainingshalle ein.

Haruno folgt ihm noch einige Schritte. „Irgendwer muss es ja tun um dich aus deinem Loch zu holen“, schimpft er und wird gekonnt von Shiba ignoriert. Genervt verschränkt er die Arme vor der Brust und murmelt grimmig vor sich hin.

„Denkst du nicht, dass ihm das gut tun wird?“, frage ich kleinlaut.

Haruno stöhnt gerädert. „Doch, aber nicht auf diese Art.“ Mit einer Hand fährt er über sein müdes Gesicht und bemüht sich um ein sanfteres lächeln für mich. „Das macht er immer so. Wenn er sauer ist oder ihn irgendwas bekümmert stürzt er sich in den Sport und hört von alleine nicht mehr auf. Andere essen oder malen gegen ihre Sorgen und er trainiert wie ein Wahnsinniger.“ Er wendet sich mir ganz zu und legt mir eine Hand auf die Schulter. „Bitte vertrag dich ganz schnell wieder mit ihm. Als ich ihm das letzte mal dieses Verhalten hab durchgehen lassen, ist er vor Erschöpfung zusammen gebrochen.“

Ich schlucke schwer und senke bedrückt meinen Blick. „Ja okay, ich bemühe mich.“ Kurz kaue ich auf meiner Unterlippe, doch wage es meine Sorgen auszudrücken. „Denkst du, wenn ich es nicht tue, würde Shiba verraten das ich... na ja... mehr unterm Rock habe als andere Mädchen?“

Er drückt meine Schulter und lächelt aufrichtig. „Niemals.“ Kurz keimt ein Funken wärme in meiner Brust, der schnell von bitter schmeckenden Schuldgefühlen überdeckt wird. Ich hätte lieber meinem Gefühl trauen sollen, statt auf meinen Kopf. Shiba ist nicht Akira und Haruno genauso wenig. Sie sind soviel selbstloser als er. Beschützen mich. Verteidigen mich. Lieben mich?

„Ey Schwuchtel“, keift ein Unbekannter hinter uns.

Mir rutscht das Herz in die Hose bei diesem Wort. Stockend sehe ich zu dem jungen Mann der von drei anderen begleitet wird, alle in unserer Schuluniform. Mein Alarmlämpchen blinkt feuerrot. Zitternd greife ich Harunos Ärmel und zupfe hektisch dran. „Haruno...“, keuche ich atemlos. „Wir müssen hier weg. Schnell.“

Er legt eine Hand auf meine und mustert die Männer. „Kann ich euch helfen?“

Ich rüttle energischer an ihm. „Bist du irre?“, fiepe ich überfordert.

„Ja, du kannst mir helfen“, grinst er überheblich und kommt näher mit seinen Leuten. „Erklär mir doch mal, warum ne Schwuchtel wie du alle Mädels für sich beansprucht, wenn er doch lieber Schwänze lutscht?“

Langsam beugt sich Haruno zu mir runter und flüstert mir ins Ohr. „Hol Takeo.“

Mein erster Impuls sagt mir, dass ich ihn nicht verlassen darf, aber mit mir an seiner Seite kommt er hier nicht heile raus. Nach einem Moment des Zögerns renne ich los. „Hey Püppchen, wo willst du hin?!“, schreit er mir nach. Ängstlich blicke ich kurz zurück und sehe wie Haruno sich in den Weg stellt und sie ihn packen.

 

Ich stoße die Tür zum Dojo auf. „Shiba! Haruno! Schnell!“, keuche ich außer Atem.

„Was ist los?“, fragt er und zieht sich den Helm vom Kopf.

Ich wedle hektisch mit den Händen. „Komm!“ Ohne auf ihn zu warten laufe ich zurück. Von weiten sehe ich sie bereits. Sie halten Haruno gegen die Wand des Schulgebäudes gedrückt und es folgt ein Schlag nach dem anderen in seinen Bauch. Plötzlich rennt Shiba an mir vorbei. In einem Affenzahn ist er bei ihnen und überrumpelt sie mit seinem auftauchen und einem Kinnhaken. Dank dieser überragenden Schlagkraft, die er erst vor kurzem unter Beweis stellte, geht der Mann augenblicklich zu Boden der Haruno boxte. Drei stehen aber noch, die gewillt sind sich mit ihm anzulegen. Da rennt Mishiro an mir vorbei und knöpft sich mit ihren Schwert einen der Idioten vor. Ich stürze zu Haruno und stelle mich zwischen ihm und den Rest, auf das keiner ihm mehr zu nahe kommt.

Sie zögern ihren unausweichlichen Rückzug hinaus, doch gegen den wilden Panther Shiba und der Schwert schwingenden Kriegerin Mishiro haben sie keine Chance. Nach ein paar gezielten Schlägen von ihnen sehen sie das nun auch endlich ein und verziehen sich mit eingezogenem Schwanz.

Vorsichtig taste ich Haruno ab. „Blutest du? Kannst du dich bewegen? Ist was gebrochen?“, überschlage ich mich fast vor Fragen.

„Ich ruf n Krankenwagen“, meint Mishiro und wendet sich zum gehen.

„Nein“, ruft Haruno. „Kein Krankenwagen.“ Er hält meine Hände fest und lächelt mich schmerzlich an. „Mir geht es gut.“

Ich entziehe ihm eine und picke ihm in die Seiten, er zuckt augenblicklich zusammen. „Dir geht es nicht gut“, behaupte ich eisern. „Du musst zu einem Arzt.“

„Das geht nicht. Wenn ich zum Arzt gehe, erfahren meine Eltern was passiert ist. Ich will nicht, dass sie sich Sorgen machen.“

„Ren...“, sagt Shiba einfühlend.

„Nein“, bleibt dieser auf Kurs. „Sie werden wollen das ich wieder zu ihnen komme. Das weißt du.“ Ächzend bemüht er sich auf zu stehen und ich stütze ihn dabei. „Seht ihr, halb so wild.“

Shiba dreht ihm den Rücken zu und geht auf die Knie. „Komm, ich bring dich nach Hause.“

„Nein, bring ihn zu mir. Ich werde mich um ihn kümmern. Du musst doch bald zur Arbeit. Er kann sicher bei uns übernachten“, wende ich wiederum ein. „Ich kann nicht zu euch um mich um ihn zu kümmern. Mom hat ihr Buchclubtreffen heute und ich muss zu Hause auf meine Schwester aufpassen.“ Die mich ganz sicher im schlaf töten wird, nachdem sie Haruno so gesehen hat.

Haruno lacht etwas, was ihm sichtlich schmerzen bereitet. „Ich werd getragen und darf bei Misaki schlafen. Heute muss mein Glückstag sein.“

Brummend ergibt sich Shiba der Mehrheit. Ich gebe Mishiro noch einen Zettel mit meiner Adresse, damit sie Shibas Sachen nach bringen kann und schon darf der Prinz auf dem Panther reiten.

 

 

Shiba ist doch außer Atem zu bekommen. Erschöpft legt er Haruno auf die Couch im Wohnzimmer und wischt sich den Schweiß von der Stirn. Er hat ihn nicht ein mal abgesetzt, obwohl Haruno sich immer mehr gegen das Tragen sträubte.

Aufgebracht schimpft Mom ins Telefon wie ein kleiner wild gewordener Terrier. Nachdem ich ihr grob erklärt hatte was passiert ist, rief sie sofort in der Schule an. Vom Wohnzimmer hören wir sie in der Küche zetern. Haruno schluckt hart. „Hoffentlich mach ich sie nie wütend.“

Schmunzelnd gehe ich neben der Couch auf die Knie. „Ja, hoffentlich. Der kleine Teddybär kann zur reißenden Bestie werden.“

Miyu kommt mit einem Tablett voll Getränke rein. Stolz trägt sie es vor sich und stellt es auf den Couchtisch. Sie nimmt eins der vollen Gläser und gibt Haruno zuerst seines. Ich helfe ihm dabei sich aufzurichten, damit er trinken kann. Mom kommt währenddessen mit einem Erste Hilfe Kasten ins Zimmer. Mir bleiben vielleicht gar nicht so viele Möglichkeiten mich um ihn zu kümmern wie gedacht. Belustigt sehe ich zu wie Mom, die ehemalige Krankenschwester, Haruno gründlich untersucht, unterstützt von ihrer kleinen Assistentin Miyu. Toll, sogar meine kleine Schwester geht Haruno vor mir an die Wäsche.

Nicht sicher warum, sehe ich hinter mich. Irgendetwas in mir riet mir dazu. Ich sehe Shiba. Völlig hilflos und unsicher steht er da und weiß nicht was er machen soll. Haruno ist scheinbar nicht der einzige um den man sich kümmern muss. Vorsichtig berühre ich ihn am Arm und er fährt zusammen wie aus einem schrecklichen Traum geweckt. „Wie wäre es, wenn du schon mal für Haruno auf der Arbeit anrufst und sagst das er nicht kommen kann. Ich such dir von Dad was zum anziehen raus. In der Ritterrüstung kann ich dich nicht vor die Tür lassen.“

Als wäre ihm nicht ganz klar was ich meine sieht er an sich herunter und ich höre ein leises oh von ihm. Aus Harunos Tasche holt er dessen Handy vor und geht zum telefonieren in die Küche, während ich mich ins Schlafzimmer meiner Eltern begebe.

Ausgelaugt setze ich mich einen Moment aufs Bett und stütze mein Gesicht in die offenen Hände. Sie zittern. Schon die ganze Zeit. Ich bekomme mich nicht mehr unter Kontrolle. Alles scheint sich zu wiederholen, nur das dieses mal nicht ich die Prügel abbekomme. Besser macht es das allerdings nicht. Wäre ich an meinem ersten Tag nie aufs Dach gekommen, hätten wir uns sicher nicht angefreundet. Hätte ich mich entschiedener gegen diese Freundschaft gewährt, wäre das alles nicht passiert. Wenn ich nicht so neurotisch wäre, hatte Shiba Haruno nie geküsst. Wenn sie einfach ihr Leben weiter gelebt hätte und ich in meinem Loch geblieben wäre, wäre Haruno nie etwas passiert. Ich habe diese prügel viel mehr verdient. Ich bin der Lügner. Ich bin der, der ein falsches Spiel spielt. Ich bin der Idiot. Ein Rock macht noch lange nicht alles besser. Tränen brennen in meinen Augen, die ich nicht aufhalten kann. Ich bin an allem Schuld. Ohne mich wären sie besser dran gewesen. Ich ziehe sie mit in den Shitstorm der sich mein Leben schimpft.

 

Mit einem T-Shirt und kurzer Jogginghose im Gepäck komme ich die Treppen hinunter. Shiba wartet schon am Ende auf mich. Noch so ein Déjà-vu. „Ich hoffe das passt einigermaßen. Dads lange Hosen sind dir sicher eh zu kurz, also... na ja... Hier.“ Mit gesenktem Blick überreich ich ihm die Kleidungsstücke und weiche an die Seite. „Du kannst dich oben im Bad umziehen oder in meinem Zimmer, dass kann man auch abschließen.“ Zögerlich nimmt er es entgegen. Ich senke meinen Blick weiter, als ich merke wie er mein Gesicht studiert. Sobald ich mir sicher bin, dass er die Sachen entgegengenommen hat, flüchte ich von den Treppen und laufe in die Küche. Ich schniefe und ringe die wieder aufkommenden Tränen herunter. Verdammt, warum muss der immer alles bemerken!

Zwei zarte Arme legen sich von hinten um mich. Ich wische über meine Augen bevor ich mich vorsichtig umdrehe. Mom lächelt mich voller Liebe an. „Du hast heute toll reagiert, mein Schatz. Ich bin stolz auf dich, dass du so ein guter Freund ihnen gegenüber bist.“

„Mama“, wimmer ich nur, bevor die Tränen in Sturzbächen fließen. Sie drückt mich liebevoll an sich und ich erwider diese wundervolle Umarmung.

Sanft wiegt sie mich und streichelt über meinen Rücken. „Was heute passiert ist, erinnert dich sicher an damals. Es wird immer solche voll Pfosten geben. Die sind überall auf der Welt. Aber sei dir sicher, dass du von Menschen geliebt wirst, die alles für dich geben würden. Die dich lieben so wie du bist und deren Liebe groß genug ist, um alles Böse in der Welt zu vertreiben, wenn du uns lässt.“

„Danke Mama.“ Wieder schniefe ich und sie reicht mir eins ihrer Stofftaschentücher aus ihrem ausladenden Petticoat.

Lächelnd streichelt sie über mein Haar. „Haruno hat es gar nicht so schlimm erwischt. Wird nur eine geprellte Rippe sein. Das tut weh, aber ist nicht schlimm genug das er ins Krankenhaus muss. Wir beobachten ihn einfach die Nacht über und entscheiden Morgen ob er vielleicht doch eine Ärztliche Meinung braucht.“ Ich nicke dankbar. „Aber er schläft auf der Couch, nicht in deinem Zimmer.“ Mahnend hebt sie den Finger und ruft ein schmunzeln auf meine Lippen hervor.

Ein paar Stufen knarren als Shiba die Treppe hinunter kommt. Mom kommt ihm etwas entgegen. „Hast du noch Zeit für einen Happen bevor du los musst, Shiba?“ Sie schaut zu ihm um den Türrahmen herum und ihre Augen werden riesig.

„Nein, ich sollte los. Ist es denn okay wenn ich jetzt gehe? Ich möchte sie nicht mit den Unannehmlichkeiten zurücklassen.“ Er kommt um die Ecke und legt die Rüstung auf einen freien Schrank im Flur. Mir stockt der Atem und wahrscheinlich sind meine Augen so groß wie die von Mom. Shiba füllt die Kleidung meines Dads voll aus, dass sie um seine Muskeln spannen. Keine seiner vielen wundervollen Erhebungen bleibt unter den eng anliegenden Sachen versteckt. Ich wusste das er muskulös sein muss, aber das übertrifft alle feuchten Träume die ich je von ihm hatte. Die freie Haut an Armen und Beinen ist blasser als sein Gesicht, aber es sieht heiß aus wie sich die freigelegten Muskeln bewegen, wenn er unruhig von einem aufs andere Bein wippt. Als i-Tüpfelchen ist seine Frisur, durch das umziehen ist sie aufreizend verwuschelt und legt den Blick auf sein markantes Gesicht frei.

Mom kommt ins stottern. „Nein, mein Junge... alles gut. Geh nur arbeiten. Komm gerne wieder und bleib auch über Nacht.“

Er sieht zu mir und schlagartig trocknet mein Mund aus. Ich bin viel zu sehr damit beschäftigt meine Gefühle ein zu ordnen, als das ich seine deuten könnte. Shiba verbeugt sich zum Abschied vor Mom und geht los, ohne ein Wort an mich zu richten. Kaum ist die Tür hinter ihm zu, greift sie sich an die Brust und Formt mit den Lippen ein stummes wow.

 

 

Jetzt kommen wir tatsächlich noch dazu die Eiskönigin zu dritt zu sehen. Mom ist nach einigen bedenken und meinem drängen doch noch zu ihrem Buchclubtreffen gegangen. Miyu hat sich neben Haruno auf der Couch breit gemacht und sie singen Ohren zerreißende Duette. Das ich dabei überhaupt die Türklingel höre scheint mir wie ein Wunder. Innerlich dankend erhebe ich mich und öffne sie. Mishiro steht in ihrer Schuluniform vor mir und verbeugt sich kurz. „Guten Abend Watanabe.“

Ich erstarre. Ganz ruhig Misaki. Viele Mädchen tragen privat schlabbrige Jogginghosen und weite T-Shirts. Nervös lächelnd streiche ich mein von der kurzen dusche noch feuchtes Haar zurück. „Hehe... ähm... Guten Abend Mishiro. Komm doch bitte rein.“

Sie verbeugt sich erneut und zieht beim rein kommen ihre Schuhe aus, nach dem sie mir Shibas Sachen überreicht hat. „Ich muss zugebn, ich war verwirrt, als ich vor deinem Haus stand. Ich dacht erst, ich wär hier falsch.“ Ja, der pinke Albtraum hat schon viele in die Flucht geschlagen.

Nervös ziehe ich das T-Shirt länger, als könnte man irgendwas unter der Jogginghose erkennen. „Ähm... kann ich dir was anbieten? Wir sehen uns gerade die Eiskönigin an.“

Sie schreckt hoch, als hätte ich gesagt wir opfern ein Lamm. „Mit Shiba?“

Ich schüttle den Kopf. „Nein. Der ist Arbeiten. Ich weiß nicht wann er Feierabend hat.“

„Ach so“, erwidert sie betrübt. „Kann ich dann mit dir reden, Watanabe?“

Ich nicke zögernd. „Ich sag den andern, sie sollen den Fernseher leiser machen.“

 

Ich gieße uns eine Tasse Tee ein und setze mich ihr gegenüber an den Küchentisch. Das ist sonst nicht mein Platz, sondern Moms. Fühlt sich komisch an. „Also?“, frage ich auffordernd, während nebenan die blonde Prinzessin lass jetzt los singt, was ich daher erahne, dass ihre Gesangspartner, trotz leiser gestelltem Fernseher, nichts daran hindert sich an Lautstärke zu übertreffen.

Sie zieht die Beine unter sich und schiebt die Tasse ein wenig hin und her. Scheint nervös zu sein. „Eigentlich wollt ich nur danke sagen. Danke, dass du Shiba gestern dazu gebracht hast beim Training mit zu machen. Ich weiß, du hast es nicht für mich getan, dennoch bedeutet mir das viel.“

Ich drehe meine Lieblings Tasse zwischen den Fingern und denke über ihre Worte nach. „Warum?“ Verlegen wedle ich mit einer Hand zwischen uns. „Das musst du natürlich nicht beantworten, wenn du nicht möchtest.“

Sie nickt. „Aber ich bin hier um mit dir zu reden. Shiba war nicht nur der beste Schüler unseres Dojos, er war auch mein bester Freund. Er hat ein überragendes Talent und es war mir immer eine Ehre mich mit ihm messen zu dürfen. Meine Familie war bestürzt, als Shiba den Kendo aufgab. Er war einfach weg, ohne das wir uns verabschieden konnten, dabei schien mein Vater besonders gelitten zu haben. Er betrachtete ihn als seinen Sohn.“ Traurig schwenkt sie die Flüssigkeit in ihrer Tasse. „Er redet wieder mit mir. Vielleicht kann ich jetzt endlich meinen Fehler wieder gut machen und meinem Vater seinen verlorenen Sohn zurück bringen und mir meinen Freund.“

Das ist echt traurig, vor allem wenn man bedenkt, dass er auf seine richtige Familie nicht gut zu sprechen ist. Ich weiß mehr über Mishiros Familie als über seine. Schwer atme ich durch, aber der Druck auf meiner Brust sitzt immer noch fest. Ich hasse dieses Gefühl. Das alles hier fühlt sich nicht richtig an. „Wie lange habt ihr denn nicht miteinander geredet?“

Sie muss nicht überlegen. „Etwas über ein Jahr.“

Um Zeit zu schinden nehme ich einen Schluck Tee, während ich meine Gedanken sortiere. Vor einem Jahr ist er zu Haruno geflüchtet, der zu der Zeit auf dem Land mit seiner Familie lebte. Dann war die Sache mit seinem beschissenen Ex, ihrem Bruder, der Grund für seine Flucht? Eine Flucht zu seinem damaligen Grundschulkameraden und Nachbarn. Seinem Sandkasten Freund. Haruno muss damals schon so aufopfernd und liebevoll gewesen sein, wenn er Shibas einzige Zufluchtsmöglichkeit war. Schließlich hat er alles stehen und liegen lassen um zu ihm zurück zu kehren. Ein Ort an dem alles wieder gut werden kann, mit Harunos unbändigen Tatendrang und seiner maßlosen Freundlichkeit. Das empfinde sogar ich so. Harunos Optimismus und Kontaktfreudigkeit überstrahlt alle schlechten Gedanken. Ich fühle mich in seiner Gegenwart stärker.

„Ihr habt nicht einmal ein Lebenszeichen von ihm erhalten?“, frage ich schließlich. Sie schüttelt nur den Kopf.

Schrecklicher weise eröffnet mir das eine Möglichkeit. Entweder, ich versöhne mich so schnell wie Möglich mit Shiba und kann meine wundervollen Freunde behalten, die mir so gut tun und mein Leben verbessert haben mit ihrer bloßen Existenz oder ich tue es nicht. Shiba wird mich auf ewig meiden und Haruno wird selbstverständlich zu seinem besten Freund halten. Beide wären mich los und ich würde sie nicht weiter in mein und ihr Unglück ziehen. Ohne mich wären sie von Anfang an besser dran gewesen. Vielleicht sehen sie das nach dem heutigen Tag auch endlich ein.

 

Ende von Teil 19



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  -Chiba-
2019-08-01T05:45:21+00:00 01.08.2019 07:45
Uiiii....noch ein neues Kapitel...das ist ja wie Geburtstag, Weihnachten und Ostern zusammen ^0^
Ich hoffe ja, dass er über seinen Schatten springt und sich wieder mit seinem Pantherchen verträgt >_<
Die drei sind so süß...aber ich befürchte ja, dass da noch einiges an Drama und Herzschmerz auf uns Leser zukommen wird XD
Antwort von:  Serato
14.08.2019 18:06
Drama Baby Drama <3
Oh du hast so recht. Neues Kapitel ist fertig. Muss es nur noch korriegieren. Hoffe es zum Wochenende zu schaffen. Aber ich fang schon an zu schielen weil ich meinen ganzen freien Tag davor saß XD immerhin geschaft wuhuu
Aber nach allem Drama kommt auch irgendwann wieder zuckerguss <3
Antwort von:  -Chiba-
14.08.2019 18:09
Dann kann ich mich ja schon wieder freuen ^0^
Bin schon gespannt wie es weiter geht. Jetzt solltest du dich aber erst einmal erholen.
Von:  yamo-chan
2019-07-28T11:32:16+00:00 28.07.2019 13:32
Was ist denn das für ein hirnrissiger Plan?
Antwort von:  Serato
14.08.2019 18:01
Von denen gibt es viele bei einem so wirren Kopf


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