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Zum Zuschauen verdammt

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Kapitel 48 - Ultimatum

Im Nachhinein bereute sie ihre Provokation zutiefst, nicht nur, weil sie nun Nachsitzen musste, sondern auch, weil sie schockiert war wie leichtsinnig sie gewesen war. Dass sie dabei nur mit Nachsitzen bestraft worden war, konnte man fast als Glück bezeichnen. Ja, sie wollte diese Punkte endlich von ihrem Konto haben, aber ausgerechnet Snape zu nutzen, erschien ihr nun äußerst dumm. Ihre Aktion war zwar teilweise ein Erfolg gewesen, aber Evelyn würde sich hüten sie zu wiederholen. Stattdessen würde sie sich an Professor McGonagall halten, um die letzten Punkte abzuziehen.

 

"Melden Sie sich heute Abend bei Filch", wiederholte Sie in Ihrer besten Snape Stimme, "wann soll das sein? Vor dem Essen, nach dem Essen? Für jemand der alles so genau nimmt, ist das recht unspezifisch."

 

Millicent lächelte müde. Daphne hatte sie dazu gebracht den Tag über mit ihr einige Flugübungen zu machen, da Millicent noch immer nicht richtig auf dem Besen sitzen konnte. Evelyn selbst war nicht gerade stolz sagen zu können, im Flugunterricht keine Probleme zu haben, allerdings war von ihnen allen Daphne die beste Fliegerin, weshalb sie Millicent ein wenig unter die Arme griff. "Ich denke davor", sagte Millicent mit breitem Gähnen.

 

"Glaub ich nicht, ich musste damals nach dem Essen gehen", antwortete Zabini, der als einziger in ihrer Gruppe gut gelaunt war. Als Evelyn von ihrer kleinen Tour zurückgekehrt war, hatte er ganz alleine am Tisch gesessen und versucht einen Satz zu formulieren. Evelyn hatte befürchtet er würde in Tränen ausbrechen, als sie sich schließlich stumm zu ihm gesetzt hatte. Mit ihrer Hilfe hatte er den Aufsatz nach wenigen Stunden beendet, den er nach eigener Aussage wohl nie alleine bewältigt hätte. Evelyn waren einige Kommentare auf der Zunge gelegen, angesichts ihres eigenes Patzers des Tages, sparte sie sich jedoch jedes Wort. Es stand ihr heute nicht zu jemanden zu kritisieren.

 

Den anderen gegenüber hatte sie ihre Begegnung mit Snape als Unfall geschildert, was es zum Teil auch war. Ihre Unterhaltung mit Peeves, der sie erst auf die glorreiche Idee gebracht hatte, dank der sie nun auf dem Weg zu ihrem Nachsitzen war, hatte sie verschwiegen.

 

"Es wäre besser, wenn du vorsichtshalber jetzt schon zu Filch gehst."

 

Pansy hatte recht, entschied Evelyn. Sie wusste nicht, wann genau Filch sie erwartete, also war es besser zu früh zu erscheinen, als zu spät, wobei sie nicht erwartete ihn in seinem Büro anzutreffen.

 

Filch war jemand, der zu jeder Zeit durch die Gänge des Schlosses patrouillierte, auf der Suche nach Unruhestiftern. Egal zu welcher Zeit, man fand ihn immer irgendwo im Schloss, wie er auf der Lauer lag, und manchmal sogar, wie er Staub wischte, was in einem so alten Gemäuer wie Hogwarts eine Sisyphusarbeit war.

 

Als sie die Eingangshalle erreichten, nickte Evelyn geschlagen. "Fein, dann werde ich eben jetzt gehen." Auch wenn er nicht in seinem Büro wäre, so wäre es besser für sie und ihre Gesundheit wenigstens kurz vorbeizuschauen.

 

Sie verabschiedete sich von den anderen, die mit der Masse in der Großen Halle verschwanden, während sie den Gang entlang ging, hinein in einen schmalen Korridor, der die Eingangshalle mit den zum größten Teil leer stehenden Klassenzimmern im Erdgeschoss verband.

 

Die Mehrzahl der Zimmer im Schloss wurden nicht genutzt, dafür war die Masse an Schülern viel zu klein. Evelyn vermutete, dass es eine Zeit gegeben haben musste, in der pro Jahr Tausende hier unterrichtet worden waren, doch verglichen damit war das Hogwarts heute nur zu einem Bruchteil gefüllt. Sie sah es täglich in der Großen Halle, die weitaus mehr Platz bot, als sie tatsächlich benötigten. Das Erdgeschoss war praktisch unbenutzt, weshalb sie sich beeilte den dunklen Gang hinter sich zu bringen.

 

Es hingen einige Gemälde hier, allerdings fehlte in beinahe jedem das Bild. Überall sah sie nur leere Landschaften, verlassene Pavillons oder vergessene Stuben. Es schien beinahe so, als seien die Bewohner der Gemälde dauerhaft umgezogen.

"Da ist ja in unserem Kerker mehr los", murmelte sie, als sie an einem leeren Rahmen beäugte, der unter einer dicken Schicht Spinnenweben verschwand. Ein seltsames Gefühl überkam sie, so als ob kleine Tierchen über ihre Haut krabbelten. Das bildete sie sich natürlich nur ein, dennoch ergab sie sich dem Drang ihre Arme zu kratzen.

 

Hier hindurch zum Büro zu gehen, empfand Evelyn als Strafe genug, aber sie war sicher, dass Filch noch so einige Ideen in petto hatte.

 

Mittlerweile hatte sie ihre Meinung geändert und hoffte, dass Filch im Büro anwesend war. Ein zweites Mal wollte sie nicht den Weg hinter sich bringen, wenn es nicht sein musste. Bereits die letzten Meter zur unscheinbaren Tür, legte sie im Eilschritt zurück, ehe sie ohne zu zögern klopfte.

 

Bitte sei da, bitte sei da, bitte sei da.

 

Quälend lange Sekunden hörte sie nichts, und genauso wenig passierte auch, bis die Tür aufgerissen wurde und ein heller Lichtstrahl von innen sie blendete.

 

"Was ist?" Die krächzende Stimme war beinahe eine Erlösung, allerdings wusste Evelyn nicht genau, was sie sagen sollte. Sie hatte keine Erklärung vorbereitet.

 

"Mr Filch?", fragte sie, noch immer stark geblendet, wobei ihr bewusst war, wie überflüssig die Frage eigentlich war.

 

"Bist du die Slytherin, die mir heute Abend helfen soll?" Jedes Wort war ungläubig von ihm gedehnt worden, so als ob er genauso unerfreut wäre sie zu sehen, wie Evelyn sich fühlte.

 

"Eh, ja?", war alles, was sie erwiderte. Immerhin sah sie nun den alten Hausmeister besser, der das faltige Gesicht zur Fratze verzog.

 

"Ergh, du bist zu früh." Er schüttelte den Kopf, ließ die Tür zu seinem kleinen Zimmer jedoch auf, damit sie hineintreten konnte. "Nichtmal in Ruhe essen lassen sie einen."

 

Filch ging zu einem überfüllten Schreibtisch, wo nur ein bisschen Platz geschafft worden war, um einen Teller abstellen zu können. Interessanter fand sie jedoch die leise klimpernden, glänzenden Ketten, die hinter ihm an der Wand drapiert waren. Der Wind, der nun durch die offene Tür zog, in der sie stand, hatte sie in Bewegung gesetzt.

 

Ringsum standen hölzerne Aktenschränke, die allesamt beschriftet waren, sich jedoch vom eigenen Gewicht zur Seite neigten. Das Licht, das Evelyn gerade noch so hell erschienen war, kam nur von einer kleinen, unscheinbaren Öllampe, die direkt unter der Decke hing. Fenster gab es keine, daher war Evelyn nicht verwundert abgestandene Luft zu atmen, die ein wenig nach Fischstäbchen roch. Kurz schaute sie auf Filchs Teller, der noch gut gefüllt war, allerdings entgegen Evelyns Annahme gar keine Fischstäbchen enthielt.

 

"Hey!", rief Filch und ließ Evelyn zusammenzucken. "Nicht herumschnüffeln!"

 

Er beeilte sich einige Werkzeuge zusammenzusuchen, ehe er Evelyn unsanft hinaus schubste und die Tür sorgfältig mit einem rostigen Schlüssel verschloss.

 

"Folg mir."

 

Freundlich wie eh und je, dachte sie, hatte aber auch keine andere Reaktion seinerseits erwartet. Kurz suchte sie den Boden nach Mrs Norris ab, musste aber feststellen, dass seine Katze nirgends zu sehen war. Seltsam.

 

"Du hast heute die schöne Aufgabe die Kamine zu putzen", meinte er, ohne sich umzudrehen, "nach dem Winter sind sie immer so verstopft." Über verschmutzte Kamine zu reden, schien Filchs Laune etwas zu verbessern, wohingegen Evelyn wortlos die Stirn runzelte. Sie hatte noch nie im Leben einen Kamin reinigen müssen und sah dieser ohne Zweifel dreckigen Aufgabe nicht entgegen.

 

Mit einer vergilbten Lampe aus Glas ging er voran, wobei er Evelyn auf dem exakt selben Weg zurückführte, auf dem sie gekommen war, bis sie vor der Großen Halle standen. Die Türen waren geschlossen, doch man konnte das dumpfe Gemurmel im Innern hören. In der Eingangshalle selbst hing der Geruch nach duftendem Essen.

 

"Weiter." Unbemerkt von Evelyn hatte er einen schmalen Durchgang neben der Halle geöffnet, wo er nun mit seiner Lampe hinein leuchtete.

 

"Wie haben Sie das gemacht?", wollte Evelyn wissen, doch Filch drängte sie nur weiterzugehen.

 

"Keine Fragen, geh rein."

 

Mit Filch auf ihren Fersen zwängte sie sich in den Freiraum, der kaum breiter war, als ihre ausgestreckten Arme. Sofort schlug ihr ein unangenehm beißender Geruch entgegen, der sie die Hand vor die Nase nehmen ließ. Viel sah sie glücklicherweise nicht, da die Lampe und Filch hinter ihr waren und sie daher weite Schatten warf, denn sie befürchtete halb verweste Gebeine auf dem schmutzigen Boden zu entdecken. Immer wieder spürte sie, wie etwas unter ihren Füßen zerbarst und sie hoffte, dass ihre Fantasy ihr einen Streich spielte und es sich nur um kleine Steinchen handelte, die von den Wänden abgebröckelt waren.

 

Der Weg war ging immer geradeaus, als Filch sie barsch zum Halten brachte und ihr die Werkzeuge vor die Brust hob.

"Die gehören die nächsten Stunden dir", sagte er grinsend und nickte zu seiner Rechten. "Das Schloss wird mit diesen Rillen warm gehalten, allerdings sind die natürlich jetzt verschmutzt. Viel Spaß beim Putzen, und keine Magie."

 

Filch wandte sich um, aber Evelyn wollte ihn nicht einfach gehen lassen. "Moment, stopp. Die Rille zieht sich über die gesamte Länge. Das soll ich alles putzen?" Schockiert betrachtete sie die Wand, wo sie den kleinen Vorsprung bemerkte, der eher aussah, als wäre er ein mittelalterliches Abflusssystem.

 

"Hättest dir eben vorher überlegen sollen, ob du Ärger machst", war alles, was er antwortete, ehe er die Lampe zu Evelyns Füßen stellte und im Dunkel verschwand. Kurz verharrte sie, die Kiste mit verschiedenen Werkzeugen ungläubig in Händen, ehe sie kopfschüttelnd erneut die Rille, wie Filch es nannte, im Dunkel begutachtete.

 

"Das ist kein Kamin!", sagte sie laut. Ihre Worte hallten leicht von den nackten Wänden. "Ein Kamin hat eine Feuerstell", sie setzte die Kiste ab, "in der kann ein Feuer brennen." Unschlüssig nach was genau sie suchte, kramte sie in dem Sammelsurium an Zeug. "Der Rauch wird dann in einem Schornstein abgelassen, wo ist hier der Schornstein?" Sie fühlte sich veralbert. Als er gesagt hatte, sie würde Kamine säubern, hatte sie an die Feuerstelle in ihrem Gemeinschaftsraum gedacht, die in der Tat den gesamten Winter über befeuert worden war: nicht an dieses abgewandelte Aquädukt für Ameisen. Wütend trat sie gegen die Box, die laut unter ihrem Fuß schepperte. Sie war auf einiges gefasst gewesen, aber sie hatte nie damit gerechnet an diesem stinkenden Ort vertrockneten und eingebrannten Ruß beseitigen zu müssen.

 

Mitten in dem winzigen Gang stehend versuchte sie zu vermeiden etwas anzufassen. Alles hier erschien ihr klebrig verdreckt. Sie schlang die Arme um sich selbst, während sie versuchte ruhig durch den Mund zu atmen. Ihre Nase begann bereits zu brennen und sie redete sich ein den sauren Geschmack auf der Zunge nicht zu bemerken.

 

Sie wünschte sie könnte sagen, sie wäre wütend auf Filch, es wäre sogar einfach zu behaupten, sie wäre wütend auf Snape, doch sie wusste, dass sie eigentlich wütend auf sich selbst war. Filch tat nur das, was man ihm aufgetragen hatte, obwohl sie sein gehässiges Grinsen anwiderte. Sie war in diesem dunklen Loch, weil sie aus einem Impuls heraus Snape provoziert hatte, ein Schachzug, der sie selbst mattgesetzt hatte. Sie hätte es besser wissen müssen als ausgerechnet ihrem eigenen Hauslehrer buchstäblich auf den Schlips zu treten, und diese Tatsache war es, die ihr am meisten zusetzen. Nicht, dass sie hier gleich im Schmutz wühlen würde, obwohl auch das nicht angenehm werden würde, sondern es war die Tatsache, dass ihr Leichtsinn arg an Dummheit grenzte.

 

"Idiot, das ist deine eigene Schuld", stieß sie frustriert aus, ehe sie beherzt nach einer runden Drahtbürste griff.

Sie erkannte die meisten Utensilien in der Box: Bürsten verschiedener Größen, Handschaufeln, und Schwämme, manche grob manche fein. Nach all der Zeit hier, in der sie gesehen hatte, wie nur mit einem Spruch selbst das schlimmste Chaos beseitigt werden konnte, oder wie nach einem Schwenker mit dem Zauberstab Zerbrochenes wieder ganz gemacht werden konnte, löste der Anblick dieser handelsüblichen Ausrüstung ein heimisches Gefühl aus.

 

All ihr Groll half nichts, sie musste sich an die Arbeit machen; ob sie wollte, oder nicht. Sie setzte sich die Lampe zurecht, sodass sie sich einen Überblick über die Verschmutzung machen konnte. Es sah aus, als wären die Rillen bedeckt mit einer dicken Schicht teerartigem Zeug, was es vermutlich auch war. Überall, selbst an der Wand hinter ihr, waren Rußrückstände zu sehen, die sie aber nicht vorhatte ebenfalls zu entfernen. Das schien ihr Schmutz von Jahrhunderten zu sein.

 

Eher widerwillig näherte sie sich mit dem Finger dem schwarzen Teer in der Rille.

 

"Woah, eklig", sagte sie, als ihre Fingerspitzen die klebrige Masse berührten.

 

Langsam gewöhnte sie sich an den modrigen Geruch, doch trotzdem sah sie sich nun nach einem Tuch um, das sie sich vor den Mund binden konnte. Sie würde hier einigen Schmutz aufwirbeln, den sie nicht vorhatte einzuatmen. Es überraschte sie kaum zu sehen, dass es zwar Reinigungstücher aus Leder gab, jedoch nichts, womit sie ihr Gesicht schützen konnte, aber sie wäre kein Muggel für zwanzig Jahre gewesen, wenn sie sich nichts einfallen lassen würde.

 

Kurzerhand schlüpfte sie aus ihrem Pullover und griff nach dem Ärmel ihrer Bluse. All ihren aufgestauten Frust über sich selbst legte sie in eine Bewegung. Quälend langsam gaben die Nähte nach, wobei sich der Stoff Stück für Stück in Evelyns Fleisch grub, bis auch der letzte Faden riss, der den Ärmel an den Rest der Bluse gebunden hatte. Schnell rieb sie beide Hände zusammen, um den Schmerz ein wenig zu lindern.

 

Die hässlichen Fransen verbarg sie unter ihrem Pullover, ohne den es sowieso zu kalt wäre. Ironischerweise wusste sie einen Zauberspruch, mit dem sie nun aus dem Ärmel ein Tuch machen konnte, das lang genug wäre, um es einmal um den Kopf zu wickeln, allerdings versuchte sie sich noch nicht einmal an einem Diffindo, den sie kaum bewerkstelligen konnte. Stattdessen griff sie nach dem einzigen in der Kiste, was halbwegs scharf aussah. Zuerst hatte sie geglaubt, Filch trug einen Hufkratzer mit sich herum, doch auf den zweiten Blick, war dieses gebogene Messer dafür viel zu groß. Damit schaffte sie es mehr schlecht als recht sich endlich ein Tuch zu basteln, welches sie eilig anlegte. Es wurde Zeit an die Arbeit zu gehen.

 

Filch hatte ihr nicht erklärt, wie genau sie vorgehen sollte, außer der netten Bemerkung keine Magie zu benutzen, worüber sie nur schmunzeln konnte.

 

Als sie eine Bürste nach der anderen herausholte, fiel ihr Blick auf ihr Armband, welches sie von Ollivander bekommen hatte und nun unter ihrem Pullover hervor lugte. Sie hatte kein Interesse Teer oder anderes auf das Armband zu schmieren, weshalb sie es zum ersten Mal in Wochen abnahm und sich an einen Knopf band, um es nicht zu verlieren.

 

Schnell wurde ihr klar, dass eine kleine aber nicht unwichtige Komponente völlig fehlte: Wasser. Sie hatte Tücher, Lumpen, Bürsten und sogar eine kleine Schaufel, aber nirgends fand sie auf nur einen Eimer, mit dem die Wasser transportieren könnte. Wenn sie jedoch darüber nachdachte, war das wohl gewollt so.

 

Sie nahm sich eine der großen Drahtbürsten und begann an Ort und Stelle in der Rille zu schrubben. Immer wieder blieben einige der dicken Haare in der Masse kleben und zuerst glaubte Evelyn hier rein gar nichts zu bewirken, doch nach und nach trug sie den Schmutz ab, der sich in kleinen Klumpen überall auf dem Boden, und auf Evelyn verteilte. Ihre Entscheidung sich wenigstens ein bisschen vor dem Staub zu schützen, war die richtige gewesen. Bald schon waren ihre Hände und vermutlich auch der Teil des Gesichtes, der frei lag, schwarz vor Ruß. Trotzdem glaubte sie, dass sie noch zu viel des Staubes einatmete, da sie mit der Zeit immer mehr husten und sich räuspern musste.

 

Nichtsdestotrotz kam sie voran. Sie hatte sich ein System erarbeitet, nach dem sie zunächst das Gröbste abtrug und dann mit dem Messer, das sie als Hufkratzer verwechselt hatte, die schmalen Rillen regelrecht auskratze. Den Abfall, den sie dabei verursachte, bürstete sie ohne Reue einfach über den Rand auf den Boden. Ihre Aufgabe war es die Rille zu säuber, nicht den ganzen Gang.

 

Je mehr Zeit sie hier verbrachte, desto klarer wurde ihr, weshalb Filch von "Kamin" geredet hatte. Die Rillen, es waren mehrere, zogen sich bis in den Stein hinein, was katastrophal zu reinigen war. Wenn sich Evelyn nicht irrte, stand sie vor der Grundheizung des Schlosses. Einzelne Räume, wie ihren eigenen Gemeinschaftsraum, hatten sie mit der Feuerstelle warm halten können, doch der Rest des Schlosses war für vereinzelte Feuerstellen zu groß. Über diese Rillen, in denen Teer verbrannt worden war, gelangte Wärme direkt in den Stein und hielt das Schloss so in den kältesten Monaten davon ab von innen einzufrieren. Evelyn erinnerte sich, wie sie trotzdem jedes Mal gefroren hatte, wann immer sie die Wärme ihres Hauses verlassen hatte. Sie wollte sich gar nicht vorstellen wie kalt es in dem Gemäuer geworden wäre, wenn sie ihre Generalheizung nicht gehabt hätten.

 

Das ganze Schloss musste, unsichtbar für die Schüler, durchzogen sein mit diesem einfachen Mechanismus, und Evelyn hoffte inständig, dass sie nicht jede einzelne dieser Rillen säubern musste.

 

Irgendwann, sie konnte nicht sagen wie lange sie schon unbemerkt von Evelyn dagesessen hatte, hatte sie eine stumme Zuschauerin bemerkt. Mrs Norris' gelbe Augen waren beinahe das einzige, das man in dem fahlen Licht erkennen konnte. Beinahe wie eine Puppe saß sie da und beobachtete Evelyn bei ihrer Arbeit.

 

"Du könntest dein Herrchen für mich fragen, wie lange ich hier noch putzen soll?", fragte sie Mrs Norris schwer atmend. Mittlerweile kam ihr die Strafarbeit wie Schwerstarbeit vor. Ihr Arm schmerzte und jeder Muskel fühlte sich zum Bersten gespannt an. Der Schweiß perlte ihr schon von der Stirn und verklebte ihre Haare. Zudem hatte sie seit einiger Zeit fürchterlichen Hunger. Das Abendessen war sicherlich schon lange beendet worden.

 

Mit der Bürste in der Hand, hielt sie inne. "Ich kann nicht mehr." Sicherlich hatte sie bereits mehr Kraftreserven, als ein Kind, doch die eintönige Arbeit gab ihr nun den Rest. Wie Kinder diese Arbeit bewerkstelligen sollten , war ihr ein Rätsel und grenzte in ihren Augen beinahe an Folter.

 

Sie nutze ihre kurze Pause und streckte langsam die mit Dreck besudelten Finger nach Mrs Norris aus. Im Endeffekt war Mrs Norris eine normale Katze, wenn auch mager und ein wenig strubblig. Ihr Fell wirkte staubig, allerdings konnte Evelyn nicht sagen, ob ihre Augen ihr nur einen Streich spielten, oder ob sich Reste des Rußes auch auf Mrs Norris abgesetzt hatten.

 

"Gesprächig bist du nicht gerade." Noch immer hob sie der Katze die Finger entgegen, die Mrs Norris völlig ignorierte. "Oder beweglich. Sollst du aufpassen, dass ich arbeite?"

 

Langsam hob sie ihren Schwanz und wickelte ihn sich um ihre Vorderbeine.

 

"Ja, wir wollen beide nicht hier sein. Wobei es vielleicht wenigstens ein paar Mäuse für dich gibt. Isst du Mäuse? Wahrscheinlich nicht." Sie gab es auf Mrs Norris locken zu wollen, und trotz ihrer anfänglichen scheu sich nicht auf den Boden zu setzten, ließ sie sich an Ort und Stelle nieder. Sie war ohnehin schon völlig verdreckt.

 

"Weißt du, wenn man mir vor einem Jahr gesagt hätte, dass ich heute genau hier sitzen würde, hätte ich ... ja was hätte ich eigentlich? Wie reagiert man wohl, wenn man gesagt bekommt, man würde in einem Buch landen."

 

Sie lachte trocken, wobei sie mit einem Hustenanfall bestraft wurde. Nicht nur der Hunger trieb sie, sie würde momentan auch alles für ein Glas Wasser geben.

 

"Du weißt nicht, was ein Buch ist, oder?" Mit wenig Elan schmiss sie ihre Werkzeuge, die sie benutzt hatte und nun überall um sie herum lagen, zurück in die Kiste. "Nein, du fragst dich wahrscheinlich, was der blöde Mensch von dir will?" Sie zog das Tuch vom Mund, sodass sie freier atmen konnte. Ein wenig schockiert war sie schon als sie sah, wie der weiße Stoff ihrer Bluse völlig schwarz war.

 

"Der blöde Mensch will eigentlich nur, dass dieser beschissene Tag vorbei ist." Sie konnte sich kaum vorstellen, wie sie heute Morgen noch im Quidditch-Stadion gestanden und Gryffindor beim Sieg zugesehen hatte. Nichts schien ihr im Moment verlockender zu sein, als sich in ich Bett zu verkriechen und den morgigen Sonntag in selbigem zu verbringen. Schon jetzt wusste sie jedoch, dass ihr das nicht vergönnt sein würde. William hatte einige Übungen für morgen eingeplant, die sie mit dem bevorstehenden Muskelkater nur umso schwieriger bewerkstelligen würde.

 

"Niemand hat gesagt, das Leben als Zauberer sei einfach, was?", versuchte sie ein letztes Mal mit der Katze zu kommunizieren, ehe sie sich stöhnend erhob. Mrs Norris tat es ihr nach, ihre Bewegungen waren hingegen weitaus eleganter, als die von Evelyn.

 

Mit wenig Überzeugung für das, was sie tat, griff sie erneut nach der Bürste, die ihr bereits schmerzhaft in den Fingern lag, und begann ohne Elan über den Stein zu putzen, ohne wirklich etwas zu bewirken. Falls Filch zurückkommen sollte, worauf Evelyn immer stärker hoffte, sollte er sie nicht untätig auf dem Boden sitzen sehen. Sie hatte nicht gemerkt, wie Mrs Norris in der Dunkelheit verschwand und sie abermals alleine ließ.

 

Wie viel sie in der Zeit geschafft hatte, konnte sie schlecht einschätzen. Sie hatte sich monoton Stück für Stück weitergearbeitet, sah aber nirgendwo ein Ende. Sie glaubte nicht, dass Filch erwartet hatte, dass sie die volle Länge reinigte, möglicherweise war das aber auch nur Wunschdenken.

 

Tatsächlich dauerte es nun nur noch Minuten, bis sie endlich den Klang hallender Schritte durch den Gang hörte.

 

"Das reicht, weg mit dir. Ab!" Ohne Begrüßung tauchte Filch aus der Dunkelheit auf, gefolgt von seiner Katze. Evelyn fragte nicht weiter nach, ließ alles stehen und liegen und wünschte ihm eine gute Nacht, was er nicht erwiderte.

 

Auf dem Hinweg war sie noch vorsichtig gewesen, wo sie hintrat, nun aber lief sie ohne Rücksicht auf das knirschende Geräusch unter den Füßen durch den schmalen Gang, bis sie endlich den Ausgang erreichte.

 

In der Eingangshalle verharrte sie kurz und streckte sich. Die Decke im Gang war zwar meterhoch gewesen, dennoch hatte sich Evelyn eingeengt gefühlt. Nun in der Weite der Eingangshalle zu stehen, war mehr als befreiend. Dass sie den unangenehmen Geruch hinter sich lassen konnte, war ein willkommener Bonus, auch wenn es einige Zeit dauern würde, bis sie ihn vollständig aus der Nase hatte.

 

Kurz schaute sie im Schein der Fackeln an sich herunter und erschrak als sie sah, dass ihre Schuluniform über und über mit schwarzen Klumpen bedeckt war. Ihre Finger und Nägel waren völlig verschmiert und verklebt, sodass sie dem Drang widerstehen musste, sich den Schweiß aus dem Gesicht zu wischen. Allerdings befürchtete sie, dass sie im Gesicht genauso schwarz aussah.

 

"Wenn Blaise mich so sieht, wird er mich das wochenlang nicht vergessen lassen", sagte sie leise, als sie sich endlich zurück zum Gemeinschaftsraum begab.

 

Die Große Halle war bereits verlassen, weshalb sie sich nicht die Mühe machte dort etwas zum Essen zu suchen, sie würde bis morgen warten müssen. Sie beeilte sich hinunter in die Kerker zu kommen, wobei sie glücklicherweise niemanden traf. Es würde reichen, wenn sie sich dem Spott von Blaise und Pansy aussetzen musste, da konnte sie darauf verzichten auch noch-

 

"Miss Harris!"

 

Sie schloss resigniert die Augen und schluckte schwer.

 

Nein, nein bitte. Nicht nochmal. Schnell hob sie die Arme und drehte sich zum Ursprung der Stimme um.

 

"Sir, ich bin gerade auf dem Weg zurück, ich komme von der Strafarbeit", die Sie mir auferlegt haben vielen Dank auch, "ich bin mir der Sperrstunde bewusst."

 

Die genaue Uhrzeit kannte sie nicht, da sich jedoch niemand mehr auf den Gängen aufhielt standen die Chancen gut, dass es bereits zu spät war.

 

Professor Snape war einige Meter hinter ihr aufgetaucht und hatte die nächtliche Ruhe mit seinem Ruf gestört.

 

"Folgen Sie mir!"

 

Neeeein. "Sir, darf ich mich wenigstens umziehen?" Sie deutete auf ihre verdreckte Kleidung, ein letzter verzweifelter Versuch sich eine Gnadenfrist zu erbitten, was Snape kaum wahrnahm.

 

"Sie dürfen nicht."

 

Ich darf nicht, natürlich, was frage ich auch?

 

Sie beeilte sich zu ihm aufzuschließen, riss jedoch hinter seinem Rücken Grimassen.

 

"Halten Sie Abstand. Sie werden die nächsten Monate in diesem Zustand zurück zu ihrem Haus gehen, wenn sie mir noch einmal auf die Robe steigen."

 

'Tschuldigung.

 

Stumm, mit genug Entfernung zu ihrem Hauslehrer, folgte sie ihm, wobei sie sich fragte, was genau sie schon wieder falsch gemacht hatte. Vielleicht hatte sie zu laut geseufzt, als sie daran gedacht hatte, erst in einige Stunden Essen zu bekommen?

Mulmig war ihr schon, als sie direkt vor seinem Büro stand, das sie bisher glücklicherweise nie von innen gesehen hatte; das würde sich nun ändern.

 

"Rein, aber fassen Sie nichts an!" Missbilligend schielte er auf ihre verklebten Finger, so als sei es ihre Schuld, dass sie so aussahen. Moment, das hatte sie ja bereits geklärt: es war ihre Schuld.

 

Eher zögerlich trat sie durch den runden Türbogen, hinein in die Höhle des Löwen.

 

Sie schluckte einen Wortwitz hinunter, der selbst in Gedanken unangebracht für die Situation gewesen wäre. Nun musste sie sich konzentrieren, so gut es in ihrem jetzigen Zustand ging.

 

Kurz traute sie sich nach links und rechts zu schauen, war aber wenig überrascht nichts weiter als dutzende Regale voller Reagenzien zu sehen. Man hätte meinen können, sie wären im Klassenzimmer, wären da nicht die Sitzmöbel, die spärlich, aber dennoch, anwesend waren. Der Geruch nach getrockneten Kräutern und moosigem Holz, der in der Luft hing, war tatsächlich Balsam für ihre Nase, nachdem sie Stunden in dem muffigen Loch verbracht hatte.

 

Hinter einem großen Tisch aus dunklem Holz waren zwei Pokale drapiert, die im gedämpften Licht schimmerten. Der schlankere, höhere der beiden, musste der Hauspokal sein, während der eher plumpe mit kleinen Besen als Henkel der Quidditch-Pokal war. Für Evelyn sah dieser eher aus wie ein zu groß geratener Trinkbecher.

 

Nichtsdestotrotz war Snape wohl stolz darauf beide Auszeichnungen in seinem Büro zeigen zu können. Sie waren so ziemlich das einzige Dekor, das sie finden konnte; abgesehen von dem dunklen Läufer, auf dem sie stand.

 

Ohne Worte umrundete er seinen Schreibtisch und beugte sich daraufhin leicht nach vorne. Evelyn überlegte kurz sich auf den Stuhl vor ihm zu setzen, hielt dies dann aber für eine schlechte Idee. Das dunkle Leder, mit dem der Stuhl überzogen war, benötigte keine extra Schicht Ruß.

 

"Ich werde Ihnen nun eine Frage stellen und ich will, dass Sie ganz genau nachdenken, was Sie mir antworten", begann er leise, den Blick auf eine seiner Schubladen gerichtet. Evelyn hatte begonnen nervös an ihren Fingernägeln zu ziehen. Ihr Puls beschleunigte sich.

 

Er weiß es, schoss es ihr durch den Kopf. Nein, das kann nicht sein. Woher?

 

Sie senkte den Blick, was nicht nötig gewesen wäre. Er fixierte noch immer seinen eigenen Schreibtisch, trotzdem konnte sie sich nicht sicher sein, ob er nicht in diesem Moment unbemerkt ihre Gedanken durchforstete. Kurz hatte sie befürchtet er hätte sie durchschaut, doch das konnte nicht sein.

 

Denk an Hundebabies.

 

"Ihre Antwort könnte möglicherweise Ihre zukünftige Schullaufbahn beeinflussen, als wägen Sie Ihre Worte gut ab."

 

Er weiß es!

 

Während sich seine Rede Buchstabe für Buchstabe unter ihre Haut gegraben hatte, hatte ihre Atmung drastisch zugenommen. Sie traute ihrer eigenen Stimme nicht, weshalb sie nur die Zähne zusammenbiss aus Angst, ihr Unterkiefer könnte zittern.

 

"Miss Harris", begann er. Jetzt kommts, was sagst du? Sagst du die Wahrheit? Nein, der glaubt dir doch kein Wort. Scheiße! "Halten Sie mich für bescheuert?"

 

Ihre Kehle war völlig vertrocknet und ihre Zunge klebte an ihrem Gaumen. Am liebsten hätte sie sich geräuspert, doch sie hatte Angst auch nur einen Mucks von sich zu geben. Seine Frage geisterte ihr durch den Kopf, doch sie suchte vergeblich nach einem Sinn. Er wartete auf eine Antwort, die ihm Evelyn nicht geben konnte.

 

Der Drang etwas zu sagen wurde größer mit jeder Sekunde, die Snape geduldig die Stille aussaß. Evelyn hingegen glaubte ihr Herzklopfen müsste bald laut genug sein, dass selbst Snape es hören konnte. Mehrmals öffnete sie die Lippen, doch es gelang ihr nicht ein Wort zu bilden.

 

"Soll ich ihre Stille als ein Ja werten, Miss Harris?"

 

Es war unmöglich herauszuhören, ob er wütend war, amüsiert oder angewidert. Seine Emotionen hatte er hinter einen Maske und einige fetten Strähnen seiner Haare versteckt, während Evelyn gerade jegliche Beherrschung entglitt. Aus dünner Kehle schaffte sie es endlich etwas zu erwidern.

 

"Professor, ich verstehe Ihre Frage nicht, was wollen Sie von m-"

 

Mit einer schnellen Bewegung öffnete er die Schublade und Evelyn glaubte schon, die Spitze seines Zauberstabes auf sie gerichtet zu sehen.

 

"Sie sind doch sonst so ein schlaues Köpfchen", sie hatte panisch die Augen geschlossen und wartete auf das Unausweichliche, als ein dumpfer Schlag sie zusammen zucken ließ. "Schauen Sie mich gefälligst an, wenn ich mit Ihnen rede."

 

Sein Gewicht stützte er auf einige seiner Finger auf der Tischplatte ab, während er ihr mit der anderen Hand einen Stapel Pergamente hinwarf, die verstreut vor ihr liegen blieben. Sie waren voll beschrieben, manche mit unschönen Tintenflecken und Fingerabdrücken, mache mit scharlachroten Bemerkungen an den Rändern. Sie erkannte ihre Schrift unter den vielen.

 

"Eine weitere Frage, Miss Harris, und ich hoffe für Sie, dass Sie die beantworten können." Langsam stieß er sich von der Tischplatte ab. "Was haben Sie hier vor sich?"

 

Im Moment fiel es ihr äußerst schwer sich zu konzentrieren, doch die wenigen Sätze, die sie lesen konnte, kamen ihr dennoch vertraut vor.

 

"Ich glaube, das sind die Aufsätze zum Thema leicht verderblicher Zutaten und deren Gärprozesse."

 

"Schön, dass Sie bewiesen haben, dass Sie durchaus in der Lage sind, eine Frage zu beantworten." Erneut griff er in seine Schublade und warf ihr einen zweiten Stapel zu. Wieder dasselbe Bild, nur ein anderer Aufsatz.

 

"Kommen wir nun also zu unserem eigentlichen Problem zurück. Halten Sie mich für bescheuert?"

 

Evelyns Puls hatte sich trotz angespannter Situation ein wenig beruhigt. Egal, was Snape sauer aufstieß, es hatte nichts mit Evelyns kleinem Geheimnis zu tun. Sie schöpfte neuen Mut und erlangte langsam ihre Fassung zurück.

 

"Nein, Sir, im Gegenteil. Ich halte Sie für einen der intelligentesten Zauberer dieser Schule."

 

"Schmeicheleien mögen manche Lehrer erweichen lassen, aber damit sind sie hier in meinem Büro an der falschen Stelle. Damit kommen Sie hier nicht weit."

 

"Das war nicht meine Absicht."

 

"Ruhe." Er trat hinter seinem Schreibtisch hervor und umrundete ihn schon beinahe gemächlich, bis er direkt vor Evelyn stand, die Arme hinter dem Rücken an den Rand des Tisches gelehnt. Evelyn trat ein Stück zurück, zum einen, weil sie ihn nicht so nahe vor sich haben wollte, zum anderen, weil sie noch immer völlig verdreckt mit Ruß war.

 

Hinter ihm sah sie noch einige Ecken der Pergamente und erkannte nun nicht nur ihre Schrift, sondern auch die von Millicent. Sie war beinahe erleichtert als ihr endlich dämmerte worauf er hinaus wollte. Er ließ ihr aber keine Gelegenheit zu sprechen.

 

"Ich verfolge Ihre kleines Spielchen nun schon seit einigen Wochen, und auch wenn Professor McGonagall mir versichert hat, dass Sie es – wie waren ihre Worte – nur gut meinen", er griff nach einem der Pergamente und präsentierte es Evelyn, "will ich nicht länger tolerieren, dass Sie dabei helfen, wie ihre Klassenkameraden verblöden."

 

Zögerlich nahm Evelyn das Pergament entgegen, das von Pansy stammte und übersät war mit roten Kommentare, die aus Snapes Feder stammten. Sie las sich einige der Kommentare durch, die sie die Stirn runzeln ließ. Es waren nicht Snapes Bemerkungen, die waren alle berechtigt, sondern eher das, was Pansy geschrieben hatte. Beinahe jeder Satz war völlig falsch.

 

"Das scheint Sie zu schockieren? Immerhin zeigen Sie nun ein wenig Anstand."

 

"Sir, ich hatte keine Ahnung!", meinte sie leise. "Ich dachte nicht, dass-"

 

"Dass was? Ihre Klassenkameraden sich wochenlang Ihre Arbeiten ausleihen und ich davon nichts mitbekomme?"

 

Sie schluckte schwer. Sagen Sie es doch: Nichts, was in dieser Schule passiert, entgeht mir. Sie denken es und Sie wissen, dass ich es auch weiß.

 

"Nein, Sir. Ich dachte nicht, dass ich meinen Klassenkameraden damit schade."

 

"Ihren Klassenkameraden schaden? Verstehen Sie mich nicht falsch, wenn sie so töricht sind und von Ihnen kopieren, verdienen sie jede Konsequenz. Was ich jedoch nicht tolerieren kann ist die Tatsache, dass Sie dem Ruf dieses Hauses schaden."

 

Bitte was?

 

"Slytherin beherbergt seit hunderten von Jahren einen Großteil der fähigsten Hexen und Zauberer, die das Glück hatten Hogwarts besuchen zu dürfen." In Evelyns Ohren klangen seine Worte eher sarkastisch, als tatsächlich ernst gemeint, trotzdem bemühte sie sich betroffen zu wirken. "Was Sie in Händen halten, ist eine Schande und ich schäme mich zu wissen, dass ein Schüler meines Hauses diesen Unsinn geschrieben hat."

 

"Ich verstehe, Sir." Sie gab ihm den Aufsatz zurück, wobei er ihn nur mit den Spitzen seiner schlanken Finger wagte zu berühren.

 

"Hinter mir sehen Sie den Hauspokal, den Slytherin nun seit sieben Jahren in Folge gewonnen hat, und ich werde nicht zulassen, dass Ihre gut gemeinte Hilfe die Fortsetzung dieser Siegesserie verhindert; auch wenn ich sicher bin, dass Professor McGonagall anderer Meinung ist."

 

Alles, was Evelyn tun konnte, war knapp zu nicken.

 

"Sie, Miss Harris, werde ich persönlich dafür verantwortlich machen, sollte Slytherin, und Ihre Hauskameraden speziell, dieses Jahr im Vergleich zu den anderen Häusern in den Zensuren unterliegen. Ich rate Ihnen also, die Sache in den restlichen Monaten, die ihnen bis zum Ende des Schuljahres noch bleibt, in Ordnung zu bringen."

Entsetzt sah sie ihren Hauslehrer an, der kaum eine Regung zeigte. "Sie meinen, wenn jemand in den Examen durchfällt, dann-"

 

"Ich meine, Miss Harris", unterbrach er sie erneut, "dass ich Sie verantwortlich mache, wenn Slytherin den Hauspokal verliert. War das verständlich genug?"

 

Unbewusst fuhr sie sich mit der Hand durch das verklebte Haar. Nur langsam sickerte die Bedeutung seiner Aussage in ihr Bewusstsein. Hauspokal. Scheiße!

 

"Schön, dass wir uns einig sind", meinte er und wandte sich ab, um seinen Schreibtisch abermals zu umrunden. Nun jedoch ließ er sich auf seinem Stuhl nieder.

 

"Wenn Sie mich nun entschuldigen würden, ich habe nun das Vergnügen mir die restlichen Aufsätze durchzulesen."

Ohne zu warten, ob Evelyn sein Büro verließ, griff er nach einer Feder zu seiner rechten, die er in ein Fässchen mit roter Tinte tunkte. Allerdings ließ sich Evelyn nicht zweimal bitten, und rannte förmlich aus dem Zimmer, nachdem sie einen kurzen Abschied gemurmelt hatte. Beinahe hätte sie in ihrer Eile die Tür seines Büros zugeschlagen, hatte sie aber gerade noch auffangen können um sie vorsichtig ins Schloss gleiten zu lassen.

 

Wenn Slytherin den Hauspokal verliert, sagt er. Ich bin geliefert.

 

Am liebsten wäre sie an Ort und Stelle stehen geblieben, allerdings war ihr nicht wohl dabei direkt vor seinem Büro zu verweilen, weshalb sie einige Schritte ging.

 

Sie konnte nicht dafür sorgen, dass Slytherin den Pokal gewann, vermutlich war das sogar unmöglich, solange Dumbledore ein Mitspracherecht hatte. Und wenn sie im Alleingang 100 Punkte sammeln würde, der Gewinner des Hauspokal stand fest, was Snape am Ende nicht interessieren würde.

Innerlich hatte sie mit Hogwarts nun abgeschlossen. Sie bezweifelte nicht, dass er seine Drohung wahr machen würde. Professor Snape würde sie am Ende des Schuljahres persönlich von der Schule verweisen lassen, einen Grund der diesen Schritt rechtfertige, würde ihm sicherlich einfallen. Vermutlich war es besser so, schoss es ihr durch den Kopf. Hogwarts war ein Traum gewesen, den sie für kurze Zeit erleben durfte, aber damit musste bald Schluss sein. Ihre Anwesenheit hier war mehr schlecht, als das sie irgendwem half.

Seufzend erreichte sie endlich den rettenden Gemeinschaftsraum. Nein, ich kann noch jemandem helfen. Pansys Aufsatz hatte sie bis ins Mark schockiert und auch wenn es am Ende keinen Unterschied mehr am Ergebnis machen würde, sie würde ihre Hauskameraden nichts ins offene Messer laufen lassen. Wenn sie besser aufgepasst hätte, dass die anderen den Inhalt ihrer eigenen Aufsätze auch lernten statt nur blind zu schreiben, würden sie nun nicht Gefahr laufen, in den Examen zu versagen.

Der Gemeinschaftsraum war völlig überfüllt, doch sie fand die anderen an ihrem üblichen Platz in der Nähe des Fensters. Millicent entdeckte sie, wie Evelyn mit hängenden Schultern auf sie zu ging, schlug aber bestürzt die Hände vor den Mund.

"Wie siehst du denn aus?"

Evelyn ging nicht auf ihre Frage ein, sondern ließ ihren Blick über sie und die anderen schweifen, die ähnlich verstört reagierten.

"Leute, wir müssen reden."



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