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Herzblind

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
So...kein langes Vorgeplänkel: Komplett anzeigen

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.sechzehn

Ich zucke zusammen, als sich eine Hand auf meine Schulter legt und als ich hoch sehe, bin ich völlig irritiert.

»Mathis?«, frage ich heiser und bin irgendwie überrascht darüber. Mathis lächelt leicht.

»Mark hat angerufen und gesagt, dass du hyperventiliert hättest oder sowas«, erklärt er ruhig und setzt sich in einigem Abstand neben mich. Ich nicke nur und langsam merke ich, dass mir wirklich alles weh tut. An die letzten Minuten kann ich mich nicht einmal mehr erinnern. Mein Blick fliegt zur Uhr und sie zeigt eine Zeit an, die eine Stunde nach meinem Zeitgefühl liegt. Was ist passiert?

»Du hast nach Luft geschnappt und bist dann zusammen geklappt. Du hast die anderen ganz schön erschreckt und mich ehrlich gesagt auch. Ich wusste nicht, dass du dazu neigst«, sagt Mark leise und ich bemerke ihn jetzt erst. Er sieht mich ernst an und ich nicke wieder nur.

»Und ich dachte, dass du nur bei Prüfungsangst Panik kriegst, was war denn?«

Ich sehe Mathis an und plötzlich fällt es mir wieder ein. Meine Augen werden groß und ich schnappe nach Luft.

»–as‘ Wagen«, presse ich atemlos hervor. Mathis greift nach meinen Schultern und drückt sie leicht nach hinten.

»Ganz ruhig, nicht so schnell atmen. Tief ein und aus und langsam«, sagt er bestimmt und versuche das umzusetzen. Meine Gedanken drehen sich. Elyas hatte einen Unfall. Wo ist er?

»Was war denn los, als das passiert ist?«

»Er hat den Unfallwagen von einem Totalschaden übernehmen sollen. Da war Blut dran, kannst du kein Blut sehen?«

Ich schüttle den Kopf.

»...–lyas!«, keuche ich und werde wütend, weil ich immer noch keine Kontrolle über meinen Körper habe. So heftig hatte ich noch nie auch nur irgendetwas in Richtung Panik.

»Lyas?«

»Elyas!«, krächze ich aufgebracht und schlucke schwer. Aber endlich scheint zumindest Mark zu verstehen.

»Das ist Dr. Schäfers Wagen?«

Ich nicke nur und mir fällt mein Handy ein. Ich ziehe es aus meiner Hose, aber meine Finger zittern so sehr, dass es runter fällt.

»Hey, Gabriel, ganz ruhig, das muss nichts heißen, okay?«

Ich möchte Mathis am liebsten den Hals umdrehen, aber hab kaum die Kraft mein Handy wieder auf zu heben.

»Kümmer‘ dich um ihn, ich komme gleich wieder. Ich hab eine Idee!«, höre ich Mark ernst sagen und dann ist er aus der Umkleide verschwunden. Ich bin dankbar, dass ich anscheinend allein hier sitze, auch wenn ich nicht weiß wie ich hier gelandet bin und der Gedanke, dass meine ganzen Kollegen es gesehen haben...meine Augenwinkel fangen an zu brennen.

Elyas...

»Gabriel? Versuch dich zu beruhigen, okay? Ich kann Moritz anrufen, der kann Elyas‘ Vater fragen und dann finden wir raus wo er ist, in Ordnung?«, meint Mathis nun und ich nicke, aber versuche jetzt selbst zu wählen um erst mal Elyas selbst anzurufen. Es wird nichts, weil ich kaum ordentlich wählen kann. Dann geht die Tür wieder auf und Mark kommt zurück.

»Er ist in der zentralen Notaufnahme am Marienhospital. Ich hab Alex angerufen, er arbeitet da. Ich weiß nicht wie es ihm geht, das durfte er mir nicht sagen, aber Elyas ist da, okay? Deshalb zieh’ dich jetzt um und dann fährt Mathis dich dahin und dann fragst du nach Alexander Rudiks, er bringt dich zu ihm«, erklärt Mark mir langsam und deutlich. Ich nicke nur. Das ist einfach zu viel.
 

~

Elyas PoV
 

»Autsch!«, fluche ich leise und bekomme einen Blick von der Ärztin, der mich die Augen verdrehen lässt. Wie auch immer sie die Betäubung gesetzt hat, sie wirkt nicht richtig und deshalb tun die Stiche, die sie setzt um mir die Wunde an der Stirn zu vernähen, echt weh. Ich lasse besser nicht raushängen, dass ich Tierarzt bin, weil wir von Humanmedizinern nicht Ernst genommen werden. Es ist nicht so, dass ich behaupten würde einen Menschen behandeln zu können, aber eine Betäubung richtig setzen und vernähen kann ich auch und Humanärzte üben nicht umsonst erst an Schweinefüßen oder vergleichbaren Tierhautelementen.

Ich weiß nicht wieviel Zeit vergangen ist, seit ich eingeliefert wurde, weil mein Handy in meinem nun wohl schrottreifen Auto lag, als ich ausgestiegen bin, und jetzt wohl sicherlich ebenso schrottreif ist. Aber mittlerweile ist klar, dass ich nur eine leichte Gehirnerschütterung und eine Platzwunde an der Stirn habe, von den leichten Prellungen abgesehen. Beim Abbiegen wurde ich nämlich geschnitten und nachdem ich ausstieg um mir den Schaden anzusehen — ebenso wie der, der mich geschnitten hatte und nun anbrüllte, weil er sich im Recht sah — kam plötzlich ein LKW an, der aufgrund der nassen Fahrbahn nicht rechtzeitig zum Stehen kam und meinen treuen Wagen platt fuhr. Im Grunde bin ich froh, dass ich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr drin saß. Der LKW-Fahrer auch.

Der stand unter Schock, ich angeblich auch und deshalb wurde ich von einem Polizisten dazu genötigt mit einem der angerückten RTWs in ein Krankenhaus zu fahren. Die Platzwunde am Kopf war wohl auch ausschlaggebend. Und hier bin ich seit...gefühlt 10 Stunden.

»So, damit...sind sie fertig. Und sie wollen wirklich nach Hause?«, fragt die Ärztin noch einmal und ich nicke.

»Ich hab nicht mal wirklich Kopfschmerzen und ich kann Krankenhäuser nicht leiden. Ich hab Familie die sich um mich kümmert«, erkläre ich frei weg und beobachte wie die Dame ein Pflaster auspackt und es auf die genähte Wunde klebt. Sie ist effizient, aber nicht sehr vorsichtig. Ich verkneife mir lieber jeden Kommentar dazu.

»Gut, dann beachten Sie bitte, dass sie die nächsten Tage strenge Ruhe halten sollen und wenn noch irgendwelche Schmerzen auftreten, dann kommen sie zurück. Und für die nächsten Tage auch kein Autofahren, keine Arbeit am PC oder generelle Bedienung schwerer Maschinen. Sie kriegen ein paar Schmerztabletten mit und einen Brief für den Hausarzt«, rattert sie gelangweilt runter und krakelt auf meinem Patientenblatt rum. Ich bin nur froh, dass noch keiner weiß, was passiert ist.

Mich ganz aufsetzend ziehe ich etwas steif meinen Pulli wieder an, der leider Blut abbekommen hat. Was müssen Kopfwunden auch so bluten? Hoffentlich kriege ich das raus. Vielleicht weiß ja Anna was.

»Dann...gute Besserung. Auf Wiedersehen« Ich blinzele sie an und merke zum ersten Mal, wie seltsam es für andere sein muss das von ihrem Arzt oder dem Arzt ihres Tieres zu hören, wenn sie eigentlich hoffen, dass es kein baldiges Wiedersehen gibt.

Trotzdem nehme ich die Hand an, schüttele sie und verabschiede mich. Sie geht und lässt mich damit zurück in diesem sterilen, weiß-grauen Raum. Ich hasse Krankenhäuser wirklich. Vielleicht ist unsere Tierklinik deshalb auch so bunt gestaltet? Die Schwester, die noch die letzten Reste der Behandlung weg räumt, sagt mir wo ich die Entlassungspapiere abholen kann und nachdem auch sie gegangen ist, ziehe ich mir langsam die Jacke an. Auch hier drauf ist ein Blutfleck zu sehen und ich will gar nicht wissen wo ich morgen überall blaue Flecken haben werde, aber eigentlich ist das fast das geringste Problem. Denn ohne Handy muss ich jetzt eine Möglichkeit finden zu telefonieren, damit mich jemand abholt und am besten jemand, der nicht in Ohnmacht fällt, weil ich einen Unfall hatte. Und an den ganzen Organisationsquatsch mit den Versicherungen und der Polizei und allem will ich nicht mal denken. Verdammter BMW–Fahrer, ich hatte eindeutig Vorfahrt. Rechts vor links bedeutet auch rechts vor links wenn es regnet. Vielleicht sollte ich mir einen Anwalt nehmen und den alles machen lassen?

»...Elyas!?«, die Stimme ist so heiser, dass ich sie erst zuordnen kann, als ich in die Richtung sehe und jetzt selbst erschrocken blinzle. Gabriel steht da. Nass, zerzaust, bleich und zittert wie Espenlaub. Mathis taucht hinter ihm auf und ich will grade fragen, wie die beiden hier her kommen, als Gabriel in die Knie geht.

Rein aus Reflex laufe ich zu ihm und knie mich hin. Er weint. Wieso weint er?

»Gabriel, hey...was ist?«, frage ich völlig verwirrt, aber er schluchzt leise und schüttelt nur den Kopf, sein Gesicht mit den Händen versteckend. Mein Hals wird eng. Ich hab ihn noch nie weinen sehen. Und ich hätte ihn auch nie weinen sehen wollen. Nicht so.

»Dein Wagen wurde zu ihnen in die Werkstatt gebracht, wegen der Gutachterbewertung und so. Er ist völlig zusammengeschoben und kaputt«, erklärt Mathis leise.

Oh scheiße. Natürlich. Ich war auf dem Weg in die Werkstatt, weil ich vor dem Einkauf noch mit Gabriel reden wollte. Ich war in der Nähe als mich der Idiot erwischt hat. Die Wahrscheinlichkeit, dass mein Wagen dann da landet um die Straße wieder frei zu machen, war gar nicht so klein. Und mein Handy war im Wagen.

»Mir geht’s gut, Gabriel, wirklich. Ich saß gar nicht mehr drin, als der LKW da drauf gekracht ist. Nur ein paar blaue Flecken und Schrammen, echt«, murmle ich leise, bevor ich nicht anders kann und ihn einfach in den Arm nehme und an mich drücke. Er schluchzt wieder leise auf, bevor seine Hände sich bewegen und im nächsten Moment klammert er sich an mich.

Elisa hat Recht. Ich kann wirklich ein Arsch sein. Denn ausgerechnet jetzt wird mir klar, dass ich mich wirklich schon längst in Gabriel verliebt habe.

Wann ist das passiert?
 

~
 

»Schläft er immer noch?«

Ich nicke leicht und atme tief durch. Weil der Sturm draußen jetzt wirklich stark geworden ist, habe ich mich überreden lassen mit in die WG zu kommen, auch damit Mathis nicht so weit raus und wieder zurück fahren muss. Gabriels heftige Reaktion auf meinen Unfall hat sich mittlerweile zwar beruhigt, aber trotzdem kann ich sie kaum einordnen. Mein nach Erwiderung lechzendes Herz flüstert, dass es genau daran liegt, während mein Verstand, immer noch im Einzelgänger Modus, mir klar machen will, dass ich froh sein sollte, wenn nicht auch noch er Gefühle für mich entwickelt hat.

Anna kommt ganz ins Zimmer, zieht die Decke etwas höher und Gabriel drückt seine Nase noch näher gegen meine Brust. Mathis hatte sie und Elisa angerufen, nachdem wir hier ankamen und auch wenn beide ebenfalls erschrocken und besorgt waren, waren sie um einiges ruhiger in ihrer Reaktion. Zwar konnte Mathis sie nicht davon abbringen vorbei zu kommen, aber selbst dann kümmerten sie sich nur um etwas zu Essen und Elisa bat Mathis sogar zwischendurch an sich seine Arbeit anzusehen. Sie versicherten sich nur, dass es mir gut geht und Elisa scherzte dann sogar, dass ich froh sein könnte die Tasse vergessen zu haben, weil die den LKW sicherlich ebenso wenig überlebt hätte wie mein Auto. Irgendwie war ich froh, dass Gabriel da schon schlief und es gar nicht mehr mitbekommen hat. Ich bin mir eh nicht ganz sicher, was er überhaupt mitbekommen hat vom Rückweg. Erst hier oben hat er gemurmelt, dass ich mich ausruhen müsste und mir sein Bett fast aufgedrängt. Ich hab nachgegeben, damit er sich auch ausruht.

»Momo ist grade von der Arbeit gekommen. Er hat deinem Vater Bescheid gesagt und der lässt ausrichten, dass du dich auskurieren sollst und wir dich notfalls ans Bett fesseln sollen, wenn du nicht liegen bleiben willst. Er ruft morgen im Laufe des Tages mal an, hat er gesagt. Und auf einigen Straßen liegen wohl Äste und so, deshalb schlafen wir heute Nacht auch hier. In dem leeren Zimmer, nebenan. Ist ja groß genug«, erklärt sie leise und ich nicke wieder nur.

»Dir geht es gut?«, fragt sie dann und ich sehe auf, wieder nickend.

»Mir ja, aber Gabriel...«

Anna nickt nur und steckt die Decke leicht an seinem Rücken fest. Für einen Moment kommt die Erinnerung wieder hoch wie Marie das bei ihm gemacht hatte, als er krank war.

»Mathis hat erzählt, dass er von Gabriels Arbeitskollegen angerufen wurde. Als er gemerkt hat, dass das dein Wagen ist, hat er hyperventiliert und ist zusammen geklappt. Er wusste nicht, dass du nicht mehr drin gesessen hast. Er wusste nur, dass es dein Wagen ist und ein LKW den so zugerichtet hat. Sein Arbeitskollege, Mark, hat dann über die Unfallstelle die nächstgelegene Notaufnahme raus gefunden und Glück gehabt, weil ein Freund da wohl arbeitet. Der durfte natürlich nicht sagen was du hast, aber hat bestätigt, dass du da bist und dann ist Mathis mit Gabriel ins Krankenhaus, wo sie nur die Zimmernummer bekommen haben. Er wusste die ganze Zeit nicht, wie es dir geht und an dein Handy geht direkt die Mailbox«, erklärt sie leise und so vorsichtig, als sei sie sich nicht sicher ob sie es überhaupt erzählen darf. Ich schlucke schwer.

Seine Reaktion ist wirklich um einiges nachvollziehbarer, aber auch als er gesehen hat, dass es mir gut geht, hat er nicht losgelassen. Nicht einen Zentimeter mehr als notwendig.

»Anna? Wie darf ich das verstehen? Wie wichtig bin ich ihm, wenn er so reagiert? Du kennst ihn doch mit am besten«, frage ich dann heiser. Anna lächelt leicht und streicht Gabriel über den Kopf, bevor sie wieder aufsteht.

»Das solltest du ihn besser selbst fragen, aber eigentlich weißt du doch schon, wie du das verstehen möchtest, nicht wahr?«

Anna ist fast so schlimm wie Elisa. Ich brumme leise bevor ich schwer seufze. Ich weiß wie ich das verstehen will. Ich weiß nur nicht ob ich das auch so verstehen kann.

»Schlaf auch etwas. Du sollst dich eh ausruhen und wir sind ja da, falls was ist«, sagt sie leise, löscht das Licht und schließt die Tür bis auf einen kleinen Spalt. Es ist eigenartig die leisen Geräusche der anderen zu hören, während ich jetzt versuche einzuschlafen, weil es bei mir immer still ist. Ich kann hören, wie Elisa fragt wie es aussieht und was Anna antwortet, worauf Momo seine Erleichterung zum Ausdruck bringt. Mathis erwähnt, dass er Nuri schon Bescheid gegeben hätte und sie aber nicht von der Arbeit weg kann, weil die Feuerwehr die Straße gesperrt habe.

Draußen weht der Wind wirklich lautstark ums Haus und man kann das Rauschen und Trommeln des Regens hören, der an die Scheiben klopft. Sonst war ich immer genervt von den Stürmen in Hamburg, die manchmal sogar die halbe Stadt lahm legten. Doch jetzt grade verstehe ich zum ersten Mal, was Elisa meinte, als sie versucht hat mir die positive Seite eines Sturms zu erklären. Wenn man einen Sturm mit den richtigen Leuten verbringt, dann fühlt man sich zu Hause.

Und oh mein Gott bin ich froh, dass grade keiner wach oder hier im Zimmer ist um zu merken wie kitschig meine Gedanken eigentlich sind.
 

~

Gabriel PoV
 

Ich werde davon wach, dass jemand leise keucht, doch bevor ich mich orientieren kann habe ich meinen Kater auf meinem Gesicht stehen. Ich bin so müde, dass ich grade keine Geduld für Mowglis Launen habe, wirklich nicht. Aber plötzlich ist sein Gewicht weg. Es gibt ein leises, dumpfes Geräusch neben dem Bett, ein empörtes Maunzen und dann quietscht meine Tür kurz.

»Er hat echt eine Vorliebe für dein Gesicht, oder?«, höre ich Elyas verschlafen fragen, bevor er mich wieder an sich zieht und tief durchatmet. Für eine Sekunde bin ich verwirrt. Dann fällt mir alles wieder ein und mir wird schlecht.

»D-Der Unfall!«

»Mir geht es gut, Gabriel. Nur ein paar kleine Prellungen, eine Kopfwunde und eine leichte Gehirnerschütterung«, murmelt er müde. Ich atme tief durch. Mir kommt es so vor, als ob ich das schon einmal gehört habe. Aufgrund der Uhrzeit, die mir entgegen leuchtet, als ich den Kopf zu meinem Wecker drehe, halte ich das für durchaus möglich. Es ist nämlich mitten in der Nacht.

Als Alex Mathis und mir nur eine Zimmernummer genannt hat, weil er nur das darf, habe ich Elyas schon an Kabeln, Schläuchen und Geräten im Koma liegen sehen. Als er dann da auf dem Flur stand und einfach genervt auf einen Blutfleck auf seiner Jacke gestarrt hat...die gleiche Erleichterung durchflutet mich jetzt auch wieder und meine Augenwinkel fangen an zu brennen.

»Mir geht es wirklich gut, okay? Tut nur hier und da was weh, aber das geht wieder weg. Glaubst du mir das?«

Weil ich einen so großen Kloß im Hals habe, nicke ich nur und drücke meine Nase gegen seine Schulter. Mir ist grade völlig egal, wieso wir in meinem Bett liegen und warum er hier ist. Meine Erinnerungen sind unglaublich schwammig und durcheinander. Ich bin einfach nur froh, dass er hier ist.

»...gibt es einen Grund, warum du so Panik bekommen hast?«, fragt er leise und ich nicke wieder. Ich könnte mir jetzt was aus den Fingern saugen und Ruth ins Spiel bringen und vielleicht spielt diese Schockerfahrung von damals auch rein, weil wir tagelang fürchten mussten, dass Ruth ihren Unfall vielleicht nicht überlebt, aber eigentlich hatte ich nur Angst, dass Elyas stirbt oder sogar schon tot ist. Ich habe nicht eine Sekunde an Ruth oder irgendjemand anderen gedacht. In meinem Kopf war nur Elyas.

»Sagst du es mir?«, fragt er leise und ich spüre, dass er mir über den Kopf streicht. Noch sanfter als letzte Woche. Oh verdammt, das ist jetzt echt der unpassendste Zeitpunkt um eine Gänsehaut zu bekommen, wirklich.

Wie kann man so schnell von völlig durch den Wind und eigentlich auch verzweifelt zu, bitte lass mich nicht mehr los, damit ich weiter in diesem Strom an Wohlgefühl und Glück vor mich hin treiben kann , verkommen? Ich bin doch bescheuert.

Ein fieses Stimmchen, das eine erschreckende Ähnlichkeit zu Nuris Stimmfarbe hat, flüstert mir zu, dass ich einfach nur total verliebt bin und sowas dann normal ist. Irgendwie ist das sehr peinlich.

»...du musst nicht, wenn du nicht willst. Ich will es nur...verstehen«, höre ich Elyas leise neben meinem Ohr murmeln und mir wird heiß. Sind das diese ganzen Gefühle, die in einem hoch kommen sollten, wenn man eine Beziehung führt? Dieses Kribbeln und diese Nervosität? Bis jetzt hatte ich immer nur eine mehr oder weniger starke Art von Zuneigung, mit der Hoffnung auf mehr. Eine angenehme Wärme, wenn ich mich wohl gefühlt habe, aber nicht dieses überwältigende Bedürfnis unbedingt weiter diese Nähe zu spüren. Oh, wieso ist das so aufregend?

»Gabriel? Schläfst du wieder?«

Um endlich mal zu reagieren, schüttele ich den Kopf und höre, dass Elyas aufatmet. Ich sollte mich später mit meinen Gedanken beschäftigen und nicht grade wenn jemand mit mir reden möchte. Ich räuspere mich leicht und atme tief durch.

»Ich...kann das schlecht erklären«, sage ich dann leise. Wie soll ich das auch erklären? Es gibt eine Erklärung und die ist sogar recht einfach dafür, dass sie alles kompliziert machen wird. Elyas brummt leise, atmet tief durch, stockt dann und zieht leise zischend Luft durch seine Zähne.

Ich taste erschrocken nach dem Knopf meiner Nachttischlampe.

»Nicht, schon gut«, nuschelt er etwas angestrengt, aber hält meine Hand fest. Dieses auf und ab bekommt mir wirklich nicht gut. Ich schlucke schwer und suche in der Dunkelheit seinen Blick. Ich glaube zu sehen, dass er lächelt.

»Der Gurt hat nur einen guten Job gemacht. Ich darf nicht zu tief durchatmen«, erklärt er leise und ich gebe nach, lasse meine Hand runter auf die Decke ziehen und nicke leicht.

»Du hättest vielleicht da bleiben sollen«, sage ich leise. Es wäre vernünftig gewesen, egal wie gut es grade tut, dass er hier direkt neben mir liegt.

»Ich kann Krankenhäuser nicht leiden und ich bin lieber hier als da«, erklärt er ruhig. Nun klingt er sehr überzeugt. Ich muss schmunzeln.

»Ach echt?«

»Ja, echt. Du bist doch hier«

Mein Herz hüpft. Ich schlucke schwer. Mir wird heiß.

»Elyas? Ich muss dir was sagen...«, krächze ich heiser und während irgendwas in mir drängt, es aus zusprechen halte, ich es gleichzeitig für absolut dämlich.

»Was?«, fragt er leise. Ich hebe den Blick, beiße mir auf die Unterlippe und setze an es wirklich zu sagen, aber mein Mut verpufft mit einem Wimpernschlag.

Wie können Menschen bitte gern verliebt sein, wenn es so anstrengend ist?

»Ehm...«, kommt mir über die Lippen und Elyas lacht. Mir läuft ein Schauer über den Rücken. Krötendreck. Ich bin 27, da müsste ich doch in der Lage sein zu sagen, was ich möchte.

»Gabriel?«

»...J-Ja?«

»Ich muss dir auch noch was sagen.«

Ich setze zu einem »Was« an, aber dieses Wort verkümmert zu einem undeutbaren Geräusch, weil sich etwas gegen meinen Mund drückt. Weil er seinen Mund gegen meinen drückt.

Weil Elyas mich küsst.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Versöhnt? Ich hoffe doch x"3
Allen, die noch etwas mehr Fluff brauchen, möchte ich den OS Dezemberregen and Herz legen. (M)Ein Adventskalender–Türchen von gestern ;3 Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Yamasha
2017-12-04T11:50:54+00:00 04.12.2017 12:50
Eindeutig versöhnt. Mehr als das! Ich zerfließe grade vor Fluff und Freude! <3 das ist einfach so süß!!! Ich bin unheimlich froh, dass es Elyas gut geht und er eigentlich nur genervt von dem Blutfleck ist... Und irgendwie ist Gabriels Reaktion auch verständlich, wenn auch ziemlich heftig. Aber jetzt das Ende ist toll! Wie Elyas ihn einfach küsst, damit endlich mal klare Verhältnisse geschaffen werden... Deshalb ist dieser Cliffhanger grad auch so gemein!!! Ich will nicht auf Mittwoch warten!
Antwort von:  Schwarzfeder
06.12.2017 11:16
Gabriel war halt völlig am Ende mit den Nerven. Erst das hyperventilieren und dann sagt ihm keiner was los ist. Da kann einen die Erleichterung schon mal ganz schön von den Füßen holen, aber danke und ich hoffe das warten hat sich wenigstens gelohnt :")
Von:  chaos-kao
2017-12-04T09:07:05+00:00 04.12.2017 10:07
Puh, da hat Elyas echt Schwein gehabt! Gut, dass er es ziemlich heil überstanden hat! Jetzt müssen die beiden nur endlich zusammen finden :D
Antwort von:  Schwarzfeder
06.12.2017 11:14
Tja, ob sie das jetzt noch gebacken bekommen? x"D
Danke
Von:  Laila82
2017-12-03T21:37:05+00:00 03.12.2017 22:37
Versöhnt... so schön das Kapitel. Freue mich aufs Nächste.
Antwort von:  Schwarzfeder
06.12.2017 11:12
Das freut mich ;)


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