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Besondere Momente

Schreibzirkel
von

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Sonnenfinsternis

Seit Tagen sprachen die Menschen über nichts anderes mehr. In den Nachrichten und Zeitungen wurde das Thema heiß geredet. Experten wurden interviewt, die Wirtschaft schob bereits seit Wochen Panik und bereitete sich emsig auf das Jahrhundertereignis vor. Selbst wenn man nicht Radio hörte oder gar die Nachrichten im Fernseher sah, so sprachen die Leute auf den Straßen auch über nichts anderes mehr.

Auch wenn die Aufregung und Vorfreude sich in mir ebenso breit machte, so nervte das Thema doch allmählich. In einer Stunde ist alles vorbei und dann würde endlich wieder Normalität in Tokio einkehren. Genervt schaltete ich meinen Radio aus, die quasselnde Moderatorin konnte ich langsam nicht mehr hören, und stellte mich vor meinen Kleiderschrank um Kleidung herauszusuchen. Dabei blieb ich vor meiner Schranktüre, die verspiegelt war, hängen und betrachtete mich nachdenklich. Meine Figur war nicht dick, nicht dünn. Ich drehte mich einmal um sich selbst, warf mir über die Schulter einen Blick durch den Spiegel zu und betrachtete meine Hinteransicht. „Mein Hintern könnte ein wenig kleiner sein...“

Ich drehte mich weiter und sah meine Vorderseite nochmals genauer an.

„... der Busen dafür ein wenig größer“, murmele ich vor mich hin. Ansonsten hatte ich einen flachen Bauch und konnte auch sonst mit mir mehr als zufrieden sein.

Meine Musterung folgte meinem Spiegelbild hinauf und blieb an meinem Gesicht hängen. Schmal, nicht besonders auffällig. Meine blauen Augen stachen heraus. Es gab eher wenige Japaner mit blauen Augen.

Ein Pickel, mittig auf meiner Stirn, sprang mir in die Augen und ich drückte meine Nase an den Spiegel. „Verdammt nochmal, ich bin 17 Jahre alt und befinde mich immer noch in dieser Pickelphase.“

Sanft strich ich mit meinem Zeigefinger über die kleine Erhebung und überlegte ob es sich lohnte ihn auszudrücken, ließ es aber dann doch bleiben. Er war nicht groß, eigentlich kaum zu sehen und wenn ich ganz ehrlich zu mir war, könnte es mich wirklich schlimmer treffen. Manch einer war regelrecht von Akne geplagt und ich beschwerte mich hier über einen kleinen Pickel? „Alles klar, Aoko, übertreib es mal nicht.“

Nun folgten meine Augen zu meinem Hauptproblem. Mein widerspenstiges und unbezähmbares Haar. Es war furchtbar dick, verstrubbelt, mit einer Haarbürste kam ich fast nicht mehr durch. Meine Augen glitten zu der zerbrochenen Bürste, die ich fünf Minuten zuvor frustriert auf den Boden geworfen hatte nachdem diese in zwei Teile zerbrach.

Nase rümpfend widmete ich mich wieder meinem Spiegelbild und fuhr mit meinen Fingerspitzen durch den verwilderten braunen Schopf. Hier und da blieben sie an kleinen Knoten in meinen Strähnen hängen. Dadurch gab ich es letztendlich auf und raffte meine Schulterlange Mähne zusammen. „Ob mir kurze Haare stehen?“

Ich hielt die Haare zuerst auf Kinnlänge, doch dann schüttelte ich meinen Kopf und ließ meine Haare fallen.

Ich hatte noch nie, seitdem ich mein volles Bewusstsein habe, kurze Haare. Diese Vorstellung ging gar nicht.

Wieder betrachtete ich meine ganze Erscheinung, nicht besonders groß eher normal, wie die meisten Japanerinnen durchschnittlich gewachsen waren. Meine Augen blieben an meiner weißen Unterwäsche hängen, doch dann griff ich nach einer kurzen schwarzen Hose und schlüpfte in diese hinein. Als nächstes nahm ich mein weißes Shirt und überlegte ob ich nicht doch eine andere Farbe nehmen sollte.

„Aoko! Wo bleibst du denn? Wir verpassen noch das ganze Spek-...“, platzte Kaito in mein Zimmer. Vor Schreck hielt ich mir das Shirt vor den Oberkörper und wich mit meinem Rücken an den Spiegel zurück.

Ich betrachtete meinen besten Freund, der mitten in seiner Bewegung innehielt, abrupt verstummte und mich mit großen Augen und offenem Mund anstarrte. Es war nicht das erste Mal, dass er ohne zu klopfen in mein Zimmer platzte, aber es war das erste Mal, dass er mich beim Umziehen überraschte. Und genau diese Tatsache trieb mir die Röte ins Gesicht und mein Herz begann schlagartig einen Sprint dahin zulegen.

Schutzlos ausgeliefert presste ich das Shirt an meine Brust und verbarg somit halbwegs meinen Oberkörper. Langsam fühlte ich mich unter seinem Starren unwohl.

Scheinbar schien er es auch zu bemerken. Er schloss schnell seinen Mund, räusperte sich und wandte nun seinen Blick ab.

„...-takel“, beendete er. „Wir verpassen die Sonnenfinsternis, wenn du nicht bald mal fertig wirst.“ Er betrachtete intensiv die Zeiger seiner Uhr, ehe er hinzufügte: „In zwei Minuten geht’s los. Also wird es bald?“

„Gl...gl... gleich“, stotterte ich, immer noch mit meinem rasenden Herzschlag kämpfend. „Kö... könntest du dich bitte umdrehen?“

Statt meiner Bitte zu folgen, lenkte er seine Aufmerksamkeit wieder auf mich und seine blauen Augen zogen mich regelrecht in einen Bann. Sein intensiver Blick verschlug mir glatt die Sprache und trieb meinen Puls in die Höhe.

„Ich warte unten.“

Keine zwei Sekunden später war er aus meinem Zimmer verschwunden.

Nur langsam beruhigte sich mein Herzschlag wieder und ich nahm zum ersten Mal das starke Zittern meiner Hände wahr. Tief ein- und ausatmend versuchte ich wieder zur Besinnung zu kommen und zog nun endlich mein Shirt über den Kopf.

Mein Blick fiel zum Fenster und mit Erschrecken stellte ich fest, dass sich draußen bereits alles in Dunkelheit hüllte. Beängstigend, wenn man bedachte, dass die Sonne um diese Tageszeit hell und warm erstrahlen sollte. Nun aber schnell raus, ehe ich das Jahrhundertereignis verpasste.
 

So sprintete ich die Treppe hinunter, schlüpfte in meine Schuhe und trat in den Garten hinaus. Es war totenstill, kein Vogel zwitscherte, kein Hund bellte, es war als würde die Zeit still stehen. Meine Augen glitten automatisch in den Himmel, fanden den Standort der sonst so erstrahlenden und blendenden gelben Kugel und fand den schwarzen runden Kreis mit einem Strahlenkranz. Der Mond stand wirklich zwischen Sonne und Erde und diese Situation war atemberaubend, faszinierend und einmalig. Ob ich die nächste in knapp neunzig Jahren erleben würde stand in den Sternen und darum kostete ich diesen Moment voll und ganz aus. Einmal in die Sonne zu blicken, ohne Augenschäden davon zu tragen. Welch ein Erlebnis.

Ich bemerkte wie sich jemand zu mir stellte, aber ich war zu fasziniert von diesen stillstehendem Moment, dass ich demjenigen keine Beachtung schenkte. „Dieser Moment ist ganz besonders. Und ich bin glücklich das mit dir erleben zu dürfen.“ Erst als seine Worte mein Gehirn erreichten, wandte ich mich meinem Kindheitsfreund zu, sah ihn mit großen Augen an. Sein Gesicht meinem so nah.

Kurz versicherte ich mich, ob uns jemand Beachtung schenkte, aber Jii-chan, Chikage und Papa waren ganz mit sich und diesem einmaligen Ereignis beschäftigt, dass sie uns nicht mal registrierten.

Ich spürte plötzlich Kaitos Finger an meinen Wangen. Sachte aber bestimmt dirigierte er meine Aufmerksamkeit wieder auf sich und kaum fand ich seine Augen, spürte ich im nächsten Moment seine warmen weichen Lippen auf meinen. Er begann mich zu küssen. Mein bester Freund küsste mich. In meinem ganzen Körper breitete sich schlagartig ein Kribbeln aus, mein Herz pochte wie verrückt und mein Magen fuhr Achterbahn. Es war eine Gefühlsexplosion vom Feinsten. Mit voller Inbrunst legte ich all meine Gefühle in diesen Kuss, erwiderte den Druck seiner Lippen und zerschmolz regelrecht in diesem Moment. Das war mein besonderes Highlight an diesem besonderen Tag in diesen besonderen Minuten.

„Oh, sieh nur Ginzo! Sind unsere Kinder nicht süß? Ich wusste, dass sie zueinander finden werden“, quietschte plötzlich Chikage.

Unter anderen Umständen hätte ich ihr widersprochen, aber in diesem Fall behielt sie recht. Ich war ihm verfallen, schon länger, und das er meine Gefühle erwiderte war mehr als ich jemals zu Träumen gewagt hätte.
 


 


 

vorgegebene Wörter:
 

Sonne

Fernseher

Garten

küssen

süß



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