Zum Inhalt der Seite

Melodien für John

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Siehe auch: Johnlock Pinnwand auf Pinterest, Sherlock Musik Playlist auf Wattpad

Disclaimer: Alle Rechte an den Charakteren gehören BBC und Sir Arthur Conan Doyle.

Über Kommentare, Meinungen und Anmerkungen würde ich mich natürlich freuen. Komplett anzeigen

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Die letzte Nacht

Das Glas gab ein klirrendes Geräusch von sich als es etwas unsanft auf die Tischplatte gestellt wurde. Die goldbraune Flüssigkeit schwappte bedenklich als würde sie ihren Unmut darüber kundtun wollen. Längst war das Feuer im Kamin erloschen, draußen über den Straßen Londons war die Abenddämmerung bereits vor Stunden hereingebrochen und so spendete nur die alte Lampe auf dem Beistelltisch ihr spärliches Licht im Wohnzimmer der 221B Baker Street.
 

„Ich muss dringend in mein Bett“, gähnte John herzhaft.
 

Sherlock betrachtete seinen Gefährten skeptisch und entschied daraufhin: „Ich rufe dir ein Taxi. Das fährt dich dann nachhause.“

Obwohl sie die gleiche Menge Alkohol konsumiert hatten, war John weitaus angetrunkener als er. Vielleicht weil dieser kleiner war, vielleicht weil sich Sherlocks Körper bereits an Rauschzustände gewöhnt hatte.
 

John sah etwas verwirrt aus, dann lachte er: „Wir sind doch schon zuhause, Sherlock.“
 

Der Detective schluckte: „Was ist der letzte Fall, an den du dich erinnerst?“
 

„Wieso is’n das wichtig?“
 

„John, bitte.“ Es klang nicht wie eine Bitte.
 

Dieser schnaufte unwillig: „Irgendwas mit so’nem verschwundenen Bild, Gemälde von… von…“
 

„Dem Reichenbachfall?“
 

„Mhm.“
 

„Du solltest jetzt wirklich schlafen, John. Du hast zu viel getrunken.“
 

Der Blonde gab einen undefinierbaren Laut von sich und fuhr sich mit den Händen über das Gesicht. Dann stand er schwerfällig auf und wankte in Richtung der Treppe, die zu dem oberen Schlafzimmer führte, das früher einmal seins gewesen war.
 

„Warte, ich helfe dir.“ Sherlock war ebenfalls aufgestanden und zu John geeilt. Etwas überrumpelt von seinem eigenen Impuls legte er zögernd einen Arm um den Torkelnden. Körperkontakt war ungewohnt, aber nicht unangenehm, nicht bei John.
 

„Danke…“ John wirkte überrascht, als er sich an den Größeren lehnte.
 

Gemeinsam bugsierten sie sich durch die Tür, ihre Hände fest in die Kleidung des jeweils anderen greifend, während sie ihr Bestes taten einen Fuß vor den anderen zu setzen. Sherlock hatte sich in seiner Standfestigkeit offenbar überschätzt, denn als sie nun einander stützend versuchten die Treppe zu erklimmen, gerieten sie beide ins Straucheln. John konnte ihn nicht auffangen als er fiel, und da er ihn nicht hatte halten können, folgte er ihm nach unten, buchstäblich. Beide landeten der Länge nach auf der Treppe.

Nachdem der erste Schreck überwunden war und er festgestellt hatte, dass weder John noch er selbst sich Verletzungen zugezogen hatten, probierte Sherlock sich am Geländer wieder auf die Füße zu ziehen, doch das wollte ihm nicht so recht gelingen. John begann zu lachen und bald darauf konnte auch Sherlock sich sein Amüsement nicht mehr verkneifen.
 

John rang um Luft: „Wieso haben wir noch gleich so viel getrunken?“

Sherlock war sich nicht sicher, ob das eine rhetorische Frage war, also tat er so als würde er genau wie John noch immer lachen, obwohl sein Lächeln längst eingefroren war.
 

Sie unternahmen keinen erneuten Versuch aufzustehen, sondern blieben in stillem Einvernehmen an Ort und Stelle liegen. Nach einer Weile erstarb auch Johns Lachen, wenngleich die Situation nichts an ihrer Kuriosität eingebüßt hatte. Sie lagen hier nebeneinander auf einer Treppe und schauten jeweils ihren eigenen Gedanken nachhängend an die Decke, nur spärlich erleuchtet von dem Licht, das durch die geöffnete Tür zum Wohnzimmer hereinfiel. Die Albernheit war verflogen, die Stimmung war umgeschlagen. Etwas Tiefes und Vertrautes hatte sich wie ein schweres Tuch über sie gelegt.
 

Irgendwann regte John sich neben ihm. Seine Atmung hatte sich verändert und seine Stimme klang rau als er sprach: „Sherlock, ich… ähm… Kannst du mich bitte ansehen? Muss dir… Muss dir was sagen.“ John zögerte sichtlich und murmelt vor sich hin, wohl eher zu sich selbst: „Scheiße, ich hab‘ echt zu viel getrunken.“ Dann räusperte er sich: „Also. Nun gut. Ich, ähm… Sherlock, ich -“
 

„Nicht.“, unterbrach dieser ihn, „Ich weiß doch. Ich weiß.“

Er konnte spüren, dass Johns Augen auf ihm ruhten, aber er konnte ihn jetzt nicht ansehen, er war nicht stark genug. In seine Augen zu sehen, die all das sagen würden, was er ihn nicht hatte aussprechen lassen, das hätte er nicht ertragen, nicht jetzt.

Stattdessen wartete Sherlock bis die Atemzüge neben ihm ruhig und tief geworden waren, erst dann wandte er sich dem Kleineren zu. Mit gedämpfter Stimme erwiderte er, „Ich dich auch, John“, nachdem er sicher war, dass dieser eingeschlafen war.
 

Vielleicht hätte er ebenfalls der bleiernen Müdigkeit nachgeben sollen, die seine Glieder schwer und seine Augen wund machte, doch das tat er nicht. Zu kostbar war diese Nacht.

Er ließ seinen Blick über den Mann neben ihm schweifen, prägte sich jedes noch so kleine Detail ein, jede Facette seines Gesichtes, jede Lachfalte, jede Strähne seiner zerzausten Haare, jede Schattierung des langsam ergrauenden Blondes, den Klang seiner Atmung, die Haltung seiner Arme und den Duft seines Aftershaves, obwohl er genau wusste, dass die Erinnerung niemals ausreichend sein würde.
 

*
 

Viel zu bald spürte Sherlock die Wärme auf seinem Gesicht, sah wie das langsam stärker werdende Licht des heranbrechenden Tages bedächtig über den Boden wanderte, die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne. Es war so weit.

Die ganze Nacht hatte er John betrachtet und auch jetzt noch konnte er seinen Blick nicht abwenden. Loslassen, in seiner Vorstellung war das so leicht gewesen, aber nun war er hier an diesem Punkt. Und es tat weh. Doch er musste es tun, um seinetwillen, für John. Nein, es tat nicht nur weh, es war als würde er ein Stück von sich selbst auf dieser Treppe liegen lassen, als er nun leise aufstand.
 

*
 

„Morgen…“, hörte Sherlock etwa zweiunddreißig Minuten später eine vertraute Stimme hinter sich. Sein Geigenspiel musste ihn wohl geweckt haben. John klang verschlafen und ausgesprochen verkatert: „Wieso habe ich auf der Treppe geschlafen?“
 

„Du erinnerst dich nicht“, mehr eine Feststellung als eine Frage. Sherlock hatte sich nicht umgewandt, stand noch immer am Wohnzimmerfenster, die Violine in der Hand, scheinbar ungerührt, kalt wie Marmor. Scheinbar.

John wusste nichts mehr von ihrem Gespräch, wusste nicht, dass er in dieser Nacht nicht allein gewesen war. Keine Erinnerungen, Filmriss, das war gut. Gut für John.
 

„Nein. Also wie-“
 

Sherlock hatte den Bogen wieder angesetzt und spielte weiter. Die Klänge der Violine überschallten Johns Stimme und für einen kleinen friedlichen Moment auch die Gedanken des Detectives. Und so bemerkte er nicht, wie John unten auf der Straße noch ein letztes Mal zu ihm nach oben sah.
 

*
 

Nach einiger Zeit, vielleicht waren es Stunden, setzte er den Bogen ab. Er spürte, dass etwas fehlte, etwas Essentielles. Alles war plötzlich so still. Es dauerte eine Weile bis er wieder im Hier und Jetzt angekommen war und begriff. Irgendwann musste John gegangen sein. Die Wohnung war leer. Sie fühlte sich so entsetzlich leer an ohne ihn, mehr als jemals zuvor.
 

Sherlock schloss die Augen.

Was wäre gewesen, wenn John sich doch erinnert hätte? Er sah sein Gesicht förmlich vor sich, der Blick in unangenehmer Verlegenheit auf den Boden geheftet: „Ehm, das was ich letzte Nacht gesagt habe -“ Die Geige hätte einen unmelodischen Ton von sich gegeben, als ihm bewusst geworden wäre, dass John sich doch erinnerte. „Danke, dass du… naja, du weißt schon. Das war nicht… Ich war betrunken.“

Oh ja, John war wirklich sehr betrunken gewesen. Schon während des Abends hatte er Gedächtnislücken aufgewiesen. Der Reichenbachfall… schon so lange her. Der John, der das zu ihm hatte sagen wollen, war der John von vor drei Jahren gewesen.
 

Sherlock wollte sich in seinem Gedächtnispalast einschließen und nie wieder in die Realität zurückkehren, doch stattdessen schloss er den letzten Knopf seines Sakkos und faltete sorgsam das Notenpapier: Walzer für John und Mary


Nachwort zu diesem Kapitel:
Musik dazu:
Loneliest Know - Saliva
Drunk Enough - Angels Fall
Tortured Soul - Overstreet
Tell Me in the Morning - FOURS

Empfehlungen:
Johnlock-Oneshot "Nur eine Nacht" von Philomena85 Komplett anzeigen

Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück