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Winter Glück

von

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Ich wusste gar nicht, dass man scheiße so hoch stapeln kann

»Okay Leon: Mit Englisch sind wir fertig, fehlt nur noch Mathe!«

Ich packte sowohl Buch, als Hefter zurück in meinen Rucksack, während Milena - meine Bekanntschaft aus dem schulischen Schachclub - grinsend einen Schluck von ihrer Cola nahm und gleichzeitig in ihrem Mathebuch nach der entsprechenden Seite suchte.
 

Es war Sonntag und wir beide hatten uns am Freitag nach dem Schachclub dazu verabredet gemeinsam die Hausaufgaben zu erledigen.

Das machten wir in letzter Zeit öfters, vor allem, weil meine Freunde die Schule im Moment nur zum Zeitvertreib besuchten - das Gefühl vermittelten sie mir zu mindestens, wenn sie mich jeden Morgen im Kollektiv nach den Lösungen fragten und sich auch sonst Lieber mit anderen Dingen beschäftigten.

Deswegen kam es mir gerade recht, dass Milena - ein blondes Mädchen mit Zahnspange die ihre Hasenzähne korrigieren sollte - ähnliche Ambitionen hatte, einen möglichst guten Schulabschluss zu erzielen.
 

Deswegen trafen wir uns zu jeder passenden Gelegenheit, um entweder eine Partie Schach zu spielen oder gemeinsam für unsere Abschlussprüfung in zwei Jahren zu lernen.

Denn wenn es nach uns geht, konnte man damit nicht früh genug anfangen.
 

Doch heute würden wir die Mathehausaufgaben wohl nicht mehr gemeinsam machen, denn als ich mein Buch aus meinem Rucksack holte, klingelte plötzlich mein Handy.

Ich blickte Milena einen Augenblick entschuldigenden an und nahm das Gespräch dann entgegen.
 

»Alter Lelo, wo bist du?«

Es war mein Bruder, der mich da durch die Leitung quasi schon anbrüllte.
 

»Ich bin bei Milena und mache mit ihr Hausaufgaben - wie jeden Sonntag!«, antwortete ich leicht pikiert.

Maximilian wusste das doch, immerhin hatte ich in den letzten acht Wochen jeden Sonntag bei den Kunses verbracht.
 

»Du weißt schon, dass wir heute mit Tanja in Düsseldorf verabredet sind!«

Meine Augen weiteten sich. Oh Mist, dass hatte ich ja völlig vergessen!

Heute war doch der Geburtstag von ihrem Bruder, zu dem wir als moralische Unterstützung erscheinen sollten.
 

»Ich hab das nicht vergessen! Ich wollte gerade losgehen!«

Da ich noch nie gut lügen konnte, wunderte es mich nicht, dass mein Zwilling lauthals begann zu lachen.
 

»Ich kenn dich seit 16 Jahren, mir kannst du nichts vormachen!«, sagte er noch immer kichernd. »Die Regio kommt in 25 Minuten. Wenn du bis dahin nicht hier bist, musst du nachkommen!«
 

»Ich beeil mich, bis gleich!«, antwortete ich und beendete das Gespräch ohne seine Antwort abzuwarten.

Dann steckte ich mein Handy wieder weg, und begann meine Sachen zusammen zu klauben.
 

»Es tut mir voll Leid, aber ich muss jetzt los. Wir wollten heute noch nach Düsseldorf und ich hab das total vergessen!«, murmelte ich, verschloss währenddessen meinen Rucksack und schulterte diesen.
 

»Na hoffentlich findest du dann noch die Zeit die Aufgaben zu machen! Sind ziemlich umfangreich.«, sagte Milena und tippte auf irgendwelche gleichschenk.
 

»Mach' ich schnell im Zug! Bis morgen!«, entgegnete ich und stürmte dann aus ihrem Zimmer.
 

Wie ein Berserker raste ich an Küche und Wohnzimmer vorbei, verabschiedete mich im Laufen von ihren Eltern und schlüpfte dann gleich in meine Schuhe.
 

Kaum stand ich vor dem Gartentor, musste ich erst einmal tief ein- und ausatmen.

Mein Körper ließ mich bereits bei der kleinsten körperlichen Betätigung spüren lassen, dass ich für Schnellsprints und Langstreckenläufe überhaupt nicht geeignet war.

Die athletischen Gene unseres Vaters, hatte Maximilian zu 99,9 % geerbt, der mickrige andere Teil gehörte mir und diente lediglich dazu, dass ich wenigstens den Sprint zum Bus schaffte.
 

Zum Glück wohnte Milena nur so weit weg vom Bahnhof, dass man diesen trotzdem noch bequem erreichen konnte - wenn man das Lauftempo etwas anzog sogar in unter 15 Minuten.
 

Die zarte Wintersonne hatte uns bereits verlassen und ließ dem dunklen Sternenhimmel den Vortritt. Die Straßen von Klein Schnürstadt wurden von Straßenlaternen erleuchtet und es war wirklich kalt. So kalt, dass ich bei jedem Mal ausatmen fast gänzlich von meinem eigenen Dunst eingehüllt wurde.
 

Auf dem Bahnhofsvorplatz tummelten sich etliche Menschen. Die meisten von ihnen waren Berufspendler, die unter der Woche in Amsterdam oder Brüssel arbeiteten und die Wochenenden bei ihren Familien verbrachten. Und dann gab es noch das andere Extrem: Leute die von Klein Schnürstadt gelangweilt waren und ihre Wochenende so weit wie möglich entfernt von hier verbrachten.

Irgendwo in dieser Menschenmenge konnte ich meine Freunde ausmachen und kam schließlich schnaufend und mit glühendheißen Wangen vor ihnen zum Stehen.
 

»Du bist so ein vergesslicher Idiot!«, wurde ich von meinem besten Freund Tom begrüßt, der mit anschließend auch gleich noch durch die Haare wuschelte.

Die sahen danach noch unordentlicher aus, als sie es vorher eh schon waren. Ich sagte dazu nichts, denn das was sich da auf meinem Kopf tummelte, konnte man nicht Frisur nennen. Vogelnest traf es bei weitem besser.
 

»Trottel!«, sagte auch mein Bruder, während er auf dem Display seines Handys eine Nachricht eintippte.

Vermutlich ein Mädchen, mit dem er sich verabredete. Dann würde er sie kurze Zeit für seine Zwecke benutzen und anschließend wegwerfen wie ein benutztes Taschentuch.
 

»Hört ihr jetzt mal auf, auf Leon herumzuhacken! Ihr habt auch schon oft genug Verabredungen vergessen!«, keifte Sandy und versetzte ihrem Freund Till einen Stoß in die Rippen, damit der dazu auch mal einen Ton sagte.
 

Bevor er dieser Aufforderung allerdings nachkommen konnte, wurde er von dem Bahnhofspersonal unterbrochen, dass unsere Regionalbahn ankündigte.
 

Also machten wir uns auf den Weg zu Gleis 2.

Während mein Bruder und Till sich dabei über die Bundesligaergebnisse vom gestrigen Tag stritten, erzählte uns Tom von seinen Erfolgen im Schwimmverein.

Sandy und ich interessierten uns für Sport in keinster Weise und konnten deshalb oft nicht mitreden. Aber das störte uns wenig, denn so hatten wir auch meistens unsere Ruhe vor nervigen Diskussionen.

Wir machten uns dann lieber darüber lustig, wie man wegen eines Sieges oder einer Niederlage so die Beherrschung verlieren konnte, wie mein Bruder und Till.

Die Hälfte der Menschen vom Bahnhofsvorplatz quetschten sich mit uns in den Zug und wir hatten zu tun ein freies Abteil zu erwischen.

Schließlich suchten wir den Schaffner und zahlten ihm den Aufpreis für die erste Klasse, weil keiner von uns eine ganze Stunde zwischen schwitzenden Anzugträgern, die in einer Tour französisch oder englisch sprachen, stehen wollte.
 

Und im – vermutlich letzten freien Abteils des Zuges – machten sich Tom und mein Bruder dann auf der einen Bank so breit, dass ich mich mit Sandy und Till auf die andere zwängen musste.

Zum Glück überließ man mir den Platz am Fenster. So konnte ich mich wenigstens beschäftigen, während Sandy und Till sich gegenseitig die Mandeln herausnahmen und Tom und Maxi sich darüber lustig machten.

Durch die Spieglung im Fenster, blieb aber selbst mir das verliebte Pärchen nicht verborgen und ich konnte nur mit viel Beherrschung ein sehnsuchtsvolles Seufzen unterdrücken, während von der anderen Bank Würge-Geräusche zu hören waren.

Manchmal fragte ich mich wirklich, ob mein Bruder und Tom irgendwie doch von einem anderen Stern kamen.

Denn während alle in unserem Alter langsam anfingen sich zu verlieben und erste Erfahrungen sammelten, benahmen sich die beiden meist wie Grundschüler.

Mein Bruder – der seine erste Erfahrungen mit Beziehungen bereits letztes Jahr gesammelt hatte – hatte im Moment genug davon und machte es wie städtischen Studenten: Er wechselte seine Partnerinnen wie seine Unterhosen.

Und Tom behauptete, seine Freundin würde vermutlich nach zwei Minuten schreiend das Weite suchen. Insgeheim stimmte ihm jeder zu, denn er war wirklich ein komischer Kauz. Aber als Freunde sagten wir ihm das natürlich nicht ins Gesicht.

Zum Schluss gäbe es da noch mich, der jedes Pärchen in seiner Umgebung beneidete. Weil ich auch jemanden an meiner Seite haben wollte, den ich küssen konnte und an dem ich mich wärmen konnte. Das einzige was mir dabei im Weg stand: Meine irgendwie fehlende Sexualität!

Denn bisher habe ich weder ein Mädchen irgendwie attraktiv noch als anziehend empfunden. Sobald ich mich an ihrer Seite vorstellte, fühlte es sich an, als würden die Synapsen aus meinem Emotionszentrum gerade allesamt Urlaub machen.

Also musste ich wohl oder übel noch etwas länger auf die große Liebe warten. Aber ich war sehr optimistisch sie irgendwann zu finden und dann würde uns so schnell auch nichts wieder auseinanderbringen – da war ich mir ganz sicher!
 

»Wo ist eigentlich unser Kaktus, samt Anhängsel?«, fragte Tom zusammenhangslos in die Runde und holte mich damit aus meinen Gedanken.
 

Mit Kaktus meinte er Tanja und ihren Freund Jan.

Sie war eine vollmotivierte Sportlerin, war im Schwimmteam von Klein Schnürstadt, leitete einen YOGA-Kurs für Senioren im Fitnessclub und war zusätzlich auch noch Sprinterin im Leichtathletik-Verein.

Für ein Mädchen hatte sie einen ziemlich großen Mund und sie dachte meistens nicht über ihre Worte nach, posaunte einfach heraus was sie gerade dachte.

Aber sie war toll, lieb und verständnisvoll.

Jan – ihr Freund - ging in die 10. Klasse, war also eine Jahrgangsstufe über uns. Er hatte sich vor zwei Wochen dazu entschlossen Abitur an unserer Gesamtschule zu machen – so wie eigentlich jeder andere aus Klein Schnürstadt.

Dass Tanja und er jetzt bereits seit fast einem Jahr zusammen waren, konnten wir immer noch nicht fassen. Er war nämlich das totale Gegenteil von ihr. Das einzig Sportliche an ihm waren seine grauen Jogginghosen und die Kapuzenpullover, die er standardmäßig trug. Ansonsten war Rennen und Herumspringen eher nicht so sein Ding. Außerdem kifft er gerne, was Tom und ich so gar nicht an ihm leiden konnten. Und noch dazu benutzte er gerne den aktuellen Jugendslang, was Tanja in jeder erdenklichen Situation zum Keifen brachte. Sie konnte Worte wie >Diggah<, >Altah< und so weiter nämlich gar nicht leiden. Ich im Übrigen auch nicht!
 

»Die beiden sind schon in Düsseldorf um alles vorzubereiten!«, antwortete ihm Sandy, die sich dafür extra von ihrem Freund gelöst hatte.
 

Maximilian der immer noch Nachrichten mit seinem Handy verschickte, brummte, ohne den Blick zu heben.

»Ich hab immer noch nicht verstanden warum wir da jetzt auch hinmüssen?! Wir haben doch überhaupt nichts mit ihm zu tun!«
 

Oliver – Tanjas großer Bruder – studierte und wohnte in Düsseldorf. Wir kannten ihn nur vom Sehen her, weil er seine Schwester mal von der Schule abgeholt hatte und hatten noch nie ein Wort mit ihm gewechselt. Er ließ sich ja auch nicht sonderlich oft in Klein Schnürstadt blicken, wie wir von Tanja wussten, weil er mit seiner Mutter Streit hatte und das schon seit Jahren. Aber darüber redete man ihrer Familie nicht – nicht einmal Tanja wusste worum es ging!

Sie vermutete aber nicht, dass es daran lag, dass er schwul ist. Denn das hatte er seiner Mutter erst erzählt, als er schon lange ausgezogen war!
 

»Um den beiden eine kleine Freude zu machen!«, fauchte Sandy. »Du weißt, dass er kaum Freunde hat weil er nie so richtig den Anschluss hier gefunden hat!«
 

Na das konnte ja ein lustiger Abend werden, wenn das ganze schon so losging. Denn wie es aussah hatten weder mein Bruder, noch Tom oder Till Lust jetzt nach Düsseldorf zu fahren.
 

»Woran das wohl liegen mag!«, grummelte Tom und erntete dafür einen Tritt gegens Schienbein, den Sandy nur zu gerne austeilte.

»Du klingst gerade genauso, wie jeder andere Mensch aus Klein Schnürstadt! Hast du nicht mal gesagt, du willst auf keinen Fall so werden wie die?«, begründete sie ihren Gewaltakt und verschränkte die Arme vor der Brust.

Tom hatte daraufhin nichts mehr zu sagen, holte sein Telefon aus seiner Jackentasche und begann Flappy-Bird zu spielen.
 

»Na dann wird das ja hoffentlich ein ruhiger und grabsch freier Abend!«, brummte mein Bruder hinter seinem Telefon.

Er schien es sich zu Aufgabe gemacht zu haben, noch blöder als Tom sein zu wollen.
 

Sandy begann zu brodeln wie ein Vulkan und auch ich hatte Probleme damit mich zusammenzureißen. Seit wann war mein Bruder denn so ein Homophob?
 

Nach diesem kurzen Gespräch herrschte wieder Ruhe und jeder ging einer eigenen Beschäftigung nach.

Das war bei uns meistens so, wenn ein Konflikt am Entstehen war: Wir hörten einfach auf miteinander zu reden, bevor es am Ende richtig eskalierte.

Die einzige, die einen Streit wirklich zu einem Streit werden ließ, war Tanja. Nur übertrieb sie dabei meistens so gnadenlos, dass wir alle das Weite suchten, bevor sie uns in eine Diskussion verwickeln konnte.
 

Als die Regionalbahn in Düsseldorf anhielt, stiegen wir gemeinsam mit den Berufspendlern aus. Und während die sich auf den Weg zum nächsten Gleis machten, suchten wir nach der Bushaltestelle.

Wer in Klein Schnürstadt wohnte, zählte auch Düsseldorf und Köln zu seinem Zuhause. Denn in unserer Kleinstadt kam es nur ein H&M und irgendwo ein KIK. Für alle anderen Geschäfte musste man zwingend in die Großstädte fahren.

Ich für meine Fälle fuhr dann aber doch lieber nach Köln. In Düsseldorf trafen wir uns selten. Meistens nur um ins „Wolkenreich“ zu gehen.

Tanja hatte die Bar rausgesucht. Sie sagte die Musik wäre gut und die Preise Human.

Es war der einzige Ort in dieser Großstadt, den ich ohne Wegweiser finden würde.
 

Meinen Freunden schien es ähnlich zu gehen wie mir, denn als wir den Bahnhof verlassen hatten und vor den unzähligen Haltestellenschildern standen, schauten wir uns alle gegenseitig ratlos an.

Und auch die Navigations-App die Till dann öffnete, half uns nicht weiter. Also fragten wir schließlich den nächstbesten Passanten.
 

Schließlich saßen wir in einer Straßenbahn die uns angeblich direkt vor Olivers Haustür bringen sollte.
 

Als wir schließlich an der Station ausstiegen, die man uns genannt hatte, fanden wir uns auf der Mittelinsel einer sechsspurigen Straße wieder.

Hier bekam man das Großstadtfeeling mit voller Wucht zu spüren.

Die Straßenlaternen funktionierten nur noch sporadisch, überall lag Müller herum. Die meisten Hauswände waren mit Plakaten zugekleistert oder mit Graffiti besprüht. Autos fuhren so schnell und so zahlreich an uns vorbei, dass wir uns trotz Zebrastreifen zuerst nicht trauten die Straße zu überqueren.

Und als wir dann auf dem Fußweg standen, ging die Sucherei wieder los, denn niemand von uns hatte die entsprechende Hausnummer gesehen, geschweige denn eine Ahnung wie hier nummeriert wurde.

Nach kurzer Diskussion entschieden wir uns dazu die Straße südwärts hinunter zulaufen.
 

»Wie war die Nummer nochmal?«, fragte Tom nach wenigen Metern.

»69«, antwortete Till.

Tom blieb stehen, zeigte mit dem Daumen auf den Hauseingang hinter sich.

»Was für eine Ironie«, sagte er. »In beiderlei Hinsicht!«

Maximilian lachte über diese geschmacklose Bemerkung und Sandy verdrehte die Augen.

Hoffentlich unterließ er solche Kommentare in der Gegenwart von Tanja und Oliver. Denn das würde dann wirklich unangenehm werden!
 

Tanja öffnete uns per Gegensprechanlage die Haustür. Als man mir anschließend sagte, dass ihr Bruder im Dachgeschoss wohnte und dieses blöde Mehrfamilienhaus keinen Fahrstuhl hatte, war ich geliefert. Vermaledeite Unsportlichkeit!
 

Als ich irgendwann schwer schnaufend oben ankam, waren alle anderen bereits in der Wohnung verschwunden, verteilten Küsschen und Umarmungen.

Ich reihte mich unbemerkt hinter Till ein und schloss leise die Wohnungstür hinter mir.

»Danke dass ihr alle gekommen seid!«, sagte Tanja zu uns allen, gab dann erst Till und anschließend mir einen Kuss auf die Wange.
 

»Bedanke dich nicht zu früh, noch ist der Abend nicht gelaufen!«, brummte Tom, als sie auch ihn umarmen wollte.

Einen Moment stockte Tanja, ließ sich dann aber nicht weiter von seiner miesen Laune beirren und umarmte ihn schlussendlich.

»Du bist gemein!«, rief sie ihm fröhlich hinterher, als er in Richtung Wohnzimmer verschwand.

Ich bekam das Gefühl, als hätte sie zusammen mit Jan noch einen Joint geraucht, bevor wir hier aufgetaucht waren. Denn normalerweise hätte sie so ein Kommentar von Tom nicht einfach unbeantwortet gelassen. Und vor allem hätte sie nicht so freundlich reagiert.
 

»Wo ist Oliver?«, fragte Sandy, als sie mit lauten Schritten den Flur entlang stiefelte.

Frauen und ihre Klackerschuhe! Zu jeder erdenklichen Gelegenheit mussten die Dinger getragen werden. Egal ob man darin aussah wie ein Model oder ein Storch. In Sandys Fall eher wie ein Storch, der gerade das Laufen lernte.
 

»Oh zwei Kommilitonen haben ihn noch auf ein Bier zu seinem Ehrentag eingeladen. Er meinte aber gerade, er macht sich gleich auf den Weg!«, antwortete unsere Sportbarbie und strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr.
 

»Weiß er überhaupt, dass du all deine Freunde ungefragt in seine Wohnung gelassen hast, damit er seinen Geburtstag mit völlig Fremden verbringen kann?«, brummte Maximilian und drängelte sich an den beiden Mädchen vorbei um Jan mit einem High-Five zu begrüßen.
 

»Um ehrlich zu sein: Nein! Er denkt, nur ich wäre hier«, antwortete sie leicht pikiert.

Dafür erntete sie sofort einen bösen Blick von Maximilian und Tom.
 

»Was ist wenn er sich überhaupt keine Feier wünscht?«, hakte mein Bruder mit hochgezogenen Augenbrauen nach.
 

»Glaub mir«, antwortete Tanja schnell. »Er wünscht sich das mehr, als du Sex!«

Damit war Maximilian bedient. Schlagartig wortlos und mit roten Wangen suchte auch er das Wohnzimmer auf.
 

Wir folgten dem Rest ins Wohnzimmer, wo ich kurz ins Staunen geriet.

Olivers Schwester hatte den kleinen Raum dezent aber hübsch dekoriert.

Bevor ich mir jedoch alle etwas genauer ansehen konnte, kam auch schon Jan aus der Küche zurück und stellte eine Schale mit Knabbereien auf den Couchtisch.

Dann quetschte er sich neben Tom auf das Sofa, nachdem er auch den Rest von uns begrüßt hatte.
 

»Und was wollen wir jetzt die nächsten Stunden machen?«, fragte Tom missmutig in die Runde, wofür er sich von Sandy einen bösen Blick einfing.
 

Auch meine Miene verzog sich. Warum sind Maximilian und er eigentlich gekommen, wenn sie eh nur schlechte Laune verbreiten wollten?
 

Tanja schien sich davon allerdings nicht beirren.

»Erst mal stoßen wir auf ihn an, dann darf er Geschenke auspacken und anschließend kommen die guten alten Gesellschaftsspiele an die Reihe«, erklärte sie begeistert und ließ sich auf Jans Schoß nieder.
 

»Und dann rauchen wir alle einen zusammen!«, fügte ihr Freund enthusiastisch hinzu.

Daraufhin legten wir anderen synchron den Kopf schief und sahen den Dauer-Kiffer fragend an.
 

»Das sollten wir wirklich lieber lassen«, stimmte auch mein Bruder zu.

Er begann schief zu grinsen und fügte hinzu: »Bevor das noch in einer komischen Situation endet!«
 

Till, Sandy und ich verzogen gleichzeitig das Gesicht. Mir war sofort klar worauf er hinaus wollte und ich fand es überhaupt nicht nett, dass er weiter darauf herumhackte, dass Oliver schwul war.

Tanja sagte wieder nichts dazu. Ich bewunderte sie dafür, dass sie Tom und Maximilian einfach gewissenhaft ignorierte.

Normalerweise war sie nämlich ein ganz schöner Hitzkopf und sprang sofort auf jeden blöden Kommentar von den beiden Kindsköpfen an.
 

Bevor sie mit Jan auf der Bildfläche aufgetaucht war, liefen sogar Wetten innerhalb unserer Clique, dass sie mit Maximilian oder Tom in die Kiste sprang.

Und das nur, weil sich die drei bereits seit der 1. Klasse so bescheuert benahmen.
 

»Wann kommt Oliver denn?«, klinkte ich mich in das Gespräch mit ein, um die leicht angespannte Stimmung aufzulockern.

Leider bemerkte ich meine Steilvorlage erst, als es schon zu spät war.
 

»Mhm, keine Ahnung, Lelo. Aber du kannst ihn ja fragen, wenn er hier ist?«, entgegnete mein Bruder und klimperte süßlich mit den Wimpern.
 

»In etwa einer Stunde«, antwortete Tanja.

Mittlerweile klang sie doch ein wenig gereizt, was man ihr allerdings nicht verübeln konnte. Mir würde es da nicht anders gehen, wenn zwei Miesepeter versuchten alles schlecht zu machen.
 

Da ich mir aber auch nicht länger blöde Kommentare anhören wollte, verdrückte ich mich in die Küche um mir was zu trinken zu holen.
 

Tom kam nach relativ kurzer Zeit ebenfalls dazu, schaute dabei immer noch grimmig wie ein Grizzlybär drein.

Ihn musste jetzt mal jemand zur Vernunft bringen, bevor er mit seiner Laune noch den ganzen Abend zerstörte!
 

»Warum hast du dich eigentlich nicht einfach krank gestellt, wenn du nicht hierher wolltest?«, fragte ich ihn direkt, damit er keine Chance hatte sich rauszureden.
 

»Ich wollte unseren Kaktus nicht enttäuschen«, antwortete er abwesend, starrte dabei die ganze Zeit auf das Display seines Handys.
 

Am liebsten hätte ich es ihm aus der Hand gerissen. Ich konnte es gar nicht leiden, wenn man mir nicht richtig zuhörte und die ganze Zeit sein Handy anstarrte wie ein Besessener.
 

»Also erstens verletzen sie deine Kommentare und zweitens tust du das nicht für Tanja, du tust das für Oliver!«, entgegnete ich etwas angesäuert.
 

»Ich kenne ihn doch gar nicht. Keiner von uns kennt ihn wirklich«, brauste der Tollpatsch dann auf.

»Ich weiß, dass wir das für Tanja tun, um ihr eine kleine Freude zu machen, weil sie es nicht abkann, wenn es ihrem großen Bruder schlecht geht! Aber trotzdem verstehe ich nicht, warum sie für ihn so eine große Show abziehen muss!«
 

Etwas eingeschüchtert nickte ich. Ich wollte mich jetzt bestimmt nicht mit ihm streiten, nur weil er allem Anschein nach auf Krawall gebürstet war. Ich war es nicht und hatte auch keine Lust darauf, mich von ihm auf die Palme bringen zu lassen. Zusätzlich waren wir beide dickköpfig. Wir würden unsere Meinung bis aufs Blut verteidigen. Und heute Abend wollte ich das ungern herausfordern!
 

»Ich hoffe Oliver kommt bald, ich möchte nach Hause!«, sagte Tom dann und verließ mit diesen Worten die Küche.
 

Er schien bemerkt zu haben, dass ich mich von ihm zu keinem Streit anstiften lassen würde.
 

Ich blieb alleine im Raum zurück. Zum Zeit vertreib begutachtete ich die Möbel von Tanjas Bruder und dachte ein wenig über selbigen nach.
 

Zwei Mal war ich dabei gewesen, wo er Tanja von der Schule abgeholt hatte. Allerdings waren wir da alle noch wesentlich jünger gewesen.

Damals hatte er kinnlange blonde Haare und schimmernde bernsteinbraune Iriden, die doppelt so hell auf einen wirkten, wenn er begann sein kindliches Lächeln zu zeigen, was wiederum überhaupt nicht zu seinen strengen Gesichtszügen passte.

Er versprühte eine ähnliche Aura wie Maximilian, sobald er auf der Bildfläche auftauchte. Wie ich mir von Tanja allerdings sagen lassen hatte, war er immer nett und freundlich.
 

Meine Gedanken blieben in der Luft hängen, als Tanja laut fluchend in die Küche stürmte.

Oh-Oh, jetzt hatte sie wohl endgültig die Beherrschung verloren. Hoffentlich hatten Tom und oder Maximilian dieses Mal kein Kommentar abgelassen, was zu weit unter die Gürtellinie ging.
 

»Manchmal sind die beiden echt die größten Arschlöcher!«, keifte sie und fegte dabei die Rolle Küchentücher von der Theke.

Na das konnte ja ein toller Geburtstag werden, wenn das so weiter ging.

Tanja geladen wie eine Waffe und Maxi und Tom auf gnadenlosen Streit aus. Super, dass konnte doch heute nur explodieren. Hoffentlich erst, wenn alle anderen in Sicherheit waren.
 

Sie öffnete sich eines von den Bieren, die sie ordentlich auf der Küchentheke drapiert hatte und nahm einen großen Schluck.

Danach begann sie mit der Schimpftriade, auf die ich schon seit einer Viertelstunde gewartet hatte.

Und während sie die ganze Küche zusammenkeifte, überlegte ich mir eine gute Strategie um sie wieder zu beruhigen. Hoffentlich würde diese auch Früchte tragen …
 

.◦’°’◦ ♥.◦’°’◦.
 

Als wir gut eine Stunde einen sich drehenden Schlüssel in der Tür hörten, stürmten wir gemeinsam den Flur und riefen laut ein „Happy Birthday“ in Richtung Wohnungstür.
 

Wie wir bereits wussten, war Oliver völlig ahnungslos von unserer Anwesenheit, allerdings schien er auch nicht mit seiner Schwester gerechnet zu haben.
 

Andernfalls würde er wohl kaum wild knutschend mit einem Mann in seinen Flur stolpern. Die beiden trugen bereits keine Winterjacken mehr und ich fragte mich, wie sie das beim Treppensteigen geschafft hatten.
 

Nun standen die beiden in der Tür, sahen uns an als wären wir Außerirdische.

Nur langsam schien ihnen die Situation bewusst zu werden und schließlich löste sich andere von Oliver und räusperte sich ein wenig ärgerlich.
 

»Du hättest mir ruhig sagen können, dass bei dir ein Kindergeburtstag stattfindet!«, waren seine Worte und dann verschwand er im Treppenhaus.
 

Oliver schien noch immer nicht ganz verstanden zu haben was die Uhr geschlagen hatte, denn sein Blick war noch immer auf den Fleck gerichtet, wo der andere vor ein paar Sekunden gestanden hatte.
 

Er rührte sich erst, als unten die Haustür lautknallend ins Schloss fiel. Und dann fixierte er seine Schwester mit einem so bitterbösen Blick, dass es mir eiskalt den Rücken hinab lief.
 

Oliver räusperte sich und zog ein wenig am Kragen seines Pullovers.

»Kommst du mal bitte kurz mit!«
 

Während Tanja ihm in die Küche folgte, traten wir den Rückzug ins Wohnzimmer an.
 

Es dauerte nicht lange, da ertönten die ersten lauteren Worte aus der Küche.

Was in einer leisen Diskussion anfing, entfachte sich schnell zu einem handfesten Streit.

Wir verstanden jedes noch so unschöne Wort und Sandy und ich zuckten in regelmäßigen Abständen zusammen, sobald Oliver noch etwas lauter wurde.
 

»So ein blöder Idiot!«, murmelte Maximilian kopfschüttelnd. »Sie hat es nur gut mit ihm gemeint und wird dafür jetzt angeschrien! Wundert mich nicht, dass seine Mutter ihn rausgeschmissen hat!«
 

Ich verdrehte die Augen.

Mein Zwillingsbruder tat zwar so, als würde er Mitleid mit unserer besten Freundin haben. Aber eigentlich kotzte ihn es nur an, dass wir augenscheinlich ganz umsonst nach Düsseldorf gefahren waren.
 

Bevor ich allerdings etwas dazu sagen konnte, stand Tanja plötzlich wieder im Wohnzimmer und zog ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter.
 

»Es tut mir Leid, dass ich euch den Abend versaut habe, aber Oliver hat schon etwas anderes vor und kann uns leider nicht mitnehmen!«

Dass sie log, sah man ihr am zuckenden Augenlied an. Und das das nicht der eigentliche Grund war, warum wir jetzt gehen sollten, hatten wir bereits aus dem Streitgespräch herausgehört.
 

Sandy war die erste, die sich vom Sofa erhob.

»Na denn würde ich sagen, dass wir wenigstens noch etwas trinken gehen, wenn wir schon mal in der Stadt sind!«
 

Sie wollte die Situation retten, aber genaugenommen war sie schon seit der Zugfahrt nach Düsseldorf verfahren. Denn Maximilian und Tom wollten gar nicht hier sein, machten daraus keinen Hehl und vermiesten einem die Stimmung alleine durch ihre hinuntergezogenen Mundwinkel schon immens.

Jan gehörte in seinem Zustand eigentlich ins Bett und nicht in eine Bar.

Die einzigen, die dem Abend offen gegenüberstanden, waren Sandy und Till.

Sandy nur aus dem Grund, weil sie das einzige andere Mädchen in der Clique war und Till, weil er alles tat um seine Freundin zufriedenzustellen.

Wir sind schon ein wirklich schlimmer Haufen.
 

Sandy nahm ihre Tasche, legte das Geschenk, welches sie für Oliver gekauft hatte auf den Wohnzimmertisch und verließ dann gemeinsam mit Till das Wohnzimmer.
 

Ich hörte wie sie sich von Oliver verabschiedeten, der ihnen - dem Hall der Stimmen nach zu urteilen - bereits die Wohnungstür aufhielt.
 

Tom und Maximilian schauten sich daraufhin einen kurzen Moment an, zuckten dann mit den Schultern und folgten unseren Freunden nach draußen. Ihre Verabschiedung fiel wesentlich karger aus und bestand aus einem einzelnen "Tschüss".
 

»Sie hätten ihm ja wenigstens mal gratulieren können!«, zeterte Tanja, griff nach ihrer Tasche und sah ihren Freund auffordernd an.
 

»Was ist denn? Wo gehen den alle hin?«, fragte Jan und sah uns beide ratlos an.
 

»Oh mein Gott Schatz! Rauch in Zukunft bitte einen Joint weniger«, murmelte Tanja kopfschüttelnd.

Sie streckte die Hand aus und zog ihren Freund vom Sofa hoch.
 

Wir verließen gemeinsam das Wohnzimmer und begegneten im Flur Oliver.
 

»Wenn du jetzt auch abhaust, wer hilft mir dann beim aufräumen? Denk' ja nicht ich beseitige dein Chaos alleine!«
 

»Ich lass mich doch nicht von dir anschreien und dann zum helfen verdonnern! Du wirst es ja wohl schaffen die paar Girlanden alleine in den Müll zu schmeißen!«
 

Oliver erwiderte ein paar Worte und während die beiden wieder begannen sich zu streiten, schlich sich Jan nach draußen zu den anderen.

Nur ich kam nicht an dem streitenden Geschwisterpaar vorbei und plötzlich waren alle Augen auf mich gerichtet.
 

»Dann hilft er mir eben!«, hörte ich Oliver sagen.

Ich brauchte ein paar Sekunden um zu begreifen, dass ich gemeint war.
 

Mein Bruder und Tom waren drauf und dran sich einzumischen. Da mir aber klar war, dass wir dann eine Diskussion unter der Gürtellinie führen würden, nickte ich einfach und drängte Tanja in Richtung Wohnungstür.
 

»Ihr könnt ja schon mal vorgehen ins "Wolkenreich"! Ich helfe Oliver schnell und komme dann nach!«
 

Tanja konnte man ansehen, dass sie damit überhaupt nicht einverstanden war. Am liebsten würde sich mit sich ziehen und ihrem Bruder sagen, dass er für seine Unhöflichkeit alleine Klarschiff machen sollte.
 

Zum Glück verstand Sandy, dass ich nur einen weiteren Streit verhindern wollte. Deswegen klatschte sie einmal in die Hände, um die gesamte Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.

»Na dann, lasst uns abhauen! Leon wird sicherlich nicht lange brauchen!«

Sie griff nach der Hand von meinem Bruder und der ihrer besten Freundin und suchte dann das Weite.

Kaum waren sie alle auf dem nächsten Treppenabsatz verschwunden, knallte Oliver auch schon die Tür ins Schloss.
 

Ich sah ihn an, wollte ihn fragen was ich mit den Girlanden machen sollte, als er sich räusperte.

»Ich werde dann mal eine Mülltüte holen! Du kannst ja schon mal anfangen und den ... Ähm ... Dreck beseitigen gehen!«

Seine Stimme klang jetzt wieder wesentlich ruhiger und er schien mit sich selbst ein wenig im Argen zu liegen.

Ich konnte mir vorstellen, dass er seine Schwester eigentlich nicht so anschreien wollte. Aber ich wollte mich nicht einmischen, also sagte ich gar nichts und ging zurück ins Wohnzimmer, um die ersten Girlanden von den Wänden zu reißen.
 

Wenige Sekunden später stieß Oliver dazu, hängte die Mülltüte an die Türklinke und begann dann mit seiner Arbeit in der gegenüberliegende Ecke des Wohnzimmers.

So arbeiten wir uns schließlich schweigend durch das ganze Zimmer.
 

Und als wir jegliche Dekorationen in der Tüte versenkt hatten, machte Oliver einen Knoten in die Enden und ich brachte die Schüsseln mit den Chips und Salzbretzeln in die Küche.

Kurze Zeit später tauchte Oliver ebenfalls in der Küche auf, stellte die Mülltüte neben die Tür und musterte mich dann irgendwie komisch. Ich konnte nicht einordnen, ob es sich dabei um einen fragenden oder herausfordernden Blick handelte.
 

»Musst du nicht langsam nach Hause?«, fragte er mich.

Die eine Augenbraue, die er dabei hochzog, vermittelte seiner Frage einen bevormundenden Unterton.
 

Ich erstarrte augenblicklich, wusste nicht was ich sagen sollte.

Tanjas Bruder warf einen Blick auf die Uhr, seufzte laut.

»Der letzte Zug fährt in zehn Minuten, dass schaffst du nicht mehr!«, stellte er fest. »Soll ich dich fahren oder willst du lieber hierbleiben?«
 

Mein Herz begann wild zu klopfen und mein Gehirn fing an zu rattern. Ich suchte nach passenden Worten, fragte mich jedoch gleichzeitig, warum er mir das anbot.

Auch nach drei weiteren Minuten wusste ich nicht was ich antworten sollte, konnte nicht einschätzen was besser für mich war.

Mein klingelndes Handy nahm mir schließlich die Entscheidung ab.

Ohne Oliver eine brauchbare Antwort zu liefern, drückte ich den grünen Hörer.
 

»Alter Lelo, wo bleibst du? Wir wollen nachhause!«, brüllte Maxi ins Telefon.
 

»Ähm ...«, machte ich unschlüssig, »ich bin noch bei Oliver?«

Am Ende klang es mehr nach einer Frage, als nach einer Antwort.
 

»Häh? Was machst du denn noch dort?«, fragte mein Bruder verwirrt.
 

»Wir sind gerade erst mit dem aufräumen fertiggeworden«, antwortete ich.

Um meine plötzlich aufkommende Nervosität zu übertünchen, spielte mit einer der Kordeln meines Pullis.
 

Irgendwie vermittelte mir die Art und Weise meines Bruders, dass es falsch war was ich hier getan hatte. Allerdings wäre er wohl kaum hiergeblieben um Oliver zu helfen. Und auch wenn dieser seine Schwester nicht gerade wie ein Gentleman behandelt hatte, war es trotzdem nicht fair ihn mit dem Chaos alleine zu lassen.
 

Ich redete mir also einfach ein, dass ich absolut nichts Falsches getan hatte und hoffte, mein Bruder würde das auch so sehen, wenn er noch einmal scharf darüber nachdachte.
 

»Dein Ernst? Dir ist schon klar das wir die Regionalbahn nicht für dich aufhalten können!«, entgegnete Maximilian dann fast schon spöttisch.
 

»Braucht ihr auch nicht, ich bleibe heute hier!«, antwortete ich.

Der plötzlich aufkeimende Enthusiasmus überraschte mich selbst am meisten.
 

Mein Bruder setzte am anderen Ende der Leitung bereits zum Protest an, doch ich drückte ihn einfach weg.

Spätestens morgen würde ich mir dafür eine mütterliche Standpauke anhören dürfen. Aber im Moment war mir das ziemlich egal.
 

Ich würde Oliver jetzt bestimmt nicht mehr dazu zwingen, mich jetzt nach Klein Schnürstadt zu fahren. Und ein Taxi wäre unbezahlbar.

Wenn der Student mich also nicht hinausschmiss, würde ich es mir auf seinem Sofa bequem machen.
 

Ermutigt drehte ich mich wieder zu Oliver und sagte etwas, von dem ich jetzt noch nicht wusste, wie sehr ich es in den nächsten Wochen bereuen würde: »Ich bleibe hier!«


Nachwort zu diesem Kapitel:
© 2018 by YukiKano
2. Überarbeitung von "Neujahrs Glück" Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Usaria
2018-09-15T21:27:26+00:00 15.09.2018 23:27
Hallo Yukikano,

Der Anfang macht schon mal neugierig auf mehr! Ich liebe solche Geschichten. Ich habe zwar einige Rechtschreibfehler gefunden, doch im Großen und Ganzen ist der Text recht flüssig geschrieben. Die Figuren sind gut erklärt, dass man sie sich auch gut vorstellen kann.
Ich freue mich schon auf das nächste Kapitel
Von:  Onlyknow3
2018-09-11T16:38:57+00:00 11.09.2018 18:38
Das hörte sich gut an als Anfang. Schönes Kapitel, auch wenn Oliver nicht gerade freundlich war.
Aber Leon wird es auch nicht besser gehen.
Weiter so, freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3


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