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Escape the Fate [Dark-Netflix-Serie]

Gib nicht auf [Bartosz x Jonas]
von

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[002] Bartosz

Bartosz Tiedemann, Juni 2019
 

Der Tod des Vaters meines besten Freundes Jonas geschah damals plötzlich. Keiner konnte sich seinen Suizid erklären und am meisten lit, leidet, Jonas darunter. Ich war damals bei ihm, wollte ihm helfen, aber er stand unter Schock, ignorierte alles und jeden oder nahm uns, seine Mutter Hannah, mich und die Hilfskräfte, einfach nicht wahr.

Der Himmel war an diesem Abend noch nicht ganz dunkel. Die gleißende Sonne ist schon irgendwo verschwunden. Ein Teil des Mondes zeichnete sich schon blass am Himmel. Wenn ich aufschaute um genau das zu erkennen, es wahrzunehmen, dann wirkte das feine Äste-Geflecht der Bäume wie viele schwarze kleine Klauen, die dich zu verschlucken drohten in der Finsternis des Waldes. Jonas wohnte mitten im Wald im nirgendwo. Keine Nachbarn, keine befahrenen Straßen. Nichts. Nur Grünzeug soweit das Auge reicht. Abgesehen von den ganzen Krabbelvieh, was sich wahrscheinlich im Unterholz verkroch und dem freilebenden Wild. Ein Reh hatte mir mal beinahe einen Herzinfarkt beschert. Wie das Holz überall knackte, ich in der Finsternis nichts erkennen konnte und dann plötzlich neben mir etwas aus dem Busch gesprungen kam, weiter galoppierte und ich auf meinen Allerwertesten im Dreck landete: Schreiend.

Zum Glück war es gerade nicht so dunkel wie damals. Bei jedem meiner Schritte konnte ich das Knacken des Holzes unter meinen Fußsohlen hören. Leise und eher perzeptiv bahnte sich ein nicht natürliches Geräusch in meinen Gehörgang. Es war immer im gleichen Takt, wurde aber stets lauter. Es klang wie Sirenen. Erst wollte ich keine Gedanken weiter daran verschwenden, bis mir aber einfiel, dass ich schon so tief in das Dickicht hineingewandert war, dass die Straßen so weit entfernt sein müssten, dass ich nichts davon hier hören dürfte. Es wurde immer lauter. Vielleicht ist ja ein Wanderer umgekippt oder so was. Hier gibt es Wanderrouten, wenn auch nicht oft von tatsächlichen Wanderern genutzt. Vielleicht hat ein Tier einen Fußgänger angegriffen.

Die Sirenen waren mittlerweile so dermaßen laut, dass sich meine Handflächen ganz automatisch auf meinen Gehörgang pressten. Ganz automatisch setzte mein Körper zu einer Drehung zur Lärmquelle hin an, als sich zu dem kreischenden Ton der Sirenen, ein Tiefes Brummen einer Hupe gesellte. Ich schaute in zwei näherkommende leuchtende Lichtquellen und sprang im letzten Moment zur Seite. Mein Herz raste.
 

"SO EINE SCHEIßE!", fluchte ich laut vor mich hin. "FUCK!"
 

In der Ferne erblickte ich noch die blauen flackernden Lichter des Krankenwagens, wie sie sich immer weiter entfernten und hinter den Bäumen fast gänzlich verschwanden. Die Sirene war irgendwann nicht mehr zu hören. Warum machen die das überhaupt in einem Wald an, wo eigentlich eh keiner ist? Die armen Tiere.

Ein weiteres Auto fuhr nun an mir vorbei. Es hatte eine komische Form, ganz unüblich zu normalen Wagen. Es war ein schwarzer länglicher Wagen, die hinteren Scheiben waren mit einer von Innen weißen gestrafften Gardine, oder so was in der Art, verhangen. Die Rückscheibe war ebenfalls weiß bedeckt, aber nicht so glatt gestrafft, wie die Seitenfenster. Es hatte eine feine leporello-gefalzte Musterung von einem unteren Mittelpunkt ausgehend im halbkreis sich verbreitend. Es wirkte wie eine aufgehende oder untergehende Sonne.

In mir breitete sich ein mulmiges Gefühl aus. Ich setzte zum Weitergehen an, steigerte mein Tempo. Meine Gedanken suchten eine Erklärung für das alles, während sich ein Knoten durch meinen Magen zog. Eine leichte Übelkeit breitete sich in mir aus.

Je näher ich Jonas' Haus kam, desto deutlicher trat das flackernde blaue Licht wieder in Erscheinung. Mir wurde immer schlechter. Ist Jonas etwas passiert? Ich rannte die letzten Meter und ehe ich ankam, sah ich, wie 2 Personen einen schwarzen Plastiksack aus der Wohnung trugen. Abrupt blieb ich etwas abseits, zwischen dem Krankenwagen und dem Leichenwagen, welchen ich nun erkannte, stehen. Der schwarze Kunststoffsack wurde in einer billigen Variante eines Sarges gelegt, welcher einsam mittig in dem Auto von vorhin stand. Ein Mann in schwarz gekleidet schloss die hintere Autotür und lehnte sich wartend an den Kofferraum.

Hannah, Jonas' Mutter trat aus dem Eingangbereich, stellte sich an die Seite, als wenn sie jemanden Platz machen würde. Verweint positionierte sie ihre Füße ganz nah beieinander, parallel zu einander, presste ihre Brust raus, verschränkte ihren linken Arm davor, krallte ihre Fingerspitzen in den dunkelblau-gestreiften dünnen Strickstoff ihrer Jacke in Höhe der Tallie, setzte ihren rechten Ellenbogen auf die Hand des linken Arms, fasste sich nun mit der rechten Hand an den Mund und hielt diesen zu. Ihr Körper bebte. Neben ihr trat ein Sanitäter aus der Tür, welcher jemanden stützte. Es war Jonas. Seine Haare hingen ihm ins Gesicht. Wie einen nassen Sack trugen die beiden Hilfskräfte in rot den blonden Jugendlichen aus dem Haus heraus. Seine Fußspitzen schleiften über den Erdboden, wo vereinzelt Grashalme wuchsen und Laubblätter herumlagen.

Ich wollte zu dem Blonden hin, aber meine Beine fühlten sich wie Blei an, wie betoniert. Meine Lippen öffneten sich einen Spalt breit. Fassungslos, ahnungslos beobachtete ich, wie sie meinen besten Freund zum Krankenwagen bugsierten. Er saß einfach nur da auf der Aluminiumstufe des Krankenwagens und starrte ins Nichts. Selbst wenn man seine Reflexe mit der kleinen Taschenlampe testen wollte und sie ihm diese schon fast ganz ins Auge gesteckt hätten, so blieb seine Iris regungslos. Nur seine Pupille passte sich dem Lichteinfluss an, eine unbewusste nicht kontrollierbare Sache. Es schien auch nicht so, dass er irgendwas fixierte. Es kam mir vor wie diese Wachkoma-Patienten aus Filmen, die einfach nur starren und nicht reagieren. Es war beängstigend. Sein Ausdruck, meine Hilflosigkeit. Einer der Sanitäter schaute mich nun an.
 

"Wer sind Sie?"
 

Ich konnte erst nicht antworten, benetzte meine Lippen mit etwas Feuchtigkeit.
 

"Jonas! Also nein. Das ist Jonas. Ich bin Bartosz, sein bester Freund.", deutete ich zu dem Blonden, im Krankenwagen Sitzenden.
 

Ich konnte kaum klare Worte fassen, war so nervös und raus kam nur Bullshit. Selbst der Sanitäter schaute mich an, als hätte ich nicht mehr alle Latten am Zaun.
 

"Okay Bartosz.", der großgewachsene junge Mann in seiner knallig roten, stellenweise gelb abgesetzt und mit silbrigen Reflektorstreifen versehenen Uniform, schluckte kurz, griff mich vorsichtig am Arm und zerrte mich etwas von dem Rettungswagen fort.
 

"Jonas' Vater hat sich das Leben genommen. Dein bester Freund steht unter Schock."
 

"WAS?!", fragte ich entsetzt, konnte es nicht glauben.
 

"Nein! Michael hätte sich niemals das Leben genommen. Das muss ein Missverständnis sein. Ein Fehler!"
 

Es gab so vieles, was dagegen Sprach. Michael hatte zwar seine Probleme und war auch stellenweise merkwürdig, aber er hatte alles für Jonas getan. Er war immer für seinen Sohn da, hat mit ihm rumgealbert und was weiß ich sonst noch alles. Jonas hatte mir nie erzählt, dass sein Vater depressiv war und wenn ich zu Besuch war, hatte man auch nie das Gefühl vor einer depressiven, suizidgefährdeten Person zu stehen. Er hatte doch soviel gelacht.

Bis mein Gehirn die Erkenntnis des Selbstmordes an meine Seele heranließ, bedurfte es einigen Minuten und einige weitere Worte des Sanitäters.
 

"Bartosz, es tut mir Leid, aber..."
 

"Und was ist mit Jonas?"
 

Es war unhöflich, aber ich fiel ihm einfach ins Wort. Er wusste eh nicht, was er mir genau sagen sollte. Sein Arm deutete in Richtung des Krankenwagens.
 

"Er steht unter Schock. Vielleicht solltest du mit ihm reden, aber erwarte nicht all zu viel. Er hat bis jetzt auf niemanden reagiert."
 

Mein Kopf nickte ganz automatisch, als hätte ich es wirklich verstanden. Die Rettungskraft blieb noch kurz bei mir stehen, da ich diese aber nicht weiter beachtete, versuchte er sich wohl wieder seinen beruflichen Tätigkeiten zu widmen.

Langsam ging ich zu Jonas, zum Rettungswagen und beäugte meinen besten Freund, welcher regungslos da saß. Seine hellen Haare lagen ihm etwas ins Gesicht hängend. Seine Haut war blass, etwas gerötet. Er trug schon seinen Schlafanzug, ein dunkelblaues Shirt zum Knöpfen mit Brusttasche und dazu eine einfache schwarze luftig-lockere Hose. Schuhe hatte er keine an. Der Blonde wirkte ganz normal, abgesehen von dem Starren. Er hatte keine verheulten Augen, keine verschwitzten Haare und auch keine Verletzungen, die er sich hätte durch einen Anfall zuziehen können. sein starrer Blick war einfach nur geradeaus gerichtet. Nichts nahm er war. Auch meine Handbewegung vor seinen Augen nicht. Null Reaktion. Ich lächelte gequält. Immerhin war er am Leben. Darüber sollte ich doch froh sein, oder nicht? Trotzdem war ich innerlich aufgewühlt. Sein Leid konnte ich nur erahnen, aber nicht selber nachempfinden. Keine mir wichtige Person hat sich bis jetzt das Leben genommen, trotzdem versuchte ich zu verstehen. Verschiedene Szenarien, wie Jonas diesen Suizid erfasste, malten sich in meine Gedanken. Der schlimmste Gedanke war der, dass Jonas seinen Vater gefunden haben muss, hängend an einem Seil.

Nochmal begutachtete ich den Blauäugigen vor mir, überprüfte ihn auf äußerlich erkennbare Verletzungen. Dem war nicht so. Zum Glück. Wie konnte ich ihm nur helfen? Meine Überlegungen und Gedanken überschlugen sich, verrannten sich wieder in irgendeinen Mist. Ich schüttelte meinen Kopf, woraufhin meine dunklen Haare mir strähnig ins Gesicht fielen. Mit einer Handbewegung drängte ich sie in eine andere Position, in der sie mir nicht ins Auge pieken konnten. Vorsichtig trat ich nun an den Krankenwagen zu Jonas heran.
 

"Hey, Jonas. Ich bin's. Bartosz.", war das erste, was zu ihm sagte, als ich mich langsam neben ihn setze.
 

Seine Schultern wurden von einer weißen Decke verdeckt. Blaues flatterndes Licht färbte die weiße Decke in ein helles Blau, setzte komische Akzente in unsere Gesichter, während ich seine Hand griff. Meine Lippen öffneten sich einen Spalt, wollten einen Laut von sich geben, wollten etwas sagen, wollten vieles sagen, aber meine Stimmbänder erzeugten keinen einzigen verdammten Ton. Seufzend setzten meine Lippen sich wieder aufeinander, ehe meine rosige Zungenspitze diese etwas bentetzen. Sie fühlten sich so verdammt trocken an. Ich zog tief den Sauerstoff der kühlen Abendluft des Waldes in meine Lungenflügel ein und bließ den Rest wieder aus.
 

"Jonas. Ich bin für dich da.", kam es aus meinem Mund und ich erwartete keine Reaktion.
 

Ich hoffte lediglich, dass er es einfach nur zur Kenntnis nahm, es fühlte vielleicht. Es wäre schön zu wissen, ob er es wenigstens aufgreifen konnte.

Wir saßen dort eine Weile. Hannah unterhielt sich mit einem der Hilfskräfte. Ihr Blick wanderte immer mal wieder zu uns. Einmal trafen sich unsere Blicke und sie lächelte traurig. Mit Verständnis und dem Versuch nicht ganz zu glücklich, aber auch nicht ganz zu traurig zu wirken, erwiederte ich die bedeutende Geste des Mundes.
 

"Frau Kahnwald, das Beste wäre es ihren Sohn Stationär zu behandeln. Vielleicht nur ein paar Tage. Wir werden es sehen.", war der Ratschlag einer der höher betitelten Rettungskräfte.
 

Hannah Kahnwald stand selber noch etwas neben der Spur, aber nicht so wie ihr Sohn Jonas. Die Hellbraunhaarige nickte einfach unbeholfen, war sich aber wohl selber nicht sicher, ob es das Richtige zu sein schien. Ihre Augen waren vom Weinen geschwollen, gerötet. Ihr Makeup verlief in einen willkürlichen schwarzen Aquarell unter ihrem Augenlied, welches sich über ihre Wange hin bis zu ihrem Kinn zog.

Sie trat vor mich in ihrer dünnen Strickjacke.
 

"Danke Bartosz, dass du für ihn jetzt grade da bist."
 

"Immer, Hannah. Immer."
 

Sie lächelte wieder leicht, als wir beide durch Motorengeräusche abgelenkt wurden. Unsere Köpfe wanderten in die Richtung der Geräuschquelle. Es war ein silberner Audi. Aus diesem stieg ein Mann mit kurzen leicht hellgrauen gewellten Haaren. Ullrich Nielsen, ein Windener Polizist, verheiratet, Vater von 3 Kindern.

Der Hellhaarige schaute sich um, erblickte Hannah, legte den Kopf leicht schief und ging langsam auf sie zu. Sie würdigte mich keines Blickes mehr und eilte direkt zu ihm, schloss ihre Arme um ihn und weinte und weinte und weinte.

Laut ein paar Gesprächsfetzen und visuellen Eindrücken war Ullrich der Polizist, der den Suizid aufnehmen sollte für das Protokoll. Mir war nicht klar, wieso ein so hoch rangierter Polizist sich für so was interessiert, aber das ist Winden. Hier kennt bestimmt jeder jeden, so wie Ullrich eben Hannah.



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