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Zum Zuschauen verdammt

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Kapitel 47 - Schlechter Geschmack

 

Mit einem derart schnellen Ende des Spiels hatte die Schülerschaft nicht gerechnet, was zur Folge hatte, dass die Gänge mit einem Mal mit Strömen an Kindern überflutet wurden, die nun nicht wussten, was sie mit ihrem restlichen Samstag anfangen sollten. Üblicherweise wurde das Spiel in dreifacher Länge erneut in den Gemeinschaftsräumen oder anderen Orten durchgesprochen und jeder Zug wurde mal mehr mal weniger fachmännisch analysiert. Doch es gab nur so viel, was in fünf Minuten passieren konnte, selbst in Quidditch, sodass man sich schnell langweilte.
 

Um sich draußen aufzuhalten, war es noch zu kalt, doch Evelyn konnte es kaum erwarten endlich den Frühling einziehen zu sehen. Hogwarts würde immer einen gewissen romantischen Touch haben, mit seinen Fackeln und knisternden Feuern an stürmischen Abenden, dennoch kam Evelyn nicht umhin sich besonders während der dunklen Monate von Zeit zu Zeit eingesperrt zu fühlen. Nun konnte sie nachvollziehen, weshalb die älteren Schüler die Wochenendausflüge nach Hogsmeade so herbeisehnten. Doch leider war sie noch zwei Jahre entfernt, in den Genuss dieses speziellen Tapetenwechsels zu kommen.
 

Eingesperrt war sich auch Zabini vorgekommen, bis für ihn völlig unerwartet die Hälfte der Slytherin durch das Portalloch strömten. Eilig schob er einige Pergament zurecht, die vor ihm auf dem Tisch lagen, als er auch schon Blickkontakt mit Evelyn hatte.
 

"Was ist los? Haben sie das Spiel abgesagt?", fragte er mit skeptischer Mine, was Evelyn nur mit einem Kopfschütteln erwiderte.
 

Daphne lag die Antwort bereits auf der Zunge. "Du hast gerade das schnellste Spiel in der Geschichte Hogwarts' verpasst. Die Mannschaften waren kaum in der Luft, da hat Harry schon den Schatz gefangen!"

Zabinis dunkle Augen wurden groß. "Gryffindor hat schon gewonnen?!"
 

Kurz sah er sich um, doch Draco hatten sie seit dem Frühstück nicht mehr gesehen. Sicherlich hatte er von seinem Platz, wo auch immer er gewesen war, Gryffindors Sieg mit angesehen, was sich mit Sicherheit negativ auf seine Laune auszuwirken würde. "Die nächsten Tage wird er wieder unausstehlich sein", meinte Zabini mit schwerem Seufzen, sprach aber keinen direkt an.
 

Pansy überging Zabinis Einwand und fuhr weniger begeistert, als Daphne, mit dem Bericht über das Spiel fort. "Snape hatte gerade einen Lauf und Hufflepuff einen dritten Strafstoß gepfiffen, als Harry ihn umgeflogen hat. Dann hatte der auch schon den Schatz."
 

"Umflogen", berichtigte Evelyn mit kurzem Blick auf Pansy, "er hat ihn umflogen nicht umgeflogen. Aber ja, war eine kurze Vorstellung."
 

"Wie hat sich unser Tränkeprofessor auf dem Besen gemacht?"
 

"Viel war nicht zu sehen", sagte Millicent, die sich gegen die Schar an Schüler behauptete und sich einen Stuhl geschnappt hatte. "Er war ja kaum im Einsatz."
 

"Schade eigentlich." Pansy zuckte mit den Schultern und nahm sich den Stuhl, den Millicent gerade erst gebracht hatte.
 

"Hey!"
 

Auf Millicents empörtes Stöhnen reagierte Pansy nicht und ließ sich rücklings auf den Stuhl fallen.
 

"Dann habe ich ja buchstäblich nichts verpasst!" Zabini ließ sein breites Lächeln sehen, ehe er Evelyn näher zu sich zog. Er war von seinem Stuhl aufgesprungen und hatte den Arm um Evelyns Schulter gelegt, noch bevor er seinen Satz beendet hatte. "Da du jetzt hier bist, kannst du mir doch sicher helfen?", sagte er. "Ich komme nicht weiter und so ein paar Beiträge deinerseits wären wirklich hilfreich."
 

Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Millicent nun Zabinis Platz einnahm und sich die Aufschriebe anschaute.
 

"Der beste Weg eine Pflanze heranzuzüchten, ist ...", zitierte Millicent, was sie dort las, schmiss das Pergament aber schnell wieder auf den kleinen Holztisch. "Das ist alles? Mehr hast du nicht geschafft?" Daphne kam näher heran und schielte ihrerseits auf die paar Worte.
 

"Beeindruckend informativ."
 

Zabini befreite Evelyn aus der Umarmung um Millicent nun einen missbilligenden Blick zuzuwerfen. "Der Anfang ist immer das Schwerste. Mach es doch besser, Bullstrode!"
 

"Netter Versuch", sagte Evelyn, "aber niemand wird hier deine Aufgabe machen." Evelyn schob das Pergament ein wenig zur Seite, wodurch darunter ein weiteres, etwas zerknittertes, Stück Papier zum Vorschein kam, in dessen Ecke ein kleines geschmackloses Kunstwerk aus Tinte prangte.
 

"Ja ich seh' schon, du hast hart gearbeitet." Naserümpfend verdeckte sie das Bild mit dem, was irgendwann mal Zabinis Aufsatz werden sollte.
 

"Ach kommt schon, was erwartet ihr? Ihr wart kaum eine halbe Stunde weg. Hätte ich da einen Roman schreiben sollen?"
 

Pansy lehnte sich zurück und grinste breit. "Na, für Kunst hattest du genug Zeit."
 

Ihr Lachen steckte die anderen an, allerdings unterbrach Evelyn sie, ehe es zu weit ging. "In Ordnung, Mädels. Mr Zabini muss arbeiten, kommt."
 

So schnell wollte Zabini sie aber nicht gehen lassen. "Moment! W-was, was ist jetzt mit etwas Hilfe?"
 

"Ehrlich gesagt, nein, Blaise. Du schaffst das schon. Ich wollte sowieso nochmal raus."
 

Pansy spitze die Ohren. "Raus? Wir sind doch gerade erst gekommen?"
 

"Bibliothek, wohin sonst sollte sie gehen", beantwortete Daphne die Frage mit einem leichten Nicken.
 

"Ja genau." Evelyn sah keinen Grund zu widersprechen. Sie wandte sich ab, bereit zu gehen. "Heute Abend werde ich mir deinen Aufsatz durchlesen, Blaise", rief sie über die Schulter, bevor sie aus dem Blickfeld der anderen verschwunden war.
 

Da sie heute nun einige Stunden Zeit hatte, würde sie sich erneut daran versuchen Hauspunkte abgezogen zu bekommen. Allerdings fiel ihr nichts Besseres ein, als einfach durch die Gänge zu wandern, auf der Suche nach möglichen Opfern. Sie hoffte womöglich einem Lehrer über den Weg zu laufen, vor dessen Augen sie auf ganz banale Art und Weise jemanden ärgern könnte.
 

"Lass den Bully heraushängen. Kanalisiere deinen inneren Goyle", sagte sie leise zu sich, dachte aber gleichzeitig auch, was für ein dämlicher Plan das doch war. Das letzte Mal, als sie das Ekelpacket gemimt hatte, hatte die Hermine in einem Klo zum Weinen gebracht, und auch wenn sie einen guten Grund dafür gehabt hatte, hatte sie sich wochenlang elend gefühlt.
 

Sie lief an einer kleinen Gruppe Ravenclaw vorbei, die die Köpfe zusammen gesteckt hatten und miteinander diskutierten. Allerdings waren sie zudem auch einige Klassen über Evelyn.
 

Vorsicht, die kleine Erstklässlerin will sich mit jemandem anlegen.
 

Sie blieb stehen, suchte sich eine Säule und lehnte sich dagegen. So hatte das keinen Sinn. Zum einen war sie absolut nicht der Typ, der aus dem Nichts Streit anfangen konnte. Pansy war diejenige, die gerne Mal über die Stränge schlug, genauso wie Draco, wenn es der Anlass erforderte. Doch sie selbst war glücklich einfach in Ruhe gelassen zu werden. Zum anderen wäre es kaum eindrucksvoll wenn jemand wie sie, der den meisten Schülern hier in Hogwarts kaum an die Brust ging, begann zu pöbeln. Dazu hatte sie buchstäblich nicht das breite Kreuz. Statt Punkabzug zu bekommen, würde sie sich nur zum Affen machen.

Aus ihrer Position heraus beobachtete sie die anderen Schüler und wog ihre Optionen ab. Im Moment befand sie sich auf der vierten Ebene, im breiten Korridor, der den Westturm mit dem der Gryffindor verband. Die meisten Gryffindor nutzten diesen Weg, um zu ihrem Gemeinschaftsraum zu kommen, weshalb es nicht verwunderlich war, dass hauptsächlich rote Roben an ihr vorbei wanderten. Beinahe jeder hatte breite Schals mit dem Wappen des Hauses umgeworfen, und jeder Zweite hatte ein selbstgebasteltes Fähnchen in der Hand. Das Spiel war noch nicht lange her, daher waren sie bester Laune.
 

Ihre kleine Säule konnte man nicht als Versteck bezeichnen, weshalb aufmerksame Schüler sie durchaus dort warten sahen und irritiert die Stirn runzelten. Die Blicke wurden ihr zunehmen unangenehmer.
 

"Hier stehen bringt auch nichts", murmelte sie und lief erneut den Korridor entlang, diesmal jedoch in die andere Richtung zur großen Treppe.
 

Sie sah sogar einige Lehrer, Professor Vektor war in einem Gespräch mit einem älteren Schüler an ihr vorbei gelaufen, aber was hätte sie tun sollen? Die beiden von hinten anspringen?
 

Was sie brauchte war eine Idee, und während sie am Geländer der Treppe stand und auf die unteren Treppen hinabsah, öffnete sich eine Möglichkeit.
 

"Peeves." Eilig sprang sie am Geländer vorbei und rannte so schnell sie sich traute die Treppe zwei Stockwerke hinab, vorbei an empörten Gemälden die sie ermahnten, langsamer zu gehen. Sie hatte den Poltergeist giggelnd ein einen Nebenkorridor schweben sehen, an dessen Ende eine schmale Treppe hinunter zur Bibliothek führte.
 

Auch von der aus Position, an der Evelyn gestanden hatte, hatte sie gesehen, dass Peeves etwas in seinen kleinen Fingern getragen hatte. Schwer atmend kam sie im Korridor zum Stehen und suchte nach dem Geist. Andere Schüler kamen ihr im Eiltempo entgegen, als würden sie fliehen. Hier war sie richtig. Links von ihr wechselten sich staubige Bücherregale mit unbequemen Bänken ab, die so gut wie nie benutzt wurden, während sie dem Geräusch nachging. Peeves schien sich bereits prächtig zu amüsieren.
 

Um eine Biegung sah sie ihn, wie er vor einem riesigen Polyptychon der Gründer schwebte, einen buschigen Pinsel in der Hand, und der armen Helga gerade mit roter Farbe ein Pferdemaul zeichnete. Das Polyptychon war eines der Gemälde Hogwarts' die sich nicht bewegten, sondern nur starr eine Momentaufnahme dessen war, was vor hunderten Jahren war.
 

Es war keine gute Arbeit und Evelyn bezweifelte, dass die einzelnen Teile des Gemäldes die Gründer tatsächlich so darstellten, wie sie einmal gewesen waren. Wenn es dennoch eine exakte Abbildung sein sollte, war dieses dunkle Loch am Ende des Korridors ein unwürdiger Platz für ein solches Werk. Nichtsdestotrotz faltete Peeves seine künstlerische Freiheit völlig aus und verschönte, in seinen Augen, die Gründer. Für Slytherin hieß das: fluffige Hasenohren. Die giftigen Dämpfe, die von der Farbe aus dem Eimer in Peeves' Hand ausströmte, trieben Evelyn die Tränen in die Augen.
 

Wo hat er die nur her?
 

Sie stellte sich vor, dass ein Filch nun in irgendeiner Abstellkammer stand und die Ersatzfarbe suchte, als sie sich räusperte. "Mh, Peeves?" Aus Angst statt Tinte dieses Mal womöglich mit Farbe übergossen zu werden, hielt Evelyn gebührenden Abstand zu dem knubbeligen Poltergeist.
 

"Peeves! Peeves, Pee-we, das bin ich!", rief er mit dem Pinsel fuchtelnd. Große Platscher Farbe tropften sowohl auf Wand, als auch auf den Boden unter ihm, und bestätigte Evelyns Entscheidung einige Meter hinter ihm stehen geblieben zu sein.
 

Noch rang sie mit Worten. Sie wusste nicht, wie genau man mit Peeves sprechen musste. "Ja, Peeves. Mr Peeves, guten Tag, ich wollte fr-"
 

"Pah, Mister Peeves ist beschäftigt", schnappte er. Die kleine Glocke an der Spitze seines Hutes läutete bei jeder seiner Bewegungen. "Mister Peeves hat Dinge zu tun. Lass Mister Peeves in Ruhe, kleine Göre."

Evelyn knabberte an der Lippe, als sie zusah, wie sich Peeves von ihr abwandte. Sein erhabenes Getue war schlecht geschauspielert und ließ ihn nur unberechenbarer erscheinen.
 

"Peeves, was würdest du vorschlagen, wenn ich gerne Punkte verlieren würde?" Viel Gerede würde sie hier nicht weiterbringen, also kam sie ohne Umschweife zur Sache. "Hast du einen Tipp für mich?"
 

In der ganzen Schule gab es niemanden, der so viel Schaden anrichtete, wie Peeves, ausgenommen vielleicht die Weasley-Zwillinge, obwohl Evelyn sich bemühte beiden Parteien nie allzu nahe zu kommen. Ein Vorsatz, den sie gerade ignorierte. Wenn sie sich ansah, wie Peeves nun interessiert mit dem tropfenden Pinsel ihr näher kam, seine orangenen Augen wild funkelnd, wünschte sie sich beinahe nicht hier zu sein.

Nervös betrachtete sie den Pinsel, wagte es aber nicht ihn darauf anzusprechen aus Angst ihn vielleicht sogar auf dumme Gedanken zu bringen.
 

"Wieso erfragst du die Hilfe des großen Mister Peeves?"
 

Dann spiele ich eben mit. "Niemand ist derart berüchtigt darin Schabernack zu treiben."

Peeves schnalzte mit der Zunge, ließ das Malwerkzeug einfach fallen, und rückte seine bunte Fliege zurecht, ehe er die Mütze abzog, wodurch deine Halbglatze zum Vorschein kam. "Nack, Nack! Schabernack." Sein dicker Bauch wippte, während er tonlos lachte. "Genialer Peeves, schlauer Peeves, doch was will das kleine Schülerlein wirklich?" Plötzlich wirkte er ernst. Evelyn hatte sich nie vorstellen können, dass Peeves je ernst sein konnte.
 

"Punkte, Peeves. Ich will Punkte verlieren", widerholte sie.
 

"Ist es nicht eure größte Freude wertvolle Pünktchen zu sammeln, statt sie zu verlieren? Auch wenn das bei weitem nicht so viel Spaß macht."
 

"Berechtigte Frage." Mehr sagte sie nicht, was auch Peeves verstörte, der anscheinend auf eine längere Antwort wartete.
 

Langsam schwebte er zu Boden und griff nach dem Pinsel, in dessen nasses Ende er kurzerhand griff. Seine Finger waren nun beschmiert mit Farbe, sodass es aussah, als hätte er seine Hände in einen Eimer Blut getunkt. Die kamen Evelyn nun immer näher.
 

"Ungezogener kleiner Slytherin", tönte er, den ausgestreckten Zeigefinger nur Zentimeter von Evelyn entfernt. Zusätzlich machte er dunkle Zischlaute, die seine gelben Zähne in einer breiten Fratze zeigten. Da bemerkte Evelyn auch schon das kalte Gefühl einer nassen Substanz auf den Wangen.
 

Im großem Bogen verteilte er die Farbe in Evelyns Gesicht, die resigniert die Lippen spitzte. Wenn sie eine Antwort von ihm wollte, müsste sie weiterhin mitspielen, auch wenn das bedeutete, eklig feuchte Farbe auf der Haut zu spüren.
 

"Danke", sagte sie knapp, was Peeves erneut giggeln ließ. Sie wollte gar nicht wissen, was er ihr auf die Backe gemalt hatte.
 

"Gern geschehen."
 

So kommen wir nicht weiter. "Da wir das nun geklärt hätten und du mich sowohl mit Tinte, als auch mit Farbe bekleckert hast, noch bevor das Jahr vorbei ist, hättest du vielleicht auch einen Vorschlag, wie ich-"
 

Der Poltergeist riss nun Grimassen. "Bla, bla bla, Mister Peeves ist gelangweilt vom schwatzenden Slytherin und die säuselnden Sätze der Sinnlosigkeit."
 

Evelyn konnte ihre Verwunderung nicht verbergen. "Das, ehm. Wow." Der kennt solche Wörter?

Leider schien Peeves auch wieder das Interesse an ihr verloren zu haben du widmete sich nun lieber wieder dem Bekritzeln des Gemäldes.
 

"Wie kann ich denn jetzt Punkte verlieren?" Ein letztes Mal wollte sie einen Versuch starten eine Antwort zu bekommen, doch auch das scheiterte.
 

"Sei wie Mister Peeves, Mister Peeves ist der Beste!"
 

Sie entschied, dass es keinen Wert hatte und entfernte sich langsam, zunächst mit Blick auf Peeves, ehe sie sich schließlich umdrehte und mit dem Rücken zu ihm den Korridor verließ. Im Laufen fasste sie sich ins Gesicht, wo die Farbe bereits begann zu trocknen. Die kleine Aktion hatte absolut nichts gebracht außer, dass sie erneut völlig besudelt worden war. Memo an mich, von nun an wirklich von Peeves fernhalten.
 

Immerhin schien dieses Mal ihre Kleidung verschont geblieben zu sein, weshalb das Debakel mit ein wenig Wasser ins Gesicht wieder bereinigt sein sollte. Während sie sich den Plan von Hogwarts ins Gedächtnis rief, fiel ihr ein winziges, jedoch umso wichtigeres Detail ein, was sie resigniert die Hände in die Luft zucken ließ.

"Myrtes Klo ist das nächste. Natürlich." Sie hatte nun die Möglichkeit ein Waschbecken im Badezimmer von Myrte aufzusuchen in der Hoffnung, dass die ewige Bewohnerin der Toilette gerade nicht anwesend war, oder aber sie entschied sich für den weiteren Weg. Dies wiederum würde bedeuten, dass sie die Treppen benutzen musste und dadurch dem Spott der Schüler ausgesetzt war.
 

Die Wahl war schnell getroffen. "Auf zu den Treppen."
 

Sie war bereits voller Tine durch die ganze Schule gewandet, da machte das bisschen Farbe auch nichts mehr aus. Es war gar nicht so ungewöhnlich Opfer von Streichen, sei es von Peeves oder anderen Unruhestiftern, durch Hogwarts wandern zu sehen. Wenn sie Myrte vermeiden konnte, würde sie das tun; um jeden Preis.
 

Der Samstag war noch jung und das Wetter hatte sich nicht gebessert, weshalb einiges auf den Treppen los war. Ein wenig senkte sie den Blick, damit sie das Kunstwerk im Gesicht nicht zu sehr zur Schau stellte, und auch wenn die meisten kommentarlos an ihr vorbeigingen, musste sie sich von hier und da Seitenblicke gefallen lassen.
 

Ihr Weg führte sie hinauf, wo sie eilig ein Waschbecken mit Spiegel aufsuchte. Was sie dort sah, ließ sie die Ränder des Waschbecken vor Scham umklammern.
 

"Blaise hatte das hübscher gemalt", meinte sie augenrollend und versuchte mit schnellen Bewegungen ihre Backen von dem Schandfleck zu befreien.
 

Von der Menge an Wasser, die sie sich immer wieder ins Gesicht spritzte, wurden ihre Haare nass, doch schließlich war sie zufrieden. Das Bild war verschwunden, trotzdem konnte sie nicht sagen, ob die Röte in ihrem Gesicht Reste der verwischten Farbe, oder aber ein Überbleibsel ihres heftigen Schrubbens war.
 

Das Erlebnis mit Peeves hat ihr die Lust genommen noch weiter zu versuchen Punkte zu verlieren, zumindest für heute. Resigniert trat sie ihren Weg zurück in den Gemeinschaftsraum an, wo sie Zabini helfen würde. Immerhin er würde sich dann freuen und ihr Tag war nicht vollends verschwendet gewesen.

"Mister Peeves ist gelangweilt vom schwatzenden Slytherin", äffte sie leise beim Gehen den Poltergeist nach. Sie hätte wissen müssen, dass ein Gespräch sinnlos war. Seit hunderten Jahren ließ der Geist nicht mit sich reden, wieso sollte er das jetzt tun?
 

Sie schob sich gerade die noch feuchten Haare mit der Hand zurück hinter die Ohren, als sie am Ende des Korridors ihren Hauslehrer sah, der in dieselbe Richtung wie sie lief. Er hatte seine Hosen zurück zu seinen üblichen Roben getauscht, die sich hinter ihm nun aufbauschten. Bei seinem Anblick lief sie automatisch langsamer, wie beinahe jeder Schüler Hogwarts. Man wartete, bis er irgendwo verschwunden war, bis man seinen Weg fortsetzt, was besser für jeden beteiligten war. Ihr kam jedoch ein Gedanke.
 

"Sei wie Peeves", waren seine letzten Worte gewesen. "Was würde Peeves tun?" Der knubbelige Geist hatte keinen Respekt, vor niemanden, also gab es so einiges, was Peeves an ihrer Stelle nun tun könnte.

Es gab auch so einiges, womit die Slytherin selbst bei Professor Snape ohne Strafe durchkamen, außer er hatte einen schlechten Tag. Tagen an denen, zum Beispiel, Gryffindor im Quidditch gewonnen hat.
 

In ihr herrschte ein Gefühl wirbelnder Unsicherheit. Einerseits hätte sie tatsächlich die Gelegenheit endlich einige Punkte loszuwerden, andererseits musste man bescheuert sein Snape zu provozieren.
 

Ihre Füße begannen schneller zu gehen, ehe sie Snape aus den Augen verlor. Zuerst mit Peeves reden, dann das. Du bist lebensmüde, ermahnte sie sich, doch gleichzeitig kam ihr eine noch verrücktere Idee, wie eine Provokation möglicherweise aussehen konnte. Nach all den Monaten ohne Erfolg war sie verzweifelt, die Punkte mussten weg! Nein, du bist nicht lebensmüde, du bist ein unvorsichtiger Gryffindor.
 

Ihr Vorhaben war leichtsinnig, und die Liste, was alles danebengehen konnte, war länger als Zabinis Aufsatz.
 

Sie hörte bereits seine hallenden Schritte im Korridor, die sie schnell versuchte mit den ihren zu synchronisieren. Vom Weg nach zu urteilen war er wohl in Richtung seines Büros unterwegs, was sie das Tempo anziehen ließ: sie würden sein Büro bald erreicht haben und dann wäre er hinter der Tür verschwunden. Sie musste es jetzt tun.
 

Nur noch wenige Meter trennten die beiden, es verlangte Evelyn einiges ab, um mit ihm Schritt zu halten.

Tu es!
 

Doch sie traute sich nicht. Sie hatte ihren Blick auf ihr Ziel fixiert, dem Saum seines Umhanges, doch sie wagte nicht den letzten Schritt zu tun. Immer wieder glitt ihr Blick nach ob zu seinem Hinterkopf und halb erwartete sie, dass er plötzlich stehen blieb, da er ihre Präsenz bemerkt hatte. Sie war sich sicher, dass er ihre Präsenz bemerkt haben musste, wirklich leise war sie nicht. Wieso bleibt er nicht stehen?

Der ganze Plan, wenn man es so nenne wollte, war mies. Kopfschüttelnd verlangsamte sie ihren Schritt mit Gedanken ihr Vorhaben abzubrechen. Es würde sich eine andere Gelegenheit ergeben, eine, die nicht beinhaltete in einem Bienennest zu stochern. Was bist du, ein Gryffindor? Das kannst du besser.

Gerade, als sie überlegte, welchen Weg sie nun nehmen sollte, traf sie etwas Hartes an die Nase. Gleichzeitig hatte sie das beklemmende Gefühl eine ähnliche Situation schon einmal erlebt zu haben.
 

"Autsch", stieß sie aus und hob sich die Nase, wobei sie merkte, wie unter ihrem Fuß versuchte etwas frei zu kommen.
 

"Passen Sie doch auf!", hallte Snapes Stimme durch den leeren Gang, als Evelyn sah, dass gerade ausversehen das passiert war, was sie eben noch gewollt vorgehabt hatte.
 

Peinlich berührt hob sie ihren Fuß, sodass Snape seinen Umhang darunter vorziehen konnte, allerdings prangte dort nun ein staubiger Abdruck ihres Schuhs auf dem Schwarz.
 

"Ich ... es tut mir leid."
 

Snape zog sich den Kragen zurecht, der ihm wohl schmerzhaft in die Kehle gezogen worden war, als Evelyn ihm während des Laufens auf den Umhang getreten war.
 

"Sind Sie denn sogar zum Laufen zu dämlich?"
 

Evelyn schluckte und sagte nichts, wobei sie den Steinboden fixierte. Jede Frage aus seinem Mund, die nicht im Unterricht gestellt worden war, war im Grunde eine rhetorische Frage, also bemühte sie sich nicht.
 

"Zehn Punkte Abzug!"
 

Ja!
 

"Tut mir leid, Professor", sagte sie erneut schuldbewusst. Zwar freute sie sich, dass es geklappt hatte – in gewisserweise – andererseits musste sie nun auch wieder aus der Situation herauskommen. "Ich war in Gedanken."
 

Sein Blick sagte alles: überflüssige Information. "Wenn das noch gleichzeitig beim Laufen funktionieren würde, wären Sie ein funktionierendes menschliches Wesen."
 

Sie biss ihre Zähne fest zusammen, um sich jedes weitere Kommentar, das es an dieser Stelle nur schlimmer machen würde, zu verkneifen. Obwohl ihr einiges als Antwort einfallen würde, was angesichts der unnötigen Beleidigung gerechtfertigt gewesen wäre.
 

"Gehe Sie zurück in ihren Gemeinschaftsraum", sagte er und wandte sich zum Gehen, als Evelyn frustriert die Worte herausrutschten.
 

"Da wollte ich ja sowieso hin."
 

Sie hatte leise gesprochen, doch in dem Gang war jeder einzelne Buchstabe zu hören gewesen. Snape bemühte sich nicht, sich umzudrehen. "Nachsitzen, Miss Harris. Melden Sie sich heute Abend bei Filch." Verdammt.
 

Um jede weitere Konfrontation zu vermeiden, schloss sie die Augen und wartete, bis Snapes sich entfernende Schritte nicht mehr zu hören waren.
 

"Sei wie Peeves", begann sie zu flüstern, während sie auf dem Absatz kehrt machte und sich den Weg in den Gemeinschaftsraum suchte. "Geniale Idee, sei wie der Poltergeist, der keinerlei Konsequenzen befürchten muss."
 

Ganze zehn Punkte war sie losgeworden, auch wenn sie nun heute Abend zu ihrem ersten Nachsitzen erscheinen durfte. "Er hätte wenigstens noch weitere fünf abziehen können. Das hätte uns einiges erspart."

Eine direkte Begegnung mit Snape war immer beunruhigend, und im Nachhinein fragte sie sich, was sie geritten hatte ein derart hohes Risiko einzugehen.
 

Wieder einmal brillant, Mädchen. Tritt Snape auf den Umhang, großartig.
 

Sie würde sich in Zukunft nicht nur von Peeves fernhalten, sondern auch nicht mehr auf seine wertvollen Ratschläge hören.
 

"Fragt mich, ob ich ein funktionierendes menschliches Wesen bin", kurz schielte sie über die Schultern, um sicher zu gehen, dass er noch irgendwo stand und sie hörte. "Fass dich an deine eigene enorme Nase, Snape."

 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich wieder ein wenig den Erklärbär spielen. Ein Polyptychon ist ein Gemälde oder ähnliches, das aus mehreren Teilen besteht. Das können drei Bilder sein, vier, oder mehr, die zusammen ein ganzes bilden. Findet man oft in der sakralen Kunst, wird aber auch so gerne in der Wohnungsgestaltung eingesetzt. Komplett anzeigen

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