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Mystery Dungeon - Die Legende des Dämons

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Nächtliches Treffen

Der Königsberg verdiente seinen Titel. Für jene, die den Weg zu diesem nicht kannten, blieb sein Aufgang in einem dichten Nebel inmitten eines weitläufigen Tals verborgen. Umgeben von einer ringförmigen Gebirgskette ragte der Königsberg in den höchsten Punkt des Himmels hinein. Kein anderer Berg auf der Welt übertraf ihn und so wurde er als die letzte Herausforderung für jeden erfahrenen Bergsteiger angesehen – erst, wenn sie diesen höchsten Berg bestiegen haben, galten sie als Legenden in ihrem Gebiet. Doch noch keiner vermochte die Spitze auch nur zu erspähen. Es war eine gänzlich andere Welt als anderorts. Hier stählten die einheimischen Pokémon sich selbst, indem sie große Felsbrocken einen Hang rauf schoben und diesen wieder losließen, nur um ihn wieder hochzuhieven. Oder sie übten sich in der Meditation und harrten Stunden in eisiger Höhe aus. Wer den Königsberg erklimmen wollte, musste sich in den Augen der Einheimischen in Sachen Willen und Stärke beweisen, andernfalls wurden sie schnell wieder heimgeschickt.

 

Doch die Spitze blieb trotz allem nicht unbewohnt. Ein einzelnes Pokémon lebte dort seit vielen Jahrzehnten und eben jenes stand nun am Eingang seiner Höhle, die in den Berg hineinführte. Und wie ein stiller Wächter blickte auf das im Nebel verborgende Tal hinab. Als sich der Vollmond hinter einer Wolke auftat und dessen Licht auf die Szenerie vor ihm fiel, glitzerte ihm ein silbriges Meer entgegen, aus dem schattenhafte Silhouetten von tiefer gelegenen Bergspitzen herausschauten. Der Blick des Pokémons fiel auf den Mond und seine Haltung war angespannt, als würde es etwas erwarten. Der Wind flatterte um seine weiß-rot-gestreifte Halskrause und er versuchte dessen eisige Kühle zu ignorieren. Dennoch schlotterte er und musste zittern, während sein Blick immer noch dem Mond galt.

„Ich hoffe, du lässt dich heute noch blicken“, murmelte Lashon etwas ungeduldig. Als Pokémon der Art Laschoking war er nicht gerade an die eisige Luft gewöhnt, die seine rosafarbene Lederhaut umspielte. Und endlich hörte er es in der Entfernung. Ein leises aber melodisches Klingeln, das die Ankunft seines Freundes ankündigte. Und da sah er schon dessen Silhouette vor dem Mond auftauchen. Zunächst wirkte sie wie ein kleiner schwarzer Punkt, der immer größer wurde. Immer schärfer wurden ein Körper, der nur einen halben Meter maß, recht kleine Arme und lange Füße und ein ebenso zierlich wirkender runder Kopf sichtbar. Der Schwanz, der genauso lang wie der Körper war, schien die kleine Gestalt in der Luft zu halten, die breit lächelnd vor Lashon in der Luft Halt machte. Dieser erwiderte dieses Lächeln und er merkte wie seine Anspannung sich löste: „Willkommen, Mew!“

 

„Lashon“, sagte dieser mit einem Lächeln, doch das Laschoking erkannte sofort, dass es nicht mehr das war, was er von seinem Freund gewohnt war. Normalerweise war Mew von ausgesprochen fröhlicher und sorgloser Natur und war stets dafür, Schabernack zu treiben. Einmal hatte Mew es als unterhaltsam empfunden, sich mittels telepathischer Kräfte in Lashons Träumen zu manifestieren und viel Unsinn anzustellen. Lashon hatte gewusst, dass Mew es nie böse gemeint hatte, doch hat er mittlerweile gelernt, Mew bewusst von seinem Geist fernzuhalten, weswegen sein Freund wieder dazu genötigt wurde, Lashon leibhaftig einen Besuch abzustatten. Und es hatte Lashon nicht gewundert, als Mew ihm peinlich berührt erzählt hatte, dass auch andere Pokémon, die mit Mew in Verbindung standen, ihm mittlerweile den Zutritt zu ihrem Geist verwehrt hatten. Doch hatte sich Mew nun nahezu gewaltsam in Lashons Träume Zutritt verschafft. Lashon, der definitiv erbost reagiert hätte, hat es Mew aber direkt angesehen, dass ein dringendes Treffen von Nöten war. Aufgrund der Barriere, die Lashon um seinen Geist errichtet hatte, war Mew auch sehr undeutlich hören zu gewesen. Doch hatte er Lashon deutlich gemacht, dass er sofort draußen vor seiner Höhle auf ihn warten sollte. 

Tag ein, tag aus am Königsberg zu leben war für ein Pokémon wie Lashon, das von so einem Ort mit so einer Szenerie nur tiefe Ruhe und entspannten Frieden erhoffte, zwar ein angenehmes, doch hat er über die Jahre das Zeitgefühl verloren. Nur die Zeitungen aller Länder der Welt, die er seit ein paar Jahren in seine Höhle fliegen ließ, vermochten ihn annähernd über die Geschehnisse in der Welt unterrichten. Lashon lobte sich noch immer für die Idee, denn die Zeitungsartikel, die er ausgelesen hatte, konnte er in seinem Kamin anzünden und dann das Feuer mittels seiner Kräfte, die er als Pokémon des Typs Psycho besaß, sehr lange am Leben erhalten, sodass ihm in der Höhle nie kalt wurde. Jetzt aber merkte er doch, wie lange er Mew nicht mehr gesehen haben musste, denn das letzte persönliche Treffen zwischen den beiden lag gut und gern mehr als zwei Jahrzehnte zurück. Und beklommen bemerkte Lashon, dass Mew dünner geworden war.  Zwar war Mews Statur immer recht schmal, doch seine einstmals rosafarbene, aber nun weiß angelaufene Haut spannte sich wie Pergament über seine Knochen und die Augen von Mew waren von dunklen Ringen umzogen. Lashon brauchte Mew nicht zu bitten, ihm in seine Höhle zu folgen, sodass Mew nach der langen Reise dort hätte Platz nehmen können. Er ahnte, dass Mew sofort umkippen würde, wenn er sich physischer Belastung aussetzte. Mews eingesunkene Augen begegneten denen Lashons, die sorgenvoll zurückblickten.

„Möchtest du vielleicht, ähm, eine Tasse Tee?“, sagte Lashon und er war unsicher darüber, ob Mews Körper nicht auch des Trinkens überdrüssig war. Doch Mew schüttelte den Kopf.

„So gerne ich auch dem zusagen würde“, sagte er mit verzogener Miene, „doch ich habe leider nicht viel Zeit … im Grunde haben wir alle sie nicht.“       

„Was ist mit dir passiert, Mew?“, sagte Lashon, der sorgenvoll Mews Erscheinungsbild betrachtete. „Wie lange haben wir uns nicht gesehen? Es müssen über zwanzig Jahre sein, oder?“

„Dreißig“, sagte Mew knapp angebunden. „Und es tut mir wirklich leid, Lashon! Es ist viel passiert, doch ich habe nicht die Zeit, dir davon zu erzählen, denn ich muss so schnell es geht zurück. Generell drängt die Zeit, dass wir so schnell es geht handeln müssen!“

Lashon blickte unruhig in Mews blaue Augen, in denen sowohl eine Ernsthaftigkeit als auch eine Spur von Angst lagen, worüber Lashon nun erst recht bestürzt war. „Was ist es?“

 

Und Mew begann zu erzählen. Während er erzählte, fühlte Lashon mit Unbehagen, wie der eisige Wind immer kälter wurde und er nun immer stärker zittern musste. Doch er war sich dessen sicher, dass es nicht nur der Wind war. Er sah an Mews Blick, dass er von dem, was er erzählte, vollständig überzeugt war. Als er geendet hatte, wollte Lashon es aber nicht wirklich glauben.

„Ich bin mir dessen sicher“, sagte Mew, als Lashon seine Zweifel offen zugab. „Ich fühle dessen Präsenz immer stärker … ich kann es mir nicht erklären, wie, aber es eine Frage der Zeit, bis es tatsächlich passiert.“

„Aber habt ihr nicht damals dafür gesorgt, dass er für immer fort ist?“, warf Lashon ein, der angesichts der von Mew geschilderten Bedrohung unruhig von einem Bein zum nächsten sprang.

„Davon waren wir alle überzeugt, dass wir ihn auf immer verbannt haben“, sagte Mew, „und was noch schlimmer ist, dass ich keinen der anderen davon in Kenntnis setzen kann“.

„Sag mir nicht, dass ihr noch immer zerstritten seid…“, rieb sich Lashon fassungslos seine Muschelkrone und Mew nickte bedauernd. „Jeder macht sein eigenes Ding, die Einheit der Wächter ist nicht mehr“.

„Oh je…“, murmelte Lashon nachdenklich und sah Mew abwartend in die Augen. „Und was hast du nun vor zu tun?“

„Wenn ich das wüsste!“, rief Mew fast hysterisch. Lashon war bestürzt, seinen sonst immer gut gelaunten Freund derartig ohne Rat und Hilfe zu sehen. Er dachte an das, was Mew ihm erzählt hatte. Eine unangenehme Frage formulierte sich auf der Zunge, die er auch Mew stellte. Dieser wirkte nachwievor niedergeschlagen. Ehe er antwortete, blickte er betrübt nach unten: „Ich schätze, in einem Jahr.“

„Ein Jahr?“, rief nun Lashon offenkundig bestürzt und seine Krone rutschte etwas von seinem Kopf und gab dabei einen an glänzender Glatze frei. Schnell versuchte er sich mittels Richten der Krone zu fassen, doch die Kurzfristigkeit hing wie ein Damoklesschwert über ihn, weswegen er fahrig und sichtlich panischer werdend zweimal auf und abging. Mew beobachtete ihn dabei und als er und Lashon sich wieder in die Augen blickten, bemerkte er, dass Mew erneut schuldbewusst dreinblickte. „Ich müsste dich daher um einen Gefallen bitten, Lashon…“, sagte er mit einer Furcht, die seinen Freund beunruhigte. Doch trotzdem wollte er trotz aller Bedrohung Mew zur Seite und versicherte ihm, dass er zu allem bereit wäre. Schlimmeres könnte es nicht geben.

 „Vortrefflich, Lashon!“, rief Mew mit sichtlich gespielter Begeisterung. „Denn du müsstest an meiner statt die anderen davon in Kenntnis setzen, da ich ja nicht mehr in der … Lage bin …“. Dies war doch schlimmer als Lashon sich gedacht hatte. Das Damoklesschwert erhielt ein massiges Gewicht, das Lashon in seinen Gedanken auf Anhieb zerquetschte. Mew erkannte direkt, dass seine Bitte Lashon erstarren ließ. Er ahnte sehr gut, was er von seinem Freund verlangte, und versuchte schnell die Lage zu retten, ehe aber Lashon ihn unterbrach: „Ich? Allen?“

„Ich weiß“, versuchte Mew ihn zu beschwichtigen, „dass ich viel von der abverlange, aber ich habe so ungefähr einen Plan wie wir es anstellen könnten.“

„Hast du vielleicht daran gedacht, dass ich viel zu alt bin, um zu so einer Reise aufzubrechen?“

„Ich weiß, dass das viel verlangt ist, aber …“

„´Viel verlangt´ ist dabei noch untertrieben formuliert; du verlangst Unmögliches für den Zeitraum, der uns bleibt.“

„Das weiß ich doch auch, und nichts wäre mir lieber, dich dabei rauszulassen. Doch du bist der Einzige, dem ich das zurzeit erzählen kann. Und du kennst die anderen auch. Ich hoffte auch mehr, dass du zwischen uns Waffenruhe stiften könntest.“

„Wenn es wenigstens nur das wäre“, sagte Lashon relativ geplättet und er fühlte sich schlecht dabei, Mew derartig verzweifelt zu sehen. „Doch du vergisst, dass es an sich schon sehr schwierig ist, auch nur zu einem zu gelangen. Selbst wenn du mich von A nach B hin und her teleportieren würdest.“

Er sah es Mew an, dass er das aussprach, was Mew schon die ganze Zeit zu befürchtet haben schien. Beide erkannten, dass ein Jahr offenbar zu wenig an Zeit sei, um rechtzeitig alles zu erledigen, was erforderlich war. Lashon ging auf und ab und seine Gedanken kreisten sich sowohl um Mew als auch um dessen Erzählungen. Dann fiel ihm eine andere Idee ein. Er bat Mew zu warten und ging für ein paar Momente in seine Höhle, bis er dann wieder zwei Keksen in der Hand wieder zurückkehrte. „Hier“, sagte er zu Mew und warf ihm einen in seine kleinen Arme. „Vielleicht hilft uns das beim Nachdenken“

„Tausend Dank, Lashon!“, mampfte Mew; Honigkekse waren seine liebste Süßspeise.

„Ich wusste, dass dich das etwas aufheitern würde, Mew.“, lächelte Lashon aufmunternd. Er fand, dass eine positivere Einstellung eher förderlich war als reine Panik. Das merkte auch Mew, der wieder begann, sanft in der Luft hin und her zu schweben. Seinem Gesicht war es anzusehen, dass der Honigkeks ihn wieder etwas zu seinem alten Selbst beförderte.

„Na also“, sagte Lashon etwas munterer. „Essen hilft jedem. Sowohl alt als auch … jung …“. Gerade fiel ihm ein Detail an, das ihm beim Holen der Kekse ins Auge gefallen war. Und dieses Mal war er es, der Mew einen Vorschlag bereitete. Er wusste schon sehr gut um Mews Reaktion Bescheid und tatsächlich weiteten sich vor Überraschung dessen Augen, als Lashon geendet hatte: „Jemand anderes damit beauftragen? Glaubst du ich überlasse das Schicksal dieser Welt gewöhnlichen Pokémon?“

„Ich weiß, was du damit sagen willst, und ich denke auch, dass keineswegs gewöhnliche Pokémon diese Aufgabe erfüllen könnten. Aber hör mich an, Mew“. Dieser wollte offenbar nichts mehr davon hören, daher wurde Lashon etwas energischer: „Bitte!“

Mews Aufmerksamkeit galt nun dem Laschoking und dieser erzählte, dass er dabei an ganz bestimmte Pokémon dachte und dass er relativ davon überzeugt war, dass sie am ehesten dazu geeignet waren, sich dieser Sache anzunehmen. Mews Gesicht blieb während seiner Erzählung ohne Ausdruck und als Lashon geendet hatte, blickte er gedankenverloren in den Vollmond, der allmählich von einer größeren Wolke verschluckt wurde und das Licht bereits weniger wurde.

„Du bist dir sicher, dass es ihnen gelingen könnte?“, blickte er zwar mit Zweifel, aber auch hoffnungsvoll.

„Zumindest mehr als mir in meinem Alter gerade“, nickte Lashon zuversichtlich. Mews Mund verzog sich zu einem schmalen Lächeln: „Dann hast du mein Vertrauen, Lashon, auch wenn mir nicht ganz wohl dabei ist …“

„Ich weiß, Mew“, entgegnete Lashon. Dann nickt auch Mew endlich: „Schicke sie dann zuerst zu mir, dann kann ich sie in alles Weitere einweihen.“ Lashon verstand. Mew bedankte sich bei ihm einer Verbeugung in der Luft, ehe er sich umdrehte und in Richtung des beinahe in Wolken verschwundenen Mondes schwebte. Sehr kurz darauf hörte Lashon erneut das sanfte Klingeln und als das Mondlicht verschwand und er im Dunkeln stand, kehrte er auch in seine Höhle zurück, die von einer kleinen Lichtkugel erhellt wurde. Diese löschte er nun mit seinen telekinetischen Kräften, doch zuvor fiel sein Blick auf das Detail, das ihn auf die Idee brachte, von der er Mew überzeugt hatte. Es war eine Zeitung von einem Bündel, das von einem äußerst flugfähigen Dragoran in seine Höhle gebracht wurde. Und das Titelblatt beschrieb die Taten eines einzelnen Erkundungsteams, das in den letzten Jahren den Status einer Legende erreicht hatte.



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