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Bloody Eternity 2

von

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Selbsterkenntnis ist der erste Weg zur Besserung

„Und wieso genau ist das jetzt unsere Aufgabe?“

Gabriel klang so genervt, wie Jane sich fühlte. "Weil sie eine alte Freundin von Aiden ist", erwiderte die Jägerin dennoch schlicht und begab sich auf dem direktesten Weg Richtung Justizgebäude des unterirdischen Vampirjägerzirkels. Dabei erwartete sie gar nicht, dass ihr Mentor keine Zeit hatte, sondern ging frech davon aus, dass er sich für die Zeit nehmen würde – egal wie.

„Eine Freundin oder eine .... na ja, du weißt schon... 'Freundin'?", fragte Gabriel neugierig nach.

Jane blieb abrupt stehen, sah ihn irritiert an und weitete die Augen ein wenig. Bis zu dem Zeitpunkt war ihr nicht in den Sinn gekommen, ihre Beziehung so zu sehen. Jedoch erschien ihr das im Nachhinein ziemlich logisch. Schließlich hatte ihr persönliche Schoßhund stets beteuert, dass er kaum Kontakt mit Außenstehenden hatte. Lediglich seine Ex-Freundinnen hatte er genauer erwähnt, wenn es darum ging, von seinen Bekannten zu reden. Diese Erkenntnis traf die Jägerin wie ein Schlag und sie hatte das Gefühl, dass sich ihr Magen umdrehte und sich in ihrer Brust ein einengender Knoten bildete.

Gleichzeitig ratterte es in ihrem Kopf und es machten sich Gedanken breit, die ihr zunehmend Angst einjagten und unangenehm waren. Wieso hatte sie so genervt über ihr Verhalten reagiert? Es ging sie nichts an, ob er wieder mit einer möglichen Ex-Freundin anbändeln wollte oder ob diese vielleicht nur unter einem Vorwand an seine Seite zurückgekehrt war, um die alte Beziehung wieder aufleben zu lassen.

Erst, als ihr Kindheitsfreund sie besorgt ansprach, schaffte sie es, diese Gedanken zu verdrängen und sich auf den Fall zu konzentrieren, den man ihr aufgetragen hatte. Dementsprechend lächelte sie Gabriel nur an, meinte: „Ich habe keine Ahnung“, und setzte ihren Weg zu Eldric fort.

Dieser erwartete sie bereits, da er sich tatsächlich Zeit genommen hatte, damit sie sich in Ruhe unterhalten konnten. „Jane, Liebes. Wie geht es dir?“, fragte er und begrüßte auch Gabriel herzlich. Er bot ihnen einen Platz auf den bequemen Ohrensesseln vor seinem Schreibtisch an. „Nun, was kann ich für euch tun?“

Jane erklärte widerstrebend die Situation der unsterblichen Latina. Eldric machte weder einen Hehl aus seiner Überraschung, noch aus seiner Freude darüber, dass sein Schützling sich dazu entschlossen hatte, einem Vampir zu helfen. „Ich glaube, das wird eine wundervolle Lernphase für dich, Liebes. Natürlich unterstütze ich dich, wo ich kann“, lächelte der alte Vampir.

Jane schnaubte und verschränkte die Arme. Sie konnte es selbst kaum glauben. Bisher hatte sie immer nur Aufträge angenommen, die sie der Suche nach dem Mörder ihres Vaters näherbrachten oder ihr persönliches Moralempfinden anstachelte. Nun, jetzt tat sie es eben für Aiden.

„Es wäre gut, wenn wir eine Fahndung rausgeben“, ignorierte Jane die neugierigen Blicke ihres Mentors. „Ich lasse alle Daten Evelyn zukommen.“

„Wenn unsere Recherchen etwas ergeben, informiere ich dich sofort“, versicherte Eldric und bat sie auf dem Weg nach draußen noch, auf sich aufzupassen.

Obwohl sie die Augen verdrehte, war sie ein wenig ruhiger, als sie das prunkvolle Gebäude mit Gabriel verließ. „Was hältst du von Shopping?“, fragte sie, woraufhin er grinste.

„Typisch Mädchen“, neckte er sie, obwohl er genau wusste, dass sie nicht auf die Suche nach einem hübschen Kleid gehen würde. Zumindest nicht hier.

Sie besorgte sich Munition und ein Set neuer Wurfmesser, um ihr Lager aufzustocken. Als dies erledigt war, verließ das Duo den Zirkel und trennte sich. Jane schrieb Theodore, dass sie sich am nächsten Abend treffen würden, um sich abzusprechen. Als sie den Chat mit Aiden öffnete, zögerte sie jedoch. Sie tippte die Nachricht ein paar Mal neu, bevor sie schnaubte und einfach: „Morgen um acht bei mir“, schrieb. Dann stopfte sie das Handy in die Hosentasche und fuhr viel zu schnell nach Hause.
 

Sie nahm sich fest vor, sich zusammenzureißen, als ihr Team und die ‚Klientin‘ am nächsten Abend bei ihr auftauchten. Es war ein Glück, dass das Wohnzimmer der McCollins so groß war, denn sonst würde das scheinbar ständig wachsende Grüppchen langsam den Rahmen sprengen. Drei Vampire und zwei Sterbliche fanden sich auf der Couch ein und Fiora wurde auch Gabriel vorgestellt.

„Freut mich, dich kennenzulernen“, sagte die Latina zu dem Werwolf, der etwas verblüfft nickte.

„Klar.“

„Du bist ein Alpha, oder?“, lächelte sie Gabriel an, wobei sie mit ihrem Haar spielte und sich ein wenig zu ihm lehnte. „Sieht man sofort. Wie groß ist denn dein Rudel? ... Tut mir leid, wenn ich zu neugierig bin, ich habe noch nie wirklich mit einem Werwolf geredet", erklärte sie mit einem zurückhaltenden, aber doch neugierigen Lächeln.

„Äh... Ja. Ich bin der Alpha", kam es mit einer hochgezogener Augenbraue über Gabriels Lippen, als er ein wenig zurückwich und zu seiner Kindheitsfreundin rüber rutschte. Er war kein sonderlicher Fan von Vampiren. Auf so eine Nähe konnte er verzichten.

Trotzdem blieb er höflich und antwortete: „Wir sind momentan elf Wölfe, wenn man die Kinder nicht dazurechnet."

„Ist das ein großes Rudel? Tut mir leid, ich kenne mich da nicht aus“, lachte Fiora glockenhell.

„Na ja, für eine europäische Großstadt schon“, erklärte Gabriel, der sich stolz ein wenig aufrichtete. „Größere Rudel gibt es sonst eher in weniger dicht besiedelten Gebieten.“

„Wie aufregend! Und…“, fuhr die Vampirin mit einer Flut von Fragen fort, die dem Werwolf offensichtlich das Gefühl gaben, die wichtigste Person im Raum zu sein.

Jane beobachtete das Geschehen misstrauisch. Nachdem Fiora gestern so ein Biest zu ihr gewesen war, hatte sie mit diesem Verhalten nicht gerechnet. Sie fragte sich, ob die Vampirin etwas gegen sie hatte, weil Jane eine Frau war und ihr die Aufmerksamkeit der Männer wegnehmen konnte oder ob sie schlichtweg die menschliche Rasse nicht mochte. Was immer es war, es war in ihren Augen anstrengend. Allerdings fiel ihr auf, dass sie nicht so genervt war wie gestern.

Sie zuckte ein wenig zusammen, als Aiden sie genau in dem Moment ansprach. „Du musst das nicht tun, wenn dir das zu viel ist. Es ist wirklich nicht dein Problem.“

„Das ist es nicht“, fauchte Jane zurück, schaltete den Fernseher aus und stand auf. „Es nervt mich nur, dass ihr euch dauernd bei mir einquartieren müsst.“

Sie schmiss die Fernbedienung achtlos auf die Couch, woraufhin selbst Gabriel ein wenig zusammenzuckte. „Geht das nicht irgendwo anders? Teddys Wohnung wäre doch groß genug.“

Ohne auf Reaktionen zu warten, ging die Jägerin Richtung Küche. Sie schnappte sich ihren Laptop, der auf der Bartheke lag und massierte sich leise seufzend die Schläfe, um ein wenig runterzukommen. Es war nicht ihr Plan gewesen, diese gereizten Worte von sich zu geben, doch hatte sie sich nicht zurückhalten können.

„Ich schätze... wir sollten für heute gehen. Sie wird uns sicher informieren, wenn es Neuigkeiten aus dem Zirkel gibt und sie ist bestimmt gestresst, wegen ihren Examen und schriftlichen Arbeiten“, hörte sie Theodores Stimme aus dem Wohnzimmer.

Raschelnd setzte sich die ganze Entourage in Bewegung. Gabriel steckte den Kopf rein, um sich zu verabschieden, doch Jane wies ihn an, zu bleiben. Sie wollte jetzt nicht alleine sein.

„Ich versteh ja, dass du die nich hier haben willst“, meinte Gabriel und kratzte sich am Kinn. „Aber… Du hast sie hierher eingeladen, schon vergessen?“

Jane wurde rot, kam aber nicht zu einer Antwort, da sie in dem Moment Aiden sagen hörte: „Geht schon mal vor.“ Kurz darauf stand er in der Küche, diesen unglücklichen Ausdruck eines getretenen Hundes in den Augen, den er immer bekam, wenn sie wütend auf ihn war. Ihr war noch nie aufgefallen, dass er sie tatsächlich ein wenig besänftigte.

Sein Blick fiel auf Gabriel, der die stumme Aufforderung zu gehen jedoch ignorierte. Seufzend wandte Aiden sich also an Jane. „Ich weiß zwar nicht, was ich falsch gemacht habe, aber was auch immer es ist, es tut mir leid", erklärte er ihr so direkt wie immer, was er dachte. „Wenn du mir sagen würdest, was ich getan habe, wäre es aber bedeutend einfacher etwas zu ändern", fügte er mit einem kleinen, hoffnungsvollen Lächeln hinzu.

Seine Worte versetzten ihr einen schuldbewussten Stich. Schließlich war ihr bewusst, dass er eigentlich nichts für ihre schlechte Laune konnte, es größtenteils ihr eigenes Problem war und es nicht die feine englische Art war, wie sie sich ihren Gefährten gegenüber verhielt.

„Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Es ist alles in Ordnung“, behauptete die junge Frau, wobei sie es nicht übers Herz brachte, ihn anzusehen, sondern hatte ihren Blick etwas von ihm abgewendet.

Die Enttäuschung in seiner Stimme konnte sie trotzdem hören, als er: „In Ordnung“, antwortete. „Einen schönen Abend noch.“

Sie sah erst auf, als sie die Tür hinter ihm ins Schloss fallen hörte. Tief seufzend rieb sie sich über die Augen. Sie konnte gar nicht erwarten, dass diese Latina abreiste und alles wieder normal werden würde.

Gabriel, der sich die ganze Zeit über ruhig verhalten und geschwiegen hatte, blickte besorgt zu seiner besten Freundin. Vorsichtig nahm der Spanier ihre Hand, um diese zärtlich zu drücken und ihr so zu zeigen, dass er an ihrer Seite war - wie immer eigentlich.

„Janie... Was ist los?“, wollte er wissen.

Jane wusste nicht, was sie dazu sagen sollte, weshalb sie sich so ekelhaft ihren Freunden gegenüber benahm und wieso sie sich so frustriert, wütend und enttäuscht zugleich fühlte. Sie konnte Gabriel nur in unbestimmtem Leid ansehen – doch er verstand sie.

Der Werwolf legte seine Hand auf ihren Kopf und strich zärtlich darüber. „Wenn du reden willst, sag Bescheid. Ich höre dir zu, okay?“

Jane lächelte schwach und ließ sich in eine feste Bärenumarmung ziehen, nach der es ihr tatsächlich besser ging. Sie hatte allerdings keine Lust, weiter darüber zu reden, weshalb sie das Thema wechselte und vorschlug, gemeinsam zu kochen. Während sie den Eintopf vorbereiteten, redeten sie über die Uni und ihre Freunde – alles, nur nicht die Unsterblichen, die gerade sonst wo unterwegs waren. Während des Essens mit Elizabeth musste Jane sich zusammenreißen, nicht von Aiden zu phantasieren, der mit einer in ein hautenges Kleid gehüllten Fiora tanzte. Sie suchten nur diesen Majid, damit sie so schnell wie möglich wieder verschwinden könnte.

Dabei half Jane doch gerne.
 

Es vergingen zwei Tage, an denen die Gruppe keine Anhaltspunkte für Majids Verschwinden aufkamen. Dabei war es für Jane ein Segen, dass es sich in der Zeit um Wochentage handelte und sie Vorlesungen hatte, sodass sie sich mit Fiora und ihren unnötigen Annäherungen gegenüber ihren Freunden nicht ständig herumschlagen musste. Sie vermied es, ihre Aufmerksamkeit zu sehr auf Aiden zu richten und verbrachte ihre Freizeit eher mit Theodore, Gabriel und ihren menschlichen Freunden. Die drei Vampire hielten ihre eigenen Treffen Theodores Wohnung ab.

An einem Dienstagvormittag, als die Jägerin in einer Vorlesung saß, erhielt sie eine Nachricht von Eldric, der ihr einige auffällige Dokumente per E-Mail gesendet hatte. Sie informierte Theodore, damit sich alle Beteiligten gegen Abend bei ihr versammeln konnten.

„Laut Eldric sind in den letzten zwei Wochen zwei blutleere Leichen in London entdeckt worden", erläuterte die Brünette den ganzen Sachverhalt und legte die ausgedruckten Dokumente auf den Couchtisch ab.

„Willst du damit sagen…?“, fragte Fiora, die merklich blässer geworden war und sich mit zitternden Händen die Dokumente schnappte.

„Nein, die Namen der Toten sind hier vermerkt. Seiner ist nicht dabei, siehst du? Wir finden ihn schon, keine Sorge“, versprach ihr Ex-Freund mit einem aufbauenden Lächeln, das jedoch so schnell verblasste, wie es aufgeblitzt war. Sein Blick begegnete dem von Jane, welche jedoch schnell zu Theodore blickte.

„Wir sind wegen der Nationalität der Toten auf einen Zusammenhang gekommen“, erklärte sie. Sie hatten nicht die britische Staatsbürgerschaft, lebten nicht einmal in London und stammten jeweils aus Südamerika und Afrika", fuhr sie fort. Man musste nicht zweimal überlegen, worauf sie hinauswollte. Es wäre nicht unwahrscheinlich, wenn die Mörder dieser Menschen hinter der Entführung Majids steckten.

„Wieso stand davon bisher nichts in den Zeitungen? Soweit ich weiß, war davon nichts in den Nachrichten zu hören?“, wollte Theodore wissen, als er die Papiere studierte, um sich das Wichtigste zu merken.

„Der Zirkel war vor der Polizei und vor den Passanten zur Stelle und konnte die Leichen wegschaffen", erklärte die junge Frau und verschränkte die Arme vor der Brust. Ihren Blick hatte sie stur auf Theodore oder Gabriel gerichtet.

Ihr Blick schweifte für einen Moment zu Fiora, um zu sehen, wie Aiden sie im Arm hielt und beruhigend auf sie einredete. Seufzend fuhr sie sich durchs Haare. Sie hätte das Ganze wohl sensibler vortragen können.

„Ich würde vorschlagen, dass wir die beiden Orte aufsuchen und untersuchen, an denen die Leichen gefunden wurden. Am besten teilen wir uns in zwei Gruppen auf, damit wir schneller vorankommen. Gabe und ich sehen uns in Hammersmith um und ihr drei übernehmt die Gegend in Camberwell“, verkündete Jane und stand auf, bevor jemand sich dazu äußern konnte.

„Ihr könnt schon losziehen. Gabe und ich werden uns in wenigen Minuten auf den Weg machen“, erklärte sie mit einem Tonfall, der zeigte, dass sie keinen Widerspruch dulden wollte.

Während die Männer ziemlich baff von dem Rausschmiss aussahen, funkelte Fiora sie an. Sie erhob sich auf die langen Rehbeine, schwang ihr hüftlanges Seidenhaar herum und stolzierte zur Tür. Ihre Artgenossen erhoben sich ebenfalls.

„Passt auf euch auf…“, murmelte Aiden noch, bevor er seinem Ur-Großneffen zur Tür hinaus folgte.

Ein kurzer Schmerz flammte in ihrer linken Brusthälfte auf. Sie murmelte: „Ihr auch“, so leise, dass es vermutlich nicht mal der Vampir noch hören konnte. Dann stand sie auf und ging nach oben, um sich für die Suchaktion fertig zu machen.
 

Vielleicht eine Stunde später befanden sie sich an ihrem Zielort, einer verlassenen Lagerhalle unweit der Hammersmith Bridge. Das Team sah sich akribisch um, wobei ihnen Gabriels hervorragende Nase zu Hilfe kam.

Obwohl sich die junge Frau so sehr auf den Fundort fixierte, schaffte sie es nicht wirklich, Aiden gänzlich aus ihren Gedanken zu verbannen. Ständig flackerten vor ihrem inneren Auge die Erinnerungen daran auf, wie er und seine Ex-Freundin sich unterhielten und wie sie sich gegenüber benahmen – und bei jeder einzelnen hatte sie das Gefühl, dass man ihr die Kehle zuschnürte oder das Herz schmerzhaft zusammendrückte.

Ihr Blick schweifte du Gabriel, der vorbildlich seine Aufgaben erledigte und herumschnüffelte, sodass er gar nicht merkte, wie er angesehen wurde. Noch während er sich am Hinterausgang einer anderen, größeren Lagerhalle umsah, dachte seine Begleitung an den Tag zurück, an dem die unsterbliche Latina sich an ihn gewandt und ihm ein wenig auf die Pelle gerückt war. Im Vergleich zu den Erinnerungen mit Aiden, verspürte sie diesmal keine heftigeren Emotionen, sondern vielmehr ein ungutes bzw. komisches Gefühl. Woran das wohl lag?

„Janie. Hier. Ich rieche Blut, aber nur hauchdünn“, klärte Gabriel seine beste Freundin auf, nachdem er an der Stufe gerochen hatte, die sich unterhalb der Hintertür befand. Da das Blut kaum noch zu riechen war, konnte man darauf schließen, dass bereits einige Zeit seit dem Vergießen zurücklag oder dass jemand seine Arbeit ziemlich sauber gemacht hatte. Zwar registrierte die Jägerin die Tatsache mit dem Blut, doch hing sie mit ihren Gedanken weiterhin beim Vergleich zwischen ihrem besten Freund und dessen biologischen Erzfeind fest, weshalb sie eher nachdenklich wirkte, als sie mit ihrer Begleitung nach Hause fuhr. Dabei kam sie nicht umhin, an Theodores zu denken, als dieser seine Verwunderung über die Beziehung zwischen den beiden Kindheitsfreunden geäußert hatte.

„Sag mal... Was hältst du davon, wenn wir mal ausgehen?", schlug Jane vorsichtig vor, worauf der Angesprochene die Stirn runzelte sie überrascht ansah. Offensichtlich konnte er nicht glauben, was er hier gerade hörte. Selbstverständlich entging ihr seine Verwunderung nicht, weshalb sie erklärte: „Ich ... würde gerne etwas herausfinden, wenn das für dich in Ordnung ist? Ich meine, du musst nicht, wenn es dir unangenehm ist, aber es würde mir wahrscheinlich helfen."

Noch während die junge Frau gesprochen hatte, hatte sich ein kleines, verlegenes Grinsen auf den Lippen des Alphas gebildet, wobei er sich etwas unbeholfen am Hinterkopf kratzte.

„Nein. Es ist in Ordnung. Um ehrlich zu sein, habe ich auch ein wenig darüber nachgedacht, nachdem Teddy damit angefangen hat", gab er zu, worauf sein Gegenüber gar nicht anders konnte, als leise zu lachen.

„Okay… Wir besprechen dann, wann und wo?“, fragte Jane, da sie in dem Moment auf die Einfahrt des Anwesens einbogen.

Beide waren ein bisschen fahrig und übermäßig höflich, als sie das Haus betraten. Jane merkte selbst, wie schrill ihr Lachen plötzlich klang, als sie mit Gabriel auf der Couch ihres Hauses redete. Es war ein Wunder, dass der Werwolf trotzdem noch den Kopf in Richtung Haustür heben konnte, als er draußen etwas hörte.

„Was ist?“, fragte Jane alarmiert. Ihre Hand wanderte zu dem Messer an ihrem Oberschenkel, doch Gabriel hob abwehrend die Hand.

„Es ist die Vampirin. Sie… Flucht ganz schön“, sagte er verblüfft, bevor er lachen musste. „Nicht schlecht!“

Inzwischen hörte selbst Jane die wütende Latina und dann die Klingel. Sie stand auf und trat zur Seite, als eine Welle langen, seidigen Haares an ihr vorbeirauschte. Verblüfft sah sie Fiora nach und dann zu Aiden und Theodore. Ersterer wirkte ziemlich unbehaglich, während letzterer breit grinste.

„Was ist denn los?“, fragte sie perplex und ließ die beiden rein.

„Oh, mein lieber Onkel hatte die grandiose Idee, Fiora mit der Möglichkeit zu konfrontieren, dass Majid sie verlassen haben könnte“, erklärte Theodore belustigt, während er die Schuhe abstreifte.

Jane sah ihren ehemaligen Mitbewohner vorwurfsvoll an, der immerhin den Anstand besaß, geknickt auszusehen. „Es ist eben möglich“, rechtfertigte er sich kleinlaut.

„Ich kann euch hören!“, rief die Latina aus dem Wohnzimmer.

Aiden zuckte zusammen, während Theodore sichtlich ein Lachen unterdrücken musste. Jane seufzte und brachte sie ins Wohnzimmer. Für so einen Klotz hatte sie den ältesten der Vampire ehrlich gesagt gar nicht gehalten. Sie schämte sich ein wenig, als sie sich neben Gabriel auf der Couch niederließ, denn ihre Laune war bedeutend besser als am Vormittag.

Entsprechend motiviert war sie, mit ihrem Bericht loszulegen. „Wir konnten bis auf den hauchdünnen Geruch von Blut am Hinterausgang einer Lagerhalle nichts Auffälliges finden“, erläuterte der Werwolf den kleinen Fund in Hammersmith.

„Es gab keine Berichte über einen Überfall in der Gegend in den Nachrichten, also glauben wir, dass es eine Verbindung geben könnte. Natürlich könnte es sein, dass beim Aussaugen ein bisschen Blut getropft ist, doch Angesicht der Umstände sollten wir uns nicht nur auf das Offensichtliche konzentrieren“, fuhr Jane mit den Überlegungen fort, während sie nachdenklich auf die Dokumente blickte, die sie in den Händen hielt.

„Was meint ihr, woher das Blut stammen könnte, wenn man sich nicht nur auf das ‚Offensichtliche‘ konzentriert?", fragte Aiden. „Es könnte auch geflossen sein, wenn der Mensch sich gewehrt hat und der Vampir Gewalt anwenden musste. Oder es hatte gar nichts mit der ganzen Sache zu tun und stammt von einem Unbeteiligten, der sich dort eben zufällig verletzt hat.“

„Es wäre gut möglich, dass dort mehrere Leute beteiligt waren, bevor man das Opfer getötet hat. Dies könnte wiederum bedeuten, dass das Blut von einem anderen stammt - was nicht wirklich unlogisch wäre, wenn man bedenkt, dass zwei Leichen gefunden wurden, die ähnliche Wunden aufweisen und während nahen Zeitpunkten in London gefunden wurden“, meinte die junge Frau leise und lehnte sich ein wenig zurück.

„Wir sollten selbst dorthin fahren und uns umsehen“, verlangte Fiora an Aiden gewandt, der nickte.

Jane unterdrückte ein wütendes Schnauben. Warum hatte die Latina sie überhaupt gefragt, wenn sie ihr nicht vertraute und sich selbst am Tatort umsehen wollte? Aber wenn sie das unbedingt tun wollte, bitte. Solange sie ihr nicht sonst irgendwie in die Quere kam oder an anderen Dingen hinderte, wäre es einigermaßen tolerabel.

„Ich möchte mit den Angehörigen der Toten sprechen“, verlangte Fiora mit ihrem hauchzarten Akzent, der die Silben rollend enden ließ. „Wenn sie, genau wie Majid, entführt wurden, wissen ihre Verwandten vielleicht etwas von ungewöhnlichen Personen, die sich um sie herumgetrieben haben.“ Dass sie extra nochmal betonte, dass ihr Freund sicher entführt worden war, bezog sich natürlich auf Aidens vorige Worte, obwohl sie es immer noch wie Jane hielt und ihn nicht beachtete.

Gerade, als die Brünette mit ihren Vermutungen fortfahren und über das weitere Vorgehen sprechen wollte, vernahm sie die Worte der zweiten Frau im Raum, worauf sie innehielt und die Stirn runzelte. Ihr Blick wanderte instinktiv zu Aiden und für einen kurzen Moment zog sich in ihrem Innern alles unangenehm zusammen, da sie wusste, dass er Fiora bis zum Abschluss des Falls zur Seite stehen würde und es in ihren Augen nur logisch erschien, dass man ins Ausland verreisen musste, wenn man mit den Angehörigen der Toten sprechen wollte. Immerhin stammten die Opfer von anderen Kontinenten und hatten weder eine britische Aufenthaltsbewilligung, noch die Bürgerschaft. Der Gedanke, dass sie den 500 Jahre alten Vampir über längere Zeit nicht mehr sehen, ihn praktisch wieder verlieren würde, jagte ihr unglaubliche Angst ein, die man in ihrem Gesicht für eine Millisekunde ansah. Allerdings fasste sie sich schnell wieder, schluckte einmal hart und fuhr sich mit einer kurzen fahrigen Bewegung durch die Haare.

„Dann würde ich dir... euch anraten, den nächsten Flieger zu nehmen, um sobald wie möglich nach Alaska und Thailand zu kommen. Wer weiß, ob die Täter es nicht auf ihre nächsten Angehörigen abgesehen haben und sie töten, um sie zum Schweigen zu bringen“, konnte Jane sich einen gereizten Kommentar nicht verkneifen.

Sie stand auf, nachdem sie den Fernseher ausgeschalten hatte und ging Richtung Eingangsbereich. Irgendwie verspürte die Jägerin einen leichten Anflug von Panik und glaubte, womöglich zu ersticken, wenn sie sich länger im gleichen Raum wie die anderen befinden würde. Sie schritt in die Küche, um sich etwas zu trinken zu genehmigen. Sie nutzte diese Gelegenheit, um ein paar Mal tief durchzuatmen und ihre Gedanken ein wenig zu ordnen und runterzukommen. Als die Brünette das Gefühl hatte, dies erreicht zu haben, begab sie sich wieder zur Gruppe und lehnte sich mit verschränkten Armen an die Wand, ehe sie in die Runde sah. Dabei vermied sie es, Aiden direkt anzusehen.

„Wie lautet die Entscheidung? Willst du oder... wollt ihr ins Ausland? Wenn dem so ist, werden wir die Planung umändern müssen“, wollte sie von der Gruppe wissen, wobei sie versuchte, so ruhig und professionell wie möglich zu klingen. In ihrem Augenwinkel konnte sie Theodore erblicken, dessen Gesichtsausdruck etwas besorgt zu sein schien.

Bevor Fiora irgendetwas sagen konnte, war Aiden aufgestanden. „Ich gehe nirgendwo hin“, erklärte er mit einem harten Blick, den Jane kaum je an ihm gesehen hatte.

Jane blinzelte und öffnete den Mund, doch bevor sie etwas sagen konnte, mischte Fiora sich ein. „Was sollen wir dort auch?“, fragte Fiora ziemlich ungnädig. „Die Wahrscheinlichkeit, dass Majid dort ist, ist verschwindend gering, und für mich sind diese Menschen vollkommen gleichgültig. Es wird genügen, ihre Verwandten per E-Mail oder dergleichen zu kontaktieren. Auf Facebook dürften sie nicht schwer ausfindig zu machen sein.“

„Nun, denkst du wirklich, dass sich die Angehörigen irgendwelchen fremden Leuten anvertrauen werden, die explizit etwas über das Verschwinden der Toten wissen möchten, wenn diese sie per E-Mail oder Facebook kontaktieren? Würdest du keinen Verdacht schöpfen, wenn eine wildfremde Person dich plötzlich auf das Verschwinden Majids ansprechen würde? Und außerdem wissen wir nicht, wie lange wir auf eine Antwort in der Hinsicht warten müssen, weshalb ein persönliches Treffen bestimmt wirkungsvoller und effektiver wäre", erklärte die Jägerin die Sicht ihrer Dinge, ehe sie sich von der Wand abstieß und mit den Schultern zuckte.

„Ich denke, auf ein Mail zu warten, dauert nicht so lange, wie drei Mal um die halbe Welt zu fliegen“, erwiderte Fiora und warf das lange Haar selbstbewusst über die Schulter. Es war das erste Mal, dass sie Janes Anwesenheit aktiv zur Kenntnis nahm. Die Jägerin hätte darauf verzichten können. „Immerhin müssen wir wahrscheinlich zurückkommen. Es könnte natürlich sein, dass die Informationen uns wo anders hinführen würden, und dann wären wir völlig umsonst herumgereist.“

„Nun, da die Leichen in London aufgetaucht sind und es einige Hinweise gibt, dass Majid sich möglicherweise in der Nähe aufhalten könnte, würde ich vorschlagen, dass wir es doch mal per E-Mail oder Facebook probieren, aber uns hauptsächlich auf die Tatorte und die Blutspuren konzentrieren“, schlug Theodore vor, der Jane mit seinem Blick fixierte.

Sie sah betont in die andere Richtung. „Gut, dann würde ich vorschlagen, dass ihr noch heute den Tatort in Hammersmith untersucht, da der Blutgeruch laut Gabe ja ziemlich verdünnt ist“, sprach die Jägerin ein wenig gleichgültiger, da es ihr mittlerweile egal war, ob Fiora ihre Arbeit als nicht geflissentlich und unsauber erachtete. „Unterdessen werde ich versuchen, die Kontaktdaten der nächsten Angehörigen der Toten zu organisieren, sodass man möglicherweise mit ihnen telefonieren oder sogar per Videochat sprechen kann."

„Ich helfe dir", meldete sich Gabriel sofort zu Wort und blickte seine beste Freundin an, worauf diese kurz die Augenbrauen anhob und nicht umhin kam, ihn daraufhin dankbar und schwach (aber dennoch sanft) anzulächeln.

"Gut, dann wäre das geklärt. Sobald wir mehr wissen oder ich weitere Informationen vom Zirkel erhalte, gebe ich Bescheid", fuhr Jane fort und beendete somit das Treffen. Da niemand etwas dagegen zu haben schien, erhob sich Theodore und ging zur Tür. Allerdings hielt er schnell bei ihr inne und beugte sich zu ihr runter, um ihr folgende Worte ins Ohr zu flüstern: „Wenn du reden willst – egal über war – weißt du ja, wo du mich findest."

Er wandte sich um und schritt nach draußen, wobei die junge Frau nicht anders konnte, als ihm irritiert hinterherzusehen. Was war bloß los, dass er ihr nun ein offenes Ohr schenken wollte? War es wirklich so offensichtlich gewesen, dass sie etwas bedrückte?
 

Nachdem die Gruppe ihr Haus verlassen hatte, begann sie mit den Recherchen, wobei sie mit Gabriel per Telefon und SMS in Kontakt stand, da dieser ja angeboten hatte, ihr zu helfen. Zwar hätte Jane dies unter normalen Umständen ziemlich schnell hinbekommen, doch da ihre Gedanken immer wieder zu Aiden abdrifteten und sie dauernd mit den aufkeimenden Gefühlen konfrontiert wurde, zog sich die Beschaffung der Kontaktdaten um einige Stunden in die Länge. Erst, als es auf Mitternacht zuging, hatte die Jägerin es geschafft, die Nachrichten zu verfassen und zu versenden, ehe sie sich zu Bett begab. Nach dem anstrengenden und aufwühlenden Tag hätte man eigentlich erwarten können, dass sie nicht lange wach bleiben würde, doch wälzte sie sich eine ganze Weile lang herum, weil sie einfach nicht aufhören konnte, über die Umstände betreffend des 500 Jahre alten Vampirs nachzudenken. Tief in ihrem Innern ahnte sie wohl schon, in welche Richtungen ihre Emotionen gingen, doch versuchte sie - auch jetzt, wo er eigentlich den größten Teil ihrer Gedanken einnahm - diese so gut es ging zu unterdrücken. Sie schloss die Augen und sah unmittelbar vor sich, wie er mit seiner Ex-Freundin das Land verließ und nie mehr zurückkam. Sofort schnürte sich alles in ihr zu und sie hatte das Gefühl, erneut schwer atmen zu können, während sich jede Faser ihres Körpers anspannte und ein unangenehmer Schauer über ihren Rücken lief. Sie mochte es nicht. Sie mochte den Gedanken nicht, dass Aiden womöglich wieder verschwinden und sie allein und unwissend zurücklassen würde. Es beängstigte sie und bedrückte sie so sehr, dass sie beinahe wieder einen Anflug von leichter Panik verspürte und merkte, wie ihre Augen brannten. Bevor allerdings irgendwelche Tränen über ihre Wangen rollen konnten, siegte die Müdigkeit über ihren Körper und sie schlief mit einem traumlosen Schlaf ein.

Die nächsten Tage verliefen relativ ruhig und ohne weiteres Zusammentreffen der Gruppe, da die schwerreiche Wirtschaftsstudentin hauptsächlich mit ihren letzten Examen beschäftigt war und es keine neuen Hinweise gab, die ihnen im Fall des verschwundenen Liebhabers weiterhelfen konnten. Allein Gabriel war es, der regelmäßig und offen bei seiner besten Freundin vorbei sah (neben Theodore, den sie allerdings nur in der Vorlesung zu sehen bekam), um nach dem Rechten zu sehen. So kam es dann auch, dass sich die beiden Kindheitsfreunde darauf einigten, am Wochenende das besagte Date durchzuführen.

Als der Samstag anbrach, erhielt die Jägerin dann auch signifikante Informationen über einen der Toten und die Nachricht, dass ein weiterer Leichnam gefunden wurde, der aus Afrika stammte. Feinsäuberlich hatte die junge Frau dann auch die Papiere ausgedruckt und zusammengeheftet, weil sie plante, bei Theodore vorbeizusehen und diese abzugeben. Natürlich hätte sie die Gruppe anrufen und zu sich nach Hause bestellen können, doch da sie an dem Tag mit dem Werwolf ausgehen wollte, war der Zeitplan knapp. Außerdem hatte Fiora in der kurzen Zeit schon sehr oft betont, wie sie ihren eigenen Kopf durchsetzen wollte, weshalb es bestimmt keinen Unterschied machen würde, wenn sie ihr die Informationen einfach übergab und sie machen ließ.

Sie überlegte eine Weile, was sie für das Date tragen sollte. Sie wollte nicht übertreiben. Es war Gabriel, für den musste sie nicht die Beauty Queen spielen. Er kannte sie sowieso zu gut. Aber sie wollte zeigen, dass sie das ganze ernst nahm.

Schließlich entschied sie sich für einen kurzen, schwarzen Faltenrock und einen weinroten Pulli, unter dessen Kragen ein weißer Hemdskragen hervorblitzte. Sie zog den Scheitel ihrer Haare etwas tiefer und legte ein wenig Make-Up auf. Dann schnappte sie die Dokumente und verließ sie das Haus. Weit kam sie aber nicht, denn vor der Tür erblickte sie ihren ehemaligen Mitbewohner. Sie blinzelte ein paar Mal verwirrt, da sie nicht damit gerechnet hatte, ihn in der nächsten Zeit allein zu sehen.

„Oh... Aiden“, sagte sie entsprechend verblüfft und strich sich die Haare hinters Ohr, bevor sie einige Schritte auf ihn zuging und sich ein wenig umsah – fast, als ob sie sich vergewissern musste, dass er wirklich alleine war. „Ich wollte gerade zu Teddy und Fiora, um die neuesten Informationen abzugeben. Wenn du schon hier bist, kann ich sie dir gleich mitgeben? Ich habe heute nicht unbedingt viel Zeit.“

Zum ersten Mal seit dem Auftauchen seiner Ex-Freundin, lächelte sie ihn schwach, aber dankbar an, als sie ihm den Umschlag mit den Papieren überreichte, weil sie sich ausnahmsweise nicht angespannt fühlte.

Er winkte ihren Dank ab, doch seine Augen sahen ein wenig dunkler aus, während er sie musterte. „Du siehst sehr hübsch aus. Hast du was Bestimmtes vor, oder hattest du einfach Lust, dich schick zu machen?“

„Hm? Oh.. na ja“, begann Jane. „Ich treffe mich mit Gabe. Wir wollten heute mal... zusammen ausgehen. Kino und danach essen gehen oder so.“ Sie wusste nicht wieso, doch während sie sprach, beschleunigte sich ihr Puls ein wenig und eine gewisse Unbehaglichkeit machte sich in ihr breit.

Sie runzelte die Stirn, als er einen Moment mit der Antwort brauchte. Doch dann räusperte er sich und straffte die Schultern. „Schön für euch. Ich wünsche euch viel Spaß.“

Sie lächelte dieses falsche Gefühl weg und strich sich das Haar aus dem Gesicht. „Und was machst du hier? Wolltest du irgendetwas Bestimmtes von mir?“, wollte sie von ihm wissen, weil sie nicht glaubte, dass er zufällig vorbeigekommen war. Außerdem hatte sie das Thema von sich ablenken wollen.

Er blinzelte ein paar Mal, sah dann zur Seite. „Na ja... Ich habe dich vermisst“, antwortete er ehrlicher, als er eigentlich vorgehabt hatte. „Aber du bist beschäftigt, tut mir leid, dass ich dich aufgehalten habe.“

Mit diesen wenigen Worten nahm er ihr jeglichen Wind aus den Segeln. Sofort zog sich alles in ihr zusammen und das erdrückende Gefühl auf dem Brustkorb, welches sie in der vergangenen Zeit regelmäßig verspürt hatte, als sie in der Gegenwart von Aiden und Fiora gewesen war, wurde schwerer und gab ihr das Gefühl, nicht richtig atmen zu können. Nichtsdestotrotz kam Jane nicht umhin, sofort den Kopf zu schütteln.

„Nein, nein! Ich... freue mich, dass du dir Zeit genommen hast und vorbei gekommen bist. Wirklich“, gab die junge Frau ehrlich zu, wobei sie es nicht über sich brachte, ihm zu sagen, dass sie ihn genauso vermisst hatte. Unbewusst hatte sie aber ihre Hand ausgestreckt, wollte nach seiner greifen und diese drücken, doch hielt sie mitten in der Bewegung inne und zog sich zurück.

„Ich hoffe, das Ganze legt sich bald, sodass wir wieder zu unserem normalen Alltag zurückkehren können“, sagte sie mit sehr bedacht gewählten Worten. "Ich muss jetzt los. Pass auf dich auf, okay? Grüß Teddy und... Fiora von mir“, sprach die Jägerin leise, ehe sie sich zum Wagen begab und einstieg.

Durch die Frontscheibe hindurch lächelte sie ihren ständigen Begleiter noch einmal schwach an, bevor sie losfuhr und sich mit ihrem besten Freund vor dem Kino traf. Er trug schwarze Hose, ein Jeanshemd über einem weißen Shirt und ein leicht verlegenes Lächeln, das seinem gebräunten Gesicht gut stand.

„Hey“, begrüßte er sie und drückte sie ungewohnt unbeholfen an sich.

„Hi… Wollen wir rein?“

„Ja… Ich hab die Karten schon reserviert. Willst du Nachos?“

„Klar.“

Sie grinste ihn an und ging mit ihm nach drinnen. Die anfängliche Unbeholfenheit verflog schnell, während sie mit ihren Snacks auf den Filmbeginn warteten. Jedes Mal, wenn Janes Gedanken im Kinosaal abschweiften, flüsterte Gabriel ihr einen lustigen Kommentar zu. Sie kicherten so lange, bis ein älterer Mann hinter ihnen genervt: „Pscht!“, zischte, worüber sie nur noch mehr lachen mussten.

Schließlich schlichen sie möglichst schnell aus dem Kino, um dem erbosten Film-Fan zu entkommen. Noch immer lachend hielten sie vor dem Kino. Jane hakte sich auf dem Weg zu ihrem Auto wie selbstverständlich bei Gabriel unter. Erst, als sie einsteigen wollten, fiel ihr auf, dass sie noch eine Reservierung in einem hübschen Italiener in der Nähe hatten. Es war nicht so, als wären sie noch nie miteinander essengegangen, aber das Lokal war eindeutig eine Date-Location und irgendwie… Fühlte sich das seltsam an.

„Hast du… Wirklich Lust, da jetzt hinzugehen?“, fragte Jane mit ihren Autoschlüsseln spielend.

Gabriel sah sie ein wenig verblüfft an und sie dachte schon, sie hätte ihn verletzt. Doch dann lachte er und wuschelte ihr durchs Haar. Sie beschwerte sich spielerisch und schlug nach seiner Hand.

„Ich bin froh, dass du fragst! Irgendwie fühlt sich das komisch an, oder?“, stellte er fest, woraufhin sie erleichtert nickte. „Wie sieht’s aus? Pizza bei mir?“

Jane willigte ein und fuhr sie beide zum Haus des Spaniers. Unterwegs bestellte Gabriel bereits ihr Abendessen, sodass die Pizza bereits kurz nach ihrer Ankunft geliefert wurde. Das halbe Rudel war dort und es dauerte eine Weile, bis die beiden sich loseisen konnten. Doch schließlich hatten waren sie im Zimmer des künftigen Alpha und konnten es sich bequem machen.

„Jetzt im Ernst, Janie“, begann der Werwolf nach einer Weile, als sie damit begonnen hatten, die Pizza zu essen. „Was steckt wirklich hinter dieser ‚Date‘-Aktion?"

Nicht mit dieser Frage rechnend und ziemlich überrascht, hielt die Angesprochene für einen Augenblick inne, bevor sie sich auf die Unterlippe biss und den Blick ein wenig senkte.

„Du musst nicht darüber reden, wenn du nicht willst, aber... Ich kann dir nicht helfen, wenn du nicht sprichst", fuhr der junge Mann fort und lehnte sich ein wenig zurück, während er seine beste Freundin musterte, die plötzlich alles andere als selbstbewusst und resolut zu sein schien. Ihre Haltung wirkte eher ein wenig unsicher, beinahe verschüchtert.

„Es ist...“, begann die Brünette leise, bevor sie innehielt und etwas frustriert seufzte. Sie wusste einfach nicht, wo sie anfangen sollte. Die ganze Sache und ihre Gefühle waren das reinste Chaos und schienen sie immer wieder zu überwältigen.

„Hast du schon versucht, mit Teddy oder... Aiden zu reden?“, schlug der Alpha vor. Es sagte viel über Gabriels Zuneigung zu Jane aus, dass er Letzteren vorschlug. Zwar waren er und der ältere Blutsauger nicht die besten Freunde, doch wenn es um Janes Wohlbefinden ging, würde er ihn in Betracht ziehen.

Beim Namen ihres ehemaligen Mitbewohners horchte die Angesprochene kurz auf und man konnte eine ungewöhnliche Regung in ihrem Gesicht erkennen, die nicht wirklich zu definieren war. Jane sah nachdenklich auf das Pizzastück in ihrer Hand.

„Ich... ich weiß nicht genau, was los ist. Seit Fiora da ist, bin ich einfach so unglaublich gereizt und genervt“, kam es schwer seufzend über Janes Lippen.

Gabriel blinzelte ein paar Mal und betrachtete seine sichtlich frustrierte Partnerin, ehe er mit der Zunge schnalzte und etwas unzufrieden das Gesicht verzog. Der Alpha atmete tief durch, als müsste er eine schwere Entscheidung treffen.

"Du weißt es wirklich nicht...?", wollte er schließlich vorsichtig von der jungen Frau wissen.

Seine Worte verfehlten ihre Wirkung nicht und man konnte erneut an Janes Gesichtsausdruck erkennen, dass es in ihrem Kopf ratterte. Zum ersten Mal befasste sie sich richtig damit – was wohl daran lag, dass sie direkt mit dem Tatbestand konfrontiert wurde. Vor ihrem inneren Auge sah sie erneut Aiden und Fiora, wie sie nebeneinander saßen und wie er liebevoll mit ihr umging, ihr über den Kopf strich, um sie zu beruhigen und wie er sie anlächelte. Es gefiel ihr nicht – nein, sie hasste es, wie zärtlich er mit seiner Ex-Freundin umging, regelrecht an ihrer Seite klebte, wenn diese es verlangte. Es schmerzte zu sehen, dass er anscheinend mit anderen Frauen genauso umging wie mit ihr. Wieso aber keimten diese Gefühle auf, wenn sie daran dachte? Als die Vampirdame sich an Gabriel rangeschmissen hatte, hatte sie keinerlei Probleme damit gehabt. Sie hatte es lediglich als etwas unpassend und nervig empfunden.

Ihr Blick glitt automatisch zu dem jungen Mann neben ihr. Wieso hatte sie keine Mühe gehabt, ihren besten Freund gemeinsam mit Fiora zu sehen, bei Aiden aber schon?

Weil sie gehofft hatte, etwas Besonderes für ihn zu sein, schoss es ihr unwillkürlich durch den Kopf. Sie war eifersüchtig, da sie gehofft hatte, etwas Besonderes oder gar Wichtigeres für ihn zu sein, weil sie ihn lie...-! Bevor sich das letzte Wort komplett geformt hatte, weiteten sich ihre Augen. Es bedurfte keine vollständige Ausführung, weil es nun verständlich für sie war und das längst Verborgene endlich bewusst an die Oberfläche gelangt war.

Nur langsam legte sich der anfängliche Schock über die Erkenntnis, während sie ihre zitternden Finger auf ihre Lippen drückte und versuchte, das Ganze sacken zu lassen. Natürlich fiel dem Alpha auf, dass der Groschen wohl endlich gefallen war, weshalb er sie schwach anlächelte.

„Na, immerhin war unser Date erfolgreich, hm?“, versuchte er die Stimmung ein wenig zu lockern und biss vom Pizzastück ab. Schließlich hatte sie erwähnt, dass sie etwas herausfinden wollte.

Sie lachte nervös und fuhr sich durch die Haare. „Tut mir leid, ich wollte dich nicht benutzen. Ich… Schätze, ich habe gehofft, dass es sich genauso anfühlt wie bei ihm…“

„Schon gut.“ Er legte er ihr den Arm um die Schulter und sie ließ sich an seine Brust ziehen. „Ich meine, ich hatte einen lustigen Abend, und wann hat man schon mal ein Date mit so einer Frau?“

Lachend schupste sie ihn von sich, froh, dass es ihm so leicht fiel, ihre Stimmung zu heben. Er war genau, was sie brauchte, um ihre Gefühle zu sortieren. Die beiden unterhielten sich praktisch die ganze Nacht lang und Jane schüttete ihm ihr Herz aus, erzählte ihm von ihren Ängsten, Bedenken und generellen Gedanken bezüglich des ganzen Umstandes, ehe sie selbst zum Entschluss kam, nichts an der momentanen Beziehung zu Aiden zu ändern. Es war ihr zu riskant und sie war in der Hinsicht ein richtiger Feigling.

Die Unterhaltungen der Kindheitsfreunde verlagerte sich nach einer Weile (und nachdem Jane glaubte, genug darüber geredet zu haben) auf andere Themen, sodass beide in der Hitze der Diskussion völlig die Zeit vergaßen und die junge Frau kurzerhand entschloss, beim Werwolf zu übernachten und erst gegen den Vormittag des nächsten Tages nach Hause zu fahren. Seine Gesellschaft tat ihr gut und sie wollte gerade nicht alleine mit ihren Gedanken sein.



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