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Hundstage

Kein Hund wie jeder andere
von

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In der Holding

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Als der Inu no Taishou seine junge Gemahlin am Mittwoch Morgen im Pavillon abholte, stellte er fest, dass sie entweder über einen guten Geschmack verfügte oder Misako sie hervorragend beraten hatte. Ihr Kimono war eindeutig passend für eine Fürstengemahlin, aber sie trug nur zwei Lagen und ihre langen, dichten Haare als Schmuck, natürlich neben dem Diamantring, den er ihr zur Hochzeit gekauft hatte. Es ging ja ins Büro. Da sie ihn ein wenig besorgt ansah, nickte er bestätigend. „Sie sehen bezaubernd aus. Kommen Sie.“

Diesmal fuhr er nicht selbst, stellte Izayoi rasch fest, sondern mit Chauffeur. Ach ja, er hatte ja etwas von Fahrer und Leibwächter erwähnt, der sie auch begleiten sollte. Der Taishou stellte ihn ihr als Taro vor, und da er Hotaru, der Heilerin, ähnlich sah, vermutete sie auch in ihm einen Katzenyoukai. Sie stieg, da ihr die Tür hinter dem Beifahrersitz geöffnet wurde, auch dort ein, erkannte dann, dass ihr Ehemann neben ihr Platz nahm, während sich der Chauffeur vor die offenbar dicke Glasscheibe ans Steuer setzte. Sie war ein wenig überrascht, dass der Fürst hinten saß, aber natürlich, dort saß eigentlich stets der Ranghöchste im Auto. Dennoch zupfte sie unwillkürlich etwas an ihrem Kimono, um ihn nicht zu berühren. Das schickte sich doch bestimmt nicht, oder?

„Geben Sie sich keine Mühe, meine Liebe.“ Er schmunzelte. „Wenn Sie sich erinnern, kamen Sie mir schon deutlich näher.“

Sie wurde prompt rot. „Verzeihung, das … ich dachte, ich würde Sie belästigen.“ Sie sah lieber auf ihren Schoß. Ach, war das peinlich so getadelt zu werden.

Kaum, dachte er. Seit dem Waldspaziergang wünschte er sich, dass sie beträchtlich näher kommen würde, am Besten gleich ganz ohne Kleidung – aber da wartete wohl noch ein weiter Weg auf ihn. „Sie fallen mir weitaus lästiger, wenn Sie mich nicht ansehen. - Na also. Wir gehen in der Zentrale zum Lift, fahren dann in den sechzehnten Stock. In dem dortigen Besprechungsraum werde ich Ihnen Ihre Mitarbeiter vorstellen. Es handelt sich um acht Personen, drei Youkai und fünf Menschen. Danach überlasse ich Sie Ihren Gesprächen, was auch immer Sie dort wissen wollen. Eine junge Frau, deren Name mir nicht einfällt, ist die Zuständige für die Computer und soll dann auch Ihren Laptop im Schloss verbinden. Gegen halb eins werde ich Myouga zu Ihnen schicken, um Sie abzuholen. Ich habe einen Tisch in einem Restaurant in der Nähe reservieren lassen, das hauptsächlich von Youkai besucht wird.“

Sie starrte ihn überrascht an, plötzlich unbekümmert ob der Tatsache, dass seine Augen so goldfarben schimmerten. „Wenn ich fragen darf – Sie sagten doch, Sie würden nichts zu essen benötigen?“

„Ja. Aber zum Einen essen andere Youkai gern etwas, da sie es auch brauchen, zum Anderen möchte ich Ihnen gern Gesellschaft leisten.“ Mit einem winzigen Lächeln ergänzte er: „Das ziemt sich so für ein junges Ehepaar.“

„Ja, natürlich, ich denke schon.“ Ihr wurde allerdings ein wenig unheimlich bei der Vorstellung, dass sie essen sollte und er sie nur beobachtete. Nun ja, sie hatte auch im Wald allein gegessen und getrunken. Was wäre schon dabei? Nur, weil andere Personen, Youkai, in der Nähe waren? „Ich habe mich dann mit meinen Freundinnen gegen drei verabredet, in dem Café … oh, mir fällt der Name nicht ein. Es liegt gleich bei der U-Bahn-Station der Taishou-Holding, am Rande der Grünfläche. Ich dachte, da komme ich bestimmt in der Zeit hin.“

„Es heißt Ichigiku, nach den Feigenbäumen, die dort wachsen,“ erklärte er prompt zu ihrer Überraschung und schien erheitert, als sie ihn erneut anstarrte. Jedenfalls trat wieder dieser schelmische Funken in seine Augen. „Meine Liebe, der Park und alle Gaststätten dort gehören mir.“

Sie musste doch lächeln. „Ich sehe jetzt, wie reich ich geheiratet habe. Das Lokal, in das wir essen gehen, gehört Ihnen zufällig auch?“

„Nein.“ Sie lächelte und ihre Augen glitzerten im gleichen Amüsement. Das gefiel ihm viel besser als die Tränen des ersten Tages. „Es heißt Arashi. Es gehört vier Geschwistern mit Namen Toran, Karan und Shunran, dazu der Bruder Shuran. Sie werden vermutlich Toran kennenlernen, sie leitet den Service. Sie sind Panther, etwas anders als Taro hier, aber sehr menschlich, würde ich sagen.“

„Sie haben sie besiegt, wie alle Youkai?“

„In diesem Fall ihren Vater, zwei Mal. Überdies, meine Teure, man muss Youkai nicht immer im Kampf besiegen, um sie zu beherrschen.“

„Verzeihen Sie,“ bat sie sofort.

Er legte langsam seine Klaue auf ihre Hand, durchaus angetan, dass sie sie nicht fortzog. „Sie haben noch sehr viel zu lernen. Fragen Sie nur.“

 

Izayoi war sehr aufgeregt, als sie hinter dem Taishou den Besprechungsraum betrat, zumal sich die dort Anwesenden vor ihr verneigten. Nein. Nicht vor ihr, vor dem Konzernherrn. Aber sie wusste, dass der erste Eindruck oft zählte, und so bemühte sie sich ruhig zu wirken, als ihr die Menschen und Youkai vorgestellt wurden, möglichst sich auch alle Gesichter zu merken. Die Namen kannte sie aus den Akten. Mit ihnen alleingelassen, bat sie sie Platz zu nehmen und begann Fragen zu stellen, die sie beim Durchblättern der Ordner gefunden hatte – und die ihr ausführlich beantwortet wurden. Falls jemand überrascht war, wie gut sie sich eingelesen hatte, so zeigte es niemand, aber sie hatte das Gefühl, als Myouga sie abholte, dass sie sich ganz gut geschlagen hatte. Kawasaki-san würde am Freitag in das Schloss kommen und ihren Laptop mit den Computern des Konzern, bzw. der Abteilung hier verbinden und auch die Kalender auf den ihren umschalten.

Myouga hüpfte im Gang auf ihre Schulter. „Darf ich fragen, wie es Ihnen ergangen ist, Izayoi-sama?“

Sie stutzte. „Ich hoffe gut, Myouga-san. Wollen Sie das dem ... oyakata-sama mitteilen?“

„Es war eine rein persönliche Frage, Izayoi-sama. Es ist für Sie doch sicher das erste Mal,“ plusterte sich der kleine Flohgeist förmlich auf, seine Frage schon bereuend. Ach du je, wenn sie das dem Taishou erzählte, würde der ihn mindestens platt drücken. Zuviel Neugier schadete auch einem Berater. „Ich dachte, ich könnte Ihnen womöglich behilflich sein.“

„Danke, ich komme gern darauf zurück, wenn es nötig sein sollte.“ Ihr Lächeln milderte die Ablehnung. Sie war noch immer bemüht als stark und gelassen dazustehen.

Jahrhundertelange Erfahrung ließ das Myouga wissen. So sprang er lieber voraus: „Hier, die Tür, wenn Sie sie bitte öffnen würden? Das ist das Vorzimmer des Herrn, das menschliche. Die Leiterin ist Frau Suzuki.“

Izayoi war etwas verblüfft, dass es zwei Vorzimmer gab, öffnete jedoch. Die drei Frauen dort sahen sich rasch um, dann kam die Älteste auf sie zu und verneigte sich.

„Izayoi-sama, mein bescheidener Name ist Suzuki-san. Oyakata-sama erwartet Sie bereits. Wenn Sie mir bitte folgen würden?“ Die Chefsekretärin stellte für sich fest, dass die so überraschend aufgetauchte neue Herrin jung und durchaus hübsch war. Was jedoch faszinierend an ihr wirkte, war ihr unglaublich langes und dichtes Haar. Das zu pflegen musste ein Vermögen kosten und ungemein Zeit. Und sie besaß eine Tochter im Teenageralter, die an langen Haaren einen Narren gefressen hatte, allerdings nicht die Disziplin zu einer aufwendigen Pflege mitbrachte. Vermutlich, weil sie momentan für einen Youkai schwärmte, diesen Byakuya oder so ähnlich, irgendein Rockstar, der immer mit Origamikranichen um sich warf. Leider hatte ihre Tochter einen gefangen und bildete sich, wussten die Götter was, darauf ein. Aber selbst der Youkai konnte nicht mit dem Haar der neuen Fürstengefährtin mithalten. Sie öffnete die Tür. „Ihre Gemahlin, oyakata-sama.“ Zum stillen Vergnügen der Chefsekretärin erhob sich der Konzernherr unverzüglich und kam höflich hinter seinem Schreibtisch hervor, während Izayoi an ihr vorbei schritt. Noch während Frau Suzuki diplomatisch die schalldichte Tür von außen schloss, sah sie, dass sich die junge Dame tief verneigte, aufrichtete und nach drei Schritten erneut tief verbeugte. Altmodisch. Nun ja. Der Herr war eben ein Youkai.

 

Den Taishou bekümmerte es nicht, was eine Sekretärin dachte, zumal, als bei der zweiten Verneigung Izayoi anscheinend so bemüht war, alles richtig zu machen, dass sie sich zu tief verbeugte. Nun, jedenfalls soweit, dass ihre Haare rechts und links über ihre Schultern flossen und ihren weißen Nacken entblößten. Ein ungemein atemberaubender Anblick bei einer in einem Kimono bis zum Hals verhüllten Frau, dachte er nur, und stand ohne nachzudenken hinter ihr.

Sie richtete sich eilig auf, besorgt, ob sie etwa einen Fehler gemacht hatte, als sie seine Hände leicht auf den Schultern spürte.

„Bitte, bewegen Sie sich nicht.“

Sie gehorchte, seltsam angerührt, dass er bat statt zu befehlen. Was war nur los? Seine Finger strichen ihre Arme hinab, berührten leicht die ihren, etwas, das ihr ein seltsames Kribbeln im Bauch verursachte, das sie noch nie empfunden hatte, nicht einmal, als er ihr Handgelenk geküsst hatte.

Oh ihr Götter, dachte sie dann nur, als sie seine Lippen warm und weich, behutsam, auf ihrem Nacken spürte. Was war nur mit ihr los? Warum wurde ihr so heiß? Und wieso hatte sie plötzlich das unbestimmte Bedürfnis sich an ihn lehnen zu wollen? Seine Finger umschlossen noch immer sanft die ihren, dabei die Kimonoärmel etwas empor schiebend, aber sie konnte jetzt auch fühlen, dass sich seine Daumen in zarten Kreisen auf den Innenseiten ihrer Handgelenke bewegten. Sie wurde glühend rot, ihr war viel zu heiß. Was war nur los? So hatte sie noch nie jemand berührt! War das Youkaiart? Aber wieso reagierte ihr Körper so … fremd? Seit dem Tod ihrer Mutter hatte sie niemand mehr auch nur angefasst, sah man von ihrer Lehrerin ab, wenn die ihr den Kimono abzog oder ihr erklärte, wie sie den Fächer zu halten hatte. „Bitte, nicht, Taishou ...“ flüsterte sie irgendwie.

 

Er gab sie unverzüglich frei und wich lieber einige Schritte zurück. War das jetzt zu viel gewesen? Aber wie sollte man sich als Mann mit gesunden Instinkten da noch mehr zurückhalten können? Bei der eigenen Ehefrau? Sie drehte sich zu ihm um, die Hände an ihre Brust gepresst, als müsse sie ihr viel zu schnell schlagendes Herz beruhigen. Er hatte es rasen gehört, auch ihren veränderten Atem wahrgenommen, aber er hoffte, erst jetzt, nicht aus Angst. Ihre Augen starrten ihn vollkommen verwirrt an.

Plötzlich begriff er. Sie war nicht nur noch Jungfrau, sie hatte wohl auch in der menschlichen Schule keinerlei Erfahrungen mit den Jungen gemacht, keine heimlichen Küsse ausgetauscht. Ihr Körper war absolut unberührt – wie auch ihre Herz. Und er war dabei beides zu erwecken. Er sollte wahrlich behutsam sein, um nicht das Reine, das er hier in Händen hielt, zu zerstören. Es war mehr als gut gewesen sich auf sie und den langsamen Weg einzulassen. „Ich danke Ihnen,“ sagte er schlicht. „Sie sind eine bezaubernde junge Frau, meine Liebe. - Ich hoffe, Sie haben das, was Sie sicher als Prüfung empfanden, gut hinter sich gebracht?“

Unwillkürlich ordnete sie ihr Haar. „Ja, ich denke schon.“ Ihr Nacken, ihre Handgelenke schienen zu prickeln und in ihrem Bauch tanzten Schmetterlinge. Nun ja, so hatte es in Liebesgeschichten geheißen, die sie gelesen hatte, in den Liebesfilmen, die sie gesehen hatte, aber es so zu spüren war doch etwas anderes. War sie etwa dabei sich in ihren Ehemann zu verlieben? In einen Daiyoukai? Er sah sie so seltsam an … „Wenn wir dann essen gehen könnten? Ich habe Durst,“ suchte sie abzulenken.

„Natürlich. Kommen Sie nur.“ Alles in allem würden die nächsten Tage eine harte Prüfung für seine Selbstbeherrschung darstellen. Nun gut, er sollte sich mit ihrer Familie ablenken. Onigumo in die Knie zu zwingen würde immerhin etwas amüsant werden.

 

Ablenkung war leichter gesagt als getan, erkannte er, als er ihr in dem Lokal gegenübersaß. Die Tische waren hier zwar japanisch im Stil, wie auch die gesamten Einrichtung, aber dennoch so, dass sich westliche Touristen hier wohl fühlen konnten. Die Pantherdamen hatten ihr Talent und ihre Phantasie in diese Einrichtung gesteckt, alle Jahrzehnte neu. Bei Toran hatte die Arbeit mit den Kunden ein wenig das ihr im Charakter liegende, eisige, abgeschliffen, aber ganz würde es nie vergehen, wie ihm schon einige der Lieferanten bestätigt hatten.

Bei ihrem Eintritt hatten die Blicke so einiger Männer beider Arten Izayoi gegolten, ehe sie gesehen hatten, wer ihr Begleiter war, und eilig sich lieber irgendeiner anderen Tätigkeit gewidmet hatten. Das schmeichelte natürlich seiner männlichen Eitelkeit in jeder Beziehung. Ihr so langes, so dichtes, Haar, wie es kein Mensch oder selbst Youkai sonst trug … es musste herrlich sein die Nase, die Hände, darin zu vergraben.

Izayoi bemerkte, dass er sie nicht aus den Augen ließ, und wurde etwas verlegen. „Habe ich etwas falsch gemacht?“ fragte sie dann doch. Hatte er oben in seinem Büro eine andere Reaktion erwartet, als dieses Stillstehen und ihn gewähren lassen? Machten das Youkai anders? Zum ersten Mal musterte sie in Ruhe sein Gesicht. Ja, da waren diese seltsamen Zeichen an den Wangen, die ebenso wie die bernsteinfarbenen Augen deutlich zeigten, dass er kein Mensch war. Aber, täuschte sie sich, oder befanden sich an den Wangenknochen Spuren kleiner, weißer, lange verheilter Narben, die man durchaus Kratzern zuschreiben konnten? Waren das Youkaidamen gewesen? War sie ihm zu brav, zu sanft, zu unerfahren?

Sie sah ihn ohne Furcht an, dachte der Taishou fast sehnsuchtsvoll, aber es ziemte sich gewiss eine Antwort. „Nein, Sie haben gar nichts falsch gemacht, wie kommen Sie darauf? Ich habe mich nur gerade gefragt, ob Ihre Mutter auch solch wundervolle Haare hatte. Ich sah kein Foto von ihr.“

„Oh, ich hätte eines in ... im Pavillon. Ich habe es mitgenommen.“ Wundervolle Haare. Er machte schon wieder ein Kompliment. „Nein, meine Mutter hatte nicht solche dicken Haare, sie waren viel seidiger und feiner. Obwohl ich ihr sonst recht ähnlich sehe, sagen die Leute.“

Hm. Von Onigumo hatte sie sie gewiss auch nicht. Das war wirklich eine ungewöhnliche Zierde. „Shunran.“

Eine junge Dame in einem weißen Yukata war herangekommen, mit kurzen roten Haaren. Sie neigte höflich den Kopf. „Oyakata-sama. Ich vermute, Sie wünschen nicht zu speisen, aber vielleicht Ihre … Gefährtin?“

„Meine Gemahlin wünscht,“ korrigierte er den Irrtum lieber sofort. Die Pantherin neigte dazu mit allem herauszuplatzen. Wie unangenehm für Izayoi für seine Geliebte gehalten zu werden. „Ich möchte ein Glas Wasser.“

„Natürlich.“ Die junge Pantheryoukai bemühte sich nicht zu erkennen zu geben, wie überrascht sie war. Natürlich war der Inu no Taishou als Menschenfreund bekannt, er hatte diese Verträge geschlossen, aber gleich jemand aus dieser Art zu heiraten? Dahinter steckte bestimmt eine wunderbare Geschichte. Vielleicht konnte sie die junge Dame zum Reden bringen? Ihre Schwestern würden sie dafür lieben. Aber sie legte nur die Speisekarte vor. „Empfehlung heute wäre unsere Fischplatte, Sardellen, Aal, Muscheln – kein Kugelfisch, keine Sorge, obwohl mein Bruder das auch beherrscht. Vielleicht als Vorspeise eine Ramen?“

Izayoi blickte ein wenig verunsichert auf die Karte, ehe sie sich an dem orientierte, von dem sie wusste, dass sie es auch anständig essen konnte. Sie wollte sich schließlich nicht blamieren. „Ja, gern, Ramen als Vorspeise.“ Nudelsuppe hatte sie wahrlich oft genug gegessen. „Und Yakitori.“ Gegrillte Hühnchenspieße kannte sie auch. Dazu würde es natürlich Reis geben. „Keine Nachspeise, danke. Dazu ebenfalls Wasser.“ Das war sicher nicht falsch. Und auch nur einen Schluck Alkohol zu trinken wäre unschicklich, wenn ER das nicht tat. Überdies hatte sie keine Ahnung wie sie Sake vertrug. Als Shunran samt der Karte verschwunden war, sah sie vorsichtig auf – und begegnete einem Lächeln, das ihr einen warmen Schauder über den Rücken jagte. Was sollte das? „Ich … habe ich etwas falsch gemacht?“

Er wurde ein wenig aus einem hübschen Traum gerissen. „Nein. Ich bekam nur gerade den Eindruck, dass Sie noch nicht oft in Ihrem Leben in einem Restaurant waren. Oder zumindest, sich Ihre Speisen selbst aussuchen konnten.“

„Nur in der Schule,“ gab sie zu. „Aber da waren wir dann an einem Kiosk oder ich war mit Freundinnen in einem Café.“

„Wie nachher. - Dazu noch etwas. Ich werde Sie dorthin begleiten, aber keine Sorge, Sie auch dort verlassen. Taro wird allerdings vor dem Café mit dem Auto auf Sie warten und Sie nach Hause bringen. Und das ist keine Kontrolle, sondern dient Ihrer Sicherheit. Im Unterschied zu mir könnten Sie sich gegen einen lästigen Taschendieb nicht zur Wehr setzen. Von anderen Narren ganz zu schweigen.“

„Ja, ich weiß, danke.“ Sie überlegte unwillkürlich, was ein Mann wie ein Daiyoukai mit einem menschlichen Taschendieb anstellen konnte. Nun, er würde es nicht tun, da gab es schließlich die Verträge, die er ausgehandelt hatte, aber nur so rein theoretisch …? Nun, er würde es nicht tun, und sie sollte die seltene Gelegenheit der Zweisamkeit nutzen. „Gehen Sie manchmal auch auf Reisen, ins Ausland? Ihr Sohn ist momentan ja weg?“

„Ja, zu beidem. Aber selten. Nur, wenn es sich im wahrsten Sinne des Wortes um Staatsaffären handelt. Für den Konzern genügen heutzutage ja Videokonferenzen und dieses überaus praktische Internet. - Soll ich Ihnen auch eine Frage beantworten, die Sie mir vermutlich nie stellen würden?“ Da sie ihn halb fragend, halb neugierig anblickte: „Sie haben doch sicher gehört, dass ich noch eine Ehefrau besitze, Sesshoumarus Mutter. Nach menschlichem Recht wären wir längst geschieden, nach dem Recht der Youkai ist es unmöglich. Man kann nur, wie nennen es Menschen, getrennt von Tisch und Bett leben. Sie lebt in meiner Heimat in einem Schloss, umgeben von Dienerinnen und Kriegern als Schutz, wie es ihr eigener Wunsch war.“

„Sie haben gesagt, Sie würden Ihre Frau immer beschützen und für sie sorgen,“ flüsterte Izayoi, die sich an das Gespräch nach der Trauung erinnerte.

„Ja. Das halte ich. Der genaue Grund für unsere Trennung – nun, den möchte ich Ihnen nicht nennen.“

„Natürlich nicht.“ Sie war fast erschrocken. Das Leben des Taishou vor seiner Ehe mit ihr ging sie nichts an – und ehrlich gesagt, hatte es sie vermutlich nicht einmal etwas anzugehen, wenn er sich anderweitig amüsierte. „Haben Sie denn viele Schlösser?“

„Einige, zugegeben. Wenn Sie bedenken, dass ich früher oft herumgekommen bin in Japan und auch genügend Leute vor Ort brauchte? Das ist heute doch alles viel bequemer, sei es mit dem Flugzeug oder dem Shinkansen.“

Ihr versagte ein wenig die Phantasie sich diesen Mann in einem Schnellzug vorzustellen, aber das lag sicher nur an ihrer menschlichen Begrenztheit. Er konnte ja auch Auto fahren. So lächelte sie etwas. „Danke, also werden Sie doch meist abends bei mir sein? Ich meine, natürlich, in Ihrem Schloss hier.“ Wie unhöflich von ihr ihm vorzuschreiben, wo er sich aufzuhalten habe.

Wieder zuckte ein Lächeln um seinen Mund, diesmal verursacht durch die einfache Freude daran willkommen zu sein. „Wenn Sie es wünschen, kann ich Sie auch öfter aufsuchen. Und, wie schon erwähnt, falls Sie es wünschen, können Sie auch jederzeit in das Schloss ziehen. Wenn Sie Youkai nicht mehr schrecken.“

„Immer weniger. Sie waren auch alle stets sehr höflich zu mir,“ beteuerte sie eilig. „An das Aussehen einiger muss ich mich eben erst gewöhnen. Im Schlosspark bin ich beim Spazieren neulich arg erschrocken, aber es hat ihm sehr leid getan. Er kam gerade aus einem Brunnen, er hatte ihn geputzt und mich und Akiko nicht bemerkt. Er sah wie ein Aal aus.“

Ach, deswegen hatte sie heute keinen Appetit auf Meeraal. Ja, Anago gehörte zu dieser Sorte, war aber einiges größer und ein Youkai, der für die unterirdischen Wasserleitungen verantwortlich war. Im Brunnen hatte er sie kaum bemerken können. Nun gut, sie schien es auch nicht weiter tragisch genommen zu haben, so konnte er sich den Tadel für den immer fleißigen Anago sparen. „Er ist schon alt, Sie wären überrascht, wie viele Kinder er hat.“

„Ja? Ich dachte, Kinder sind bei Youkai viel seltener als bei Menschen.“

„Das ist wahr. Schon aufgrund der langen Lebensspanne, die uns zugemessen ist. Jedes Kind, das geboren wird, ist wichtig und ein Grund zur Freude. Möchten Sie einmal welche kennenlernen?“

„Oh ja, gern.“

Sie kam immer näher, dachte der Taishou zufrieden. Morgen würde er sich um ihren Vater kümmern.

 
 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ob das gleichzeitige Fahren auf zwei unterschiedlichen Gleisen wirklich erfolgversprechend ist? Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Saynaya
2018-05-01T13:50:26+00:00 01.05.2018 15:50
Hallöchen,
diese Endkommentare von dir sind der Hammer. Du verstehst es eine knisternde Spannung aufzubauen. Man will so gern, dass die beiden zueinander finden und man windet sich unter diesen düsteren Vorahnungen. Vorfreude habe ich aber auf das erste Treffen von Stiefmutter und Stiefsohn...habe jetzt schon ein Grinsen auf dem Gesicht.
Weiter so und vielen lieben Dank! Du versüßt mir nun schon seit Jahren meine Freizeit. Deine Fanfictions haben mich durch Schule und Studium gebracht und nun sind sie der Ausgleich zur Arbeit. Wirklich großes Dankeschön!!
Antwort von:  Hotepneith
01.05.2018 16:44
Dankeschön:)
Ich schreibe jetzt seit ca 13 Jahren hier - und ich denke, zumindest zehn davon bist du dabei... Zeit vergeht.
Zur Story selbst: achja, das erste ZUsammentreffen mit der Stiefmutter - ich zitiere Sesshoumaru, ohne zuviel zu verraten: das war nicht sein Tag .
Papa hat allen Grund mal wieder die Pfoten über dem Kopf zusammen zu schlagen, aber das ist erst im übernächsten Kapitel, weil Freitag, das nächste Kapitel bietet den Donnerstag.

hotep
Von:  Sanguisdeci
2018-04-28T06:15:21+00:00 28.04.2018 08:15
Ein sehr schönes Kapitel. Ich freue mich, dass sich die beiden näher zu kommen scheinen.
Dennoch frage ich mich, wie sich sein Plan entwickeln wird Rache an seinen Erpressern zu nehemn.
Und ich frage mich, ob er irgendwann herausfinden wird, dass sie nicht leiblich verwandt ist mit onigumo. Zumindest nahm ich diesen Eindruck aus den letzten Kapiteln mit.
Antwort von:  Hotepneith
28.04.2018 08:40
Danke für den Kommentar.

Ja, du hast recht, sie ist nicht mit Onigumo verwandt. Da der Herr aller Hunde Nachforschungen anstellen lässt, sollte er früher oder später darauf stossen. Preisfrage ist nur, was er dann machen wird - siehe den seltsam zwiegespaltenen Plan. Naraku ist ja auch noch da und ein gewisser Drache ...

hotep

P.S. eine ganz andere Frage zu einem neuen Ägypten-Krimi. Was kann man gegen Zahnschmerzen geben? Opium gab es um die Zeit dort noch nicht, ich finde im Papyri immer nur Nelken, die man in die Löcher stopfen kann, ggf. Wasserzwiebeln zur allgemeinen Schmerzlinderung. (Zahnschmerzen heissen auf altägyptisch: der Wurm frisst seinen Zahn...)



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