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Zwischen Molotowcocktails und Shakespeare

von

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Kapitel 6.

Das Smartphone in meinem Schoß rutscht auf den Teppichboden, als ich mich erleichtert gegen die Rückenlehne meiner Couch sacken lasse. Es prallt mit einem dumpfen Geräusch auf, hüpft und bleibt ein paar Zentimeter weiter, auf der schon mitgenommenen Displayseite liegen. Ich ziehe meine Beine so nah an die Couch, dass ich das Holz schmerzhaft an meinen Waden spüre. Genau dieser Schmerz ist es, denn ich gebraucht habe, der mir hilft, nicht in Tränen der Erleichterung auszubrechen. Angestrengt versuche ich, dem Film zu folgen, der gerade auf meinem Fernseher flimmert und ignoriere dabei die Frage, warum Julis Hand noch immer in meiner liegt und die Tatsache, dass sie mein Zittern so bestimmt bemerkt hat. Ich hasse dieses Zittern, weil es sichtbar zeigt, dass ich nicht so ruhig bin, wie ich es vorgebe zu sein. Der Film ist so schlecht, dass ich sehr schnell mit meinen Gedanken abschweife und darüber nachdenke, wie seltsam es eigentlich ist, mit Juli auf meiner Couch zu sitzen, Händchen zu halten und einen Film zu sehen. Mit ihrem Daumen malt Juli beruhigende Kreise auf meine Handrückseite und ich fühle mich so seltsam, dass ich am liebsten aus meinem eigenen Zimmer flüchten will. Aus Gründen, die mir nicht klar sind, bleibe ich sitzen, schaue den Film weiter, der mit jeder Sekunde schlechter wird, obwohl ich dachte, dass es nicht noch schlechter werden kann. Mein Fluchtbedürfnis wird immer größer, je mehr Zeit verstreicht. Noch nie habe ich mir so sehr gewünscht, dass meine Schwester zurückkehren würde, wie in diesem Moment. Zeit ist relativ, so lang wir hier sitzen. Erst als Juli den Film anhält und raus ins Menü von Netflix geht, frage ich mich, wie lange wir hier tatsächlich schon sitzen. Juli wählt einen anderen Film aus und ich schätze, dass maximal eine Stunde vergangen sein kann. Während das Intro läuft, spüre ich, wie sie ihre Hand sanft aus meiner zieht und mit einem Mal fühle ich mich verlassen. Meine wirren Gedanken kommen abrupt zum Stillstand, als Juli es sich bequemer macht, in dem sie ihren Kopf provokant auf meinen Schoß legt und ihre Beine hoch auf die Couch zieht. Ich will aufstehen, Abstand zwischen uns bringen, doch kann ich meinen Körper einfach nicht dazu bewegen, aufzustehen. Wie angewurzelt bleibe ich steif auf der Couch sitzen. »Netflix gucken, bis zum Mittagessen, ist doch okay?«, fragt Juli plötzlich und ich spüre, wie sie sich bewegt und auf den Rücken rollt, damit sie zu mir hochsehen kann. Fragt man das nicht, bevor man sich einen Film aussucht?
 

»Ist okay«, sage ich kurz angebunden und sehe auf meinen Fernseher, um sie nicht ansehen zu müssen. Nach einem Moment, in dem sie ihren Kopf gedreht hat um ebenfalls zum Fernseher blicken zu können, sehe ich sie doch wieder an. »Sag mal, woher kommt deine Familie eigentlich?«, frage ich sie und überrasche mich selbst am meisten mit meinem ernsthaften Interesse.
 

»Pakistan«, erwidert Juli und dreht ihren Kopf wieder so, damit sie mich ansehen kann. »Wir leben schon in dritter Generation hier in Deutschland«, erzählt sie mir freimütig und ich sehe, wie ihr Blick ein fragender wird: »Warum?«
 

»Einfach so«, murmel ich achselzuckend und verkneife mir eine weitere Frage, die deutlich gemacht hätte, wie vorurteilsbehaftet ich bin. Juli fährt mit ihren Händen durch ihre braunen, lockigen Haare und schenkt mir einen nachdenklichen Blick. Bevor ich mich aufhalten kann, schiebe ich eine Strähne, die Juli ins Gesicht gefallen ist zurück, hinter ihr Ohr und fahre mit meinem Zeigefinger sanft an ihrer Halsschlagader bis zum Schlüsselbein hinab. Dabei verhaken sich unsere Blicke und es ist, als stünde die Zeit still. Es ist, so bescheuert es klingt, als verliere ich mich in ihr, als drohe ich in ihren braunen Augen zu ertrinken. Mein Panikknopf unauffindbar, spüre ich ihren stetigen Pulsschlag unter meinen Fingern und versuche zu verstehen, woher dieses Bedürfnis kommt, sie anzusehen, sie zu berühren. Scheiße, sollte es nicht anders sein? Sollte ich ihre Haut nicht in einem anderen Kontext unter meinen Fingern spüren und ihr frisches Blut riechen, statt mein Duschgel auf ihrer weichen Haut? Was hindert mich daran, meine Hand um ihren Hals zu legen und Scheiße. Ich ziehe meine Hand zurück und beinahe kann ich die Stimmen der Jungs hören, die mir sagen was für eine Pussy ich bin und wie abartig sie mich finden. Noch vor vier Wochen hätte ich Juli letzte Nacht die Fresse poliert, anstatt sie in mein Haus zu lassen und ihr beim kotzen zu helfen. Was hat sich in so kurzer Zeit verändert? Hat sich überhaupt etwas verändert? Oder habe ich mir nur selbst etwas vorgemacht, weil ich dazugehören wollte? Meine Stimme streikt, als ich versuche, etwas zu sagen und spüre, wie meine Wangen genauso warm werden, wie ihre es schon eine längere Weile sind. Der Moment vergeht, als Juli sich wieder dem Film zuwendet und ihn noch einmal von vorne startet. Ich brenne, kann mich nur schwer auf den Film konzentrieren und doch klingelt etwas in meinem Kopf bei dem Filmtitel. Brokeback Mountain. Ich spüre, dass es wichtig ist, mich zu erinnern, welche Vergangenheit der Titel in mir weckt, doch ich bin durch Juli abgelenkt und kann nicht klar denken. Fünf Minuten halte ich durch, dann ist das Feuer in mir so stark, dass ich aufspringe und so viel Abstand zwischen mich und Juli bringe, wie es mein Zimmer zulässt. Letztendlich stehe ich an meiner Zimmertür, eine Hand auf der kalten Klinke. Der Film stoppt und ich kann Julis Blick förmlich auf meinem Rücken spüren, obwohl ich es nicht mit Sicherheit sagen kann. Pauls Stimme in meinem Kopf erzählt mir von Schwuchteln und ich erinnere mich, dass ich mir einen ellenlangen Vortrag darüber anhören durfte, als ich den Film einmal in seinem Beisein gucken wollte. Einen Vortrag darüber, wie widerwärtig Homosexualität ist, Schwule und Lesben sind, dass es nicht der Norm entspricht, wie es die Bibel vorsieht, wenn Männer, Männer lieben und Frauen, Frauen lieben.
 

Ein kurzes, vernehmliches Klopfen, an meiner Zimmertür lässt mich aus der Erinnerung schnappen und dem Holz der Tür gerade noch rechtzeitig ausweichen, als sie nach innen aufschwingt. Ich drehe mich zu Juli um, die wohl schon etwas länger versucht hat, zu mir durchzudringen, denn ich finde sie nur wenige Schritte von mir entfernt, anstatt auf der Couch. »Da bin ich wieder«, grinst Lari und sieht von mir zu Juli. »Hey, alles okay, bei euch? Wieso steht ihr direkt vor der Zimmertür?« Meine Schwester kommt ganz in das Zimmer und drückt die Tür hinter sich ins Schloss. »Was schaut ihr da?«, fragt sie, völlig ignorant gegenüber der Spannung, die in der Luft des Zimmers liegt und lässt sich mit zwei großen Schritten auf mein Bett fallen. »Hey, den Film kenne ich, denn haben Sandra und ich letztens erst gesehen, der ist gut. Das ist doch der, wo Heath Ledger einen schwulen Cowboy spielt?«
 

Ich wechsle einen letzten Blick mit Juli, bevor ich, meine Schwester ignorierend, aus meinem Zimmer stürme, die Treppe beinahe hinabstürze und im Flur in meine Stiefel schlüpfe.
 

»Wo willst du denn jetzt noch hin?«, höre ich Mama aus der Küche fragen.
 

»Raus. Spazieren. Ich bin bald wieder da«, rufe ich und ziehe die Haustür auf, bevor Mama mich zurückhalten kann. Mit Pauls Stimme in meinem Kopf, die mich beschuldigt, ekelerregend zu sein, lasse ich mich von meinen Füßen einfach tragen. Achte nicht darauf, wo ich hinlaufe. Erst, als ich in jemanden hineinlaufe und sich eine kalte Flüssigkeit über mich ergießt, nehme ich meine Umgebung, wieder war. Ich bin im Türkenviertel, wo wir uns früher immer verabredet haben, wenn jemand Dampf ablassen musste.
 

»Alter, kannst du nicht aufpassen«, kommentiert eine aufgetakelte Dönerbraut, in gebrochenem Deutsch. Ich hebe meinen Blick von meinen nassen Klamotten und starre sie an. Ich weiß nicht, was es genau ist, dass in mir den Schalter umlegt und mich in eine Art Autopilot versetzt. Was ich weiß ist, dass ich halb neben mir stehe, als ich meine Hände zu Fäusten balle und zu einem Schlag aushole. Als würde ich von oben auf mich hinabsehen, ohne eingreifen zu können. Ich streife die Tussi an der Schulter und sie sieht mich belustigt an. »Chill mal. Du bist in mich reingelaufen.«
 

Statt zu chillen, schicke ich meine andere Faust hinterher und lande einen Volltreffer, direkt unters Kinn. Wimmernd weicht sie von mir zurück, doch in meinem Rausch sehe ich kein Ende, und dränge sie immer weiter, bis sie unter Tränen auf der Straße zusammenbricht. Ob der Euphorie, die die Gewalt in mir freisetzt, trete ich ihr mit meinem Fuß mehrmals in den Bauch. Das dämliche Grinsen habe ich ihr aus dem Gesicht geboxt. Ich bücke mich, packe sie an ihrem Haarschopf, damit sie mich ansehen muss. »Das nächste Mal, du dreckige Missgeburt, passt du lieber besser auf«, zische ich und ramme ihr mein Knie fest ins Gesicht. Als das Knacken eines Knochens erklingt, vermutlich ihre Nase, die gebrochen ist, lasse ich von ihr ab und laufe weg. Erst als ich sicher bin, das Viertel weit hinter mir gelassen zu haben, bemerke ich das verkrustete Blut an meinen Händen und auf dem grauen Stoff meiner Jogginghose.
 

Scheiße.
 

Langsam gehe ich durch die Straßen und überlege, wie ich ungesehen auf mein Zimmer komme und bemerke erst viel zu spät, dass ich schon wieder zu Hause bin. Wie ich es ungesehen die Stufen empor geschafft habe weiß ich nicht, da ich erst aus meinen Gedanken fahre, als ich meine Zimmertür nach innen aufschwingen lasse. Juli ist es, die ich als Erstes wahrnehme. Juli, die wieder auf meiner Couch sitzt. Juli, die wegsieht, als sie das Blut an meinen Händen und meiner Kleidung entdeckt. Mein Fernseher ist aus, stelle ich am Rande meiner Gedanken fest. Meine Schwester ist es, die mich ins Badezimmer zieht, das Wasser der Dusche aufdreht und mir aus meinen Klamotten hilft. Kommentarlos verlässt sie das Zimmer und ich stelle mich unter die heiße Dusche, in der Hoffnung die Taubheit, die von meinem Körper besitz ergriffen hat, zu tilgen. Mit einem Stapel frischer Kleidung kehrt Lari zurück und verschwindet,  von mir völlig unbemerkt, als kaltes Wasser meinen ganzen Körper zum Beben bringt. Als ich vor der Wanne stehe und mich gerade in ein Handtuch gewickelt habe, sehe ich mich Juli gegenüber.
 

»Mittagessen ist fertig, soll ich dir ausrichten«, höre ich sie flüstern, bin aber zu sehr von der Tatsache abgelenkt, dass sie mir nicht in die Augen sieht, um zu verstehen, was die Worte bedeuten. Die Farbe weicht aus ihrem Gesicht, als sie hinab auf die dreckige, blutgetränkte Kleidung sieht. »Das ist nicht dein Blut.«
 

»Nein«, stimme ich ihr mit überraschend fester Stimme zu und wünsche mir, sie würde mich ansehen.
 

»Warum, was ist passiert?«
 

»Sie war im Weg und hat Wasser über mich gekippt«, sage ich unwirsch und greife mir meine Unterwäsche. Juli sieht mich noch immer nicht an, als sie die Badezimmertür abschließt und sich mit ihrem Rücken gegen das Holz der Tür lehnt. Wütende Flammen lodern in ihren Augen, als sie mich erlöst und endlich ansieht.
 

»Bin ich dir jetzt auch im Weg?«, fragt sie mit zittriger Stimme und die Wut in ihrem Blick weicht einer Traurigkeit, die ich nicht erwartet hätte. Ich lasse mich auf den Rand der Badewanne sinken und starre auf meine nackten Füße, unsicher, was ich sagen soll, sagen will.
 

»Ich hätte nicht herkommen sollen und sollte wohl nach Hause gehen«, murmelt Juli einen Moment später, weil ich nicht auf ihre Frage reagiere, mehr zu sich, als dass sie mich damit anspricht.
 

»Was hast du denn erwartet?«, bricht es aus mir hervor, als Juli ihre Hand auf die Türklinke legt und mit der anderen nach dem Schlüssel im Schloss greift. Ich lasse meine Unterwäsche fallen, als ich mit drei großen Schritten das Badezimmer durchquere und wenige Zentimeter hinter ihr, zum stehen komme. Das Duschtuch rutscht von meinem Körper, als ich meine Arme, von hinten um Julis Oberkörper schlinge und meinen Kopf an ihren Rücken lehne. Ist es mein Herzschlag, den ich höre oder ihrer, der an Fahrt aufnimmt? Ich vergesse, dass ich völlig nackt bin, als ich mich fester an Juli presse und bin irritiert, weil ich mich noch nie so schlecht gefühlt habe, wenn ich nach einer Aktion heimgekehrt bin, wie ich mich jetzt gerade fühle. »Bleib«, murmel ich gegen ihren Rücken, als sich der Schlüssel im Schloss dreht und die Badezimmertür mit einem leisen Klicken, einen Spalt weit, aufspringt. Ich kann spüren, wie sie tief ein und ausatmet und höre, wie sich ihr Herzschlag noch einen Tick schneller wird, als sie sich in meiner Umarmung zu mir umdreht. Zum keine Ahnung wievielten Male verliere ich mich in ihren Augen, während mein Gesicht von dem Ihren magisch angezogen wird und immer öfter huschen meine Augen zu ihren Lippen. Die Stimme meiner Mutter, die aus der Küche zu uns hoch schallt, lässt mich Juli loslassen und erschrocken von ihr zurückweichen. Als Juli meine Nacktheit wahrnimmt, wird sie rot und abermals  spüre ich auch in meinen Wangen diese verräterische Wärme.
 

»Ich«, setzt Juli an und blickt an mir vorbei. »Ich gehe schon einmal vor.« Mit diesen Worten lässt sie mich allein, bevor ich auch nur reagieren kann. Ich starre die Tür an und versuche zu verstehen, was hier beinahe passiert wäre. Versuche zu verstehen, ob ich tatsächlich im Begriff war, Juli zu küssen. Kopfschüttelnd versuche ich, die wirbelnden Gedanken in meinem Kopf loszuwerden. Als Mamas Stimme erneut nach mir ruft, ziehe ich mich eilig an und beeile mich, nach unten in die Küche zu kommen. Die Treppe nach unten fliege ich beinahe hinab, weil ich Laris Handtasche übersehen habe, die sie mitten auf die Treppe gestellt hat. Kreischend finde ich gerade noch am Geländer halt und lasse mich vorsichtig auf einer Stufe nieder, weil ich nicht glaube, dass mich meine zittrigen Beine sicher nach unten bringen. Mit meiner Schreieinlage locke ich Papa aus der Küche, der mich belustigt ansieht, weil Laris Tasche noch an meinem Fuß hängt und ich gerade damit kämpfe, sie abzubekommen.
 

»Die Treppen einfach hinabzugehen wäre zu schwierig gewesen, hm Pfläumchen?«
 

»Alles Laris Schuld«, knurre ich und sehe Papa dankbar an, als er mir mit der Tasche hilft und mir seine Hand hinhält, damit ich die restlichen Stufen hinabgehen kann. »Deine reizende Tochter hat ihre scheiß Tasche mitten auf der Treppe liegen lassen.«
 

Papa führt mich zu meinem Platz in der Küche. Dieses Mal sitzt Lari neben mir und Juli, die meinem Blick ausweicht, gegenüber. Lari sieht mich halb grinsend, halb entschuldigend an. Weil ich keinen Streit vom Zaun brechen will, starre ich deshalb auf meinen Teller, der ein Stück Hawaiipizza für mich bereithält. Das Lächeln, welches nun an meinen Lippen zupft, kann ich mir nicht verkneifen und sehe wieder zu Lari, die mit ihren Fingern bis drei zählt, dann skandieren wir gemeinsam, wenn ich auch nur halbherzig: »Pizza! Pizza!« Es ist selbst gemachte Pizza von Mama, die an manchen Tagen sogar besser ist, als die vom Italiener.
 

»Ich dachte, weil wir gestern keine Pizza bekommen haben, mache ich uns heute eine eigene Pizza. Ich hoffe, sie wird euch schmecken. Guten Appetit«, kommentiert Mama und wir beginnen zu essen. Die Pizza ist lecker, wirklich Appetit habe ich keinen. Das Essen ist eine schweigsame Angelegenheit und eigentlich nicht die Norm an unserem Tisch. Jeder, bis auf ich, genießt sein Stück Pizza. Als ich mir, um Mama zu zeigen das es schmeckt, noch ein Stück nehmen will, treffen sich unsere Blicke und ich spüre ihr Bein an meinem Bein, wie es zurückweicht und wiederkehrt um zu bleiben. Um sich ganz fest an mein Bein zu pressen. Das Pizzastück fällt achtlos auf meinen Teller, als ich huste, weil ich mich der Überraschung wegen, an meinem Speichel verschluckt habe. Mama füllt mein Glas mit Wasser und reicht es mir hilfsbereit, während ich Juli ansehe, die mir dieses Mal direkt in mein Innerstes blickt. So fühlt sich ihr intensiver Blick immerhin an. Konfus von den Gefühlen in meiner Brust springe ich einen Augenblick später auf, stürme aus der Küche und verbarrikadiere mich im Gästebad, wo ich mich fahrig auf der geschlossenen Toilette niederlasse. Was geschieht hier? Was passiert mit mir? Was macht sie mit mir? Ruhelos fahre ich mir durch die Haare und springe wieder auf. Was ist es, dass mich so bescheuerte Dinge, wie Juli zu küssen, denken lässt?
 

Erst als ich mich wieder beruhigt habe, verlasse ich das Gästebad. Anstatt zurück in die Küche zu gehen, steige ich die Treppen zu meinem Zimmer empor und bin wenig überrascht, dass auch Juli schon wieder hier ist. Sie steht am Fenster, neben ihr auf dem Fensterbrett steht ein Teller mit zwei Pizzastücken. »Deine Eltern waren nicht begeistert, dass du einfach gegangen bist.« Nein, das waren sie vermutlich nicht und es ist ziemlich wahrscheinlich, dass ich mir später noch einen Vortrag deswegen anhören darf, denke ich und drücke die Tür hinter mir ins Schloss. Das alles ist im Moment nicht wichtig. Ich gehe auf Juli zu, drehe sie grob zu mir, greife ihr in den Nacken und ziehe ihr Gesicht nah an das Meine.
 

»Was tust du mit mir?«, hauche ich gegen ihre Lippen, die nur wenige Millimeter von meinen entfernt sind. Anstatt sie und mich zu erlösen, küsse ich ihren Hals, atme ihren Geruch ein, der sich mit dem meines Duschgels vermischt. Streiche ihr mit meiner freien Hand, die Juli nicht am Nacken festhält, über den Rücken. Platziere Küsse auf ihrer Nase und Wangen, während sich ihre Nackenhaare aufstellen und Gänsehaut über ihren Körper kriecht. Juli will ihre Arme heben, mich näher an sich ziehen, das sehe ich, doch wehre ich diese Versuche ab und küsse sie weiter, nur nicht dort, wo sie es will, es begehrt. Als meine Schwester die Stufen hinauf stampft, komme ich wieder zu Sinnen und Juli öffnet enttäuscht ihre Augen, als ich einen Schritt von ihr zurückweiche.
 

»Ist das ein Spiel für dich?«, frage ich flüsternd und grabe meine Fingernägel tief in meine Handinnenflächen, als ich meine Hände balle. »Wie heißt es? Verwirr die braune Schlampe? Bring mich dazu, dich zu küssen?« Bevor Juli mir antworten kann, klopft es an der Tür und meine Schwester steckt im nächsten Moment ihren Kopf in mein Zimmer.
 

»Jetzt nicht, Süße«, knurre ich. »Kannst du später wiederkommen?« Lari sieht von mir zu Juli und zurück, hebt ihre Augenbrauen fragend, nickt und zieht meine Zimmertür von außen zurück ins Schloss.
 

Die Welt steht still, als ich Julis Körper gegen meinen krachen spüre. Meine eben gefühlte Wut, auf mich und auf Juli ist verpufft, bevor sie völlig hervorbrechen konnte. Sanft umfasst Juli mein Gesicht mit ihren Händen und zieht mein Gesicht nah an das Ihre. »Es ist kein Spiel, jedenfalls keines, dass ich gewinnen kann, sondern gerade verliere«, flüstert Juli gegen meine Lippen und küsst mich.

 



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Schnullerkai
2018-08-13T19:50:31+00:00 13.08.2018 21:50
Ouha. Damit hab ich jetzt nicht gerechnet.
Ich hab keine Ahnung, wie realistisch das Tempo ist, es fühlt sich beim Lesen jedenfalls nicht falsch an. Ich vermute aber, dass Juli ein wesentlich optimistischeres Bild von Romy hat als jenes, das Romy von sich selbst als Protagonistin zeichnet. Anders kann ich mir nicht erklären, dass wir jetzt schon zu Körperlichkeiten übergehen, obwohl Romy gerade eine Türkin vermöbelt hat und Juli entsprechende Vermutungen haben dürfte (Btw, über Romy Schneider hab ich ja schon gegrinst, aber Romy und Juliet? Ich ahne, wo der Shakespeare im Titel herkommt).
Die Endszene ist verdammt gut geschrieben, ich hatte ein bisschen Gänsehaut.
Antwort von:  Curupira
13.08.2018 22:56
;) Genau daher kommt der Herr Shakespeare, mehr will ich nicht dazu sagen, weil Plot.

Ich schätze es selbst etwas 'überstürzt' ein. Wird aber nach dem nächsten Kapitel definitiv verlangsamt, weil Plot. Ein Schritt vor, zwei zurück oder so ähnlich.

Vielen Dank für dein Kommentar!
Gute Nacht!


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