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Bloody Eternity 2

von

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Zeichen der Zeit

Während der folgenden Tage kümmerte der Hausgast der McCollins sich wie versprochen um eine neue Bleibe und informierte darüber auch Elizabeth. Trotzdem dauerte es noch ein paar Wochen, bis er umziehen konnte, denn eine geeignete Unterkunft in London zu finden, war nicht so leicht. Schließlich beschloss Aiden, die erstbeste Wohnung zu nehmen, die ihm zugesagt wurde, und von dort aus etwas Passenderes zu suchen. In der Zeit hatte er eine Stelle als Aushilfe in einem Supermarkt gefunden, und suchte gleichzeitig den Antiquitätenvampir. Allerdings machte er nur langsame Fortschritte in dieser Angelegenheit: Ihr Plan, den Dieb durch ihre Ankündigung aus der Reserve zu locken, scheiterte daran, dass der Kunstsammler den Großteil seiner Besitztümer davon geschafft hatte, und danach hatte das Jäger-Trio wenige Ideen, wie sie weiter vorgehen sollten.

Die Suche rückte für ein paar Tage in den Hintergrund, als der Tag des Umzugs vor der Tür stand. Bis auf ein paar Kleidungsstücke und sein Waschzeug war bereits alles in der neuen Bleibe untergebracht, als er sich im Flur von seinen beiden Gastgeberinnen verabschiedete.

Zuvor hatte er noch zwei Geschenke aus seinem Zimmer geholt, und das erste gab er Elizabeth, nachdem er sie kurz umarmt und ihr für ihre Gastfreundschaft gedankt hatte; auf einer Schachtel Pralinen waren zwei Konzertkaten befestigt.

"Ich hoffe, die Musik sagt dir zu", lächelte er etwas verlegen, bevor er sich an Jane wandte. Dabei konnte er bereits im Voraus ein schiefes Grinsen nicht unterdrücken, als er ihr den kleinen Geschenkkorb überreichte, den er ihr vorbereitet hatte. Darin befand sich eine CD mit Walgesängen, ein Entspannungsbad, Duftkerzen, eine Teesorte namens ‚Seelenfrieden‘ und eine Familienpackung Baldriantropfen. Außerdem, ganz am Boden versteckt, ein Massagegutschein, aber wenn sie dieses ernstgemeinte Geschenk gesehen hätte, wäre es wohl kaum noch so lustig (Und sie hätte es, angesichts ihres Geburtstagsgeschenks, wohl kaum angenommen).

"Ich hoffe, das hilft dir ein wenig, damit fertig zu werden, dass ich weiterhin in London lebe", erklärte er, wobei er fast über seinen eigenen Witz grinsen musste.

"Sehr witzig", kommentierte Jane augenverdrehend und hätte ihm das Geschenk offensichtlich am liebsten gleich gegen seinen Kopf geknallt. "Meine Entspannung und mein Seelenfrieden folgt automatisch mit deinem Auszug. Das wäre also nicht nötig gewesen", meinte die Brünette, wobei sie sich dennoch leise seufzend bei ihm dafür bedankte.

Aiden wuschelte ihr liebevoll durchs Haar, woraufhin sie ihn mürrisch anschnauzte. Ihre kleine Kabbelei wurde allerdings von Elizabeth unterbrochen, die erklärte: "Egal, was Jane sagt. Du kannst jederzeit wieder hier einziehen, wenn du erneut eine Bleibe brauchst und nicht weißt, wohin du gehen sollst", worauf Jane nur eine wegwerfende Handbewegung machte.

In der Hinsicht konnte Jane wirklich unbesorgt sein; er bedankte sich zwar aufrichtig bei ihrer Mutter, würde aber nie auf das Angebot zurückkommen. Immerhin war das hier kein Hotel, und er hatte ihre Gastfreundschaft wirklich lange genug ausgenutzt. Die recht schroffe Verabschiedung seiner ehemaligen Mitbewohnerin brachte ihn nur zum Schmunzeln, dann wandte er sich ab, um endgültig sein neues Heim zu beziehen.

Auch für Aiden war die folgende Zeit sehr ruhig verlaufen. Er hatte Jane ab und zu besucht, sich aber größtenteils in sein neues Leben eingefügt. Dabei musste er zugeben, dass es komisch war, plötzlich auf seine beiden Mitbewohnerinnen verzichten zu müssen. Es hatte ihm, nach all der Zeit, gefallen, nicht immer alleine zu sein, wenn er nach Hause kam, und jetzt musste er sich erst wieder damit arrangieren.

Wie zu erwarten gewesen war, schaffte er das aber ziemlich gut - genug Erfahrung hatte er ja. Hin und wieder sah er Jane zwar, ließ sie aber größtenteils in Ruhe, wenn es nicht gerade um Recherchen bezüglich des Einbrechers ging; diesen zu fassen, hatte er nach wie vor fest vor. Ansonsten kam er gut mit seinen neuen Kollegen zurecht und beschäftigte sich viel mit der Überlegung, war er denn nun studieren sollte.

Er führte nach wie vor Kontrollgänge bei den McCollins durch, entspannte sich aber mit der Zeit deutlich, als er nichts finden konnte. Anscheinend hatte sich weder der Antiquitäten Vampir noch sonst eine seiner Artgenossen in der Nähe des Anwesens aufgehalten.

So vergingen zwei weitere Wochen, bis zu dem Vormittag, an dem Aiden vor dem Haus der beiden Damen stand, ohne die Tür geöffnet zu bekommen. Er war ein wenig verwirrt, weil das, trotz der unfreundlichen Verabschiedung, noch nie passiert war. Elizabeth war nicht da, das sah er an ihrem fehlenden Wagen, aber erstens war Janes Auto da und zweitens konnte er riechen, dass sie sich im Haus aufhielt. Wäre Logan bei ihr gewesen, hätte er ja verstanden, dass sie ihre Zweisamkeit genießen wollte, aber das war scheinbar nicht der Fall. Vielmehr bildete er sich ein, den Geruch ihres Blutes wahrzunehmen - seine Reißzähne, die gegen die Lippen pressten, sprachen sehr für diese Einschätzung.

Alarmiert versuchte er, Jane auf dem Handy und am Festnetztelefon zu erreichen, bekam aber auf beiden Wegen keine Antwort. Er zögerte kurz, weil er ihr ja versprochen hatte, "das Stalking herunterzufahren", betrat dann aber den Garten und lief zu der Stelle, an der er ihr Zimmer wusste. Ein kurzer Seitenblick, schon war er die Wand empor geklettert und stand auf der kleinen Terrasse. Ihm war bewusst, dass er hier eigentlich nichts zu suchen hatte, weshalb er etwas zögerte, bevor er näher trat.

Der Anblick, der sich ihm bot, schockierte Aiden über alle Maßen. Sie weinte. Jane weinte. Er hatte sie noch nie so gesehen, nicht mal, als sie herausgefunden hatte, dass sie sich in Richards Identität getäuscht hatte. In dem Moment war ihm vollkommen egal, was sie von ihm dachte, er wollte nur zu ihr, sie in den Arm nehmen und trösten.

"Jane", rief er und klopfte gegen das Fenster. Sie war natürlich alles andere als begeistert, ihn zu sehen, doch das war ihm gleich. Ihm fielen Aiden Janes Verletzungen im Gesicht und am Rücken auf, und seine Züge verhärteten sich abrupt. "Was ist passiert? Wer hat das getan? Ist Liz ok?", fragte er entsetzt weiter, da das für ihn ein schlüssiger Grund war, warum sie so aufgelöst war. "Bitte...", fügte er leiser hinzu, als sie ihn wegschickte.

"Meiner Mutter geht es gut", stellte sie sofort klar und verschränkte die Arme vor der Brust. Dabei vermied sie es, ihn anzusehen und blickte zur Seite, zum Fenster hinaus. "Ich konnte den verrückten Kunstliebhaber ausfindig machen und beseitigen. Der Fall ist somit abgeschlossen und erfordert keine weiteren Recherchen. Du brauchst dich also nicht weiter damit auseinanderzusetzen", fuhr sie in mit monotoner Stimme fort, bevor sie eine schwache, wegwerfende Handbewegung machte. "Dein Besuch heute ist demnach unnötig. Du kannst wieder gehen." Kaum hatte sie die Worte gesprochen, wandte sich wieder von ihm ab und schritt zur Tür, um diese zu öffnen und ihm damit zu verstehen zu geben, dass er gehen sollte.

"Komm schon“, drängte Aiden. „Ich habe dir zwei Monate lang geholfen, da habe ich wohl etwas mehr verdient als ein: ´Es ist vorbei`. Vor allem, wenn du hier sitzt und aussiehst wie der Tod selbst."

Seine Gefühle waren natürlich Wesentlich liebevoller und besorgter, als er jetzt gerade sprach, aber auf seine Sorge reagierte sie ja nicht. Viel lieber, als sie so unter Druck zu setzen, hätte er sie in den Arm genommen, aber wahrscheinlich hätte er dann einen Schlag in die Magengrube kassiert. Vermutete er zumindest, denn weil er sie noch nie so gesehen hatte, erschien sie ihm gerade unberechenbar.

Ihr Blick schien ins Leere gerichtet und fixierte keinen klar ersichtlichen Punkt, was sie noch apathischer wirken ließ. Ein paar Tränen, die ihre Wangen runterrannten, zeugten davon, dass sie momentan tatsächlich trauerte oder Schmerz verspürte.

"... Er hat Logan entführt und ich ... bin allein losgezogen, um ihn zur Strecke zu bringen", fuhr Jane leise fort und wandte sich langsam von Aiden ab.

"Ich habe ihn in Gefahr gebracht. Wenn ich nicht gewesen wäre, hätte er so etwas nie durchmachen müssen... Nur wegen mir...", sprach sie halb erstickt weiter, wobei sie eine Hand auf ihre Lippen legte und versuchte, den aufkommenden Schluchzer zu unterdrücken. "... ich kann ... ich konnte ihm das nicht weiter antun. Er sollte ein normales Leben führen und nicht eines mit mir - mit ... diesen Gefahren."

Nach dieser recht unzusammenhängenden Erzählung verließen sie wohl die Kräfte, denn als sie zum Bett gehen wollte, um sich zu setzen, geriet sie ins Wanken und stürzte. Sofort war Aiden neben ihr, richtete sie ein wenig auf, legte die Hand auf ihren Rücken und ihre andere Hand in seine. Gerade dachte er nicht mal daran, dass sie sich für diese Geste nicht annähernd nahe genug standen, er wollte ihr einfach Halt geben.

„Was genau ist passiert, Jane?“, fragte Aiden sanft nach, während er der jungen Frau half, sich auf ihr Bett zu setzen.

Es dauerte eine Weile, bis sie es schaffte, sich zu sammeln, doch dann holte sie tief Luft und erzählte die ganze Geschichte.
 

Jane
 

Die Suche nach dem Antiquitäten-Vampir frustrierte Jane zunehmend. Sie war sich sicher gewesen, dass der Plan mit dem Räumungsbescheid brillant war und funktionieren würde, weil alles perfekt ausgetüftelt war. Als sich kurz darauf herausstellte, dass die Sache nicht so einfach war, war die Brünette zunächst natürlich wütend und enttäuscht, doch versuchte sie fieberhaft, eine andere Lösung zu finden, um den Verrückten endlich in die Finger zu kriegen. Dies erwies sich jedoch als sehr schwierig und bedurfte einiges an Zeit, sodass es noch keine neuen Erkenntnisse gab, als sie sich körperlich erholt hatte und offiziell wieder als Jägerin ihren eigentlichen Tätigkeiten nachgehen durfte. Doch selbst im Vollbesitz ihrer Kräfte fand Jane keine heiße Spur, weshalb sie sich dazu entschied, vorerst die Füße still zu halten und sich mit den Informationen vertraut zu machen, die laufend in den Zirkel gespült wurden und sich anschließend auf den Weg zu machen, wenn sich etwas neues ergeben sollte.

Doch die ruhige Zeit, die nach dem Auszug ihres unfreiwilligen Mitbewohners angebrochen war, endete jäh an einem Freitagabend.

Sie hatte es sich gerade in ihrem Zimmer gemütlich gemacht, um vor dem Schlafengehen noch etwas zu lesen, als ihr Handy klingelte. Lächelnd begrüßte sie den Anrufer: „Hallo, Logan.“

„Hallo, Schatz!“, rief er lauter als nötig. „Was machst du?“

„Ich bin schon im Bett“, erklärte Jane schmunzelnd und lehnte sich zurück. Sie wusste, dass ihr Freund mit seinen Kumpels unterwegs war, und war daher nicht überrascht, dass er angetrunken war. „Wo bist du? Seid ihr schon auf dem Heimweg?“

„Nö, wir wechseln gerade die Bar… Sei still, Toby“, unterbrach er sich, als einer seiner Freunde im Hintergrund etwas anzügliches rief. Schritte waren zu hören, dann wurde es etwas ruhiger um Logan, der sich offenbar von der Gruppe entfernt hatte, bevor er erklärte: „Ich wollt nur deine Stimme hörn.“

Gerührt fuhr Jane sich durch die Haare. „Okay… Das hast du ja jetzt. Du solltest deine Freunde nicht warten lassen.”

„Mach ich nich… Was machst du?“ Er zögerte und lachte, als ihm einfiel: „Nein, warte, das hab ich schon gefragt, oder?“

Janes Meinung nach hätte er ihr alles drei Mal erzählen können, denn sie freute sich einfach, dass er betrunken an sie gedacht hatte. Sie plauderten noch ein wenig über Belanglosigkeiten, wobei der jungen Frau auffiel, wie kitschig und anhänglich ihr Freund wurde, wenn er angetrunken war. Dann näherte sich die Gruppe der Partygänger dem nächsten Club und es wurde Zeit, aufzulegen.

„Übertreib nicht und pass auf dich auf. Und schreib mir nachher, wenn du zu Hause bist.“

„Mach ich“, versprach Logan, bevor er lauter hinzufügte: „Weißt du eigentlich, dass ich dich liebe?“

Da sie wusste, dass er sich gerade unter einer Horde betrunkener Männer befand, die alkoholbedingt zu Testosteronüberschuss neigten, wusste sie diese Worte besonders zu schätzen. Sanft lächelnd flüsterte Jane: „Was für ein Glück. Ich liebe dich nämlich auch“, bevor sie ihm viel Spaß wünschte und auflegte.

Sie kuschelte sich in ihr Bett und schlief mit einem warmen Gefühl in der Magengegend ein.
 

Bereits knapp zwei Stunden später wachte sie von dem Geräusch einer eingehenden Nachricht auf. Stöhnend tastete Jane nach dem Handy und musste ein paar Mal blinzeln, bevor sie den Namen lesen konnte. Er hatte ihr ein Foto geschickt, das sie im Miniaturformat nicht richtig erkennen konnte, sodass sie den Chat öffnete – und erstarrte, als sie ein groteskes Bild erblickte, auf dem Logan ohnmächtig in einem magentafarbenen Bademantel und Sarkophag zu sehen war.

Trotz ihres schlaftrunkenen Zustandes brauchte die junge Frau nicht lange zu raten, wer hinter diesem makabren Scherz steckte. Nur ein Feind konnte auf so eine Idee kommen und ihren Freund in eine solch hässliche Garderobe stecken. Zwar sah das Szenario verdammt lächerlich aus, doch überwog die Sorge um ihren Freund und die Wut auf den Dieb so sehr, dass sie sich gar nicht fragte, weshalb der Antiquitäten-Vampir Logan einen Teil seiner Kleidung überlassen hatte.

Sie war bereits aus dem Bett gesprungen, während sie Logans Nummer anrief. Wie erwartet, hob der Feind ab.

„Fräulein McCollins“, begrüßte sie eine helle Männerstimme. „Was für eine Ehre…“

„Wo ist er?“, knurrte Jane, die nicht vorhatte, sich mit Plänkeleien aufhalten zu lassen.

„Ihr persönlicher Schatz, den ich genauso geraubt habe wie Sie den meinen?“ Zuerst hatte er leise gesprochen, doch jetzt wurde seine Stimme mit jedem Wort lauter und höher. „Sie sind eine dreckige, kleine Diebin! Sie sind Schmutz! Sie…“

„Wo. Ist. Er?“, betonte die Vampirjägerin und schlug auf ihren Schreibtisch vor Ungeduld. Der Zorn loderte wie Feuer in ihrer Brust, und sie wollte diesen Verrückten genauso brennen sehen.

„Das werde ich Ihnen sagen, sobald ich meine Schätze wiederhabe.“

„Das kann ich nicht“, erklärte Jane, die den Laptop eingeschaltet hatte, um Logans Handy zu orten. Sie starrte auf die Karte Londons und fluchte, als ein Fragezeichen erschien, denn das bedeutete, ihr Freund befand sich an einem unterirdischen oder schallwellengeschützten Ort – und vor allem, dass sie ihn ohne die Hilfe dieses Irren nicht finden konnte. „Das Diebesgut…“

„Es ist kein ´Diebesgut`, sondern mein rechtmäßiger Besitz!“, kreischte der Kunstsammler, doch Jane ignorierte ihn.

„Das Diebesgut wurde von der Polizei beschlagnahmt und wird unter hohen Sicherheitsvorkehrungen untersucht. Ich habe keinen Zugriff darauf.“

„Du miese kleine Lügnerin!“ Seine vor Wut noch schrillere Stimme überschlug sich fast und er schlug hörbar auf einen hohlen Gegenstand ein, bevor er kreischte: „Na schön! Dann kannst du dir deinen Liebling wieder abholen – in Stückchen!“

Bevor Jane noch etwas sagen konnte, wurde die Verbindung unterbrochen. Sie brüllte auf und wählte Logans Nummer, doch der Vampir ging nicht hin. Panik kroch in Janes Magen hoch und lähmte sie. Logan war in Gefahr – ihretwegen. Sie hatte so hart gearbeitet, um ihre Familie vor Monstern wie diesem zu beschützen, und doch war es einem von ihnen gelungen, einen der wichtigsten Menschen in ihrem Leben in seine Gewalt zu bekommen, und sie konnte absolut nichts tun…

Bevor sie einen Plan zurechtlegen konnte, zeigte das Handy erneut eine SMS an mit dem Link zu einer Google Earth Adresse. Noch während sie die Seite öffnete, bereitete Jane sich für den Kampf vor. Sie hatte gerade den Pyjama abgestreift, als Koordinaten sich öffneten, und hielt mit gerunzelter Stirn inne. Als sie auf die Markierung klickte, stellte sie jedoch fest, dass ihre Augen sich nicht getäuscht hatten: Der Antiquitätenvampir hatte ihr die Adresse des British Museum geschickt. Er hielt Logan allem Anschein nach tatsächlich in der Ausstellung über das Alte Ägypten gefangen

Für den Moment verdrängte sie die groteske Vorliebe ihres Widersachers, während sie sich bis an die Zähne bewaffnete. Als sie ihr Zimmer fünf Minuten später verließ, brannten Janes Augen vor Zorn. Trotz ihres langjährigen Trainings war die junge Frau in dem Moment nicht dazu in der Lage, ihre Gefühle zu zügeln. Zwar hatte sie einige Fortschritte gemacht und weniger Unfälle auf der Jagd gebaut, die größere Folgen hatten, doch das lag einerseits an Gabriel, andererseits hatte es seit etwa einem Jahr keinen Angriff auf ihr nahestehende Personen gegeben, sodass es keinen Grund gegeben hatte, die Nerven zu verlieren. Da nun aber Letzteres zutraf und Gabriel nicht da war, raste die Vampirjägerin in einem ungesunden Tempo über die Straßen Londons, um so schnell wie möglich zum Museum zu gelangen.

Dabei rief sie bei Eldric an, um ihn über den bevorstehenden Kampf zu informieren - ohne ihm jedoch die genaueren Umstände mit Logan zu erläutern. Stattdessen bat sie ihn, das Sicherheitssystem des Ausstellungsgebäudes lahmzulegen, damit sie ohne Umschweife einbrechen konnte. Sie konnte hören, dass ihr Mentor sich Sorgen machte, der ahnte, dass mehr dahinter steckte, doch bevor er tiefer darauf eingehen konnte, würgte sie ihn ab. Sie hatte jetzt weder Zeit noch Nerven, Fragen zu beantworten.

Natürlich konnte sie nicht einfach durch den Haupteingang spazieren, sodass sie sich unterwegs auf ihrem Navigationssystem einen Überblick über die Umgebung des Museums verschaffte. Rasch entdeckte sie den Hintereingang auf der Montague Place Straße, der wie geschaffen für ihre Zwecke schien. Sie parkte ein paar Blocks entfernt, prüfte ihre Waffen ein letztes Mal und machte sich auf den Weg.

Gegenüber dem Museum befanden sich Arbeitszimmer einer Bibliothek, denen Jane misstrauische Blicke zuwarf. Allerdings waren alle Fenster zu dieser nächtlichen Stunde dunkel, sodass sie sich dem – immer noch recht auffälligen – Hintereingang des British Museum widmete. In die Backsteinfassade waren Goldlettern eingelassen, welche die junge Frau jedoch ignorierte, denn in dem Moment erhielt sie die Bestätigung von Eldric, dass die Alarmanlage ausgeschaltet war.

Ohne zu zögern trat die Brünette auf die wuchtige Tür zu, wobei sie eine portables Gerät aus dem Rucksack zog, welches sie an das Schloss hielt. Innerhalb von Sekunden war ein Klicken zu hören, sodass sie die Tür aufschieben und vorsichtig eintreten konnte. Natürlich war der Eingangsbereich dunkel, da um die Uhrzeit keine Besucher erwartet wurden. Erst aus dem nächsten Ausstellungsraum drang schwaches Licht, welches die Exponate erhellte. Um keinen Nachtwächter auf den Plan zu rufen, unterließ sie es, das Licht einzuschalten und schlich vorsichtig und mit einer kleinen Taschenlampe voran. Außerdem wollte sie ihre Beute nicht früher als nötig auf sich aufmerksam machen. Es reichte schon, wenn er sie wittern konnte.

Dank des Sarkophags wusste Jane, dass sie die Abteilung über Ägyptologie suchen musste, allerdings hatte sie keine Ahnung, wo diese sich befand, und während sie suchte, verging für Logan Sekunde um Sekunde in der Hölle. Verdammt, am liebsten hätte sie diesen Bekloppten in eine Pyramide eingemauert und diese über ihm zum Einsturz gebracht.

Sie hatte sich gerade durch ein Gewirr an Ausstellungsstücken aus XY vorbeigeschoben, als eine etwas größere Tür sie innehalten ließ. Der Raum dahinter war stärker beleuchtet, und nach kurzer Orientierungslosigkeit wusste sie, dass es sich um das Atrium handelte. Jane zögerte. Dort gab es zwar mit Sicherheit eine Übersichtskarte, doch der Raum war so groß, dass sie beinahe ungeschützt wäre. Andererseits wusste ihr Feind bereits, dass sie hier war, also kam es nicht mehr darauf an, beschloss sie, als sie die Waffe zog und sich in die Haupthalle schlich.

Ihr ganzer Körper war angespannt, als sie vorsichtig den Rundbau in der Mitte der gigantischen Halle umkreiste. Sie versuchte, so leise wie möglich zu sein und gleichzeitig auf jedes Geräusch zu achten. Schließlich entdeckte sie die gesuchte Tafel und fluchte leise, denn es gab zwei Bereiche für Ägyptologie, eine im Erdgeschoss, eine im ersten Stock.

Gerade, als sie sich dazu entscheiden wollte, ein Stockwerk höher zu gehen, ließ sie ein flackerndes Licht am Ende des Ganges innehalten, welches ihr verdächtigt erschien.

Wachsam näherte sich die junge Frau dem Saal, der sich mit ägyptischer Geschichte befasste. Das Gefühl, die schummrig beleuchteten Statuetten würden sie beobachten, ließ die Vampirjägerin nicht los, während sie sich vorsichtig von Exponat zu Exponat schob. Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt, während sie versuchte, den Sarkophag aus dem Foto wiederzuerkennen. Die meisten Ausstellungsstücke befanden sich in gläsernen Schaukästen, damit die Besucher sie nicht berührten. Selbst einem Vampir wäre es nicht ohne weiteres möglich gewesen, sein Opfer dort hinein zu legen. Doch etwa auf der Hälfte des Raums entdeckte Jane ein erhöhtes Podest, von dem aus man in einen ägyptischen Sarg blicken konnte – einen Sarg, der sich nicht in einer Vitrine befand.

Sofort beschleunigten sich ihre Schritte, doch bevor sie ihn aber erreichen konnte, wurde sie umgerissen und landete schmerzhaft mit dem Gesicht voraus auf dem Boden. Ein pochender Schmerz pulsierte von ihrer Schläfe über das ganze Gesicht der Jägerin und ein salziger Eisengeschmack machte sich in ihrem Mund breit. Ihre Lippe war aufgeplatzt und blutete - kein angebrachter Umstand, wenn man die Tatsache betrachtete, dass ein verrückter und bestialisch-blumig stinkender Vampir über ihr stand. Er drückte sie erbarmungslos mit dem Fuß auf den Boden, weshalb ihr die Luft zum Atmen wegblieb. Sie versuchte sich von ihm zu lösen, schaffte es jedoch nur kurz zu ihm aufzublicken, wobei sie sich im Nachhinein wünschte, dies nicht getan zu haben. Aus ihrer Positionen sah sie direkt unter seinen königsblauen Schlafrock und entdeckte schneeweiße Unterhosen.

"Dachtest du etwa, dass es so einfach sein wird?! Ihr habt meine geliebte Sammlung zerstört! Meine, jahrelange Arbeit war wegen euch umsonst!", quiekte der Vampir in einem Mix aus schrillem Geheule und Knurren. Der Weißhaarige beugte sich zur ihr runter, legte mehr Gewicht auf sein mit den goldenen Crocs versehenen Fuß, woraufhin Jane nach Luft japste.

Verdammt, sie hatte aus Sorge um Logan ihre Umgebung nicht genug im Auge behalten wie eine blutige Anfängerin. Ihr war vollkommen die Kontrolle entglitten, und wenn sie es nicht schaffte, sie zurückzuerlangen, war es nicht nur mit ihr zu Ende, sondern auch mit ihrem Freund – und es wäre ganz alleine ihre Schuld.

„Dachtest du im Ernst…?“, wollte der Freak sich seiner Inszenierung weiter hingeben, als Jane die Hand blitzschnell zu ihrem Gürtel schob. Sie ignorierte den Schmerz, als ihr Feind dafür fester auf sie trat, und drückte einen Knopf, der einen Schalter an ihrem Riemen umlegte, sodass ein silberner, im Elixier getränkten Pfeil herausschoss. Der Vampir duckte sich lediglich zur Seite, doch die Gewichtsverlagerung reichte der Jägerin, um sich mit Kraft vom Boden zu stemmen, um ihn von sich zu werfen. Noch während sie sich einige Meter zurückzog, warf sie zwei Messer auf den Angreifer, sodass er ihr nicht gleich nachsetzen konnte.

Ein ohrenbetäubender Schrei zerriss die nächtliche Stille des Museums und ließ Jane herumwirbeln. Sie sah gerade noch, wie der Kunstsammler sich den Pfeil aus dem Oberschenkel zog. Der andere war ins Leere gegangen, doch Anbetracht der Tatsache, dass sie nicht wirklich gezielt hatte, schlich sich ein zufriedenes Lächeln auf Janes Lippen. Sie bekam die Situation langsam wieder unter Kontrolle, ausgezeichnet.

Ein Griff an die Seitentaschen ihres Rucksacks und sie hatte ihre Messer in der Hand – gerade noch rechtzeitig, um den Vampir abzuwehren, der sich mit einemlautstarker Aufschrei auf sie stürzte. Sie schlug nach seinen Klauen, doch die Bestie wirbelte herum und erwischte sie von hinten. Zum Glück konnte Jane sich gerade noch ducken, sodass ihr Oberteil teilweise zerfetzt wurde, ihr Rücken jedoch lediglich eine Kratzwunde davontrug.

Sie ignorierte den Schmerz, denn sie musste bereits den nächsten Angriffen ausweichen. Aufgrund der Wucht stolperte sie und ging zu Boden. Sie schaffte es, sich mit der Hand abzustützen und sich sofort zur Seite zu rollen, um sich vor den weiteren Übergriffen in Sicherheit zu bringen, musste dieses Glück aber mit einem stechenden Schmerz bezahlen, der ihr vom Handgelenk den Arm hochfuhr. Beim Abrollen war sie falsch aufgekommen, und sie konnte nur hoffen, dass der Schmerz lediglich von einer Prellung und nicht von einem Bruch herrührte. So oder so schwächte die Verletzung sie, und Jane wusste, dass sie den Kampf bald beenden wollte, wenn sie eine Chance gegen ihren übermenschlichen Feind haben wollte. Und etwas anderes war nicht denkbar, denn nicht nur ihres, sondern vor allem Logans Leben hing von ihrem Sieg ab.

Dieser setzte sich gerade in seinem Sarg auf, wie Jane aus dem Augenwinkel bemerkte. Ihr wäre es lieber gewesen, ihr Freund wäre geduckt geblieben, sodass die Aufmerksamkeit des Antiquitäten-Vampirs nicht auf ihm lag, doch gleichzeitig war sie erleichtert, ihn wach zu sehen.

Allerdings konnte sie sich ihrer Freude nicht lange hingeben, denn ihr Feind stürzte sich wieder auf sie. Gerade noch schaffte sie es, sich zur Seite zu drehen, wobei sie jedoch sah, wie seine rasiermesserscharfen Klauen einige ihrer Haare drastisch kürzten. Reflexartig riss sie das Bein hoch und rammte dem Vampir das Knie in den Rücken.

Einen Menschen hätte der Tritt bewegungsunfähig gemacht, doch die Kreatur taumelte nur in die nächste Vitrine, an der sie sich abstützen konnte, und fauchte Jane an. "Das wirst du mir büßen, kleine Jägerin!", fuhr der Antiquitäten-Vampir seine Gegnerin an.

Unbeeindruckt griff Jane nach einer etwa fünf Zentimeter dicken Scheibe mit einem zehn Zentimeter Durchmesser, welche sie auf ihn schleuderte. Mit Leichtigkeit duckte er sich weg, lachte hämisch und ging wieder zum Angriff über, doch Jane hatte gesehen, wie die Platte an der Wand befestigt hatte und war zufrieden. Jetzt musste sie den Verrückten nur noch im richtigen Winkel zu positionieren.

„Versuch´s doch“, sagte sie provokativ und ließ ihre Messer einmal in den Händen wirbeln, bevor sie zum Angriff überging.

Zunächst schaffte sie es, den Antiquitätensammler ein paar Schritte zurückzudrängen, doch er erholte sich schnell und stürzte sich seinerseits auf Jane. Die Jägerin wich ein paar Schritte zurück, duckte sich unter den Krallen der Bestie weg und tänzelte zur Seite, immer gefolgt von seinen Angriffen und Flüchen – bis sie es schließlich geschafft hatte, in mit dem Rücken zur entsprechenden Wand zu positionieren.

Janes Hand schnellte zu ihrem Gürtel, an dem eine Fernbedienung befestigt war, und drückte einen roten Knopf darauf. Ihr Gegner stürzte sich gerade mit neuem Elan auf die junge Frau, als die Scheibe mehrere silberne, in Elixier getauchte Patronenhülsen abfeuerte, die sich durch den Rücken in ihren Gegner bohrten. Der durchlöcherte Vampir gab einen erstickten Schrei von sich und machte einen kraftlosen Schritt in Janes Richtung, doch seine Muskeln trugen ihn nicht mehr. Zu ihren Füßen ging er in die Knie, versuchte röchelnd, durch seine punktierte Lunge zu atmen, doch jeder Atemzug schien ihm mehr Flüssigkeit aus dem Körper zu ziehen.

Obwohl Jane bereits gesehen hatte, wie ein Vampir beinahe vertrocknet war, war es kein schöner Anblick, wie seine Haut schrumpfte und das Gesicht langsam skelettartig wurde. Der Sterbende kroch ein paar Zentimeter auf sie zu, doch als sein flackernder Blick auf die Reliquien um ihn herum fiel, änderte er die Richtung. Er robbte auf eine Vitrine zu, die er fast liebevoll streichelte, bevor er mit einem röchelnden Atemzug zwischen den Schätzen verendete, die er so sehr begehrt hatte.

Erleichtert und völlig außer Atem blickte die junge Frau ihn an, ehe sie sich durch die Haare fuhr und sich umsah. Gottseidank war bei dem Kampf nichts kaputtgegangen. Einzig die Scheibe, die sie in die Wand gerammt hatte, hatte kleine Löcher hinterlassen, doch das würde vermutlich niemand auffallen.

Mit dem Gerät in der Hand wandte sie sich um, um Logan zu befreien – und sah, dass dieser sie beobachtete und womöglich alles mitangesehen hatte. Für ein paar Sekunden starrte sie ihn mit geweiteten Augen an, versuchte jedoch schnell, ihre Fassung zurückzuerlangen und schritt zu ihm, damit sie die Seile um seine Gelenke durchschneiden konnte. Keiner der beiden wusste, was er sagen sollte, sodass Jane ihrem Freund schweigend aus dem Sarkophag half.

„Jane, was… Ich… Was war das?“, brachte der deutlich mitgenommene Logan schließlich hervor, indem er auf die Umgebung, insbesondere die vertrocknete Leiche, deutete.

Am liebsten hätte sie: ´Vergiss, was du gesehen hast`, gesagt, doch natürlich wusste sie, dass das nicht möglich war. Sie wandte sich ab und zog mit zitternden Fingern ein Feuerzeug hervor. Fluchend versuchte sie ein paar Mal, es anzumachen, bevor es ihr gelang und sie die Flamme an die Haut des Toten halten konnte. Hinter sich hörte sie Logan halberstickt aufkeuchen, als der Vampir wie trockener Reißig zu brennen begann, doch dann sah er stumm zu, wie sein Entführer sich in ein winziges Häufchen Asche verwandelte. Jane sah sich um, entdeckte aber keine Möglichkeit, die sterblichen Überreste aufzukehren, sodass sie sie mit den Schuhen verteilte, bis sie wie eine besonders dicke Staubschicht aussahen.

„Wir sollten gehen“, erklärte sie Logan, ohne diesen anzusehen.

Gemeinsam machte das Paar sich auf den Weg. Bevor ihr Begleiter Fragen stellen konnte, zog Jane ihr Handy hervor und rief Eldric an, damit dieser in etwa einer halben Stunde die Alarmanlagen und Videoüberwachung wieder einschalten ließ.

„Was ist passiert, Jane?“, wollte ihr Mentor sanft wissen.

Mit einem Seitenblick auf Logan murmelte die Jägerin: „Nicht jetzt…“, und legte auf, gerade als das Paar den rückwärtigen Eingang erreicht hatte.

Die Luft auf der Straße strich unter Janes erhitztes Gesicht wie kalte Finger. Sie zog ihre Lederjacke zu und bedeutete ihrem Freund, ihr zu folgen – noch immer, ohne ihn anzusehen. Sie hatte das Gefühl, das Unausweichliche hinauszögern zu können, wenn sie die Augen nur fest genug verschloss. Doch als ihr Freund ihren Namen nannte, wusste sie bereits, dass die gemeinsame Zeit mit ihm nun ein Ende finden würde.

„Bist du verletzt?“, übertönte sie Logans Stimme mit ihrer eigenen. „Meine Mutter kann dich untersuchen, wenn das in Ordnung für dich ist. Aber ich bringe dich auch ins Krankenhaus, wenn du…“

„Jane“, wiederholte Logan eindringlich und griff nach ihrer Hand.

Die zärtliche Geste ließ sie tatsächlich innehalten und zu ihm aufblicken, und plötzlich schien alles in ihr in Flammen zu stehen. Sie hätte es nicht ertragen, wenn ihm etwas zugestoßen wäre, und heute hätte er sterben können – und es wäre ganz alleine ihre Schuld gewesen. Trotz all des Trainings, trotz ihrer Erfahrung hätte sie beinahe wieder einen geliebten Menschen verloren, weil sie schwach war.

Als sie das Gesicht abwandte, legte Logan die Hand auf ihre Wange und streichelte sie mit dem Daumen, als er sagte: „Wir müssen darüber reden, Jane.“

„Das würde ich lieber nicht…“, erwiderte sie kleinlaut, und er lachte leise. Dann holte sie tief Luft und nickte. Er musste die Geschichte erfahren, sonst würde er noch verrückt werden. Außerdem hatte sie ihn lange genug angelogen. „In Ordnung… Aber es ist eine verrückte Geschichte.“

„Das habe ich mir schon gedacht, als ein Typ im Bademantel mich entführt hat“, erwiderte Logan trocken.

Die beiden sahen sich an, dann kicherten sie vor Anspannung, und für einen Moment glaubte Jane, dass es mit ihnen vielleicht doch funktionieren könnte. Logans Ruhe tat ihr so unendlich gut, und sie wusste nicht, wie sie ihren Alltag ohne ihn überstehen sollte.

Doch indem sie sich in den Wagen gesetzt und zur Sicherheit vom Museum entfernten, näherten sie sich der Erkenntnis, dass ihre Beziehung keinen Bestand haben konnte. Diese Einsicht war umso stärker, da mit jedem Wort, das Jane über ihre Vergangenheit erzählte, klarer wurde, wie stark die Gefühle auf beiden Seiten waren. Wenn sie nicht weitersprechen konnte, nahm Logan ihre Hand, wenn er Fragen hatte, stellte er diese behutsam. Und in keiner Sekunde verurteilte er sie für das, was sie getan hatte, seit sie dem Vampirjägerzirkel beigetreten war.

Als sie schließlich mit der Erzählung endete, wie sie Logan ins Museum gefolgt war, schwieg dieser lange. Inzwischen waren sie in seiner Wohnung, und nachdem Jane ihn auf mögliche Verletzungen untersucht hatte, hatte er ihnen ein großes Glas Wein eingeschenkt, mit dem sie jetzt auf der Couch saßen.

Schließlich sagte er: „Es ist irgendwie schwer zu glauben, dass meine Freundin so eine Art Superheldin ist.“

Jane verzog das Gesicht. „Ich habe keine Superkräfte.“

„Oh doch, wie du mit diesem… Diesem Ding gekämpft hast…“

Sein Blick wurde unscharf, und ihm lief ein Schauer über den Rücken, der Jane beschämt zur Seite blicken ließ. Je länger sie hier mit ihm saß, desto größer war die Gefahr für ihn.

„Logan, ich… Das mit uns…

Er sah sie mit Augen an, die schon gewusst hatten, zu welcher Entscheidung sie gelangen würde, die diesen Entschluss aber hinnahmen, so sehr es sie verletzte. Es versetzte Jane einen Stich, wie gut ihr Freund sie kannte, und wie verständnisvoll er war, trotz allem, was er heute Abend hatte durchstehen müssen.

„Es ist nicht deine Schuld, was heute passiert ist“, erklärte er ruhig und ergriff ihre Hand. „Natürlich bin ich verwirrt von allem – ich meine, Vampire sind real!“ Er unterbrach sich, um ungläubig den Kopf zu schütteln, und es dauerte einen Moment, bis er sich gefangen hatte, um fortzufahren: „Aber das ändert nichts an meinen Gefühlen für dich. Ich möchte mit dir zusammen sein und auch diesen Teil von dir verstehen.“

Logans Verständnis testete Janes Willenskraft, doch sie wusste, dass sie jetzt stark bleiben musste. Die Katastrophe war schon eingetreten, doch vielleicht konnte sie wenigstens die Nachwirkungen abmildern, wenn sie jetzt das richtige tat.

Jedes Wort rollte wie ein Stein über ihre Zunge, als sie sagte: „Ich könnte es nicht ertragen, wenn dir meinetwegen etwas zustoßen würde. Und solange du mein Freund bist, wärst du immer in Gefahr. Und ich kann nicht immer in Angst um dich leben, wenn ich mein Ziel erreichen möchte.“

Sein Nicken zeigte, dass er bereits mit ihren Worten gerechnet hatte und wusste, dass er nichts an Janes Entscheidung ändern konnte. Er kannte sie so gut – und seit heute Abend besser, als sie gewollt hatte. Der Gedanke, sich dem Menschen nicht mehr anvertrauen zu können, der sie besser verstand als alle anderen, brannte ihr in der Kehle und den Augen.

„Logan, ich…“, begann sie, ohne zu wissen, was sie sagen wollte.

„Schon gut.“ Logan lächelte sie an, mit unendlich verständnisvollen und unendlich traurigen Augen. „Weißt du, als wir zusammengekommen sind, konnte ich mein Glück nicht fassen. Ich war schon so lange in dich verliebt, dass ich dachte, da würde nie was draus werden. Aber dann haben wir uns gefunden und es war besser, als ich es mir je vorgestellt hatte.“ Verstummend senkte er den Blick, dann strich er ihr das Haar hinters Ohr und erklärte: „Ich will nur, dass du glücklich bist, Jane. Und wenn du nicht glaubst, das an meiner Seite sein können, werde ich das akzeptieren und hoffen, dass wir Freunde sein können.“

Unfähig, ihre Trauer und ihren Schmerz in Worte zu fassen, schüttelte Jane den Kopf. Er war alles Glück, das sie im letzten Jahr gehabt hatte, und ihn gehen zu lassen, war wie einen Teil von sich aus der Brust zu reißen. Nur das Wissen, wie viel schmerzhafter es sein würde, ihn durch Gewalt zu verlieren, ließ sie diesen Schritt aushalten.
 

Die Nacht hatte Jane mit Logan verbracht - zum letzten Mal.

Am frühen Vormittag kehrte Jane verletzt und psychisch angeschlagen ins Anwesen zurück, wo ihre Mutter sie bereits erwartete. Diese war natürlich über die Aufmachung ihrer Tochter bestürzt und wollte sie tadeln, als Janes Gesichtsausdruck auffiel, der ihr beinahe das Herz brach.

Während Elizabeth Jane verarztete, setzte diese sie über die Geschehnisse der Nacht ins Bilde - auch über das aufklärende Gespräch mit Logan und die Entscheidung des Paares, getrennte Wege zu gehen. Zu diesem Entschluss waren sie natürlich nur gekommen, weil die Brünette es für besser hielt und sie ihn aus der Gefahrenzone herausbuxieren konnte. Nichtsdestotrotz konnte sie die Tränen nicht zurückhalten, und Elizabeth nahm sie so fest in den Arm, wie es nur eine Mutter konnte. Doch trotz dieses Trostes, und obwohl sie und Logan sich im Guten getrennt hatten, fühlte sie sich ausgelaugt und hohl.

Die Nacht war verhältnismäßig kurz gewesen, da Jane und Logan sich viel zu sagen gehabt hatten. Es hatte sich etwas angefühlt, als würden ihre Wege sich für immer trennen, obwohl beide sich einig waren, ihre Freundschaft erhalten zu wollen. Schließlich waren sie Arm in Arm eingeschlafen, doch die Jägerin schlief nur sehr unruhig und litt unter der frischen Trennung und den Erinnerungen an den vergangen Abend.

Elizsabeth bemerkte natürlich Janes Müdigkeit und bot an, bei ihr zu bleiben, doch das lehnte Jane mit einem schwachen Lächeln ab und meinte, dass sie ein wenig Ruhe und Zeit für sich benötigte. Folglich ging die Ältere - wenn auch eher widerwillig - zur Arbeit und ließ ihre Tochter für ein paar Stunden allein. Diese konnte die junge Frau natürlich nicht effektiv nutzen, da die Trauer und ihr gebrochenes Herz allgegenwärtig waren und dazu führten, dass sie sich regelrecht betäubt fühlte und die Umgebung gar nicht wirklich wahrnahm. Unruhig wanderte sie von ihrem Bett zur Couch und las immer wieder die Nachrichten durch, die sie und Logan ausgetauscht hatten.

Schließlich schlief sie von Gram gebeutelt in ihrem Bett ein. Von daher hatte sie das Klingeln an der Tür und am Telefon nicht bewusst ignoriert, sondern wirklich nicht bemerkt. Die Geräusche hatten sie dennoch aufgeweckt, und sie blinzelte träge. Jane fragte sich, wieso ihre Augen sich so geschwollen anfühlten –bis ihr wieder einfiel, was am letzten Abend alles passiert war. Tränen brannten ihr in den Augen und sie machte sich nicht die Mühe, sie zurückzuhalten, sondern gab sich den Schluchzern hin, die ihren ganzen Körper erschütterten.

Erst ein weiteres Geräusch ließ sie aus ihrem Leid hochfahren und mit geweiteten Augen zum Fenster starren. Davor stand Aiden, der ihren Namen rief und gegen die Fensterscheibe klopfte. Bei seinem Anblick entwich ihr ein leiser, aber schwerer Seufzer, weil er als Vampir nicht wirklich derjenige war, den sie nun brauchen konnte. Trotzdem raffte sie sich auf, wischte sich schnell die Tränen weg und schritt zum Fenster, um dieses zu öffnen und zur Seite zu treten, damit er zumindest kurz eintreten konnte. Gesellschaft – selbst, wenn es seine war - würde sie vielleicht ein wenig von ihrem Leid ablenken.



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