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Hundstage

Kein Hund wie jeder andere
von

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Donnerstag


 

A

ls der Taishou Izayoi vor dem Café mit einem leichten Kopfnicken verabschiedete, bemerkte er sehr wohl die neugierigen Blicke dreier junger Damen, zumeist im Kimono, eine in einem modernen Ensemble, die ihm folgten. Das mussten also Izayois Freundinnen sein. Ein Stück weiter entdeckte er seinen Wagen und trat näher. Die Scheibe wurde heruntergelassen. „Du hast die Drei, Taro?“

„Ja, sie gingen alle mit Izayoi-sama in eine Klasse, alle Töchter von Fürsten oder Großindustriellen und auch entsprechend verheiratet. Von links nach rechts: Michiko ist mit Takeo Watanabe verheiratet, der Familie gehören einige Industriekomplexe. Maiko mit Fürst Yoshio Arai, und Nyoko mit Seichi Taiki, dem Chef der Chemiewerke gleichen Namens. Sie wurden alle mit Wägen gebracht, deren Fahrer am U-Bahnhof stehen und sich unterhalten.“ Sie kannten sich eindeutig.

„Fürst Arai dürfte deutlich älter als seine Frau sein.“

„Ja, oyakata-sama. Seichi Taiki ist ebenfalls etwas älter, Takeo ungefähr gleich. Soll ich weiter recherchieren?“

„Nein. Pass mir nur auf meine Gemahlin auf.“

Taro schwieg. Ihm war klar, wenn dieser Menschenfrau etwas zustieß, würde ihm der Herr einen ehrenhaften Selbstmord verbieten und ihn eigenhändig und sehr langsam filetieren.

 

Izayoi wurde lebhaft begrüßt – und die drei jungen Damen bewiesen, dass sie sie hatten kommen sehen. „Das ist also der Taishou, der Daiyoukai-Milliardär?“ erkundigte sich Maiko. „Ich hätte nicht gedacht, dass er einen Anzug trägt. Ist er gar nicht so altmodisch, wie man von Youkai sagt? Aber du trägst Kimono?“

„Ja,“ gab Izayoi zu. „Vater wollte es ja so und er mag es auch.“ Sie lächelte. „Ich fürchte nur, es ist nicht viel anders als bei euch.“ Sie sollte behutsam sein. Nyoko hatte es mit ihrem Mann nicht leicht, soweit sie wusste. Ihre Freundin hatte gestanden, dass sie den ersten Jahrestag ihrer Hochzeit von morgens bis abends in Tränen verbracht hatte. Sie alle hatten den Verdacht, dass Seichi Taiki auch handgreiflich wurde, aber das war etwas, mit dem eine junge Frau leben musste, das war ihnen allen anerzogen worden. Dafür konnten sie sich mit ihrer hohen gesellschaftlichen Stellung und dem Reichtum in einer praktisch unauflösbaren Ehe einigermaßen schadlos halten. Am Besten hatte es Michiko getroffen – der Erbe der Watanabes trug sie förmlich auf Händen, und seit sie ihm gesagt hatte, dass sie ein Kind erwarte, selbst ihr oft missmutiger Schwiegervater. „Ich meine, ich weiß sehr viel nicht, das Leben der Youkai ist doch anders, aber er ist nachsichtig, wenn ich fragen muss. Umgekehrt hat er mir heute die gesamten sozialen Projekte übertragen.“

„Das ist auch bei Menschen die Pflicht einer Fürstin,“ sagte Maiko prompt. „Hast du schon deinen Stiefsohn kennengelernt?“

„Äh, nein, er kommt er am Freitag zurück.“ Ach ja, Maiko hatte zwei kleine Stieftöchter aus der ersten Ehe des Fürsten, die mehr als gut erzogen und brav waren – sie gab sich Mühe, dass sie in eine gewöhnliche Schule gehen sollten, wie sie selbst, aber ihr Ehemann war dagegen. Aber das war auch der einzige Punkt, an dem sich Maiko über ihren doch fast zwanzig Jahre älteren Gatten beschwerte. Zumeist schätzte sie an ihm seine Ruhe und seine Bereitschaft seine Gemahlin zu behüten. Das kam ihr irgendwie bekannt vor, dachte Izayoi plötzlich, ergänzte jedoch: „Er ist ja schon erwachsen und auf einer Geschäftsreise.“

„Oh, kein kleiner Welpe?“ Maiko klang hörbar enttäuscht.

„Erzähle doch mal, wie sieht es im Schloss eines Dämonenfürsten aus?“ erkundigte sich Nyoko.

„Ich lebe in einer Villa daneben, dem Jade-Pavillon, momentan, damit ich mich an die ganzen Youkai gewöhne. Sie sehen manchmal schon andersartig aus. Aber ich habe eine Zofe und eine Hofdame, stellt euch das mal vor ... Und viele Mitarbeiter.“ Izayoi beschloss ihren Freundinnen alles zu erzählen, was nicht eindeutig unter privat fiel – und was den Taishou nicht in Verlegenheit bringen würde.

 

Erst um halb sechs trennten sich die Freundinnen, mit Izayois Einladung sich das doch einmal selbst ansehen zu sollen. Natürlich mussten sie alle mit ihren Ehemännern reden, ihre eigenen Termine betrachten, aber sie waren zu neugierig um nicht zuzusagen. Im Vorbeigehen musterten sie alle Taro, der, in altmodischer Kleidung, Haori und Hakama, aber immerhin ohne Rüstung, ausstieg, und den hinteren Schlag für seine junge Herrin öffnete.

„Ein Youkai,“ hauchte Nyoko fasziniert und starrte den scheinbar kaum Dreißigjährigen an.

„Ja, Katzenyoukai. - Danke, Taro. - Bis demnächst.“ Izayoi stieg rasch ein. Jetzt fiel ihr auf, dass, als sich der Chauffeur setzte, nicht nur die Zwischenscheibe zu den Passagiersitzen hochgefahren wurde, sondern auch die Türen leise knackten. Sie klopfte an die Scheibe. Taro drehte den Zündschlüssel, wandte jedoch den Kopf und deutete auf eine Stelle. Sie entdeckte eine Gegensprechanlage und drückte den Knopf.

„Sie haben die Türen verriegelt?“

„Ja, Izayoi-sama. Es gibt bedauerlicherweise Diebe, die an Ampeln Kofferraum oder den Fond rasch öffnen und Taschen oder Koffer stehlen wollen. Menschen und auch Kitsune. Natürlich wagen sie es nicht, wenn oyakata-sama oder Sesshoumaru-sama im Wagen sitzen.“

„Danke.“ Sie ließ los. Im ersten Schreck hatte sie sich gefangen gefühlt, aber es diente wohl wirklich nur ihrer Sicherheit. Bei anderen Treffen hatte sie ja Vaters Fahrer gebracht und abgeholt, aber der hatte an so etwas nicht gedacht.

 
 

Am Donnerstag Morgen galt das vordringlichste Interesse des Herrn der Hunde der Gumo-Bank und deren beiden Ketten. Kiyoshi und Kouga waren gekommen, dazu mit Hibana die Youkaidame, die mit einem menschlichen Partner den eigentlichen Informationsdienst leitete, was neben politischen Missionen durchaus auch Wirtschaftsspionage beinhaltete. Der Inu no Taishou wollte diesen Plan lieber möglichst ausschließlich unter Youkai halten.

„Wie viel sind die jeweiligen Ketten der Gumo-Bank wert?“ begann er schlicht.

„Die alte Kette siebzig Millionen, abzüglich einiger Verpflichtungen, sagen wir um die sechzig,“ erwiderte der Herr der Kitsune sofort, nahm jedoch einen Zettel zur Hand. „Nach allem, was wir wissen, ist das der insgesamt solideste Teil, der Teil, der Geld abwirft, sogar soviel, um die Bank und die neue Kette seit zwei Jahren mit zu unterstützen. Sie zu kaufen wäre eine echte Investition. Es sollten sich bald Angebote finden lassen. Sie, oyakata-sama, besitzen Schulden der Gumos im Wert von 20 Millionen, die sich darauf sicher anrechnen lassen. - Die neue Kette beträgt, nach dem Wert der Büros und vermutlich der Kundenkarteien, an die fünfzig. Allerdings sind die Bücher sehr schwer einzusehen und nach allem, was zu finden war, liegen fast dreißig Millionen Schulden darauf, von denen Ihnen zehn gehören. Ihre anderen Zehn lauten direkt auf Verpfändungen der Bank und deren Grundstücke. Ich würde Ihnen vorschlagen, auf die alte Kette dreißig zu bieten, plus den Verzicht auf die anderen Schulden. Damit hat Onigumo genug Geld um seine Bank retten zu können und Sie eine vernünftige Investition. Auf die neue Kette würde ich persönlich keinen Ryuu setzen, sie wurde zu schnell zu groß aufgezogen.“

„Die Schulden, die die neue Kette bei mir hat, sind also praktisch wertlos, wenn man nicht an die Grundstücke kommt.“ Der Taishou, der mit Youkai auch in der japanischen Ecke kniete, stemmte die Hände auf die Oberschenkel und drückte etwas das Kreuz durch. „Wie amüsant.“

Kouga wollte schon etwas sagen, aber er hatte durchaus aus dem kleinen Vorfall vor einigen Tagen gelernt und blickte stattdessen fragend zu Kiyoshi. Der Fuchs sah allerdings nur auf den Taishou, als erwarte er eine Erleuchtung. Wieso fand der Herr es amüsant, fast zehn Millionen in den Sand gesetzt zu haben? Oder, Moment mal … das war die neue Kette, die gar nicht zum Verkauf stand, oder?

Der Taishou meinte langsam: „Kiyoshi, die zehn Millionen Schulden der neuen Kette bei mir sind doch einstweilen durch Gewerbeimmobilien abgedeckt.“

„Ja, wobei die alte Kette oft die gesamten Häuser besitzt und vermietet hat, bei der neuen Kette es sich um einzelne Büros handelt.“

„Gut. Schreiben Sie im Namen der Holding an Onigumo und erklären Sie alle diese Gelder für fällig. Er hat sechs Wochen zur Rückzahlung oder Umschuldung.“

„Damit ist die neue Kette pleite,“ entfuhr es Kouga, trotz aller guten Vorsätze, zuckte dann unter dem Blick des Herrn der Hunde zusammen, der allerdings sachlich fortfuhr:

„Gleichzeitig, Kiyoshi, bieten Sie ihm für die alte Kette, inklusive der Übernahme von deren Schulden, dreißig.“ Viel Spaß, Onigumo, dachte er. In sechs Wochen konnte der Bankier die zehn Millionen nur zurückzahlen, wenn er bis dahin die alte Kette verkauft hatte. Er konnte unmöglich einem Bieter Einblick in die Unterlagen der neuen Kette geben, oder sogar der Bank, ohne als Fälscher und Betrüger dazustehen. Und so viele Bieter würde es in dieser Zeit nun auch nicht geben. Gelang den Gumos die Umschuldung, wie vorauszusehen, nicht und zahlten sie die zehn Millionen nicht fristgerecht, zuzüglich zu den laufenden Zinsen, natürlich, würde seine Holding die Zwangsversteigerung der Immobilien der neuen Kette einleiten. Damit wäre allen klar, dass Onigumo pleite war – und die Bank würde die Zulassung verlieren. Das würden die beiden Gumos unter allen Umständen verhindern wollen. Mal sehen, was denen dazu einfiel.

„Verzeihung, oyakata-sama,“ murmelte Hibana mit einer tiefen Verneigung.

„Weißt du mehr als ich?“ Leise Kritik und doch die Aufforderung zum Sprechen.

„Ich bitte oyakata-sama zu bedenken, dass es sich um die Familie Ihrer Gemahlin handelt ...“

„Du hast vollkommen recht, Hibana. Es handelt sich um die Familie meiner Gemahlin.“

Auf diese eisige Replik gab es nur eine tiefe Verneigung der drei Youkai.

 

Um halb fünf schritt Izayoi, gefolgt von ihren beiden Dienerinnen, langsam zum Teegarten. Sie hatte, gefühlt, stundenlang, mit Misako im Ankleideraum gestanden und eine hoffentlich passende Garderobe ausgewählt. Leichter war es geworden, als Akiko dazugestoßen war, und ihnen erzählt hatte, das Rot die Familienfarbe des Herrn sei. So trug die junge Dame jetzt einen oberen weißen Seidenkimono, der an Schultern, Handgelenken und unteren Saum mit roter Seite eng bestickt war, in die kunstvoll weiße Blumen eingearbeitet worden waren. Alle Menschenfrauen mussten neidlos zugeben, dass die Spinnenyoukai ihr Handwerk mehr als verstanden. Es sah einfach perfekt aus. Izayoi trug ihr Haare offen, Obi und Kissen waren passend zu ihrem Kimono ausgesucht. Die Farben waren akkurat dieselben und auch die Stickerei auf dem Kissen ähnelte mehr als sonst etwas der auf ihren Schultern. Sie war aufgeregt und hoffte, sie würde ihren Ehemann keine Schande machen, wenn sie vor gleich vier Gästen, die auch noch hochrangige Youkai waren, die Teezeremonie durchführen sollte. Sie hatte das so noch nie getan, nur immer gelernt.

„Izayoi-sama,“ flüsterte Akiko, dann, als die Hausherrin etwas den Kopf wandte: „Mir ist gerade eingefallen, dass die Herren wohl nach der Tradition ihre Schuhe ausziehen. Starren Sie sie nicht an. Füße von Youkai sehen manchmal anders aus ... Oh, Verzeihung, natürlich ist das Ihnen bewusst.“

Nein, war es nicht gewesen, dachte Izayoi, aber dazu sollte sie nichts sagen. Sie hatte ihren Ehemann noch nie anders als vollkommen korrekt bekleidet gesehen. Aber die Warnung war sicher gut. Menschen, die Youkai neugierig anstarrten, waren bestimmt kaum akzeptabel, und auf eine Strafe, weil sie ihren Ehemann vor seinen Gästen das Gesicht verlieren ließ, konnte sie wahrlich verzichten. Hoffentlich war die Zeremonie auch so, wie sie es gelernt hatte, da gab es ja verschiedene Schulen.

War sie etwa zu spät? Sie erschrak, als sie den Inu no Taishou schon vor dem Garten auf sich zukommen sah, verneigte sich jedoch eilig - betont zeremoniell. Aus den Augenwinkeln konnte sie sehen, dass Misako und Akiko dasselbe taten.

„Sie sind sehr pünktlich, meine Liebe,“ sagte der Hausherr und verriet damit, dass er ihre Besorgnis ahnte. „Ich wollte Ihnen nur noch eine Kleinigkeit mitteilen. Meine Gäste befinden sich bereits auf dem Gartenpfad und spazieren dort hin und her. Im Unterschied zu einer menschlichen Zeremonie gibt es kein leichtes Essen, kein kaiseki. Wir beginnen augenblicklich mit dem Tee. Entsprechend entfällt auch der Gang der Gäste zurück in den Warteraum. Beginnen Sie also mit der Zeremonie unverzüglich, sobald der letzte Gast die Tür hinter sich schließt.“

„Vielen Dank für den Hinweis,“ erwiderte sie, wirklich erleichtert. „Sind die Utensilien bereits aufgebaut?“

„Einige ja, und das Kohlebecken ist beheizt. Die Übrigen bringen Sie aus dem Vorbereitungsraum.“

„Ja, das weiß ich, danke.“

„Ein Unterschied noch: reichen Sie die Teeschale zunächst mir, ich gebe sie weiter, dann die nächste, bis alle Gäste versorgt sind und ich ebenso. Danach verneigen Sie sich schweigend und gehen.“

„Ich danke Ihnen für diese Hinweise.“ Das war schon ein bisschen anders als sie es gelernt hatte, aber das musste sie sich eben merken. Und, sie war ihm sehr dankbar, dass er ihr das noch sagte. Sicher, es ging um seine Ehre, aber er hätte sie auch mehr oder weniger in die Falle tappen lassen können.

„Kommen Sie, meine Liebe.“ Er bot seiner Ehefrau die Klaue, während ein Blick die beiden Dienerinnen streifte. „Es genügt, wenn eine von euch hier auf Izayoi-sama wartet.“

 

Als sie um ein Gebüsch bogen, erkannte Izayoi, dass jenseits des kleinen Baches, in dem Garten direkt um das Teehaus drei Gestalten wandelten. Eine Vierte befand sich in dem kleinen offenen Pavillon, anhand der hoch aufragenden acht Schwänze schloss sie auf einen Fuchsdämon, einen Kitsune. Einer schien ein Hundeartiger zu sein, aber das hatte sie nichts anzugehen. Es waren Gäste dieses Hauses, ihres Ehemannes. So neigte sie lieber den Kopf und achtete darauf, wohin sie ihre Füße setzte, möglichst elegant. Immerhin schienen die Gäste alle mehr oder weniger in Menschenform. Neben den Schwänzen des Kitsune glaubte sie allerdings auch bei einem der Anderen ein derartiges Anhängsel gesehen zu haben. Hm. Waren die Fellteile, die der Taishou trug, etwa auch Schwänze? Hatte sie auf seinem Schwanz geschlafen? Nein, das konnte nicht sein, die Anderen trugen diese Anhängsel da, wo sie hingehörten, nicht an den Schultern. Was aber nur war das dann? Irgendwann müsste sie ihn doch einmal fragen. Natürlich nicht jetzt und vor den Gästen, die sich dem näher kommenden Paar höflich zuwandten.

Der Inu no Taishou gab Izayois Hand frei. „Ich darf Ihnen, meine Verehrten, meine Gemahlin Izayoi vorstellen, die für uns heute die Teezeremonie durchführen wird.“ Die junge Menschenfrau

verneigte sich vorsorglich tief. Schließlich waren das hochgestellte Männer. Ihre Verbeugung wurde erwidert, wenngleich kürzer, ehe der Hausherr fortfuhr: „Gehen Sie nur, meine Liebe.“

Sie neigte den Kopf diesmal deutlich nur vor ihm, ehe sie zum Eingang des Teehauses ging und dort ihre Getas abstreifte. Bevor sie durch den Kriecheingang hineinglitt, warf sie noch einen flüchtigen Blick zurück, in der Hoffnung, dass es nicht auffallen würde. Tatsächlich, so wie sie es gelernt hatte, füllte der Taishou soeben selbst Wasser aus einem bereitstehenden Krug in ein steinernes Bassin, damit die Gäste sich Hände und Mund waschen konnten, eine symbolische Geste, um nichts Unreines mit in das Teehaus zu bringen. Dann würde er wohl gleich ebenfalls hereinkommen. Sie sollte sich beeilen.

Das Kohlenfeuer brannte, auch diverse Utensilien waren bereits in der passenden Reihenfolge hingestellt worden. Damit war auch klar, wo ihr Platz wäre. Sie vermutete aufgrund der Anweisung ihres Ehemannes, dass sie ihm die Schalen reichen sollte, dass er ihr gegenüber Platz nehmen würde. Es standen auch bereits fünf ineinander gestapelte Teeschalen an der Stelle, an der gewöhnlich die einzige war. Ganz schienen sich Youkai doch nicht an das menschliche Zeremoniell zu halten. Aber da gab es wohl auch wieder andere Sitten und Regeln.

Das Frischwasssergefäß und der eiserne Wasserkessel, die Teedose, alles war da. Sie ging hinüber in den Vorbereitungsraum und schob das Seidentuch in ihren Obi. So, jetzt noch Bambuslöffel und Teebesen, dann war sie fast fertig. Nur noch die Utensilien dann, in Gegenwart der Gäste, noch perfekt anordnen, um sowohl pragmatische als auch elegante Bewegungen zu ermöglichen. Sie ahnte mehr als sie es sah, dass der Hausherr gekommen war und ihr praktisch jenseits der Wand gegenüberstand, dann hörte sie den fünfmaligen Gongschlag, der die Gäste in das Teehaus lud. Obwohl sie gespannt lauschte, vernahm sie keine Schritte, glaubte nur die Seidenkleidung der vornehmen Herren rascheln zu hören. Allerdings wurde die Tür auch für sie deutlich hörbar geschlossen, das Zeichen, dass sie nun die restlichen Utensilien in den Hauptraum bringen konnte.

 

Die Herren saßen, wie sie bereits vermutet hatte, im Kniesitz auf der anderen Seite des Kohlebeckens, der Taishou in der Mitte. Sie nahm Platz und legte alles noch einmal bereit, ehe sie dem Wassergefäß den Schöpflöffel und den Untersetzer entnahm und beides links neben das Kohlebecken platzierte. Wie sie es gelernt hatte, konzentrierte sie sich noch einmal, ehe sie sich vor den Gästen verbeugte und mit der Zeremonie begann.

Fast hätte sie in ihrer Aufregung vergessen auch den Bambusbesen mit dem Seidentuch zu reinigen, aber ihr fiel es gerade noch rechtzeitig ein, so dass sie die Handlung mit den gleichen ruhigen und gesitteten Bewegungen durchführen konnte, sich immer bewusst, dass die fünf Männer jeder Fingerbewegung folgten – und eine solche Sache sicher nicht zum ersten Mal sahen.

 

Bald war es geschafft, dachte sie, als sie die Teedose nahm, öffnete und den Deckel vor ihrem rechten Knie ablegte. Der Bambuslöffel, jetzt den pulverisieren Matcha in die Teeschale geben, jetzt das Wasser hinzu – nur noch mit dem Bambusbesen umrühren. Ja, die erste Schale war fertig.

Sie nahm die Teeschale und reichte sie, wie es ihr gesagt worden war, ihrem Ehemann, der sie mit einer Verbeugung annahm und seinem Nachbarn zur Rechten, dem Kitsune, anbot. Zu ihrer Überraschung lehnte der nicht ab, wie es unter Menschen üblich gewesen wäre, sondern nahm die Schale und reichte sie an seinen eigenen Nachbarn weiter. Sie blickte etwas irritiert zum Taishou, denn eigentlich sollte die leere Schale ihr zurückgereicht werden, sie die reinigen und den nächsten Tee bereiten, aber er deutete mit den Augen auf die restlichen ineinander gestapelten Teeschalen. Ach ja, sie sollte ja gehen, wenn alle Herren ihren Tee hatten.

So bereitete sie die weiteren Schalen zu, bis auch der Gastgeber als letztes seine Schale in der Hand hielt.

Wenigstens hielten sich die Youkai soweit an menschliche Sitten, das die gesamte Zeit Schweigen herrschte. Ebenfalls ohne ein Wort zu sagen, neigte der Inu no Taishou ein wenig den Kopf vor seiner Gemahlin. Izayoi fasste das zu Recht als Verabschiedung auf und erhob sich, verbeugte sich noch einmal vor den Herren, ehe sie in gebückter Haltung mehr aus dem Teehaus rutschte als ging.

Das schien sie ja gut hinbekommen zu haben, dachte sie erleichtert. Aber jetzt war sie reif für eine Dusche.

 

Das sagte sie auch zu Akiko, die sie jenseits der Brücke erwartete. „Ich war sehr aufgeregt.“

„Nun, wer wäre das nicht. So ranghohe Youkai!“

„Kennst du sie?“

„Der Kitsune ist Kiyoshi-sama, er ist der Finanzchef der Holding. Und der alte Wolf heißt Kouga. Nein, das ist der Enkel … Mir fällt der Name gerade nicht ein. Er lebt im Norden, in den Bergen, samt seinen Leuten. Viele davon dienen als Krieger hier. Auch Frauen. Die Anderen habe ich noch nie gesehen. Wurden Sie Ihnen denn nicht vorgestellt?“

„Nein. Und während der Teezeremonie schweigt man ja.“

„Sehen Sie, das habe ich gar nicht gewusst. Was haben Sie, Izayoi-sama?“

„Ach, ich meine, die Dusche ist schön und praktisch, gerade mit meinen Haaren, aber ein richtiges Bad wäre auch einmal was.“

„Das sollte kein Problem sein. Im Schloss gibt es ein Bad, das nur für die Familie vorgesehen ist. Da können Sie gewiss baden. Oyakata-sama sagt ja, bis auf seine Zimmer und die Sesshoumaru-samas haben Sie Zutritt zu allen Räumen im Schloss. Es gibt drüben, bei den Wohnungen der Menschen auch eines und eines für die Youkai – aber das wird oft nicht so getrennt, gerade bei Familien.“

„Ja, das klingt gut. Erkundige dich. Aber zuerst einmal dusche ich und ziehe mich um.“

 
 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Eigentlich ein bescheidener Wunsch von Izayoi.
Morgen, Freitag, kommt der Sohn des Hauses zurück: Familiärer Zwischenfall, dafür gleich in zwei Familien.

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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Teilchenzoo
2018-05-15T12:57:53+00:00 15.05.2018 14:57
Ich ahne Schlimmes - Sesshoumaru wird seine neue Stiefmutter im Bad vorfinden und Theater machen, weil Mensch, oder irgendwie sowas hochpeinliches und unangebrachtes ... natürlich, weil die beiden alten Kniselköppe ihn nicht vorwarnen.

Hm, der Taishou spielt mit Onigumo. Nun ja, kann man ihm nicht verübeln.
Antwort von:  Hotepneith
16.05.2018 13:08
Ach, du könntest ja so recht haben ...bei allem. NUr, man sollte auf passen bei einem Spiel, wer der Gegner ist ...

hotep
Von:  Miyu-Moon
2018-05-06T18:33:05+00:00 06.05.2018 20:33
Ich frage mich, ob die unerwöhnten Youkai jetzt momentan nur unwichtig sind oder ob die Nichterwähnung ein wichtiger Schlüssel für kommende Ereignisse bieten wird.
Oje, ich hoffe Zwischenfall Eins hat nichts mit dem Bad zu tun. Zwischenfall Nr.2 wird wohl was bei den Onigumos sein.
Antwort von:  Hotepneith
07.05.2018 06:54
Ich fürchte, sie sind tatsächlich unwichtig:)
Zu den Zwischenfällen - ja, da hast du Recht....

hotep
Von:  Sanguisdeci
2018-05-05T04:13:05+00:00 05.05.2018 06:13
Mir scheint, sie hat ihre erste Herausforderung gut gemeistert. :-) Weiter so! *cheer*


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