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Bloody Eternity 2

von

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Blut im Schnee

"Wollte von deinen Freundinnen keine mit?"

"Hm? Oh... Ich habe sie nicht gefragt. Kate ist nämlich übers Wochenende in einer anderen Stadt bei ihrer Familie und Cynthia hat ein Date mit ihrem Freund", erklärte Jane, während sie aus dem Parkplatz vor Aidens Wohnung fuhr. Den enttäuschten Blick, den Aiden zu Gabriel auf dem Beifahrersitz warf, bemerkte sie nicht.

Inzwischen hatte das Semester wieder begonnen, und langsam war die Normalität ins Hause McCollins zurückgekehrt. Jane erholte sich zusehends, was unter anderem sicher daran lag, dass sie und Logan keinen Rosenkrieg oder dergleichen führten. Aiden hatte sich Sorgen gemacht, als Jane ihren Exfreund in der Uni wiedersehen sollte, doch war alles gutgegangen. Zwar war es noch ein wenig eigenartig und würde seine Zeit benötigen, bis es alltäglich werden würde. Aber Jane war zuversichtlich, dass sich alles normalisieren würde und ihr Geheimnis bei Logan sicher war.

Heute nutzte das Jägertrio die momentane Ruhe für einen Ausflug. Nach allem, was im letzten Monat passiert war, hatte Jane sich das wirklich verdient. Aiden wäre es zwar lieber gewesen, Zeit alleine mit ihr zu verbringen, doch hatte sie darauf bestanden, Gabriel ins Winter Wonderland im Hyde Park mitzunehmen, sodass er schlecht nein sagen konnte.

Die Fahrt dauerte eine knappe halbe Stunde. Vom Parkplatz aus schlenderten sie zu dem winterlich gestalteten Park, bei dessen Anblick Janes Augen aufleuchteten. Aiden hatte gerade noch Zeit, die Aufmachung ziemlich kitschig zu finden, als sie ihn am Arm nach und mit sich zog. Das hatte sie, trotz ihres besseren Verhältnisses, noch nie gemacht, weshalb Aiden ziemlich überrumpelt war. Ihr folgen tat er natürlich trotzdem, und kurz darauf standen sie vor einer Schießbude.

"Ich will eine Revanche!", verkündete Jane entschlossen.

"Das Ergebnis wird aber wieder dasselbe sein", kündigte er an, obwohl er hoffte, dass diesmal kein Defekt für seinen Sieg sorgen würde.

Gabriel runzelte die Stirn und sah zwischen den beiden hin- und her. "Wie? Du hast beim Schießen gegen ihn verloren?", wollte er wissen.

"Ich habe ein bisschen mehr Erfahrung. Schon vergessen?", erinnerte er den Werwolf gelassen.

„Von wegen Erfahrung, du hattest Glück, dass mein Gerät gestreikt hat“, empörte Jane sich, die sich offensichtlich noch gut an ihren Ausflug mit Aiden in den Thrope Park erinnerte. Sie verlangte drei Waffen, von denen sie zwei ihren Begleitern in die Hände drückte. "Wir spielen alle drei und wer gewinnt, dessen Wunsch wird erfüllt", schlug sie vor.

"Du kriegst doch sowieso alles, was du willst. Was könntest du dir wünschen?", neckte Aiden die eindeutig verwöhnte Alleinerbin ein wenig.

Ihr Vertrauensverhältnis war mittlerweile so weit fortgeschritten, dass sie es ihm nicht übel nahm, sondern grinste. Immerhin war es die Wahrheit. "Wie, ich krieg alles? Soweit ich weiß, hab ich - egal wie sehr ich mich angestrengt habe - deinen Abgang nicht bekommen", entgegnete die junge Frau genauso neckend.

„Oooh, dann müssen wir das ja praktisch spielen, damit die Dame endlich mal zu ihrem Recht kommt“, erwiderte Aiden lachend.

Schließlich stimmte auch Gabriel dem kleinen Wettbewerb zu. Sie vereinbarten, dass derjenige gewinnen sollte, der innerhalb von dreißig Sekunden die meisten Ziele erwischte, dann stellten sie den Alarm und es ging los. Wie zu erwarten gewesen war, waren die Jägerin und der Vampir alleine schon durch ihre Übung deutlich besser als der Werwolf. Schlecht stellte der sich zwar nicht an, aber die beiden ehemaligen Mitbewohner führten ziemlich schnell. In den ersten Augenblicken sah es nach einem Unentschieden Aiden und Jane aus, doch schaffte die Vampirjägerin es, das Tempo im letzten Augenblick zu erhöhen, sodass es ihr gelang, das Spiel für sich zu entscheiden.

Aiden war ziemlich ernüchtert. Nicht wegen Jane, er wusste ja, dass sie gut war, und im vergangenen Jahr hatte sie sich noch verbessert, was er sehr bewunderte. Es wurmte ihn nur wegen Gabriel.

"Hm… Ich schätze, ich bin aus der Übung", sagte er etwas grummelig, als der Budenbesitzer Jane ihr Kuscheltier und den Männern Plastikblumen überreichte, die sie natürlich gleich an die Dame weiterreichten. Das taten sie fast synchron, worüber Jane nur lachen konnte. Das Geräusch half Aiden, seine gute Laune schnell wiederzufinden, und er grinste Jane an. "Wir sollten das öfter spielen, dann würde es anders laufen. Also, was wünschst du dir?"

"Nun, ich möchte, dass ihr mal an einem Wochenende vorbeikommt und für mich kocht – gemeinsam", betonte die Brünette, als sie mit ihren Begleitern durch die Menge schlenderte und Richtung Eislaufbahn ging.

"Huh? Ist das dein Ernst? Ich meine... dass ich koche ist ja ungefährlich, aber... er?", wollte der Werwolf wissen und blickte seinen biologischen Erzfeind mit einer hochgezogener Augenbraue an.

Eigentlich hatte Aiden den Vorschlag, für Jane zu kochen, ganz witzig gefunden, mal abgesehen von dem kleinen Manko, dass er dabei den Welpen ertragen musste. Sein Lächeln erstarb jedoch, als er Gabriels Protest-Gejammer hörte. "Ich stehe neben dir. Wenn du ein Problem hast, sag es ruhig", bot er ruhig an

"Es ist nicht unbedingt ein Problem, sondern vielmehr Sorge. Ich meine... wer weiß, ob das, was du kochst, sie nicht irgendwie vergiftet?", entgegnete der Werwolf ehrlich besorgt.

„Wird es nicht“, unterbrach Jane die Männer mit der ihr eigenen Selbstverständlichkeit. „Und jetzt hört auf, euch zu zanken, und lasst uns schlittschuhfahren gehen.“

Aiden verwarf seine Gedanken daran, Jane ein schmackhaftes Wolfs-Ragout zu servieren, als sie sich anstellten, um Schlittschuhe auszuleihen, und sich dann auf die Eisbahn zu begeben. Aiden hatte schon ziemlich lang nicht mehr auf Kufen gestanden und tastete sich zunächst langsam voran. Als er merkte, dass er sich recht schnell zurechtfand, sah er sich nach seinen Begleitern um.

Man merkte Gabriel an, dass er viele Jahre lang im Süden Europas gelebt hatte, wo Schlittschuhlaufen nicht gerade ein bekannter Volkssport war. Er wackelte wie ein Kuhschwanz, bis Jane ihn an den Händen nahm und einige Male zum Üben mit ihm hin und her fuhr. Sie lachte, als er zwei-, dreimal fast das Gleichgewicht verlor und zog ihn offensichtlich damit auf. Ein bisschen wehmütig sah Aiden dabei zu, wie Jane Gabriel über seine Startschwierigkeiten hinweg half. Vielleicht sollte er sich auch ein bisschen dümmer anstellen.

Nach einer Weile hatte Gabriel sich so weit an die Kufen gewöhnt, dass er schneller über die Bahn fahren wollte. Die Gelegenheit nutzte Aiden, um sich zu ihr zu gesellen.

„Du solltest eine Eislaufschule eröffnen“, schlug er neckend vor und Jane lachte.

„Da können aber höchstens ein paar winterscheue Spanier noch was lernen“, erwiderte sie, während sie sich in Bewegung setzten, um die Bahn zu umrunden. "Warst du früher schon Schlittschuhlaufen?"

"Meine letzte Freundin mochte das sehr, und es ist wohl irgendwie ‚Sport‘, also geht es schon", erklärte er schulterzuckend. Als er die Eisbahn in dem romantischen Aufzug gesehen hatte, hatte er vorhin schon an Fiora gedacht und lächelnd festgestellt, dass es ihr hier sicher gefallen hätte.

Aiden bemerkte, dass Janes Lächeln erstorben war, und sah sie fragend an. „Alles in Ordnung?“

"Ja, ich… Ja. Ich habe gerade daran gedacht, dass ich als Kind und Teenager praktisch jedes Jahr mit meiner Mutter hier war. Da war Schlittschuhlaufen einfach ein Muss."

"Das merkt man dir an. Es sieht so natürlich aus“, erklärte er, und fuhr einen Halbkreis um sie herum, um seine Worte zu untermalen. Sie kicherte über seine Spielerei, und er lächelte. „Ach… Übrigens habe ich mich entschieden, mich im Sommersemester für Sportpsychologie einzuschreiben", erzählte er, weil er bisher noch nicht dazu gekommen war.

„Oh, dann werden wir wohl die eine oder andere Vorlesung zusammen haben", stellte Jane in einer Tonlage fest, die deutlich machte, dass sie nichts gegen diese Zeit hätte. Immerhin verbrachten sie inzwischen sogar ihre freien Stunden zusammen.

„Na ja, vielleicht, wenn du Tutorium hältst. Ich fange ja erst mit dem Bachelor an.“

Sie unterhielten sich noch eine Weile über das Studium, während sie über das Eis glitten. Gabriel holte nach einer Weile von hinten auf und passte sich an Janes Tempo an. "Ich habe ganz vergessen, wie geil das ist", grinste der Werwolf und nahm die Hand seiner besten Freundin, um sie lachend und mit schnellerem Tempo mit sich zu ziehen.

Aiden beobachtete die zwei kurz ein wenig neidisch, kündigte dann aber an, ebenfalls testen zu wollen, wie schnell er fahren konnte. Jane meinte nur, er solle nicht zu sehr angeben, woraufhin er ihr zuzwinkerte ehe er es dem Werwolf nachmachte. Angesichts seiner Reflexe schaffte er es ohne Unfälle ziemlich schnell. Allerdings wurde seine Aufmerksamkeit abgelenkt, als er einen auffälligen Geruch wahrnahm und er sich alarmiert umblickte. Es war aber so viel los, dass Aiden den anderen Vampir momentan nicht ausmachen konnte. Solange er bei Jane war, konnte ihr unmöglich etwas passieren, trotzdem war er ein wenig beunruhigt. Andererseits wollte er nicht wirklich, dass sie jetzt auf die Jagd ging, zumal sein Artgenosse erstens, genauso wie Aiden selbst, nur zum Spaß hier sein konnte, und zweitens jagen durfte, solange er dabei nicht Amok lief.

Aiden beschloss, die Sache zwar im Auge zu behalten, doch vorerst auf sich beruhen zu lassen, und zu seinen Freunden zurückzukehren. Unterwegs kam er an einem Getränkestand vorbei und kaufte Jane eine Tasse Punsch. Kurz hatte er überlegt, auch ihrem besten Freund eine mitzubringen, aber der fand ihn ja so eklig, also brauchte er auch keine Getränke von ihm. Es dauerte etwas, bis er sie in der Menge wieder fand, dann hielt er ihr die dampfende Tasse hin. "Es ist ganz schön kalt geworden. Ich hoffe, du magst so was?"

"Oh, danke." Sie trank einen Schluck nutzte das Getränk, um ihre Hände ein wenig zu wärmen. Nach etwa der Hälfte gab sie den Becher Gabriel, der sich bei ihr bedankte statt bei Aiden. Dieser bemerkte die Unhöflichkeit jedoch nicht, sondern sah sich weiter um, während der Werwolf den Rest trank.

„Was ist los, Aiden?“

Erst jetzt fiel ihm auf, dass sie ihn beobachtet hatte. Stirnrunzelnd musterte er die Jägerin. Er wollte den Tag in Ruhe verbringen und nicht mit ihr auf die Jagd gehen. Andererseits kam ihm der Geruch dieses Untoten so bekannt vor, dass es ihn selbst reizte, herauszufinden, wer es war. Richtig zuordnen konnte er es nämlich nicht.

"Hier ist irgendwo noch ein Vampir. Ich weiß aber nicht, wo", erklärte er schließlich.

Sofort verengte Jane die Augen und sah sich um. Schon ihr Gesichtsausdruck machte Aiden klar, dass sie jetzt jagen würden, ob es ihm passte oder nicht. Der Vampir seufzte leise und rieb sich den Nacken. Vielleicht hätte er besser nichts gesagt und alleine nachgesehen, um wen es sich bei dem anderen Blutsauger handelte. Jane konnte nichts Auffälliges entdecken, weshalb sie Aiden andeutete, ihr an den Rand der Arena zu folgen. Auf dem Weg gabelte sie Gabriel auf und zog ihre Schlittschuhe aus, um sich in der Umgebung besser umsehen zu können.

"Könnt ihr Blut oder Ähnliches riechen?", wollte die Brünette wissen, als sie schon mit dem Kontrollgang loslegte.

Aiden kam nur widerstrebend mit, als die Kinder sich auf die Suche machten. Er hätte es lieber vermieden, einen Artgenossen bei der Jagd zu stören. Wenn es sich überhaupt um eine solche handelte, denn diesen Park fand er als Jagdrevier doch recht eigenartig.

Es war Gabriel, der die Fährte von frischem Blutgeruch entdeckte. Wäre Jane nicht dabei, hätte Aiden das Ganze auf sich beruhen lassen. Jane jedoch schob sich hinter Gabriel her durch die Menschen, sodass ihm nichts anderes übrig blieb, als zu folgen.

Der Park war größer, als er erwartet hatte. Keiner der Besucher nahm den feinen Duft von Blut wahr, der zwischen ihnen schwebte wie ein Nebel. Vielleicht spürten sie aber unbewusst die Gefahr, denn je näher sie der Quelle kamen, desto weniger Menschen tummelten sich auf den Wegen. Schließlich erreichte das Jägertrio eine abgelegene Stelle zwischen zwei Zelten – und entdeckte dort einen glatzköpfigen Vampir. Die junge Frau in seinem Arm hatte die Augen noch geöffnet und bewegte die Lippen zu einem stummen Hilferuf, doch war sie zu schwach, um ein Geräusch zu produzieren.

Aiden reagierte sofort auf den Blutgeruch, ging leicht in die Hocke und knurrte leise, wobei sein Blick jedoch forschend über das Gesicht des Fremden glitt. Er kannte es nicht, obwohl sein Geruch ihm so vertraut vorkam. Sehr seltsam.

Jane zückte sofort ihre Messer, um eines davon nach dem Fremden zu werfen. Sie verfehlte das Ziel, da er rechtzeitig auswich, indem er das Opfer achtlos zu Boden fallen ließ und sich leise knurrend weiter hinten in der Gasse verschanzte.

Sieh nach der Frau!", wies Gabriel seine beste Freundin an, bevor er sich vom Boden abstieß und den fremden Blutsauger anfiel. Dieser wich allerdings aus und trat den Rückzug an, worauf der Spanier ihn verfolgte.

Unterdessen kümmerte sich die Jägerin um das Opfer und kontrollierte, ob dieses noch lebte. Der Vampir hielt sich von dem Blutgeruch der Beute fern, war aber ebenfalls erleichtert, als Jane feststellte, dass sie noch lebte.

Als das geklärt war, hätten sie es seiner Meinung nach auch gut sein lassen können. "Er hat sie nicht getötet. Können wir ihn nicht einfach lassen?", fragte Aiden, der nicht eine Sekunde lang glaubte, dass sie diese Jagd jetzt aufgeben würden.

Jane ignorierte ihn entweder oder hörte ihn gar nicht, jedenfalls lief sie sofort los, ihrem besten Freund hinterher. Das Opfer hatte sie zwar relativ bequem an eines der Zelte gelehnt, doch geschwächt, wie sie war, würde sie in der winterlichen Kälte nicht lange zurechtkommen.

„Hilfe! Hier ist ein Feuer! Feuer!“, brüllte Aiden, so laut er konnte, während er ihr rasch seine Jacke überwarf.

Dann folgte er mit einem letzten begehrlichen Blick auf die Frau seinem Team. Janes Duft führte ihn zurück auf die stärker bevölkerten Wege, vorbei an gut besuchten Buden mit Punsch und Süßigkeiten. Bei all den Gerüchen war es nicht so leicht, die beiden wiederzufinden. Wäre er motivierter gewesen, hätte Aiden den anderen Untoten vermutlich einholen können, aber er legte es nur darauf an, Jane im Blick zu behalten. So überraschte es Aiden nicht, sie recht ratlos vor einem Zaun zu entdecken.

„Wir haben ihn verloren“, erklärte Jane, und an Gabriels Zähneknirschen konnte Aiden erkennen, dass der Glatzkopf dem jungen Werwolf entwischt war.

"Ich glaube nicht, dass er hier vorerst nochmal jagen wird", prognostizierte Aiden, wobei er trotzdem den Blick nachdenklich über die Menge gleiten ließ. "Irgendwie kam mir sein Geruch aber bekannt vor... Aber im Zirkel wird er wohl kaum sein?" Das wäre eine Erklärung, warum er das Gesicht nicht hatte zuordnen können.

"Nicht, dass ich wüsste... Aber du weißt ja, dass ich in der Hinsicht nicht die beste Quelle bin", gab Jane zu und seufzte leise auf.

Daran, dass sie nicht viel persönlichen Kontakt zu den anderen Zirkelmitgliedern pflegte, erinnerte er sich. Eine der wenigen Interaktionen mit einem anderen Jäger, die er mitbekommen hatte, hatte darin geendet, dass dieser mit einem Schulterwurf zu Boden befördert wurde. Ok, Lucas hatte es darauf angelegt, aber trotzdem.

"Ich werde morgen im Zirkel vorbeisehen, um Genaueres herauszufinden. Hier können wir aber wahrscheinlich nichts mehr tun", meinte die Vampirjägerin an ihre Begleiter gewandt, worauf klar wurde, dass sie noch nicht nach Hause gehen wollte.

Aiden war froh, dass sie die Jagd an dieser Stelle abbrach und nicht sofort in den Zirkel wollte. Zum einen fand er, dass der Vampir nichts Unrechtes getan hatte - Seiner Meinung nach war es eine persönliche Entscheidung, ob seine Artgenossen töten wollten oder nicht. Zum anderen wollte er ihren Ausflug noch nicht beenden.

Während sie sich wieder unter die Besucher mischten, fragte Aiden sich, was Jane wohl über seine Ernährungsweise dachte. Ihr musste bewusst sein, dass er Menschen aussaugte. Ihr zuliebe tötete er nicht mehr, aber er hatte es getan, und selbst jetzt kreisten seine Gedanken noch ziemlich beständig um das süße Blut der jungen Frau, die sie vorhin zurückgelassen hatten. Allerdings würde er sie das nicht fragen, solange Gabriel dabei war. Dass der Werwolf ihn abstoßend fand, war Aiden schon zur Genüge bewusst, er musste nicht den Ekel auf seinem Gesicht sehen.

Sie kaufte ein paar Süßigkeiten für Elizabeth und fand dann einen passenden Beanie für sich selbst. Langsam entspannte Aiden sich und setzte Jane eine Kappe mit Katzenohren auf, die sie jedoch seltsamer Weise nicht haben wollte. Nachdem die drei über den ganzen Wintermarkt geschlendert waren, kamen sie gemeinsam beim Riesenrad an – eine Attraktion, die Jane natürlich ausprobieren wollte.

"Ich hoffe, keiner von euch hat Höhenangst", neckte sie ihre Begleiter, als sie in einer Kabine nach oben fuhren.

Sie ließ sich auf einem Sitz nieder und blickte entspannt nach draußen, während die Umgebung immer kleiner wurde. Gabriel tat es ihr gleich. Auch Aiden genoss den Ausblick, obwohl der Blick über das Gelände deutlich wurde, wie kitschig der Markt wirklich war.

"Ich weiß noch, wie du früher immer wolltest, dass wir am höchsten Punkt anhalten und dann Angst bekommen hast, dass wir nicht mehr runterkommen, wenn das tatsächlich der Fall war", gab der Werwolf leicht grinsend von sich und schielte zu seiner besten Freundin, die leicht die Wangen aufplusterte.

"Damals war ich ja auch noch ein kleines Kind", konterte die Angesprochene, ohne zu ihm zu blicken.

Ein sanftes Lächeln legte sich auf Aidens Lippen, als er sich vorstellte, wie das kleine Mädchen von dem Foto, das er gesehen hatte, aufgeregt am Fenster klebte und nach draußen sah. Schade, dass er das alles nicht erlebt hatte.

"Das bist du doch immer noch, so begeistert, wie du gerade bist", neckte er sie und wuschelte ihr liebevoll durch die Haare.

"Das sagt gerade der Richtige, du Opa", konterte die junge Frau mit gespielt verengten Augen und strengem Blick, wobei sie diese Fassade nicht allzu lange aufrecht erhalten konnte, bevor sie schmunzeln musste.

Ohne darüber nachzudenken, legte Aiden ihr den Arm um die Schulter, aber als er Gabriels Blick bemerkte, zog er ihn rasch wieder zurück. Was hatte er denn heute? Janes Ausgelassenheit wirkte sich wohl negativ auf seine Fähigkeit zur Zurückhaltung aus.

"Wie lange kennt ihr beide euch eigentlich schon?", wechselte er rasch das Thema. Bisher hatte seine Abneigung gegen Gabriel die Frage irgendwie immer unter den Tisch fallen lassen.

"Wenn ich mich richtig erinnere, dann kennen wir uns seit ich vier war... Also seit fast 19 Jahren", erklärte Jane - im Gegensatz zu damals im Aufzug - breitwillig und ohne ihren Blick vom Ausblick zu nehmen.

"Das ist lange“, stellte Aiden nachdenklich fest, ehe er sich an Gabriel wandte. „Und du warst die letzten Jahre in Spanien, oder? Hast du dort auch dein Studium begonnen oder erst, als du zurück warst?" Das interessierte Aiden wirklich, wobei er Jane jedoch einen vorsichtigen Seitenblick zuwarf. Sie reagierte nicht mehr ganz so gereizt auf seine einjährige Abwesenheit, aber sie verärgern und ihr damit den Ausflug verderben wollte er nicht.

"Ja, ich war in den letzten fünf Jahren in Spanien", antwortete der Spanier und musterte den Vampir mit einer hochgezogener Augenbraue. "Ich hab meinen Bachelor in Valenzia gemacht, also war es kein Problem, in London mit dem Masterstudium weiterzumachen." Sein Blick schweifte nach draußen, da sie am höchsten Punkt des Riesenrades angekommen und zum Stehen gekommen waren.

"Wie sieht es bei dir aus? Denkst du, du hältst es für längere Zeit in London aus? So, wie Jane es erklärt hat, reist du ja ziemlich gerne", wollte der Werwolf von seinem Gegenüber wissen.

Die beiden Männer wechselten vermutlich die ersten neutralen Worte miteinander, während die Gondel ihren Weg nach unten fand. Wieder auf dem Boden angekommen, schlenderten die drei noch ein wenig durch den Park. Bevor anschließend nach Hause ging, zerrte Jane ihre Begleiter vor ein glitzerndes Eisschloss, um ein Andenken-Selfie zu dritt zu machen. Aiden und Jane lachten, als Gabriel das Foto musterte und verblüfft feststellte, dass man den Vampir tatsächlich sah. Doch auch der schönste Tag musste irgendwann enden, und schließlich begaben sie sich zum Wagen, um nach Hause zu fahren.

Zu dem Zeitpunkt hatte Aiden die Sache mit dem Vampir bereits vergessen, aber da hatte er die Rechnung ohne seine Lieblingsjägerin gemacht. Auf dem Heimweg plante sie bereits einen Besuch im Zirkel mit Gabriel. Aiden plante sie ganz selbstverständlich ein, doch er schwieg, bis sie den Werwolf bei dessen Wohnung abgesetzt hatten.

„Wegen dieser Jagd“, fing Aiden an, als sie wenig später vor seiner Unterkunft standen.

„Ist dir noch was deswegen eingefallen?“

Jane sah ihn begierig an, und Aiden richtete den Blick auf das Armaturenbrett. „Nicht wirklich. Ich… Willst du ihn wirklich jagen?“, brachte er schließlich hervor.

„Was sollen wir denn sonst tun?“

In ihrer Stimme klang die Selbstverständlichkeit nach, mit der sie seinesgleichen als gefährliche Monster identifizierte. Und vielleicht hatte sie damit recht, dachte er, als er sich daran erinnerte, wie seine Zähne gegen seine Lippen gepresst hatten, als er das Blut der jungen Frau gerochen hatte. Er hatte kein Recht, das in Frage zu stellen, was er selbst aus Jane gemacht hatte, also setzte er ein Lächeln auf und schüttelte den Kopf.

„Entschuldige, ich war wohl gerade… Also, wir sehen uns morgen“, unterbrach er sich selbst und stieg aus dem Auto. Während er zusah, wie sie davonfuhr, rieb er sich den Nacken. Er konnte nichts tun, um sie von dieser Jagd abzuhalten. Aber vielleicht konnte er den anderen Vampir retten, wenn sie ihn stellen sollten.
 

"Hm… wie es aussieht, gibt es niemanden im Zirkel, der so aussieht." Jane drehte sich in dem Bürostuhl nach Aiden um. "Und du bist dir sicher, dass er dir bekannt vorkam?"

"Ja, ich bin mir sicher. Aber das muss ja nichts mit seinem Auftauchen gestern zu tun haben. Vielleicht war es wirklich Zufall", tat er das ganze mit einem Schulterzucken ab.

Sie waren zusammen mit Gabriel in den Zirkel gefahren, weil Jane die Sache aus dem Freizeitpark nicht auf sich beruhen lassen konnte. Ihre Recherchen kamen allerdings zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis, was Aiden ratlos zurückließ. Natürlich hatte er schon in Betracht gezogen, dass der Vampir ein früherer Bekannter sein könnte, aber dann hätte er sich doch zumindest ein bisschen an dessen Gesicht erinnert. Wenn er nur wüsste, wo er ihn schon mal gerochen hatte.

Jane wäre aber nicht Jane, wenn sie es nicht zumindest versucht hätte. So begab die Truppe sich zu den Anschlagbrettern. Jane steuerte auf andere Bildschirme zu als bei ihrem letzten Besuch. Aiden fiel auf, dass jetzt mehr Aufträge darüber flimmerten, und diese gefährlicher er wirkten. Stimmt, Jane hatte erwähnt, dass sie einen Rang aufgestiegen war. Aiden runzelte die Stirn, aber er sagte nichts. Schließlich war er jetzt wieder bei ihr. Und im Notfall wohl auch Gabriel, wenn man den zählen wollte.

Mit verschränkten Armen und aufmerksamen Blick besah sich die junge Frau den Bildschirm mit den unzähligen Aufträgen. Es dauerte, bis eine neue Seite aufgetan wurde, da es sich um eine deutlich längere Liste handelte als vor gut einem Jahr. Während sie warteten, unterhielt die Truppe sich über ihr weiteres Vorgehen. Gerade, als sich die Jägerin abwenden und zu einem Schreibtischmitarbeiter begeben wollte, flackerte auf dem Display der markante Glatzkopf auf, nach dem sie suchte.

„Jackpot“, murmelte Jane mit einem entschlossenen Leuchten in den Augen.

Für Aiden war das wie ein Schlag in den Magen. Er hätte den anderen Vampir doch fangen sollen, dann hätte Jane sich gar nicht erst auf den Weg machen müssen. Denn dass sie den Auftrag annehmen wollte, war ihm klar. Die drei lasen die doch recht ungewöhnlichen Formalien, in denen etwas von einem angekündigten Überfall auf einen wichtigen ausländischen Politiker stand. Der Jäger, der die Sache in Angriff nahm, hatte schon im Vorfeld einer Gala die Aufgabe, Informationen zu sammeln und den Schutz des möglichen Opfers zu koordinieren, vor allem aber, am Abend des geplanten Überfalls als Leibgarde zu fungieren.

Dem Vampir der Gruppe erschien das Ganze äußerst suspekt. "Was glaubt ihr, will er damit erreichen? Wenn er es auf einen bestimmten Jäger abgesehen hätte, wäre es doch einfacher, ihn direkt anzugreifen. So kann er ja nicht wissen, wem er letztendlich gegenüber steht."

Gabriel rümpfte die Nase. „Vielleicht ist es wieder so ein Spinner, der mit Flakons herumwirft und durch solche Herausforderungen seinen Kick kriegt?"

Aiden sah den Werwolf herablassend an. "Ich glaube nicht, dass es jedes Mal so einfach wird."

"Vielleicht kommt er aus bestimmten Gründen nicht an den besagten Jäger heran und muss darum auf solche Mittel zurückgreifen?“, warf Jane ein. „Was auch immer seine Motive dazu sind, wir werden es sehr bald wissen."

Das Dreiergespann holte am Schalter die Akten des Auftrages und wollte sich zurückziehen, um ihr Vorgehen zu planen. Jedoch wurden sie von einem altbekannten Gesicht aufgehalten.

"Wenn das nicht unsere liebste Jane ist. Oh, und Gabe ist auch von der Partie", begrüßte er das Duo, ehe er innehielt und den Vampir erblickte. "Dich habe ich doch letztes Jahr regelmäßig hier gesehen, oder? Wenn ich mich Recht entsinne, habe ich wegen dir einen Schulterwurf kassiert. Ich dachte schon, sie hätte dich umgebracht, weil du plötzlich verschwunden bist. Wie war der Name nochmals? Adrian?"

"Aiden", korrigierte die Brünette Lucas leise seufzend und fuhr sich durch die Haare. "Nerv ihn nicht mit deinen alten Geschichten. Er ist Teil meiner Gruppe."

Ohne weiter auf das riesige: ‚Wie bitte?‘, in Lucas Augen zu achten, drehte sich die junge Frau um und deutete ihren Begleitern an, ihr zu folgen. Aiden sah sie genauso verblüfft an wie der andere Jäger. Auf dem Weg nach unten wandelte sich seine Verblüffung langsam in ein Lächeln.

„Hast du das gerade nur gesagt, damit er die Klappe hält?“

"Wieso?“ Jane schob die schwere Tür des Eingangsbereichs auf und sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. “Du bist doch momentan ein Teil meiner Gruppe, oder nicht?"

Gabriel öffnete den Mund, schluckte seinen Kommentar aber wieder runter. Als auch Aiden langsam nickte, setzte Jane ihren Weg fort. Jetzt wünschte er umso mehr, er hätte sie vorhin nicht verraten.



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