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Die Harmonie der Elemente

von

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Zweisamkeit

Die Wirtin begutachtete Vincent und Elenora argwöhnisch als sie in die Taverne stolperten. Vincent blutete und Elenora rieb sich die Hände vor Kälte.
 

„Wir benötigen zwei Zimmer.", Elenora lächelte, auch wenn ihr nicht danach zumute war.
 

Die Wirtin zog die Augenbrauen hoch. „Ihr werdet doch keinen Ärger machen?"
 

„Wir sind erschöpft von der Reise", beschwichtigte Elenora und überreichte ihr zwei Kupferstücke.
 

„Dafür ist nicht mal eines zu haben", entgegnete die Frau. Aufgrund der eisigen Temperaturen und Vincents schwindender Kraft waren sie auf diese Gaststätte angewiesen. Jede Bewegung verursachte ihm Schmerzen, doch er hielt sich auf den Beinen.
 

„Geben Sie uns das Zimmer!", äußerte Vincent trocken. Es war unbegreiflich, wie er sich auf den Beinen halten konnte.
 

Elenora legte noch einige Kupferstücke daneben. Jeden Schritt, den er aus Sturheit machte, schien genauso schmerzhaft für Elenora zu sein, wie für ihn.
 

„Gut..", gab sich die Frau geschlagen und nahm das Geld. Dann deutete sie ihnen, dass sie ihr folgen sollten. Vincents Gedanken gehörten jedoch nur einem. Sein Wunsch war Constantin zu töten. Doch es war unwahrscheinlich, dass er in seinem derzeitigen Zustand kämpfen konnte, auch wenn er es sich nicht gerne eingestand. Im Moment war vorrangig zu Kräften zu kommen - auch wenn das Tier in ihm vor Wut kochte. Er wollte nicht schlafen. Er wollte jeden Stein umdrehen, um Constantin ausfindig zu machen und Rache zu nehmen.
 

Schließlich erreichten sie das Zimmer, welches die Wirtin mit einem beiläufigen "Viel Vergnügen" enthüllte. Das Zimmer wirkte verdreckt und armselig, doch beide waren darauf angewiesen. Elenora erstarrte zur Salzsäule. Nur ein Bett. Nur sie und er. Heute Nacht. Sie musste an etwas anders denken! An die winzige Waschschüssel in der Ecke. Kein Rückzugsort. Elenora sah sich im Raum um, der nichts bot, um sie von ihren Gedanken abzulenken.
 

Elenora beobachtete wie Vincent sich ächzend auf das Bett niederließ und machte sich daran die wenigen Sachen, die sie bei sich trug auf dem Tisch auszubreiten und sich einen Überblick zu verschaffen.
 

Schließlich war es Vincent, der das lange Schweigen durchbrach. „Ich habe die Kontrolle verloren."
 

Elenora blickte ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an.
 

„Als ich dich am Arm gepackt habe.", sagte er dann. Seine Worte wertete sie als Entschuldigung.
 

„Ich habe es herausgefordert." meinte Elenora sanft, während sie ihren Kopf senkte und in ihrer Tätigkeit stoppte.
 

Vincent nickte kaum merklich. Er empfand sein Versagen als demütigend. Sein Gefühl für Stolz und Ehre war nie klein gewesen. Seine Unterlegenheit stellte ihn bloß und die Tatsache, dass er auf Elenora angewiesen gewesen war, war ihm zuwider.
 

„Waffenstillstand?", fügte Elenora schließlich hinzu und näherte sich dem Bett, auf dem er saß.
 

„Gut.", brummte er. Seine Mimik wirkte erschöpft.
 

„Ich möchte mir deine Wunden ansehen...", setzte sie schließlich an, was sie bereits zu lange beschäftigte: Seine gesundheitliche Verfassung.
 

Er wandte seinen Kopf, und ihre Blicke trafen sich.
 

„Wieso tust du das für mich?"
 

„Ich habe mein Leben lang Verwundete versorgt. Es war immer meine Aufgabe."
 

Widerwillig zog er sich das Oberteil über den Kopf und Elenora hielt die Luft an. „Ich muss die Blutung stillen.", meinte sie, während sie ihr Windelement in ihren Händen mobilisierte. „Du musst erschöpft sein, leg dich hin."
 

Der Blutverlust hatte ihn ermüdet. Sich fügend legte er sich auf den Rücken, ließ seinen Kopf auf dem Kissen nieder. Sein Körper drohte den Dienst zu verweigern, aber seine Gedanken waren wild. Er schloss die Augen und fantasierte, wie er Constantin verbrannte. Dieser Gedanke trieb ihn an nicht aufzugeben, die Vorstellung wie sein Gegner die Augen weidete, erschrocken vom Schmerz. Alles in ihm schrie nach Rache, er hatte diesem Gefühl schon einmal nachgegeben und war in die Dunkelheit gegangen. Er wusste, wie das Leben aussah, wenn man danach trachtete.
 

Dann hörte er Elenoras Stimme, sie summte eine Melodie. Irritiert sah er sie an und war wieder in der Realität angekommen. Das Feuer im Ofen tauchte den Raum in warmes Licht und abendliche Ruhe.
 

„Tut mir leid, das ist ein altes Lied der Windgebohrenen. Damit habe ich gelernt das Windelement präzise zu kontrollieren. Ich bedanke mich bei deinen Venen, dass sie dich am Leben erhalten."
 

Vincent erwiderte nichts und blickte in eine Ecke des Raumes.
 

„Und ich bedanke mich bei deiner Haut, die für dich atmet. Ich habe deinen Arm gesehen", flüsterte sie leise, ihre Stimme von einer Mischung aus Neugierde und Besorgnis geprägt. „Wie schnell breitet es sich aus?" Ihre Worte waren sanft, doch sie verrieten eine tiefe Sorge. Die schwarze Färbung seiner Haut war ein untrügliches Zeichen des Chaos, das sich ausbreitete und ihm den Verstand kosten würde.
 

Vincent atmete vor Schmerz heftig aus, als Elenora begann, die Wunde zu reinigen. „Mir bleibt wohl nicht mehr viel Zeit", stieß er hinter zusammengebissenen Kiefer hervor. „Doch das wusstest du bereits, habe ich recht?"
 

„Ich wusste nicht, ob DU es weißt."
 

„Wieso wolltest du nach Winterthur?", wechselte er das Thema, geschickt ihre übermäßige Redseligkeit nutzend, um sich vom Schmerz abzulenken.
 

Es war das erste Mal, seit sie ihm begegnet war, dass der Verräter etwas über sie erfahren wollte. Doch sie war nicht aufgrund seines Verrats in Winterthur. Das war eine Ausrede, die einfach war. Sein Verrat hatte ihr nur den Aufschwung verschafft, Hallstatt hinter sich zu lassen. Als Hochgeborene hätte sie ihre Eltern um Vergebung bitten können und sie wäre ihr gewährt worden.
 

„Ich möchte neue Entdeckungen machen, die die Welt zum besseren verändern. Verstehst du?" Schon als Kind hatte sie einen sechsten Sinn. Damals hatte sie das Flüstern der Elementarwesen vernommen. Heut war das Flüstern war zu einem Schrei geworden, den sie nicht ignorieren konnte. Sie fand tiefe Unruhe in sich selbst. „Wir sollten versuchen Elementargeister zu verstehen und ihre Weisheit nutzen. Womöglich können sie das Chaos verstehen. Ich könnte unzähligen Metabolen das Leben retten."
 

Die Energie der Elemente war stark in Vincent. Bereits bei ihrer ersten Begegnung spürte sie diese Kraft, die ihn unverkennbar machte. Alles an ihm verwirrte Elenora – von der geheimnisvollen Anziehungskraft bis zu den undurchdringlichen Schatten seiner Vergangenheit. Ihr Herz raste gegen ihre Brust, als hätte es die Orientierung verloren, weil es in einen Wirbelsturm geraten war.
 

„Ich finde dich unendlich interessant.", sagte sie dann. In diesem Moment strif sie sanft über die schwarz gefärbte Haut seines Armes. Vincent versteifte sich, woraufhin Elenora den Kopf sinken ließ und ihre Augen abwandte. Ihre Worte entbehrten sich jeder Logik, und sie wusste, dass er nicht wie sie empfand. Sie dankte Gott, dass er weder wegzuckte noch weiter darauf einging, was sie soeben getan hatte.
 

Sie wandte sich rasch einer anderen Tätigkeit zu: der Waschschüssel, die ihr zumindest diesen Luxus bieten konnte. Während Vincent langsam vor Erschöpfung einschlief, sah sie zu ihm und schämte sich für das, was soeben passiert war. In ihren kühnsten Tagträumen, und davon gab es reichlich, hätte sich Elenora diese Situation nicht ausgemalt.
 

Nachdem Elenora sich gewaschen hatte, schlüpfte sie unter die Decke. Sie spürte, wie ihre Wangen sich erhitzten, und ein unangenehmes Kribbeln durchfuhr sie, als sie zu ihm hinüberblickte und sich fragte, ob ihn anzusehen zur Sucht werden würde.



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